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Probleme mit dem Akteneinsichtsrecht in Steuerstrafverfahren

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<strong>Probleme</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> <strong>in</strong><strong>Steuerstrafverfahren</strong>Von Rechtsanwalt Dr. jur. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht,Wiesbaden1. E<strong>in</strong>führung2. <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> als Recht und Pflicht der Verteidigung3. Umfang der Aktene<strong>in</strong>sicht4. Elektronisch gespeicherte Datensammlungen5. „Verstecken“ von Unterlagen <strong>in</strong> verme<strong>in</strong>tlich aktene<strong>in</strong>sichtssicheren Handakten (=Fallheften der Steufabzw. BP)6. Verweigerung der Aktene<strong>in</strong>sicht nach § 30 AO7. I.d.R. Ke<strong>in</strong>e Aktene<strong>in</strong>sichtsversagungsgründe nach § 147 II StPO <strong>in</strong> Steuerstrafsachen8. § 147 V StPO9. Zeitpunkt der Aktene<strong>in</strong>sicht10. Dauer der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährunga) Dauer der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährungb) Zeitraum zwischen Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung und Hauptverhandlung11. rechtswidrige Beschränkungen des <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong>s <strong>in</strong> der <strong>Steuerstrafverfahren</strong>spraxis12. Inhaftierter Beschuldigter13. Procedere nach Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung14. Verwertungsverbot, Verfahrensh<strong>in</strong>dernis15. Exkurs: Auswirkungen fehlender Seiten im Besteuerungsverfahren16. Strafbarkeit der rechtswidrigen Aktene<strong>in</strong>sichtsverweigerung17. Fazit1. E<strong>in</strong>führungE<strong>in</strong>e wirksame Verteidigung des Beschuldigten ist auch im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>nur möglich, wenn er und se<strong>in</strong> Verteidiger die ihm zur Last gelegten Umständekennen. Das setzt die weitgehende und umfassende Kenntnis des Inhalts der(Steuer-)Strafakte voraus 1 . Nur e<strong>in</strong>e möglichst frühzeitige Information über dieVorwürfe, wegen derer er<strong>mit</strong>telt wird, versetzt den Verteidiger <strong>in</strong> die Lage, sich aufe<strong>in</strong>e effektive Verteidigung e<strong>in</strong>zurichten und sich Verteidigungs<strong>mit</strong>tel zubeschaffen, weitere -eigene- Er<strong>mit</strong>tlungen anzustellen 2 und auf denVerfahrensausgang schon während des Er<strong>mit</strong>tlungsverfahrens E<strong>in</strong>fluß zunehmen 3 . Deshalb ist das <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des § 147 StPO e<strong>in</strong> Kernstück derVerteidigung, das den Grundsätzen des Rechts auf rechtliches Gehör <strong>in</strong> Art. 103Abs. 1 GG und des fairen Verfahrens entspr<strong>in</strong>gt 4 .1 Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblattsammlung, Stand: 29. Erg.-Li. 11/ 2001, § 392 RN 132.2 Dierlamm <strong>in</strong> Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Kap. 21 RN 63.3 Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblattsammlung, Stand: 29. Erg.-Li. 11/ 2001, § 392 RN 132; Spriegel <strong>in</strong>Wannemacher, Steuerstrafrecht, 4. A., RN 2083 ff.; Burhoff, Aktene<strong>in</strong>sicht im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, PStR2000, 58.4e<strong>in</strong>gehend zur Aktene<strong>in</strong>sicht im <strong>Steuerstrafverfahren</strong> auch Schumann, Zur Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong><strong>Steuerstrafverfahren</strong>, wistra 1995, 181; Burkhard, Zum Recht des Strafverteidigers auf Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong>


22. <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> als Recht und Pflicht der VerteidigungAbgeleitet aus <strong>dem</strong> Mandat hat der Verteidiger das Recht – und die Pflicht 5 - zurAktene<strong>in</strong>sicht, § 147 I StPO. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>lassung für den Beschuldigten ohnevorherige Aktene<strong>in</strong>sicht ist e<strong>in</strong> grober Kunstfehler. Ob e<strong>in</strong> Fall der notwendigenVerteidigung nach § 140 StPO vorliegt oder es sich um e<strong>in</strong>e Wahl- oderPflichtverteidigung handelt oder nicht, spielt ke<strong>in</strong>e Rolle.E<strong>in</strong>es der wichtigsten Rechte des Verteidigers ist die Möglichkeit, die dasVerfahren betreffenden Akten e<strong>in</strong>zusehen. Dies ist <strong>in</strong> § 147 I StPOune<strong>in</strong>geschränkt garantiert 6 .Neben <strong>dem</strong> strafrechtlichen <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> besteht auch e<strong>in</strong> steuerliches<strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> 7 , das gleichzeitig oder unabhängig von den strafrechtlichen<strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> nach § 147 I StPO geltend gemacht werden kann 8 .Insbesondere kann der Antrag auf Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen nach §364 AO gestellt werden, bei <strong>dem</strong> die Verwaltung möglicherweise zur Mitteilungund Darstellung der Besteuerungsgrundlagen Aktenteile bzw. Kopien der Akteübersenden kann bzw. muß 9 , wenn nicht anders die Besteuerungsgrundlagenverständlich dargelegt werden können.3. Umfang der Aktene<strong>in</strong>sichtZwar def<strong>in</strong>iert die StPO nicht, was unter „Akte” i.S.v. § 147 StPO zu verstehen ist.Entgegen Burhoff 10 ist dies jedoch ke<strong>in</strong> Problem. Denn viele Begriffe haben ke<strong>in</strong>eim Gesetz nachzulesende Legaldef<strong>in</strong>ition. Aus der Wortlautauslegung ergibt sichjedoch leicht verständlich, daß da<strong>mit</strong> alles geme<strong>in</strong>t ist, was systematisch zu <strong>dem</strong>betreffenden Fall gesammelt wurde, wobei es auf das aktenmäßige E<strong>in</strong>heftennach der theleologischen Auslegung wohl nicht ankommen kann, da ansonstenstrafrechtlichen Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren, wistra 1996, 171; ders., Aktene<strong>in</strong>sicht des Strafverteidigers <strong>in</strong><strong>Steuerstrafverfahren</strong> -hierzu gehört u.a. auch der „rote Bogen“ und das Fallheft des Betriebsprüfers, StV2000, 526; ders., <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Strafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, DStZ 2000, 850; ders.,Die Ablehnungspraxis der F<strong>in</strong>anzämter bei Aktene<strong>in</strong>sichtsgesuchen im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, INF 2001, 168.5 Dahs weist zutreffend darauf h<strong>in</strong>, daß der Verteidiger bei der Verweigerung der Aktene<strong>in</strong>sicht die Rechts<strong>mit</strong>telhiergegen prüfen muß, Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 6. A., RN 242.6 Weyand <strong>in</strong> Schwarz, AO-Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: 97 Erg.-Li. 12/2001, § 392 RN 29.7 Burkhard/Adler, Betriebsprüfung und Steuerfahndungsprüfung, § 208 RN 135.8 Burkhard, Zum Recht des Strafverteidigers auf Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> strafrechtlichen Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren, wistra1996, 171; ders., Aktene<strong>in</strong>sicht des Strafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong> -hierzu gehört u.a. auch der „roteBogen“ und das Fallheft des Betriebsprüfers, StV 200,526; Welp <strong>in</strong> Festgabe für Peters, 1984, S. 309; Pfeiffer,Das <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Strafverteidigers, <strong>in</strong>: Festschrift für Odersky, 1996, S. 453.9 Burkhard/Adler, Betriebsprüfung und Steuerfahndungsprüfung, § 208 RN 135; Streck, Steuerstrafrecht, 3. A.,RN 812 ff.10 Burhoff, Aktene<strong>in</strong>sicht im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, PStR 2000, 58.


3leicht durch Ausheftungen be- und entlastende Materialien aus der Akte und da<strong>mit</strong><strong>dem</strong> <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> herausgefiltert werden könnten. Letztlich wird manaufgrund der Üblichkeit der EDV-Technik wohl auch alle elektronischgesammelten bzw. gespeicherten Marterialien als zu e<strong>in</strong>em bestimmten Fall undda<strong>mit</strong> zu den Akten im S<strong>in</strong>n des § 147 I StPO gehörend ansehen müssen 11 . DieVerwaltung wird daher elektronische Steuererklärungen oder Kontroll<strong>mit</strong>teilungen<strong>in</strong> Form von emails oder Verprobungen und BP- oder FP-Schlußberichte genausoausdrucken müssen und <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Akte <strong>dem</strong> Verteidiger zur Verfügung stellenmüssen, wie bislang, als auf Vordrucken diese Inhalte sowieso papiermäßig <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er Akte gesammelt wurden.Das E<strong>in</strong>sichtsrecht des Verteidigers erstreckt sich so<strong>mit</strong> auf die vollständigenAkten e<strong>in</strong>schließlich aller verfahrensbezogenen Vorgänge, die zu den Aktengenommen wurden 12 . E<strong>in</strong>en weiteren Anhaltspunkt für den Umfang dessteuerlichen <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong>s, gibt auch der Beschluß des BFH vom16.05.2000 13 , der <strong>in</strong>soweit wörtlich ausführte:“Ist e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzbehörde dazu verurteilt, e<strong>in</strong>er Person E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ebestimmte Akte zu gewähren, so hat die F<strong>in</strong>anzbehörde dieser Persongrundsätzlich die vollständige Akte <strong>mit</strong> allen Nebenakten, auch <strong>mit</strong>Beweis<strong>mit</strong>telakten und allen etwaigen <strong>in</strong>ternen Unterlagen (z. B.Entwürfe, Gutachten, Handakten der Prüfer oder der Fahnder),vorzulegen. Insoweit kann nichts anderes gelten als <strong>in</strong> <strong>dem</strong> Fall, daße<strong>in</strong>e Behörde e<strong>in</strong>er anderen Behörde im Wege der Amtshilfe Aktenvorzulegen hat (§ 86 FGO). Diese Vorschrift bestimmt auch die Grenzender Vorlagepflicht bzw. der E<strong>in</strong>sichtsgewährung (vgl. Urteil desBundesf<strong>in</strong>anzhofs – BFH - vom 25.07.1994 X B 333/93, BFHE 174, 491,BStBl II 1994, 802 m. w. N.).“Ob der Steuerpflichtige bzw. se<strong>in</strong> Vertreter alle Seiten oder Akten sehen will odernicht, muß er selbst entscheiden. Die F<strong>in</strong>anzverwaltung ist jedoch nichtvorgeschalteter Filter und darf nach ihrem Ermessen oder Gutdünkenentscheiden, was wohl für den Steuerpflichtigen oder dessen Verteidiger11 Vgl. §98b StPO; ebenso: Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 6. A., RN 234.12 zum sogenannten formellen Aktenbegriff des BVerfG, Beschluss vom 07.12.1982, 2 BvR 900/82, StV 1983,137 = NJW 1983,1046, danach s<strong>in</strong>d Akten die vollständigen Akten und Aktenteile, welche die StA <strong>dem</strong>Gericht als möglicherweise bedeutsam für das Verfahren und die Entscheidung über die Schuld- und Straffragezugeleitet hat, die das Gericht angelegt oder zur Erfüllung se<strong>in</strong>er Aufklärungspflicht beigezogen hat sowie alleverfahrensbezogenen Vorgänge, die zu den Akten genommen worden s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>schließlich sämtlicher Beiakten.13 BFH, Beschluss vom 16.05.2000, VII B 200/98, BStBl 2000 II, 541, 543.


