ThemaFlucht aus Myanmar„Ich werde hart arbeitenund mein Landneu aufbauen.“Angst vor den Soldaten, Angst,geschlagen und eingesperrt zuwerden, Angst um ihr Leben.Das empfanden sie, als sie sichentschlossen, der Militärdiktaturin Myanmar (Burma) zuentfliehen.Der Bericht der 14-jährigenMichelle lässt einiges vom Leidund von der Dramatik desLebens dieser Menschenerahnen.Umso beeindruckender sind dieEmpfindungen der Mitarbeitervon Hilfsorganisationen, die sichum burmesische Flüchtlingskinderkümmern:„Wir haben viel von diesenwunderbaren Kindern gelernt,von ihrem Gemeinschaftssinn,ihrer Bereitschaft, einander zuhelfen, ihrer immensen Dankbarkeitselbst für kleinste Dinge.Doch am schönsten ist ihreFähigkeit, zu lieben und ihreBereitschaft, zu vergeben.Es ist wahrscheinlich derwichtigste Schritt in RichtungFrieden.“Das spiegelt sich auch inBerichten anderer Kinder wieder,die alle hoffen, heimkehrenzu können:„Ich möchte Arzt werden unddie Kranken heilen.“„Ich möchte eine großeBibliothek für Waisenkindererrichten.“„Ich werde hart arbeiten undmein Land neu aufbauen.“„Ich bete um Frieden.“„Ich glaube, dass wir einmal einentwickeltes und demokratischesLand mit einer gutenRegierung sein werden.““Ich liebe <strong>unser</strong> schönesMyanmar.“Kinder solltenim Park laufen …In <strong>unser</strong>em Heimatdorf in Myanmarwar mein Vater der Bürgermeister.Wir hatten ein StückLand, auf dem wir Gemüseanbauten.Ich besuchte die baufälligeSchule des Dorfes. Die meistenSchüler hatten nicht einmal dasGeld, um eine Schuluniform zukaufen.In <strong>unser</strong>em Dorf waren hauptsächlichChristen. Die Soldatenmochten die Christen nicht. Wirfürchteten uns vor ihnen, dennsie hatten Gewehre.An den Wochenenden musstenalle Leute, auch wir Kinder, aufden großen staatlichen Plantagenarbeiten.Eines Tages kam mein Vater vollerblauer Flecken heim, dieSoldaten hatten ihn geschlagen,weil sie mit seiner Arbeit nichtzufrieden waren.Jetzt hat er im Gesicht eineNarbe. Jedes Mal, wenn ich siesehe, bin ich auf die Soldatenwütend.Zeichnung einesFlüchtlingskindesEines Tages ging mein Vater zurArbeit und kam nicht mehr nachHause. Am Abend kamen Leuteund nahmen uns die Ausweiseund Dokumente weg.Einer der Dorfbewohner hattemeinen Vater in einem Bus gesehen.Er war davon gelaufen,weil es ihm nicht gelungen war,die Leute zur Erntezeit dazu zubringen, auf den Reisfeldern zuarbeiten und weil er Angst hatte,die Soldaten würden ihn deswegenmisshandeln.Dann blieb meine Mutter dreiTage lang weg. Als sie zurückkam,war sie sehr traurig.In dieser Nacht ließ sie uns<strong>unser</strong>e Sachen packen. Sie sagte,wir würden jetzt meine Tantebesuchen.Als wir dort waren, hörte ich, wiemeine Mutter weinte. Sie erzähltemeiner Tante, dass dieSoldaten sie mitgenommen undgedroht hatten, sie zu schlagenund zu verhaften, wenn sie meinenVater nicht findet.Meine Mutter verließ uns, siewollte Arbeit suchen und unsspäter holen.Meine zwei kleinen Brüder undich kamen in ein Waisenhaus.Meine Tante war arm, sie konnteuns nicht unterstützen, aber siebesuchte uns dann ein paarMal.Im Waisenhaus standen wir um4 Uhr früh auf und bereitetendas Essen für uns und für dieSchweine vor. Wir gingen vonHaus zu Haus und sammeltendas Schweinefutter.Wir bekamen zwei Mal am Tagetwas zu essen. Der Reis warhart, es waren auch kleine Steinedrinnen und Reste von den Reispflanzen.Jeden Tag ging ich eine halbeStunde bis zur Schule. Ich warmüde und so schimpften die Lehrermit mir.Im Winter hatten wir nicht genugDecken, es war uns ständig kalt.Ich bin immer wieder krankgewesen. In den Ferien musstenwir in den Dörfern arbeiten.Nach zwei Jahren im Waisenhaushörten wir wieder