10.07.2015 Aufrufe

Der Strafbefehl im Steuerstrafrecht - Kanzlei Dr. jur. Jörg Burkhard ...

Der Strafbefehl im Steuerstrafrecht - Kanzlei Dr. jur. Jörg Burkhard ...

Der Strafbefehl im Steuerstrafrecht - Kanzlei Dr. jur. Jörg Burkhard ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>1von RA <strong>Dr</strong>. <strong>jur</strong> Jörg <strong>Burkhard</strong>,Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, WiesbadenInhaltsangabeAbkürzungsverzeichnis...........................................................................................................................................6A. Einführung und Gegenstand der Untersuchung..............................................................................................8I. Einleitung ...........................................................................................................................................................8II. Gegenstand der Untersuchung.....................................................................................................................10B. Historische Grundlagen....................................................................................................................................12I. Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren..............................................................................................................................12II. Das steuerliche Unterwerfungsverfahren....................................................................................................16III. Geschichtliche Wurzel ..................................................................................................................................25C. Voraussetzungen des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens...............................................................................................26I. Überblick ..........................................................................................................................................................26II. Einzelheiten...................................................................................................................................................341. Zuständigkeit des Amtsgerichts ...............................................................................................................342. Vergehen......................................................................................................................................................403. Best<strong>im</strong>mte und inhaltlich begrenzte Rechtsfolge ...................................................................................40a) Hauptstrafe ..............................................................................................................................................42aa) Geldstrafe...........................................................................................................................................42bb) Haftstrafe ...........................................................................................................................................42b) Nebenstrafe, Maßregel ...........................................................................................................................46c) Nebenfolgen ............................................................................................................................................474. Unzulässigkeit <strong>im</strong> Verfahren gegen Jugendliche....................................................................................47III. Verfahren........................................................................................................................................................471. Vorbereitung des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens, abgeschlossenes Ermittlungsverfahren ..........................482. Vernehmung des Beschuldigten...............................................................................................................493. Verhandlungsmöglichkeiten und -strategien aus anwaltlicher Sicht ...................................................504. Hinreichender Tatverdacht, Prüfungspflicht und Entscheidungsmöglichkeiten ................................51der Staatsanwaltschaft...............................................................................................................................515. <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag ...............................................................................................................................53a) Allgemein nach § 200 zu beachtende Erfordernisse...........................................................................55b) Anforderungen an die Darstellung des Anklagesatzes <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> .............................................56c) Anforderungen unter dem Aspekt der Urteilsfunktion .......................................................................57d) Beantragung einer best<strong>im</strong>mten Rechtsfolge .......................................................................................626. Verjährungsunterbrechung .......................................................................................................................62© RA <strong>Dr</strong>. <strong>jur</strong>. Jörg <strong>Burkhard</strong>, Frankfurter Str. 14, 65189 Wiesbaden,Telefon 0611-890910, Fax: 0611-8909179


D. Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>s ......................................................................................................................................64I. Grundsatz.........................................................................................................................................................64II. <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>..............................................................................................................661. Anklagesatz, Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen .........................................................................672. Notwendiger Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>s <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong> ......................................................................68a) Umgrenzungsfunktion............................................................................................................................69b) Informationsfunktion..............................................................................................................................78c) Akzeptanzfunktion ..................................................................................................................................78d) Ableitung des notwendigen Inhalts des <strong>Strafbefehl</strong>s aus § 370 AO .................................................80e) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Umgrenzungs- oder Informationsfunktion ....................82aa) Mängel der Umgrenzungsfunktion ..................................................................................................82bb) Mängel der Informationsfunktion....................................................................................................83f) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Akzeptanzfunktion ............................................................863. Heilungsmöglichkeiten ..............................................................................................................................864. Schätzungen der Finanzverwaltung .........................................................................................................87a) Schätzungen............................................................................................................................................88aa) Voll- und Teilschätzungen, Geldverkehrs- und Kassenfehlsbetragsrechnungen......................92bb) Äußerer Betriebsvergleich ...............................................................................................................93cc) Innerer Betriebsvergleich .................................................................................................................94dd) Schätzung nach Einzelfeststellungen.............................................................................................94ee) Schätzung nach Lebenshaltungskosten ........................................................................................94ff) Vermögenszuwachsrechnung ...........................................................................................................95b) Verwertbarkeit der Schätzungen der Finanzbehörde <strong>im</strong> Straf(befehls)verfahren ...........................95c) Übertragbarkeit der Schätzungen in das Strafverfahren....................................................................96d) Besonderheiten <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ...........................................................................................965. in dubio pro reo ..........................................................................................................................................98III. Die Entscheidung des Gerichts .................................................................................................................1071. Prüfung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages durch den Richter..........................................................................108a) Allgemeine strafprozessuale Anforderungen ....................................................................................109b) Anforderungen an die Überzeugung des Richters be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ..............................................110aa) Anforderungen an die Überzeugung des Richters wie be<strong>im</strong> Eröffnungsbeschluß..................110bb) Abweichungen vom <strong>Strafbefehl</strong>santrag .......................................................................................111cc) Weitere Aufklärung .........................................................................................................................112c) Anforderungen an die Überzeugung des Richters be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> bei Steuerstraftaten ...........1132. Bindung des Richters an den Antrag der Staatsanwaltschaft.............................................................1143. Bindung des Richters auch an den <strong>Strafbefehl</strong>santrag, der von einem Nicht<strong>jur</strong>isten......................115(Inspektor oder Amtsrat der BuStra) gefertigt wurde ?........................................................................1154. Bindung des Strafrichters an steuerrechtliche Feststellungen der Finanzverwaltung.....................118und Finanzgerichte...................................................................................................................................1185. Besondere Anforderungen an den Grad der Überzeugung des Straftichters?..................................1236. Beweislast <strong>im</strong> Schnittpunkt von Strafrecht und Steuerrecht...............................................................1257. Allgemeines Zwischenverfahren.............................................................................................................1268. Zwischenverfahren <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren analog §§ 199 ff. ..........................................................1279. Durchführung weiterer Ermittlungen gemäß § 202 analog ..................................................................12810. Abgabe wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit, § 408 Abs. 1, Satz 3, 4 ......................................12811. Ablehnung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages gemäß § 204 analog..................................................................129a) Ablehnung wegen Unzulässigkeit.......................................................................................................129b) Ablehnung wegen Unbegründetheit...................................................................................................129c) Anberaumung der Hauptverhandlung ................................................................................................130d) Einstellung des Verfahrens .................................................................................................................130e) <strong>Strafbefehl</strong>serlaß...................................................................................................................................13012. Nachbesserungsmöglichkeiten bei einem fehlerhaften <strong>Strafbefehl</strong>santrag oder .............................131Möglichkeit einer Neuerstellung eines <strong>Strafbefehl</strong>santrages ............................................................13113. Rechtshängigkeit ......................................................................................................................................13314. § 408 a ........................................................................................................................................................13315. § 408 b ........................................................................................................................................................136IV. Abschluß des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens ......................................................................................................136


1. Verfahrensbeendigung durch Einstellung nach § 170 Abs. 2..............................................................1362. Verfahrensbeendigung durch Einstellung, §§ 206 a, 260 Abs. 3 .........................................................1373. Einstellung des Verfahrens nach §§ 153 Abs. 2, 153 a Abs. 2 .............................................................1384. Anberaumung der Hauptverhandlung nach § 408 Abs. 3 ....................................................................139a) Bedenken des Richters ........................................................................................................................139b) Fehlgeschlagener Einigungsversuch.................................................................................................140c) Verhandlungsmöglichkeiten und -strategien aus anwaltlicher Sicht..............................................141d) Ladung des Angeklagten nach § 408 Abs. 3 Satz 3 ..........................................................................1425. Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s..............................................................................................................................144a) Sachurteilsvoraussetzungen ...............................................................................................................144b) Inhaltliche Erfordernisse......................................................................................................................146c) Ermittlung der zutreffenden Geldstrafe..............................................................................................1506. Rechtshängigkeit......................................................................................................................................1537. Zustellung..................................................................................................................................................153V. Strafklageverbrauch ....................................................................................................................................154Vl. Möglichkeit eines neuen <strong>Strafbefehl</strong>santrages, sofern zwischenzeitlich keine...................................155Verjährung eingetreten ist.........................................................................................................................155E. Besonderheiten bei Steuerhinterziehung .....................................................................................................155I. Zuständigkeiten .............................................................................................................................................1561. Zuständigkeit der BuStra .........................................................................................................................1562. Übernahme durch die Staatsanwaltschaft .............................................................................................1593. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft ab Einspruchseinlegung .........................................................160II. Verfahren.......................................................................................................................................................1621. Zusammenwirken von BuStra und Veranlagungsbezirk ......................................................................1632. Zwischenverfahren ...................................................................................................................................1653. Vorgehen aus anwaltlicher Sicht ............................................................................................................170Ill. Exkurs: .........................................................................................................................................................173Bindungswirkung rechtskräftiger steuerstrafrechtlicher Entscheidungen, insbesondererechtskräftiger <strong>Strafbefehl</strong>e für Entscheidungen <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren ......................................173IV. Rechtsfolgenvorstellungen bei der BuStra..............................................................................................1751. Starres Schema der Tagessatzberechnung?.........................................................................................1752. Probleme bei Strafentabellen, Unkenntnis von Strafzumessungsregeln und ...................................181ungenügende Anwendung von Milderungsgründen, insbesondere überlange Verfahrensdauer...181a) Mangelhafte Kenntnis oder mangelhafte Berücksichtigung von Strafzumessungsregeln .........181b) Strafmilderungsgrund bei überlanger Verfahrensdauer ..................................................................1813. Strafmilderungsgrund tatsächliche Verständigung?............................................................................183a) Verschuldete Auswirkungen................................................................................................................185b) Verhalten nach der Tat .........................................................................................................................185c) Ausgleichsbemühungen gegenüber dem Verletzten........................................................................186V. Exkurs: ..........................................................................................................................................................187Bindung des Strafrichters und der Strafverfolgungsorgane an eine tatsächliche Verständigung <strong>im</strong>Steuerverfahren ................................................................................................................................................187F. Bindungswirkung von Absprachen ...............................................................................................................188I. Grundsätzliche Aspekte der Absprache .....................................................................................................1891. Geständnis ................................................................................................................................................190a) Einigung als Geständnis ......................................................................................................................192b) Selbstanzeige ........................................................................................................................................1932. nemo tenetur se ipsum accusare proddere ./. § 136 a..........................................................................1943. Vernehmungen durch die Steufa, Vorladungen durch die BuStra ......................................................1974. Tatsächliche Verständigung, Vereinbarung, Absprache......................................................................197


a) Tatsächliche Verständigung ................................................................................................................197b) Vereinbarung, Absprache ....................................................................................................................2035. Legalitätsprinzip .......................................................................................................................................2056. Unmittelbarkeitsgrundsatz ......................................................................................................................2057. Ermittlungsgrundsatz...............................................................................................................................2068. Öffentlichkeitsgrundsatz..........................................................................................................................2099. plea bargaining .........................................................................................................................................20910. the (very) big deal.....................................................................................................................................21011. Dispositionsbefugnis der Absprachebeteiligten ...................................................................................21012. Bindungswirkung......................................................................................................................................211a) Bindung der Betriebsprüfung/Fahndungsprüfung bzw. BuStra an das Ergebnis der ..................211Schlußbesprechung..............................................................................................................................211b) Bindungswirkung von Absprachen ....................................................................................................215II. Auswirkungen von Absprachen auf Mitbeschuldigte ..............................................................................225III. Strafbarkeit der Absprachebeteiligten ......................................................................................................226IV. Die Kontrolle der Absprachen durch die Obergerichte ..........................................................................227G. Rechtsbehelfe..................................................................................................................................................229I. Sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ..........................................................................................2311. FalI des § 408 Abs. 1, Satz 1, 2. HS .........................................................................................................2322. § 210 Abs. 2 analog bei Ablehnung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages ............................................................236II. Einspruch des Beschuldigten.....................................................................................................................2371. Verfahrensvoraussetzungen ...................................................................................................................238a) Form.......................................................................................................................................................238b) Zuständige Stelle ..................................................................................................................................239c) Frist ........................................................................................................................................................2392. Entscheidung des Gerichts .....................................................................................................................240III. Besonderheiten des Einspruchsverfahrens.............................................................................................2411. Beschränkbarkeit des Einspruchs..........................................................................................................2422. Vertretung durch Verteidiger...................................................................................................................2443. Klagerücknahme, § 411 Abs. 3 ................................................................................................................2474. Einspruchsrücknahme, § 411 Abs. 3 ......................................................................................................2485. Kein Verbot der reformatio in peius........................................................................................................2526. Verwerfung des Einspruchs ....................................................................................................................2537. Ausbleiben des Angeklagten, § 412........................................................................................................255H. Rechtskraft.......................................................................................................................................................257I. Formelle Rechtskraft.....................................................................................................................................2571. Ablauf der Einspruchsfrist, § 410 Abs. 1................................................................................................2572. Verzicht auf Einlegung eines Einspruchs, §§ 410 Abs. 1 Satz 2, 302 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 2583. Zurücknahme des Einspruchs, § 411 Abs. 3 .........................................................................................2594. Verwerfung des Einspruchs ....................................................................................................................259II. Materielle Rechtskraft ..................................................................................................................................260III. Wiederaufnahme..........................................................................................................................................261Stellungnahme und Ausblick..............................................................................................................................263Zusammenfassung ..............................................................................................................................................264


Literaturverzeichnis .............................................................................................................................................271Register .................................................................................................................................................................293


Abkürzungsverzeichnisa.A.andere Auffassunga.M.andere MeinungAbs.AbsatzAGAmtsgerichtAlt.AlternativeAnm.AnmerkungAnwBlAnwaltsblattAOAbgabenordnungArt.ArtikelBd.BandBFHBundesfinanzhofBfin.BeschwerdeführerinBGHBundesgerichtshofBGHStEntscheidungssammlung des BGH in StrafsachenBRAOBundesrechtsanwaltsordnungBStBlBundessteuerblattBT-<strong>Dr</strong>Bundestags-<strong>Dr</strong>ucksacheBuStraBußgeld- und StrafsachenstelleBVerfGBundesverfassungsgerichtbzw.beziehungsweised.h.das heißtders.derselbeDRiGDeutsches RichtergesetzDStRDeutsches SteuerrechtDStZDeutsche SteuerzeitungEFGEntscheidungen der FinanzgerichteEinl.Einleitungetc.et ceteraf. folgendeff.fortfolgendeGAGoldammers-ArchivGGGrundgesetzggf.gegebenenfallsh.M.herrschende Meinung


HS.Halbsatzi.d.R.in der Regeli.S.d.<strong>im</strong> Sinn des/deri.V.m.in Verbindung mitJZJuristen ZeitungLGLandgerichtM. mitm.E.meines Erachtensm.w.Nmit weiteren NachweisenMDRMonatszeitschrift Deutsches RechtMSchrKr<strong>im</strong>Monatsschrift für Kr<strong>im</strong>inologie und StrafsrechtsreformNJWNeue Juristische WochenschriftNstzNeue Zeitschrift für den StrafverteidigerOLGOberlandesgerichtOWiGOrdnungswidrigkeitengesetzRAOReichsabgabenordnungRiStBVRichtlinien für das Straf- und BußgeldverfahrenRNRandnummerRuPRecht und Politiks. Seitesog.SogenannteStAStaatsanwaltschaftSteufaSteuerfahndungStGBStrafgesetzbuchstr.StreitigStsStrafsenatStvZeitschrift für den StrafverteidigerTzTextzifferusw.und so weitervgl.VergleicheVorVorbemerkungenwistraZeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrechtz.B.zum BeispielZPOZivilprozeßordnung


A. Einführung und Gegenstand der UntersuchungI. Einleitung<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ist ein in der StPO geregeltes Institut, die Unrechtsmaterie des Strafrechts ineinem schriftlichen Verfahren zu bewältigen. Er ist in den §§ 407 ff. 1 geregelt und stellt eineAlternative zum regulären mündlichen Erkenntnisverfahren - der Hauptverhandlung - dar 2 .Be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> handelt es sich somit um ein Sonderverfahren, wie auch be<strong>im</strong>Beschlußverfahren nach § 72 OWiG, dem Verfahren nach § 153 a, dem beschleunigtenVerfahren der §§ 417 – 420 3 und dem Privatklageverfahren der §§ 374 ff. 4 .<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> hat mit dem Beschlußverfahren nach § 72 OWiG und dem Verfahren nach §153 a gemein, daß es jeweils schriftliche Verfahren sind 5 . Mit dem beschleunigten Verfahrennach §§ 417 ff. hat er gemein, daß kein separater Eröffnungsbeschluß erforderlich ist, § 418Abs. 1. Ebenso geht es in beiden Verfahren darum, daß sie der schnellen Verurteilung eineseinfachen, klaren Sachverhalts dienen. Auch darf in beiden Verfahren nur auf einenbeschränkten Katalog von Rechtsfolgen erkannt werden.Wie <strong>im</strong> Privatklageverfahren braucht der Beschuldigte nicht persönlich zu erscheinen, wenn ergegen den <strong>Strafbefehl</strong> Einspruch eingelegt hat: <strong>Der</strong> Beschuldigte kann sich in beidenVerfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, §§ 378, 411 Abs. 2.<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ist dadurch gekennzeichnet, daß er nicht für jedes Verfahren anwendbar ist,sondern nur für den in § 407 Abs. 1 und 2 enumerativ aufgelisteten Teilbereich des Straf- undStrafprozeßrechts in Frage kommt: Die Tat muß ein Vergehen <strong>im</strong> Sinn des § 12 Abs. 2 StGBsein, zuständig ist ausschließlich das Amtsgericht, es muß Erwachsenen-Strafrechtanwendbar sein und als wohl auffälligstes Merkmal ist dabei nach § 407 Abs. 2 nur einabschließend aufgezählter, beschränkter Katalog von möglichen Rechtsfolgen <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren möglich. Typischerweise wird <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> eine Geldstrafe verhängt,nur ausnahmsweise kann gegen einen verteidigten Angeklagten eine Haftstrafe bis zu einem1 ohne Gesetzesangabe sind solche der StPO.2 Müller, 152.3 bis zur Änderung durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994: §§ 212 -212b; vgl. BGBl. 1994 I, 3186,3191.4 Müller, 149.


Jahr verhängt werden, nämlich nur dann, wenn diese zur Bewährung ausgesetzt wird, § 407Abs. 2, Satz 2.<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ist <strong>im</strong> Strafrecht in gewisser Weise das Pendant zum zivilrechtlichenMahnbescheid 6 . Beide Verfahren sind vom Gesetzgeber für eine schnelle und vereinfachteAbwicklung 7 von Massenverfahren konzipiert worden und wollen grundsätzlich ohnemündliche Hauptverhandlung zum gewünschten Erfolg, nämlich einem vollstreckbaren Titel,gelangen. In beiden Verfahren wird der Beschuldigte bzw. Antragsgegner vom Gerichtzunächst nicht gehört; der Beschuldigte bzw. Antragsgegner kann jedoch durch die Einlegungvon Rechtsbehelfen die mündliche Verhandlung erzwingen und sich damit rechtliches Gehör,Art. 103 Abs. 1 GG, verschaffen. Zugegebenermaßen hinkt der Vergleich: Während <strong>im</strong>zivilgerichtlichen Mahnbescheidsverfahren auf eine Schlüssigkeitsprüfung des geltendgemachten Anspruchs verzichtet wird und der Schuldner hierauf ausdrücklich hingewiesenwird 8 , prüft der Amtsrichter den <strong>Strafbefehl</strong>santrag vor Erlaß auf seine Zulässigkeit undBegründetheit. Allerdings ist dies nur eine summarische Prüfung nach Aktenlage 9 . <strong>Der</strong>Beschuldigte erhält jedoch durch eine Vorladung bei der Polizei oder in Steuerstrafsachen beider Bußgeld- und Strafsachenstelle vor Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s rechtliches Gehör.<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> stellt gerade wegen seiner bloß summarischen Prüfung auch keinevollständige Alternative zum mündlichen Erkenntnisverfahren dar.Das Vor- und Ermittlungsverfahren findet bei einem späteren <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nach dengleichen Regeln statt wie <strong>im</strong> Regelverfahren. Erst nach dem Abschluß der Ermittlungen, § 169a, entscheidet die Staatsanwaltschaft konstitutiv 10 über das weitere mündliche oder schriftlicheVerfahren 11 und stellt somit die entscheidende Weiche für oder gegen eine Durchführung des<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens. Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren tritt also nur an die Stelle des regulärenZwischen- und Hauptverfahrens, ohne daß sich die polizeilichen bzw. staatsanwaltlichenErmittlungs- oder richterlichen Entscheidungsmöglichkeiten und -kriterien ändern würden. Nur5 Müller, 150.6 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.7 Hinsichtlich des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens muß man sehen, daß es wohl nicht nur <strong>im</strong> Interesse der staatlichenStrafgerichtsbarkeit -die völlig überfordert wäre, wenn jedes Verfahren durch mündliche Hauptverhandlung und Urteilentschieden werden müßte-, sondern auch <strong>im</strong> Interesse des Beschuldigten liegt, dem durchaus daran gelegen sein kann, daßeine einfache Strafsache kostensparend, ohne Zeitverlust und vor allem ohne Aufsehen durch <strong>Strafbefehl</strong> erledigt werdenkann, vgl. BVerfGE 25, 158,164 = NJW 69, 1103, 1104; Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 407 RN 1.8 Zöller/Vollkommer, vor § 688 Rn 6.9 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 407 RN 1.10 Die Entscheidung des Staatsanwaltes ist allerdings nur insoweit konstitutiv, als eine Entscheidung gegen einen<strong>Strafbefehl</strong>die übrigen Beteiligten bindet. Entscheidet sich der Staatsanwalt hingegen für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, so ist dies nichtfür den Richter bindend, der nach § 408 III 2 statt des Erlasses des <strong>Strafbefehl</strong>s auch Hauptverhandlung anberaumen kann.


der richterliche Erkenntnisvorgang wird den strukturellen Notwendigkeiten eines schriftlichenVerfahrens angepaßt: Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist gekennzeichnet von Schriftlichkeit,Mittelbarkeit und Nichtöffentlichkeit 12 .<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ersetzt das Zwischenverfahren, macht den Eröffnungsbeschluß überflüssig 13und ist Anklageschrift und Urteil zugleich.Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft für das schriftliche Verfahren des <strong>Strafbefehl</strong>s istallerdings für die übrigen Beteiligten keineswegs bindend: <strong>Der</strong> Richter kann durchAnberaumung der Hauptverhandlung nach § 408 Abs. 2 und der Beschuldigte durchEinlegung eines Einspruchs nach § 411 Abs. 1 das schriftliche Verfahren beenden und damitdie Rückkehr zum mündlichen Regelverfahren erreichen 14 .Konzipiert ist der <strong>Strafbefehl</strong> für Fälle minder schwerer bzw. einfach gelagerter (Massen-)Kr<strong>im</strong>inalität 15 .II. Gegenstand der UntersuchungDie Problematik des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens liegt in dem summarischen Prüfungsverfahren,den Vor- und Nachteilen einer schriftlichen Verurteilung und dem Massencharakter desVerfahrens aus staatsanwaltlicher und richterlicher Sicht begründet.Chancen und Risiken mögen sich für die Betroffenen die Waage halten: Wer die Kosten oderdas Licht der Öffentlichkeit einer eingehenden Hauptverhandlung scheut, oder wergleichgültig, ängstlich oder unerfahren dem zugestellten <strong>Strafbefehl</strong> gegenüber steht, wirdeinen einigermaßen zutreffenden <strong>Strafbefehl</strong> eher hinnehmen als derjenige, dessen Ruf durchdie Öffentlichkeit der Hauptverhandlung nicht gefährdet erscheint und der sich eineBesserstellung in einer Hauptverhandlung verspricht. So besteht be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahreneinerseits die Möglichkeit, daß der Unschuldige sich nicht wehrt oder der nur verhältnismäßiggering Schuldige zu hart bestraft wird und andererseits der Schuldige über Gebühr gutwegkommt.11 Müller, 152.12 Müller, 152.13 <strong>Der</strong> Eröffnungsbeschluß ist überflüssig, wenn der <strong>Strafbefehl</strong> rechtskräftig wird, § 410 Abs. 3,vgl. Meurer, JuS 1987,882 ff., 884, Legt der Angeklagte Einspruch ein, so ersetzt der <strong>Strafbefehl</strong> den Eröffnungsbeschluß, vgl. Meurer,JuS 1987, 882 ff., 884.14 Müller, 152.15 Müller, 137 ff., 142.


Trotz dieser Unwägbarkeiten erscheint der <strong>Strafbefehl</strong> als ein unersetzliches Mittel, dieMassenverfahren abwickeln zu können, um die Funktionsfähigkeit der Strafgerichte für dieschweren oder besonders gelagerten Fälle aufrecht zu erhalten. Gleichwohl muß auch ein Aktder Selbstunterwerfung <strong>im</strong> schriftlichen Verfahren, wie das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren auchgenannt wird 16 , die rechtsstaatlich unverzichtbaren Anforderungen erfüllen, wie dienachfolgende Arbeit darlegt.Einen speziellen <strong>Strafbefehl</strong> für das Steuerstrafverfahren - wie vielleicht der Titel der Arbeitvermuten läßt -, gibt es nicht. Das "allgemeine" <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren erfährt jedoch eineganze Reihe von Besonderheiten, wenn der Gegenstand des Vorwurfs eine Steuerstraftat ist.Diese Besonderheiten des <strong>Strafbefehl</strong>s <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong> will die Arbeit beleuchten, so daßnachfolgend einerseits das „allgemeine“ <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren -dem erfreulicherweise durchdas StVÄG 1987 einige sehr streitig diskutierte Probleme genommen wurden 17 - dargestelltwird, andererseits auf die heute noch aktuellen Probleme des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens <strong>im</strong><strong>Steuerstrafrecht</strong> vertieft eingegangen wird und die Besonderheiten wie z. B. die Zuständigkeitder Finanzbehörde (Bußgeld- und Strafsachenstelle, kurz: BuStra) dargestellt werden.Schließlich sollen einige Aspekte und Erfahrungen aus Verteidigersicht, aus der Tätigkeit desVerfassers als Rechtsanwalt, an den geeigneten Stellen einfließen. Diese mögen alsAnregung verstanden werden, Allgemeingültigkeit können sie naturgemäß nichtbeanspruchen, denn das Vorgehen des Verteidigers muß einzelfallbezogen sein.1617KK-Müller, vor § 407 RN 2.Z. B. ist die Frage der eingeschränkten Rechtskraft durch § 410 111 dahingehend gelöst worden, daß derStrafklageverbrauch be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ebenso eintritt, wie nach einem richterlichen Urteil, indem der rechtskräftige<strong>Strafbefehl</strong> einem rechtskräftigen Urteil gleichgestellt wurde. Vgl. hierzu umfassend Kirch, 1 ff., 57 ff., 65 f.. Damitwurde durch das StVÄG 1987 dem rund 100 Jahre andauernden dogmatischen Streit über die Rechtskraftwirkungen des<strong>Strafbefehl</strong>s der Boden entzogen (vgl. Kirch, S. 57). Besonderheiten bestehen heute insoweit nur noch bei den erweitertenWiederaufnahmemöglichkeiten nach § 373 a gegenüber dem rechtskräftigen Urteil.


B. Historische GrundlagenI. Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenDie geschichtliche Entwicklung des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens ist bislang wenig erforscht.Während fast alle historischen Abhandlungen über das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren den Erlaß desPreußischen Gesetzes vom 17.07.1846 über das Verfahren vor dem Kammergericht und demKr<strong>im</strong>inalgericht zu Berlin als Geburtsstunde des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren bezeichnen 18 , gibtMüller einen umfassenden geschichtlichen Abriß vom altdeutschen Verfahren über dieEntwicklung <strong>im</strong> Mittelalter und das Aufkommen des Inquisitionsprozesses bis hin zu den summarischenVerfahren vor den Obergerichten 19 , die wohl schon <strong>im</strong> Reglement vom 03. März1797 für Neu-Ostpreußen 20 -aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten mit dem heutigen<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren- die Geburtsstunde des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens bzw. zumindest dessengeschichtliche Wurzeln nach Auffassung von Müller sind 21 . In dem Reglement vom 03. März1797 für Neu-Ostpreußen bzw. in dessen unmittelbarem Vorläufer, einem Reglement vom 06.Juni 1795 wegen künftiger- Einrichtung des Justizwesens in Akzise- und Zollsachen, wird dieGeburtsstunde der polizeilichen Strafverfügungen und Strafbescheide in Preußen gesehen 22 .Müller vertritt insoweit die Auffassung, daß zwar die Entscheidungskompetenz bei denpolizeilichen Strafverfügungen und den bedingten Polize<strong>im</strong>andaten <strong>im</strong> Gegensatz zu unserem<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren bei der Polizei lag, hierbei jedoch nicht übersehen werden dürfe, daßdie Übertragung der Entscheidungskompetenz auf den Richter <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren geradeauf die Kritik an eben dieser, den Polizeibehörden noch verbliebenen Judikatur,zurückging 23 . Durch die Verlagerung der Entscheidungskompetenz von den Polizeibehördenauf den Richter wird also nach seiner Auffassung keineswegs die Wurzel negiert, vielmehr seidie Kompetenzverlagerung ein Teil der geschichtlichen Entwicklung.Neben den polizeilichen Strafverfügungen und den bedingten Polize<strong>im</strong>andaten, die mit demAntrag auf gerichtliche Entscheidung bekämpft werden konnten 24 , konnte der Gesetzgeber derersten gesetzlichen Regelung des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens in § 122 des Preußischen Gesetzes18 Kirch, S. 10; Müller, S. 168.19 Eine erste gesetzliche Regelung des vereinfachten Verfahrens vor den Obergerichten befindet sich für Preußen in§ 253 des Anhangs der allgemeinen Gerichtsordnung (AGO) vom 06.07.1793, vgl. Müller, S. 187.20 Müller, S. 209; zur Gesetzgebungsgeschichte ausführlich Hintze, S. 141 ff.; Loening, S. 112 ff.; Foerstemann, S. 220.21 Müller, S. 209.22 Loening, S. 114; Mattes I, S. 8123 Müller, S. 209.24 Kirch, S. 10; Müller, S. 209 ff..


vom 17. Juli 1846 über das Verfahren be<strong>im</strong> Kammergericht zu Berlin und dem Kr<strong>im</strong>inalgerichtzu Berlin auch auf ähnliche weitere Verfahren zurückblicken. So erging z.B. <strong>im</strong> echtenKr<strong>im</strong>inalverfahren vor den Obergerichten eine endgültige Entscheidung auf summarischerErkenntnisgrundlage, wenn der Beschuldigte nicht von seinem Recht Gebrauch machte, einordentliches Verfahren mit den üblichen strengen Förmlichkeiten zu verlangen 25 . Ferner wurdebei den Untergerichten ein Versäumnisverfahren auch auf Strafsachen angewandt, nachdemauch diese Gerichte zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine echte strafgerichtliche Zuständigkeiterhalten hatten 26 . Schließlich konnte der preußische Gesetzgeber auch bei seinerNeuschöpfung des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens ideenmäßig auf das zivilprozessualeMandatsverfahren zurückblicken, bei dem ein Mandat vollstreckbar und rechtskräftig wurde,wenn der Beklagte es unterließ, innerhalb best<strong>im</strong>mter Fristen Einwendungen zu erheben 27 .Das mit § 122 des Preußischen Gesetzes vom 17. Juli 1846 kodifizierte Verfahren galtzunächst nur für Berliner Polizeirichter; erst als am 01.01.1849 die Preußische Verordnungüber die Gerichtsorganisation und den Strafprozeß übernommen wurde, stand dieseKodifikation allen Einzelstrafrichtern zur Verfügung 28 . § 122 des Preußischen Gesetzes vom17. Juli 1846 lautete:"Beruht die Anklage wegen eines Polizeivergehens auf der Anzeige eines Beamten,welcher die Tath aus eigener amtlicher Wahrnehmung bekundet und wird nicht etwader Angeschuldigte dem Polizeirichter zugleich vorgeführt, in welchem Falle stets dasordentliche Verfahren nach §§ 115 u.f. eintreten muß, so setzt der Polizeirichteraufgrund der Anklage die Strafe fest und macht sie dem Beschuldigten durch eineschriftliche Verfügung mit den Bedenken bekannt, daß, wenn er durch dieseStraffestsetzung sich beschwert finden sollte, er zur Ausführung seiner Verteidigungsich in einen, sogleich in der Verfügung, und zwar auf mindestens 10 Tagen hinaus, zubest<strong>im</strong>menden Termin vor den Polizeirichter zu stellen, <strong>im</strong> Falle seines Nichterscheinensin diesem Termine aber die Vollstreckung der Strafe zu gewärtigenhabe" 29 .25 Kirch, S. 10.26 Kirch, S. 10.27 Mayer, GerS, Bd. 96, S 401 ff.; derselbe, GerS, Bd. 99, S. 37,38; Kirch, S. 10, 11; a.A.: Müller, S. 215, der dasMandatsverfahren nicht auf eine Analogie zu den zivilprozessualen Versäumnis- oder Mandatsverfahren - so aber diesogenannten Vertrags- und Fiktionstheorien- ansieht. Nach Müller entbehrt die angeblich innere Verwandtschaft desstrafprozessualen Mandatsverfahrens zu den zivilprozessualen Instituten ausweislich der Gesetzgebungsmaterialienjeglicher Grundlage, Müller, S. 215; Katzenstein, IKV 10 (1902), 166; Thuma, S. 21.28 Kirch, S. 11; Mayer, GerS Bd. 99, S. 41.29 Im übrigen enthielt § 123 Best<strong>im</strong>mungen über den Inhalt der Strafverfügung, nach § 124 fand be<strong>im</strong> Erscheinen desAngeklagten oder eines Bevollmächtigten in dem Termin die Verhandlung nach den gewöhnlichen Vorschriften statt und


Gegenüber dem heutigen <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren wies das preußische Mandatsverfahren einigeBesonderheiten auf:Neben der Möglichkeit der Verhängung einer (damals oft verhältnismäßig strengen)Freiheitsstrafe, waren dies insbesondere die Mitwirkungsmöglichkeiten der übrigenVerfahrensbeteiligten. Denn einerseits war der Richter an die Wahl dieses strafprozessualenMandatsverfahrens insoweit gebunden, als er bei Bedenken gegen die Anzeige einesBeamten nicht einfach eine Hauptverhandlung anberaumen konnte, andererseits aber war eran die Strafzumessung, d.h. an den Antrag des "Polizeianwaltes" auch nicht gebunden. <strong>Der</strong>Richter konnte von dem Antrag des Polizeianwaltes abweichen, ohne daß diesem hiergegenein Rechtsbehelf zustand 30 . Aus dieser fehlenden Bindungswirkung erklärt sich natürlich, daßdie Anberaumung einer Hauptverhandlung nicht erforderlich war, wenn der Richter von derbeantragten Strafe abweichen wollte. Die Rolle der Staatsanwaltschaft ist daher in demheutigen <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren <strong>im</strong> Vergleich zu dem preußischen Mandatsverfahren eine ganzandere, nämlich stärkere, weil entweder ein Anwesenheitsrecht <strong>im</strong> Falle der Anberaumung derHauptverhandlung oder ein Beschwerderecht nach §§ 408 II 2, 210 II <strong>im</strong> Falle der Ablehnungdes <strong>Strafbefehl</strong>santrages besteht; nur in den Fällen, in denen der <strong>Strafbefehl</strong> antragsgemäßerlassen wird, steht der Staatsanwaltschaft auch heute kein Rechtsbehelf und keine weitereBeteiligung zu - dies ist auch mangels Beschwer nicht erforderlich.Weitere Besonderheiten bei dem strafprozessualen Mandatsverfahren bestanden darin, daßdem Beschuldigten nur eingeschränkte Rechtsbehelfe zur Verfügung standen. Während inden Fällen, in denen dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wurde, dasRechtsmittel der Appellation 31 und gegen das zweitinstanzliche Urteil das der Revision zurVerfügung stand, war in dem ordentlichen polizeigerichtlichen Verfahren nur eine Instanznachgelassen, in dem das Rechtsmittel -Rekurs genannt-, gegeben war 32 . Ferner stand demBeschuldigten <strong>im</strong> Mandatsverfahren bei Versäumung des Termins nur die Möglichkeit des Antragesauf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand -die sogenannte Restitution zurVerfügung 33 .die §§ 125-128 regelten die Möglichkeiten zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; vgl. Müller, S. 218, 219.30 Katzenstein, IKV 10 (1902), 168; Müller, S. 219, 220.31 Bei der zweiten Instanz wirkte sich nach § 80 der unterschiedliche Grad der Verbrechen <strong>im</strong> wesentlichen nur auf dieBesetzung der Gerichte aus, Müller, S. 220.32 § 177 des Preußischen Gesetzes vom 17. Juli 1846; Müller, S. 226.33 Müller, S. 220.


Mit Gesetz vom 03. Mai 1852 wurde <strong>im</strong> Wege sogenannter Zusatzartikel zu der Verordnungvon 1849 die seinerzeit geltende Strafprozeßordnung kodifiziert, die aber wiederum nicht fürdie ganze Monarchie galt 34 . An die Stelle der §§ 171-177 der Verordnung von 1849 traten nundie Artikel 120-127, die mit wenigen Veränderungen den Inhalt der §§ 420-424 des Entwurfsvon 1851 übernahmen 35 . Die wesentlichen Art. 122 und 123 lauteten:"Artikel 122: Wenn weder der Beschuldigte vorgeführt wird, noch die Verhaftungdesselben erforderlich ist, kann der Polizeianwalt bei dem Polizeirichter den Antragstellen, daß die verwirkte Strafe ohne vorgängige Hauptverhandlung durch eineStrafverfügung festgesetzt wird. Dieser Antrag, muß die Angabe der Tathsachen,durch welche die Übertretung begangen sein soll, die dafür vorhandenen Beweise, sowie die Anführung der anzuwendenden Strafvorschrift enthalten, und auf eine best<strong>im</strong>mte,nach Art und Höhe zu bezeichnende Strafe gerichtet sein.Artikel 123: <strong>Der</strong> Polizeirichter hat, wenn nicht besondere Bedenken entgegenstehen,die von ihm angemessen erachtete Strafe durch Verfügung festzusetzen. Ist diefestgesetzte Strafe geringer oder von anderer Art als die beantragte, so wird die Strafverfügungzunächst dem Polizeianwalt mitgeteilt und erst nach Art. 124 demBeschuldigten zugestellt, wenn der Polizeianwalt nicht innerhalb dreier Tage nach derihm gewordenen Mittheilung die Einleitung des mündlichen Verfahrens beantragt" 36 .Mit diesen Änderungen war der Richter nun nicht mehr verpflichtet, ein beantragtesStrafmandat zu erlassen 37 . Neu war auch die ausdrückliche Zulassung der reformatio in peiusin dem auf den Einspruch hin eingeleiteten ordentlichen Verfahren, Art. 127 Abs. 2 38 .Während also Mitte des 19. Jahrhunderts die Grundstrukturen des strafprozessualenMandatsverfahrens -trotz einiger Abweichungen in den einzelnen Ländern- denGrundstrukturen des heutigen <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens gleichen, war eine Vereinheitlichung des<strong>Steuerstrafrecht</strong>s noch nicht erkennbar.34 Kirch, S. 12, 13; Regge in Schubert/Regge, Abt. 1, Bd. 1, KLIV; Müller, S. 222.35 Katzenstein, IKV, 10 (1902), 173; Müller, S. 223.36 Haeberlin, S. 232; Müller, S. 223.37 Franz, S. 281; Mayer GerS 99, 42; Müller, S. 223.38 Katzenstein, IKV 10 (1902), 173; Müller, S. 224.