4<strong>in</strong>teressant, wichtig und erheblich ist oder nicht.4. Elektronisch gespeicherte DatensammlungenWeiter unterliegen auch die von den Er<strong>mit</strong>tlungsbehörden sichergestellten(elektronisch gespeicherten) Daten und Programme auf Disketten und Festplatten<strong>dem</strong> <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Verteidigers 14 . Das gilt auch für von denEr<strong>mit</strong>tlungsbehörden neu erstellte Dateien, die verfahrensrelevante Vorgängedokumentieren, so zum Beispiel, wenn der Prozessstoff <strong>in</strong> Tabellen aufgearbeitetwird 15 . Auch <strong>in</strong>soweit s<strong>in</strong>d also die Dateien des Fahnders ebensowenig wiedessen Handakten private oder <strong>in</strong>nerdienstliche Vorgänge, wie das Fallheft odersämtliche Steuerakten 16 . Das <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> besteht ausnahmslos für solcheDateien/Daten, die die Mitarbeiter der Er<strong>mit</strong>tlungsbehörden zum eigenenpersönlichen Gebrauch erstellt haben und die den Fall betreffen. „Private“ Dateien,die im <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> ausgeschlossen s<strong>in</strong>d, gibt es nicht, wenn sie <strong>mit</strong> <strong>dem</strong>Fall zu tun haben. Denn immer dann, wenn der Name des Steuerpflichtigen oderdessen Steuernummer oder Steufa- oder BuStra- oder StA-Aktenzeichen <strong>in</strong>diesen Dateien auftaucht, wird man e<strong>in</strong> <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> <strong>in</strong> diese Daten bzw.Dateien gewähren müssen und <strong>dem</strong> Verteidiger entsprechend § 147 VI AO e<strong>in</strong>Nur-Leserecht oder nach Wahl des Verteidigers entsprechend § 147 VI AO e<strong>in</strong>Verprobungs- und Benutzungsrecht gewähren müssen, da<strong>mit</strong> er sich von derVollständigkeit der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung überzeugen kann. Die Verwaltungwird hier auch nicht durch die Zurverfügungstellung e<strong>in</strong>es angeblich vollständigenAusdrucks die E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> ihre EDV und Verprobungen anhand ihrer eigenen EDVentsprechend § 147 V, VI AO verh<strong>in</strong>dern können 17 . Die Verwaltung wird hier (ggf.entsprechend zentral <strong>in</strong>stallierte) Rechner, die gegen Zugriff auf anderweitigeDaten geschützt s<strong>in</strong>d, aber die Verprobung und Suche nachMandantenbezogenen Daten zulassen, <strong>dem</strong> Verteidiger zur Verfügung stellenmüssen. Nur so kann das umfassende <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> 18 <strong>in</strong> den<strong>Steuerstrafverfahren</strong> gewährleistet werden und den Besonderheiten der Technik,14 Fetzer, E<strong>in</strong>sichtsrecht des Strafverteidigers <strong>in</strong> gerichtliche Dateien, StV 1991, 143, 143.15 Burhoff, Aktene<strong>in</strong>sicht im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, PStR 2000, 58.16 St. Rspr., statt aller: BFH, Beschluß vom 16.05.2000, VII B 200/98, BStBl. 2000 II, 541, 543; OLG CelleNdsRpfl 1977, 252; Gast-de Haan <strong>in</strong> Franzen/Gast/Joecks, 5. A., § 392 RN 46; Simon/Vogelberg, S. 277m.w.N.; Burkhard, <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Strafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, DStZ 2000, 850; ders., DieAblehnungspraxis der F<strong>in</strong>anzämter bei Aktene<strong>in</strong>sichtsgesuchen im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, INF 2001, 168; a.A.:Schäfer, Die Grenzen des Rechts auf Aktene<strong>in</strong>sicht der Verteidiger, NStZ 1984, 203.17 Zu § 147 V, VI AO: Dumke <strong>in</strong> Schwarz, AO-Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: 97. Erg.-Li. 12/2001, §147 RN 9 – 15 b; Höreth/Schiegl, Zugriff der F<strong>in</strong>anzverwaltung auf die EDV-Systeme – Zweifelsfragen, BB2001, 2509; Schroer, Datenzugriff und Prüfung digitaler Unterlagen durch die F<strong>in</strong>anzverwaltung beimSteuerberater, INF 2002, 54.18 Joecks, Praxis des Steuerstrafrechts, S. 163.


5die auch bei der F<strong>in</strong>anzverwaltung E<strong>in</strong>zug hält, Rechnung getragen werden. Dennebenso wie die Verwaltung durch die Änderung der §§ 146 V, 147 VI, 200 AO dengeänderten Verhältnissen bei den Steuerpflichtigen im Rahmen vonBetriebsprüfungen Rechnung trägt und die EDV-Systeme der zu prüfendenSteuerpflichtigen entweder nur zum Lesen oder zum Verproben nutzen möchte, sogeht die technische Entwicklung nicht nur bei den Steuerpflichtigen voran, sondernauch natürlich <strong>in</strong> der F<strong>in</strong>anzverwaltung. Hier nur das <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> auf diepapiernen Akten der von der Verwaltung zur Verfügung gestellten Disketten zubeschränken, wäre im Zuge des technischen Fortschritts letztlich e<strong>in</strong>e Aushöhlungund Aufgabe des <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong>s. Denn technisch bräuchten schon heuteke<strong>in</strong>e Akten mehr geführt zu werden. Ob die Verteidiger, die e<strong>in</strong>en Anspruch aufvollständige Aktene<strong>in</strong>sicht bzw. vollständige Information über die Erkenntnisse derStrafverfolgungsbehörden gegen den Beschuldigten haben, nun dieseInformationen papiermäßig oder elektronisch abforden, kann und darf für das<strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> ke<strong>in</strong>en Unterschied machen. Ob man nun dogmatisch „Akte“im S<strong>in</strong>n des § 147 Abs. 1 StPO, daß es auf das Medium nicht ankommt oder e<strong>in</strong>eAnalogie zu den <strong>dem</strong> technischen Fortschritt folgenden Änderungen der AOgemäß den §§ 146 V, 147 VI, 200 AO zieht, mag dah<strong>in</strong>stehen. Jedenfalls ist e<strong>in</strong><strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> <strong>in</strong> die EDV der Steufa bzw. der BP unumgänglich, da dortmöglicherweise andere Informationen wie Aktenvermerke, Kontrollrechnungenbzw. Alternativrechungen bei Schätzungen, gescannte be- oder entlastendeDokumente enthalten se<strong>in</strong> können, die nicht papiermäßig ausgedruckt oder nicht(mehr) <strong>in</strong> der Akte enthalten s<strong>in</strong>d. Nach den Erfahrungen, die ich <strong>mit</strong> denVerschleierungstaktiken der Verwaltung bei der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährunggemacht habe und die hier nachfolgend beschrieben s<strong>in</strong>d, ist nichtauszuschließen, daß nicht nur die Fallhefte wie Schattenakten geführt werden,sondern h<strong>in</strong>ter diesen Schattenakten weitere Schattenakten <strong>in</strong> Form von geheimgehaltenen EDV-Dateien bereits aufgebaut s<strong>in</strong>d oder aufgebaut werden. Demnachhat der Verteidiger im Rahmen der Aktene<strong>in</strong>sicht stets e<strong>in</strong> Recht, auch die EDVdes F<strong>in</strong>anzamtes auf elektronische Aktenteile e<strong>in</strong>zusehen, selbst wenn angeblichalles papiermäßig ausgedruckt ist, um zu prüfen, ob nicht noch weitereInformationen zu se<strong>in</strong>em Mandanten elektronisch gespeichert vorenthaltenwerden.5. „Verstecken“ von Unterlagen <strong>in</strong> verme<strong>in</strong>tlich aktene<strong>in</strong>sichtssicherenHandakten (=Fallheften der Steufa bzw. BP)In diesem Bereich s<strong>in</strong>d im <strong>Steuerstrafverfahren</strong> zwei <strong>Probleme</strong> von besondererBedeutung: Nach verschiedentlich vertretener Me<strong>in</strong>ung bezieht sich das


6<strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> nicht auf die Handakten der Staatsanwaltschaft, Nr. 187 Abs.2 RiStBV 19 . Ob dies stets zutreffend ist, <strong>in</strong>sbesondere wenn sich Zweifel darüberergeben, daß <strong>in</strong> der Handakte nicht vielleicht Unterlagen vorhanden s<strong>in</strong>d, die <strong>in</strong>die Er<strong>mit</strong>tlungsakte gehören, muß bezweifelt werden. Dies wird sich jedoch <strong>in</strong> derRegel durch e<strong>in</strong>en kurzen E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> diese Akte klären lassen, ob diese Handaktekorrekt geführt ist und tatsächlich nichts außer e<strong>in</strong>er Abschrift der Anklageschriftund e<strong>in</strong>igen Mitschriften aus der Hauptverhandlung enthält. Die Fallhefte der BPund der Steufa s<strong>in</strong>d jedoch ke<strong>in</strong>e solchen Handakten 20 . Denn die Handakte desStaatsanwaltes be<strong>in</strong>haltet lediglich e<strong>in</strong>e Abschrift der Anklageschrift und allenfallse<strong>in</strong> paar Notizen über den Verlauf der öffentlichen oder jedenfallsbeteiligtenöffentlichen Hauptverhandlung und Gedanken für se<strong>in</strong> Plädoyer. Da<strong>mit</strong>be<strong>in</strong>haltet die Handakte des Staatsanwaltes nichts, was nicht auch Gegenstandder Er<strong>mit</strong>tlungsakte ist bzw. was die Beteiligten nicht sowieso selbst <strong>mit</strong>erlebthaben. Wer e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Fallheft der BP oder der Steufa gesehen, erkennt leichtden Unterschied zu der korrekt geführten Handakte des Staatsanwaltes: Bei denFallheften der BP bzw. FP handelt es sich um meist dicke Akten und große Teiledieser Unterlagen und Informationen s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> der Er<strong>mit</strong>tlungsakte enthalten.Die Bußgeld- und Strafsachenstellen behaupten, daß <strong>in</strong> der Er<strong>mit</strong>tlungsakte dasWesentliche enthalten sei. Nun ist es aber nicht der Betriebsprüfer oderSteuerfahnder derjenige, der für den Verteidiger die Akte vorsortieren dürfte undentscheiden dürfte, ob se<strong>in</strong>e Er<strong>mit</strong>tlungsakte das Wesentliche auch für dieVerteidigung enthalte. Dieser Filter ist im Gesetz nicht vorgesehen und so<strong>mit</strong>rechtswidrig. Die Fallhefte, die auch schon vom Namen her nicht nahelegen, daßes sich um Handakten handelt, sondern um e<strong>in</strong> Heft über den (Betriebsprüfungsbzw.Steuerfahndungs-)Fall des betreffenden Steuerpflichtigen handelt, s<strong>in</strong>d auchnicht private Akten der Betriebsprüfer bzw. Fahnder, wie verschiedene BuStra-Stellen vortragen. Es s<strong>in</strong>d auch nicht nur behörden<strong>in</strong>terne Akten 21 , wie mancheBuStra-Stellen nebelbombenwerfend Glauben machen wollen. Vielmehr ist <strong>in</strong>diesen Fallheften ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige persönliche nur den Fahnder oder Prüferbetreffende Notiz (etwa dessen privater E<strong>in</strong>kaufszettel oder dessen private19 Kle<strong>in</strong>knecht <strong>in</strong> Dreher-Festschrift, S. 721; Kle<strong>in</strong>knecht/Meyer-Goßner, StPO-Komentar, 45. A., § 147 RN 13.20 Irreführend <strong>in</strong>soweit Ehlscheid <strong>in</strong>: von Briel/Ehlscheid, Steuerstrafrecht, § 3 RN 660, der <strong>in</strong>soweit von„Handakten“ der Fahnder spricht. Schon begrifflich steht auf diesen Akten stets „Fallheft“, so daß diese schonvom Namen etwas anderes als die <strong>in</strong> Nr. 187 Abs. 2 RiStBV bezeichneten Handakten der StA. Alle Akten nunkünftig als Handakten zu bezeichnen, wird der Sache nicht gerecht und trägt zur Verwirrung bei. Es ist daher zuempfehlen, ausschließlich von den Handakten bei den Handakten der StA im S<strong>in</strong>ne der Nr. 187 Abs. 2 RiStBVzu sprechen, die aber nichts anderes enthalten, als e<strong>in</strong>e Abschrift der Anklageschrift und eventuell e<strong>in</strong>igeMitschriften des Sitzungs-StA oder Plädoyervorbereitungen, also nichts, was nicht auch dieVerfahrensbeteiligten selbst <strong>mit</strong>erlebt haben. Zu<strong>dem</strong> wird e<strong>in</strong>e Akte nicht deshalb persönliche Handakte, weile<strong>in</strong> Sachbearbeiter nur dar<strong>in</strong> oder überwiegend arbeitet. Denn die Gerichtsakte wird nicht deshalb zur Handakte,weil der E<strong>in</strong>zelrichter überwiegend oder ausschließlich dar<strong>in</strong> arbeitet. Auch Steuerakten werden nicht deshalb zuprivaten oder Handakten, nur weil e<strong>in</strong> Sachbearbeiter ausschließlich oder nahezu ausschließlich dar<strong>in</strong> arbeitet.21 <strong>in</strong>soweit irrig: Nr. 34 Abs. 3 AStBV (St).


