NGO-Aktivist. Beide Kandidaten hatten sich mit Unterstützung der Vereinigten Entwicklungspartei(Partai Persatuan Pambangunan, PPP) aufstellen lassen. Die PPP genoss in Aceh schon immer mehrAnsehen als ‚islamische Alternative‘ zur Golkar.Die Entscheidung unter dem Banner einer nationalen Partei zur Wahl anzutreten, stieß innerhalb undaußerhalb Acehs jedoch auf große Verwunderung. War doch der Punkt, dass Aceh lokale Parteiengründen und bis dahin parteiunabhängige Kandidaten aufstellen darf, einer der am längsten umstrittenenVerhandlungspunkte beim MoU gewesen, an dem die Einigung beinahe gescheitert wäre. Umsoerstaunlicher war nun also, dass die alten GAM-Eliten im Ausland plötzlich auf die Parteistruktur derPPP und deren Wahlkampfmaschinerie zurückgreifen wollten. Zwar wäre es in der kurzen Zeit zwischenMoU-Unterzeichnung und der Wahl völlig undenkbar gewesen, lokale Parteien in Aceh zugründen (diese sollten frühestens zu den regionalen Parlamentswahlen 2009 antreten dürfen und dierechtliche Grundlage wurde erst mit dem LoGA im August 2006 geschaffen), dennoch war die Entscheidungder ‚grauen Eminenzen‘ in Stockholm für eine Kollaboration mit den etabliertenindonesischen Parteien für viele GAM-Kämpfer schwer nachvollziehbar. Für noch mehr Unwollen inden eigenen Reihen sorgte, dass die Ernennung der Kandidaten ohne ausreichend demokratischeAbstimmungsprozesse stattfand. Auch die nepotistische Klüngelei wurde nicht wohlwollend von denübrigen GAM-Mitgliedern aufgenommen. Insgesamt sorgte das autoritäre Gebaren der alten GAM-Elite aus Stockholm vor allem bei den jüngeren Anhängern für Protest.Kurzerhand schlossen sich Irwandi Yusuf, ein ehemaliger, sehr erfolgreicher GAM-Stratege, der in denUSA studiert und in Lateinamerika an Guerillatrainings teilgenommen hatte, und Muhammad Nasarvon SIRA, der Bewegung für ein Unabhängigkeitsreferendum, zusammen und stellten sich als parteiunabhängigesGegenkandidatenpaar für die Wahl auf. Beide zählten ebenfalls auf die Gunst der GAM-Anhänger und Sympathisanten in Aceh. In den Monaten und Wochen vor der Wahl kam es also zueiner Spaltung innerhalb der GAM, zwischen denen, die sich gegenüber den langjährigen Führern ausStockholm loyal zeigten, und denen, die einen Generationswechsel innerhalb der GAM für angebrachthielten und die es bevorzugten, die Politik in Aceh in die eigenen Hände zu nehmen. Zur Überraschungvieler erhielten diese ‚Jungtürken‘ die meisten Stimmen bei den Wahlen. Der Spaltungzwischen der jungen GAM-Fraktion und den alten GAM-Führern hielt auch im Nachhinein an undführte bei der Gründung der Partei Aceh, dem politischen Nachfolger der GAM, im Frühjahr 2008erneut zu Unstimmigkeiten.Ohne weiter darauf oder auch auf die Gründe für den Wahlerfolg von Irwandi Yusuf und MuhammadNasar einzugehen, möchte ich kurz erwähnen, dass auch andere parteiunabhängige Kandidatenpaare,die eine GAM-Affiliation hatten, bei der Wahl recht erfolgreich waren. Mehrere prominente Rückkehreraus der Diaspora vermochten sich Posten als Bürgermeister oder Landräte zu sichern, wie zumBeispiel Nurdin Abdurrahman, nun Landrat in Bireuen, oder Munarwarliza Zainal, derzeit Bürgermeisterin Sabang. Es ist allerdings längst nicht so eine deutliche Dominanz der Diaspora oder einerbestimmten Diasporafraktion zu beobachten wie vergleichsweise in Osttimor, wo nach der Unabhängigkeiteine Vielzahl von Regierungsposten an die so genannte Mosambique-Clique ging. In Acehfinden wir durchaus auch eine Reihe von Landräten, die von anderen indonesischen Parteien (z.B.Golkar, PAN) unterstützt wurden und die bereits zuvor zur politischen Elite gehörten.Außerdem muss man auch sehen, dass für die neuen Landräte mit Diasporahintergrund nicht nur ihrfrüheres Engagement bei der GAM ausschlaggebend bei der Wahl war, sondern einige von ihnen hattendie Zeit im Ausland zum Studieren genutzt. In dieser Hinsicht waren sie freilich im Vergleich zuanderen, ‚gewöhnlichen’ Flüchtlingen privilegiert. Diese Vorteile gelten auch für studierte Heimkehrerohne GAM-Anbindung. Nach dem Tsunami suchten internationale NGOs händeringend Projektpartnerund Übersetzer. Gut ausgebildete Rückkehrer fanden relativ einfach Anstellung in Wirtschaft und Verwaltung,vor allem in der Wiederaufbaubehörde (Badan Rehabilitasi dan Rekonstruksi, BRR) oder42