II. Das steuerliche UnterwerfungsverfahrenDie Vielfalt der Straftatbestände wurde bis zum Inkrafttreten der StPO vorn 01.02.1877 nochübertroffen durch die verschiedenartigen Gestaltungen des Verfahrensrechts, die in deneinzelnen Ländern teils gesondert, teils gleichmäßig für die Zuwiderhandlungen gegen ZollundVerbrauchsteuergesetze und für die Zuwiderhandlungen gegen Besitz- undVerkehrsteuergesetze galten 39 .Die <strong>im</strong> gesamten Reichsgebiet am 01.10.1879 in Kraft getretene StPO vom 01.02.1877 hattein einem besonderen Abschnitt über das "Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen dieVorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle" (§§ 459-468 StPO)Rahmenvorschriften gesetzt, die zwar den Fortbestand der landesgesetzlich kodifiziertenRegelungen über das Verwaltungsstrafverfahren erlaubten, sie aber best<strong>im</strong>mtenBeschränkungen unterwarf. Nach § 459 Abs. 1 StPO durfte durch den Strafbescheid einerVerwaltungsbehörde nur Geldstrafe oder Einziehung festgesetzt werden. § 459 Abs. 2 StPOordnete an, daß der Beschuldigte, wenn er nicht eine nach den Landesgesetzen zugelasseneBeschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde erhob, gegen den Strafbescheid einegerichtliche Entscheidung beantragen konnte 40 . Ferner regelte § 459 Abs. 2 StPO, daß derStrafbescheid die Verjährung der Strafverfolgung unterbrach 41 .Von den §§ 460 ff. StPO über das gerichtliche Verfahren in Steuerstrafsachen regelte § 463StPO die richterliche Umwandlung einer durch Strafbescheid festgesetzten Geldstrafe in eineErsatzfreiheitsstrafe, § 464 StPO räumte der Finanzbehörde eine selbständigeAnklagebefugnis ein 42 . § 467 StPO gab der Finanzbehörde -falls die Staatsanwaltschaftöffentliche Klage erhoben hatte- die Befugnis eines Nebenklägers 43 .Vorbehaltlich der §§ 453 - 455, 459 - 463 StPO blieben die Landesgesetze über dasVerwaltungsstrafverfahren nach § 6 II Nr. 3 EGStPO vom 01.02.1877 unberührt 44 . Auchkonnten die Landesgesetzgeber innerhalb der Rahmenvorschriften der StPO neueVerfahrensvorschriften einführen 45 .Nach § 449 S. 1 RAO 1919 wurden die §§ 459 - 469 StPO für den Anwendungsbereich derRAO außer Kraft gesetzt; diese Normen galten danach nur noch für die Strafverfahren wegen39 F/G/S-Franzen, Einl. RN 29.40 F/G/S-Franzen, Einl. RN 30.41 F/G/S-Franzen, Einl. RN 30.42 F/G/S-Franzen, Einl. RN 30.43 F/G/S-Franzen, Einl. RN 30.44 F/G/S-Franzen, Einl. RN 30.45 F/G/S-Franzen, Einl. RN 30.


der Beeinträchtigung solcher Steuern, auf die die RAO nicht anwendbar war, wie z. B. aufGemeindeabgaben 46 .Nachdem bereits das VollZG vom 01.07.1869, die §§ 459-469 StPO vom 01.02.1877 und dasPreuß. Gesetz vom 26.07.1897 einzelne Schritte auf dem Wege zu einer reichseinheitlichenRegelung des <strong>Steuerstrafrecht</strong>s darstellten wurde eine erste -wenn auch unvollständige-Zusammenfassung der nach Ländern und Steuerarten überaus zersplitterten Materie <strong>im</strong> 3.Teil der RAO vom 13.12.1919 vollzogen 47 . Trotz seiner dogmatischen und systematischenMängel bildete der 3. Teil der RAO 1919 einen bedeutenden Fortschritt gegenüber demfrüheren Recht, das zunächst auf Teilgebieten noch weiter galt und durch spätereNovellengesetzgebung nach und nach abgebaut wurde 48 . Von dem materiellen<strong>Steuerstrafrecht</strong> der §§ 355 - 384 RAO 1919 war § 359 RAO 1919 von besondererBedeutung, denn er best<strong>im</strong>mte die Merkmale der Steuerhinterziehung, verwies jedoch wegender angedrohten Hauptstrafen "auf die einzelnen Gesetze", nach denen dasMultiplarstrafensystem 49 mit unterschiedlichen Maßstäben weitergalt 50 .Bis zum Inkrafttreten der AO 1977 galt die RAO von 1919.Bis zur ersten allgemeinen Kodifikation des <strong>Steuerstrafrecht</strong>s in der RAO von 1919 war das<strong>Steuerstrafrecht</strong> -bei aller Verschiedenheit <strong>im</strong> einzelnen- in der Weise geregelt, daß jedemSteuergesetz ein Abschnitt über Straftatbestände und Verfahrensvorschriften angegliedertwar 51 . Materiell wurde namentlich zwischen absichtlichen" oder "wissentlichen"Steuerverkürzungen ("Hinterziehung", in Württemberg: "Steuergefährdung") und anderenVergehen ("Kontrollvergehen") unterschieden 52 .Bedeutsame Änderungen des <strong>Steuerstrafrecht</strong>s brachte das Gesetz zur Änderung derReichsabgabenordnung vom 04.07.1939: Im Zusammenhang mit den 1938/39 aufgrund46 F/G/S-Franzen, Einl. RN 30.47 F/G/S-Franzen, Einl, RN 31.48 F/G/S-Franzen, Einl. RN 32.49 Das Multiplarstrafensystem sah <strong>im</strong> einzelnen z.B. wie folgt aus: Nach Art 25 BayEStG vom 31.05.1856 mußte derSteuerpflichtige, der eine unrichtige Erklärung seiner Einkünfte abgegeben hatte, mit einer Geldstrafe, die dem dreifachenVerkürzungsbetrag entsprach, <strong>im</strong> Fall der Aufdeckung rechnen. Später wurde die in einem solch festen Verhältnisstehende Geldstrafe meist durch einen Strafrahmen abgelöst. Jedoch blieben die Ausmaße solcher Strafrahmen jeweilsdurch ein Vielfaches des Verkürzungsbetrages nach unten wie auch oben beschränkt. Z.B. betrug die Geldstrafe beiHinterziehung gern. § 63 SächsEStG vom 22.12.1874 "je nach dem Grad der Böswilligkeit" das Vier- bis Zehnfache.Gleiches galt gern. § 66 PreußEStG vom 24.06.1891. Gern. Ait 70 1 WürttEStG vom 08.08.1903 hatte derVerkürzungstäter mit dem Sieben- bis Zehnfachen des Verkürzungsbetrages als Strafe zu gewärtigen. Gemäß § 43PreußErgäazungsStG vom 14.07.1893 mußte der Täter sogar mit dem Zehn- bis 25-fachen des Verkürzungsbetragesrechnen, vgl. F/G/S-Franzen, Einl. RN 26.50 F/G/S-Franzen, Einl. RN 32.51 F/G/S-Franzen, Ein1. RN 27.52 F/G/S-Franzen, Ein1. RN 27.


Gesetzes vom 08.09.1939 neu bekannt gemachten Verbrauchsteuergesetzen wurde das ZollundVerbrauchsteuerstrafrecht nunmehr nahezu vollständig in der RAO zusammengefaßt 53 .Zugleich wurden die Schuldvermutungstatbestände 54 und das Multiplarstrafensystembeseitigt 55 , die oft in keinem Verhältnis zu der Tat standen und "dem Ansehen derStrafrechtspflege abträglich waren“ 56 .Das Steuerstrafverfahren richtete sich dann nach den §§ 440 ff. RAO.§ 440 RAO lautete:"Die Hilfstellen und die Beamten der Finanzämter haben die Steuervergehen zuerforschen und innerhalb ihrer Zuständigkeit alle keinen Aufschub gestattendenAnordnungen zu treffen, um die Verdunklung der Sache zu verhüten. Über dieErmittlungen ist dem Finanzamt eine Niederschrift oder eine schriftliche Anzeigeeinzureichen."§ 441 RAO lautete:"(1) Die Finanzämter haben die Anzeigen, die bei ihnen eingehen, darauf zu prüfen, obwegen eines Steuervergehens einzuschreiten sei. Das gleiche gilt, wenn sie sonst vomVerdacht eines Steuervergehens Kenntnis erhalten.(2) Die Einleitung der Untersuchung ist aktenkundig zu machen.(3) Zur Erforschung des Sachverhalts können die Finanzämter Ermittlungen jeder Axtselbst anstellen oder durch ihre Hilfstellen oder Beamten vornehmen lassen.(4) ... “§ 442 RAO lautete:53 F/G/S-Franzen, Einl. RN 50.54 Hänselmann, MZ 1926,103; F/G/S-Franzen, Einl. RN 50.55 F/G/S-Franzen, Einl. RN 50.56 Rahn, MZ 1940, 157; F/G/S-Franzen, Einl. RN 50.


"(1) Gegen den Beschuldigten soll ein Strafbescheid über eine Geldstrafe von mehr alsfünf Deutsche Mark nur erlassen werden, wenn ihm Gelegenheit zur Äußerung gebotenworden ist. Er ist erforderlichenfalls zur Vernehmung zu laden.(2) ...§ 445 RAO lautete:"Wenn der Beschuldigte das Steuervergehen vorbehaltlos einräumt, so kann er sich derin einer Niederschrift festzusetzenden Strafe unter Verzicht auf Erlaß einesSteuerbescheides sofort unterwerfen. Die Unterwerfung steht einer rechtskräftigen Verurteilunggleich. Das Verfahren regelt der Reichsminister der Finanzen."Die Unterwerfung des Beschuldigten unter die vom Finanzamt festzusetzende Strafe - unterVerzicht auf Erlaß eines Strafbescheides - ermöglichte eine schleunige und endgültigeErledigung von Steuerstrafsachen, soweit sie zur Zuständigkeit der Finanzämter gehörten (§§421, 422, 428 RAO) 57 .§ 445 RAO diente damit nicht nur den Belangen der Finanzverwaltung, sondern auch demInteresse des Beschuldigten, der seine Strafsache auf schnellstem Wege und ohne Befassungder Gerichte -insbesondere wegen der teilweise gefürchteten Publizitätswirkung aufgrund desÖffentlichkeitsgrundsatzes- erledigt wünschte 58 .In Betracht kamen für das Unterwerfungsverfahren jedoch nur die Fälle, die in tatbestandlicherHinsicht klar lagen und in denen der Beschuldigte die Straftat nach ihrer äußeren und innerenSeite auch zugab 59 . Außerdem mußte Einigkeit in der Straffrage erzielt werden 60 . Mit derUnterwerfung wurde regelmäßig ein Rechtsmittelverzicht bezüglich der nachzuzahlendenSteuern verbunden 61 . Gegen Nebenbeteiligte <strong>im</strong> Sinn des § 421 Abs. 3 RAO mußte gesondertdurch Strafbescheid entschieden werden 62 .Für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit der Geldstrafe bzw. des Wertersatzes nach § 401 Abs. 2RAO blieb § 470 RAO unberührt 63 . Danach konnte, wenn eine durch Strafbescheidfestgesetzte Geldstrafe oder die Strafe des Wertersatzes (§ 414 a RAO) nicht beigetrieben57 Kühn, § 445 Anm. 1.58 Kühn, § 445 Anm. 1.59 Kühn, § 445 Anm. 1.60 Kühn, § 445 Anm. 1.61 Kühn, § 445 Anm. 1.62 Kühn, § 445 Anm. 1.


werden konnte, das Gericht auf Antrag des Finanzamtes die Strafe in Freiheitsstrafeumwandeln, § 470 Abs. 1, Satz 1 RAO.Das bei der Unterwerfung anzuwendende Verfahren war durch die Verordnung vom01.11.1921 geregelt 64 . Ohne Beachtung der Mußvorschriften der §§ 2 I, II, 3 I, II, IV und beiBeschuldigten unter 18 Jahren auch des § 4 RAO, lag eine wirksame Unterwerfung nichtvor 65 .§ 2 der Verordnung vom 01.11.1921 lautete:"Eine Unterwerfung liegt nur dann vor, wenn der Beschuldigte persönlich oder durcheinen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Beauftragten die Zuwiderhandlung voreinem Beamten des Finanzamts (Hauptzollamts) oder einer Hilfsstelle vorbehaltloseinräumt, sich der festzusetzenden Strafe unterwirft und auf Erlaß einesStrafbescheides verzichtet. Die Vorschriften des § 44 Satz 2 bis 4 derReichsabgabenordnung finden Anwendung.Die Unterwerfung wird mit Genehmigung der Straffestsetzung durch den Vorsteher desFinanzamtes (Hauptzollamts), seinen Vertreter oder einen mit der Genehmigung derStraffestsetzungen allgemein beauftragten Beamten wirksam; die Genehmigung kannnur innerhalb dreier Monate erteilt werden. Bis zum Ablauf dieser Frist ist derBeschuldigte an die Unterwerfungserklärung gebunden; die Bindung erlischt, wenn diezur Genehmigung berufene Stelle die Genehmigung vorher versagt.Die Versagung der Genehmigung soll dem Beschuldigten verkündet oder schriftlichmitgeteilt werden. Die Vorschriften des § 449 Absatz 2, 3 der Reichsabgabenordnunggelten für die Versagung der Genehmigung entsprechend; die Zustellung kann durchschriftliche Mitteilung ersetzt werden. Die Oberfinanzdirektion kann sich dieGenehmigung allgemein oder für besondere Fälle vorbehalten."§ 3 der Verordnung vom 0 1. 11. 1921 lautete:63 Kühn, § 445 Anm. 1.64 RGBl. 1921, I,1328.65 Kühn, § 445 Anm. 2.


"Über die Unterwerfungsverhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen. DieNiederschrift muß enthalten:1. den Tag der Verhandlung,2. den Namen des Beschuldigten,3. die ihm zur Last gelegte Zuwiderhandlung,4. das anzuwendende Strafgesetz,5. die vorbehaltlose Einräumung der Zuwiderhandlung durch den Beschuldigten,6. die festzusetzende Strafe und die Unterwerfung unter diese Straffestsetzung durchden Beschuldigten,7. den Verzicht des Beschuldigten auf Erlaß eines Strafbescheides,8. einen Ausspruch über die Kosten des Verfahrens.Die Niederschrift soll ferner nähere Angaben über die persönlichen Verhältnisse desBeschuldigten enthalten.Die Niederschrift ist von dem Beschuldigten und von dem aufnehmenden Beamten zuunterschreiben. Ist der Beschuldigte zur Abgabe der Unterschrift außerstande, so hat erdie Niederschrift mit seinem Handzeichen zu versehen; verweigert er die Unterschriftoder die Hinzufügung des Handzeichens, so gilt die Unterwerfung als nicht erfolgt."§ 4 der Verordnung vom 01.11.1921 lautete:"Ist der Beschuldigte noch nicht achtzehn Jahre alt, so ist zur Wirksamkeit derUnterwerfung, insoweit es sich nicht um Personen handelt, die außerhalb desDeutschen Reichs wohnen, die Zust<strong>im</strong>mung des gesetzlichen Vertreters erforderlich."Eine Unterwerfung war ferner dann unwirksam, wenn sie durch unerlaubte Willensbeeinflussungdes Beschuldigten zustandegekommen war 66 . Die beteiligten Beamtenhatten danach alles zu vermeiden, was den <strong>Dr</strong>uck, unter dem der Beschuldigte schonaufgrund des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens stand, zu verstärken geeignet war 67 .<strong>Der</strong> Hinweis, daß bei Scheitern der Unterwerfungshandlung die Möglichkeit höhererBestrafung bestehe, oder daß das Finanzamt <strong>im</strong> Falle der Nichtunterwerfung die Sache an dieStaatsanwaltschaft abgeben werde, war jedoch <strong>im</strong> allgemeinen nicht als unerlaubte66 Kühn, § 445 Anm. 2.67 Kühn, § 445 Anm. 2.


Verstärkung des psychischen <strong>Dr</strong>uckes auf den Beschuldigten angesehen worden 68 . Denndieser psychische <strong>Dr</strong>uck ergab sich nicht aus unerlaubten Pressalien durch die Beamten,sondern es war ein dem Strafverfahren <strong>im</strong>manenter <strong>Dr</strong>uck 69 . Denn das möglicherweise höhereStrafmaß oder die Abgabe an die Staatsanwaltschaft waren gesetzeskonforme Maßnahmen<strong>im</strong> Falle der Nichtunterwerfung des Beschuldigten. Daher konnte eine entsprechendeAufklärung über die möglichen legalen Alternativen keine unzulässige <strong>Dr</strong>uckausübung auf denBeschuldigten sein 70 .Es durften lediglich seitens der Beamten nicht sonstige Maßnahmen, Strafen oder sonstigeNachteile angedroht werden, die nach Lage des Falles ernstlich gar nicht in Betracht kamen,wie beispielsweise eine Verhaftung oder eine Vermögensbeschlagnahme 71 .Auf die Unerfahrenheit des Beschuldigten mußte Rücksicht genommen werden 72 . Unterdiesem Gesichtspunkt konnte eine unerlaubte Willensbeeinflussung auch ein solchesVerhalten sein, das gegenüber einem steuerlich erfahrenem Beschuldigten wirkungslosgeblieben wäre 73 .Rechnete der Beschuldigte erkennbar damit, daß seine Strafsache bei Erledigung <strong>im</strong>Unterwerfungsverfahren gehe<strong>im</strong> bleiben würde, so war er darauf aufmerksam zu machen, daßdie Bestrafung gleichwohl <strong>im</strong> Strafregister verlautbart wurde und etwaige sonstigeMitteilungspflichten des Finanzamtes gegenüber Behörden und sonstigen Stellen auch beiErledigung der Strafsache <strong>im</strong> Unterwerfungsverfahren bestehen blieben 74 .Ein Irrtum des Beschuldigten über Inhalt, Bedeutung oder Tragweite der Unterwerfungeinschließlich des mit ihr verbundenen steuerlichen Rechtsmittelverzichts war unbeachtlich, essei denn, daß der Irrtum durch die unerlaubte Willensbeeinflussung der beteiligtenFinanzbeamten zustande kam 75 .Die wirksame Unterwerfung stand einer rechtskräftigen Verurteilung gleich, sobald sie gemäߧ 2 Abs. 2 der Verordnung vom 01.11.1921 von der hierfür zuständigen Stelle genehmigtwar 76 .Die Genehmigung konnte nur binnen 3 Monaten nach der Unterwerfungshandlung erteiltwerden 77 . Bis dahin war der Beschuldigte an seine Unterwerfungserklärung einseitig68 Kühn, § 445 Anm. 2.69 RFH, Urteil vom 25.03.1936, Kartei AO 1931 R. 4; Kühn, § 445 Anm. 2.70 Kühn, § 445 Anm. 2.71 Kühn, § 445 Anm. 2.72 Kühn, § 445 Anm. 2.73 Kühn, § 445 Anm. 2.74 Kühn, § 445 Anm. 2.75 Kühn, § 445 Anm. 2.


gebunden. Die Bindung erlosch nur dann vor Ablauf der 3 Monate, nämlich in dem Zeitpunkt,in dem die Genehmigung der Unterwerfungserklärung seitens der Behörde abgelehnt wurde 78 .§ 2 Abs. 2 der Verordnung vom 01.11.1921 sah nur eine Mitteilung an den Beschuldigten vor,wenn die Genehmigung versagt wurde. Bei dieser Vorschrift handelte es sich jedoch nur umeine Sollregelung. Die Genehmigung selbst wurde also nicht mitgeteilt 79 .Kühn empfahl insoweit, dem Beschuldigten auch die Erteilung der Genehmigung bekannt zumachen, was dadurch geschehen sollte, daß die (bestellte) Ausfertigung der Niederschriftüber die Unterwerfungshandlung übersandt werde 80 .Soweit jedenfalls die <strong>Dr</strong>e<strong>im</strong>onatsfrist ablief, ohne daß der Beschuldigte etwas in dieserAngelegenheit von der Finanzverwaltung hörte, konnte der Beschuldigte daraus keineSchlüsse ziehen: Weder die Genehmigung noch die Nichtgenehmigung konnte aus demUmstand des Schweigens der Finanzverwaltung geschlossen werden 81 .Die Rechtskraft der Unterwerfung blieb bestehen, auch wenn das Finanzamt für dieEntscheidung nicht zuständig war, §§ 421, 422, 424, 426 RAO 82 .Nur ausnahmsweise aufhebbar war eine rechtskräftige Unterwerfungserklärung, wenn dieUnterwerfungsstrafe, die das Finanzamt festgesetzt hatte, vom Finanzamt nicht aussprechendurfte, also wenn z.B. der Strafbann überschritten wurde indem Freiheitsstrafe als Strafefestgesetzt wurde 83 . In einem solchen Fall lag keine wirksame Unterwerfung vor 84 .Einen Strafklageverbrauch vermochte allerdings eine solch unwirksame Unterwerfungserklärungnicht herbeizuführen 85 .Ein Rechtsmittel gegen die Unterwerfungserklärung gab es nicht 86 .Becker wollte allerdings gegen die Aufnahme der Unterwerfungserklärung bzw. die mitgeteilteGenehmigung der Unterwerfung nach § 2 Abs. 2 der Verordnung vom 01.11.1921 die76 Kühn, § 445 Anm. 3.77 Kühn, § 445 Anm. 3.78 Kühn, § 445 Anm. 3.79 Kühn, § 445 Anm. 3.80 Kühn, § 445 Anm. 3.81 Kühn, § 445 Anm. 3.82 Kühn, § 445 Anm. 4.83 Kühn, § 445 Anm. 4.84 Kühn, § 445 Anm. 4.85 Kühn, § 445 Anm. 4.86 Kühn, § 445 Anm, 5.


Beschwerde gemäß § 453 AO zulassen, die aber seiner Ansicht nach nur damit begründetwerden konnte, daß eine wirksame Unterwerfung nicht vorliege 87 .Dem folgte auch Kühn, der meinte, daß der Einwand, es liege keine wirksameUnterwerfungserklärung vor, auch gegenüber der Vollstreckungsstelle als zulässig zuerachten gewesen sei, denn in Rechtskraft konnte gemäß § 445 Abs. 1 S. 2 RAO nur einewirksame Unterwerfungserklärung erwachsen und unwirksame Unterwerfungserklärungenkonnten daher nicht Grundlage der Strafvollstreckung sein 88 . Darüber hinaus blieb dann nurnoch die Beschreitung des Gnadenweges gemäß § 477 RAO 89 .Soweit das Finanzamt von sich aus die Unterwerfungserklärung außer Kraft setzte, an der derBeschuldigte -soweit sie schon genehmigt war- jedoch festhalten wollte, stand ihm hiergegendie Beschwerde gemäß § 453 RAO zu 90 .Die rechtskräftige wirksame Unterwerfung bedeutete einen Strafklageverbrauch 91 . <strong>Der</strong>Beschuldigte konnte wegen der abgeurteilten Tat nicht von neuem verfolgt werden, auch nichtbei Veränderung der rechtlichen Beurteilung (ne bis in idem) 92 , es sei denn, neue Tatsachenund Beweise rechtfertigten eine Wiederaufnahme des Verfahrens in entsprechenderAnwendung der §§ 359 ff. StPO 93 .Auch die Einziehung konnte dem Beschuldigten gegenüber nicht nachträglich ausgesprochenwerden 94 .Verbrauch der Strafklage trat aber nur für die Tat ein, die den Gegenstand desUnterwerfungsverfahrens bildete und nur bezüglich des Beschuldigten, gegen den sich dasVerfahren richtete 95 . <strong>Der</strong> Strafklageverbrauch kam also nicht Teilnehmern undNebenbetelligten zugute, die zum Verfahren nicht hinzugezogen waren 96 .Tat in diesem Sinne war das Verhalten des Beschuldigten, das der strafrechtlichen Würdigungdes Finanzamtes unterlag und von ihm zum Gegenstand des Unterwerfungsverfahrens87 Kühn, § 445 Anm. 5.88 Kühn, § 445 Anm. 5.89 Kühn, § 445 Anm. 5.90 Kühn, § 445 Anm. 5.91 RG, Urteil vom 12.02.1940, RStBl 1940, 314; Kühn, § 445 Anm. 6.92 ne bis in idem: Von Amts wegen zu beachtendes Prozeßhindernis, vgl. RG, Urteil vom 30.07.1943, RGSt 67 53; RStBl 43,665.93 RG, Urteil vom 07.05.1928, RGSt 62, 153.94 Kühn, § 445 Anm. 6.95 Kühn, § 445 Anm. 6.


gemacht wurde 97 . Bezüglich dieses Verhaltens wurden durch die Unterwerfung alle möglichenstrafrechtlichen Gesichtspunkte erledigt, so daß auch die Geltendmachung eines ideellkonkurrierenden Gesichtspunktes nicht mehr statthaft war 98 .<strong>Der</strong> Verbrauch der Strafklage sollte allerdings nicht eintreten, wenn das Finanzamt über seineZuständigkeit nach §§ 421, 422, 426 RAO hinausgegangen war 99 .Das BVerfG hatte in seiner Entscheidung zum Unterwerfungsverfahren darauf hingewiesen,daß die Verhängung einer Kr<strong>im</strong>inalstrafe einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtssphäredes Betroffenen darstellt und daher den Gerichten vorzubehalten sei 100 .Dem entsprechend entfiel in der AO 1977 das Unterwerfungsverfahren ersatzlos.III. Geschichtliche WurzelDie geschichtliche Wurzel des <strong>Strafbefehl</strong>s <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren nur allein <strong>im</strong>strafprozessualen Mandatsverfahren zu sehen, wäre wohl verkürzt. Zwar ist der <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong><strong>Steuerstrafrecht</strong> grundsätzlich dem Regelstrafbefehl nach §§ 407 ff. gleich, es gelten jedochnach §§ 385 ff. AO eine Reihe von besonderen Verfahrensvorschriften. Diese führen ihreWurzeln auf den Erlaß der RAO von 1919 zurück. Insoweit handelt es sich be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong><strong>Steuerstrafrecht</strong> um ein besonderes Instrument, das sich aus zwei historischen Strängenentwickelte und in dieser gesetzesübergreifenden Systematik bis heute fortbesteht. Sprichtman also über den <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong> muß der Blick einerseits auf die §§ 407 ff.,andererseits auf die §§ 385 ff. AO gerichtet sein. Insoweit ist der <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong><strong>Steuerstrafrecht</strong> ein Kind aus der Verschmelzung der Verfahrensregeln der StPO zum<strong>Strafbefehl</strong> und aus den Strafvorschriften der AO; seine Geburtsstunde war 1919.96 Kühn, § 445 Anm. 6.97 Kühn, § 445 Anm. 6.98 Kühn, § 445 Anm. 6.99 Kühn, § 445 Anm. 6.100 BVerfGE 22, 49 ff., 80.


C. Voraussetzungen des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrensI. Überblick<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> wird von Meurer als ein Fremdkörper <strong>im</strong> sorgsam ausgewogenenNormengefüge des Strafprozeßrechts bezeichnet 101 . Denn grundlegende Max<strong>im</strong>en wieUnmittelbarkeit, Mündlichkeit und Öffentlichkeit als anerkannte Garanten einesrechtsstaatlichen Strafverfahrens haben hier keine Wirkung 102 . Sie werden durch dieRegelungen des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens außer Kraft gesetzt 103 . So kann der Richter z.B. dasgesetzliche Höchstmaß der Geldstrafe <strong>im</strong> Sinn des § 40 Abs. 1, Satz 2 StGB von Rechtswegen allein auf der Grundlage des Akteninhalts verhängen, ohne seine Überzeugung von derTäterschaft aus dem Inbegriff einer öffentlichen und mündlichen Hauptverhandlung gewonnenzu haben 104 .Diese -gegenüber dem <strong>Strafbefehl</strong>- negative Einschätzung ist jedoch nicht gerechtfertigt.Denn ohne ein schnelles schriftliches Verfahren zur Aburteilung einfach gelagerter Fälle derMassenkr<strong>im</strong>inalität würde die Strafrechtspflege bald zum Erliegen kommen. Daß nachAktenlage entschieden wird und damit die strafprozessualen Max<strong>im</strong>en des Regelverfahrenswie Unmittelbarkeit, Mündlichkeit und Öffentlichkeit nicht gelten, ist für den <strong>Strafbefehl</strong>, gegenden kein Einspruch eingelegt wird, zutreffend aber auch hinnehmbar, da in diesem Fall derBeschuldigte Verfahren und Inhalt akzeptiert. In den Verfahren, in denen der BeschuldigteEinspruch einlegt, ist jedoch der Grundsatz der Unmittelbarkeit, der Mündlichkeit und derÖffentlichkeit wieder gewahrt.Wie wichtig der <strong>Strafbefehl</strong> ist, zeigt die Häufigkeit der Verfahrenserledigung durch ihn:Quantitativ ist das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren stark vertreten, wenngleich in den letzten rund 50Jahren die Bedeutung des <strong>Strafbefehl</strong>s prozentual erheblich zurückging: Im Jahr 1981 wurden28 Prozent der von den Amtsgerichten erledigten Strafsachen durch <strong>Strafbefehl</strong>entschieden 105 . Im Jahr 1972 waren es hingegen sogar noch fast 44 Prozent 106 . Im Jahr 1938101 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.102 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.103 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.104 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.105 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.106 BT-<strong>Dr</strong> 10/1313, S. 13; Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.


wurden sogar von 738.000 Strafsachen 563.000 Verfahren durch einen <strong>Strafbefehl</strong> erledigt 107 .Dies sind mehr als 77 % aller Strafverfahren! Mit dem am 01.04.1987 in Kraft getretenenStrafverfahrensänderungsgesetz 1987 108 wurde auch das Verfahren des <strong>Strafbefehl</strong>s neugeregelt 109 . Hierdurch soll u.a. der Rückgang der Anwendung des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens, dersich in der Statistik widerspiegelt, gebremst werden 110 .Im Jahr 1992 wurden insgesamt 3.040.213 Verfahren erledigt, davon 421.444 durch Anklageund 513.681 durch Antrag auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s, die übrigen durch Einstellung bzw.anderweitige Erledigung 111 . Dies sind 14,2 % Erledigungen durch Anklagen und 16,9 %Erledigungen durch Antrag auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s bezogen auf die Gesamtzahl derErledigungen 112 . Auffällig ist jedoch, daß sich die Zahl der Erledigungen durch eine Anklageder Zahl der Erledigungen durch einen Antrag auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s weiter anzunähernscheint.Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist ein Antragsverfahren. <strong>Der</strong> wesentliche Unterschied gegenüberdem Regelverfahren ist der Wegfall des formellen Zwischen- und Hauptverfahrens 113 .Aufgrund eines entsprechenden schriftlichen Antrages der Staatsanwaltschaft, eine best<strong>im</strong>mteRechtsfolge ohne Hauptverhandlung durch schriftlichen Beschluß seitens des Gerichtsfestzusetzen, § 407 Abs. 1 StPO, wird das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren eingeleitet 114 . Die gängigeCharakterisierung dieses Verfahrens als "summarisch 115 " bringt zum Ausdruck, daß derRichter ausschließlich aufgrund des <strong>im</strong> Ermittlungsverfahren in den Aktenzusammengetragenen Beweismaterials entscheidet 116 . Damit wird i. d. R. einem<strong>Strafbefehl</strong>santrag der Staatsanwaltschaft allein aufgrund der Aktenlage stattgegeben, ohnedaß der Richter die Möglichkeit wahrn<strong>im</strong>mt, den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat gemäߧ§ 264, 265 StPO frei und umfassend zu ermitteln und das öffentliche Interesse an einergerechten Entscheidung uneingeschränkt zu wahren 117 .107 Crohne, S. 457; Kirch, S. 28.108 StVÄG 1987, BGBl 1987,1, 475; Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.109 vgl. die Übersichten bei Rieß-Hilger, NStZ 1987, 204 ff.; Meyer-Goßner, NJW 1987, 1165 ff-; Rieß, StV 1987, 214;Berz, in Festschrift für Blau, 1985, S. 52.110 BT-<strong>Dr</strong> 10/1313, S. 13.111 Arbeitsunterlage des Statistischen Bundesamtes, Wiesbaden, 1992, S. 14, 15.112 Arbeitsunterlage des Statistischen Bundesamtes, Wiesbaden, 1992, S. 16, 17.113 Müller, S. 56.114 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.115 BVerfGE 65, 377 ff., 383; BGHSt 28, 69 ff., 71; Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor 407 RN 1.116 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.117 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.


Somit rückt die Staatsanwaltschaft <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren (zunächst) in den Mittelpunkt desGeschehens: <strong>Der</strong> Staatsanwaltschaft steht die gerichtlich nicht überprüfbare Entscheidung zu,ob sie einen <strong>Strafbefehl</strong>santrag stellt oder nicht 118 . Damit ist die Frage der Durchführung eines<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens bis dahin ausschließlich Sache der Staatsanwaltschaft.<strong>Der</strong> Richter rekonstruiert das Geschehen dann nicht wie <strong>im</strong> Regelstrafverfahren in eigenerVerantwortung nach § 244 Abs. 2, sondern trifft seine Entscheidung aufgrund des von derStaatsanwaltschaft zusammengetragenen Materials und der präsenten Beweismittel 119 . DieEntscheidungssituation ähnelt daher eher einem Eröffnungsbeschluß als der eines Urteils 120 .Gleichwohl steht der rechtskräftige <strong>Strafbefehl</strong> einem rechtskräftigen Urteil gleich, § 410 Abs.3.Da das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nach §§ 407 ff. StPO schriftlich abläuft und eine Anhörung desBeschuldigten vor Erlaß nach § 407 Abs. 3 StPO unterbleiben kann 121 , wenngleich in derPraxis ein Anhörungstermin durch die Polizei bzw. BuStra festgesetzt wird und somitrechtliches Gehör gewährt wird, bestehen gewisse Parallelen zum zivilprozessualenMahnverfahren nach §§ 688 ff. ZPO 122 . Denn die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidungwerden nicht durch unmittelbare Beweisaufnahme gefunden und auch nicht mit denBeteiligten in öffentlicher Verhandlung mündlich erörtert. Daher bietet der <strong>Strafbefehl</strong> abstrakteine geringere Gewähr für seine materielle Richtigkeit. Gerade in Fällen, in denen sich derBeschuldigte <strong>im</strong> Ermittlungsverfahren noch nicht (über einen Verteidiger 123 ) zu dem gegen ihnerhobenen Vorwurf geäußert hat, ist der Akteninhalt mehr oder weniger einseitig. Hieranändert auch § 160 Abs. 2 nichts, nach dem die Staatsanwaltschaft nicht nur Belastendes,sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln hat und für die Erhebungder entsprechenden Beweise Sorge zu tragen hat, deren Verlust zu besorgen ist. Denn derBeschuldigte wird den Sachverhalt zu dem ihm gemachten Vorwurf am besten kennen undauch seine diesbezüglichen Verteidigungsmöglichkeiten. Schweigt der Beschuldigte, sind118 Müller, S. 56.119 Müller, S.56.120 Müller, S.56.121 ebenso unterbleibt die Beteiligung des Opfers als potentieller Nebenkläger bis zur Einspruchseinlegung, § 395 Abs. 1,Satz 1.122 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882; vgl. oben, Seite 13.123 Die Einlassung über einen Verteidiger ist m.E. ausschließlich zu empfehlen. Viele Beschuldigte machen den Fehler, sichaufgrund einer Vorladung zum Vorwurf selbst ohne rechtlichen Beistand zu äußern. Hiervon kann nur abgeraten werden.Die professionelle und sachgerechte Verteidigung beginnt damit, daß sich der Rechtsanwalt unter Vorlage einer auf ihnlautenden Strafprozeßvollmacht bestellt und Akteneinsicht begehrt. Erst nach Kenntnis des kompletten Akteninhalts, derder Staatsanwaltschaft zur Verfügung steht, kann dann der Verteidiger nach einem intensiven Beratungsgespräch mit demBeschuldigten über eine sinnvolle Verteidigungsstrategie nachdenken.


möglicherweise wichtige Entlastungszeugen oder andere Entlastungsbeweise derStaatsanwaltschaft nicht <strong>im</strong> Rahmen deren Ermittlungen bekannt geworden, so daß insoweitdie Ermittlungen -auch wenn die Staatsanwaltschaft bemüht war, sämtliche entlastendenIndizien und Beweise zu sammeln- möglicherweise nicht das gesamte Entlastungsmaterial zuTage gefördert haben.Dieser aus vorgenannten Gründen bestehenden Gefahr materiell fehlerhafter Entscheidungen<strong>im</strong> Wege des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens soll <strong>im</strong> wesentlichen durch drei Regelungenentgegengewirkt werden:Erstens wird der Anwendungsbereich des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens durch § 407 Abs. 1 und 2beschränkt 124 .Zweitens kann ein <strong>Strafbefehl</strong> nur dann ergehen, wenn sich der Richter und der Staatsanwaltgemäß § 408 Abs. 3 über die rechtliche Beurteilung der Tat und über die festzusetzendeRechtsfolge vollständig einig sind 125 .<strong>Dr</strong>ittens kann der Angeklagte gegen den erlassenen <strong>Strafbefehl</strong> gemäß § 410 Abs. 1 und 2Einspruch einlegen 126 . <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ist erlassen, wenn der Richter antragsgemäß den vonder Staatsanwaltschaft beantragten und vorgefertigten <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf unterschriebenhat 127 .<strong>Der</strong> form- und fristgerecht eingelegte Einspruch hat zur Folge, daß der Prozeß vom<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren automatisch in das normale Hauptverfahren übergeht, § 411 Abs. 1Satz 2 128 .Legt der mittels <strong>Strafbefehl</strong> Angeklagte nicht fristgerecht, d.h. binnen zwei Wochen abZustellung des <strong>Strafbefehl</strong>s, § 410 Abs. 1, Einspruch gegen den <strong>Strafbefehl</strong> ein, so steht der<strong>Strafbefehl</strong> mit Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist gemäß § 410 Abs. 3 einemrechtskräftigen Urteil gleich 129 .124 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 882.125 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.126 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.127 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.128 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.129 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.