7E<strong>in</strong>kommensteuererklärung) <strong>in</strong> diesen Akten enthalten, noch s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>terneVorgänge des F<strong>in</strong>anzamtes wie etwa Stellenausschreibungen, der neueKant<strong>in</strong>enplan, Mitarbeiterbewertungen oder Beförderungsvorschläge <strong>in</strong> diesenAkten enthalten. Vielmehr s<strong>in</strong>d dort ausschließlich Unterlagen und Informationenbetreffend des Steuerpflichtigen enthalten.Zur Feststellung, ob steuerstrafrechtliche oder steuerliche Verwertungsverbotevorliegen, ist die Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> das Fallheft des Betriebsprüfers bzw.Fahndungsprüfers notwendig 22 .Schließlich muß der Verwaltung entgegengehalten werden, daß es unzulässig ist,wenn die Er<strong>mit</strong>tlungsbehörden diese Fallhefte benutzen, um Unterlagen <strong>dem</strong><strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Verteidigers zu entziehen, <strong>in</strong><strong>dem</strong> sie e<strong>in</strong><strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> <strong>in</strong>soweit grundsätzlich bestreiten oder Schriftstücke, die fürSchuldspruch bzw. Rechtsfolgen von Bedeutung se<strong>in</strong> können, dar<strong>in</strong> zurückhalten.Das gilt <strong>in</strong>sbesondere auch für die sog. roten 23 Bögen, die Aktenvermerke überstraf- und bußgeldrechtliche Feststellungen enthalten, die je<strong>dem</strong> derStrafsachenstelle zugeleiteten Prüfungsbericht beigefügt s<strong>in</strong>d. Ihre Zurückhaltungwiderspricht <strong>dem</strong> Recht des Verteidigers auf vollständige und umfassendeAktene<strong>in</strong>sicht 24 .6. Verweigerung der Aktene<strong>in</strong>sicht nach § 30 AO<strong>Probleme</strong> ergeben sich häufig auch dadurch, dass <strong>dem</strong> Verteidiger Aktene<strong>in</strong>sicht<strong>in</strong> (Steuer-)Beiakten unter H<strong>in</strong>weis auf das Steuergeheimnis verweigert wird.Insoweit gilt: Handelt es sich um die Steuerakten den Beschuldigten betreffend,hat dieser zwar nach der AO ke<strong>in</strong> gesetzliches <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> <strong>in</strong> diese. ÜberAbschnitt 90 Abs. 4 S. 2-4 AEAO i.V.m. Art 3 I GG bzw. un<strong>mit</strong>telbar aus Art. 10322 Burkhard/Adler, Betriebsprüfung und Steuerfahndungsprüfung, § 208 RN 96 a.E.23 <strong>in</strong> Hessen: blaue Bögen: Die Vordrucke waren früher blau – im PC-Zeitalter bestehen sie aus <strong>dem</strong>E<strong>in</strong>heitsrecycl<strong>in</strong>gpapier der Verwaltung, haben jedoch noch zumeist den Namen „blauer Bogen“ oder „blauerAktenvermerk“, vgl. Burkhard, Zum Recht des Strafverteidigers auf Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> strafrechtlichenEr<strong>mit</strong>tlungsverfahren, wistra 1996, 171; ders., Aktene<strong>in</strong>sicht des Strafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong> -hierzu gehört u.a. auch der „rote Bogen“ und das Fallheft des Betriebsprüfers, StV 2000, 526.24 LG Itzehoe, Beschluss vom 09.11.1989, 315 Js 20198/86, StV 1991, 555; Kle<strong>in</strong>knecht/Meyer-Goßner,StPO-Komentar, 45.A., § 147 RN 14 m.w.N.; Burkhard, Zum Recht des Strafverteidigers auf Aktene<strong>in</strong>sicht<strong>in</strong> strafrechtlichen Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren, wistra 1996, 171; ders., Aktene<strong>in</strong>sicht des Strafverteidigers <strong>in</strong><strong>Steuerstrafverfahren</strong> -hierzu gehört u.a. auch der „rote Bogen“ und das Fallheft des Betriebsprüfers, StV2000, 526; ders., <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Strafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, DStZ 2000, 850; ders.,Die Ablehnungspraxis der F<strong>in</strong>anzämter bei Aktene<strong>in</strong>sichtsgesuchen im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, INF 2001,168., Wannemacher <strong>in</strong> Achenbach/Wannemacher, Beraterhandbuch zum Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht,§ 12 Rz 87; Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Er<strong>mit</strong>tlunhsverfahren, 2. A., RN 736 m.w.N.


8Abs. 1 GG folgend 25 ist <strong>dem</strong> Berater jedoch auch steuerlich e<strong>in</strong><strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> zu gewähren. Zu<strong>dem</strong> s<strong>in</strong>d die Steuerakten des BeschuldigtenBeiakten zu den Strafakten. Daher muß <strong>dem</strong> Verteidiger zw<strong>in</strong>gend nach <strong>dem</strong>Grundsatz der Aktenvollständigkeit die Aktene<strong>in</strong>sicht nach § 147 I StPO <strong>in</strong> dieBesteuerungsakten gewährt werden. Vom <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> s<strong>in</strong>d nämlich ke<strong>in</strong>eVorgänge ausgeschlossen, auch nicht solche, die <strong>dem</strong> Gericht nicht vorgelegtwerden sollen, denn hieraus können sich Entlastungsaspekte ergeben. Wobeiauch hier die Vorauswahl nicht durch die BuStra dergestalt zu erfolgen hat, welcheAkten sie vorlegen will und daß sich etwa nur hierauf das <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong>bezogen, sondern der Verteidiger Anspruch auf Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> alle Akten hat, dieaus se<strong>in</strong>er Sicht verfahrensgegenständlich se<strong>in</strong> können. Andernfalls würde ihmbzw. <strong>dem</strong> Angeklagten rechtliches Gehör versagt werden 26 . Denn es kann zwarder Verteidiger Beweisanträge <strong>in</strong> der Hauptverhandlung stellen. Kennt erallerd<strong>in</strong>gs den Akten<strong>in</strong>halt der zurückgehaltenen Akten nicht, so kann er hier nurBeweiser<strong>mit</strong>tlungsanträge bezüglich des möglichen Inhalts der verheimlichtenAkten stellen. Man wird hier jedoch bei e<strong>in</strong>er Verweigerung der Aktene<strong>in</strong>sichtaufgrund der Verheimlichung der Akten nicht bloß nach den Grundsätzen desBeweisvereitlers von erheblichen Beweiserleichterungen bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>erBeweislastumkehr ausgehen müssen, sondern von e<strong>in</strong>em Prozeßh<strong>in</strong>dernis, sodaß das Verfahren zw<strong>in</strong>gend nach § 206 a StPO durch Beschluß bzw. nachbegonnener Hauptverhandlung durch Urteil nach § 260 III StPO zu beenden ist.Denn letztlich kann § 30 AO bei der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung ke<strong>in</strong>Versagungsgrund se<strong>in</strong>. Denn gerade der Beweis des ersten Ansche<strong>in</strong>s sprichtzunächst e<strong>in</strong>mal bei unterstellt sauberer Aktenführung dafür, daß <strong>in</strong> den jeweiligenAkten nur das enthalten ist, was auch h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gehört. Da<strong>mit</strong> aber s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> denEr<strong>mit</strong>tlungsakten, den Fallheften und sonstigen Steuerakten nur die Unterlagenenthalten, die den betreffenden Steuerpflichtigen auch betreffen oder zum<strong>in</strong>dest<strong>mit</strong> betreffen. Daß die Unterlagen im E<strong>in</strong>zelfall auch andere betreffen, kannvorkommen. Das Mitbetreffen des beschuldigten Steuerpflichtigen genügt jedochdafür, daß sie Aktenbestandteil geworden s<strong>in</strong>d. Wenn sie aber Aktenbestandteilgeworden s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d sie immerh<strong>in</strong> so erheblich geworden, daß sie <strong>in</strong> die Akte desbetreffenden Steuerpflichtigen kamen und auch dort h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gehören. Dannunterliegen sie auch zw<strong>in</strong>gend <strong>dem</strong> <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Verteidigers.25 Schmidt-Aßmann <strong>in</strong> Maunz-Dürig, GG-Kommentar, Art. 103 RN 20.26 Kempf <strong>in</strong> Brüssow/Gatzweiler/Krekeler/Mehle, Strafverteidigung, 2. A., § 1 RN 26.