auch der Reintegrationsbehörde für Exkombattanten (Badan Reintegrasi Damai Aceh, BRA). EhemaligeKontakte aus der Diaspora erwiesen sich bei der Jobsuche wiederum als behilflich.Als Zwischenfazit kann also festgehalten werden, dass, obwohl eine jüngere Generation der GAM dieadministrative Macht in Aceh übernommen hat, die ‚grauen Eminenzen‘ aus Schweden nach wie vorüber viel symbolische Macht in Aceh verfügen. Auch wenn sich Malik Mahmud und Zaini Abdullahnicht ununterbrochen in Aceh aufhalten, so verhalten sich doch viele ehemalige GAM-Kommandeureihnen gegenüber loyal. Dank moderner und billiger Kommunikation, wird der tägliche Kontakt mitMalik Mahmud auch in seiner Abwesenheit aufrecht erhalten. Sie werden auch weiterhin bei politischenEntscheidungen konsultiert. So gesehen stellen sie durchaus ein gewisses Hindernis für zügigeVeränderungen dar. Zudem möchte ich anmerken, dass die Rückkehr von Hasan Tiro der Position derStockholm-Clique in Aceh noch einmal zusätzliche Unterstützung verliehen hat. Sie waren diejenigen,die Hasan Tiro heimführten und Statements in seinem Namen verlasen. Obwohl all das keine unmittelbarenpolitischen Folgen hatte, ist doch zu erwarten, dass die Partei Aceh, also dieNachfolgeorganisation der GAM, sich nächstes Jahr in ihrem Wahlkampf auf dieses Moment stützenwird. Noch immer genießt Hasan Tiro enormes Mobilisierungspotential bei der weniger gebildetenWählerschaft.Die übrige acehnesische DiasporaWas passiert mit den Acehnesen, die nicht nach Aceh zurückkehren (wollen)? Welche Auswirkunegnhat das Friedensabkommen für deren Alltag und das Leben in der Diaspora? Insgesamt finden wir vielMisstrauen gegenüber dem Friedensabkommen. Genau genommen sind die Acehnesen in der Diasporaskeptischer gegenüber der Dauerhaftigkeit des Friedens als die Acehnesen in Aceh selbst. Das grundsätzlicheMisstrauen gegenüber der indonesischen Regierung verdeutlicht folgendes Zitat einesacehnesischen Mannes in Dänemark:Aceh befindet sich in einem Übergang. Es ist noch unklar, ob der Frieden in Aceh diesmal haltenwird oder nicht. <strong>Indonesien</strong> hat Aceh schon so oft betrogen. Natürlich ist der Frieden gut, aberdenk an die früheren Friedensabkommmen [Cessation of Hostilities, 2002], die haben nicht langegehalten. <strong>Indonesien</strong> hat diese immer wieder gebrochen. Nach Aceh zurückkehren? Aber nichtjetzt!Betrachtet man die verbleibende acehnesische Diaspora, kann man feststellen, dass der Zusammenhaltals Gruppe geringer geworden ist. Aktivitäten, die auf die Unterstützung der Heimat zu Konfliktzeitengerichtet waren (Geld sammeln, Demonstrationen organisieren etc.) und die die Acehnesen zusammengeschweißthatten, gibt es so nicht mehr. Sie werden auch nicht mehr benötigt. Während meinerFeldforschung in Malaysia, Dänemark, Schweden und den USA, sind mir folgende vier Tendenzen,was das politische Verhalten in der acehnesischen Diaspora betrifft, aufgefallen:Rückzug aus der DiasporaWiederholt stellte sich während meiner Feldforschung heraus, dass einige ehemalige Schlüsselpersonenin der Diaspora nicht interviewt werden wollten. Oft ging diese ablehnende Haltung mit einergrundsätzlichen Ablehnung des Friedensabkommens und dem Rückzug aus der Diaspora einher. Stattwie früher im Zusammensein mit ihren Landsmännern und -frauen eine Art von Heimat in der Fremdezu finden, versuchten einige von ihnen jetzt eher westliche Lebensstile zu etablieren. Der Fokus inihrem Alltag schien nicht mehr auf die Schwierigkeiten in der Heimat gerichtet, sondern auf ihr eigenesWohlergehen und ihr persönliches Vorankommen sowie auch stärker auf die Integration in das43
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