Mit der Einlegung des Einspruchs erreicht der Angeklagte, daß eine Hauptverhandlungdurchgeführt wird.§ 410 Abs. 1 garantiert somit das rechtliche Gehör i. S. d. Art. 103 Abs. 1 GG für denAngeklagten 130 .<strong>Der</strong> Einspruch stellt kein Rechtsmittel <strong>im</strong> eigentlichen Sinne dar, wie dies <strong>im</strong> Gegensatz dazuBerufung oder Revision sind. Denn ein Rechtsmittel bewirkt den Suspensiv- undDevolutiveffekt. Dies bedeutet, daß einerseits keine Rechtskraft eintritt (Suspensiveffekt) undandererseits das Verfahren in die nächst höhere Instanz gehoben wird (Devolutiveffekt).Hierarn fehlt es be<strong>im</strong> Einspruch gegen den <strong>Strafbefehl</strong>. Denn aufgrund des Einspruchs wirdzwar der Eintritt der Rechtskraft gehemmt, jedoch wird das Verfahren nicht in die nächsthöhere Instanz gehoben, § 411 Abs. 1 Satz 2. Vielmehr ist der gleiche Richter <strong>im</strong> Hauptverfahrenzuständig, der den beantragten <strong>Strafbefehl</strong> erließ. Daher ist der Einspruchrechtssystematisch nur ein Rechtsbehelf 131 .Bedenken dagegen, daß der gleiche Strafrichter auch <strong>im</strong> Hauptverfahren tätig wird, der zuvorden mittels Einspruch angefochtenen <strong>Strafbefehl</strong>santrag erließ, bestehen <strong>im</strong> Ergebnis nicht.Zwar könnte man hier einwenden, daß der Richter möglicherweise befangen sei, da er zuerstden <strong>Strafbefehl</strong>santrag übereinst<strong>im</strong>mend mit dem Staatsanwalt für tat- undschuldangemessen hielt und nun in einer Hauptverhandlung möglicherweise von den einmalvon ihm für zutreffend erachteten Rechtsfolgen <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> nicht abweichen möchte.Die Praxis zeigt jedoch, daß sich ein Richter nicht mit einem von ihm unterzeichneten<strong>Strafbefehl</strong>santrag identifiziert, da das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ein summarischesMassenverfahren ist, in dem der Richter nur die Strafakte als Erkenntnismittel zur Verfügunghat. Aufgrund der besseren Erkenntnismöglichkeiten in einer Hauptverhandlung ist der Richterauch seiner früheren, auf summarischen Prüfungen beruhenden Ansicht i. d. R. nichtverhaftet.Legt der Angeklagte Einspruch ein, so muß ihm jedoch klar sein, daß nicht nur eineHerabsetzung der verhängten Strafe bis zum Freispruch möglich ist, sondern auch eineBestätigung des Strafmaßes und schließlich auch eine Erhöhung der Strafe in Betracht130 BVerfGE 25, 158 ff., 165.131 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 407 RN 4; KK-W. Müller, § 409 RN 17.


kommt 132 . Eine entsprechende Belehrung durch den Verteidiger ist unerläßlich. Denn be<strong>im</strong>Einspruch gegen den <strong>Strafbefehl</strong>, der nach dem geltenden Recht nur vom Angeklagten bzw.dessen Verteidiger einlegen werden kann, gilt gemäß § 411 Abs. 4 kein Verböserungsverbot(reformatio in peius) 133 . Hier wird ein Unterschied zwischen Rechtsbehelf und Rechtsmitteldeutlich: Bei letzterem (Berufung, § 331 oder Revision, § 358 Abs. 2) ist die Verböserung(reformatio in peius) <strong>im</strong> Gegensatz zum Rechtsbehelf ausgeschlossen 134 .<strong>Der</strong> Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s läßt dem Beschuldigten somit die Wahl, entweder die dortfestgesetzten Rechtsfolgen zu akzeptieren und die öffentliche Hauptverhandlung zuvermeiden oder die Durchführung der Hauptverhandlung mit allen Chancen und Risiken zuerzwingen, insbesondere auch dem Risiko einer höheren Bestrafung (Verböserung) 135 .Einerseits wird zu Recht in der Literatur darauf hingewiesen, daß die Vorteile dieses Systems,des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens, darin liegen, daß es insoweit dem Angeklagten dient, der einfacheStraffälle verhältnismäßig billig und auch diskret und ohne Zeitverlust und Aufsehen erledigenkann, indem er den <strong>Strafbefehl</strong> akzeptiert 136 . Zum anderen wird in der Literatur behauptet, dieSelbstunterwerfung, die in dem Akzeptieren der <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> verhängten Strafe liegt, sei derGrundgedanke des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens 137 . Das Akzeptieren des <strong>Strafbefehl</strong>s stellt jedochaus der Sicht des Angeklagten keinen intensiveren Akt der Selbstunterwerfung dar als etwader Verzicht auf die Einlegung eines Rechtmittels gegen ein Strafurteil 138 . UnserStrafprozeßrecht kennt zwar besondere Formen der Verfahrensbeendigung, denen eher einUnterwerfungscharakter gleichkommt, wie etwa § 153 a. Denn dessen Anwendung setztUnrechtseinsicht und Bereitschaft zur Annahme von Sanktionen auf Seiten des Angeklagtenvoraus und honoriert diese, etwa die Verfahrenseinstellung gegen Auflagen oder Weisungengemäß § 153 a Abs. 1 und 2, wenn die Auflagen fristgerecht und vollständig erfüllt wurden,durch eine endgültige Verfahrenseinstellung. Im Gegensatz zum <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren mußdort der Beschuldigte vor der Verhängung einer Rechtsfolge dieser Sanktion zust<strong>im</strong>men, sodaß hier <strong>im</strong> Gegensatz zum <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren berechtigterweise von einem"Beendigungsverfahren mit Selbstunterwerfung" gesprochen wird 139 .132 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411 RN 11.133 KG VRS 17, 285, 289; OLG Hamburg, MDR 1980, 598,599; OLG Hamm, VRS 36, 117; 41, 302; OLG Zweibrücken, MDR 1967,236; Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.134 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.135 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.136 BVerfGE 25, 158 ff., 165.137 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 407 RN 4; ähnlich OLG Frankfurt/M. NJW 1976, 337.138 LR-Schäfer, § 407 RN 60.


<strong>Der</strong> Einspruch kann gemäß § 410 Abs. 2 StPO auf best<strong>im</strong>mte Beschwerdepunkte beschränktwerden, beispielsweise auf die festgesetzte Rechtsfolge. Dies ist dann der Fall, wenn derAngeklagte den <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> enthaltenen Schuldspruch dem Grunde nach akzeptieren will,nicht jedoch das Strafmaß 140 . Diese sinnvolle Regelung wurde 1987 durch das StVÄG 1987eingeführt 141 . Man erhoffte sich davon eine Verkürzung der Verfahrensdauer, indem nur nochEinsprüche wegen der Höhe des Strafmaßes, aber nicht mehr insgesamt eingelegt werdenwürden. Solange nach früherem Recht diese "horizontale Beschränkung" des Einspruchsunwirksam war, mußte in der Hauptverhandlung stets über alle Tatumstände Beweis erhobenwerden und auch über die Schuldfrage entschieden werden, selbst wenn der Angeklagtelediglich eine Verringerung der Zahl der Tagessätze erstrebte. Nunmehr kann derBeschuldigte, soweit er den <strong>Strafbefehl</strong> nicht akzeptiert und anficht, diesen schon in teilweiserRechtskraft erwachsen lassen 142 . Dies hängt dann von dem Umfang des Einspruchs ab: Istdieser nur auf das Strafmaß beschränkt, wird der <strong>Strafbefehl</strong> dem Grunde nachbestandskräftig.Im weiteren Verfahren tritt der vom Gericht erlassene <strong>Strafbefehl</strong> -allerdings ohne dieRechtsfolgenfestsetzung- an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses 143 .<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag der Staatsanwaltschaft -wieder ohne den Rechtsfolgenantrag-übern<strong>im</strong>mt die Funktion der Anklageschrift 144 .Abweichend von den allgemeinen Best<strong>im</strong>mungen für die Hauptverhandlung erster Instanzkann sich der Angeklagte <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren in der aufgrund des eingelegtenEinspruchs dort folgenden Hauptverhandlung durch einen mit schriftlicher Vollmachtversehenen Verteidiger vertreten lassen, § 411 Abs. 2 145 .Warum dieser Unterschied zur Regel-Hauptverhandlung besteht, ist nicht recht erkennbar.Daß es sich bei den <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren zumeist um kleinere Delikte mit folglich kleineremStrafrahmen handelt, kann m. E. jedenfalls nicht als Rechtfertigung für diesen Unterschiedherangezogen werden, denn die mögliche Anzahl der Tagessätze -<strong>im</strong>merhin bis 360Tagessätze- (ausnahmsweise bis zu 720 Tagessätze in Fällen der Gesamtstrafenbildung, §§53 Abs. 1, 54 Abs. 2 StGB) zeigt, daß der Strafbann <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>swege keineswegs nur139 BGHSt 28, 69 ff., 70; Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.140 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 410 RN 4.141 Kirch, S. 47 ff.142 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.143 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.144 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.


geringfügig ist. Zudem kann nun auch bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährung gegenden verteidigten, aber ggf. nicht anwesenden Angeklagten verhängt werden § 407 Abs. 2,Satz 2.<strong>Der</strong> Gesetzgeber sollte m.E. diesen systematischen Widerspruch ggf. durch eine Lockerungder §§ 230 ff. beseitigen, indem z.B. der Angeklagte auch <strong>im</strong> Regelstrafverfahren nicht zuerscheinen braucht, wenn keine anderen Strafen bzw. Nebenstrafen und Maßregel als in §407 Abs. 2 aufgelistet, verhängt werden. Ergibt sich dann in der Hauptverhandlung, daß einehöhere Strafe in Betracht kommt, könnte dann ein Hinweis nach § 265 durch das Gericht zugeben sein, so daß dann die Anwesenheitspflicht des Angeklagten nach §§ 230 ff. in derbisherigen Form wieder auflebte. Dies würde zu einer Vereinheitlichung zwischenRegel-Hauptverhandlung und Hauptverhandlung nach Einspruchseinlegung bzw. in den Fällendes § 408 Abs. 3, Satz 2 bewirken, indem der Angeklagte bei zu erwartenden kleineren undmittleren Sanktionen grundsätzlich nicht mehr bei der Hauptverhandlung anwesend seinmüßte.Bleibt der Angeklagte dem Beginn einer Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigungfern -wobei eine Wartefrist von mindestens einer Viertel Stunde üblich ist - und ist er zudemnicht wirksam durch einen Verteidiger vertreten, so wird der Einspruch ohne weiteresverworfen und der <strong>Strafbefehl</strong> damit rechtskräftig, § 412 S. 1 i.V.m. § 329 Abs. 1 146 . In diesemFall bleibt nur noch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, §§ 412 S. 1, 329 Abs. 3, 44,45.<strong>Der</strong> Angeklagte kann bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils <strong>im</strong>"Einspruchsverfahren" seinen Einspruch zurücknehmen und den <strong>Strafbefehl</strong> damitrechtskräftig werden lassen 147 . Ebenso kann die Staatsanwaltschaft die mit der Stellung des<strong>Strafbefehl</strong>santrages erhobene öffentliche Klage bis zur Verkündung der erstinstanzlichenEntscheidung zurücknehmen 148 . § 411 Abs. 3, Satz 1 statuiert also eine Durchbrechung desGrundsatzes des § 156, wonach die Klage nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht mehrzurückgenommen werden kann 149 .145 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.146 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.147 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.148 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.149 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.


Nach Beginn der Hauptverhandlung <strong>im</strong> "Einspruchsverfahren" bedarf die Rücknahme vonEinspruch oder Klage allerdings jeweils der Zust<strong>im</strong>mung des Gegners, §§ 411 Abs. 3, Satz 2i.V.m. 303 S. 1 StPO 150 .Nach überwiegender Auffassung ist die Rücknahme des Einspruchs auch dann noch zulässig,wenn das Rechtsmittelgericht das <strong>im</strong> Einspruchsverfahren ergangene erstinstanzliche Urteilaufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an die erste Instanz zurückverwiesenhat 151 .II. Einzelheiten1. Zuständigkeit des AmtsgerichtsDas <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist gemäß § 407 Abs. 1 nur <strong>im</strong> Verfahren vor dem Strafrichter und<strong>im</strong> Verfahren, das zur Zuständigkeit des Schöffengerichts führt, zulässig. Damit ist dieausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts festgelegt 152 . Die sachliche Zuständigkeit, diein den §§ 24, 25, 74 f. GVG geregelt wird, wird hier für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren scheinbarnoch einmal geregelt.Es mag in diesem Zusammenhang zunächst überraschen, daß in § 407 Abs. 1 auch dieZuständigkeit des Schöffengerichts vorgesehen ist. Denn nach dem Sinn und Zweck des<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens soll es doch einfache und klare Fälle leichter und mittlerer Kr<strong>im</strong>inalität150 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.151 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.152 Den Kern der steuerstrafrechtlichen Vorschriften bildet die Regelung der Sonderstellung der Finanzbehörden, §§ 386 Abs.2, 399 Abs. 1, 2, 402, 404 AO. Insoweit unterscheidet sich die AO 1977 strukturell nicht von der RAO 1919/1931.Lediglich die §§ 391, 396, 398 AO, 32 ZolIVG sowie die §§ 371 Abs. 4 AO, 1 StebEG beziehen sich nicht unmittelbaroder mittelbar auf diese Sonderstellung. § 391 Abs. 1 AO konzentriert die Steuerstrafsachen bei sachlicher Zuständigkeitdes Amtsgerichts, vorbehaltlich einer abweichenden Festlegung durch die Landesregierung nach Abs. 2, auf dasAmtsgericht am Sitz des Landgerichts. § 391 Abs. 3 AO bezweckt noch eine weitergehende Konzentration <strong>im</strong> Wege derGeschäftsverteilung auf eine best<strong>im</strong>mte Abteilung des Amtsgerichts. Diese Zuständigkeitsverteilung gilt auch, wenn dieSteuerstraftat mit einer anderen Straftat zusammentrifft, § 391 Abs. 4, 1. HS AO und zwar unabhängig davon, beiwelchem Delikt der Schwerpunkt der Tat liegt (vgl. Hellmann, S. 55 f.). Nur bei größeren Gerichten kann dieGeschäftsverteilung vorsehen, daß statt einer mehrere Abteilungen nach einem best<strong>im</strong>mten Eingangsschlüssel zuständigsein können (vgl. Leise/Dietz/Cratz - Cratz, § 391 AO RN 19). Durch diese Konzentration bei möglichst nur einembest<strong>im</strong>mten Strafrichter will § 391 AO erreichen, daß dieser fast ausschließlich zuständige Strafrichter durch die häufigeBefassung mit dem <strong>Steuerstrafrecht</strong> eine besondere Sachkunde erwirbt und er mit den Finanzbehörden sachdienlichzusammenarbeitet (vgl. Hellmann, S. 56; F/G/S-Franzen, § 391 AO RN 28; Koch/Scholtz - H<strong>im</strong>sel, § 391 AO RN 10,Kohlmann, § 391 AO RN 31). Lediglich be<strong>im</strong> Zusammentreffen einer Steuerstraftat mit einem Rauschgiftdelikt nachdem BtMG und für Steuerstraftaten, welche die Kraftfahrzeugsteuer betreffen, bleibt es gemäß § 391 Abs. 4, 2. HS AObei der allgemeinen Zuständigkeitsregelung der §§ 7 ff. StPO. Die Ausnahme be<strong>im</strong> Zusammentreffen einesRauschgiftdelikts mit einer Steuerstraftat hat der Gesetzgeber damit begründet, daß die Kenntnisse der örtlichenVerhältnisse, insbesondere der <strong>Dr</strong>ogenszene genutzt werden sollen. Die Ausnahme bezüglich der


als Zielgruppe haben. Aufgrund des Strafbanns des Einzelrichters, der nach §§ 24, 25 GVGfür Verfahren zuständig ist, die bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe erwarten lassen, verwundertes, daß der <strong>Strafbefehl</strong>, der seit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 (StVÄG 1987) alsStrafmaß nur Geldstrafe und verschiedene Nebenstrafen vorsah, jedenfalls aber erst seit demGesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993 153 auch eine Freiheitsstrafe bis zueinem Jahr mit Bewährung für den verteidigten Angeklagten vorsieht, auch eine Zuständigkeitdes Schöffengerichts ann<strong>im</strong>mt. Denn das Schöffengericht wäre an sich nur zuständig beieinem zu prognostizierenden Strafmaß zwischen zwei und vier Jahren, §§ 24, 25, 74 ff. GVG.Für ein solches Strafmaß ist jedoch der <strong>Strafbefehl</strong> nicht zulässig, da nach § 407 Abs. 2 Satz2 nur bei einem verteidigten Angeklagten Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festgesetzt werdendarf, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Damit kollidieren dieRegelungen des § 407 Abs. 2 mit den Zuständigkeitsregelungen nach §§ 24, 25 GVGinsoweit, als daß nach § 407 Abs. 1 zwar das Schöffengericht zuständig sein kann, nach §§24, 25 GVG jedoch die Strafverfahrensfälle ausschließlich be<strong>im</strong> Einzelrichter vorzulegensind 154 .Da die Vorschrift des § 407 Abs. 1 durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz (RPflEntIG) vom11.01.1993 155 keine Änderung erfahren hat, ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber dieZuständigkeit des Schöffengerichts trotz dieses scheinbaren Widerspruchs neben derZuständigkeit des Strafrichters wollte 156 . Dies führt nach Auffassung des LG Stuttgart dazu,daß mit der Erweiterung des Strafbanns für den Strafrichter auf Freiheitsstrafen bis zu 2Jahren nach § 25 Nr. 2 GVG dieser nun ausschließlich für den Erlaß von <strong>Strafbefehl</strong>enzuständig ist 157 . Eine Zuständigkeit des Schöffengerichts könne nur dann begründet werden,wenn die Streichung des § 25 Nr. 3 a. F. GVG einschränkend ausgelegt wird, wobei für dieseAuslegung der Rechtsgedanke des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG heranzuziehen ist 158 . Diesbedeutet, daß nach Auffassung des LG Stuttgart in analoger Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr.3 GVG, also nur in Fällen mit besonderer Bedeutung, die Staatsanwaltschaft dasSchöffengericht auch <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren noch für zuständig halten darf. Im Ergebnis istKraftfahrzeugsteuerhinterziehung rechtfertigt sich daraus, daß es zur Beurteilung dieser Straftat wohl keiner besonderenSteuerrechtskenntnisse bedarf (vgl. Hellmann, S. 56).153 BGBl. 1993 1, 50 ff..154 ebenso: LG Stuttgart, Beschluß vom 13.08,1993, -15 Qs 84/93-, wistra 1994, 40; a.A.: Hohendorf, wistra 1994, 294 f..155 BGBl. 1993 1, 50 ff..156 LG Stuttgart, Beschluß vom 13.08.1993, -15 Qs 84/93-, wistra 1994, 40.157 LG Stuttgart, Beschluß vom 13.08.1993, -15 Qs 84/93-, wistra 1994, 40; ebenso: OLG Oldenburg, Urt. v. 11.04.1994, -Ss122/94-, NStZ 1994, 449 f.; Kleinkecht/Meyer-Goßner, § 25 RN 3 m.w.N.; Schmehl/Vollmer, S. 69.158 LG Stuttgart, Beschluß vom 13.08.1993, -15 Qs 84/93-, wistra 1994, 40.


jedoch die Zuständigkeit des Schöffengerichts für <strong>Strafbefehl</strong>e nach Auffassung des LGStuttgart "nahezu ausgeschlossen" 159 .Für eine analoge Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG spricht zwar der Gedanke, daßdanach die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage be<strong>im</strong>Landgericht erheben darf. Diesen Rechtsgedanken auf das Verhältnis vom Einzelrichter zumSchöffengericht transformiert, bedeutet dies, daß schwierigere oder umfangreichere Verfahrenin analoger Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG dem Schöffengericht vorzulegen wären.Da es sich hier auch nicht um materielles Strafrecht handelt, ist eine Analogie grundsätzlichnicht verboten 160 . Eine Analogie setzt jedoch eine Regelungslücke voraus 161 . Eine solcheRegelungslücke ist jedoch nicht erkennbar, da die Zuständigkeit des Schöffengerichts durchdas Wechselspiel der §§ 24, 25 GVG hinreichend geregelt ist: Aus § 24 GVG in Verbindungmit §§ 74 f. GVG ergibt sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts. Die sachliche Zuständigkeitdes Schöffengerichts von dem Einzelrichter grenzt sich nach § 25 GVG wie folgt ab: Die demEinzelrichter nach § 25 GVG zugewiesenen Aufgaben sind aus der sachlichen Zuständigkeitdes Amtsgerichts dem Einzelrichter vorzulegen. <strong>Der</strong> verbleibende Rest fällt dann in densachlichen Zuständigkeitsbereich des Schöffengerichts. Daraus folgt aber, daß die sachlicheZuständigkeit für <strong>Strafbefehl</strong>e klar geregelt ist. Die §§ 24, 25 GVG, die als sachlicheZuständigkeitsregelungen der Zulässigkeitsregelung des §§ 407 insoweit vorgehen, regelnaber die Zuständigkeit abschließend und ohne Lücke. Damit ist der Einzelrichter umfassendfür alle <strong>Strafbefehl</strong>e zuständig. Die spezielle Zuständigkeitsregelung in § 407 Abs. 1 betreffendder Zuständigkeit des Schöffengerichts läuft daher insoweit leer.Fuhse 162 weist darauf hin, daß bereits das bereits das BVerfG in seinem Beschluß vom19.06.1967 163 zu § 25 GVG a. F. einen Lösungsansatz geliefert hatte. Damals hatte dasBVerfG die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Gerichte das demStaatsanwalt aus §§ 24 f. GVG gegebene "Auswahlermessen" überprüfen können. Dabei hatdas BVerfG aus der Stellung des § 25 GVG <strong>im</strong> Zusammenhang mit § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVGgefolgert, daß dem Katalog der in § 25 GVG aufgeführten Kriterien <strong>im</strong>manent eine Rangordnunginne wohne. Diese wirke sich dahin aus, daß dem Strafrichter nur die ausschließlicheZuständigkeit der Strafsachen mit "minder schwerer Bedeutung" zukomme. Dieser159 LG Stuttgart, Beschluß vom 13.08.1993, -15 Qs 84/93-, wistra 1994, 40.160 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl. RN 198 ff.: Eine Analogie ist <strong>im</strong> materiellen Strafrecht verboten, <strong>im</strong> Verfahrensrechthingegen erlaubt, vgl. auch: KG NJW 1979, 1668, 1669; Krey, JA 1983, 235; einschränkend: Sch/Sch-Eser, § 1 RN 36.161 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl. 198 ff., 202.162 Fuhse, NStZ 1995, 165 ff., 166.163 BVerfGE 22, 254.


unbest<strong>im</strong>mte Rechtsbegriff war zwar nicht in § 25 Nr. 2 c und 3 GVG wörtlich enthalten, ergabsich aber nach Auffassung des BVerfG aus dem Sinn und Zusammenhang dieser Normen 164 .Fuhse meint, daß der Gesetzgeber durch die Erweiterung des Strafbanns nach § 25 Nr. 2GVG durch das RPflEntIG vom 11.01.1993 die <strong>im</strong> § 25 GVG <strong>im</strong>manenteAbgrenzungsregelung der "minder schweren Bedeutung" nicht habe beseitigen wollen, so daßdiese heute noch fortgelte 165 .<strong>Der</strong> Auffassung von Fuhse ist nicht zu folgen, da der Gesetzgeber gerade durch dasRPflEntIG eine Verlagerung der Zuständigkeiten auf die Amtsgerichte zwecks Arbeitsersparniswollte. Hätte der Gesetzgeber weiterhin eine Zuständigkeit des Schöffengerichts für<strong>Strafbefehl</strong>e gewollt, hätte er dies in § 25 GVG n. F. auch geregelt. Zudem ist das<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren per se für einfache und klare Massenverfahren konzipiert. <strong>Der</strong> Sachenach ist ein <strong>Strafbefehl</strong> auch gar kein Fall mit besonderer Bedeutung oder Schwere. Er istgerade ein Fall minder schwerer Bedeutung. Daher paßt auch die durch § 25 GVG n. F.geschaffene ausschließliche Zuständigkeit be<strong>im</strong> Strafrichter systematisch ins Bild.Die Vertreter der Gegenansicht, die heute noch die potentielle Zuständigkeit desSchöffengerichts neben dem Strafrichter bejahen, müssen das weitere dogmatische Problemder alleinigen Unterzeichnungsbefugnis des Sehöffengerichtsvorsitzenden lösen, woraufMüller zutreffend hinweist: Soweit das Schöffengericht zuständig ist, erläßt der Vorsitzendedes Schöffengerichts den <strong>Strafbefehl</strong> allein 166 . Begründet wird dies damit, daß nach § 30 Abs.2 GVG der Amtsrichter sämtliche Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung ohneMitwirkung der Schöffen trifft 167 . In den Fällen des § 30 Abs. 2 GVG entscheidet der Richterbe<strong>im</strong> Amtsgericht allein und zwar nicht als Vorsitzender des Schöffengerichts 168 , jedoch alsdessen Vertreter 169 .Eine solche Vertretungsmacht ist aus dem Gesetz nicht ersichtlich. Vielmehr fehlt eineausdrückliche Regelung, wer einen <strong>Strafbefehl</strong> unterschreibt, wenn das Schöffengerichtzuständig ist. <strong>Der</strong> Hinweis auf § 30 Abs. 2 GVG befriedigt insoweit nicht. Zwar ist zuzugeben,daß § 30 Abs. 2 GVG für alle Entscheidungen -wie beispielsweise Beschlagnahme- und164 BVerfGE 22, 254.165 Fuhse, NStZ 1995,165 ff., 166.166 KK-Meyer-Goßner, § 408 RN 16; LR-Gössel, § 407, RN 55; Roxin, S. 416; Schlüchter, S. 873; Müller, S. 48.167 LR-Gössel, § 407 RN 55, Schlüchter, S. 873; Müller, S. 48.168 LR-K. Schäfer, § 30 GVG RN 5; Kleinknecht[Meyer-Goßner, § 30 RN 3.169 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 30 RN 3.


Durchsuchungsanordnungen, Haftentscheidungen bei Untersuchungshaft 170 außerhalb derHauptverhandlung gilt.Dennoch hat der erlassene <strong>Strafbefehl</strong> Urteilsfunktion, wenn er rechtskräftig wird, § 410 Abs.3 171 . Dies führt zu dem in sich widersprüchlichen Ergebnis, daß § 30 Abs. 2 GVG, dereigentlich prozeßleitenden Verfügungen des Amtsrichters außerhalb der Hauptverhandlungoder Beschlagnahme- und Durchsuchungsbeschlüsse oder Haftentscheidungen unter demGesichtspunkt der Effektivität und der schnellen Praktikabilität auch ohne Mitwirkung derSchöffen für rechtmäßig erklärt, be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>serlaß dazu führt, daß hier keine prozeßleitendenVerfügungen oder Eilentscheidungen wie z.B. Haftsachen vom Vorsitzenden gefertigtwerden, sondern vielmehr der <strong>Strafbefehl</strong>, der -falls kein Einspruch eingelegt wurde- einemUrteil entspricht, hier vom Vorsitzenden des Schöffengerichts allein entschieden undunterzeichnet werden kann. Die Urteilsberatung und -fällung ist aber nach §§ 28 ff. GVG dieoriginäre Aufgabe der Schöffen zusammen mit dem Vorsitzenden des Schöffengerichts.Müller äußert an der Rechtmäßigkeit dieser Verfahrensweise erhebliche Bedenken, meintjedoch, daß die alleinige Erlaßbefugnis des Vorsitzenden des Schöffengerichts -wennüberhaupt- nur aus pragmatischen Erwägungen der praktischen Unmöglichkeit, eineSchöffenbeteiligung be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>serlaß durchzuführen, begründet werden kann 172 .Die Rechtmäßigkeit dieser Praxis läßt sich nur damit begründen, daß schlicht formal aufEntscheidungen außerhalb oder innerhalb der Hauptverhandlung- <strong>im</strong> Sinne des § 30 Abs. 2GVG abgestellt wird. Bei allen Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung -mögen sieauch in dem Erlaß von <strong>Strafbefehl</strong>en, die Urteilen gleichstehen, § 410 Abs. 3, bestehen, istdann die Alleinzuständigkeit des Vorsitzenden des Schöffengerichts gerechtfertigt. Bedenkengegen dieses Ergebnis bleiben bestehen, da es die originäre Aufgabe des Schöffengerichtsist, aufgrund der Hauptverhandlung zu entscheiden und somit selbstverständlich das Urteil zuberaten und zu beschließen 173 .170 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 30 RN 3.171 Müller, S. 48.172 Müller, S. 48.173 Es ist zwar die Rechtsstellung der Schöffen insoweit umstritten, als die wohl überwiegende Meinung auf dem Standpunktsteht, daß den Schöffen kein Recht auf Akteneinsicht zusteht, da dadurch der Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß § 261verletzt werde, vgl. BGHSt 13, 73 = JR 61, 30 mit zust<strong>im</strong>mender Anm. Eb. Schmidt; BGH MDR 73, 19; RGSt 69, 120;OLG Hamburg, MDR 1973, 69; LR-Gollwitzer, § 271, RN 3 1; Eb. Schmidt, § 261 RN 6; offengelassen in BGH NJW1987, 1209 = JR 1987, 389 mit Anm. Rieß; vgl. auch RiStBV Nr. 126 Abs. 3; a.A: Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 30 RN2, der der Auffassung ist, daß die Schöffen auch insoweit den Berufsrichtern gleichgestellt werden müssen, da sie mit denBerufsrichtern gemeinsam die Verantwortung für eine richtige Entscheidung tragen; ebenso Kissel, S. 2 ff.; Hannack, JZ1972, 315; Rüping, JR 1976, 272; Schreiber in Welzel-Festschrift, S. 954; Kerhorst, MDR 1988, 809; Volk inDünnebier-Festschrift, S 382.


Auch das Argument, daß es (zunächst) keine Hauptverhandlung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren gibt,sondern der <strong>Strafbefehl</strong> gerade ohne Hauptverhandlung erlassen wird, trägt m.E. nicht. DieSchöffen könnten daher nur sinnvoll über den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s mitberaten, würden sieden Akteninhalt kennen. Dies führt jedoch nach einer wohl überwiegenden Meinung zu derenBefangenheit 174 . Stellt man allerdings die Schöffen den Berufsrichtern gleich 175 , dann stündeeiner Mitberatung nach Akteneinsicht der Schöffen nichts <strong>im</strong> Wege.Dieses Problem hat sich jedoch insoweit überlebt, als daß durch die §§ 24, 25 GVG, dieAlleinzuständigkeit des Einzelrichters für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nunmehr gegeben ist 176 .Diese Auslegung der §§ 24, 25 GVG, die zu einer Alleinzuständigkeit des Strafrichtersgelangt, entspricht auch letztlich dem gesetzgeberischen Willen, denn Ziel der Neufassungdes § 25 GVG war es neben dem Effekt, für die Zuständigkeitsabgrenzung zwischenSchöffengericht und Strafrichter eine eindeutige verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen,die Einsparung von richterlicher Arbeitszeit zu erreichen 177 . Denn der Gesetzgeber erwartetesich von der Alleinzuständigkeit des Strafrichters einen -wenn auch geringen- Einsparungseffekt,der sich <strong>im</strong> wesentlichen daraus ergibt, daß <strong>im</strong> Verfahren vor dem Einzelrichter dieBeratung mit den Laienrichtern entfällt 178 .Sollte das zulässige Strafmaß nach § 407 Abs. 2 irgendwann derart erhöht werden, daß dieSchöffengerichte wieder zuständig werden könnten, so bleibt zu hoffen, daß der Gesetzgeber<strong>im</strong> Rahmen der §§ 28 ff. GVG eine klarstellende Regelung dahingehend erläßt, ob nun dieSchöffen bei dem Erlaß von <strong>Strafbefehl</strong>en mitzuwirken haben oder nicht. Denn es bleibtselbstverständlich auch vorstellbar, daß Sitzungen mit den Schöffen vorgenommen werdenund hierbei zum Beispiel die <strong>Strafbefehl</strong>santräge diskutiert werden und dabei entschieden174 statt aller: Nachweise bei Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 30 GVG RN 2.175 so Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 30 GVG RN 2.176 Mindestens ebenso gut ließe und läßt sich (wenn man heute noch die Zuständigkeit des Schöffengerichts ann<strong>im</strong>mt) auchdas bisherige Procedere vor den Schöffengerichten durch eine Entscheidung des Vorsitzenden Richters rechtfertigen, dazum Beispiel außer in § 407 Abs. 1 Satz 1 in den Normen zum <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren <strong>im</strong>mer nur von dem Richter undnicht mehr von dem Schöffengericht oder dem Vorsitzenden Richter des Schöffengerichts gesprochen wird. So heißt esbeispielsweise in § 408 Abs. 2: "Erachtet der Richter den Angeschuldigten nicht für hinreichend verdächtig, so lehnt erden Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s ab". M.E. liegt die Lösung dieses Problems darin, daß zwar § 410 Abs. 3 den rechtskräftigen<strong>Strafbefehl</strong> dem Urteil gleichstellt, den Erlaß jedoch nicht der Hauptverhandlung. Konsequent ist es dann für die gesparteHauptverhandlung auch die Schöffen zu sparen. § 410 Abs. 3 ist eine gesetzliche Gleichstellung der Wirkungen desrechtskräftigen <strong>Strafbefehl</strong>s mit den Wirkungen des rechtskräftigen Urteils, dennoch kommen beide Verfahren auf unterschiedlichenWegen zum gleichen Ergebnis. Durch die Hintertür kann nun nicht wieder das eingeführt werden, was derGesetzgeber eigentlich sparen wollte: Die Hauptverhandlung und damit verbunden die Mitwirkung der Schöffen.Somit ist der Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s allein durch den Vorsitzenden des Schöffengerichts <strong>im</strong> Ergebnis rechtmäßig. Eineentsprechende Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre jedoch wünschenswert.177 BT-<strong>Dr</strong>ucks. 12/1217, S. 46; Hohendorf, wistra 1994, 294 f., 295.178 BT-<strong>Dr</strong>ucks. 12/1217, S. 46; Hohendorf, wistra 1994, 294 f., 295.


wird, ob die <strong>Strafbefehl</strong>e, wie beantragt, erlassen werden sollen oder ob nicht vielmehrHauptverhandlung nach § 408 Abs. 3 Satz 2 anzuberaumen ist oder ob nach § 408 Abs. 2Satz 1 der <strong>Strafbefehl</strong>santrag abzulehnen ist. Alternativ wäre es begrüßenswert, wenn beieiner Zuständigkeit des Schöffengerichts der Gesetzgeber ausdrücklich die alleinigeEntscheidungsbefugnis dem Vorsitzenden be<strong>im</strong> Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s einräumt.2. VergehenNach § 407 Abs. 1 Satz 1, ist das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nur bei Vergehen zulässig. EinVerbrechen darf somit nicht durch einem <strong>Strafbefehl</strong> geahndet werden. Verbrechen sind nach§ 12 Abs. 1 StGB rechtswidrige Taten, die <strong>im</strong> Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahroder darüber bedroht sind.Vergehen sind dagegen nach § 12 Abs. 2 StGB rechtswidrige Taten, die <strong>im</strong> Mindestmaß miteiner geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind.Nach § 12 Abs. 3 StGB bleiben Strafschärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriftendes allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehensind, für diese Einteilung außer Betracht 179 .Darüber hinaus können Ordnungswidrigkeiten nach § 64 0WiG - mit in den <strong>Strafbefehl</strong>einbezogen werden, sofern bei tatmehrheitlichem Zusammentreffen gemäß § 42 OWiGentweder ein persönlicher oder ein sachlicher Zusammenhang mit der verfolgten Tatbesteht 180 .3. Best<strong>im</strong>mte und inhaltlich begrenzte RechtsfolgeDie zulässigen Rechtsfolgen führt das Gesetz in § 407 Abs. 2 abschließend auf. DieFreiheitsstrafe ohne Bewährung gehört nicht dazu. Nur die Freiheitsstrafe bis zu einem Jahrmit Bewährung darf gegen einen verteidigten Angeklagten gern. § 407 Abs. 2 Satz 2 verhängt179 LR-Gössel, § 407 RN 3.180 Müller, § 64 OWG, RN 2, Rebmann/Roth/Hermann, § 64 OWG, RN 3; KK-MeyerGoßner, § 407 RN 3-1; KMR-Müller,§ 407 RN 1; LR-Gössel, vor § 407 RN 42; Erbe, S. 211; Müller, S. 49.


werden. Hier sind also gleich zwei Prognosen für die Zulässigkeit des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrensdurch den Staatsanwalt und später durch den Richter vorzunehmen:Erstens ist zu prüfen, ob nicht nach Lage der Akten eine Freiheitsstrafe von über einem Jahrin Betracht kommt. Bejahendenfalls wäre das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren hier schon unzulässig.Darüber hinaus muß der Staatsanwalt und später der zuständige Richter aufgrund derAktenlage die Prognose bejahen, daß die Strafe zur Bewährung auszusetzen ist. Hierzu isterforderlich, daß der Richter zu der Überzeugung gelangt, daß der Verurteilte sich schon dieVerurteilung zur Warnung dienen lassen wird und auch künftig ohne Einwirkung desStrafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB. Da dabei diePersönlichkeit des Angeklagten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat ' sein Verhalten nachder Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen der Strafe zu berücksichtigen sind, dievon der Strafaussetzung zur Bewährung zu erwarten sind, § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB, dürfteeine derartige Prognose für den Staatsanwalt wie auch für den angerufenen Richter i.d.R.aufgrund der Aktenlage nur schwer möglich sein, da <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren derStaatsanwalt als auch der angerufene Richter kein Persönlichkeitsbild von dem Beschuldigtenhaben werden, insbesondere wenn der Beschuldigte sich bis dahin noch nicht zu seinemVorleben, den Umständen seiner Tat, seinem Verhalten nach der Tat usw. geäußert hat.Im übrigen sind die möglichen Rechtsfolgen, die nebeneinander nur in den Grenzen desmateriellen Rechts verhängt werden können 181 , nach § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in einesogenannte Hauptstrafe und nach § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 in eine Nebenstrafe systematischaufzuteilen.Nach § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ist auch ein Absehen von Strafe möglich 182 .Sämtliche anderen Rechtsfolgen sind nicht möglich. Beispielsweise ist auch die Verhängungeines Berufsverbotes nach § 70 StGB ausgeschlossen 183 .Nach Auffassung von Müller soll auf die Festsetzung einer in § 407 Abs. 2 nichtvorgesehenen, sonst aber zulässigen Rechtsfolge -zumindest bei Überschreitung desRechtsfolgerahmens- zur Nichtigkeit des <strong>Strafbefehl</strong>s führen 184 .181 LR-Gössel, § 407 RN 12; KK-Meyer-Goßner, § 407 RN 21; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 407 RN 19.182 Das Absehen von Strafe hätte m.E. nicht notwendig normiert werden müssen, weil bereits die Staatsanwaltschaft dasVerfahren nach § 153 b einstellen kann, wenn die Voraussetzungen des § 60 StGB vorliegen, vgl.Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 407 RN 10.183 Müller, S. 49; weitere Beispiele bei LR-Gössel, § 407 RN 8.