9Der Auffassung von Burhoff 27 , daß <strong>in</strong> <strong>dem</strong> Fall, <strong>in</strong> <strong>dem</strong> es sich umSteuervorgänge, die e<strong>in</strong>en unbeteiligten Dritten betreffen und dieser nicht vomSteuergeheimnis entb<strong>in</strong>det, e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sichtnahme nur zulässig se<strong>in</strong> soll, soweit dieVorgänge auch der StA oder <strong>dem</strong> Gericht vorgelegt worden s<strong>in</strong>d (§ 30 Abs. 4 Nr. 1AO i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b) ist klar zu widersprechen. Denn dieseVorgänge müssen etwas <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Steuerpflichtigen zu tun haben, wenn sie nachAuffassung der Verwaltung <strong>in</strong> dessen Akte geheftet wurden. Insoweit spielt eske<strong>in</strong>e Rolle, <strong>in</strong> welche Akten der Verwaltung diese Vorgänge geheftet wurden undwarum. Es ist dann zw<strong>in</strong>gend auch <strong>in</strong> diese Vorgänge Akte<strong>in</strong>sicht zu gewähren.Denn von der Zustimmung des Dritten kann die Aktene<strong>in</strong>sicht weder steuerlichnoch steuerstrafrechtlich hier abhängen, da e<strong>in</strong>e Sachaufklärungspflicht bestehtund die Unterlagen auch für den Steuerpflichtigen günstige entlastende Inhaltehaben können. Gerade auch bei e<strong>in</strong>er z.B. (anonymen) Anzeige muß sich derBeschuldigte gegen den so aufgebrachten Anfangsverdacht wehren können 28 .Hierzu gehört <strong>in</strong> der Regel auch zu wissen, wer ihn beschuldigt hat. Denn dieMotive des z.B. streitsüchtigen Nachbars oder des gefeuerten Mitarbeiters oderdie Rachsucht der verlassenen Geliebten <strong>in</strong> der Verteidigung herauszustellen, iste<strong>in</strong> Teil der Aufgaben der Verteidigung und e<strong>in</strong>e Frage der Glaubwürdigkeit derbelastenden Aussage. Ist aber dieser Verfahrensbeg<strong>in</strong>n nicht <strong>in</strong> der Akte enthaltenund kommt aus Sicht des Beschuldigten nicht nur e<strong>in</strong>e Person <strong>in</strong> Betracht, ist dieAktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> diese (anonyme) Anzeige <strong>dem</strong> Verteidiger zu gewähren. Hiergenügt es auch nicht, <strong>dem</strong> Verteidiger nur etwa den Namen des Dritten (z. B.Anzeigenerstatters) und dessen Anschrift bekannt zu machen, da<strong>mit</strong> dieser sichetwa selbst um die Erteilung der Erlaubnis der Aktene<strong>in</strong>sicht bei diesem bemühe.Denn schon die Anzeige muß der Verteidiger zum Zwecke etwaiger Vorhalte imRahmen der Aktene<strong>in</strong>sicht erhalten. Da die Anzeige aber auch bzw. gerade denBeschuldigten betrifft, kann gerade sie nicht aus den Akten ausgesondertwerden 29 .Für e<strong>in</strong>heitliche Verfahren gegen mehrere Beschuldigte gelten <strong>in</strong> diesemZusammenhang grundsätzlich ke<strong>in</strong>e Besonderheiten 30 , so dass, wenn dieKenntnis der die Mitbeschuldigten betreffenden Steuergeheimnisse zuVerteidigungszwecken erforderlich ist, Aktene<strong>in</strong>sicht auf jeden Fall <strong>in</strong> dieentsprechenden, die Mitbeschuldigten betreffenden Vorgänge auch gewährtwerden muss. Das <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Verteidigers dürfte sich schließlich27 Burhoff, Aktene<strong>in</strong>sicht im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, PStR 2000, 58.28 A.A. BFH, Urteil vom 7.5.1985, VII R 25/82, BStBl. II, 1985, 571.29 A.A. BFH, Urteil vom 7.5.1985, VII R 25/82, BStBl. II, 1985, 571.30 e<strong>in</strong>gehend dazu Schäfer, Die Grenzen des Rechts auf Aktene<strong>in</strong>sicht der Verteidiger, NStZ 1984, 203, 206 ff.


10auch nicht durch e<strong>in</strong>e Trennung der Verfahren „umgehen“ lassen. Denn <strong>in</strong> derRegel erstreckt sich das <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> auch auf abgetrennte Verfahrengegen Mitbeschuldigte, soweit nur noch etwas be- oder entlastendes bezüglichdes eigenen Mandanten enthalten ist oder sich weitere Er<strong>mit</strong>tlungsansätze oderH<strong>in</strong>weise auf Verfahrensh<strong>in</strong>dernisse bezüglich des Verfahrens gegen den eigenenMandanten ergeben.Das Procedere der Verwaltung ist höchst merkwürdig: Im allgeme<strong>in</strong>en Strafrechtführt die Polizei ke<strong>in</strong>e eigenen Fallhefte und behauptet, dies seien private Aktender Polizisten oder <strong>in</strong>terne Polizeiakten. Selbstverständlich werden dieEr<strong>mit</strong>tlungen der Polizei <strong>in</strong> der Er<strong>mit</strong>tlungsakte abgeheftet und s<strong>in</strong>d jederzeit auchbei e<strong>in</strong>er Aktene<strong>in</strong>sicht nachvollziehbar. Geht es also um x-beliebige andereDelikte, so ist stets der Beg<strong>in</strong>n des Er<strong>mit</strong>tlungsverfahrens bis zum Abschluß derEr<strong>mit</strong>tlungen <strong>in</strong> der Akten enthalten. Nur im Steuerstrafrecht werden Geheimakten<strong>in</strong> Form angeblich nicht vorzulegender Fallhefte der Steufa und <strong>in</strong>Betriebsprüfungsverfahren gehörende Akten der BP geführt – e<strong>in</strong> Rückschritt <strong>in</strong>stiefste Mittelalter, als es noch Geheimakten gab!7. I.d.R. ke<strong>in</strong>e Aktene<strong>in</strong>sichtsversagungsgründe nach § 147 II StPO <strong>in</strong>SteuerstrafsachenGerade <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong> gibt es so gut wie ke<strong>in</strong>e Gründe, <strong>dem</strong> Verteidigerdie Aktene<strong>in</strong>sicht nach § 147 II StPO zu versagen, während dies im allgeme<strong>in</strong>enStrafrecht möglicherweise anders se<strong>in</strong> kann, was hier nicht zu entschiedenwerden braucht. Streitig ist schon, ob e<strong>in</strong>e abstrakte Gefährdung desUntersuchungszecks genügt oder ob nicht e<strong>in</strong>e konkrete Gefährdung desEr<strong>mit</strong>tlungsergebnisses Voraussetzung für die Versagung der Aktene<strong>in</strong>sicht nach§ 147 II StPO ist 31 . Vor <strong>dem</strong> H<strong>in</strong>tergrund, daß die Aktene<strong>in</strong>sicht zentraleseigenständiges Recht der Verteidigung und neben nur wenigen anderen Normen<strong>in</strong> der StPO gerade an diesem eigenen Recht des Verteidigers dessenOrganstellung als Organ der Rechtspflege stets begründet wird 32 , müssen schonerhebliche Gründe vorliegen, warum dieses Recht im E<strong>in</strong>zelfall ausnahmsweisemal beschnitten werden darf. E<strong>in</strong>e potentielle, abstrakte Gefährdung desUntersuchungszwecks genügt jedenfalls nicht dieses starke Recht derVerteidigung auszuschalten 33 . Denn das <strong>Steuerstrafverfahren</strong> ist bezüglich der31 Joecks <strong>in</strong> Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 5. A., § 392 RN 4932 Kle<strong>in</strong>e-Cosack, BRAO-Kommentar, § 1 RN 15; BverfG, Beschluss vom 7.12.1982, 2 BvR 900/82, NJW 1983,1046.33 Burkhard, Zum Recht des Strafverteidigers auf Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> strafrechtlichen Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren, wistra1996, 171.


11Beweis<strong>mit</strong>tel e<strong>in</strong> sehr papiermäßiges Verfahren: Die Erklärung <strong>mit</strong> ihren Anlagenund die nicht erklärten E<strong>in</strong>künfte, Umsätze usw. oder die Sche<strong>in</strong>rechnungen s<strong>in</strong>dallesamt Beweisurkunden. Spurenakten, Gutachten und Asservate gibt es im<strong>Steuerstrafverfahren</strong> <strong>in</strong> der Praxis nicht. Auf Zeugen kommt es nur selten an.Insoweit ist für die Steuerstraftat die Heimlichkeit und die papiermäßigeBegehungsweise charakteristisch. Dies weiß jeder Verteidiger. Da<strong>mit</strong> s<strong>in</strong>d aberalle Schritte der Verfolgungsbehörden absehbar und leicht berechenbar. Daß alsoz.B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bankenverfahren e<strong>in</strong>e Durchsuchung bei der betreffenden Banknach § 103 StPO und <strong>dem</strong> betreffenden Steuerpflichtigen nach § 102 StPOwahrsche<strong>in</strong>lich ist und bei letzterem die Durchsuchung der Wohn- undGeschäftsräume sowie der Ferienwohnung, Garage dazugehört und gleichzeitigdie Durchsuchung beim Steuerberater nach § 103 StPO normal ist, ist h<strong>in</strong>reichendbekannt. Welcher Überraschungseffekt dann <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er verweigerten Aktene<strong>in</strong>sichtnach § 147 Abs. 2 StPO noch erzielt werden kann 34 , wenn zwar e<strong>in</strong> Strafverfahrene<strong>in</strong>geleitet und <strong>dem</strong> Beschuldigten bekannt gegeben wurde, ist nicht ersichtlich.Selbst wenn e<strong>in</strong>e Durchsuchung sich beim Beschuldigten abzeichnet und sichdies aus der Er<strong>mit</strong>tlungsakte erkennen lässt, ist also bei diesem Sachverhalt e<strong>in</strong>eGefährdung des Er<strong>mit</strong>tlungszwecks nicht ersichtlich. Insoweit überzeugt dieAuffassung von Spriegel nicht, der beispielhaft als Versagungsgrund nach § 147Abs. 2 StPO e<strong>in</strong>e bevorstehende Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigtenanführt 35 . Denn es ist davon auszugehen, daß der Beschuldigte, der von e<strong>in</strong>emausgewiesenen Steuerstrafrechtsspezialisten verteidigt bzw. belehrt wird, auchüber die möglichen Risiken e<strong>in</strong>er möglichen Fahndungsdurchsuchung unterrichtetwird und hierbei auch über die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er Fahndungsdurchsuchunggesprochen wird und dabei die Rechte und Pflichten der Fahndung, aber auch dieRechte und Pflichten des Beschuldigten erörtert werden. Daß dann, nach<strong>dem</strong> alsodas Verfahren e<strong>in</strong>geleitet und dies <strong>dem</strong> Beschuldigten <strong>mit</strong>geteilt wurde, diesere<strong>in</strong>en Verteidiger konsultierte und dieser sich als Verteidiger bestellte undAktene<strong>in</strong>sicht beantragte, nun noch die Aktene<strong>in</strong>sicht verweigert werden könnensoll da<strong>mit</strong> der Er<strong>mit</strong>tlungszweck i. S. d. § 147 Abs. 2 StPO nicht durch dieAktene<strong>in</strong>sicht gefährdet wird, kann wohl niemanden mehr richtig überzeugen.Dann hätte man wohl vorher nicht e<strong>in</strong>leiten und bekanntgeben dürfen!Wollte man hier anders entscheiden, müssten die Aktenteile, die dieDurchsuchung betreffen, ausgesondert werden und im übrigen wenigstensAktene<strong>in</strong>sicht gewährt werden. Hier vollständig Aktene<strong>in</strong>sicht zu versagen, wäre34 So auch zum<strong>in</strong>dest für <strong>Steuerstrafverfahren</strong> bei entsprechender Verteidigung nicht überzeugend: Joecks <strong>in</strong>Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 5.A., § 392 RN 49 <strong>mit</strong> H<strong>in</strong>weis auf KK-Laufhütte, § 147 RN 9.35 Spriegel <strong>in</strong> Wannemacher, Handbuch Steuerstrafrecht, 4. A., RN 2086.