von<strong>unser</strong>er Mutter. Sie war inThailand, hatte Geld aufgetriebenund jemanden gefunden,der uns aus Myanmar herausholensollte.Mit Hilfe des Mannes, der unskontaktiert hatte, gelang es unsschließlich eines Tages, aus demWaisenhaus wegzulaufen.Man verfrachtete uns in einenBus, mit dem wir eine Wochelang unterwegs waren.Immer, wenn er auf der Streckestehenblieb oder in der Nachtgeparkt war, versteckten wir unsunter den Sitzen, denn der Buswurde oft von Soldaten kontrolliert.Wir hatten Angst, aberglücklicherweise entdeckten sieuns nicht.Schließlich überquerten wir dieGrenze und kamen in ein Lager,wo es schon viele Flüchtlingegab. Wir konnten bald <strong>unser</strong>eMutter treffen und einige Zeitdanach sahen wir auch wieder<strong>unser</strong>en Vater.Der Tag, an dem wir alle vereintwaren, war der glücklichste inmeinem Leben.MichelleTHAILAND: Schulbildung, Ernährung und Betreuungfür Flüchtlingskinder in der Provinz Kanchana Buri.Super-Mikro 2433Im thailändischen Grenzgebiet zuMyanmar leben viele Familien, dieaus ihrer Heimat flüchteten.Mangels gültiger Dokumente dürfenihre Kinder keine öffentliche Schulebesuchen. Doch dank einer buddhistischenNonne haben viele Flüchtlingskinderdie Chance, an einemUnterricht teilzunehmen.Vor zwanzig Jahren begann PrimjaiManeerat, Kinder vom Volksstammder Karen zu unterrichten, einerethnischen Minderheit, die auf beidenSeiten der Grenze lebt. InThailand werden sie diskriminiert,in Myanmar verfolgt.Durch alternative Unterrichtsmethodenwerden die Schülerinnenund Schüler auch auf einmögliches Umsteigen in eine staatlicheSchule vorbereitet.Das betrifft thailändische Kinderwie auch Flüchtlingskinder, die soeine Chance für eine Integrationund spätere Weiterbildung erhalten.Neben dem klassischen Unterrichtwird auch die Tradition der ethnischenGruppen gepflegt.Tanz und Musik sollen dafür sorgen,dass die Kinder ihre eigene Kulturnicht vergessen. Darüber hinauslernen sie Kochen, Nähen, Strickensowie andere praktische Fertigkeiten.Die Eltern leisten, wenn sie es können,einen bescheidenen Beitrag.Auf einem größeren Feld, das derSchule gehört, werden Reis undGemüse angebaut, um die Kinder zuernähren. Aber das reicht bei weitemnicht.„Schon oft habe ich den Mut verloren,wenn ich an die vielen Problemedenke, die uns täglich belasten.Aber irgendwie geht es immerweiter. Wir werden jedenfalls nichtaufgeben.“Nonne Primjai bittet uns um weitereUnterstützung, um Reis, Gemüse, Öl,Zucker, Fleisch, Nudeln und Gewürzekaufen zu können.2.690,– Euro für 40 Kinder für einhalbes Jahr, das sind 10,– Europro Kind, um es einen Monat langin der Schule zu ernähren.10 Informationsblatt des <strong>Entwicklungshilfeklub</strong>s UNSER PROJEKT Nr. 120 – September 200911
Thema Partner… in BrasilienCAMMCasa de Atendimentopara Meninos y ManinasHaus zur Betreuung von Buben und MädchenKleines privates Hilfswerkin der Favela Linha de Tiroder Stadt Recife, BrasilienGründer und Leiter:Roberta + Ademilson BarrosBeitrag des<strong>Entwicklungshilfeklub</strong>s:Im Rahmen des Projekts 214 –Mit leuchtenden Augentragen wir seit November 2006im Haus von CAMM zurVersorgung und Ausbildungvon über 100 Buben und Mädchenbei, außerdem zur ambulantenBetreuung weiterer, noch auf derStraße lebender oder sozial geschädigterund gefährdeter Kinder.Foto oben: Ademilson BarrosFotos rechts:Die auf einem Hang gelegene FavelaGefährdete Kinder auf der StraßeLernen und feiern im ProjektzentrumDas Bügeleisen„Sie sind hungrig“, sagte die Frau zu ihrem Mann.Ademilson holt ein altes Bügeleisenaus dem Schrank.„Mein Großvater war noch einSklave. Die Knöpfe mussten vordem Bügeln abgetrennt unddanach wieder angenäht werden.Eine Schikane, um Untergebenezu demütigen.