Dem ist zuzust<strong>im</strong>men, da es sich hierbei um einen schweren inhaltlichen Fehler handelt, derauch offenkundig ist, da § 407 Abs. 2 abschließend die Zulässigkeit der möglichen Sanktionenregelt. Die Anwendung eines Strafmaßes außerhalb dieses Kataloges ist daher ein schwerer,unerträglicher Fehler, der nicht nur die Rechtswidrigkeit und damit Angreifbarkeit des<strong>Strafbefehl</strong>s zur Folge hat, sondern dessen Nichtigkeit nach sich ziehen muß.a) Hauptstrafeaa) GeldstrafeAls unmittelbar vollziehbare Hauptstrafe kann durch den <strong>Strafbefehl</strong> nur Geldstrafe festgesetztwerden 185 . Da eine Begrenzung der Geldstrafe nicht in § 407 Abs. 2 festgelegt ist, ist dasgesetzlich zulässige Höchstmaß verhängbar. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 beträgt die Geldstrafemindestens 5 und, wenn das Gesetz nichts anderes best<strong>im</strong>mt, höchsten 360 volleTagessätze. Bei einer Gesamtstrafenbildung nach §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 2 StGB ist sogar eineGeldstrafe bis zu 720 Tagessätze möglich. Ein Tagessatz wird nach § 40 Abs. 2 Satz 3 mitmindestens 2,-- DM und höchstens 10.000,-- DM festgesetzt, so daß sich praktisch einStrafrahmen von insgesamt 10,-- DM bis zu 7,2 Millionen DM ergibt 186 . Daß diese Strafrahmenauch ausgeschöpft werden, zeigt beispielsweise der Fall Boenisch, in dem wegenSteuerhinterziehung die Höchststrafe von 360 Tagessätzen ausgeworfen wurde 187 .Die Erfahrung zeigt auch <strong>im</strong>mer wieder, daß 500, 600 bis hin zur zulässigen Höchstgrenzevon 720 Tagessätzen bei Gesamtstrafenbildung von der Staatsanwaltschaft bzw. BuStrabeantragt werden - und von den Gerichten erlassen werden 188 .Gerade in Fällen der Wirtschaftskr<strong>im</strong>inalität, bei denen best<strong>im</strong>mte starre Tagessatzberechnungenkursieren -worauf noch einzugehen sein wird- werden die Einzelstrafenschlicht addiert, so daß Größenordnungen von 400, 500 oder mehr Tagessätzen keineSeltenheit sind 189 .bb) Haftstrafe184 Müller, S. 49; Schmidt, 11, § 409 RN 8, 9; Nachtr. I, § 409 RN 8; Schorn, S. 73; a.A.: Kleinknecht/Meyer (39. Auflage), §407 RN 10; LR-Gössel, § 409 RN 16; unklar Vent, JR 1980, 401 ff..185 Müller, S. 50.186 Müller, S. 50.187 Frankfurter Rundschau vom 27.06.1985; <strong>Der</strong> Spiegel Nr. 26/1985, S. 20; Müller, S. 50.188 OLG Düsseldorf, wistra 1991, 32 ff.: 360 Tagessätze a´ 10.000,-- DM.189 OLG Düsseldorf, wistra 1991, 32 ff..


<strong>Der</strong> Anwendungsbereich des <strong>Strafbefehl</strong>s war durch das StVÄG vom 27.01.1987, das am01.04.1987 in Kraft trat 190 , wie folgt beschränkt, so daß ein <strong>Strafbefehl</strong> danach nur unterfolgenden Voraussetzungen ergehen konnte:- wegen eines Vergehens i.S.d. § 12 Abs. 2 StGB, nicht wegen eines Verbrechensi.S.d. § 12 Abs. 1 StGB, § 407 Abs. 1; - in Verfahren, für die gemäß §§ 24 Abs. 1,74 Abs. 1 und Abs. 2 GVG in erster Instanz amtsrichterliche Spruchkörper zuständigsind, also entweder der Strafrichter gem. § 25 GVG oder das Schöffengerichtgemäß § 28 GVG, § 407 Abs. 1; - die in § 407 Abs. 2 StPO abschließendaufgezählten Rechtsfolgen alleine oder nebeneinander festgesetzt werden sollten,nämlich:- Geldstrafe, §§ 40 ff. StGB;- Verwarnung mit Strafvorbehalt, §§ 59 StGB;- Fahrverbot, § 44 StGB;- Verfall, §§ 73 ff. StGB;- Einziehung, §§ 74 ff. StGB;- Vernichtung, z.B. §§ 98, 110 UrhG;- Unbrauchbarmachung, § 74 d StGB;- Bekanntgabe der Verurteilung, § 200 StGB;- Geldbuße gegen eine <strong>jur</strong>. Person oder Personenvereinigung, § 30 OWiG; -Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69 ff. StGB) mit einer Sperrfrist (§ 69 a StGB)nicht über 2 Jahren.Aufgrund des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993 wurde der Strafbanndes <strong>Strafbefehl</strong>s erweitert 191 . Dies ist eine Maßnahme, die die Attraktivität des <strong>Strafbefehl</strong>serhöhen soll, damit mehr Verfahren und vor allem auch größere Verfahren <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren erledigt werden können. Dies soll der Entlastung der Gerichte dienen.Seitdem ist der Anwendungsbereich des <strong>Strafbefehl</strong>s wie folgt durch eine Änderung des § 407Abs. 2 aufgrund des Rechtspflegeentlastungsgesetzes erweitert:„10. § 407 Abs. 2 wird wie folgt geändert:(....)c) Nach Nummer 2 wird folgende Nummer 3 angefügt:190 Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 vom 27.01.1987 (BGBl. 1987 1, 475) in der ab dem 01.04.1987 geltenden Fassung.


"3. Absehen von Strafe."d) Folgender Satz wird angefügt:"Hat der Angeschuldigte einen Verteidiger, so kann auch Freiheitsstrafe bis zu einemJahr festgesetzt werden, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetztwird.“ 192 “Die Voraussetzungen für die Verhängung der einzelnen Rechtsfolgen best<strong>im</strong>men sich auch <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nach den einschlägigen materiell-rechtlichen Normen 193 . So setzt etwadie Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 44 Abs. 1 StGB die gleichzeitige Verurteilung zueiner Geldstrafe oder einer Haftstrafe 194 voraus 195 .Die in § 407 Abs. 2 benannten Rechtsfolgen dürfen nebeneinander, also kumulativ, verhängtwerden 196 . Denn § 407 Abs. 2 formuliert: "durch <strong>Strafbefehl</strong> dürfen nur die folgendenRechtsfolgen der Tat, allein oder nebeneinander, festgesetzt werden". Dies folgt somit aus derFormulierung "nebeneinander".Ebenso richtet sich die Vollstreckung der durch <strong>Strafbefehl</strong> rechtskräftig festgesetztenRechtsfolgen nach den allgemeinen Vorschriften 197 .Obwohl also nach früherem Recht keine Haftstrafe <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren verhängt werdendurfte, konnte an die Stelle einer zulässigerweise festgesetzten GeldstrafeErsatzfreiheitsstrafe gemäß § 43 StGB treten 198 .Die Erweiterung des Strafbanns durch das seit dem Rechtspflegeentlastungsgesetz vom11.01.1993 geltende Recht ist so gesehen zwar wegen der Einführung der Freiheitsstrafe biszu einem Jahr mit Bewährung weitreichend, aber nicht revolutionär.Ursprünglich durften nach § 447 nur Geldstrafen von höchstens 150,-- DM, Freiheitsstrafenvon höchstens 6 Wochen und eine Einziehung festgesetzt werden, und auch dies nur in191 Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993 (BGBl. 1993 1, 50 ff.).192 Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993 (BGBl. 1993 1, 50, 51.193 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.194 Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993 (BGBl. 1993 1, 50 ff.).195 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.196 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.197 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.198 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.


Verbindung wegen Übertretungen oder leichterer Vergehen, z.B. zählte dazu nicht Diebstahl,Unterschlagung oder Betrug 199 .Im Jahr 1921 wurde die Anwendung des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens für alle Vergehen zugelassen,bei der Geldstrafe fiel die Höchstgrenze weg 200 .Die Emminger-Verordnung von 1924 erweiterte den Katalog der möglichen Rechtsfolgen aufFreiheitsstrafen bis zu drei Monaten 201 .Nach weiteren Änderungen wurde 1942 auch die Ahndung von Verbrechen durch <strong>Strafbefehl</strong>zugelassen 202 . Diese kriegsbedingte Erweiterung wurde 1950 wieder gestrichen 203 . Seit dem01.01.1975 fiel die Festsetzung von Freiheitsstrafe <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren wieder weg 204 .Auch <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren zum StVAG 1987 hat die Bundesregierung entgegen einerAnregung des Bundesrates 205 darauf verzichtet, in den Gesetzentwurf eine Ausdehnung des<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens auf Freiheitsstrafen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetztwird, aufzunehmen 206 . Begründet wurde dies damit, daß die Verhängung einer Freiheitsstrafeunter 6 Monaten nach § 47 Abs. 1 StGB die Ausnahme darstelle. Ob besondere Umstände,die in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters liegen können, die Verhängung einer Freiheitsstrafeunerläßlich machen, könne aber nur aufgrund einer Hauptverhandlung und geradenicht in einem summarischen Verfahren aufgrund der Aktenlage entschieden werden 207 .Sinngemäß den gleichen Bedenken begegnet die heutige Regelung, weil die nach § 56 StGBzu stellende Prognose aufgrund der Aktenlage kaum möglich ist. M.E. sollte daher dieFreiheitsstrafe als Sanktion <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren oder aber die Bindung an dieBewährungsstrafe entfallen, da die Prognose nur durch Aktenlektüre, i.d.R. kaum zu erstellenist, andererseits, wenn nur die Bindung an die Bewährungsstrafe entfällt, zu bedenken ist, daßeine Freiheitsstrafe <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren wohl nur selten akzeptiert werden wird. DieseSanktion ist zudem auch für kleinere und mittlere Verfahren, für die der <strong>Strafbefehl</strong> an sichgedacht ist, untypisch, so daß in den Fällen, in denen eine Freiheitsstrafe in Betracht kommt,sich das Regelverfahren wegen der Atypik des Falles anbietet.199 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.200 Art. III Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte vom 11.03.1921, RGBI 1921, 231; Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.201 § 37 der VO über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 04.01.1924, RGBI 1924 1, 26; Meurer, JuS 1987, 882 ff.,883.202 Art 3 der VO zur weiteren Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 13.08.1942, RGBI 1942 1, 508, Meurer, JuS 1987,882 ff., 883.203 Art 8 11 Nr. 22 des Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung derbürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12.09.1950, BGBl. 1950, 455.204 Art 21 Nr. 104 des EG zum StGB vom 02.03.1974, BGBL 1973 1, 469.205 BT-<strong>Dr</strong> 10/1313, S. 54.206 BT-<strong>Dr</strong> 10/1313, S. 60.207 BT-<strong>Dr</strong> 10/1313, S. 14.


Soweit aber der Gesetzgeber nun den Anwendungsbereich des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens auchfür die Freiheitsstrafe eröffnet hat, ist zu bedenken, daß die Strafverfolgunsgbehörde denTatvorwurf und das Strafmaß <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> umfangreich begründen muß, damit er akzeptiertwird.Insbesondere Täter, die eine öffentliche Hauptverhandlung scheuen, würden m.E.möglicherweise auch <strong>Strafbefehl</strong>e mit Freiheitsstrafe -auch ohne Bewährung- akzeptieren,wenn der Vorwurf und das Strafmaß für sie nachvollziehbar sind. Die Akzeptanz einer solchenStrafe <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> kann nicht durch die heute typischen <strong>Strafbefehl</strong>e, die aus 2 bis 3 SeitenText bestehen, geleistet werden. Die Mehrarbeit, die bei der Strafverfolgungsbehörde wegender Anfertigung eines ausführlichen <strong>Strafbefehl</strong>s anfällt, wird durch die Ersparnis derHauptverhandlung wohl kompensiert. Im Ergebnis handelt es sich also nicht um eine wahreArbeitsersparnis der Justizorgane, sondern um eine Arbeitsverlagerung von den Gerichten zurStaatsanwaltschaft.b) Nebenstrafe, MaßregelAls einzig zulässige Nebenstrafe kann <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ein Fahrverbot nach § 44 Abs. 1 StGBangeordnet werden.Außer bei Zollvergehen kommt ein solches Fahrverbot <strong>im</strong> Zusammenhang mitSteuerverkürzungen nicht vor, so daß nur bei einem Zollvergehen, das <strong>im</strong> Zusammenhang 208mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen wurde, ein Fahrverbot verhängt werden kann.Die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ohnemündliche Hauptverhandlung begegnet rechtlichen wie tatsächlichen Bedenken 209 . Denn beider Beurteilung der Ungeeignetheit des Täters ist eine Gesamtwürdigung derTäterpersönlichkeit erforderlich, soweit sie in der Tat zum Ausdruck gekommen ist 210 . Diesdürfte aufgrund der bloßen Aktenlage und der möglicherweise bis dahin unterbliebenenStellungnahme des Beschuldigten nur allzu unzulänglich möglich sein.Darüber hinaus dürfte die Anwendung der Maßregel <strong>im</strong> Zusammenhang mitSteuerverkürzungen nur eine geringe Rolle spielen, da nur der Täter in der Regel als208 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 44 RN 6; BGH VRS 1981, 369 hinsichtlich der Durchführung von BtMGeschäften unter Benutzungeines Kraftfahrzeuges.209 Warda, MDR 1965, 7; Schönke/Schröder-Stree, § 69 RN 25.210 BGHSt 6, 185; <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 69 StGB RN 9 c.


ungeeignet anzusehen ist, der die in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Tatenbegeht 211 .c) NebenfolgenZusätzlich zu der Geldstrafe können <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> auch die Nebenfolgen Verfall, Einziehung,Unbrauchbarmachung, §§ 73-76 a StGB, und Vernichtung angeordnet werden 212 . Nach § 407Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, letzte Alternative, ist auch eine Geldbuße gegen eine <strong>jur</strong>istische Personoder Personenvereinigung als Nebenfolge möglich. Hiermit wird auf § 30 OWiG verwiesen 213 .Die verfahrensrechtliche Stellung der <strong>jur</strong>istischen Person <strong>im</strong> Strafverfahren allgemein ergibtsich aus § 444. Im <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren wird ihre Beteiligung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag beantragtund <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> angeordnet. Ähnlich wie bei den Einziehungsbeteiligten steht der<strong>jur</strong>istischen Person als Nebenbeteiligter auch hier ein selbständiges Einspruchsrecht gemäß §444 Abs. 2 zu 214 .Nebenfolgen werden nach meiner Erfahrung <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren selten angeordnet.4. Unzulässigkeit <strong>im</strong> Verfahren gegen JugendlicheAuch die Feststellung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung der besonderenjugendstrafrechtlichen Sanktionen erfordert eine Erforschung der Persönlichkeit des Täters,für die das summarische Verfahren nach Aktenlage nicht geeignet ist: Deshalb darf inVerfahren gegen Jugendliche kein <strong>Strafbefehl</strong> erlassen werden, § 79 Abs. 1 JGG. Dies giltentsprechend auch in Verfahren gegen Heranwachsende, in denen der Richter gemäß § 105JGG Jugendstrafrecht anwenden will, §§ 109 Abs. 2 i.V.m. 79 Abs. 1 JGG 215 .III. VerfahrenDas <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren soll chronologisch geordnet nach den einzelnen Verfahrensabschnittendargestellt werden.211 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 69 RN 10.212 KK-Meyer-Goßner, § 407 RN 16-18; LR-Gössel, § 407 RN 27, 30-36; Müller, S. 52.213 Müller, S. 53.214 LR-Gössel, § 407 RN 37; Müller, S. 53.215 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.


Zunächst wird die Station bei der Strafverfolgungsbehörde, dann bei Gericht, schließlich dieRechtsbehelfsmöglichkeiten des Angeklagten bis hin zur Rechtskraft dargestellt.1. Vorbereitung des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens, abgeschlossenes ErmittlungsverfahrenDas Ermittlungsverfahren (vorbereitendes Verfahren) ist eingeleitet und beginnt damit, sobalddie Staatsanwaltschaft, § 160 Abs. 1, eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes, §163, oder in Steuerstrafsachen die Finanzbehörde eine Maßnahme trifft, die erkennbar daraufabzielt, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen, § 397 Abs. 1 AO, auch wenn derBeschuldigte noch unbekannt ist. Herrin des Verfahrens ist stets die Staatsanwaltschaft.Das Ermittlungsverfahren ist stets ein schriftliches Verfahren, in dem sämtliche Beweismittelzusammengetragen werden, um entscheiden zu können, ob ein hinreichender Tatverdacht <strong>im</strong>Sinne des § 170 Abs. 1 besteht, oder nicht, § 170 Abs. 2 Satz 1.Die polizeilichen Ermittlungen <strong>im</strong> Rahmen des ersten Zugriffs, § 163, bilden keinen rechtlichselbständigen Verfahrensabschnitt, sondern sind nur ein dem staatsanwaltschaftlichenvorbereitenden Verfahren vorgeschalteter und zugehöriger Teil des Ermittlungsverfahrens 216 .Sobald also die Staatsanwaltschaft oder die Finanzbehörde einen Anfangsverdacht hat, leitetsie ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten nach § 397 Abs. 1 AO ein oder -wasgleichbedeutend ist- beginnt sie mit strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen 217 .Ist der Sachverhalt vollständig ausermittelt, verfügt die Staatsanwaltschaft nach § 169 a einenförmlichen Vermerk über den Abschluß der Ermittlungen. Dieser Abschlußvermerk hatBedeutung für das uneingeschränkte 218 Akteneinsichtsrecht des Verteidigers, § 147 Abs. 2,Abs. 6, Satz 2 219 sowie für die Verteidigerbestellung auf Antrag der Staatsanwaltschaft, § 141Abs. 3 Satz 2.Dieser Abschlußvermerk, der zu den Akten zu nehmen ist, entfaltet vorstehende Wirkungenauch dann, wenn sich nachträglich herausstellt, daß noch einige Nachermittlungen erforderlich216 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl. RN 60 f., 61.217 F/G/S-Franzen, § 397 AO RN 1 ff., 7.218 Das Akteneinsichtsrecht umfaßt alle Hauptakten, Beweismittelakten, Spurenakten usw., vgl. Baur, FAZ v. 18.02.1982,Seite 4.219 In Steuerstrafsachen wird häufig schon vor Abschluß der Ermittlungen Akteneinsicht gewährt, vgl. Baur, FAZ v.18.02.1982, Seite 4.


sind 220 . <strong>Der</strong> Abschluß der Ermittlungen nach § 169 a setzt jedoch nach § 163 a Abs. 1 Satz 1voraus, daß der Beschuldigte vor dem Abschluß der Ermittlungen verantwortlich vernommenwurde.Nach Abschluß der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob der Beschuldigteeiner Straftat hinreichend verdächtig ist, § 170 Abs. 1 StPO 221 .Wird der hinreichende Tatverdacht verneint, so ist das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2einzustellen 222 .Bejaht die Staatsanwaltschaft den hinreichenden Tatverdacht, hat sie grundsätzlich Anklagezu erheben (Legalitätsprinzip), § 152 Abs. 1 223 . Denn nur durch die Anklage kommt es zu einergerichtlichen Untersuchung (Akkusationsprinzip), § 151 224 .Nach dem gesetzlichen Modell soll zunächst geprüft werden, ob ein hinreichender Verdachteiner Verurteilung besteht, § 170 Abs. 1, anderenfalls soll das Verfahren eingestellt werden, §170 Abs. 2 (erste Einstellungsprüfung). In den Fällen, in denen der hinreichende Tatverdachtbejaht wird, soll nicht sofort eine öffentliche Klage erhoben werden, sondern vorgeschaltetsind die Einstellungsmöglichkeiten nach §§ 206 a und 153 ff, insbesondere die Einstellunggegen eine Auflage nach § 153 a Abs. 1 (zweite und dritte Einstellungsprüfung). Erst wenndiese zweite und dritte Einstellungsprüfung negativ ausfällt, ist Anklage zu erheben.In Steuerstrafsachen gibt die Finanzbehörde (BuStra) das Verfahren an dieStaatsanwaltschaft ab, wenn sie zwar die öffentliche Klage für gerechtfertigt hält, und deshalbjedoch selbst keinen Antrag auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s nach § 400 AO stellt.2. Vernehmung des Beschuldigten<strong>Der</strong> Beschuldigte ist nach § 163 a Abs. 1 Satz 1 verantwortlich zu vernehmen und zwar vordem Abschluß des Ermittlungsverfahrens <strong>im</strong> Sinne des § 169 a.220 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 169 a RN 2.221 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.222 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.223 Kleinknecht/Meyer-Goßner § 152 RN 2.224 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 151 RN 1.


Wer den Beschuldigten vern<strong>im</strong>mt, ist Angelegenheit der Strafverfolgungsbehörden. In derRegel wird die Polizei <strong>im</strong> Rahmen des ersten Zugriffs den Beschuldigten vernehmen, § 163. InSteuerstrafsachen vernehmen die Steuerfahndungsbeamten in Fahndungsfällen undansonsten die BuStra-Mitarbeiter den Beschuldigten 225 .Während sich die Aufgaben der Zoll- und Steuerfahndung aus § 208 AO ergeben, regelt § 404AO ausschließlich die Befugnisse der Fahndungsdienste und ihrer Beamten <strong>im</strong>Steuerstrafverfahren. Nach § 404 Satz 1 AO haben die Beamten der Steufa dieselben Rechteund Pflichten <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren, wie sie z.B. den Polizeibeamten nach der StPOzustehen. Die Steuerfahndung hat also insoweit einen Polizeistatus 226 .Dieser Vernehmung kommt <strong>im</strong> Hinblick auf ein späteres <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren besondereBedeutung zu, da diese verantwortliche Vernehmung -die einzige gesetzlich vorgeseheneMöglichkeit für den Beschuldigten vor Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s ist, sich zu dem gegen ihnerhobenen Vorwurf zu äußern 227 .In einfach gelagerten Fällen kann die Strafverfolgungsbehörde von einer Vorladung desBeschuldigten absehen und ihm stattdessen einen Anhörungsbogen mit der Aufforderungzuschicken, sich zur Sache zu äußern, womit sie ihm Gelegenheit gibt, sich gemäß § 163 aAbs. 1 Satz 2 schriftlich zu äußern.Im letzteren Fall erlangt weder die Strafverfolgungsbehörde noch der zuständige Richter einenpersönlichen Eindruck von dem Beschuldigten.3. Verhandlungsmöglichkeiten und -strategien aus anwaltlicher SichtAus Verteidigersicht muß man prüfen, ob ein <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren für den MandantenVorteile bringt. Ist der Mandant nicht in der Lage, sich vor der Strafverfolgungsbehörde bzw.dem Gericht vernünftig zu artikulieren oder ist zu befürchten, daß er sich eventuell um Kopfund Kragen redet, ist das Augenmerk des Verteidigers darauf zu lenken, daß sich derMandant nie selbst, sondern nur über Verteidigungsschriftsätze des Anwalts äußert undmöglichst ein <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren durchgeführt wird und möglichst die Strafe <strong>im</strong> Vorfeldabgesprochen wird, so daß <strong>im</strong> Ergebnis eine Hauptverhandlung vermieden werden kann.225 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 163 a RN 2.226 Wannemacher, Steuerfahndung und Steuerstrafverfahren, S. 10 f..227 Müller, S. 59.


Gleiches gilt sinngemäß auch für die Fälle, in denen der Beschuldigte oder eventuelle Zeugenden psyschischen <strong>Dr</strong>uck einer Hauptverhandlung stark fürchten.Auch ein möglicher Image-Schaden durch eine öffentliche Hauptverhandlung -wie z.B. durcheine Presseberichterstattung- ist bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zuberücksichtigen, so daß auch in derartigen Fällen ein möglichst abgesprochener <strong>Strafbefehl</strong>anzustreben ist.Nach meiner Erfahrung sind die Strafverfolgungsbehörden durchaus einem<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren gegenüber aufgeschlossen. Bei Ersttätern und sofern nur eineGeldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen zu erwarten war, nehmen die Strafverfolgungsbehördengern den geäußerten Wunsch der Durchführung eines<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens auf.4. Hinreichender Tatverdacht, Prüfungspflicht und Entscheidungsmöglichkeitender StaatsanwaltschaftDie Staatsanwaltschaft hat aufgrund des abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens zu prüfen,ob die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage nach § 170 Abs.1 geben. Bejahendenfalls stellt sich hier die Frage für die Staatsanwaltschaft, ob sie dasRegelverfahren betreiben will, also durch Anklageerhebung be<strong>im</strong> zuständigen Gericht dasVerfahren fortsetzen will oder ob sie das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren für geeigneter hält und esdurchführen will.Diese Weichenstellung ist konstitutiv und gerichtlich nicht überprüfbar. Entscheidet sich dieStaatsanwaltschaft für das Regelstrafverfahren, ist das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nichtdurchzuführen. Entscheidet sich die Staatsanwaltschaft für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, wirddieses durchgeführt, wobei damit noch nicht zwingend die Hauptverhandlung entfällt, da dieseder Richter nach § 408 Abs. 3 Satz 2 anordnen kann. Ebenso kann der Angeklagte durchEinspruchseinlegung nach § 411 Abs. 1 die Hauptverhandlung erzwingen.Verneint die Staatsanwaltschaft den hinreichenden Tatverdacht, womit es nach Auffassungder Staatsanwaltschaft an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung fehlt, sostellt sie das Verfahren nach § 170 Abs. 2 Satz 1 ein. In Steuerstrafsachen stellt die


Finanzbehörde (BuStra) das Verfahren ein, wenn sie das Ermittlungsverfahren anstelle derStaatsanwaltschaft geführt hatte, §§ 386, 399 AO.Die Staatsanwaltschaft bzw. die BuStra stellen also die entscheidende Weiche für oder gegendas <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren.Wird hinreichender Tatverdacht von der Strafverfolgungsbehörde bejaht, ist vor Erhebung deröffentlichen Klage 228 jedoch zuerst zu prüfen, ob nicht eine Verfahrensbeendigung nach §§153 ff. in Betracht kommt. Insbesondere stellt sich die Frage, ob nicht nach § 153 a Abs. 1 vonder Erhebung der öffentlichen Klage abgesehen werden kann 229 .In § 407 Abs. 1 wird klargestellt, daß es sich bei dem <strong>Strafbefehl</strong>santrag auch um eine Formder Erhebung der öffentlichen Klage handelt 230 .Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist jedoch nur durchführbar, wenn die Tat überhaupt in denAnwendungsbereich des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens fällt 231 . Zudem muß dieStrafverfolgungsbehörde eine Hauptverhandlung für entbehrlich halten, § 407 Abs. 1 232 .Insoweit hat der Staatsanwalt also einen Beurteilungsspielraum, der nicht gerichtlichüberprüfbar ist.Nach Nr. 175 Abs. 2 RiStBV vom 01.01.1977 in der ab dem 01.04.1984 geltenden Fassunggalt, daß ein Staatsanwalt einen <strong>Strafbefehl</strong> nur beantragen sollte, wenn der Aufenthalt desBeschuldigten bekannt war, so daß in der üblichen Form zugestellt werden konnte. Beiverhafteten oder vorläufig festgenommenen Personen sollte der Staatsanwalt prüfen, ob dasbeschleunigte Verfahren nach § 212 eine raschere Erledigung als <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenermöglichte, Nr. 175 Abs. 4 RiStBV. Insbesondere sollte aber ein <strong>Strafbefehl</strong>santrag nach Nr.175 Abs. 3 nicht beantragt werden, wenn ein Einspruch des Beschuldigten zu erwarten waroder wenn eine Hauptverhandlung zur vollständigen Aufklärung auch aller Nebenumständeoder aus anderen Gründen zweckmäßig war.Nach Nr. 175 Abs. 3 RiStBV in der ab dem 01.05.1991 bundeseinheitlich geltenden Fassungsoll von dem Antrag auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s nur noch abgesehen werden, wenn dievollständige Aufklärung aller für die Rechtsfolgenbest<strong>im</strong>mung wesentlichen Umstände oderGründe der Spezial- oder Generalprävention die Durchführung einer Hauptverhandlunggeboten erscheinen lassen. Auf einen <strong>Strafbefehl</strong>santrag ist nicht schon deshalb zuverzichten, weil ein Einspruch des Beschuldigten zu erwarten ist.228 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.229 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.230 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.231 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.232 Nr. 175 Abs. 3 RiStBV; Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884.


Die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren, die vornehmlich für den Staatsanwaltbest<strong>im</strong>mt sind und sich nur mit einigen Hinweisen an den Richter wenden 233 , weisen damitden Trend auf, mehr <strong>Strafbefehl</strong>e zu beantragen. Denn auch wenn nunmehr ein Einspruch zuerwarten ist, braucht dennoch nicht auf einen <strong>Strafbefehl</strong>santrag nach Nr. 175 Abs. 3, Satz 1RiStBV, verzichtet werden. Diese seit dem 01.05.1991 geltende Regelung macht wenig Sinn,denn der durch den <strong>Strafbefehl</strong> gewünschte Einsparungseffekt einer Hauptverhandlungvollzieht sich in den Fällen der Einspruchseinlegung gerade nicht. Vielmehr wird in den Fällen,in denen mit einem Einspruch zu rechnen ist, lediglich das Regelzwischenverfahreneingespart 234 . Ob dies jedoch eine meßbare Zeit- und Arbeitsersparnis ist, muß bezweifeltwerden, denn häufig wird die Chance <strong>im</strong> Zwischenverfahren sich gegen die Eröffnung desVerfahrens schon zu wehren, nicht genutzt, was m.E. ein Fehler ist 235 . Denn die Chance dasVerfahren in jedem Stadium zu beenden, sollte man m.E. nicht ungenutzt verstreichen lassen.Entscheidet sich der Staatsanwalt für den <strong>Strafbefehl</strong> muß er das örtlich zuständige Gericht-wie bei einer normalen Anklageschrift auch- ermitteln und wenn man entgegen der hiervertretenen Auffassung der Meinung ist, ein <strong>Strafbefehl</strong> könne auch noch an den Vorsitzendendes Schöffengerichts gerichtet werden, weiter prüfen, ob der <strong>Strafbefehl</strong>santrag an denStrafrichter, § 25 GVG, oder an den Vorsitzenden. des Schöffengerichts, § 28 GVG, zu richtenist 236 .5. <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag muß schriftlich gestellt sein, § 407 Abs. 1 Satz 1 237 .Damit ein <strong>Strafbefehl</strong> erlassen werden kann, bedarf es einer Übereinst<strong>im</strong>mung zwischenStaatsanwalt und Richter dahingehend, daß beide der Auffassung sein müssen, daß alleProzeßvoraussetzungen vorliegen bzw. daß –negativ formuliert - Verfahrenshindernissefehlen und der Angeschuldigte der Tat hinreichend verdächtig ist, § 408 Abs. 2. Insoweitbestehen nur die Abweichungen gegenüber den Voraussetzungen bei einer Anklageschrift <strong>im</strong>sog. Zwischenverfahren, daß hier der Richter die Anklageschrift zuzustellen hat und dieGelegenheit zur Äußerung gewährt und sodann über den Erlaß des Eröffnungsbeschlußes233 Einführung RiStBV, Abs. 1, Satz 2.234 Wie noch zu zeigen ist, findet ein Zwischenverfahren jedenfalls teilweise dennoch auch <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren statt,vgl. unten Seite 120.235 ebenso Wannemacher, Steuerfahndung und Steuerstrafverfahren, S. 83 f., 84.236 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884, 885.


nach § 203 zu entscheiden hat. Die Eröffnung des Hauptverfahrens durch Zulassung derAnklageschrift entspricht also in etwa <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren der Unterzeichnung des<strong>Strafbefehl</strong>s.Darüber hinaus müssen Staatsanwalt bzw. die BuStra und der Richter in der rechtlichenBeurteilung der Tat und bezüglich der festzusetzenden Rechtsfolge einig sein. Ferner müssenStaatsanwalt und Richter die Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachten, § 408 Abs. 3.<strong>Der</strong> Eröffnungsbeschluß kann hingegen die angeklagte Tat abweichend von derAnklageschrift beurteilen, § 207 Abs. 2 Nr. 3. Auch muß der Richter be<strong>im</strong> Eröffnungsbeschlußnur über den Antrag des Staatsanwaltes, die Anklageschrift vor dem angerufenen Gericht zurHauptverhandlung zuzulassen, befinden. <strong>Der</strong> Richter muß sich hingegen nicht schon be<strong>im</strong>Eröffnungsbeschluß hinsichtlich des Strafmaßes genau festlegen. Nur für die Zuständigkeitdes Gerichts spielt es eine Rolle, ob nach der Aktenlage bzw. dem in der Anklageschrifterhobenen Vorwurf der Strafbann des Gerichts ausreicht. Be<strong>im</strong> Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s mußder Richter jedoch das exakt beantragte Strafmaß des Staatsanwaltes für tat- undschuldangemessen halten, andernfalls muß er den Erlaß des beantragten <strong>Strafbefehl</strong>sablehnen. Wegen dieser bestehenden Unterschiede zwischen <strong>Strafbefehl</strong>sunterzeichnung undEröffnungsbeschluß nach § 203 entsprechen sich diese beiden Verfahrenshandlungen nurungefähr.Durch den Zwang zur Einigkeit zwischen Staatsanwaltschaft und Richter soll zum einen dieGewähr für die Richtigkeit des zu erlassenden <strong>Strafbefehl</strong>s erhöht werden. Zum anderen solldie Effizienz des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens garantiert werden. Könnte nämlich ein Richtereinseitig den <strong>Strafbefehl</strong>santrag der Staatsanwaltschaft abändern und z.B. eine andereRechtsfolge oder eine mildere Strafe festsetzen, so müßte die Staatsanwaltschaft ihrerseitsdie Möglichkeit haben, diese Rechtsfolge zu Fall zu bringen, wie dies in dem Zusatzartikelvom 03.05.1852 zu der Verordnung von 1849, dort § 123 Abs. 2 der Fall war 238 . Dies istjedoch nach dem heute geltenden Recht nicht mehr möglich, denn nach Unterzeichnung des<strong>Strafbefehl</strong>s wird dieser dem Angeklagten zugestellt, der dann allein zu entscheiden hat, ob erden <strong>Strafbefehl</strong> akzeptiert und rechtskräftig werden läßt oder ob er Einspruch einlegt.Eine Art Mitspracherecht in Form eines Vetorechts war auch <strong>im</strong> steuerstrafrechtlichenUnterwerfungsverfahren bekannt, indem der Amtsvorsteher das Strafmaß des Sachbearbeitesgenehmigen mußte.237 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 407 RN 6; Peters, S. 491.


Damit die Strafverfolgungsbehörde aber <strong>im</strong> Falle der Abänderung der Rechtsfolge oder derHöhe der Strafe durch den Richter auch noch mitsprechen könnte, müßte sie noch einmalgehört werden. Sie müßte dann -ähnlich wie in dem bis 1977 in der AO geltendenUnterwerfungsverfahren- den so abgeändert erlassenen <strong>Strafbefehl</strong> genehmigen. Oder manmüßte der Staatsanwaltschaft ein ähnliches Einspruchsrecht wie dem Angeklagten geben 239 .Abgesehen von den rechtsstaatlichen Bedenken, die zu Tage treten, wenn Richter undAnkläger personenidentisch sind -dies wäre der Fall wenn der Richter die Strafe einseitigbest<strong>im</strong>men bzw. abändern dürfte nach Aktenlage-, wäre dies sicher durch ein AnhörungsoderVetorecht der Strafverfolgungsbehörde ein umständliches Verfahren. Denn würde mannun der Staatsanwaltschaft wie dem Angeklagten ein Einspruchsrecht geben (oder erstereneine Genehmigungsvorbehalt), dann wäre zu befürchten, daß doch dann gerade ein Großteilder Verfahren, in denen der Richter von dem beantragten Strafmaß abgewichen ist, wieder indie normalen Hauptverfahren aufgrund zu erwartender Einsprüche bzw. Nichterteilung derGenehmigungen durch die Staatsanwaltschaften einmünden würden. Dann wäre aber derdurch die <strong>Strafbefehl</strong>e erwünschte Beschleunigungs- und Vereinfachungsprozeß verloren,wenn nicht sogar eine Verfahrensverlängerung erzeugt 240 .Die heutige Praxis ist hier einfacher und verfahrensökonomischer, indem nämlich entwederein <strong>Strafbefehl</strong> wie beantragt erlassen wird oder aber nicht erlassen wird, so daß letzterenfallsder Beschuldigte von dem <strong>Strafbefehl</strong>santrag zunächst keine Kenntnis erlangt. Dann wirdzwischen Staatsanwaltschaft und Richter Einigkeit hergestellt. Andernfalls kann der Richterauch nach § 408 Abs. 3 Satz 2, 3. Alt. die Hauptverhandlung anberaumen, wenn er eineandere Rechtsfolge oder ein anderes Strafmaß verhängen will und dieStrafverfolgungsbehörde auf ihren Strafmaßvorstellungen beharrt.a) Allgemein nach § 200 zu beachtende ErfordernisseMit der Anklageschrift wendet sich die Staatsanwaltschaft an das angerufene Gericht mit demAntrag, die Eröffnung des Hauptverfahrens zu beschließen, § 199 Abs. 2. Die Angabe desGerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, wird üblicherweise mit dem Antragnach § 199 Abs. 2 verbunden, so daß üblicherweise beantragt wird, das Hauptverfahren zueröffnen und die Anklage zur Hauptverhandlung vor dem Amts-/Landgericht XY zuzulassen 241 .238 vgl. oben, Seite 18.239 So eine Begründung des Regierungsentwurfs zum StVÄG 1987, BT-DR 10/1313, S. 14; Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.240 ebenso Meurer, JuS 1987, 882 ff., 883.241 Schäfer, S. 180 ff., 180,187.