12e<strong>in</strong>e zu weitgehende und da<strong>mit</strong> rechtswidrige Beschneidung des<strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong>s der Verteidigung. § 147 II StPO sieht gerade vor, daß nichtnur die Aktene<strong>in</strong>sicht vollständig, sondern auch nur <strong>in</strong> Aktenteile die Aktene<strong>in</strong>sichtverwehrt werden kann. Warum also nicht der Durchsuchungsbeschlußantrag undder eventuell <strong>in</strong> der Akte liegende Durchsuchungsbeschluß nicht lediglichherausgenommen werden (und ggf. durch Leerseiten ersetzt werden) und imübrigen Aktene<strong>in</strong>sicht gewährt wird, ist <strong>in</strong> <strong>dem</strong> von Spiegel 36 als typischen Fall derAktene<strong>in</strong>sichts-Versagung geschilderten Fall der Aktene<strong>in</strong>sichtsversagungunverständlich. In <strong>dem</strong> Antrag auf vollständige Aktene<strong>in</strong>sicht liegt auchstillschweigend der Antrag, zum<strong>in</strong>dest die Akten oder Aktenteile im Rahmen derAktene<strong>in</strong>sicht zur Verfügung zu stellen, die nicht von der Ausnahme des § 147Abs. 2 StPO umfaßt s<strong>in</strong>d. Die Verwaltungspraxis verfährt allerd<strong>in</strong>gsrechtswidrigerweise <strong>in</strong> <strong>dem</strong> von Spriegel beschriebenen Modus.Kalig<strong>in</strong> weist zu Recht darauf h<strong>in</strong>, daß dann „wenn die Aktene<strong>in</strong>sicht abgelehntwird, dies e<strong>in</strong> Indiz dafür ist, daß die Steuerfahndung weitere Er<strong>mit</strong>tlungen imInland vornimmt (z.B. Aufspüren weiterer Kontoverb<strong>in</strong>dungen und möglicherweiseauch Zeugenvernehmungen)“ 37 .Noch unverständlicher ist die Verweigerung der Erteilung der Aktene<strong>in</strong>sicht, wennDurchsuchungsbeschlüsse nach § 103 StPO bezüglich der Banken desSteuerpflichtigen vorbereitet werden, da die Unterlagen und Kontoauszüge derBanken nicht manipuliert werden können, so daß die Kenntnis von e<strong>in</strong>eranstehenden Durchsuchung bei der Bank nie e<strong>in</strong>e potentielle Gefährdung desUntersuchungszwecks i. S. d. § 147 II StPO darstellen, selbst wenn es sich ume<strong>in</strong>en guten Kunden oder <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Direktor eng befreundeten Kunden handelt, dadie Bank nicht Kontobelege oder ihr gesamtes EDV-Programm deswegen nunvorab manipulieren könnte. Da die Banken sowieso i. d. R. e<strong>in</strong>eAbwendungsbefugnis haben, könnten sie auch nach Vorlage desDurchsuchungsbeschlusses bis zur Übergabe der Unterlagen e<strong>in</strong>ige Wochenspäter auch im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> die Unterlagen manipulieren. Welche potentielleGefährdung des Untersuchungszwecks im S<strong>in</strong>n des § 147 II StPO <strong>in</strong> Fällen des §103 StPO <strong>in</strong> den Bankenfällen denkbar se<strong>in</strong> soll, ist nicht ersichtlich. S<strong>in</strong>d andereDritte als z. B. Banken nach § 103 StPO zu durchsuchen, mag dies anders zusehen se<strong>in</strong>.36 Spriegel <strong>in</strong> Wannemacher, Handbuch Steuerstrafrecht, 4. A., RN 2086.37 Kalig<strong>in</strong>, Ke<strong>in</strong>e Angst vor Betriebsprüfung und Steuerfahndung, S. 80.


138. rechtswidrige Beschränkungen des <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong>s <strong>in</strong> der<strong>Steuerstrafverfahren</strong>spraxisDas <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> ist für die F<strong>in</strong>anzverwaltung e<strong>in</strong> äußerst ungeliebtes K<strong>in</strong>d.Sie wird verweigert bzw. erschwert, soweit dies nur irgendwie möglich ist. ImRahmen des § 147 Abs. 1 StPO wird dieser zeitweise zum<strong>in</strong>dest dadurch blockiert,daß die Versagungsgründe nach § 147 Abs. 2 StPO e<strong>in</strong>fach behauptet werden, ohnedaß diese tatbestandlich überhaupt vorliegen. Wenn dann nach e<strong>in</strong>em halben Jahroder Jahr oder noch längerer Verzögerung schließlich die Aktene<strong>in</strong>sicht erfolgt, läßtsich dann eben sehr leicht feststellen, ob beispielsweise Durchsuchungsbeschlüsseim Zeitpunkt der Verweigerung der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung nach § 147 Abs. 2StPO beantragt bzw. vollzugsbereit <strong>in</strong> der Akte lagen und <strong>in</strong> diesem Fall dieMitübersendung dieser Durchsuchungsbeschlußanträge bzw. der bereits folgendenDurchsuchungsbeschlüsse die weiteren Er<strong>mit</strong>tlungsschritte der F<strong>in</strong>anzverwaltungoffenbart hätten und da<strong>mit</strong> möglicherweise den Er<strong>mit</strong>tlungszweck gefährdet hätten.Teilweise werden auch die Akten nicht vollständig zur Aktene<strong>in</strong>sicht übersandt. Sofehlen teilweise die roten bzw. blauen Bögen 38 oder sonstige Unterlagen, die denursprünglichen Verfahrensbeg<strong>in</strong>n verständlich macht, wie etwa e<strong>in</strong>e Strafanzeige 39 ,Transferbelege <strong>in</strong> Kopie oder sonstige Aktenteile, die teilweise durch Leerseiten <strong>mit</strong><strong>dem</strong> falschen H<strong>in</strong>weis auf § 30 AO entnommen wurden bis h<strong>in</strong> zu den Fällen, <strong>in</strong>denen vorsätzlich entlastendes Beweismaterial aus der Strafakte entnommenwurde 40 , bei <strong>dem</strong> Mitarbeiter des F<strong>in</strong>anzamtes entlastendes Beweismaterial diesesaus der Strafakte nahmen und auf dieses Beweismaterial handschriftlichaufschrieben: „aus der Strafakte entnommen – nicht für Rechtsanwalt Burkhardbestimmt“.Teilweise versucht sich auch die BuStra <strong>dem</strong> vollständigen <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong>dadurch zu entziehen, daß sie argumentiert, diese Akten (z.B. die Fallhefte) wärennicht <strong>dem</strong> Gericht im S<strong>in</strong>n des § 147 I StPO vorzulegen und würden auch <strong>dem</strong>Gericht nicht vorgelegt werden, so daß sich hierauf nicht das <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong>beziehe. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn es obliegt nicht der StAoder BuStra e<strong>in</strong>e Art Vorauswahl dessen vorzunehmen, was der Verteidigungpräsentiert wird. Alles was verfahrensgegenständlich war oder ist, ist von <strong>dem</strong>umfassenden <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> nach § 147 I StPO umfaßt. E<strong>in</strong>en Filter darf die38 Burkhard, Aktene<strong>in</strong>sicht des Strafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong> -hierzu gehört u.a. auch der „roteBogen“ und das Fallheft des Betriebsprüfers, StV 2000, 526; ders., <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Strafverteidigers <strong>in</strong><strong>Steuerstrafverfahren</strong>, DStZ 2000, 850; ders., Die Ablehnungspraxis der F<strong>in</strong>anzämter bei Aktene<strong>in</strong>sichtsgesuchenim <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, INF 2001, 168.39 Siehe FN 52.40 vgl. F<strong>in</strong>anzamt Wiesbaden II – S 1603 B – 734/98 – XII/11 + 12.


14BuStra nicht vorschalten. Denn ansonsten könnte sie zugunsten desBeschuldigten er<strong>mit</strong>teltes Beweismaterial e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> den Fallheften verschw<strong>in</strong>denlassen und das Ergebnis des Verfahrens manipulieren. So ist auch zutreffend <strong>in</strong>der Begründung der Bundesregierung zur Neufassung des § 147 V StPO imStVÄG 1999 41 dargelegt, daß es ihr fraglich ersche<strong>in</strong>t, ob die Aktene<strong>in</strong>sicht alsVoraussetzung e<strong>in</strong>er wirksamen Verteidigung, „die im E<strong>in</strong>zelfall bereits auf dengang der Er<strong>mit</strong>tlungen ... E<strong>in</strong>fluß nehmen muß“, alle<strong>in</strong> von der Rechtsanwendungder StA abhängen kann und darf 42 .9. § 147 V StPOIn <strong>dem</strong> neu e<strong>in</strong>gefügten § 147 Abs. 5 43 ist normiert, daß über die Gewährung derAktene<strong>in</strong>sicht im vorbereitenden Verfahren (Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren) sowie nachrechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Staatsanwaltschaft entscheidet undim übrigen der Vorsitzende des der <strong>mit</strong> der Sache befaßten Gerichts 44 . Interessantist die Regelung <strong>in</strong> § 147 Abs. 5 Satz 2, wonach <strong>in</strong> den Fällen, <strong>in</strong> denen dieStaatsanwaltschaft die Aktene<strong>in</strong>sicht versagt, nach<strong>dem</strong> sie den Abschluß derEr<strong>mit</strong>tlungen <strong>in</strong> den Akten vermerkt hat oder die Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> den nicht zuverweigernden Teil der nach § 147 Abs. 3 StPO bef<strong>in</strong>dlichen Akten versagt odersich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß bef<strong>in</strong>det, e<strong>in</strong>e gerichtlicheEntscheidung nach Maßgabe des § 161 a Abs. 3 Satz 2 bis 4 StPO beantragtwerden kann. Da<strong>mit</strong> ist die Diskussion <strong>in</strong> diesen Fällen bzw. <strong>in</strong> diesenVerfahrensabschnitten erledigt, welcher Rechtsbehelf hier der richtige ist 45 .Allerd<strong>in</strong>gs verbleibt die Frage, ob Aktene<strong>in</strong>sicht im Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren, vorAbschluß des Er<strong>mit</strong>tlungsverfahrens willkürlich versagt werden kann oder ob dieseVersagung justitiabel ist. Hier verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage, d. h. esbesteht Streit darüber, ob diese Aktene<strong>in</strong>sichtsversagung nach § 23 EGGVG 46angefochten werden kann oder ob diese lediglich <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>erDienstaufsichtsbeschwerde angreifbar ist und im übrigen die Aktene<strong>in</strong>sichtwillkürlich versagt werden kann. Hier muß es e<strong>in</strong>e gerichtliche Überprüfbarkeitgeben, Art. 19 Abs. 4 GG, denn es bleibt bei <strong>dem</strong> Grundsatz des § 147 Abs. 141 BT-Drucks. 14/1484, S. 22.42 Ebenso kritisch: Wisser <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>, AO-Komentar, 7. A., § 392 RN 14.43 E<strong>in</strong>gefügt durch Art. 1 des Gesetzes vom 02.08.00, BGBl. 2000 I, 1253.44 Kle<strong>in</strong>knecht/Meyer-Goßner, StPO-Kommentar, 45. A., § 147 RN. 35.; Gast-de Haan <strong>in</strong> Franzen/Gast/Joecks,Steuerstrafrecht, 5. A., § 392 RN 43.45 Vgl. Burkhard, Zum Recht des Strafverteidigers auf Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> strafrechtlichen Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren,wistra 1996, 171; ders., Aktene<strong>in</strong>sicht des Strafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong> -hierzu gehört u.a. auch der„rote Bogen“ und das Fallheft des Betriebsprüfers, StV 2000, 526; ders., <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> desStrafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, DStZ 2000, 850; ders., Die Ablehnungspraxis der F<strong>in</strong>anzämter beiAktene<strong>in</strong>sichtsgesuchen im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, INF 2001, 168; Burhoff, ZAP F. 22, S. 135, Schneider,Grundprobleme des Rechts der Aktene<strong>in</strong>sicht des Strafverteidigers, Jura 1995, 337.46 vgl. Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren, 2. A., RN 83 ff.