“Die seinen Vorfahren zugefügtenWunden schmerzen noch immer.Aber er gibt zu verstehen, dasser daraus auch Kraft für seinEngagement schöpft.„Wir glauben fest daran, dasswir den Kindern, die heute hungernund leiden, helfen können,einen Platz in einer gerechtenWelt zu finden.“Die ersten GästeUnd so begann es:Roberta ist 17, Ademilson 23Jahre alt. Das frisch verheiratetePaar ist grade erst in sein kleinesHaus eingezogen, als sie bemerken,dass sie beobachtet werden.Vor den Fenstern sind einigeKinder. Sie sagen nichts, sie stehennur da und schauen.„Sie sind hungrig“, sagt die jungeFrau zu ihrem Mann.Die beiden haben nicht viel Geld,aber einen Job und ein regelmäßigesEinkommen.80 Prozent der etwa 50.000Bewohner der Favela Linha deTiro am Stadtrand von Recifehaben das nicht.So werden jeden Tag ein paarTeller mehr auf den Tisch gestellltund gefüllt.„Ein bisschen Essen, ist das eineLösung für diese Kinder?“Die beiden fangen an, den Kindernauch Lesen und Schreibenbeizubringen.Die Besucher werden immer zahlreicher,die Anforderungen undAusgaben höher und sie schaffenes nicht mehr allein.1983 erhalten sie eine Unterstützung,um ein Haus und einGrundstück zu erwerben.So kommt es zur Gründung vonCAMM, einem Hilfswerk für dieKinder der Favela.„Wir versuchen, Kinder davor zubewahren, auf der Straße zu landenund im Sumpf der Stadtunterzugehen.“Eines der Kinder erzählt:„Ich bin jeden Tag ein paarStunden hier.Man hilft mir bei denSchulaufgaben und abnächstem Jahr werde ich ineiner der Werkstätten einenBeruf erlernen.Man kann hier verschiedeneSportarten betreiben.Meine Eltern kommen auchmanchmal. Wenn es Volkstänzeoder ein Fest gibt.In der Familie vertragen wir unsjetzt besser und auch mein Vaterist freundlicher geworden.“StraßenkindKein Kind lebt freiwillig auf derStraße. Meist sind es Hunger undGewalt, die es dazu treiben, demfamiliären Umfeld zu entfliehen.Arbeitslose, alkoholisierte Väter,die mit ihrer Situation nicht zurechtkommen,lassen ihre Frustrationenan den Kindern aus.Und wenn nicht genug Geld imHaus ist, um sie zu ernähren undin die Schule zu schicken, beginnendie Kinder, mit kleinenArbeiten wie Schuhe putzen, Altpapiersammeln, Zeitungen austragenoder an Ampeln Windschutzscheibenwaschen ihrEssen zu verdienen.Die Entfernung von den Favelaszu den Arbeitsplätzen im Stadtinnerenist groß und die Motivation,nach Hause zurückzukehrenwird immer geringer.Die TodesfalleVon skrupellosen Erwachsenenmissbraucht, beginnt für Kinderder Weg in den Drogenkonsum,die Beschaffungskriminalität, dieProstitution.Zunächst werden am MarktLebensmittel gestohlen, von PassantenGeldbörsen oder Uhrenerbeutet.Um sich Mut zu machen, inhalierendie Kinder Klebstoff, einebillige Droge. Sie lässt auchAngst, Hunger und Einsamkeitkurzfristig vergessen – und zerstörtAtemwege und Gehirn.Es folgen Einbrüche, bewaffneteÜberfälle. Jetzt werden sie vonder Gesellschaft gefürchtet, alsFreiwild betrachtet und als solchesgejagt.Im Jahresdurchschnitt wird inRecife fast jeden Tag ein Straßenkindermordet.Sonne und RegenAdemilson und Roberta Barroskümmern sich auch schon um diegefährdeten Kinder der Favela,wenn diese noch einen losenKontakt zu ihrer Familie haben.Denn sonst besteht die Gefahr,dass sie eines Tages überhauptnicht mehr heimkommen.„Dank eurer Mithilfekönnen wir Kindernjeden Tag Tore öffnen undZukunftsperspektiven bieten.Euer Verständnis und eureSympathie helfen uns, weiterzumachen.An den sonnigen Tagen,an denen wir singen,an den dunklen Tagen,an denen wir weinen.“12 Informationsblatt des <strong>Entwicklungshilfeklub</strong>sUNSER PROJEKT Nr. 120 – September 200913