<strong>Der</strong> Hauptteil der Anklageschrift ist der Anklagesatz, § 200 Abs. 1 Satz 1. Ihm folgt die Angabeder Beweismittel, § 200 Abs. 1 Satz 2. Im zweiten Teil der Anklageschrift wird das wesentlicheErgebnis der Ermittlungen, § 200 Abs. 2 Satz 1, dargestellt 242 .<strong>Der</strong> Anklagesatz ist das Kernstück der Anklageschrift. Er bezeichnet den Angeschuldigten, dieTat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale derStraftat und die anzuwendenden Strafvorschriften 243 . Die <strong>im</strong> Anklagesatz enthalteneSchilderung der Tat begrenzt entscheidend den Prozeßgegenstand (Umgrenzungsfunktion)für das gesamte weitere Verfahren. Die <strong>im</strong> Anklagesatz enthaltene Tat ist die Tat <strong>im</strong> Sinne des§ 264 Abs. 1, über die das angerufene Gericht zu befinden hat. Denn nur soweit <strong>im</strong> Anklagesatzdem Angeschuldigten ein best<strong>im</strong>mter Sachverhalt als strafrechtlich relevant zur Lastgelegt wird, ist das Gericht zur selbständigen Prüfung befugt und auch verpflichtet 244 . DieWichtigkeit des Anklagesatzes ergibt sich jedoch nicht nur daraus, daß das Gericht wissenmuß, worüber es eigentlich zu entscheiden hat, sondern auch daraus, daß nachrechtskräftiger Entscheidung in dieser Sache und einem eventuellen weiteren Verfahrenwegen desselben Sachverhalts gegen denselben Beschuldigten Strafklageverbraucheingetreten ist, da niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetzemehrmals bestraft werden darf, Art. 103 Abs. 3 GG 245 . Nur der Anklagesatz und nicht daswesentliche Ergebnis der Ermittlungen wird in der Hauptverhandlung vom Staatsanwalt verlesen,§ 142 Abs. 3 246 .b) Anforderungen an die Darstellung des Anklagesatzes <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>Da der rechtskräftige <strong>Strafbefehl</strong> nach § 410 Abs. 3 einem Urteil gleichsteht, ist die exakteBezeichnung des Anklagesatzes be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ebenso wichtig wie bei einer Anklageschrift.Auch wenn das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren für einfachere oder leichtere Fälle und insbesondereMassenverfahren konzipiert ist, ist die exakte Formulierung des <strong>Strafbefehl</strong>s wesentlich dafür,daß der Angeklagte weiß, was ihm zur Last gelegt wird, damit er entscheiden kann, ob undwie er sich dagegen wehren will. Aber auch für den angerufenen Richter muß bei <strong>Strafbefehl</strong>serlaßklar sein, für exakt welche Tat er den <strong>Strafbefehl</strong> erläßt. Schließlich muß auch <strong>im</strong> Falleder Hauptverhandlung der Prozeßgegenstand einwandfrei feststellbar sein, nicht zuletzt auch242Kleinknecht[Meyer-Goßner, § 200 RN 2; allgemein zur Funktion und zum Aufbau der Anklageschrift:Burchardi/Klempahn/Wetterich, S. 456 ff.; Kroschel/Meyer-Goßner, S. 379 ff..243 Schäfer, S. 180.244 Schäfer, S. 180.245 Schäfer, S. 180.


wegen der erst in einem möglichen späteren, anderen Strafverfahren auftauchenden Fragedes Strafklageverbrauchs.Daß es sich also um leichtere oder einfachere Verfahren oder um Massenverfahren handelt,darf also keinesfalls zu dem Trugschluß verleiten, daß der Anklagesatz <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> wenigerwichtig wäre und deshalb geringere Anforderungen an den Anklagesatz zu stellen wären.Da es in der Praxis üblich ist, daß die Strafverfolgungsbehörde, wenn sie sich für einen<strong>Strafbefehl</strong>santrag entschieden hat, den <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf fertigt und dem angerufenenGericht zuleitet, muß dieser <strong>Strafbefehl</strong>santrag korrekt formuliert sein. Denn der Erlaß durchdas Gericht besteht nicht etwa darin, daß der Richter selbst den <strong>Strafbefehl</strong> formuliert,sondern lediglich darin, daß er den <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf unterzeichnet. Damit muß dieStrafverfolgungsbehörde, die den <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf fertigt, zweierlei Anforderungen gerechtwerden:Erstens muß der <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf alle Erfordernisse, die für eine Anklageschrift nach § 200gelten, erfüllen 247 .Zweitens muß der <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf, der, falls er rechtskräftig wird, gemäß § 410 Abs. 3einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht, allen Anforderungen gerecht werden, die an ein Urteilzu stellen sind 248 .c) Anforderungen unter dem Aspekt der UrteilsfunktionDie Besonderheit des <strong>Strafbefehl</strong>sentwurfs liegt darin, daß er nicht nur einer Anklagegleichsteht und daher sämtliche Erfordernisse einer wirksamen Anklageschrift berücksichtigenmuß, sondern daß der <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf von der Staatsanwaltschaft gefertigt und demRichter zugeleitet wird, der exakt diesen von der Staatsanwaltschaft gefertigten<strong>Strafbefehl</strong>sentwurf durch Unterzeichnung erläßt. Dieses Verfahren sieht Nr. 176 RiStBV vor,indem zur Vereinfachung und Beschleunigung des Geschäftsgangs die Staatsanwaltschaft,wenn nicht besondere Umstände ein abweichendes Verfahren rechtfertigen, den<strong>Strafbefehl</strong>santrag so zu stellen hat, daß sie einen <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf einreicht undbeantragt, einen <strong>Strafbefehl</strong> dieses Inhalts zu erlassen. Dem Entwurf ist die zur Zustellung des246 Schäfer, S. 180.247 LR-Gössel, § 409 RN 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 1 ff.; Rahn/Schaefer, S. 96.248 Nr. 176 RiStBV.


<strong>Strafbefehl</strong>s und für etwaige vorgeschriebene Mitteilungen nötige Zahl von Durchschlägenbeizufügen.Das OLG Düsseldorf meint, daß an den Anklagesatz des <strong>Strafbefehl</strong>s nicht so hoheAnforderungen gestellt werden dürfen, wie an die notwendigen Feststellungen in einemStrafurteil 249 .Da der rechtskräftige <strong>Strafbefehl</strong> einem Urteil gleichsteht, § 410 Abs. 3, muß der<strong>Strafbefehl</strong>sentwurf m.E. also auch die formellen und inhaltlichen Anforderungen, die an einUrteil zu stellen sind, erfüllen, wenn sich nicht aus dem <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren etwas anderesergibt.Im <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ergibt sich aus § 409 Abs. 1 dessen wesentlicher Inhalt, der demInhalt der Anklageschrift nach § 200 gleichsteht. Daß der <strong>Strafbefehl</strong> dem Urteil nach § 260ebenfalls entsprechen muß, ist in den Normen zum<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nicht ausdrücklichgeregelt. Dies ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck des erlassenen <strong>Strafbefehl</strong>s, der,falls rechtskräftig, einem Urteil gleichsteht, § 410 Abs. 3.Da der Gesetzgeber bei der Konzeption des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens davon ausgegangen ist,daß der <strong>Strafbefehl</strong> die kleineren und mittleren Fälle der Massenkr<strong>im</strong>inalität abdecken soll undin der Regel kein Einspruch gegen den <strong>Strafbefehl</strong> eingelegt werden soll, so daß dieHauptverhandlung eingespart werden kann, können naturgemäß nicht die Urteilsgründe <strong>im</strong>Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 als Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>s unter dem Aspekt derUrteilsfunktion erwartet werden. Vielmehr entspricht die Situation des erlassenen <strong>Strafbefehl</strong>seher einem abgekürzten Urteil. Denn die typische Situation des <strong>Strafbefehl</strong>s ist, daß derAngeklagte keinen Einspruch einlegt. Da der Staatsanwaltschaft bei einem antragsgemäßerlassenem <strong>Strafbefehl</strong> ebenfalls kein Rechtsbehelf zusteht, ist dies in etwa die Situation, die§ 260 Abs. 4 erfaßt hat, nämlich der Verzicht auf Rechtsmittel aller zur AnfechtungBerechtigten. Da der <strong>Strafbefehl</strong>, wenn er rechtskräftig wird, einem Urteil gleichsteht, § 410Abs. 3, ist daraus zu folgern, daß die Mindestanforderung, die an ein einfaches Urteil zustellen sind, auch an den <strong>Strafbefehl</strong> zu stellen sind. <strong>Der</strong> Mindestinhalt nach § 267 Abs. 4 ist<strong>im</strong> Falle einer Verurteilung, daß die erwiesenen Tatsachen, die den gesetzlichen Tatbestandabdecken, wie in § 267 Abs. 1 Satz 1 vorgeschrieben, <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> enthalten sind. DieVereinfachung nach § 267 Abs. 4 besteht darin, daß § 267 Abs. 1 Satz 2, und Abs. 3 nicht249 OLG Düsseldorf, wistra 1991, 32 ff., 34; LR-Rieß, § 200 RN 2.


angewendet werden müssen. Die Rechtsfolgen und die sie tragenden Best<strong>im</strong>mungen müssenallerdings angeführt werden 250 . Da be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> der Tatvorwurf nicht erwiesen sein muß,sondern lediglich hinreichender Tatverdacht genügt, sind also die Tatsachen, die denhinreichenden Tatverdacht stützen, und die den gesetzlichen Tatbestand abdecken,anzugeben. Nach § 409 Abs. 1 Satz 3 muß der <strong>Strafbefehl</strong> als Ersatz für die Anklageschrift 251 ,die Bezeichnung der Tat, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrerBegehung und die Bezeichnung der gesetzlichen Merkmale der Straftat enthalten. Dabe<strong>im</strong>üssen die gesetzlichen Merkmale der Tat in verständlicher Weise beschrieben werden, Nr.177 Abs. 1 Satz 2 RiStBV. Die gesetzlichen Merkmale dürfen nicht nur formelhaft mit denWorten des Gesetzes bezeichnet werden. Damit aber ist kein greifbarer Unterschied zwischenden Anforderungen nach § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 267 Abs. 4 hinsichtlich derCharakterisierung der Tat erkennbar.Unterschiedliche Konsequenzen ergeben sich jedoch, wenn erhebliche Mängel bei derBeschreibung der Tat oder des Täters <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf enthalten sind.KleinknechtIMeyer-Goßner meint hierzu, daß ein <strong>Strafbefehl</strong>, der entgegen § 409 Abs. 1 Satz1 Nr. 3 die Tat nicht ausreichend beschreibt, insbesondere die Tatzeiten mangelhaft oderfehlerhaft angibt, so daß Zweifel über die Identität der Tat bestehen, dennoch wirksam ist 252 .Dieser Meinung kann wohl nicht zugest<strong>im</strong>mt werden. Denn wenn die Tat nicht ausreichendbeschrieben ist, so daß die Umgrenzungsfunktion durch den <strong>Strafbefehl</strong>santrag nicht geleistetwird, ist die Anklage, respektive der <strong>Strafbefehl</strong>, unwirksam 253 . Denn die Anklageschrift hat diedem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zubezeichnen, daß die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wirdwelche best<strong>im</strong>mte Tat gemeint ist; sie muß sich von anderen gleichartigen strafbarenHandlungen desselben Täters unterscheiden lassen 254 . Entsprechendes gilt m.E. auch dann,wenn die Informationsfunktion durch die Anklageschrift, respektive den <strong>Strafbefehl</strong>santrag,nicht geleistet wird 255 .250 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 267 RN 25.251 OLG Düsseldorf, VRS 1974, 278.252 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 4.253 Str.: BGH, NStZ 1984,133; NStZ 1992,553; LR-Rieß, § 200 RN 57; BGH, U.v. 11. 1. 1994, 5 StR 682/93, bislang nichtveröffentlicht aber zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen.254 BGHR StPO, § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 200 RN 7; LR-Rieß, § 200 RN 11 f m.w.N.; BGH,Urteil vom 11.1.1994,-5 StR 682/93-, bislang noch nicht veröffentlicht, aber zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen.255 ebenso: Krause/Ton, StV 1985, 252, 253; a.A.: BGH, NStZ 1984, 133; LR-Rieß, § 200 RN 13; BGH, Urt. v. 11.01.1994,-5 StR 682/93-, bislang nicht veröffentlicht, aber zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen;


Ist der <strong>Strafbefehl</strong> aufgrund eines unwirksamen <strong>Strafbefehl</strong>santrages erlassen, so stellt sichwegen der Doppelfunktion des <strong>Strafbefehl</strong>s, der einerseits <strong>im</strong> Entwurfsverfahren denAnforderungen einer Anklageschrift gerecht werden mußte, und nach dem Erlaß denAnforderungen an ein Urteil gerecht werden muß, hier die Frage, ob es sich hier um einlediglich fehlerhaftes oder gar nichtiges Urteil handelt.Hierbei ist grundsätzlich festzustellen, daß Urteile regelmäßig Rechtskraftwirkung haben. Nurausnahmsweise sind Urteile dermaßen fehlerhaft, daß sie nichtig sind. Hierbei ist jedochschon umstritten, ob es überhaupt die Möglichkeit von nichtigen Urteilen gibt. Eine Meinungschließt insoweit aus dem Stillschweigen des Gesetzes zu nichtigen Urteilen und aus denRegelungen der Urteilsanfechtungen in der StPO, die selbst bei schwerenVerfahrensmängeln nur von einer Anfechtbarkeit des Urteils ausgehen, daß es keinenichtigen Urteile gebe, sondern vielmehr sämtliche Urteile per se Bestand hätten 256 .Demgegenüber ist die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur der Meinung, daß esgrundsätzlich auch unwirksame Urteile gibt 257 . Danach gibt es Urteile, die so schwere Mängelaufweisen, daß sie "mit absoluter Nichtigkeit" behaftet sind. Peters konstatiert zwar, daß mitRücksicht auf die Autorität der Gerichte und ihrer Urteilssprüche und aus Gründen derRechtssicherheit die Nichtigkeit eines Urteils nur in äußersten Ausnahmefällen anerkanntwerden kann. Er ist insoweit der Auffassung, daß es sich bei der Nichtigkeit eines Urteils umeinen Unterfall eines fehlerhaften Staatsaktes handelt, der sich dadurch kennzeichnet, daß ermit besonderen Rechtsgarantien und besonderer Wirkkraft verbunden ist 258 . Die Nichtigkeiteines Urteils kann nur auf solchen Mängeln beruhen, bei denen der Bestand des Urteils fürdie Rechtsgemeinschaft unerträglich wäre. Es muß sich also um solche Mängel handeln, beidenen die Aufrechterhaltung des Urteils der Autorität des Rechts und der Rechtspflege mehrAbbruch täte, als die Anerkennung der Nichtigkeit 259 . Es sind solche Urteile, die dem Geisteder StPO in schwerster Weise widersprechen und in ihren Folgen nicht hingenommen werdenkönnen 260 . Die Mängel können inhaltlicher 261 , formaler 262 und inhaltlichformaler 263 Art sein.256 Kries, S. 123; Ullmann, S. 601 ff.; Graf zu Dohna, S. 221; Sarstedt, JR 1956, 35 1; Grünwald, ZStW 1976, 250.257 Peters, S. 449 ff., 450.258 Peters, S. 449 ff., 450; Sauer, S. 438 Anm. 3; Gerlandt, S. 294; Kein, S. 196; Henkel, S. 306, von Hippel, S. 375; Schäfer,S. 144; Schneider, MDR 1956, 465; Spendel, ZStW 1967, 561 und JZ 1958, 547, Luther ZStW 1970, 87; RGSt 40, 273;BGH, MDR 1954, 400; BGH NJW 1960, 2108.259 Peters, S. 449 ff., 450.260 RGSt 40, 273.261 Inhaltliche Mängel machen ein Urteil nichtig, wenn die getroffene Entscheidung unter keinen Umständen richtig seinkann. Dies ist dann der Fall, wenn die Entscheidung außerhalb aller Diskussionsmöglichkeiten steht. Ihr Mangel mußjedem offensichtlich sein, d.h. der Mangel muß ohne nähere Prüfung der Sach- und Rechtslage sofort auffallen (Peters, S.449 ff., 450). In sich, d.h. aus ihrem unmittelbaren Inhalt heraus muß die Entscheidung unerträglich sein. Es genügt alsonicht, wenn die Entscheidung unter Hinzufügung der außerhalb des Urteils zu treffenden Feststellungen als falscherscheint. Peters gibt insoweit das Beispiel des <strong>Dr</strong>eizehnjährigen, der mit falschem Ausweis in die Bundesrepublikgeflüchtet ist und sich als Sechzehnjähriger ausgibt. Das Jugendgericht glaubte der Altersangabe und verurteilte den


Unter dem Aspekt, daß der rechtskräftige <strong>Strafbefehl</strong> einem Urteilgleich steht, § 410 Abs. 3,wird man auch bei einem <strong>Strafbefehl</strong> davon ausgehen müssen, daß es nichtige <strong>Strafbefehl</strong>egibt. Zwar ist dann, soweit der <strong>Strafbefehl</strong> einer Anklageschrift entspricht, d.h. gegen den<strong>Strafbefehl</strong> Einspruch eingelegt wird und daher der <strong>Strafbefehl</strong> die Funktion desEröffnungsbeschlußes übern<strong>im</strong>mt, keine Nichtigkeit anzunehmen, wenn das spätere Urteilnicht in sich an Nichtigkeitsgründen leidet. Wird jedoch ein <strong>Strafbefehl</strong> rechtskräftig, der anerheblichen inhaltlichen, formalen oder inhaltlich-formalen Mängeln leidet, ist von einerNichtigkeit des <strong>Strafbefehl</strong>s wegen dessen Gleichstellung mit einem Urteil auszugehen.Dann wird man, wenn Ort, Zeit und Tat z.B. fehlen, von einem nichtigen <strong>Strafbefehl</strong> wegeninhaltlicher Mängel ausgehen müssen. Denn das Fehlen dieser Bezeichnungen ergibt sich ausdem <strong>Strafbefehl</strong> an sich und es wäre unerträglich, einen ganz offensichtlich gegen den ne bisin idem-Grundsatz verstoßenden <strong>Strafbefehl</strong> als rechtlich existent, wenn auch angreifbar,ansehen zu wollen.Keinesfalls kann auch hier dem Angeklagten, der sich gegen einen derartigen <strong>Strafbefehl</strong> nichtwehrt, vorgehalten werden, daß er sich eben hätte wehren müssen. Die rechtliche UnkenntnisAngeklagten zu einer Jugendstrafe. Erst während der Vollstreckung stellt sich das richtige Alter heraus. Hier löst Petersden Fall so, daß das Urteil in sich schlüssig ist, da es einen Sechzehnjährigen zu einer Jugendstrafe verurteilt. In sich istalso das Urteil plausibel, nur durch Hinzufügung des außerhalb des Urteils festgestellten Tatbestandes wäre das Urteilunerträglich. Denn erst aufgrund der außerhalb des Urteils liegenden Erkenntnis, daß es sich nicht um einenJugendlichen, sondern um ein Kind unter vierzehn Jahren handelt, das noch nicht strafmündig ist und dennoch zu einerJugendstrafe verurteilt wurde, ergibt sich der Gesetzesverstoß. Daher ist das Urteil in sich aber nicht widersprüchlich, sodaß es nicht den Anschein der Unerträglichkeit trägt und daher wirksam ist (Peters, S. 449 ff., 450; a.A.: Luther, ZStW1970, 94 ff.). Anders liegt der Fall, wenn das Jugendgericht einen Angeklagten, den es für dreizehn Jahre hält, verurteilt.Hier ergibt sich der Gesetzesverstoß gegen § 19 StGB unmittelbar aus dem Urteil, so daß Peters es für unerträglich hält(Peters, S. 449 ff., 451).262 Formelle Mängel machen ein Urteil nichtig, wenn sie so schwerwiegend sind, daß das Verfahren unter keinen Umständenals ordnungsgemäß angesehen werden kann. Nichtig ist daher nach Auffassung von Peters ein Urteil, das nachrechtskräftiger Entscheidung in derselben Sache ergeht. Denn hier liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idemvor (Peters, S. 449 ff., 451). Nichtig ist auch ein Urteil, das von einem Ausnahmegericht erlassen worden ist wegen desVerstosses gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG (Kein, S. 196; Peters, S. 449 ff., 452). Nichtig ist ferner ein Urteil, dasjeglicher Verfahrensgrundlagen entbehrt. Fehlen allerdings die Anklageschrift oder bzw. und der Eröffnungsbeschluß, sofehlt es zwar an den Urteilsvoraussetzungen, so daß das Verfahren nach § 206 a oder in der Hauptverhandlung nach § 260Abs. 3 hätte eingestellt werden müssen, jedoch macht dieser Mangel das Urteil aber nicht nichtig (Peters, S. 449 ff., 452;RGSt 67, 59; 68, 105; 68, 291; BGHSt 15, 44). Fehlen Anklageschrift oder bzw. und Eröffnungsbeschluß ist somit nur 9von der Anfechtbarkeit des Urteils, nicht aber von der Nichtigkeit des Urteils auszugehen (Peters, S. 449 ff., 452). Demist zuzust<strong>im</strong>men, wenn das Urteil die Umgrenzungsfunktion leistet, denn ansonsten wäre die Gefahr einerDoppelbestrafung und somit ein Verstoß gegen Art 103 Abs. 3 GG, ne bis in idem, künftig nicht auszuschließen.263 Schließlich können inhaltliche und formale Mängel bestehen, ohne daß die Mängel der einen oder anderen Gruppe dieNichtigkeit alleine begründen würden, die aber zusammengenommen zur Nichtigkeit führen.Peters führt hier das Urteil eines geisteskranken Richters an, das er erst dann für nichtig hält, wenn es offen erkennbareschwere Fehler in sich trägt, die möglicherweise auf der Geisteskrankheit beruhen (Peters, S. 449 ff., 453).Zwar machen mehrere (kleinere) inhaltliche und/oder formale Mängel nicht jedes Urteil zu einem nichtigen. Vielmehrmuß die Kombination von inhaltlichen und formalen Mängeln ein Gewicht entsprechend den vorgenanntenFallgestaltungen entfalten, so daß hier die Annahme einer Nichtigkeit gerechtfertigt ist. Eine feste Grenze, ab wann einUrteil wirklich nichtig ist oder eben nur anfechtbar, läßt sich nicht exakt ziehen. Es kommt insoweit auf den Einzelfall an.


über einen eklatanten Rechtsverstoß kann nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen. Dennnur weil der Beschuldigte sich aus Unkenntnis einer Verteidigungsmöglichkeit nicht gegen den<strong>Strafbefehl</strong> mit schwersten Fehlern wehrt, kann dies nicht dazu führen, schwerste Mängel zuheilen bzw. als unbeachtlich ansehen zu wollen.<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ist nämlich kein hoheitliches Friedensangebot, bei dem formelles undmaterielles Recht weniger wichtig sind als <strong>im</strong> Regelverfahren. Ein solches Friedensangebotwäre er nur, wenn er durch eine pauschale Verurteilung zu einer Strafe -losgelöst von derformellen und materiellen Richtigkeit- nur das Vergehen <strong>im</strong> Kern sanktionieren wollte und derBeschuldigte mit der Möglichkeit der Akzeptanz eines solchen Friedensangebotes die Sachebeilegen könnte. Eine derartige Funktion hat der <strong>Strafbefehl</strong> jedoch nicht. <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> istvielmehr ein besonderes Verfahren -wie etwa das beschleunigte Verfahren-, das sehr wohlauf formelle und materielle Richtigkeit zu achten hat und dessen einziges Ziel es ist, statteines Eröffnungsbeschlusses den <strong>Strafbefehl</strong> zu erlassen, der dann <strong>im</strong> wesentlichen ausprozeßökonomischen Gründen die Hauptverhandlung ersparen soll. <strong>Der</strong> eigentliche Sinn undZweck des <strong>Strafbefehl</strong>s liegt somit also allein darin, das Gericht und den Sitzungsdienst derStaatsanwaltschaft zu entlasten, weil weniger Hauptverhandlungen durchgeführt werdenmüssen. <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> dient jedoch nicht dazu, der Staatsanwaltschaft ein etwaoberflächliches oder pauschales Werkzeug an die Hand zu geben, um derStrafverfolgungsbehörde eine Zeitersparnis bei der Ermittlung oder der Erhebung deröffentlichen Anklage zu verschaffen 264 .d) Beantragung einer best<strong>im</strong>mten RechtsfolgeIm Gegensatz zur Anklageschrift muß der <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf bereits einen Antrag auf einbest<strong>im</strong>mtes Strafmaß enthalten 265 .6. VerjährungsunterbrechungNach § 78 c Abs. 1 Nr. 9 StGB unterbricht der <strong>Strafbefehl</strong> die Verjährung.Da jedoch vor Abschluß der Ermittlungen, § 169 a, der Beschuldigte zu hören ist, unterbrichtdie Vernehmung des Beschuldigten schon nach § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verjährung.264 ebenso: OLG Düsseldorf, wistra. 1991, 32 ff., 34.265 Kunigk, S. 226 f., 227, Schäfer, S. 191 f., 194; Müller, S. 63.


In Steuerstrafverfahren wird i.d.R. anläßlich der Ermittlungen der Steuerfahndung demBeschuldigten mitgeteilt, daß gegen ihn ermittelt wird, so daß hierin schon nach § 78 c Abs. 1Nr. 1 StGB eine Unterbrechungshandlung liegt. Häufig ist der erste Kontakt zwischenSteuerfahndung und Beschuldigtem eine Fahndungsdurchsuchung, die gleichzeitig inGeschäftsräumen, Wohnung, Pkw usw. stattfindet.Hat die Finanzbehörde hingegen aufgrund der Aktenlage einen Anfangsverdacht und hält sieeine Durchsuchung durch die Steuerfahndung für nicht erforderlich 266 , so leitet sie durch einSchreiben, das mittels Postzustellungsurkunde dem Beschuldigten übersandt wird, dasErmittlungsverfahren ein. Dann unterbricht die schriftliche Anordnung desErmittlungsverfahrens die Verjährung in dem Zeitpunkt, in dem die Anordnung unterzeichnetwird, § 78 c Abs. 2 Satz 1 StGB.Gelangt das unterzeichnete Schriftstück nicht alsbald nach der Unterzeichnung in denGeschäftsgang, d.h. entäußert die Behörde nicht alsbald nach Unterzeichnung den Willen zurEinleitung des Strafverfahrens durch Absendung des Briefes, so ist nicht der Zeitpunkt derUnterzeichnung sondern der Zeitpunkt maßgebend, in dem dieses Schreiben tatsächlich inden Geschäftsgang gegeben wird, § 78 c Abs. 2 Satz 2 StGB.Festzuhalten ist somit, daß zwar der <strong>Strafbefehl</strong>santrag die Verjährung nach § 78 c Abs. 1 Nr.9 StGB unterbricht, jedoch in der Regel davor schon mehrere Unterbrechungshandlungenliegen. Dies bedeutet, daß ab der Unterbrechung der Verjährung -<strong>im</strong> Gegensatz zum bloßenRuhen- die Verjährungsfrist von neuem voll zu laufen beginnt, § 78 c Abs. 3 Satz 1 StGB 267 .Die Strafverfolgung ist jedoch spätestens dann verjährt, wenn seit dem in § 78 a StGBbezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und -wenn die Verjährungsfristnach besonderen Gesetzen kürzer als drei Jahre ist- mindestens drei Jahreverstrichen sind, § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB.266 Dies sind in der Regel kleinere Fälle~, in denen z.B. aufgrund einer Kontrollmitteilung festgestellt wird, daß verschiedeneEinnahmen nicht versteuert wurden, die Finanzbehörde aber davon ausgeht, daß die Buchführung ansonsten vollständigist oder beispielsweise Fälle, in denen Werbungskosten überhöht oder zu Unrecht geltend gemacht wurden, indem z.B.Fortbildungsveranstaltungen, die vom Arbeitgeber bezahlt wurden, in der Steuererklärunc, des Arbeitnehmers alsWerbungskosten abgesetzt wurden.267 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 78 c StGB RN 2.


D. Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>sEs soll hier zunächst der notwendige Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>s <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>herausgearbeitet werden. Hieran knüpft sich die Frage, welche Folgen die Nichtdarstellungdes notwendigen Inhalts <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> hat. In diesem Zusammenhang stellt sich dann dieFrage, ob Fehler bezüglich des notwendigen Inhalts des <strong>Strafbefehl</strong>s dessen Rechtswidrigkeitund damit Aufhebbarkeit oder gar dessen Nichtigkeit, also Unbeachtlichkeit zur Folge haben.Schließlich stellt sich die Frage, ob und von wem solche Fehler nachträglich ggf. geheiltwerden können.I. GrundsatzDen Inhalt eines <strong>Strafbefehl</strong>s regelt § 409 StPO.<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag enthält den vollständigen Entwurf des <strong>Strafbefehl</strong>s, dessen Erlaß derStaatsanwalt begehrt 268 . Ferner enthält der <strong>Strafbefehl</strong>santrag den Antrag an das Gericht, denbeantragten <strong>Strafbefehl</strong> antragsgemäß zu erlassen 269 .Welche Angaben der <strong>Strafbefehl</strong> und damit auch schon der Entwurf des Staatsanwaltesbeinhalten muß, ergibt sich <strong>im</strong> einzelnen aus § 409 270 .§ 409 lautet:"(1) <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> enthält1. die Angaben zur Person des Beschuldigten und etwaige Nebenbeteiligter,2. den Namen des Verteidigers,3. die Bezeichnung der Tat, die dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, Zeit und Ortihrer Begehung und die Bezeichnung der gesetzlichen Merkmale der Straftat,4. die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mitder Bezeichnung des Gesetzes,5. die Beweismittel,268 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885.269 vgl. auch Nr. 176, 177 RiStBV; zu den in der Praxis verwendeten Formulierungs- und Darstellungsweisen: vgl.Schlüchter, S. 876 L; Kunigk, S. 226, 227; Schäfer,S. 191 f., 193, 194; Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885.270 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885.


6. die Festsetzung der Rechtsfolgen,7. den Hinweis, daß der <strong>Strafbefehl</strong> rechtskräftig und vollstreckbar wird, wenn derBeschuldigte nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung bei demAmtsgericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegt.Wird der Beschuldigte mit Strafvorbehalt verwarnt oder wird gegen ihn ein Fahrverbotangeordnet, so ist er zugleich nach § 268 a Abs. 3 oder § 268 c Satz 1 zu belehren.(2) <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> wird auch dem gesetzlichen Vertreter des Angeklagten mitgeteilt.(3) Die Vorschriften des § 267 Abs. 6 Satz 2, der §§ 297 bis 300 und des § 302 geltenentsprechend."Entsprechend dem in eine Anklageschrift nach § 200 Abs. 1 Satz 1 aufzunehmendenAnklagesatz muß auch der <strong>Strafbefehl</strong> den Angeklagten nach § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, diedem Angeklagten zur Last gelegte Tat (§ 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) und die daraufanzuwendenden Vorschriften (§ 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) bezeichnen 271 .Dies bedeutet, daß die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Tat beschrieben sein muß.Hierbei soll bei Straftatbeständen mit gesetzlicher Überschrift möglichst diese Bezeichnungzur schlagwortartigen Kennzeichnung der Tat verwendet werden, § 260 Abs. 4, Satz 2 272 .Die Tat darf aber nicht nur formelhaft mit den Worten des Gesetzes bezeichnet werden,sondern muß klar, übersichtlich und leicht verständlich dargestellt werden, Nr. 177 Abs. 1RiStBV.Zeit und Ort der Begehung einer Straftat muß der <strong>Strafbefehl</strong> enthalten. Anzugeben ist <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong> auch, ob eine Steuerhinterziehung auf Zeit oder auf Dauer vorliegt. Werden beideVorwürfe erhoben, so ist dies <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf entsprechend getrennt darzustellen 273 .Wie in einer Anklageschrift (§ 200 Abs. 1, Satz 2) ist auch der Verteidiger zu benennen, § 409Abs. 1, Satz 1, Nr. 2 274 . Ebenso sind wie in der Anklageschrift auch <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> dieBeweismittel zu benennen, § 409 Abs. 1, Satz 1 Nr. 5 275 .An die Stelle des Antrages auf Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem angerufenenAmtsgericht bzw. Schöffengericht tritt der Antrag auf Festsetzung einer best<strong>im</strong>mtenRechtsfolge, § 409 Abs. 1, Satz 1, Nr. 6 276 .271 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885.272 Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 31.273 OLG Celle, Urteil vom 22.11.1977,4 Ss 596/77-, zitiert bei Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 32.274 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885.275 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885,


Schließlich hat der <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf auch die Rechtsbehelfsbelehrung gemäß der in § 409Abs. 1, Satz 1, Nr. 7 vorgeschriebenen Art und Weise zu enthalten 277 . Eventuell muß aucheine Belehrung über die Bedeutung best<strong>im</strong>mter Sanktionen enthalten sein, § 409 Abs. 1, Satz2 278 .Einer Begründung des Rechtsfolgenantrages oder einer Darstellung der Beweiswürdigungbedarf es grundsätzlich nicht. Nur ausnahmsweise, wenn nämlich die Fahrerlaubnis nichtentzogen oder keine Sperrfrist nach § 69 a Abs. 1, Satz 3 StGB seitens des Staatsanwaltesbeantragt wurde, obwohl dies nach der Art der Tat und Lage des Falles in Betracht kam, mußdiese Entscheidung des Staatsanwaltes <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag begründet werden, §§ 409 Abs.1, Satz 3 i.V.m. 267 Abs. 4, Satz 2 279 .II. <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>Die Finanzbehörde kann den Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s be<strong>im</strong> Richter -ebenso wie dieStaatsanwaltschaft- durch Einreichen eines <strong>Strafbefehl</strong>sentwurfs beantragen 280 .<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> erfüllt auch hier die Funktion der Anklageschrift 281 , wenn es nach einemEinspruch des Beschuldigten zur Hauptverhandlung nach § 411 kommt. Ein separaterEröffnungsbeschluß ergeht nicht 282 . Denn der Richter hat bereits den Entwurf des <strong>Strafbefehl</strong>sgeprüft und zugelassen, indem er ihn unterschrieb. Damit entspricht die Unterzeichnung des<strong>Strafbefehl</strong>s der Prüfung und Zulassung der Anklageschrift, mithin dem Eröffnungsbeschluß.<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf hat auch <strong>im</strong> Steuerrecht gemäß § 409 mindestens zu enthalten:(1) einen Anklagesatz <strong>im</strong> Sinn des § 200 Abs. 1, Satz 1.(2) Zeit und Ort der Begehung einer Straftat muß der <strong>Strafbefehl</strong> enthalten. Anzugebenist <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> auch, ob eine Steuerhinterziehung auf Zeit oder auf Dauer vorliegt.Werden beide Vorwürfe erhoben, so ist dies <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf entsprechendgetrennt darzustellen 283 .276 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885.277 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885.278 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885.279 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 885.280 Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 17.281 Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 29.282 Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 29.283 OLG. Celle, Urteil vom 22.11.1977,-l Ss 596/77-, zitiert bei Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 32.


(3) Weiter hat der <strong>Strafbefehl</strong> die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, der demBeschuldigten zur Last gelegten Tat aufzuführen 284 .(4) Die einschlägigen Vorschriften sind nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabeund mit Angabe des Gesetzes exakt anzugeben 285 .(5) Im <strong>Strafbefehl</strong> sind auch die Beweismittel, die <strong>im</strong> Falle einer Anberaumung einerHauptverhandlung Bedeutung haben können anzugeben 286 .(6) Im Gegensatz zu Anklageschrift hat der <strong>Strafbefehl</strong> auch die Rechtsfolgen der demTäter zur Last gelegten Tat exakt anzugeben: bei Geldstrafen sind die Zahl und Höheder Tagessätze anzugeben, § 40 Abs. 4 StGB 287 .(7) Schließlich hat der <strong>Strafbefehl</strong> Hinweise auf die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeitzu geben, wenn nicht binnen einer Frist von zwei Wochen Einspruch eingelegt wird 288 .Insoweit bestehen keine grundsätzlichen Besonderheiten zwischen einem üblichen <strong>Strafbefehl</strong>und einem <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>. Die Besonderheiten liegen jedoch <strong>im</strong> Detail, wienoch zu zeigen sein wird.1. Anklagesatz, Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf enthält den abstrakten und konkreten Anklagesatz. Im einzelnen mußer enthalten:- genaue Personalien des Beschuldigten,- den Namen des Verteidigers,- die Bezeichnung der Tat, die dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, Zeit und Ortihrer Begehung und die Bezeichnung der gesetzlichen Merkmale der Straftat.284 Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 33.285 Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 34.286 Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 35.287 Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 36.288 Leise/Dietz/Cratz, § 400 RN 37.


Hierzu best<strong>im</strong>mt Nr. 177 Abs. 1 RiStBV: "<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf muß klar,übersichtlich und leicht verständlich sein. Er darf sich nicht darauf beschränken, dieStraftat formelhaft mit den Worten des Gesetzes zu bezeichnen."Dies bedeutet, daß die konkreten Tatsachen anzuführen sind. Es muß zweifelsfrei feststehen,welcher Lebensvorgang erfaßt werden soll, damit auch ein in Rechtsfragen unerfahrenerBürger erkennen kann, gegen welchen Vorwurf er sich verteidigen muß 289 .Weiter muß der <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf enthalten:- die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe undmit der Bezeichnung des Gesetzes, die Beweismittel, bei Zeugen mit Namen undAnschrift, die Festsetzung der Rechtsfolgen, den Hinweis, daß der <strong>Strafbefehl</strong>vollstreckbar wird, wenn nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung Einsprucheingelegt wird.Wird der Beschuldigte mit Strafvorbehalt verwarnt oder wird gegen ihn ein Fahrverbotangeordnet, so ist er zugleich nach § 268 a Abs. 3 oder § 268 c S. 1 zu belehren 290 .<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag braucht - wie auch eine Anklage be<strong>im</strong> Strafrichter- kein wesentlichesErgebnis der Ermittlungen zu enthalten 291 .2. Notwendiger Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>s <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>Fraglich ist, ob von diesen vorstehenden allgemeinen Anforderungen an den Inhalt eines<strong>Strafbefehl</strong>s, ein <strong>Strafbefehl</strong>, der eine Steuerstraftat zum Gegenstand hat, weitere besondereVoraussetzungen zu knüpfen sind.<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> wird systematisch wie die Anklageschrift aufgebaut, indem zuerst derabstrakte und dann der konkrete Anklagesatz dargestellt werden. <strong>Der</strong> Inhalt des abstraktenAnklagesatzes ergibt sich aus den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen dereinschlägigen Norm.289 LR-Müller, § 408 RN 19.290 Rahn/Schaefer, S. 97.291 Rahn/Schaefer, S. 97.


Problematischer ist hingegen der konkrete Anklagesatz, der die <strong>im</strong> abstrakten Anklagesatzaufgeführten Tatbestandselemente mit Leben erfüllen soll, indem das dem Täter vorgeworfeneVerhalten hier subsumiert wird.Hier stellt sich die Frage, wie konkret der Lebenssachverhalt einer Steuerstraftat dargestelltwerden muß. Immerhin soll der Anklagesatz klar, übersichtlich und leicht verständlich sein, Nr.177 Abs. 1 RiStBV. Dies soll so sein, damit einerseits der Angeklagte, der <strong>jur</strong>istischer Laie ist,den Sachverhalt versteht. Dies soll aber auch deswegen so sein, damit <strong>im</strong> Falle einesEinspruchs die Öffentlichkeit <strong>im</strong> Gerichtssaal den <strong>Strafbefehl</strong> bei dessen Verlesung durch denSitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft verstehen kann. Schließlich findet das Erfordernisdes einfachen und kurzen Anklagesatzes nicht zuletzt seinen guten Grund darin, daß auch dieSchöffen, die die Akte nicht kennen dürfen 292 , den Sachverhalt aufgrund des verlesenen<strong>Strafbefehl</strong>s verstehen können sollen.<strong>Der</strong> Forderung nach Einfachheit und leichter Verständlichkeit steht aber die Funktion desAnklagesatzes diametral gegenüber, die der <strong>Strafbefehl</strong> zu erfüllen hat. Denn der <strong>Strafbefehl</strong>hat nicht nur zwei Funktionen wie die Anklageschrift zu erfüllen: <strong>Der</strong> opt<strong>im</strong>ale <strong>Strafbefehl</strong> mußdrei Funktionen erfüllen. Er best<strong>im</strong>mt einerseits den Prozeßgegenstand in persönlicher undsachlicher Hinsicht, § 155 Abs. 1. Dies ist seine Umgrenzungsfunktion. Andererseits hat er alsdas Verfahren tragende Element, aus rechtsstaatlichen Gründen -wie noch zu zeigen seinwird- dem Beschuldigten durch die Kennzeichnung des gegen ihn erhobenen Vorwurfs die fürseine mögliche Verteidigung notwendigen Informationen zu vermitteln 293 . Dies ist die sog.Informationsfunktion. Insoweit gleicht er der Anklageschrift. Darüber hinaus hat der <strong>Strafbefehl</strong>eine dritte Funktion zu erfüllen und geht damit über die Anklageschrift hinaus: <strong>Der</strong> opt<strong>im</strong>ale<strong>Strafbefehl</strong> hat die Akzeptanz des Beschuldigten bezüglich der beantragten und festgesetztenStrafe herbeizuführen, da nur so das Ziel des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens die Hauptverhandlung zuvermeiden erreicht werden kann.Im einzelnen:a) Umgrenzungsfunktion<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ist wie die Anklageschrift Grundlage für das weitere Verfahren, weil er dieGrenzen festlegt, in denen sich die gerichtliche Untersuchung und Entscheidung zu haltenhaben 294 .292 str., vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 30 GVG RN 2.293 Krause/Thon, StV 1985, 252, 253.294 KK-Treier, § 200 RN 1; KK-Müller, § 408 RN 1.