15StPO während des gesamten Er<strong>mit</strong>tlungsverfahrens, daß der Verteidiger befugtist, <strong>mit</strong>h<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Recht hat, die Akten, die <strong>dem</strong> Gericht vorliegen oder diesem imFalle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, e<strong>in</strong>zusehen. Dieses Recht hatder Verteidiger <strong>in</strong> <strong>dem</strong> gesamten Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren, also erst Recht auchschon vor <strong>dem</strong> Abschlußvermerk nach § 169 a StPO. Dies folgt schon aus dersystematischen Stellung und der <strong>in</strong>soweit une<strong>in</strong>geschränkten Rechtsgewährung <strong>in</strong>§ 147 Abs. 1 StPO. Hätte der Gesetzgeber erst e<strong>in</strong>e Aktene<strong>in</strong>sicht nach Abschlußder Er<strong>mit</strong>tlungen gewollt, § 169 a StPO, hätte er die Aktene<strong>in</strong>sicht systematischerst nach § 169 a StPO geregelt, etwa als § 169 b StPO. Die Beschneidung derAktene<strong>in</strong>sicht durch e<strong>in</strong> willkürliches Vorschieben des § 147 Abs. 2 StPO oderdurch e<strong>in</strong> Vorschieben des § 30 AO durch die Strafverfolgungsorgane istrechtswidrig.10. Zeitpunkt der Aktene<strong>in</strong>sichtDas <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> beg<strong>in</strong>nt <strong>mit</strong> Eröffnung des Er<strong>mit</strong>tlungsverfahrens und derBestellung des Rechtsanwalts als Verteidiger für den Beschuldigten und gilt fürdas gesamte Verfahren 47 . Der Verteidiger muss darauf achten, dass ihmAktene<strong>in</strong>sicht so früh wie möglich gewährt wird.11. Zeitliche Aspekte bei der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährungH<strong>in</strong>sichtlich der zeitlichen Aspekte bei der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung s<strong>in</strong>d zweiPunkte zu berücksichtigen: Zum e<strong>in</strong>en stellt sich die Frage nach der notwendigenDauer der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung. Zum anderen die Frage, wieviel Zeit zwischenAktene<strong>in</strong>sichtsgewährung und etwa e<strong>in</strong>em Hauptverhandlungsterm<strong>in</strong> liegen muß.a) Dauer der Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährungHier stellt sich die Frage, wie lange der Verteidiger die Akten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bürobehalten darf, nach<strong>dem</strong> diese ihm von der BuStra bzw. StA oder <strong>dem</strong> Gerichtübersandt wurden. Die Antwort lautet: angemessene Zeit. In der Regel bestimmt dieStrafverfolgungsbehörde bzw. das Gericht e<strong>in</strong>en Zeitraum, <strong>in</strong>nerhalb dessen die Aktezurückgegeben werden soll. In der Regel werden die Er<strong>mit</strong>tlungsakten seitens derBuStra „für e<strong>in</strong>e Woche“ oder „für zwei Wochen zur Aktene<strong>in</strong>sicht übersandt“.Teilweise wird die Akte auch nur übersandt und um Rückgabe b<strong>in</strong>nen angemessenerFrist gebeten. <strong>Probleme</strong> gibt es hier <strong>in</strong> der Regel bezüglich des Zeitraumes nicht.47 Simon/Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 276 m.w.N.


16Meist können die nur e<strong>in</strong>en oder zum<strong>in</strong>dest nur wenige Bände umfassenden Akten <strong>in</strong>dieser Zeit gesichtet, kopiert und fristgemäß zurückgesandt werden.Bei Staatsanwaltschaften oder Gerichten werden teilweise die Akten zwecksAktene<strong>in</strong>sicht „für drei Tage“ übersandt. Daß <strong>in</strong> dieser Frist gerade umfangreicheAkten nicht gesichtet oder je nach Arbeitsanfall <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kanzlei auch nicht kopiertwerden können, ist eigentlich je<strong>dem</strong> klar. Man kann hier vor Fristablauf zum<strong>in</strong>desttelefonisch um Fristverlängerung nachsuchen. Doch was tun, wenn man denzuständigen Staatsanwalt telefonisch nicht erreicht? Hier bleibe dann der Anruf beider Geschäftsstelle oder das Fristverlängerungsgesuch per Fax <strong>mit</strong> der Bitte umstillschweigende Fristverlängerung. Legt man jedoch die Übersendung „für dreiTage“ nicht nur wörtlich, sondern nach ihrem S<strong>in</strong>n und Zweck aus, so besagt siewohl nichts anderes, als daß die Aktene<strong>in</strong>sicht für e<strong>in</strong>e angemessene Dauer gewährtwird. Da<strong>mit</strong> wird auch die Rückgabe der Akte je nach Büroabläufen undPostlaufzeiten und vor allem Umfang der Akte und <strong>dem</strong> entsprechenden SichtungsundKopieraufwand auch noch nach e<strong>in</strong> bis zwei Wochen rechtzeitig im S<strong>in</strong>ne derVerfügung des Aktenversenders se<strong>in</strong>, so daß es e<strong>in</strong>es Fristverlängerungsgesuchsnicht bedarf, zumal diese stets unproblematisch gewährt werden, wenn man denzuständigen Staatsanwalt erreicht, dieser also nicht gerade Sitzungsdienst hat bzw.auf Schulung ist etc.Letztlich gilt die e<strong>in</strong>zelfallbezogene Betrachtungsweise, jedoch wird man generelldavon ausgehen können, daß bei e<strong>in</strong>er nicht allzu dicken Akte e<strong>in</strong>e Verweildauer derübersandten Akten <strong>in</strong> der Kanzlei des Verteidigers von m<strong>in</strong>destens 5 bis 8 Bürotagenals angemessen anzusehen ist. Bei dicken, umfangreichen Akten kann e<strong>in</strong>eM<strong>in</strong>destverweildauer von 3 bis 4 Wochen - <strong>in</strong> Großverfahren entsprechend länger -als angemessen anzusehen se<strong>in</strong>. Im H<strong>in</strong>blick auf die sowieso teilweise mehrereJahre andauernden Verfahren ersche<strong>in</strong>en diese Zeiträume als völlig unbedeutendkurz.Die Grenze liegt dar<strong>in</strong>, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em überlangen Behalten e<strong>in</strong>e Prozeßverzögerungliegt. Hier verwirkt zwar der Verteidiger nicht se<strong>in</strong> <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong>. Hier bleibtletztlich nur, die Aktenrückgabe beim Verteidiger anzumahnen. Man wird allerd<strong>in</strong>gse<strong>in</strong> z.B. mehrmonatiges unnötiges Behalten der Akte des Verteidigers im Rahmene<strong>in</strong>er eventuellen überlangen Verfahrensdauer nicht als Argument gegen e<strong>in</strong>eStrafmilderung beim Angeklagten verwenden können, da solche Pannen bei je<strong>dem</strong>Verfahrensbeteiligten passieren können und der Beschuldigte für e<strong>in</strong> solchesbüroseitiges Versehen bei se<strong>in</strong>em Verteidiger strafrechtlich nicht haftbar gemachtwerden kann. Solche Pannen können im F<strong>in</strong>anzamt genauso wie bei der StA oder


17beim Gericht entstehen und dennoch muß seitens der Strafverfolgungsbehördendafür gesorgt werden, daß b<strong>in</strong>nen angemessener Zeit das Verfahren abgeschlossenwird. Dafür bleibt der Rettend bei der StA, die dann über Wiedervorlagefristen an dierechtzeitige Rückgabe der versandten Akten er<strong>in</strong>nern muß.b) Zeitraum zwischen Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung und HauptverhandlungTeilweise wird erst kurz vor <strong>dem</strong> Hauptverhandlungsterm<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktene<strong>in</strong>sichtgewährt und zwar so knapp, daß der Verteidiger bei den üblichen Büroabläufenke<strong>in</strong>e Chance hat, den umfangreichen Sachverhalt sich zu erarbeiten, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong>Mandanten den Akten<strong>in</strong>halt zu besprechen, Verteidigungsschriftsätze zu fertigenoder eigene Er<strong>mit</strong>tlungen wie etwa unterlassene Zeugenbefragungen anzustellenoder sich vernünftig auf die Hauptverhandlung vorzubereiten.Beispiel:Im Februar 01 bestellt sich der Verteidiger, nach<strong>dem</strong> zuvor Anklage erhoben wordenwar und die Anklage zugelassen wurde und beantragt Aktene<strong>in</strong>sicht. Im August 01und November 01 er<strong>in</strong>nert er an se<strong>in</strong> Aktene<strong>in</strong>sichtsgesuch. Im Dezember 01 erhälter e<strong>in</strong>e Ladung zur Hauptverhandlung für Mitte Januar 02 ohne jedoch bis dah<strong>in</strong>Aktene<strong>in</strong>sicht erhalten zu haben. Der Anwalt beantragt Term<strong>in</strong>sverlegung u. a. <strong>mit</strong><strong>dem</strong> H<strong>in</strong>weis, bislang ke<strong>in</strong>e Aktene<strong>in</strong>sicht erhalten zu haben. Anfang Januar 02erfolgt die Term<strong>in</strong>sverlegung auf den 01.03.02 ohne daß Aktene<strong>in</strong>sicht gewährt wird.Ende Januar 02 kommen 21 zumeist prall gefüllte Akten und 1 Leitz-Ordner 48 .Daß rund 1 Monat für das Kopieren und Durcharbeiten e<strong>in</strong>er aus über 22 e<strong>in</strong>zelnenAkten bestehenden Akte bei den üblichen Büroabläufen weder für e<strong>in</strong>enStaatsanwalt, e<strong>in</strong>en Richter oder e<strong>in</strong>en Verteidiger machbar ist, liegt klar auf derHand. Da zu<strong>dem</strong> <strong>in</strong>nerhalb dieser Frist e<strong>in</strong>e Besprechung <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Mandanten, nocheventuelle eigene Er<strong>mit</strong>tlungen, die Fertigung von Verteidigungsschriftsätzen nochdie Vorbereitung von Beweisanträgen möglich ist und wird <strong>mit</strong> dieser knappenFristsetzung zur E<strong>in</strong>arbeitung <strong>in</strong> die Akte und Vorbereitung auf die Hauptverhandlungdie Verteidigung <strong>in</strong> ihren Rechten wesentlich beschnitten, § 338 Nr. 8 StPO.Die Aktene<strong>in</strong>sicht hat den S<strong>in</strong>n und Zweck, daß der Verteidiger sich über denprozessualen Sachstand und den materiell-rechtlichen Vorwurf aus der Akte48 AG Köln –111 Js 249/95-.