Aufgabe des <strong>Strafbefehl</strong>s ist es, die Tat i.S.d. § 264, über die das Gericht zu entscheiden hat,hinreichend zu spezifizieren, so daß z.B. Verwechslungen mit anderen Taten nicht möglichsind (sog. Umgrenzungsfunktion).Die Umgrenzungfunktion steckt also den Rahmen des strafrechtlichen Vorwurfs ab. Dieser istnicht nur maßgebend für das, was abgeurteilt werden kann, sondern auch für den Umfang desStrafklageverbrauchs. <strong>Der</strong> Begriff der Umgrenzungsfunktion ist deshalb auch als"Streitgegenstand <strong>im</strong> Strafprozeß" beschrieben worden 295 .Die Umgrenzungsfunktion erfordert, daß der Beschuldigte genau bezeichnet wird 296 . Dies istdie sog. persönliche Umgrenzungsfunktion.Die Umgrenzungsfunktion erfordert in sachlicher Hinsicht, daß der <strong>Strafbefehl</strong> denVerfahrensgegenstand einschließlich des Schuldumfanges so genau wiedergibt, daßklargestellt ist, auf welchen konkreten Sachverhalt er abstellt und welchen Umfang folglich dieRechtskraft des entsprechenden Urteils haben soll 297 , sog. sachliche Umgrenzungsfunktion.Puppe formuliert insoweit, daß <strong>im</strong> Hinblick auf das Erfordernis der Genauigkeit derTatschilderung <strong>im</strong> Anklagesatz dieser so prägnant sein müsse, daß "praktischunverwechselbar feststeht, welcher historische Vorgang Gegenstand der Aburteilung seinsoll" 298 oder, daß nach allgemeinen Regeln der Lebenserfahrung eine Mehrfacherfüllung derTatbeschreibung so außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt, daß sie praktisch alsausgeschlossen betrachtet und daher ihre theoretische Möglichkeit vernachlässigt werdenkann 299 .Dem ist mit Blick auf den Grundsatz ne bis in idem uneingeschränkt zuzust<strong>im</strong>men.Welche Anforderungen an eine ausreichende Tatkonkretisierung zu stellen sind, läßt sich nichtallgemein sagen 300 . So lassen sich insbesondere keine Regeln finden, die für das allgemeineStrafrecht und das <strong>Steuerstrafrecht</strong> gleichsam gelten. Denn die Tatkonkretisierung istnormabhängig. Was für z.B. § 263 StGB gilt, braucht noch nicht z.B. für § 370 AO i.V.m. dem295 Puppe NStZ 1982, 230, 231.296 Krause/Thon, StV 1985, 252, 253.297 Krause/Thon, StV 1985, 252, 253.298 Puppe, NStZ 1982, 230.299 Krause/Thon, StV 1985, 252, 253.300 OLG Düsseldorf, wistra 1991, 32 ff., 34.


jeweiligen Besteuerungstatbestand auszureichen und umgekehrt. Es ist von Norm zu Norm zuentscheiden, wann der jeweilige Normverstoß hinreichend konkret dargestellt ist. Als allgemeineAussage läßt sich allenfalls sagen, daß ein Norrnverstoß dann hinreichend konkretdargestellt ist, wenn sämtliche geschriebenen und ungeschriebenenTatbestandmerkmaleabstrakt und konkret ausgefüllt, d.h. verständlich umschrieben und nicht nur mit pauschalenFormeln niedergeschrieben sind.Die Anklageschrift ist in wesentlichen Punkten fehlerhaft und erfüllt nicht die Aufgabe derUmgrenzungsfunktion, wenn sie nicht ein Min<strong>im</strong>um an Informationen enthält, wie Tatbeteiligte,das Prozeßthema durch Zeit- und Ortsangabe, Ausführungen zur inneren Tatseite oderAngabe des Mindestschadens, falls sich die exakte Höhe des Schadens nicht ermitteln läßt 301 .Folgende Umschreibungen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung hierfür gefunden:BGHSt 23, 336, 340: "Wesentlich für den Bußgeldbescheid als Prozeßvoraussetzung ist nurseine Aufgabe, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht vonanderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen. Diese Aufgabe erfüllt in sachlicher Hinsicht,wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn alsozweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfaßt und geahndet werden soll."BGH NStZ 1982, 189 (bei Pfeiffer): Ein Verfahrenshindernis besteht nur, wenn “unklar bleibt,auf welchen konkreten Sachverhalt (die Anklage) sich bezieht und welchen Umfang dieRechtskraft eines entsprechenden Urteils haben würde."BGH, NStZ 1984, 229: "Das strafbare Verhalten, das Gegenstand des Strafverfahrens bildet,muß <strong>im</strong> Eröffnungsbeschluß so genau bezeichnet werden, daß erkennbar ist, welchebest<strong>im</strong>mte Tätigkeit gemeint ist; sie muß sich von anderen gleichartigen strafbarenHandlungen des Täters unterscheiden lassen. Welche tatsächlichen Angaben hierzuerforderlich sind, läßt sich nicht allgemein sagen, sondern ist eine Frage des Einzelfalles. Jemehr aber mit weiteren gleichartigen Taten des Angeklagten zu rechnen ist, um sonotwendiger ist es, die in Betracht kommenden Fälle durch tatsächliche Merkmalevoneinander zu unterscheiden. ( ... ) Damit weder die Gefahr einer Doppelbestrafunggeschaffen, noch die Bestrafung bisher unbekannter Verbrechen unterbunden wird, muß esaus rechtsstaatlichen Gründen hingenommen werden, daß das Hauptverfahren nicht eröffnet301 OLG Frankfurt, OLGSt, § 200 StPO, Nr. 1, Seite 2.


werden darf, solange es an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eineUnterscheidung einzelner Taten voneinander fehlt. "BayObLGSt 1991, 6 = wistra 1991, 195: "Die Anklageschrift dient einmal der Best<strong>im</strong>mung desProzeßgegenstandes und hat insoweit eine Umgrenzungsfunktion. <strong>Der</strong> Prozeßgegenstandwird durch die Bezeichnung des Angeschuldigten und die Schilderung der Tat als deshistorischen Lebensvorganges, der dem Angeschuldigten zur Last gelegt werden soll,best<strong>im</strong>mt. Die weiteren nach § 200 StPO in die Anklageschrift aufzunehmenden Angabenhaben eine Informationsfunktion (...) Im Rahmen der Umgrenzungsfunktion muß die demAngeklagten vorgeworfene Tat so beschrieben werden, daß praktisch unverwechselbarfeststeht, welcher historische Vorgang Gegenstand der Aburteilung sein soll. Diebeschriebene konkrete Tat muß nicht nur nach Ort und Zeit, sondern durch best<strong>im</strong>mteTatbestände so genau gekennzeichnet werden, daß keine Unklarheit darüber möglich ist,welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden und welchen Umfang dieRechtskraft eines auf der Grundlage der Anklage ergehenden Urteils haben würde ( ... ) Wiedie Sachverhaltsschilderung beschaffen sein muß, um die Umgrenzungsfunktion zu erfüllen,hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Schilderung muß um so konkreter sein, jegrößer die allgemeine Möglichkeit ist, daß der Angeklagte verwechselbare Straftaten gleicherArt verübt hat."OLG Karlsruhe, Justiz 1982, 58: "Es ist Aufgabe der Anklage, aus Gründen derRechtssicherheit und der Ermöglichung einer wirksamen Verteidigung, den Tatvorwurf inpersönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Anschuldigungen soabzugrenzen, daß nach seinem Inhalt unter Ausschluß der Verwechslungsgefahr zweifelsfreifeststeht, welcher Vorgang erfaßt und geahndet werden soll (...) Die Gleichheit der Tat mußgewahrt bleiben (...) Verfahrenshindernis, wenn (...) unklar bleibt, (...) welchen Umfang dieRechtskraft eines entsprechenden Urteils haben würde." 302Sämtliche vorstehende Entscheidungen ergingen zu allgemeinen Straftatbeständen. Das OLGDüsseldorf hat hingegen speziell für den <strong>Strafbefehl</strong> in Steuerstrafsachen folgende weitereAnfordungen gestellt:OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365: "Zur Kennzeichnung einer zu ahndendenSteuerhinterziehung (...) gehört die -wenn auch kurze- Darstellung der tatsächlichen302 OLG Karlsruhe, wistra 1994, 319 ff., 320.


Grundlagen des materiellen Steueranspruchs, über dessen Verkürzung entschieden werdensoll, die Angabe, durch welches Täterverhalten und für welchen in Betracht kommendenSteuerabschnitt die Erklärungs- und/oder Anmeldepflichten verletzt wurden, sowie einVergleich der gesetzlich geschuldeten Steuer mit derjenigen, die aufgrund der unrichtigenoder unvollständigen Angaben des Täters gegenüber der Steuerbehörde nicht, nicht in vollerHöhe oder nicht rechtzeitig angemeldet oder festgesetzt wurden."Dem OLG Düsseldorf ist hinsichtlich der Anforderungen an die Umgrenzungsfunktion inSteuerstrafsachen zuzust<strong>im</strong>men. Denn in Steuerstrafsachen können der Tatablauf und derSchuldumfang nicht schon durch die bloße Angabe der betroffenen Steuerart und der Summeder jeweils verkürzten Abgabe hinreichend deutlich gemacht werden 303 . Es gehört vielmehrzur Kennzeichnung einer zu ahndenden Steuerhinterziehung <strong>im</strong> Anklagesatz -respektive <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong> neben der Darstellung der tatsächlichen Grundlagen des materiellenSteueranspruchs, über dessen Verkürzung entschieden werden soll, auch die Angabe, durchwelches Täterverhalten und für welchen in Betracht kommenden Steuerabschnitt dieErklärungspflichten verletzt wurden sowie ein Vergleich der gesetzlich geschuldeten Steuer(Steuer-Soll) mit derjenigen, die aufgrund der unrichtigen oder unvollständigen Angaben desTäters gegenüber der Steuerbehörde nicht oder nicht in voller Höhe festgesetzt wurde(Steuer-ISt) 304 . Ohne dieses Mindestmaß an Wiedergabe der in Betracht kommendenLebensvorgänge macht auch ein <strong>Strafbefehl</strong> das historische Tatgeschehen -und den Umfangdes Schuldvorwurfs nicht hinreichend deutlich 305 . Es fehlt dann also nach der nichtunumstrittenen Auffassung des OLG Düsseldorf 306 an der notwendigen Umgrenzungsfunktion.Mit dem OLG Düsseldorf 307einem wirksamen <strong>Strafbefehl</strong> enthalten sein:müssen folgende Angaben in einer wirksamen Anklage bzw.1. Die tatsächlichen Grundlagen des materiellen Steueranspruchs, über dessenVerkürzung entscheiden werden soll,2. das Täterverhalten,3. die Angabe, für welchen in Betracht kommenden Steuerabschnitt die ErklärungsundAnmeldepflicht verletzt wurde und303 OLG Düsseldorf, OLGSt, § 200 StPO Nr. 2, Seite 3 m.w.N = wistra 1988, 365, 366.304 OLG Düsseldorf, OLGSt, § 200 StPO Nr. 2, Seite 4 = wistra 1988, 365, 366.305 OLG Düsseldorf, OLGSt, § 200 StPO Nr. 2, Seite 4 = wistra 1988, 365, 366.306 OLG Düsseldorf, OLGSt, § 200 StPO Nr. 2, Seite 4 = wistra 1988, 365, 366; a.A.: Bay0bLG, wistra 1992,238 ff., 240.307 OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2145 = wistra 1988, 365 = JR 1989, 435 m. Anm. Rieß; OLG Düsseldorf, NStZ 1991, 99 =wistra 1991, 32.


4. ein Vergleich der gesetzlich geschuldeten Steuer mit derjenigen, die aufgrund derunrichtigen oder unvollständigen Angaben des Täters gegenüber derSteuerbehörde nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig angemeldet oderfestgesetzt wurde.Eine wirksame Anklageschrift bzw. ein wirksamer <strong>Strafbefehl</strong> setzt daher u.a. einen Vergleichder gesetzlich geschuldeten Steuer (Steuer-Soll) mit derjenigen, die aufgrund der unrichtigenoder unvollständigen Angaben des Täters gegenüber der Steuerbehörde nicht oder nicht involler Höhe festgesetzt wurde (Steuer-Ist).Die Differenz (Steuer-Soll minus Steuer-Ist) ist dann die verkürzte Steuer.Dieser Vergleich zwischen Soll und Ist ist unabdingbare Voraussetzung einer wirksamenAnklageschrift in Steuerstrafsachen. Dies gilt namentlich auch in Fällen, in denen demAngeklagten eine Einkommensteuerverkürzung zur Last gelegt wird. Ohne diesen Vergleichist die Umgrenzungsfunktion, die die Anklageschrift zu leisten hat, nicht erbracht, es fehlt dannsomit an einer wirksamen Anklageschrift. Denn es könnte sein, daß andere (weitere) Beträgederselben Steuerart verkürzt sind, so daß unklar bleiben könnte, welche Verkürzungen angeklagtsind.In dem von OLG Düsseldorf entschiedenen Fall beschrieb der <strong>Strafbefehl</strong> den gegen denAngeklagten erhobenen Vorwurf wie folgt 308 :"Das Finanzamt beschuldigt Sie, in X in den Jahren 1979 und 1980 durch zweiselbständige, in sich fortgesetzte Handlungen, und zwara) durch Angabe der unrichtigen Umsatzsteuererklärungen 1978 und 1979 für die FirmaY-GbR zum Vorteil dieser Firma die Umsatzsteuer 1978 und 1979 in Höhe von DM .....b) durch Angabe der unrichtigen Einkommensteuererklärungen 1978 und 1979 für die ander vorgenannten GbR Beteiligten zum Vorteil der Eheleute E die Einkommensteuer1978 und 1979 in Höhe von DM zum Vorteil des die Einkommensteuer 1978 und 1979 inHöhe von DM verkürzt zu haben.Die Verkürzungen sind eingetreten, weil Sie es unterlassen haben, in dieGrundaufzeichnungen ihrer Mandanten Einsicht zunehmen.308 OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365, 366.


Vergehen nach § 370 AO".Nach Auffassung des OLG Düsseldorf war der Entscheidungsgegenstand so ungenau oder sounvollständig bezeichnet, daß weder der historische Ablauf des Tatgeschehens noch derUmfang des Schuldvorwurfs mit genügender Deutlichkeit bei diesem <strong>Strafbefehl</strong> zu erkennenwaren 309 .Denn nach Auffassung des OLG Düsseldorf können in Steuerstrafsachen in der RegelTatablauf und der Schuldumfang nicht schon durch die bloße Angabe der betroffenenSteuerart und der Summe der jeweils verkürzten Abgaben deutlich gemacht werden 310 . Dennes gehört zur Kennzeichnung einer zu ahndenden Steuerhinterziehung, daß <strong>im</strong> Anklagesatzoder <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag eine wenn auch nur kurze Darstellung der tatsächlichenGrundlagen des materiellen Steueranspruchs, über dessen Verkürzung entschieden werdensoll, gegeben wird 311 . Dies erfordert die Angabe, durch welches Täterverhalten und fürwelchen in Betracht kommenden Steuerabschnitt die Erklärungs- und/oder Anmeldepflichtenverletzt wurden 312 . Ferner gehört hierzu ein Vergleich der gesetzlich geschuldeten Steuer mitderjenigen, die aufgrund der unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Täters gegenüberSteuerbehörden nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig angemeldet oder festgesetztwurden 313 . Ohne dieses Mindestmaß an Wiedergabe der in Betracht kommendenLebensvorgänge macht auch ein <strong>Strafbefehl</strong> das historische Tatgeschehen und den Umfangdes Schuldvorwurfs nicht hinreichend deutlich 314 .Keineswegs kann auch der Vergleich der gesetzlich geschuldeten Steuer mit der aufgrund derunrichtigen oder unvollständigen Angaben ermittelten etwa mit dem Hinweis unterbleiben, derAngeklagte wisse doch, was er verkürzt habe. Denn diese Auffassung verkennt, daß dertypische Steuerhinterzieher nicht exakt berechnet, welche steuerlichen Konsequenzen seineunrichtige oder unvollständige Erklärung hat. Vielmehr verschweigt er best<strong>im</strong>mte Einnahmenoder erfindet Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, ohne sich über die genauenbetragsmäßigen steuerlichen Auswirkungen Gedanken zu machen oder gar den Verkürzungsbetragexakt zu berechnen. Für den typischen Steuerhinterzieher ist nur klar, daß er309 OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365, 366.310 OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365, 366.311 OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365, 366.312 OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365, 366.313 OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365, 366.314 OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365, 366.


aufgrund seiner unrichtigen oder unvollständigen Angaben Steuern in für ihn unbekannterHöhe verkürzt. Allenfalls schätzt er den Betrag grob. Ob diese Schätzung jedoch nurannähernd zutreffend ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Daher muß in derAnklageschrift das steuerliche Ergebnis aufgrund der unrichtigen oder unvollständigenErklärung dem zutreffenden steuerlichen Mehrergebnis gegenübergestellt werden und durchSubtraktion der Verkürzungsbetrag pro Jahr und Steuerart dargestellt werden.Völlig unzureichend wäre die Angabe einen best<strong>im</strong>mten Betrag Steuern hinterzogen zu habenohne Angabe der Steuerart. Denn es kann Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer,Lohnsteuer oder eine andere Steuerart Tatgegenstand sein. Fehlt die Steuerart, ist unklar,welche Tat i.S.d. § 264 angeklagt ist.Es genügt auch nicht die Angabe, einen best<strong>im</strong>mten Betrag Steuern z. B. bei derEinkommensteuer <strong>im</strong> Jahr 01 verkürzt zu haben. Zwar sind hier Steuerart und -jahrangegeben. Dennoch fehlt hier der Vergleich des Steuer-Solls mit dem Steuer-Ist. DieseEckdaten sind jedoch wichtig, um den Tarif ersehen zu können und die Differenz berechnenzu können.Ferner muß bei einer Anklage bzw. einem <strong>Strafbefehl</strong> wegen Umsatzsteuerverkürzungersichtlich sein, ob der Vorwurf eine unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärung oder falscheUmsatzsteuervoranmeldungen zum Gegenstand hat.Nach §§ 13, 18 UStG entsteht die Umsatzsteuer bei der regelmäßig in Betracht kommendenBesteuerung nach vereinbarten Entgelten i.S.d. § 16 Abs. 1 UStG mit dem Ablauf desjeweiligen Voranmeldungszeitraumes, § 18 Abs. 1 UStG. In der Regel entsteht dieSteuerschuld also mit Ablauf jedes Kalendermonats, in dem die Leistungen seitens dessteuerpflichtigen Rechnungsstellers ausgeführt worden sind 315 . <strong>Der</strong> Unternehmer hat daherbis zum 10. eines jeden Monats grundsätzlich für den vorangegangenen Monat oder aufAntrag nach § 44 UStDV für den vorvergangenen Monat eine Voranmeldung abzugeben, §168 AO. Bis zum 31.05. eines jeden Jahres hat der Unternehmer eine Umsatzsteuererklärungabzugeben, § 18 Abs. 3 UStG, §§ 149, 150 AO. In dieser Umsatzsteuererklärung werden dieMonatsergebnisse zusammengefaßt. Falls sich die Summe der Fehlbeträge unrichtigerVoranmeldungen mit dem Fehlbetrag einer unrichtigen Jahresumsatzsteuererklärung deckt,315 Unter der Voraussetzung, daß der Unternehmer, der monatlich eine Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben hat, eineSondervorauszahlung in Höhe von einem Elftel der Summe der Vorauszahlungen für das Vorjahr an die Finanzkasseleistet, erhält dieser Unternehmer auf Antrag eine sog. Dauerfristverlängerung: Er muß die Voranmeldungen bis zum 10.eines jeden Monats nicht für den letzten, sondern nur den vorletzten Monat abgeben, §§ 46 - 48 UStDV.


entsteht durch die unrichtige Jahreserklärung nach Auffassung des OLG Düsseldorf 316 undSamson 317 keine andere, keine neue und keine größere Steuerverkürzung als die, welchebereits durch die einzelnen monatlichen Voranmeldungen für das jeweilige Kalenderjahrentstanden sind 318 . Durch die unrichtige Jahreserklärung wird der durch die unrichtigenVoranmeldungen bewirkte Erfolg der Umsatzsteuerverkürzung lediglich bekräftigt. Daher kanndie Abgabe von unrichtigen Jahreserklärungen, die eine exakte Zusammenfassung derVoranmeldungen darstellt, nur noch als eine mitbestrafte Nachtat gewertet werden 319 .Nach anderer Auffassung stellt die Jahreserklärung zwar eine eigene, selbständig strafbareTat dar, sie ist jedoch als -mitbestrafte- Nachtat nicht separat strafbar 320 . Die Nachtat setztvoraus, daß durch die neue Tat die durch die neue Tat erlangten Vorteile lediglich verwertetoder gesichert werden sollen 321 . Die Nachtat darf also nicht zu einer Vergrößerung desSchadens führen oder ein anderes Rechtsgut tangieren 322 . Nur wenn die Vortat - gleich auswelchen Gründen- nicht strafbar 323 oder nicht nachweisbar 324 ist, lebt die Strafbarkeit deransonsten mitbestraften Nachtat mangels Mitbestrafung wieder auf 325 .Fazit: Bei der Umsatzsteuerhinterziehung müssen sowohl der <strong>Strafbefehl</strong> als auch dieAnklageschrift schon <strong>im</strong> Anklagesatz das Jahr bzw. den Monat bei derUmsatzsteuervoranmeldung angeben und darüber hinaus mitteilen, ob die Jahreserklärungdeckungsgleich mit der Gesamtzahl der einzelnen Voranmeldungen ist oder ob dieJahressteuererklärung einen darüber hinausgehenden Hinterziehungstatbestand verwirklichte.Im übrigen ist, wie bei allen anderen Steuerverkürzungen, die Steuerart, die gesetzlichenGrundlagen des materiellen Steueranspruchs, Ergebnis der unrichtigen oder unvollständigenSteuererklärung, die gesetzlich zutreffende Steuer, die Differenz zwischen falscher undzutreffender Steuerschuld und schließlich der Gesamtbetrag der Verkürzung anzugeben.Fehlt es an einem Vergleich zwischen festzusetzender und wegen der Verkürzungfestgesetzter Steuer in der Anklageschrift, ist nicht bloß die Umgrenzungsfunktion derAnklageschrift verletzt, sondern erst recht auch die Informationsfunktion. Eine spätere Heilung316 OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365, 366.317 F/G/S-Samson, § 370 RN 136.318 OLG Düsseldorf, wistra 1988, 365, 366; zum Verhältnis Vortat und Nachtat zur Tat: Maurach/Gössel/Zipf, S. 441 ff.,442.319 F/G/S-Samson, § 370 RN 136 m.w.N..320 Terstegen, S. 69; vgl. auch F/G/S-Samson, § 370 RN 136 m.w.N..321 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, vor § 52 Rn 48 ff., 50 m.w.N..322 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, vor § 52 RN 48 ff., 50 m.w.N.; RGSt 64, 283; BGHSt 6, 67.323 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, vor § 52 RN 48 ff., 50 m.w.N..324 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, vor § 52 RN 48 ff., 50 m.w.N.; MDR 55, 269; GA 71, 84; Hamm JM-BINW 55, 236, Hamm OLGSt 121zu § 263; Küper, Lange-Festschrift, S. 75.325 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, vor § 52 RN 48 ff., 50 m.w.N..


der Verletzung der Umgrenzungsfunktion scheidet insoweit nach einhelliger Meinung aus 326 .Allerdings läßt das OLG Düsseldorf bei einer mangelhaften Anklageschrift die Heranziehungdes wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen zur Auslegung des Anklagesatzes derAnklageschrift zu 327 .b) InformationsfunktionDie Tatschilderung in der Anklageschrift dient jedoch auch der Information des Angeklagten,des Verteidigers, der Öffentlichkeit und der Richter, namentlich der Schöffen beiSchöffengerichtsverfahren, die den Akteninhalt nicht kennen dürfen 328 (sog.Informationsfunktion). Deshalb ist es erforderlich, daß die Tatumstände, die die gesetzlichenTatbestandsmerkmale der herangezogenen Strafvorschrift ergeben, genau dargelegt sind.Dem Angeklagten, dem Verteidiger, der Öffentlichkeit und den Schöffen muß es möglich sein,den Subsumtionsvorgang, den der Staatsanwalt bei Fertigung der Anklageschriftvorgenommen hat, nachvollziehen zu können 329 . Gleiches gilt für den <strong>Strafbefehl</strong>. Denn derBeschuldigte, der nach Zustellung des <strong>Strafbefehl</strong>s zu entscheiden hat, ob er Einspruch einlegt,muß verstehen können, was ihm zur Last gelegt wird. Gleichermaßen gilt dies auch fürdie anwaltliche Beratungspraxis: Denn der Verteidiger hat dem Beschuldigten die Chancenund Risiken eines Einspruchs zu eröffnen. Die Chancen kann er jedoch <strong>im</strong> konkreten Einzelfallnur entdecken und aufzeigen, wenn er Fehler <strong>im</strong> Subsumtionsvorgang des Staatsanwalts oderder Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes entdeckt.Denn vor allem soll mit der Information <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> und in der Anklageschrift demAngeklagten eine sachgerechte Verteidigung ermöglicht werden 330 .c) AkzeptanzfunktionNach Sinn und Zweck des <strong>Strafbefehl</strong>s soll dieser die mündliche Hauptverhandlung einsparen.Damit ist der <strong>Strafbefehl</strong> ein prozeßökonomisches strafrechtliches Institut. Denn er kommtohne Eröffnungsbeschluß und Hauptverhandlung aus. Denn der <strong>Strafbefehl</strong>santrag steht derAnklageschrift gleich. Mit der Unterzeichnung des von der Staatsanwaltschaft bzw. BuStravorgefertigten Entwurfs durch den Richter wird er erlassen. Hierdurch wird aus dem<strong>Strafbefehl</strong>sentwurf ein <strong>Strafbefehl</strong>, der einen Eröffnungsbeschluß als auch die326 Krause, RN 117 m.w.N.; OLG Frankfurt, OLGSt, § 200 StPO, Nr. 1, Seite 1 und Anm. Rieß, Seite 3 ff., 7, 8.327 OLG Düsseldorf, wistra 1994, 318, 319328 str., vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 30 GVG RN 2.329 Krause/Thon, StV 1985, 252, 255.330 OLG Frankfurt, OLGSt, § 200 StPO, Nr. 1, m. Anm. Rieß, Seite 3.; OLG Düsseldorf, wistra 1991, 32 ff., 34.


Hauptverhandlung entbehrlich macht, so daß der Richter als auch der Sitzungsvertreter derStaatsanwaltschaft insoweit entlastet werden. Keineswegs ist der <strong>Strafbefehl</strong> jedoch eine Artminderwertige Anklageschrift, die etwa weniger genau oder gröber sein dürfte, als dieAnklageschrift selbst 331 . Denn der <strong>Strafbefehl</strong> soll nicht nur den Vorwurf <strong>im</strong> Hinblick auf denspäteren Strafklageverbrauch exakt umgrenzen, sondern er muß auch den Angeklagten, dermöglicherweise durch den <strong>Strafbefehl</strong> erstmalig die Argumentationskette derStrafverfolgungsbehörde zur Kenntnis n<strong>im</strong>mt und erstmalig die Zeugen und sonstigenBeweismittel erfährt, die der Strafverfolgungsbehörde zur Verfügung stehen, alsInformationsmedium dienen. Darüber hinaus ist Sinn und Zweck des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrensdie Hauptverhandlung zu ersparen, anderenfalls das Regelverfahren von derStrafverfolgungsbehörde gewählt werden müßte. Damit aber hat der <strong>Strafbefehl</strong> noch eineweitere Funktion, die über die Umgrenzungsfunktion und die Informationsfunktion hinausgeht:<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> soll dazu führen, daß der Angeklagte den Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>s und das dortaufgeworfene Strafmaß akzeptiert. Denn nur dann wird er keinen Einspruch einlegen, so daßnur so die durch den <strong>Strafbefehl</strong> gewünschte Einsparung der Hauptverhandlung erfolgt. DieseFunktion, die auf die Akzeptanz der Beschuldigung als auch der ausgeworfenen Strafehinzielt, sollte als Akzeptanzfunktion des Stratbefehls bezeichnet werden. Ausstaatsanwaltschaftlicher Sicht macht es m.E. also keinen Sinn einen <strong>Strafbefehl</strong> zuformulieren, der sicher nicht von dem Beschuldigten akzeptiert wird. Hieran ändert auch dieNeufassung der Nr. 175 RiStBV nichts. Denn Nr. 175 Abs. 3 Satz 2 RiStBV formuliert: "Aufeinen <strong>Strafbefehl</strong> ist nicht schon deswegen zu verzichten, weil ein Einspruch desBeschuldigten zu erwarten ist." Sinn und Zweck der Akzeptanzfunktion des <strong>Strafbefehl</strong>s ist esauch gerade in den Fällen, in denen nach Aktenlage nach Abschluß der Ermittlungen miteinem Einspruch des Beschuldigten zu rechnen ist, den Beschuldigten von der materiellenRichtigkeit des Tatvorwurfs und des Strafmaßes zu überzeugen, so daß der Beschuldigte den<strong>Strafbefehl</strong> akzeptiert.<strong>Der</strong> Unterschied zum Anklageverfahren wird hier deutlich: Während der Angeklagte sich demVerfahren nicht entziehen kann, notfalls vorgeführt wird, ist die Situation be<strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren anders: Hier kann sich der Beschuldigte der Verurteilung in diesemschriftlichen Verfahren durch Einspruchseinlegung entziehen. Dies ändert selbstverständlichnichts an dem Ergebnis einer späteren möglichen Verurteilung. Jedoch ist das Ziel des<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens, die Hauptverhandlung zu sparen, verpaßt, wenn der AngeklagteEinspruch einlegt. Will also die Strafverfolgungsbehörde auf dem für das Gericht und denSitzungsdienst der Staatsanwaltschaft prozeßökonomischeren Weg zum gleichen Ergebnis331 OLG Düsseldorf, wistra 1991, 32 ff., 34.


wie <strong>im</strong> Anklageverfahren kommen, muß sie einen überzeugenden <strong>Strafbefehl</strong> leisten. Diesgelingt jedoch nur, wenn sie den <strong>Strafbefehl</strong>santrag so gut formuliert, daß der Beschuldigtesich keine Chancen bei der Hauptverhandlung ausrechnet. Daher muß unter dem Blickwinkelder Akzeptanzfunktion die Strafverfolgungsbehörde auf alle vorgetragenen oder zuerwartenden Argumente des Beschuldigten <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf eingehen.d) Ableitung des notwendigen Inhalts des <strong>Strafbefehl</strong>s aus § 370 AO<strong>Der</strong> notwendige Inhalt eines <strong>Strafbefehl</strong>s ergibt sich aus § 370 AO. Denn eineSteuerverkürzung <strong>im</strong> Sinn des § 370 AO ist eine Minderung des Steueraufkommens durch diein dieser Blankettvorschrift i.V.m. den Besteuerungstatbeständen beschriebenenTathandlungen der Steuerunehrlichkeit. Ob also Steuern verkürzt sind oder nicht, ergibt einVergleich des Steuer-Solls, d.h. der aus dem gesetzlichen Tatbestand geschuldeten Steuer,mit dem Steuer-Ist, das infolge der Steuerunehrlichkeit des Steuerpflichtigen festgesetzt und/oder entrichtet worden ist 332 .Damit muß denknotwendig das Soll dem Ist und die jeweilige Differenz <strong>im</strong> Strafvorwurferhoben, d.h. ausdrücklich dargestellt sein. Damit müssen in einer Anklageschrift und auch ineinem <strong>Strafbefehl</strong> Soll und Ist sowie die sich daraus ergebende Differenz dargestellt werden.Dies muß aber auch für jedes Jahr bzw. bei Umsatzsteuervoranmeldungen für jedenVoranmeldungszeitraum gesondert aufgeführt werden. Denn der strafrechtliche Vorwurf gehtnicht dahin, in mehreren Jahren x DM hinterzogen zu haben, sondern aufgrund derBlankettvorschrift des § 370 AO i.V.m. den jeweiligen Besteuerungstatbeständen muß aufjedes Jahr bzw. auf jeden Veranlagungszeitraum separat abgestellt werden. So kannhinsichtlich der Einkommensteuer nicht die Anklage oder der <strong>Strafbefehl</strong> dahingehend lauten,in 5 Jahren 200.000,-- DM verkürzt zu haben, sondern es muß wegen derAbschnittsbesteuerung für jeden Veranlagungsabschnitt das Soll, das Ist und die Differenzausdrücklich aufgeführt werden.Dies folgt auch aus dem Sinn und Zweck des § 370 AO. Denn der Erfolg derSteuerhinterziehung liegt nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach in einerSubtraktion des tatsächlich festgesetzten oder gezahlten Betrages von dem, was unterZugrundelegung des wahren Sachverhaltes hätte festgesetzt werden oder gezahlt werdenmüssen 333 .Dies folgt auch aus dem Gedanken, daß nach Auffassung des BGH ein Strafurteil wegen einerSteuerhinterziehung erkennen lassen muß, welches steuerlich erhebliche tatsächliche332 Eich, S. 53.


Verhalten des Angeklagten <strong>im</strong> Rahmen welcher Abgabenart und ggf. in welchemBesteuerungszeitraum zu einer Steuerverkürzung geführt hat und welche innere Einstellungder Angeklagte dazu hat 334 .<strong>Der</strong> BGH machte in diesem Urteil nur eine Ausnahme dahingehend, daß es bei einemgeständigen Angeklagten, der selbst ausreichend sachkundig ist, ausnahmsweise keiner nachSteuerart und Besteuerungszeiträumen dargelegten Berechnung der hinterzogenen Steuernbedürfe 335 .Letzterem kann nicht gefolgt werden. Denn schon <strong>im</strong> Hinblick auf den Strafklageverbrauchmuß für ein eventuelles neues Verfahren zweifelsfrei erkennbar sein, welcher Zeitraum undwelche Steuerarten angeklagt waren und was der Gegenstand des Verfahrens war. Dahermüssen neben der Angabe des Zeitraums und der Steuerart auch zur Verdeutlichung desVerkürzungstatbestandes die jeweils erklärten Beträge den zu erklärenden Beträgen und diedaraus sich jeweils ergebende Verkürzungssumme <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>, wie auch in derAnklageschrift, als auch <strong>im</strong> Urteil dargestellt werden. Es kann daher nicht auf die Fachkompetenzdes Angeklagten abgestellt werden. Es genügt nach unserem Strafprozeßrecht ebengerade nicht, wenn der Angeklagte schon selbst weiß, wofür er bestraft wird. Dies fordert auchder Gedanke der Rechtsklarheit. Denn wie wollte man in streitigen Fällen noch unterscheiden,ob der Angeklagte ausreichende Fachkompetenz hat. Würde man sie mit dem Prozeßgerichtnachträglich bejahen, wäre der <strong>Strafbefehl</strong> und <strong>im</strong> Einspruchsfall der durch den <strong>Strafbefehl</strong>ersetzte Eröffnungsbeschluß rechtmäßig verfaßt. Würde man die Fachkompetenz desBeschuldigten nachträglich -abweichend vom Vordergericht- verneinen, wäre der <strong>Strafbefehl</strong>und der durch ihn <strong>im</strong> Einspruchsfall ersetzte Eröffnungsbeschluß rechtswidrig und dasVerfahren unrettbar krank, so daß nur eine Einstellung nach § 206 a StPO bzw. in derHauptverhandlung durch Urteil nach § 260 Abs. 3 StPO in Betracht käme. Ähnliche Problemeergeben sich bei einer Anklageschrift und dem Urteil: Während beides <strong>im</strong> Fall der Bejahungausreichender Kompetenz des Beschuldigten ordnungsgemäß abgefaßt wäre, wäre verneinendenfallseine Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO erforderlich und das Urteilaufzuheben.Da diese Ausnahme in der Rechtsprechung des BGH für die Anklage und das Urteil keinenBestand haben kann, kann diese Rechtsprechung auch nicht entsprechend auf einen<strong>Strafbefehl</strong> gegen einen ausreichend Fachkundigen übertragen werden.333 Klein, S. 26, Eich, S. 53.334 BGH, wistra 1993, 342 = NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13, S. 845335 BGH, wistra 1993, 342 = NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13, S. 845.


Schließlich ist auch die Höhe der Steuerverkürzung von entscheidender Bedeutung, als sieden Schuld- und Unwertgehalt der Tat best<strong>im</strong>mt und somit maßgebendes Kriterium für dieStrafzumessung ist.Wären nun keine einzelnen Angaben für jeden Veranlagungsabschnitt in der Anklageschriftoder <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> aufgeführt, so müßte, falls sich in einer Hauptverhandlung herausstellt,daß die Strafbarkeit des letzten verfolgten Jahres verjährt ist, aus den Akten der auf diesesJahr entfallende Verkürzungsbetrag erst herausgesucht und subtrahiert werden. Bei einerentsprechenden Darstellung der einzelnen Veranlagungsabschnitte läßt sich derentsprechende Betrag leicht ausschließen. Auch bei Tatmehrheit ist die Einzeldarstellung fürjeden Veranlagungsabschnitt unerläßlich, damit der schwerste Vorwurf mit der Einsatzstrafebelegt werden kann und dann die Einzelstrafen für die übrigen Verkürzungstatbeständeausgeworfen werden können.Somit folgt m.E. auch aus § 370 AO, daß der Vergleich des Steuer-Solls mit dem Steuer-Ist fürjeden Besteuerungsabschnitt zwingend zum Tatvorwurf gehört.e) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Umgrenzungs- oder Informationsfunktionaa) Mängel der UmgrenzungsfunktionAnerkannt ist, daß schwere Mängel des Anklagesatzes, soweit diese die Umgrenzungsfunktionbetreffen, zur Unwirksamkeit des auf der Anklageschrift fußendenEröffnungsbeschlusses führen, soweit die Mängel nicht durch das mitgeteilte wesentlicheErgebnis der Ermittlungen geheilt werden 336 . Die Unvollständigkeit des wesentlichenErgebnisses der Ermittlungen allein führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Anklage 337 .Fehlen <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>, der <strong>im</strong> Einspruchsfall den Eröffnungsbeschluß ersetzt, also Angabenüber die tatsächlichen Grundlagen des materiellen Steueranspruchs, über dessen Verkürzungentschieden werden soll oder ist das Täterverhalten nicht (hinreichend) beschrieben oder fehltdie Angabe, für welchen in Betracht kommenden Steuerabschnitt die Erklärungs- undAnmeldepflicht verletzt wurde oder fehlt ein Vergleich der gesetzlich geschuldeten Steuer mit336 OLG Düsseldorf, wistra 1994, 318, 319-, BGHSt 5, 225, 227; BGH GA 1980, 108, 109; BGH NStZ 1984, 133; zuletzt:BGH, Beschluß vom 29.11.1994, -4 StR 648/94- m.w.N., zitiert bei wistra 1995, 150 ff., 15 1; BGH, Urteil vom25.01.1995, - 3 StR 448/94-, wistra 1995, 15 0 ff., 151.337 Denn das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen ist kein für den For-tgang des Verfahrens konstitutiver Teil der Anklage,BGH, Urteil vom 25.01.1995, - 3 StR 448/94-, wistra 1995, 150 ff., 151. Dem entspricht es, daß die Staatsanwaltschaft inder Hauptverhandlung nur den Anklagesatz, nicht aber das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen verliest, BGH, Urteilvorn 13.12.1994, - 1 StR 641/94-, zitiert bei BGH, wistra 1995, 150 ff., 151.


derjenigen, die aufgrund der unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Täters gegenüberder Steuerbehörde nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig angemeldet oderfestgesetzt wurde ist der den Eröffnungsbeschluß ersetzende <strong>Strafbefehl</strong> unwirksam.Ist Einspruch gegen den <strong>Strafbefehl</strong> eingelegt, liegt in derartigen Fällen ein Prozeßhindernisvor, da ein wirksamer, ordnungsgemäßer Eröffnungsbeschluß Verfahrensvoraussetzung ist,dieser Eröffnungsbeschluß in Form des <strong>Strafbefehl</strong>s die Fehler des letzteren jedochbeinhaltet.Ist der <strong>Strafbefehl</strong> erlassen worden, ist er unter obigen Voraussetzungen ebenfallsrechtswidrig. Die Frage, ob er bloß rechtswidrig und anfechtbar oder gar nichtig ist, richtet sichm.E. nach den allgemeinen Kriterien, die auch zur Frage der Nichtigkeit von Urteilenentwickelt wurden. Bei schweren offenkundigen Fehlern ist also von Nichtigkeit auszugehen.Fehlen Angaben zur Zeit, Ort und zur Tatbeschreibung ist von einem schweren Fehler, derauch jedermann sofort ins Auge springt auszugehen. Fehlt der Vergleich zwischen Steuer-Istund Steuer-Soll sowie der Gesamtbetrag der Verkürzungen, ist m.E. ebenfalls von einemoffensichtlichen schweren Fehler auszugehen. Ist nur ein Gesamtbetrag der Verkürzung fürmehrere Besteuerungsabschnitte angegeben, wird m.E. ebenfalls von einem schwerenunerträglichen Fehler mit der Folge der Nichtigkeit auszugehen sein.Meistens wird jedoch nicht jede Betragsangabe für die einzelnen Besteuerungsabschnittefehlen, sondern nur z. B. der Vergleich zwischen Steuer-Soll und Steuer-Ist in den einzelnenJahren, während der Gesamtbetrag der Verkürzung -und für jedes Jahr gesondertausgeworfen- angegeben sein wird. Dann wird man wohl m.E. nicht von einem sogravierenden Fehler ausgehen können, der es unerträglich erscheinen läßt, wenn einderartiger <strong>Strafbefehl</strong> rechtskräftig wird. Hier wird also nur von einem rechtswidrigen unddaher anfechtbaren <strong>Strafbefehl</strong> auszugehen sein, der bei Fristversäumnis in Rechtskrafterwächst.bb) Mängel der InformationsfunktionVerschiedentlich wird behauptet, daß nur Fehler in der Umgrenzungsfunktion zurUnwirksamkeit der Anklageschrift bzw. des <strong>Strafbefehl</strong>s führen sollen 338 . Fehler hinsichtlichder Informationsfunktion sollen in der Revision bloß zur Aufhebung und Zurückverweisung338 BayObLGSt 1991, 6, 10, 11, m.w.N; BayObIG, wistra 1992,238 ff., 240.


führen 339 . Zu Recht halten Krause/Thon die Umgrenzungs- und Informationsfunktion in derAnklageschrift für grundsätzlich gleichwertig -wenn nicht sogar die Informationsfunktion ausdem Gesichtspunkt der Verteidigung für wichtiger- und vertreten die Auffassung, daßzumindest schwerwiegende Informationsmängel -wie z.B. das Fehlen der exakten Angabenbezüglich des Vergleichs zwischen erklärter und zu erklärender Steuer, Steuerart undVeranlagungszeitraum- ein Verfahrenshindernis darstellen 340 .Es muß daher die Frage aufgeworfen werden, ob überhaupt unterschiedliche Rechtsfolgen beider Verletzung der Umgrenzungsfunktion und der Informationsfunktion gerechtfertigt sind.Dies führt zu der Frage zurück, was die Umgrenzugs- und was die Informationsfunktion leistenmuß. Erst dann kann man über die Konsequenzen der Verletzung der Umgrenzungs- und derInformationsfunktion nachdenken.Die Umgrenzungsfunktion soll die Tat zeitlich, räumlich und sachlich abgrenzen. Dies isthauptsächlich wichtig für den Strafklageverbrauch, also die Frage, ob eine später ggf.abzuurteilende Tat schon einmal Prozeßgegenstand eines früheren Verfahrens war.Die Informationsfunktion soll dem Angeklagten, der Öffentlichkeit und ggf. den Schöffen denTatvorwurf, also den Prozeßgegenstand übermitteln.Bei einer Anklageschrift oder einem <strong>Strafbefehl</strong>, der der von ihm zu leistendenUmgrenzungsfunktion nicht gerecht wird, ist also der Prozeßgegenstand nicht klar umrissen.Dies kann jedoch nicht dem Angeklagten angelastet werden. Fehler hierbei müssen vielmehrzu Lasten der Strafverfolgungsbehörde gehen. Denn eine korrekte Anklageschrift zuentwerfen ist Aufgabe des Staatsanwaltes. Ist die Umgrenzungsfunktion jedoch nicht klarerbracht, ist die Anklageschrift unzulässig. Man mag also auch insoweit wie <strong>im</strong> Zivil- oderÖffentlichen Recht von einer Zulässigkeit und einer Begründetheit sprechen.Wird die Unzulässigkeit der Anklageschrift nicht erkannt, ergeht ein entsprechenderEröffnungsbeschluß bzw. der beantragte <strong>Strafbefehl</strong> wird erlassen. Damit aber krankt dasweitere Verfahren doch exakt an dem Fehler der Anklageschrift bzw. des<strong>Strafbefehl</strong>santrages. Denn der Eröffnungsbeschluß bzw. der <strong>Strafbefehl</strong> haben den Fehlerder Anklageschrift bzw. den des <strong>Strafbefehl</strong>santrages unkorrigiert übernommen.Eine Heilung der fehlerhaften Anklage bzw. des fehlerhaften <strong>Strafbefehl</strong>santrages durch dasGericht scheidet aus, da ansonsten gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz verstoßen würdeindem die Judikative die Anklageschrift bzw. den <strong>Strafbefehl</strong>santrag der Staatsanwaltschaft,339 BayObLGSt 1991, 6, 10, 11, m.w.N; BayObIG, wistra 1992,238 ff., 240.340 Krause/Thon, StV 85, 252 f., 256.


also der Exekutive, nachbessern oder ggf. großteils oder in den wesentlichen Punkten selbstschreiben würde. Kläger und Richter wären also eine Person. Hier hilft auch nicht weiter, daßdie StPO selbst ein Zwischenverfahren vorsieht. Denn dies dient nicht dazu, eine unschlüssigeoder unzulässige Anklageschrift durch den Richter schlüssig oder zulässig zu machen.Vielmehr soll eine Anklage gegen Unschuldige vermieden werden. Das Zwischenverfahrendient also zur Überprüfung des hinreichenden Tatverdachts und somit zur Entlastung derGerichte 341 .Auch trägt der Hinweis nicht, daß nach Auffassung von Kleinknecht/Meyer-Goßner das völligeFehlen von Angaben zur Tatzeit unschädlich sein soll 342 , wenn die Identität der Tat aufgrundanderer mitgeteilter Umstände feststeht. Dies scheint eine für den Normalfall unbrauchbare,nur extreme Einzelfälle betreffende Ausnahmesituation zu sein. Jedenfalls ist eine derartigeAusnahmesituation für ein Steuerstrafverfahren kaum vorstellbar. Denn wann weiß einStaatsanwalt oder Gericht schon <strong>im</strong> Zeitpunkt der Anklageerhebung oder derHauptverhandlung, daß die angeklagte Tat auch ohne Zeitangabe hinreichend konkretisiert istund Verwechslungsmöglichkeiten mit anderen Taten des Täters ausgeschlossen sind? Diescheinbar auch ohne Zeitangabe angeklagte Tat des Täters kann sich doch auch bei spätererBetrachtung als eine von vielen Taten herauskristallisieren und dann stellt sich das Problemder mangelnden Abgegrenztheit der damals angeklagten und ggf. verurteilten Tat. Mit anderenWorten: Das Problem der Umgrenzungsfunktion also auch die Frage des Strafklageverbrauchsstellt sich <strong>im</strong>mer erst nachträglich, nie <strong>im</strong> Vorfeld einer Anklageerhebung. Daherkann man m.E. auch nicht vorab auf die Zeitangabe verzichten und hoffen, daß die angeklagteTat die einzige des Täters (dieser Art) ist, so daß es einer genaueren Umgrenzung vielleichtausnahmsweise nicht bedürfe.Daher erscheint das Ergebnis, daß Fehler in der Umgrenzungsfunktion eine Anklageschriftoder einen <strong>Strafbefehl</strong>santrag und einen darauf beruhenden Eröffnungsbeschluß bzw. den<strong>Strafbefehl</strong> unheilbar rechtswidrig machen als zutreffend.Gleiches muß aber letztlich m.E. auch bei einem Verstoß gegen die Informationsfunktiongelten. Denn der Angeklagte soll durch die Verlesung der Anklageschrift bzw. des <strong>Strafbefehl</strong>sden Vorwurf (noch einmal) hören. Mit dem Verlesen der Anklageschrift bzw. des <strong>Strafbefehl</strong>ssoll der Angeklagte als auch die Schöffen und die Öffentlichkeit <strong>im</strong> Gerichtssaal über denProzeßgegenstand informiert werden 343 . Die Verlesung ist wesentlicher Teil der341 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 199 RN 1.342 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 200 RN 7; Bay0bLG, wistra 1992, 238 ff., 240.343 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 243 RN 18; KK-Treier, § 243 RN 23 ff..


Hauptverhandlung und wesentliche Förmlichkeit 344 . Normzweck des § 243 Abs. 3 ist es, daßalle Beteiligten wissen, auf welche Tat sie ihr Angriffs- und Verteidigungsvorbringen richtenmüssen 345 . Die Schöffen, die die Akte nicht kennen dürfen 346 , müssen verstehen, worüber sieanschließend urteilen sollen. Auch hier ist die umfassende Information durch dieAnklageschrift bzw. den <strong>Strafbefehl</strong> unbedingt erforderlich. Gleiches gilt letztlich auch für dieÖffentlichkeit. Denn Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung bedeutet nicht nur, daß Zuhöreranwesend sein dürfen, sondern daß sie auch eine Art Kontrollinstanz sind, die die Recht- undGesetzmäßigkeit jederzeit überprüfen dürfen. Dann müssen auch die Zuhörer die Chancehaben zu überprüfen, auf welcher Sachverhaltsgrundlage verhandelt und entschieden wird.Öffentlichkeit <strong>im</strong> Gerichtssaal zuzulassen, heißt also auch sie zu informieren. Andernfallsmachte es -außer der Befriedigung etwaiger Sensationslust- keinen Sinn, die Öffentlichkeitzuzulassen.Die Fortsetzung eines z.B. an der Informationsfunktion mit erheblichen Mängeln behaftetenVerfahrens ist daher aus Rechtsgründen nicht möglich 347 . Zwingende Folge ist die Einstellungdurch Beschluß nach § 206 a außerhalb der Hauptverhandlung oder innerhalb derHauptverhandlung durch Urteil nach § 260 Abs. 3.f) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die AkzeptanzfunktionVerstößt der <strong>Strafbefehl</strong> gegen die Akzeptanzfunktion, hat dies nicht etwa die Rechtswidrigkeitoder gar Nichtigkeit des <strong>Strafbefehl</strong>s zur Folge. Vielmehr versagt dann der Verfasser des<strong>Strafbefehl</strong>sentwurfs schlicht mit dem Versuch, den Angeklagten von der materiellenRichtigkeit des Vorwurfs und der beantragten und festgesetzten Strafe zu überzeugen. DieKonsequenz ist ein Einspruch des Angeklagten.3. Heilungsmöglichkeiten344 KK-Treier, § 243 RN 23 ff., 24.345 KK-Treier, § 243 RN 23.346 KK-Treier, § 243 RN 23 ff., 24.347 ebenso der BGH in einem obiter dictum- "<strong>Der</strong> Senat braucht nicht zu entscheiden, ob es dennoch Fälle geben kann, indenen das Fehlen des in § 200 Abs. 2 Satz 1 StPO vorgeschriebenen wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen oderdessen unzureichende Darstellung ausnahmsweise zur Unwirksamkeit der Anklage führen kann. Dies könnte allenfallsbei gravierenden Informationsmängeln gelten, die es dem Angeklagten -auch unter Berücksichtigung des Akteninhaltsunmöglichmachen, zu erkennen, auf welche Beweisgrundlage sich der erhobene Anklagevorwurf stützen soll, BGH,Urteil vom 25.01.1995, -3 StR 448/94-, wistra 1995, 150 ff., 151.


Die Heilung eines mangelhaften Anklagesatzes ist nur durch die Hinzuziehung deswesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen möglich 348 . Da bei einem <strong>Strafbefehl</strong> wie bei einerStrafrichteranklage kein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen vorhanden sein muß und diesi.d.R auch nicht ist, scheidet eine Heilung insoweit durch Heranziehung des wesentlichenErgebnisses der Ermittlungen aus.Eine Heilung in der mündlichen Hauptverhandlung etwa durch einen ergänzenden Vortrag desSitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft scheidet ebenfalls aus, da zu diesem Zeitpunkt derEröffnungsbeschluß -<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ersetzt durch den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>sergangenist und dieser auf dem mangelhaften <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf beruht. Wollte maninsoweit eine Heilung zulassen, dann würde dem den <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf unterzeichnendenRichter quasi gedanklich ein anderer <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf nachträglich untergeschoben,nämlich der <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf mit den inhaltlichen mündlichen Ergänzungen des Sitzungsvertretersder Staatsanwaltschaft.Auch würde die Informationsfunktion des <strong>Strafbefehl</strong>s leerlaufen, wollte man einenachträgliche Ergänzung in der mündlichen Hauptverhandlung zulassen.Nach alledem gibt es keine Heilungsmöglichkeit nach Erlaß des beantragten <strong>Strafbefehl</strong>s,wenn dieser an Mängeln leidet, die durch weiteren Vortrag aus der Akte etc. erst behobenwerden könnten. <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> muß -wie die Anklage ggf. i.V.m. dem wesentlichen Ergebnisder Ermittlungen- aus sich selbst heraus die Umgrenzungs- und Informationsfunktion erfüllen,andernfalls ist er unwirksam.4. Schätzungen der FinanzverwaltungNach § 162 Abs. 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenndiese nicht ermittelt oder berechnet werden können. Diese Pflicht der Finanzbehörde bestehtinsbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichendenAufklärungen zu geben vermag, § 162 Abs. 2 Satz 1 AO oder aber Bücher oderAufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, § 162Abs. 2 Satz 2 AO.348 OLG Düsseldorf, wistra 1994, 318, 319.


In vielen Steuerfahndungsverfahren stellt sich heraus, daß es an einer ordnungsgemäßenBuchführung fehlt, so daß die Finanzverwaltung die Buchführung in der Regel verwirft undnach § 162 AO schätzt. Diese Schätzungen werden dann zur Grundlage des strafrechtlichenVorwurfs gemacht.Gelegentlich entsteht die Situation, daß Betriebseinnahmen nicht gebucht wurden, über dieseaber präzise Kenntnisse, etwa auf der Basis von Kontrollmitteilungen, bei derFinanzverwaltung vorhanden sind. In derartigen Fällen erübrigt sich vielfach dem Grunde nachdie Schätzung, da aufgrund der Kontrollmitteilungen die fehlenden zu versteuernden Beträgeexakt nachberechnet und nachversteuert werden können. Nur wenn Zweifel dahingehendbestehen, ob durch die Kontrollmitteilungen alle bislang nicht erfaßten Betriebseinnahmenabgedeckt sind, rechtfertigt sich eine Zuschätzung. Ist die Buchführung nicht ordnungsgemäß,kann sie nicht den Beweiswert nach § 158 AO haben, so daß der Weg für eine Zuschätzungerlaubt ist 349 . In derartigen Fällen kann selbst eine formell ordnungsgemäße Buchführunggegebenenfalls <strong>im</strong> Wege der Nachkalkulation überspielt werden 350 .Typisch für Schätzungsfälle sind auch diejenigen, in denen die Buchführung tatsächlich nuraus einer Sammlung von Belegen besteht oder aber selbst diese noch nicht einmal(vollständig) vorhanden sind 351 . Dann fehlt es schlechthin an einer (ordnungsgemäßen)Buchführung, so daß es keine Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen gibt, deren Beweiskraftzunächst gemäß § 158 AO von Seiten der Finanzverwaltung verworfen werden müßte 352 .Hierbei drängt sich die Frage auf, ob die in der Schätzung <strong>im</strong>manente Ungewißheit überhauptGrundlage für ein Strafverfahren sein kann. Bejahendenfalls wirft sich sogleich die weitereFrage auf, ob Schätzungen auch <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren wegen der Besonderheiten diesesVerfahrens, namentlich der Schriftlichkeit und der fehlenden Unmittelbarkeit, abgeurteiltwerden können.Im nachfolgenden soll daher zunächst auf die Schätzungsmethoden eingegangen werden umsodann deren Tauglichkeit für ein strafrechtliches Verfahren zu erörtern.a) Schätzungen349 Joecks, wistra 1990, 52 ff., 53; Dörn, Stbg 1993, 257 ff., 306 ff., 306, 307; Dörn, wistra 1994, 290 ff., 292.350 BFH, BStB1 1983 11, 618, FG Saarland, EFG 1984,5, BFH, BStB1 1984 H, 88; Streck, Tz. 960 f.; Blumers/Frick/MüllerD.156; Joecks, wistra 1990, 52 ff., 53.351 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 53.352 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 53.


Voraussetzung jeder Schätzung ist, eine tatsächliche Ungewißheit über das Ausmaß derdurch den Steuerpflichtigen verwirklichten Besteuerungsgrundlagen, die das Finanzamt <strong>im</strong>Rahmen seiner Ermittlungspflicht nach § 88 AO weder durch eigene Ermittlungen noch bei<strong>Dr</strong>itten beheben kann 353 .Die Finanzverwaltung hat die Besteuerungsgrundlagen, die sie nicht ermitteln oder berechnenkann, zu schätzen, § 162 AO 354 . Die Besteuerungsgrundlage i. S. v. §§ 162 Abs. 1, 199 Abs.1, 157 Abs. 2 AO sind die steuerlich bedeutsamen - auch nicht bezifferbaren - Tatsachen <strong>im</strong>Festsetzungsbereich, nicht aber die Steuer selbst 355 .Ziel jeder Schätzung ist es, dem Sachverhalt möglichst nahe zu kommen, der sich beisicheren Ermittlungen ergeben würde 356 . Die Schätzung hat also keinen Strafcharakter 357 ,vielmehr ist sie Beweismittelersatz 358 .Es stellt sich daher die Frage, ob Schätzungen als Grundlage und Beweismittel fürSteuerverkürzungen dienen können.An solchen Methoden sind die Total-, Voll-, General-, griffweise oder freie Schätzung, dieTeilschätzung, die Geldverkehrsrechnung, die Kassenfehlbetragsrechnung, der äußereBetriebsvergleich, der innere Betriebsvergleich, die Schätzung nach Einzelfeststellungen, dieSchätzung nach den Lebenshaltungskosten sowie die Vermögenszuwachsrechnung zunennen 359 .Nicht alle genannten Methoden sind jedoch für das Steuerstraf- und Bußgeldverfahrengleichermaßen verwertbar, da <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren -anders als <strong>im</strong> BesteuerungverfahrendieSchuld des Angeklagten nachgewiesen werden muß und <strong>im</strong> Zweifel zugunsten desAngeklagten zu entscheiden ist 360 .Umstände, mithin Besteuerungsgrundlagen, die lediglich aufgrund von Steuergesetzenvermutet oder geschätzt werden, vermögen aber den strafrechtlichen Schuldnachweis nicht zutragen 361 . Denn es muß zur Überzeugung des Gerichts 362 feststehen, daß zum einen353 F/G/S-Samson, § 370 RN 39.354 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298 f., 298.355 Lammerding/Sudau/Brauel, S. 180; Bilsdorfer, DStZ 1982, 298 f., 299; F/G/S-Samson, § 370 RN 39; Bilsdorfer, DStZ1982, 298 f., 299.356 Lammerding/Sudau/Brauel, S. 181; Tipke/Kruse, § 162 AO RN 6.357 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298 f., 299; Tipke/Kruse, § 162 AO RN 6.358 Tipke/Kruse, § 162 AO RN 2: Die Behörde hat aber einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, welcher Ansatz vonBesteuerungsgrundlagen nach größtmöglicher Wahrscheinlichkeit der richtige ist. Die Finanzgerichte dürfen ihreAuffassung von größtmöglicher Wahrscheinlichkeit nicht an die Stelle der Finanzverwaltung setzen; § 102 AO gilt nicht.359 Bilsdorfer, DStZ, 1982, 298 f., 299.360 Bilsdorfer, DSJ 1982, 298 f., 299; Lohmeyer, NJW 1959, 373 ff., 373.361 Bender, ZfZV 1964, 225 f., 227.362 Samson (F/G/S-Samson, § 370, RN 40; ebenso Stypmann, wistra 1983, 95) weist zutreffend darauf hin, daß dieBesteuerungsgrundlagen durch den Strafrichter selbständig festgestellt werden müssen, d.h. der Strafrichter darf sich


überhaupt Steuerverkürzungen vorliegen und zum anderen in welcher Höhe diese demSteuerpflichtigen zur Last zu legen sind, da sich danach das Strafmaß richtet 363 .Entsprechend hat der BGH die Schätzungsmöglichkeiten wie folgt zusammengefaßt 364 :"Grundsätzlich ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO auch <strong>im</strong>Steuerstrafverfahren zulässig. Welche Schätzmethode dem vorgegebenen Ziel, derWirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am bestengerecht wird, hat der Tatrichter selbst zu entscheiden. Er darf Schätzungen des Finanzamtesoder der Steuerfahndungsstellen nur übernehmen, wenn er sie überprüft hat und von ihrerRichtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichenVerfahrensgrundsätze (§ 162 StPO) überzeugt ist (...). Die Schätzung muß schonnach steuerrechtlichen Grundsätzen insgesamt in sich schlüssig sein; ihre Ergebnissemüssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (...). Ihre Grundlagenmüssen in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar mitgeteilt werden. Dieauszugsweise Wiedergabe von Saldenlisten, die <strong>im</strong> Ermittlungsverfahren erstellt und in derHauptverhandlung von einem Angehörigen der Finanzbehörden als Zeugen erläutert wordensind, reicht dafür nicht aus." 365Während die Finanzverwaltung in Schätzungsfällen bei verbleibender Ungewißheit oftSicherheitszuschläge 366 vorn<strong>im</strong>mt, berücksichtigen die Strafverfolgungsbehörden undStrafgerichte oft Sicherheitsabschläge, um die Umkehr der Beweislast <strong>im</strong> Steuerstrafverfahrenzu berücksichtigen 367 . Solche Sicherheitsabschläge sind jedoch geradezu ein Beweis für dieUnsicherheit der Schätzungsmethoden: Sie belegen den Mangel <strong>im</strong> Hinblick auf dieerforderliche Gewißheit strafrechtlicher Feststellung der hinterzogenen Steuern 368 .grundsätzlich nicht auf die Ermittlungen und insbesondere Schätzungen der Betriebs- oder Fahndungsprüfung verlassen,sondern muß eigene Überlegungen anstellen (ebenso Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 299.). Samson meint, daß diese eigenenFeststellungen des Strafrichters unter dem zwingenden Grundsatz in dubio pro reo stehen müssen (F/G/S-Samson, § 370,RN 40; ebenso Stypmann, wistra 1983, 95). Die Schwierigkeit liegt allerdings in der Praxis darin, festzustellen ob derRichter die Zahlen der Fahndung kritisch überdacht hat oder einfach übernommen hat.363 Bilsdorfer, DStZ, 1982, 298 f., 299.364 BGH, Beschluß vom 04.02.1992, -5 StR 655/91-, abgedruckt in wistra 1992, 147.365 BGH, Beschluß vom 04.02.1992, -5 StR 655/91-, abgedruckt in wistra 1992, 147.366Die Zuschätzungen dienen nur der steuerlich zutreffenden Besteuerung, denn sie sollen vermeiden, daß derSteuerpflichtige, der seinen steuerlichen Pflichten nicht nachkam, einen steuerlich relevanten Vorteil hieraus durch eineggf. zu niedrige Schätzung ziehen kann, vgl. Tipke/Kruse, § 162 AO RN 6; BFH, BStBl. 1983 H, 618, 620; BFH, BStBl.1967 II, 349; BFH, BStBl. 1986 II, 226, 228.367 Streck, RN 799; <strong>Der</strong> Grund für die unterschiedliche Behandlung des gleichen Sachverhaltes <strong>im</strong> Steuerrecht und <strong>im</strong><strong>Steuerstrafrecht</strong> liegt darin, daß Steuerrecht und <strong>Steuerstrafrecht</strong> von verschiedenen Prinzipien beherrscht sind: Während<strong>im</strong> Steuerrecht das öffentliche Interesse auf Verwirklichung der Steueransprüche dem Individualinteresse auf Schutz vormateriell ungerechtfertigter Steuererhebung zumindest gleichwertig gegenübersteht, wird <strong>im</strong> Strafrecht das Interesse desBürgers vor ungerechtfertigten Eingriffen in seine persönliche Integrität grundsätzlich höher bewertet als dasStrafverfolgungsinteresse der Gemeinschaft, vgl. Bender, ZfZV 1964, 225 f., 227.368 Streck, RN 799.


Zumindest aber entfallen die steuerrechtlichen Sicherheitszuschläge <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren369 .<strong>Der</strong> Schuldnachweis erfordert jedoch nicht, daß die Strafgerichte die Besteuerungsgrundlagengenau ermitteln 370 .Denn wollte man stets eine exakte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für dasStrafverfahren verlangen, würde dies dazu führen, daß in den Fällen, in denen dies nichtmöglich ist, der Beschuldigte nicht verurteilt werden kann. Es wäre für das Rechtsempfindenunerträglich, wenn der Täter einer Steuerverkürzung straffrei bliebe, obgleich er selbst denMangel der Feststellbarkeit der exakten Besteuerungsgrundlagen verursacht hat 371 .Schon deshalb muß es grundsätzlich möglich sein, auch ein Strafurteil zu fällen, wenn diedem Angeklagten zur Last gelegten Steuerverkürzungen auf Schätzungen basieren.Dementsprechend kann es sein, daß eine fundierte Hinzuschätzung auch strafrechtlichenAnforderungen standhält, z. B. wenn die Schätzung die Qualität hat, eine formellordnungsgemäße Buchführung zu widerlegen 372 . Immerhin wurde die Schätzung derhinterzogenen Steuern unter Ablehnung von Abzügen für zusätzlichen Wareneinsatz durchden BGH 373 gebilligt, weil gemäß dem Rohgewinnvergleich bei einem Juwelier der"ausgewiesene Wareneinsatz groß genug war, um die festgestellten Mehrerträge zuerzielen” 374 .Im übrigen gilt für die Fahndungspraxis: Je pauschaler die steuerliche Schätzung oderSchätzungseinigung ist, um so günstiger ist diese Ermittlungsweise für dasSteuerstrafverfahren 375 .Den jeweiligen Schätzungsmethoden kommt in Bezug auf ihre Nachweistauglichkeitunterschiedliches Gewicht zu.Im Einzelnen:369 Streck, RN 800; Tipke/Kruse, § 162 AO RN 6; Bilsdorfer, DS2 1982, 298, 300.370 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 299.371 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 299.372 Streck, RN 801.373 BGH, Urteil vom 28.02.1977, -5 StR 432/77-, abgedruckt in StRK AO 1977, § 370 R. 3; Streck, RN 801.374 Streck, RN 801.


aa) Voll- und Teilschätzungen, Geldverkehrs- und KassenfehlsbetragsrechnungenBei Voll- oder Teilschätzungen 376 ist das Schätzungsergebnis für den strafrechtlichenVerkürzungsvorwurf nicht verwertbar 377 . Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige dassteuerliche Mehrergebnis anerkennt oder die entsprechenden Bescheide rechtskräftig werdenläßt 378 . Denn aus der Rechtskraft der Steuerfestsetzungen kann nicht gefolgert werden, daßder Steuerpflichtige mit der Nichteinlegung eines Einspruchs eingesteht, er habe Steuerngerade in der geschätzten Höhe verkürzt 379 . Denn die Rechtskraft <strong>im</strong> Besteuerungsverfahrenkann aus unterschiedlichsten Gründen eintreten, sei es, weil die Einspruchsfrist versehentlichversäumt wird, sei es weil man -ggf. zu unrecht- die Erfolgsaussichten als zu gering beurteiltusw..Bei der Geldverkehrsrechnung 380 und der Kassenfehlbetragsrechnung 381 382 kann sich einFehlbetrag zwischen Einnahmen und Ausgaben durch Fehlbuchungen oder Kredite oderGeldgeschenke <strong>Dr</strong>itter sowie nicht aufgezeichneten und nicht aufzeichnungspflichtigenprivaten Ausgaben erklären lassen. Differenzen bei auf den ersten Blick unverständlichenGeldzuflüssen bzw. -abgängen, also bei mangelnder Summengleichheit zwischen Einnahmenund Ausgaben unter Einbeziehung der Anfangs- und Endbestände hat also allenfalls einelndizfunktion für eine materiell fehlerhafte Buchführung. Tauglicher Beweis für eine Steuerverkürzungsind die Geldverkehrs- und Kassenfehlbetragsrechnung deshalb nicht.Voll- oder Teilschätzungen, Geldverkehrs- oder Kassenfehlbetragsrechnungen eignen sichdaher nicht als alleinige Beweismittel für eine Steuerverkürzung. Erst recht sind sie dann zurDarstellung einer Steuerhinterziehung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> nicht geeignet. Sie könnten allenfallsneben anderen Beweismitteln als Indiz mit herangezogen werden. Da der <strong>Strafbefehl</strong> jedocheine Akzeptanz be<strong>im</strong> Beschuldigten hervorrufen soll, sind Indizien bei einem <strong>Strafbefehl</strong> ehercontraproduktiv.375 Streck, RN 802.376 Mittelbach, S. 34, Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 300.377 Mittelbach, S. 33; Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 299.378 Lohmeyer, DSJ A 1973, 372, 373; BGH, BB 1967, 948; Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 299.379 Lohmeyer, NJW 1959, 373, 374; Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 300.380 Mittelbach, S. 45; Erhard, S. 148; Schwarz, vor §§ 193-203 RN 30.381 Erhard, S. 151 f..382 Letztlich besteht für den steuerlichen Bereich die Vermutung, daß die buchmäßigen Kassenfehlbeträge auf nicht gebuchteEinnahmen zurückgehen bzw. auf das Buchen erhöhter Ausgaben zurückzuführen sind (vgl. Mittelbach, S. 57). LetztereVermutung läßt sich durch den Nachweis bislang nicht gebuchter Einlagen widerlegen (vgl. Bilsdorfer, DStZ 1982, 298,300).


) Äußerer BetriebsvergleichBe<strong>im</strong> äußeren Betriebsvermögensvergleich werden die Besteuerungsgrundlagen selbst odereinzelne Faktoren, die sich bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen auswirken, mit denvon anderen ähnlich strukturierten Betrieben verglichen 383 . <strong>Der</strong> Vergleich kann mit demRichtsatz oder einem anderen Einzelbetrieb erfolgen 384 .Bei dem Einzelbetriebsvergleich werden dagegen die Besteuerungsgrundlagen durch einenVergleich der Schlüssel- und Kennzahlen einzelner gleichartiger Betriebe mit den Zahlen deszu prüfenden Betriebs verglichen 385 .Die Schätzungen aufgrund des äußeren Betriebsvergleichs können Grundlage für einestrafrechtliche Verurteilung sein, wenn Aufzeichnungen oder Buchführungsunterlagen bei demSteuerpflichtigen nicht vorgefunden werden können oder wegen mangelhafter und unkorrekterAufzeichnung unbrauchbar sind 386 .Allerdings müssen wegen der vorgegebenen Objektivierung und Relativierung etwa derRichtsätze die Umstände des Einzelfalls in angemessenem Umfang berücksichtigt werden 387 .Es genügt also nicht, daß der Strafrichter die Zahlen der Richtsatzsammlung ungeprüftübern<strong>im</strong>mt. Vielmehr müssen in begründeten Fällen die besonderen wirtschaftlichenVerhältnisse des betreffenden Steuerpflichtigen in die Schätzung des Strafrichters Eingangfinden. So müssen z.B. die Lage des Betriebes, Absatzmöglichkeiten, günstigeEinkaufsmöglichkeiten usw. berücksichtigt werden 388 . Soweit Lagenachteile oder sonstigeindividuelle Eigenheiten be<strong>im</strong> Betrieb des Steuerpflichtigen bestehen, muß der Strafrichterdiese, gegenüber der Richtsatzsammlung nachteiligen Abweichungen, bei seiner Schätzungmit einkalkulieren 389 .Grundsätzlich ist somit der äußere Betriebsvergleich taugliche Grundlage zur Schätzung nach§ 162 AO, die auch strafrechtlicher Überprüfung standhält.383 Mittelbach, S. 57; Schwarz/Frotscher, vor §§ 193-203 RN 29.384 Eine Gewinn- oder Umsatzschätzung darf allerdings bei einem formell ordnungsmäßig ermittelten Buchführungsergebnisnicht allein darauf gestützt werden, der erklärte Gewinn oder Umsatz weiche von den Zahlen der amtlichenRichtsatzsammlung ab. Denn es müssen sonstige Umstände hinzutreten, die die Vermutung der sachlichen Richtigkeitder Buchführung entkräften (vgl. BFH, BStBl. 1975 11, 217; Feißt, S. 114).385 Mittelbach, S. 60, 62, 63; Mittelbach, NWB, Fach 97, S. 776.386 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 300.387 F/G/S-Samson, § 370 Anm. 40; BGH, Urteil vom 19.09.1961 zit. bei F/G/S aaO..388 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 300; Marschall, DStR 1979, 587, 588.389 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 300.


cc) Innerer BetriebsvergleichBe<strong>im</strong> inneren Betriebsvergleich werden steuerliche Eckwerte (z.B. Umsatz, Roh- undReingewinn, best<strong>im</strong>mte Kosten) nicht mit gleichartigen fremden Betrieben, sondern mit denentsprechenden Eckwerten desselben Betriebes aus Vorjahren verglichen 390 .Für das Strafverfahren kann aus der Feststellung von Ungere<strong>im</strong>theiten be<strong>im</strong> Vergleich dieserEckwerte auf Steuerverkürzungen geschlossen werden 391 .dd) Schätzung nach EinzelfeststellungenDie Schätzung nach Einzelwertfeststellungen ist die Auswertung von Kontrollmitteilungen bzw.eine individuelle Schätzung nach Auskunft von Lieferanten.Soweit die Zahlen der Kontrollmitteilungen (unter Berücksichtigung von Betriebsausgabenoder Werbungskosten) bzw. der Auskünfte der Feststellungen der Besteuerungsgrundlagenzugrunde gelegt werden, bleibt hiergegen auch für das Steuerstrafverfahren nichtseinzuwenden. Es handelt sich hierbei, soweit keine freien Zuschätzungen in Form vonSicherheitszuschlägen erfolgen, genau genommen um keine Schätzung, da die einerSchätzung innewohnende Unsicherheit bei Erfassung aller Einnahmen gerade nichtbesteht 392 .ee) Schätzung nach LebenshaltungskostenBei der Schätzung nach Lebenshaltungskosten wird der Reingewinn des Steuerpflichtigenanhand seines persönlichen Verbrauchs und seiner Lebensführung ermittelt. Grundlage dieserMethode ist der Gedanke, daß jeder Mensch zur Bestreitung seines Lebensbedarfs einenbest<strong>im</strong>mten Mindestbetrag benötigt 393 .Kann der Angeklagte keine Angaben -über die Herkunft der Mittel für seinen Mindestbedarfmachen bzw. hat die Nachprüfung der Angaben deren Unrichtigkeit ergeben, kann aus demAufwand des Angeklagten für seine Lebensführung durchaus der Schluß auf einen390 Mittelbach, S. 64; Erhard, S. 89; Schwarz, vor §§ 193-203 RN 28.391 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 301.392 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 301.393 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 301.


Mindestbetrag der verkürzten Steuern geschlossen werden 394 . Eine entsprechendeDarstellung ist auch <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>swege möglich.ff) VermögenszuwachsrechnungDie Vermögenszuwachsrechnung ist ein periodischer Vermögensvergleich, bei der dieJahresendsalden miteinander verglichen werden 395 . Sie geht davon aus, daß die Summe von(privatem) Verbrauch und Vermögensmehrung in einer Periode aus den Einkünften dieserPeriode finanziert worden sein muß 396 . Ist als Saldo der tatsächliche Vermögenszuwachsrechnerisch möglich, findet sich nach der Vermögenszuwachsrechung kein Ansatzpunkt füreine Zuschätzung. Ist jedoch der Vermögenszuwachs höher, als er es rechnerisch nach denAusgaben und den deklarierten Einnahmen sein dürfte, ist der Fehler in der Buchführungevident, wenn nicht steuerfreie oder nicht steuerbare Mittelzuflüsse -wie etwa Geldgeschenke<strong>Dr</strong>itter- nachgewiesen werden können 397 und berechtigt dann zur Zuschätzung 398 .b) Verwertbarkeit der Schätzungen der Finanzbehörde <strong>im</strong> Straf(befehls)verfahrenSämtliche Schätzungen -das ist dem System der Schätzung <strong>im</strong>manent- leiden an erheblichenUngenauigkeiten 399 . Zu ungenau sind jedoch die Voll- und Teilschätzung sowie dieGeldverkehrs- und die Kassenfehlbetragsrechnung. Erstere setzen die Hinterziehung vorausund wollen steuerlich den Mehrbetrag erfassen und sind daher zur Begründung einerHinterziehung nicht geeignet. Letzere setzen die Hinterziehung zwar nicht voraus, habenjedoch nur lndizcharakter. Zusammen mit anderen Indizien sind sie schwache Indikatoren fürdie Hinterziehung. Sie haben allenfalls die Funktion von Hilfsargumenten. <strong>Der</strong> Verfasser eines<strong>Strafbefehl</strong>santrages wird daher hierauf nie abstellen. Eine dünne und möglicherweiseunrichtige oder gar leicht angreifbare Argumentation <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> reizt geradezu Einsprucheinzulegen und ist daher <strong>im</strong> Hinblick auf die Akzeptanzfunktion eher contraproduktiv. Hat dieStrafverfolgungsbehörde andere, schlüssige und durchgreifende Argumente, so werden dieseüberzeugen und es bedarf der Geldverkehrs- und Kassenfehlbestandsrechnung nicht mehroder aber der <strong>Strafbefehl</strong>santrag basiert erst Recht auf wenig oder nicht tragfähigen Indizien.394 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 301; F/G/S-Samson, § 370 RN 40; Marschall, DStR 1979, 587 L, 588; BFH, Urteil vom03.08.1966, BStBl. 1966 III, 1109.395 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 301.396 Schwarz/Frotscher, vor §§ 193-203 RN 31.397 Schwarz/Frotscher, vor §§ 193-203 RN 31.398 Schwarz/Frotscher, vor §§ 193-203 RN 31; BFH/NV 1991, 724.399 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 53.