18<strong>in</strong>formieren kann, die Verteidigungskonzeption hierauf ausrichten kann, Zeugenbefragen bzw. weitere Zeugen er<strong>mit</strong>teln kann, den Sachverhalt <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Mandantenanhand der Akte besprechen und ihm ggf. Vorhalte aus der Akte machen kann undVerteidigungsschriftsätze anfertigen sowie Beweisanträge sowie dieHauptverhandlung vorbereiten kann 49 . Nur bei rechtzeitiger und umfassenderAktene<strong>in</strong>sichtsgewährung kann der Verteidiger ausreichend auf das Verfahrenvorbereiten und z.B. das Beweisantragsrecht oder das Selbstladungsrecht (voll)nutzen 50 .Wie lange e<strong>in</strong> Zeitraum zwischen Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung und z.B.Hauptverhandlung se<strong>in</strong> muß, lässt sich nur e<strong>in</strong>zelfallbezogen beantworten.Jedenfalls wird e<strong>in</strong> Zeitraum von m<strong>in</strong>destens 10 Bürowerktagen des Verteidigers hierdas M<strong>in</strong>imum se<strong>in</strong>. In größeren Verfahren wird e<strong>in</strong> Zeitraum von mehreren Monatenals M<strong>in</strong>imum angemessen se<strong>in</strong>. Denn andernfalls kann der Verteidiger se<strong>in</strong>e o.a.Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen. Ist die Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährung zu knapp,ist es so, als sei sie nicht erfolgt. Denn bei zu knapper Frist ist der <strong>mit</strong> derAktene<strong>in</strong>sichtsgewährung verbundene Zweck der Gewährung rechtlichen Gehörs,Art 103 I GG, nicht erfüllt.12. Inhaftierter BeschuldigterIst der Beschuldigte <strong>in</strong>haftiert, ist im Zusammenhang <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Verweigerung derAktene<strong>in</strong>sicht die Rechtsprechung des BVerfG von erheblicher Bedeutung. Dieseshat nämlich 1994 klargestellt 51 , dass das Interesse des Beschuldigten an derKenntnis der gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Fall e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>griffs <strong>in</strong> die Freiheitse<strong>in</strong>er Person durch die Untersuchungshaft e<strong>in</strong> besonderes Gewicht hat. Dasbedeutet, daß e<strong>in</strong> Haftbefehl und ihn bestätigende gerichtliche Entscheidungennur auf solche Tatsachen und Beweis<strong>mit</strong>tel gestützt werden dürfen, die <strong>dem</strong>Beschuldigten bekannt s<strong>in</strong>d und zu denen er sich äußern konnte. Der Verteidigerwird sich daher überlegen, ob es sich nicht ggf. auch deshalb empfiehlt gegene<strong>in</strong>en Haftbefehl (Haft-)Beschwerde e<strong>in</strong>zulegen 52 . Nach der Rechtsprechung istihm nämlich dann ggf. zum<strong>in</strong>dest Teil-Aktene<strong>in</strong>sicht zu gewähren und derHaftbefehl muss möglicherweise aufgehoben werden, wenn auch das nicht49 Zu den Aufgaben des Verteidigers bezüglich der Vorbereitung der Hauptverhandlung: Simon/Vogelberg, S.334; Dierlamm <strong>in</strong> Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Kap. 21 RN 89 ff.;Burhoff, Handbuch Hauptverhandlung, 3. A., RN 1144;50 Lammerd<strong>in</strong>g/Hackenbroch, Steuerstrafrecht, 7. A., S. 145.51 BverfG, Beschluß vom 11.7.94, 2 BvR 777/94, StV 1994, 465 = NJW 1994, 3219.52 E<strong>in</strong>zelheiten siehe Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. A., RN. 324 ff.; Beck-Deckers, S. 153 f.;Burhoff, , Handbuch für das strafrechtliche Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren, 2. A., RN. 442 f..


19möglich se<strong>in</strong> sollte 53 .13. Procedere nach Aktene<strong>in</strong>sichtsgewährungDieser Aberglaube, die Verteidigung würde zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Er<strong>mit</strong>tlungsverfahrensnur stören und müsse daher auch unter Verbiegung des § 147 II StPO oder des §30 AO ganz oder teilweise um ihr <strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> gebracht werden, ist e<strong>in</strong>eschon merkwürdige Auffassung verschiedener BuStra- bzw.Strafverfolgungsbehörden, wenn dieselben am Ende des Verfahrens dann dochAktene<strong>in</strong>sicht gewähren und dann eventuell im Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren –allerd<strong>in</strong>gsdann erheblich verspätet- ihre Hausaufgaben aufgrund des entsprechendenVerteidigungsvortrages und der entsprechenden Beweisangebote nachholenmüssen oder spätestens <strong>in</strong> der gerichtlichen Hauptverhandlung aufgrundentsprechender Beweisanträge die Er<strong>mit</strong>tlungen <strong>in</strong> dieser von der Verteidigungbestimmten Richtung aufnehmen müssen, wenn sie sich Revisionsangriffen nichtausgesetzt sehen wollen. Dann ist das Verfahren möglicherweise alt, haterhebliche Kosten und viel Er<strong>mit</strong>tlungsaufwand gekostet, Berichte s<strong>in</strong>d an denLOStA oder den Generalstaatsanwalt oder den Amtsvorsteher oder die OFDverfasst; kurzum: Das Verfahren genießt so viel Aufmerksamkeit, daß es pe<strong>in</strong>lichwird, vollständig zu unterliegen und die Dealgespräche nur noch primär derGesichtswahrung dienen. In diesen Verfahren wäre es s<strong>in</strong>nvoller gewesen,rechtzeitig Aktene<strong>in</strong>sicht zu gewähren und ggf. die Verteidigung zu befragen, obsie Stellungnahme abgeben oder Beweisanträge stellen möchte. Rührt sich dieVerteidigung nicht oder macht der Mandant über sie ausdrücklich von se<strong>in</strong>emSchweigerecht Gebrauch, kann wenigstens niemand den Er<strong>mit</strong>tlungsbehördenvorhalten, sie hätten uns<strong>in</strong>nig Kosten und Ressourcen vergeudet, <strong>in</strong><strong>dem</strong> sie langund breit er<strong>mit</strong>telt haben, was h<strong>in</strong>terher <strong>mit</strong> e<strong>in</strong> oder zwei Beweisanträgen derVerteidigung wie e<strong>in</strong> Kartenhaus zusammenbricht. Gibt die Verteidigung jedochnach erfolgter Aktene<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e Stellungnahme ab, so können vielleicht Teile desEr<strong>mit</strong>tlungsverfahrens e<strong>in</strong>vernehmlich erledigt werden oder die Er<strong>mit</strong>tlungen aufbestimmte Punkte konzentriert werden und die übrigen Teile e<strong>in</strong>gestellt werden.53 BVerfG, Beschluß v. 11.7.94, 2 BvR 777/94, StV 1994, 465 = NJW 1994, 3219; ähnlich auchKG, Beschluss vom 7.2.1994, 5 Ws 51/94, StV 1994, 319.


2014. Verwertungsverbot, Verfahrensh<strong>in</strong>dernisSoweit rechtswidrig die Aktene<strong>in</strong>sicht verweigert wird oder rechtswidrig beschränktwird, darf der Inhalt dieser Akten nicht zum Gegenstand des Strafverfahrensgemacht werden 54 . Es besteht <strong>in</strong>soweit e<strong>in</strong> Verwertungsverbot 55 .Selbst dann, wenn nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Blatt e<strong>in</strong>er Akte fehlt und man nicht aus <strong>dem</strong>Kontext des Aktenaufbaus bzw. der Seitennumerierung rekonstruieren kann, umwelches Blatt es sich höchstwahrsche<strong>in</strong>lich gehandelt hat, wird man von e<strong>in</strong>emVerwertungsverbot der gesamten Akte bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em Verfahrensh<strong>in</strong>dernisausgehen müssen. Fehlt beispielsweise aus e<strong>in</strong>em zusammenhängenden Schreibenoder aus zusammenhängenden Kopien von Fundstellen und ähnlichem mehr e<strong>in</strong>eSeite, wird man vermuten dürfen, daß hier der h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geheftete Schriftsatzursprünglich vollständig war und eben nur die betreffende Seite des Schriftsatzesfehlt. Gleiches gilt auch dann, wenn Fundstellen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kopiert wurden oder anderezusammenhängende Schriftstücke <strong>in</strong> der Akte hängen und hier e<strong>in</strong>e Seite desoffensichtlich zusammenhängenden Teils <strong>mit</strong>tendr<strong>in</strong> fehlt. Dann wird man wohl nichtvon e<strong>in</strong>em gesamten Verwertungsverbot der Akte ausgehen können, da klar ist, wasfehlt. Anders wird jedoch zu entscheiden se<strong>in</strong>, wenn e<strong>in</strong>e Aktenseite fehlt und e<strong>in</strong>klarer Bezug zu den davor oder danach hängenden pag<strong>in</strong>ierten Seiten nichterkennbar ist. Hier kann es sich bei der fehlenden Seite um be- oder entlastendesMaterial handeln. Die fehlende Seite kann den zentralen Nerv des gesamtenVerfahrens betreffen und die Entscheidung zugunsten oder zulasten des Mandantensehr stark bee<strong>in</strong>flussen. So könnte beispielsweise auf e<strong>in</strong>er fehlenden Seite e<strong>in</strong>eSelbstanzeige des Mandanten ursprünglich vorhanden gewesen se<strong>in</strong>, so daß <strong>mit</strong> derExistenz oder <strong>dem</strong> Fehlen dieser Seite möglicherweise das gesamte Strafverfahrensteht oder fällt. Es kann sich ebenso gut auch um e<strong>in</strong>e entlastende Zeugenaussagehandeln, die aus <strong>dem</strong> Verfahren herausgenommen ist 56 .Fehlen mehrere zusammenhängende oder mehrere isolierte Seiten <strong>in</strong> derEr<strong>mit</strong>tlungsakte oder <strong>in</strong> den Steuerakten oder s<strong>in</strong>d diese durch Leerseiten ersetzt,54 BVerfG, Beschluß v. 11.7.94, 2 BvR 777/94, StV 1994, 465: Beweisverwertungsverbot <strong>in</strong> U-Haftsachen,wenn <strong>dem</strong> Verteidiger Aktene<strong>in</strong>sicht h<strong>in</strong>sichtlich haftentscheidungserheblicher Tatsachen verweigert wird;Bandisch <strong>in</strong>: Brüssow/Gatzweiler/Krekeler/Mehle, Strafverteidigung, 2. A., § 9 RN 141; Gast de Haan <strong>in</strong>Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 5. A., § 392 RN 36; Dünnebier <strong>in</strong> Loewe/Rosenberg, § 147 StPO RN 5;Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblattsammlung, Stand: 29. Erg.-Li. 11/ 2001, § 392 RN 151.55 Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblattsammlung, Stand: 29. Erg.-Li. 11/ 2001, § 392 RN 151.56 So geschehen durch Mitarbeiter des F<strong>in</strong>anzamtes Wiesbaden II, die e<strong>in</strong>en Aktenvermerk über e<strong>in</strong>e entlastendeZeugenaussage aus der Strafverfahrensakte vollständig entnommen haben und da<strong>mit</strong> das Verfahrenmanipulieren wollten und diesen Aktenvermerk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Akte <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Vermerk „versteckten“: AusStrafakte entnommen – nicht für Rechtsanwalt Burkhard bestimmt“: FA Wiesbaden II – S 1603 B – 734/98 –XII/11 + 12.


21wird man generell von e<strong>in</strong>em Prozeßh<strong>in</strong>dernis <strong>in</strong> strafrechtlicher H<strong>in</strong>sicht ausgehenmüssen und so das Verfahren nach § 206 a StPO durch Beschluß bzw. nach Beg<strong>in</strong>nder Hauptverhandlung durch Urteil nach § 260 Abs. 3 StPO beenden müssen.Nicht anders ist zu entscheiden, wenn e<strong>in</strong>zelne Seiten <strong>mit</strong> Tipp-Ex bearbeitet wurdenund Teile der <strong>in</strong> den Akten bef<strong>in</strong>dlichen Unterlagen nicht oder jedenfalls nichtvollständig mehr gelesen werden können.Beispiel:In e<strong>in</strong>em steuerstrafrechtlichen Er<strong>mit</strong>tlungsverfahren haben Mitarbeiter der Steufaoder BuStra e<strong>in</strong>zelne Aktenseiten <strong>mit</strong> Tipp-Ex bearbeitet. Insgesamt s<strong>in</strong>d 6 SeitenBeweis<strong>mit</strong>telkopien <strong>mit</strong> teilweise fast handtellergroßen Tipp-Ex-Flächenüberp<strong>in</strong>selt 57 . Die Beweis<strong>mit</strong>telkopien lassen nicht die unkenntlich gemachtenInformationen erkennen. Der ursprüngliche Kopien<strong>in</strong>halt lässt sich nichtreproduzieren.Warum <strong>in</strong> der Er<strong>mit</strong>tlungsakte überhaupt Seiten <strong>mit</strong> Tipp-Ex bearbeitet wurden, istunklar. Schon wenn <strong>in</strong> Aktenvermerken der Fahnder <strong>mit</strong> Tipp-Ex gearbeitet werdenwürde, wäre dies bedenklich. Denn ob da<strong>mit</strong> nicht ursprünglich entlastendeInformationen nachträglich manipuliert wurden, bleibt offen. Da aber auf denBeweis<strong>mit</strong>telkopien Manipulationen vorgenommen wurden, muß dies zu e<strong>in</strong>erE<strong>in</strong>stellung des Verfahrens nach § 206 a StPO durch Beschluß bzw. <strong>in</strong> derHauptverhandlung durch Urteil nach § 260 III StPO führen. Denn hier könnenentlastende Informationen gelöscht worden se<strong>in</strong>. Möglicherweise s<strong>in</strong>d Indizien, dieauf e<strong>in</strong>en anderen Täter als den, der nun beschuldigt wird, gelöscht worden.Im Ergebnis kann e<strong>in</strong> Verfahren <strong>mit</strong> derartige Tipp-Ex-Bearbeitungen, Rasuren,Ausschneidungen etc. <strong>in</strong> der behördlichen Er<strong>mit</strong>tlungsakte als nicht mehrrechtsstaatliches Verfahren angesehen werden. Es werden auch stets erheblicheZweifel bei <strong>dem</strong> Richter bleiben müssen, was unter den Tipp-Ex-Flächen stand, sodaß zur Überzeugung des Gerichts die Täterschaft des Beschuldigten oder dessenangebliche Tat nicht (mehr) <strong>mit</strong> der erforderlichen Gewißheit feststehen kann.57 FA Neustadt/We<strong>in</strong>straße, StFL-Nr.: -00-289 und 01/363-.


2215. Exkurs: Auswirkungen fehlender Seiten im BesteuerungsverfahrenFehlen <strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzgerichtlichen Verfahren Seiten oder Aktenteile, ist nach denGrundsätzen der Beweislastumkehr zu entscheiden. Hier hat dann der Klägererhebliche Beweiserleichterungen bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er vollständigen Beweislastumkehr 58 .Insoweit wird möglicherweise auch e<strong>in</strong>e Schätzung nach § 162 AO vorgenommenwerden bzw. e<strong>in</strong> Bescheidungsurteil des Inhalts zu erlassen se<strong>in</strong>, wie nachAuffassung des Gerichts e<strong>in</strong>e Schätzung vorzunehmen ist und hier derF<strong>in</strong>anzverwaltung e<strong>in</strong>en Schätzungsrahmen vorgegeben, wie diese aufgrund dieserSach- und Rechtslage nach Auffassung des Gerichts zu schätzen hat. S<strong>in</strong>d zunächstAkten oder Aktenteile oder auch nur e<strong>in</strong>zelne Seiten verschwunden und etwa imH<strong>in</strong>blick auf § 30 AO aus der Akte herausgenommen worden, so trägt dieF<strong>in</strong>anzverwaltung, wenn sie ihre rechtswidrige Position aufgibt und die ursprünglichentnommenen Seiten wieder e<strong>in</strong>fügt, die Beweislast dafür, daß die dann nachträglich<strong>in</strong> das Verfahren here<strong>in</strong>gereichten Unterlagen tatsächlich auch die Seiten s<strong>in</strong>d, dieursprünglich <strong>in</strong> diesen Akten an dieser Stelle h<strong>in</strong>gen. Soweit hier also lediglich z. B.Kopien von veröffentlichten BFH-Entscheidungen nachgereicht werden undbehauptet wird, diese Seiten seien ursprünglich wegen § 30 AO aus der Akteentnommen worden, so kann dies rechtlich nicht se<strong>in</strong>. Ist zweifelhaft, ob dienachgereichten Seiten tatsächlich die s<strong>in</strong>d, die ursprünglich an diesen Stellen <strong>in</strong> denAkten vorhanden waren, so trägt die F<strong>in</strong>anzverwaltung hierfür die Beweislast.Notfalls hilft hier nur e<strong>in</strong> graphologisches oder chemischesSachverständigengutachten, ob etwa die Pag<strong>in</strong>ierung übere<strong>in</strong>stimmt oder aber e<strong>in</strong>eUntersuchung von Papier und Farbe über den Alterungsprozeß des Papiers um dasvermutliche Alter des Papiers zu bestimmen.Steuerlich folgt aus der Beweisvereitelung, Beweiserleichterung für den Gegner desBeweisvereitlers bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Beweislastumkehr. Steuerstrafrechtlich folgenhieraus m<strong>in</strong>destens dieselben Folgen, bei mehreren BeweisvereitelungenVerfahrensh<strong>in</strong>dernisse, die zu e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>stellung nach § 206 a StPO bzw. § 260 Abs.2 StPO führen.16. Strafbarkeit der rechtswidrigen Aktene<strong>in</strong>sichtsverweigerungDie rechtswidrige Herausnahme e<strong>in</strong>zelner Aktenteile sowie die rechtswidrigevollständige oder teilweise Verweigerung der Aktene<strong>in</strong>sicht erfüllt den58 So hatte beispielsweise das F<strong>in</strong>anzamt Neustadt/We<strong>in</strong>straße während e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>spruchs- bzw. Klageverfahrensm<strong>in</strong>destens 600 beschlagnahmte Leitz-Ordner vernichtet und lediglich e<strong>in</strong> Excerpt aus verme<strong>in</strong>tlichbelasten<strong>dem</strong> Material von 8 Leitz-Ordnern sich für das Besteuerungsverfahren aufgehoben, FG Düsseldorf – 6K 878/98 G F BA u. a. -.


23Straftatbestand der zum<strong>in</strong>dest zeitweisen Urkundenunterdrückung, § 274 StGB,der Rechtsbeugung nach § 339 StGB und des zum<strong>in</strong>dest versuchtenProzeßbetruges, §§ 263, 22, 23 StGB, weil der Beamte sich <strong>mit</strong> derAktenmanipulation Beweis- Rechen- und/oder Argumentationsvorteile <strong>in</strong> <strong>dem</strong>Besteuerungs- oder <strong>Steuerstrafverfahren</strong> nach se<strong>in</strong>em Tatplan erhofft. Nach<strong>dem</strong>das Thema Akte<strong>in</strong>sicht auch <strong>in</strong> den letzten 6 Jahren im Steuerstrafrecht <strong>in</strong> denFachzeitschriften 59 und den ZFN ausführlich diskutiert wurde, ist auch die Kenntnisjedes BuStra-Beamten h<strong>in</strong>sichtlich der strafrechtlichen Relevanz derrechtswidrigen Aktene<strong>in</strong>sichtsverweigerung zum<strong>in</strong>dest aufgrund e<strong>in</strong>erParallelwertung <strong>in</strong> der Laiensphäre gegeben.17. FazitRechtliches Gehör ist nicht vorstellbar, ohne daß der Beschuldigte weiß, wozu eretwas sagen kann oder darf. Die Aktene<strong>in</strong>sicht dient der Er<strong>mit</strong>tlung desSachstandes, der Beweislage und der Verfahrenssituation. Ohne Aktene<strong>in</strong>sicht iste<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>lassung im (Steuer-)Strafverfahren nicht vorstellbar. Das Recht und diePflicht der Aktene<strong>in</strong>sicht ist zentrale Aufgabe jedes Verteidigers. Der rechtswidrigenBeschränkung des Aktene<strong>in</strong>sicht ist strafbar und kann steuerlich zuBeweisverwertungsverboten oder zur Beweislastumkehr führen, steuerstrafrechtlichkann sie ebenfalls Beweisverwertungsverboten auslösen bis h<strong>in</strong> zurVerfahrense<strong>in</strong>stellung nach §§ 206 a, 260 Abs. 3 StPO.59 Vgl. u.a. Burkhard, Zum Recht des Strafverteidigers auf Aktene<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> strafrechtlichenEr<strong>mit</strong>tlungsverfahren, wistra 1996, 171; ders., Aktene<strong>in</strong>sicht des Strafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong> -hierzu gehört u.a. auch der „rote Bogen“ und das Fallheft des Betriebsprüfers, StV 2000, 526; ders.,<strong>Aktene<strong>in</strong>sichtsrecht</strong> des Strafverteidigers <strong>in</strong> <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, DStZ 2000, 850; ders., Die Ablehnungspraxisder F<strong>in</strong>anzämter bei Aktene<strong>in</strong>sichtsgesuchen im <strong>Steuerstrafverfahren</strong>, INF 2001, 168.

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