Demgegenüber ist eine Nachkalkulation auf der Basis ordnungsgemäß ermittelter Ergebnissefrüherer und späterer Jahre (innerer Betriebsvergleich) oder die Schätzung nachLebenshaltungskosten oder die Vermögenszuwachsrechnung in der Regel schon wesentlichzutreffender 400 . Sie können zur Begründung einer Steuerhinterziehung dem Grunde und derHöhe nach <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>swege dienen. Die Feststellung eines Mehrergebnisses aufgrundEinzelfeststellungen ist keine Schätzung, sondern eine Nachkalkulation aufgrundentsprechender Einzelnachweise. Sie ist nicht Indiz, sondern Beweismittel. Ihre Verwendung<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> überzeugt.c) Übertragbarkeit der Schätzungen in das Strafverfahren<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfasser muß die Steuerhinterzichung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> überzeugend darstellen,will er den Richter als auch den Beschuldigten von der Richtigkeit des Tatvorwurfs und derAngemessenheit der Strafe überzeugen. Denn der Strafrichter hat die Höhe der verkürztenSteuer selbständig zu schätzen und darf nicht einfach die Schätzung der Finanzbehördeübernehmen 401 . Und der Beschuldigte soll schließlich den <strong>Strafbefehl</strong> akzeptieren, andernfallsder <strong>Strafbefehl</strong>santrag unsinnig und sogleich Anklage zu erheben wäre.Hat der Steuerpflichtige unrichtige Angaben gemacht, ergibt sich die Höhe derSteuerverkürzung aus einem Vergleich zwischen der festgesetzten (Ist-) Steuer und dertatsächlich geschuldeten (Soll-) Steuer. In Schätzungsfällen bedeutet dies, daß die zunächstveranlagte Steuer mit der zu vergleichen ist, die sich nunmehr aufgrund der Schätzungergibt 402 .Hat der Steuerpflichtige überhaupt keine Steuererklärung abgegeben, so ist Grundlage für dieStrafzumessung die gesamte <strong>im</strong> Schätzungswege ermittelte Steuerschuld 403 .d) Besonderheiten <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenFür den <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> Steuerrecht ist bei der Schätzung folgende Besonderheiteinschränkend zu beachten:400 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 53.401 <strong>Der</strong> Strafrichter muß sich die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung nach § 261 sich auf der Grundlage derSchätzung bilden (vgl. Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 54; BGH, wistra 1986, 65.).402 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 54.403 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 54.


<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag wird von der Staatsanwaltschaft bzw. der Bußgeld- undStrafsachenstelle des Finanzamtes be<strong>im</strong> Amtsgericht gestellt. Dabei wird von derStaatsanwaltschaft bzw. der Bußgeld- und Strafsachenstelle der <strong>Strafbefehl</strong> vorformuliert undder Erlaß dieses vorgefertigten <strong>Strafbefehl</strong>s beantragt 404 .<strong>Der</strong> Richter kann den <strong>Strafbefehl</strong> in dieser beantragten Form erlassen oder den Antragzurückweisen, § 408 Abs. 3 405 . Jedenfalls kann er nicht ein anderes Strafmaß als dasbeantragte einsetzen 406 . Andererseits hat er sich jedoch bei Schätzungen ein eigenes Bild vonder Schätzung zu machen 407 . <strong>Der</strong> Tatrichter darf auch Schätzungen des Finanzamtes oder derSteuerfahndungsstelle übernehmen 408 , dies aber nur, wenn er sie überprüft und von ihrerRichtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichendenstrafrechtlichen Grundsätze i.S.d. § 261 überzeugt ist 409 . Die Schätzung muß schon nachsteuerlichen Gesichtspunkten in sich schlüssig sein 410 . Ihre Grundlagen müssen in denUrteilsgründen für das Revisionsgericht nachprüfbar mitgeteilt sein 411 . Nur soweit der Richterzu -von den Schätzungsergebnissen der Staatsanwaltschaft bzw. der BuStra- abweichendenErgebnissen gelangt, wird er die Unterzeichnung des beantragten <strong>Strafbefehl</strong>s ablehnen.Wird ein <strong>Strafbefehl</strong> bei einem Schätzungsfall verwandt, muß hier in ausreichendem UmfangSachverhalt dargestellt und insbesondere der Rechenweg dargelegt werden. Dies isteinerseits erforderlich, damit der Richter, der die Schätzung überprüfen soll, denGedankengang der BuStra nachvollziehen kann. Aber auch <strong>im</strong> Hinblick auf die Überzeugungdes Beschuldigten, der den <strong>Strafbefehl</strong> ebenfalls akzeptieren soll, andernfalls sogleich hätteAnklage erhoben werden können. Hier sind m.E. die Anforderungen an die Darstellung <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong> höher als an eine Anklageschrift, andernfalls der <strong>Strafbefehl</strong> der Akzeptanzfunktionnicht gerecht wird. Die Strafverfolgungsbehörde sollte mindestens zwei Schätzungsmethodenund die beiden Rechenwege aufzeigen, damit der <strong>Strafbefehl</strong> sich <strong>im</strong> Schätzungsfall auf einehöhere Richtigkeitsgewähr und eine höhere Überzeugungskraft von dem so ermitteltensteuerlichen Mehrergebnis stützen kann.<strong>Der</strong> opt<strong>im</strong>ale <strong>Strafbefehl</strong> wird also in solchen Fällen umfangreich den Tatvorwurf darlegen, sodaß er inhaltlich eine Art wesentliches Ergebnis der Ermittlungen wiedergibt.404 Nr. 176 RiStBV.405 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 7 ff..406 KK-Müller, § 408 RN 3.407 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298, 299.408 Bay0bLG, wistra 1993, 236 = NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13, S. 845.409 BGH, HFR 1993, 97 = NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13, S. 844.410 Bay0bLG, wistra 1993, 236 = NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13, S. 845.411 Bay0bLG, wistra 1993, 236 = NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13, S. 845.


<strong>Der</strong> opt<strong>im</strong>ale <strong>Strafbefehl</strong> wird in Schätzungsfällen mindestens zwei dieserSchätzungsmethoden kombinieren, um Richter und Beschuldigten zu überzeugen und so denEinspruch zu vermeiden 412 .In der Praxis werden die Ergebnisse einer steuerlichen Schätzung zwar vielfach für dasSteuerstrafverfahren übernommen, jedoch sogenannte Sicherheitsabschläge hinsichtlich desMehrergebnisses vorgenommen.Im Hinblick auf die Akzeptanzfunktion ist in dem <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> Schätzungsfall der Tatvorwurfund die Berechnungsmethode der Schätzung sehr ausführlich -wie ein wesentliches Ergebnisder Ermittlungen- darzustellen.Damit muß je nach Tatvorwurf der Umfang des <strong>Strafbefehl</strong>s variieren: Auf den typischenUmfang eines <strong>Strafbefehl</strong>s z. B. wegen einer Körperverletzung von zwei oder allenfalls dreiSeiten, ist jedoch der strafrechtliche Vorwurf einer Steuerverkürzung wegen der Verpflichtungzur Darstellung des Steuer-Ists und des Steuer-Solls und der jeweiligen Differenz nachBesteuerungszeitraum bzw. der Darstellung des Gesamtverkürzungsbetrages nichtunterzubringen. Vom Umfang her muß der Vortrag hier also etwa einern abgekürzten Urteilentsprechen, § 267 Abs. 4. Denn die Situation entspricht auch in etwa einem abgekürzten Urteil:Zwar haben Staatsanwaltschaft und Angeklagter nicht auf Rechtsbehelfe verzichtet,jedoch hat die Staatsanwaltschaft keinen Rechtsbehelf, wenn der <strong>Strafbefehl</strong> antragsgemäßerlassen wird und Ziel des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens ist es gerade, den Beschuldigten von dermateriellen Richtigkeit des Tatvorwurfs und der Angemessenheit der Strafe zu überzeugen, sodaß er den ihm zwar zustehenden Rechtsbehelf des Einspruchs nicht geltend macht. Somit istdie opt<strong>im</strong>ale Situation <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren etwa mit dem beiderseitigenRechtsmittelverzicht, der Voraussetzung für ein abgekürztes Urteil ist, vergleichbar. <strong>Der</strong><strong>Strafbefehl</strong>sentwurf muß dies bereits berücksichtigen.Ist jedoch der Verkürzungsvorwurf auf eine Schätzung gestützt, muß eine Art wesentlichesErgebnis der Ermittlungen <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> dargestellt werden, da andernfalls der <strong>Strafbefehl</strong>wohl nicht akzeptiert werden wird.5. in dubio pro reo<strong>Der</strong> Grundsatz in dubio pro reo ist <strong>im</strong> Strafprozeßrecht nicht ausdrücklich geregelt. Er ergibtsich aus der in Art 6 II MRK niedergelegten Unschuldsvermutung 413 .412 Suhr/Naumann/Bilsdorfer, Tz. 258; Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 55.


Die Rechtsnatur des in dubio - Satzes ist umstritten 414 . Die Rechtsprechung des BGH 415wendet den Rechtssatz in dubio pro reo <strong>im</strong> Gegensatz zum RG 416 mit Rücksicht auf § 352StPO als materiellen Rechtssatz an 417 .<strong>Der</strong> sachliche Gehalt des in dubio - Satzes ist - vom Kernbestand abgesehen - bis heuteungeklärt 418 . Eine nennenswerte Aussagekraft dürfte die Unschuldsvermutung daher erstgewinnen, wenn man sie als Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotesauffaßt: Was einem in Wahrheit Unschuldigen schlechterdings nicht zugemutet werden kann,darf keinem Verdächtigen vor seiner rechtskräftigen Aburteilung auferlegt werden 419 .Sachlich wendet die Rechtsprechung den in dubio- Satz grundsätzlich nur dann an, wenn derdem Täter günstigere Sachverhalt als ein rechtliches Minus zu dem sonst in Betrachtkommenden ungünstigeren Sachverhalt steht 420 .Erst bei unüberwindlichen Zweifeln über das Ausmaß der Steuerverkürzung gilt der Grundsatzin dubio pro reo 421 . Denn die strafrichterliche Verurteilung erfordert eine Überzeugung desRichters, daß der Angeklagte die Tat begangen hat 422 . Zweifel hieran müssen sich zugunstendes Angeklagten auswirken 423 .Dieses Gebot, <strong>im</strong> Zweifel zugunsten des Angeklagten -von einem ihm günstigerenSachverhalt auszugehen, erfordert jedoch nicht, daß dem Angeklagten jeder Einwandabgenommen und der Betrag der von ihm verschwiegenen Einnahmen ihm auf jeden Pfenniggenau nachgewiesen werden müßte 424 . Denn der genaue Nachweis ist nur aufgrund seinereigenen Aufzeichnungen oder der seiner Geschäftspartner möglich. Fehlt es jedoch hieran, soist gemäß § 162 AO eine Schätzung vorzunehmen, damit die fehlendenBesteuerungsgrundlagen, die nicht ermittelbar sind, der Besteuerung unterworfen werdenkönnen.413 Roxin, § 11 II.414 Kleinknecht/Meyer, vor § 1 RN 39; Seibert MZ 49, 557; NJW 1965, 172; Frisch, Henkel-Festschrift, S. 273; Hamm NJW1951, 286.415 BGH bei Herlan, MDR 1955, 652.416 RGSt 52, 319.417 Kleinknecht/Meyer, vor § 1 RN 39.418 Roxin, § 11 Il.419 Roxin, § 11 II.420 Kleinknecht/Meyer, StPO-Kommentar, § 1 RN 39.421 F/G/S-Samson, § 370 RN 40; Stypmann, wistra 1983, 95.422 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 2.423 F/G/S-Samson, § 370 RN 40; Stypmann, wistra 1983, 95.424 F/G/S-Samson, § 370, RN 40.


Schätzungen, die <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren sich zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirken,können sich hier aber nicht zwingend zu seinen Lasten auswirken. Denn <strong>im</strong> Steuerrecht ist derSteuerpflichtige gemäß § 90 AO zur Mitwirkung und insbesondere zur Aufklärung desSachverhaltes verpflichtet. Anders ist dies <strong>im</strong> Strafverfahren: Hier muß der Beschuldigte nichtan seiner Überführung mitwirken 425 . Daher können die Regeln über die Feststellungslast nichteinfach in das Strafrecht transponiert werden, mit der Folge, daß unaufgeklärte Sachverhaltezu Lasten des Beschuldigten als nachgewiesen angesehen werden. Denn nicht derBeschuldigte muß sich entlasten, sondern der Staat, vertreten durch den Staatsanwalt alsAnkläger, muß die Tat, Rechtswidrigkeit und Schuld des Beschuldigten beweisen.Bei steuerbegründenden oder steuererhöhenden Tatsachen trägt das Finanzamt grundsätzlichdie Feststellungslast. Bei steuermindernden oder steuerbeseitigenden Umständen dagegenkann aus dem Schweigen des Steuerpflichtigen auf Anfragen des Finanzamtes dieVerweigerung bzw. die Unaufklärbarkeit eines Sachverhaltes geschlossen werden, mit derFolge, daß die unklaren steuermindernden oder steuerbeseitigenden Tatsachen nichtanerkannt werden. Im <strong>Steuerstrafrecht</strong> kann der Umstand, daß Angaben des Steuerpflichtigennicht anerkannt wurden somit nicht zwingend zu dem Vorwurf führen, daß der Steuerpflichtigeeine Steuerhinterziehung versuchte.Da die Nichterweislichkeit einer steuermindernden oder steuerbeseitigenden Tatsache nichtden logisch zwingenden Schluß zuläßt, der Steuerpflichtige habe über steuerlich erheblicheTatsachen unrichtige Angaben machen wollen und so Steuern hinterziehen wollen.Die Steuerverkürzung ist ein Erfolgsdelikt 426 . Hierbei ist der Begriff der Verkürzungumstritten 427 . Einige Autoren meinen, der Erfolg der Steuerverkürzung bestehe in der"Verkürzung von Steuereinnahmen” 428 . Andere Autoren sind der Auffassung, daß der"Steueranspruch" Gegenstand der Verkürzung sei 429 . Wer die Steuereinnahmen alsGegenstand der Tat ansieht, weist darauf hin, daß der Steueranspruch als schuldrechtlicheBeziehung zwischen Täter und Steuergläubiger durch die <strong>im</strong> Gesetz erfaßten Tathandlungenin seiner rechtlichen Existenz überhaupt nicht beeinträchtigt werden kann. Es gehe vielmehr425 F/G/S-Joecks, § 385 RN 17.426 F/G/S-Samson, § 370 RN 13.427 F/G/S-Samson, § 370 RN 14.428 so noch der Wortlaut des § 3921 RAO 1968; F/G/S-Samson, § 370 RN 14; Terstegen, S. 88; Kohlmann, § 392 RAO RN38; Henke FR 1966,188.429 F/G/S-Samson, § 370 RN 14; Welzel NJW 1953, 486; Hartung IV 1 zu § 396 RAO 193 1; RG, Urteil vom 03.07.1942,abgedruckt in RGSt 76, 195; OLG Hamburg, Urteil vom 16.12.1965, abgedruckt in NJW 1966, 845.


<strong>im</strong>mer nur darum, daß dem Fiskus diejenigen Einnahmen tatsächlich vorenthalten werden, dieihm rechtlich zustehen 430 .Die Vertreter der Gegenmeinung weisen demgegenüber darauf hin, daß unter Einnahmen nurdie tatsächlich vereinnahmten Gelder zu verstehen seien. Bei solch einem Verständnis würdeder Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO einerseits zu eng, weil Gegenstand der Tat nur noch dietatsächlich geleisteten Geldmittel sein könnten, und andererseits zu weit, weil der Zugriff desungetreuen Kassenbeamten des Staates auf die bereits vereinnahmten Mittel erfaßt würde 431 .Mit Samson, Buschmann und Kohlmann wird man hier jedoch konstatieren dürfen, daß es sichhierbei nur um einen unfruchtbaren Streit um Worte handelt 432 . Kein Autor hat nämlich die ihmvon der Gegenmeinung unterstellten Folgerungen aus seiner eigenen Position gezogen.Vielmehr besteht größte Einigkeit in der Sache. Weder wird die Ansicht vertreten, nur dieBeeinträchtigung des rechtlichen Bestandes des Steueranspruchs genüge für § 370 Abs. 1AO, noch beziehen die Anhänger der Gegenmeinung den Begriff der Steuereinnahme auf dietatsächlich vereinnahmten Gelder 433 .Wie Hübner zutreffend darlegt, ist nämlich zwischen Ist-Einnahme und Soll-Einnahme zuunterscheiden. Eine Steuerverkürzung liegt dann vor, wenn die Ist-Einnahme hinter derSoll-Einnahme zurückbleibt 434 . <strong>Der</strong> Erfolg der Steuerverkürzung ist somit dann eingetreten,wenn der jeweilige Steuergläubiger weniger einn<strong>im</strong>mt, als er zu beanspruchen hat 435 .Diese recht pauschale Definition des Steuerverkürzungsbegriffs wird dadurch präzisiert, daßdie h.M. vom Fälligkeitstermin ausgeht und folgende Modifizierungen für dieVeranlagungsteuern vorn<strong>im</strong>mt:Bei Fälligkeitssteuern soll die Verkürzung eintreten, sobald die Steuer am Fälligkeitsterminnicht gezahlt ist 436 .Veranlagungssteuern sind solche Steuern, bei denen die Fälligkeit nach einerVeranlagungshandlung des Finanzamtes fällig wird 437 . An sich tritt der Verkürzungserfolg auchbei den Veranlagungsteuern erst dann ein, wenn am Fälligkeitstermin die Steuerzahlung bei430 F/G/S-Samson, § 370 RN 14.431 F/G/S-Samson, § 370 RN 14.432 F/G/S-Samson, § 370 RN 14; Buschmann/Luthmann, S. 11; Kohlmann, § 370 Rn 74.433 F/G/S-Samson, § 370 RN 14.434 F/G/S-Samson, § 370 RN 15; Hepp/Hübschmann/Spitaler, § 370 AO RN 28.435 F/G/S-Samson, § 370 RN 15.436 BGH, Urteil vom 24.09.1953, abgedruckt in NJW 1953, 1841; BGH, Urteil vom 28.11.1957, abgedruckt in MZ 1965,191; Hepp/Hübschmann/Spitaler, § 370 RN 56; Kohlmann, § 370 RN 13.437 F/G/S-Samson, § 370 RN 24.


der Finanzkasse nicht eingegangen ist 438 . Dieser Grundsatz wird jedoch durch zweiAusnahmen durchbrochen und damit <strong>im</strong> Ergebnis völlig aufgehoben:Die erste Ausnahme findet sich als ausdrückliche Regelung in § 370 Abs. 4 Satz 1 AO.Danach ist eine Steuer schon dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nichtrechtzeitig festgesetzt wird. Das bedeutet, daß bereits die zu niedrige Festsetzung der Steuerden Verkürzungserfolg eintreten läßt, obgleich der Fälligkeitstermin zu diesem Zeitpunkt nochnicht verstrichen ist 439 .Die zweite Ausnahme ergibt sich bei den Veranlagungsteuern aus äußeren Sachzwängen.Verhindert der Täter, daß er veranlagt wird, wird seine Steuerschuld mangels Veranlagungund somit mangels Bekanntgabe der Festsetzung auch nicht fällig, § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 440 .Eine Vollendung könnte hier nie eintreten. Um dieses Ergebnis zu verhindern, n<strong>im</strong>mt die h.M.an, daß der Verkürzungserfolg dann eintritt, wenn die Veranlagung und Festsetzung beiordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung erfolgt wäre 441 . Dies ist etwa 14 Monate nachBeendigung des zu veranlagenden Zeitraumes. Denn Ende Februar des übernächstenFolgejahres sind i.d.R. alle be<strong>im</strong> Finanzamt eingegangenen Steuererklärungen <strong>im</strong>Veranlagungsbezirk bearbeitet. Innerhalb dieses etwa 14-monatigen Zeitraumes werdentäglich Veranlagungen durchgeführt und fertiggestellt. Zugunsten des Täters wird jedoch nichtein Mittelwert oder sonstiger willkürlicher Monat innerhalb dieses Zeitraumes herausgegriffen,sondern zugunsten des Täters wird derjenige Zeitpunkt gewählt, in dem dieVeranlagungsarbeiten in diesem Bezirk "<strong>im</strong> großen und ganzen" abgeschlossen waren 442 .Anders verfährt die wohl h.M. 443 bei Fälligkeitsteuern, bei denen eine Anmeldung erforderlichist 444 . § 370 Abs. 4 Satz 1, 2. HS AO entscheidet nämlich die früher streitige Frage, ob alsSteuerfestsetzung auch die vorläufige Festsetzung oder die Festsetzung unter dem Vorbehaltder Nachprüfung anzusehen ist 445 <strong>im</strong> positiven Sinn, und stellt der Steuerfestsetzung darüberhinaus auch diejenige Steueranmeldung gleich, die wie eine Steuerfestsetzung unter demVorbehalt der Nachprüfung zu behandeln ist 446 . Nach § 168 S. 1 AO steht eine Steueranmeldung,das ist eine Steuererklärung, in der der Steuerpflichtige die Steuer selbst zu berechnen438 F/G/S-Samson, § 370 RN 24.439 F/G/S-Samson, § 370 RN 24.440 F/G/S-Samson, § 370 RN 24.441 F/G/S-Samson, § 370 RN 24.442 F/G/S-Samson, § 370 RN 24; BGH, BStBl. 1956 I,441; BGH, GA 1980,219; OLG Hamm, FR 1963, 30 1; OLGHamburg, NJW 1966, 845; Hepp/Hübschmann/Spitaler, § 370 RN 56; Kohlmann, § 370 RN 54 und RN 102.443 F/G/S-Samson, § 370 RN 25.444 F/G/S-Samson, § 370 RN 25.445 F/G/S-Samson, § 370 RN 25.446 F/G/S-Samson, § 370 RN 25.


hat, grundsätzlich einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich 447 .Nur dann, wenn die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtendenSteuer oder zu einer Steuervergütung führt, erfolgt die Gleichstellung erst bei der Zust<strong>im</strong>mungder Finanzbehörde, § 168 S. 2 AO. Aus diesen Vorschriften allein scheint zu folgen, daßFälligkeitsteuern mit notwendiger Steueranmeldung nunmehr wie Veranlagungsteuern zubehandeln sind 448 . <strong>Der</strong> Erfolg der Steuerverkürzung wäre sodann schon dann eingetreten,sobald die Steueranmeldung, die einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfungentspricht, abgegeben ist 449 .<strong>Der</strong> Zweifelssatz gilt auch für den Indizienbeweis. Insoweit müssen belastende Indizienzunächst feststehen, mit der Folge, daß der in dubio - Satz dann eingreift, wenn ein einzelnesBelastungsindiz nicht schlüssig genug festgestellt werden kann 450 . Dahinter steht dieÜberlegung, daß aus bloßen Möglichkeiten oder Wahrscheinlichkeiten keine Gewißheitbegründet werden kann 451 . Ein non liquet führt dazu, daß ein einzelnes Indiz als nichtbewiesen aus der Beweismasse ausscheidet und an der Gesamtwürdigung des Beweisstoffesnicht mehr teiln<strong>im</strong>mt 452 . Dies hat zur Konsequenz, daß der Zufluß einer Einnahme sicherfeststehen muß, um zur Grundlage einer Verurteilung gemacht werden zu können, § 261.Ansonsten soll <strong>im</strong> Hinblick auf entlastende Umstände der Zweifel an einer lndiztatsache nichtisoliert nach dem Zweifelssatz beurteilt werden, vielmehr ist eine Gesamtwürdigungentscheidend 453 . Führt die Gesamtwürdigung zu der richterlichen Überzeugung, daß diefeststehenden Indizien stärker als die nicht aufklärbaren Indiztatsachen sind, ist der Zweifelüber diese lndiztatsachen überwunden, anderenfalls führt die Gesamtwürdigung zurAnwendung des Grundsatzes in dubio pro reo 454 .Dies hat zur Folge, daß der Strafrichter etwaige Zweifel über die von dem Angeklagtenvorgetragenen Betriebsausgaben dadurch beseitigen muß, daß er neben der bereitsdurchgeführten Schätzung eine Geldverkehrsrechnung oder Vermögenszuwachsrechnungdurchführen muß, um die Plausibilität mit der Einlassung des Angeklagten zu überprüfen.447 F/G/S-Samson, § 370 RN 25.448 F/G/S-Samson, § 370 RN 25.449 F/G/S-Samson, § 370 RN 25, 32 ff.450 Joecks, wistra 1990, 52 ff., 55.451 BGH, JR 1954, 468; BGH bei Dallinger, MDR 1969 194, Herdegen, NStZ 1984, 342; Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 55.452 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 55.453 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 55.454 BGH, NStZ 1983, 422 mit Anm. Fulk; BGH, Urteil vom 31.10.1989, -1 StR 419/89; Hürxthal, § 261 RN 65; Joecks,wistra 1990, S. 52 ff., 55.


Denn erst mehrere verschiedene Schätzungsmethoden erhöhen nebeneinander angewendetdie Wahrscheinlichkeit der annähernden Richtigkeit der Schätzungen.Keinesfalls darf der Strafrichter den detaillierten Vortrag des Beschuldigten durch einenHinweis auf allgemeine Erfahrungssätze abtun 455 . Im Einzelfall kann dies - trotzmöglicherweise erheblicher bestandskräftiger Steuernachforderung - zu einem Freispruchführen.Joecks wirft die Frage auf, ob es <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren eine actio illicita in causa gibt 456 .Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs n<strong>im</strong>mt die Aufklärungspflicht- und damit der Umfang derTatsachenermittlung - bei Schätzungen in dem Maße ab, wie derSteuerpflichtige es an einer ihm billigerweise zuzumutenden Mitwirkung hat fehlen lassen unddie Beschaffung sonstiger Aufklärungsmittel mit unverhältnismäßig großem Aufwandverbunden ist. Dannecker 457 will diese Gedanken in das <strong>Steuerstrafrecht</strong> übertragen, indem erden hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der <strong>im</strong> Strafrecht ansonsten gilt, in derartigen Fälleneinschränken will. Die Reduzierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes rechtfertige sichdaraus, daß ein Steuerpflichtiger, der seine Mitwirkungspflicht verletzt habe, durch diesesVerhalten zu der Vermutung Anlaß gebe, daß er etwas zu verbergen habe 458 .In dieselbe Richtung tendieren offenbar SuhrlNaumann/Bilsdorfer, die behaupten, es würdeder Gerechtigkeit widersprechen, wenn der Täter deshalb Straffreiheit beanspruchen könne,weil der Strafrichter zu einer genauen Ermittlung der Steuer außer Stande ist, obwohl derTäter diesen Mangel gerade durch sein strafbares Verhalten selbst herbeigeführt habe 459 .<strong>Der</strong>artiges Gedankengut paßt nicht in das Strafprozeßrecht. Denn Dannecker wie auchSuhr/Naumann/Bilsdorfer bringen hier Strukturen in die Beweisregeln ein, die völlig untypischfür die strafprozessuale Beweislastverteilung sind, die vielmehr aus dem Notwehrrechtstammen. Das Institut der actio illicita in causa beschränkt das volle Notwehrrecht, wenn derAngegriffene die Notwehrlage rechtswidrig und vorwerfbar herbeigeführt hat. Rechtsfolge ist,daß er auszuweichen hat, dies bedeutet, daß er lediglich zur Schutzwehr berechtigt ist 460 ,hilfs-455 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 55.456 Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 55.457 Dannecker, S. 135.458 Danneckder, S. 135.459 Suhr/Naumann/Bilsdorfer, Tz. 257 unter Berufung auf BGH, Urt. v. 16.06.1954, -3 StR 222/53-, zitiert bei Lohmeyer,NJW 1959, 347; vgl. aber auch Meyer in Tröndle-Festschrift 1989, 61, 66 ff.; Joecks, wistra 1990, S. 52 ff., 55.460 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 32 StGB RN 24.


weise ist für den Angegriffenen eine mindestens weniger gefährliche oder zurückhaltendereVerteidigung zumutbar respektive eine normale Verteidigung nicht gerechtfertigt 461 .Übertragen ins <strong>Steuerstrafrecht</strong> bedeuten die Grundsätze deractio illicita in causa, daßderjenige, der rechtswidrig und vorwerfbar z.B. keine ordnungsgemäße Buchführung hat, auchnur beschränkte Rechtspositionen haben soll, dergestalt etwa, daß sich die Beweislast zuseinen Ungunsten verändert.Die Gedanken Danneckers und von Suhr/Naumann/Bilsdorfer erinnern auch an § 90 Abs. 2Satz 3 AO, wonach ein Beteiligter sich nicht darauf berufen kann, daß er den Sachverhaltnicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls beider Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumenlassen können.Joecks hält die Konstruktion von Dannecker und Suhr/Naumann/Bilsdorfer für unrichtig 462 .Zutreffend zieht Joecks eine Parallele dahin, daß niemand einem Angeklagten, der <strong>im</strong>Straßenverkehr alkoholisiert gefahren ist, eine unsichere Blutprobe mit dem Argumentvorhalten würde, eine bessere Methode der Blutalkoholbest<strong>im</strong>mung gebe es leider nicht,<strong>im</strong>merhin aber sei es der Angeklagte gewesen, der zumindest irgendetwas getrunken habeund sich nunmehr diese Unsicherheiten in der Best<strong>im</strong>mung seine BAK-Wertes zurechnenlassen müsse 463 .Joecks ist insoweit uneingeschränkt zuzust<strong>im</strong>men. Die Veränderung der Beweislast durch einmögliches Mitverschulden verstößt gegen den Grundsatz in dubio pro reo. Dieser kennt keineEinschränkung. Wollte man mit Dannecker und Suhr/Naumann/Bilsdorfer deren Konstruktionakzeptieren, liefe das auf eine wesentliche höhere Verurteilungsquote hinaus, da man fastjedem Angeklagten für irgendwelche fehlenden Beweise <strong>im</strong>mer wird anlasten könnte, daß ersie zumindest fahrlässig nicht gesicheirt habe. So müßte derjenige, der z.B. möglicherweise inNotwehr gehandelt hat, sich eventuell vorhalten lassen, daß er vor seiner Notwehrhandlungsich nicht entsprechende Beweise für die Notwehrlage beschafft hat, sei es durch Hilferufeund dem damit verbundenen Erwecken von Aufmerksamkeit von eventuellen Zeugen oder seies durch einen, gegebenenfalls nach einer Schlägerei, Arztbesuch, der die eigenen461 BGHSt 24, 356 mit zust<strong>im</strong>mender Anm. Roxin, NJW 1972,1821; BGH, NStZ 1988,269, mit Anm. Hohmann/Matt, JR1989,161; BGHSt 89,474, mit Anm. Beulke, JR 1990,380; <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 32 StGB RN 24.462 Joecks, wistra 1990, 52 ff., 55.463 Joecks, wistra 1990, 52 ff., 55.


Verletzungen hätte beispielsweise attestieren können. Damit würde der in Notwehr Handelndeaufgrund der von ihm verschuldeten schlechten Beweislage betreffend der Notwehr einemögliche Unaufklärbarkeit der Notwehrhandlung sich anlasten lassen müssen mit der Folge,daß keine Notwehr mehr anzunehmen wäre, er vielmehr rechtswidrig gehandelt hätte mit derweiteren Folge, daß er deswegen verurteilt würde.Diese Beispiele könnten beliebig erweitert werden und zeigen, daß die Einschränkungen desin dubio-Satzes wie von Dannecker und Suhr/Naumann/Bilsdorfer angedacht, nicht gangbarsind.Da es somit generell bei dem in dubio-Satz keine aetio illicita in causa gibt, gibt es etwasvergleichbares selbstverständlich auch nicht <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren.Die Ablehnung des Vorschlages von Dannecker und Suhr/Naumann/Bilsdorfer führt dazu, daßdie steuerlichen Ergebnisse von den steuerstrafrechtlichen Ergebnissen teils erheblichdifferieren. Dies ist jedoch wegen der Uneinschränkbarkeit des in dubio-Satzes hinzunehmen.Dies bedeutet für das Steuerstrafverfahren, daß das Fehlen irgendwelcher Unterlagen nochnicht als solches dazu führen kann, daß Unsicherheiten zum Nachteil des Beschuldigtenausgehen müssen oder dürfen 464 . Denn den Täter trifft niemals eine Beweislast 465 . Etwasanderes würde auch gegen den Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare sprechen,Damit ist <strong>im</strong> Ergebnis für die Übertragbarkeit steuerlicher Schätzungsmethoden in dasSteuerstrafverfahren die Gesamtsituation maßgebend. Trägt der Angeklagte keine Einwändegegen die Höhe der steuerlichen Schätzungen vor und kann der Strafrichter die steuerlichenSchätzungen nachvollziehen, so wird er sie gegebenenfalls unter Abzug gewisserSicherheitsabschläge, dem Tatbestand als auch bei der Strafzumessung, zugrundelegen 466 .Erhebt der Angeklagte hingegen gegen die Höhe der ihm zur Last gelegten Verkürzungen insubstantiierter Form Einwände, die die Aussagekraft der steuerlichen Schätzung erschüttern,kann der Strafrichter diesen Sachvortrag nicht mit dem Argument abtun, es sei der Angeklagtegewesen, der durch die Mängel seiner Buchführung die Notwendigkeit einer Schätzungverursacht habe. Es gibt keine Beweislast des Beschuldigten <strong>im</strong> Hinblick auf eine mögliche464 Joecks, wistra 1990, 52 ff., 55.465 LR-Gollwitzer, § 261 RN 106466 Joecks, wistra 1990, 52 ff., 55, 56.


Entlastung, sondern nur die Grenze der Widerlegung durch Beweisaufnahme, und die Grenzeder widerlegten Schutzbehauptung 467 .Hinzuweisen ist aus Verteidigersicht insoweit darauf, daß es sich nicht nur für dasEinspruchsverfahren bzw. finanzgerichtliche Klageverfahren empfiehlt, die Schätzung durcheine nachträgliche – zumindest fragmentarische - Buchführung zu widerlegen 468 . Auch für dasSteuerstrafverfahren gilt grundsätzlich die gleiche Empfehlung, da somit substantiiert dersteuerstrafrechtlich erhobene Vorwurf der geschätzten Verkürzung in der Regel erschüttertwerden kann. Hieraus ergibt sich dann gegebenenfalls die Möglichkeit einer tatsächlichenVerständigung in steuerlicher Hinsicht 469 , sowie die Möglichkeit einer Absprache in steuerstrafrechtlicherHinsicht. Zu empfehlen ist aus Verteidigersicht deshalb, das steuerliche wie auchdas steuerstrafrechtliche Verfahren offenzuhalten, bis absehbar ist, ob und welcheVerständigungen möglich sind.Sind keine Verständigungen möglich, empfiehlt es sich zunächst, das Steuerstrafverfahren zubeenden. Dies hat zumeist den Vorteil, daß der Strafrichter sich nicht auf bestandskräftigeBescheide bzw. ein rechtskräftiges finanzgerichtliches Urteil bei seiner Verurteilung stützenkann. Vielmehr kann er aus den angefochtenen Bescheiden wegen des Umstands, daß derAusgang des steuerlichen Verfahrens noch völlig offen ist, nichts für sich herleiten. Andersherum kann dann gegenüber der Finanzbehörde ein rechtskräftiges Strafurteil, das vonniedrigeren Verkürzungen ausgeht, dazu verwendet werden, die Zweifel an der Richtigkeit derAuffassung der Finanzbehörde zu untermauern.III. Die Entscheidung des GerichtsIm Steuerstrafverfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 261, wie in jedemRegelstrafverfahren. Dies bedeutet, das Gericht muß sich aufgrund der Beweisaufnahme vonder Schuld des Angeklagten eine eigene Überzeugung bilden 470 .Was das Maß der Überzeugung angeht, so ist ein nach der Lebenserfahrung ausreichendesMaß an Sicherheit erforderlich, dem gegenüber vernünftige Zweifel schweigen 471 .467 Joecks, wistra 1990, 52 ff., 56.468 Joecks, wistra 1990, 52 ff., 56.469 Zur Zulässigkeit einer vertraglichen Verständigung über Schätzungsergebnisse: Tipke/Kruse, § 162 AO RN 2 b;insbesondere in Schätzungssachen ist eine Verständigung über schwer zu ermittelnde Umstände zulässig und für dieBehörde bindend, BFH, BStBl. 1985 11, 354.470 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 1.


§ 261 StPO ist letztlich auch ein Orientierungsrahmen für die Ermittlungsbehörden. Diesbedeutet, sie müssen <strong>im</strong> Sinne einer faktischen Notwendigkeit, nicht einer gesetzlichenVerpflichtung entspringend, - von der Hürde des Eröffnungsbeschlusses (Grundlage für diesenbilden <strong>im</strong> Rahmen der Anklage die gesamten vorangegangenen Ermittlungen, nicht bloß dieAnklagesehrift) einmal abgesehen -, die Ermittlungsergebnisse so vorlegen, - vorausgesetzt,der Steuerpflichtige ist nach ihren Ermittlungen einer Steuerstraftat hinreichend verdächtig, §203 StPO - daß das Gericht aufgrund der Hauptverhandlung zur vollen Überzeugung von derobjektiven und subjektiven Verwirklichung des Steuerdeliktes durch den Angeklagten kommenkann 472 .Nach der Unschuldsvermutung, Axt 6 MRK, und des Untersuchungsgrundsatzes tiegt die"Beweislast" bei der Steuerbehörde 473 . “Beweislast” in diesem Sinne bedeutet insoweit eineWahrheitserforschungspflicht 474 .Auch gesetzliche Beweisvermutungen oder widerlegbare Beweisregeln bürden demBeschuldigten keine Beweislast auf und schränken auch die freie Beweiswürdigung nicht ein.Sie stellen nur das Beweisthema sowie den Beziehungspunkt für die Beweiswürdigung 475 .Zum Beispiel gestattet und verpflichtet die Beweisvermutung des § 69 Abs. 2 StGB - die Frageder Eignung, Kraftfahrzeuge zu führen - abweichend von der gesetzlichen Regelung zubeurteilen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen 476 .1. Prüfung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages durch den RichterDie Staatsanwaltschaft richtet den Antrag auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s an denStrafrichter 477 des angerufenen Gerichts 478 .Die Entscheidung über den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s ergeht außerhalb einer Hauptverhandlung.Daher wirken, soweit das Schöffengericht angerufen ist, die Schöffen bei der Entscheidung,471 Teske, S. 142.472 Teske, S. 142.473 Kleinknecht/Meyer-Goßner, 261 RN 23; Teske, S. 142.474 LR-Schäfer, Einl., Kap. 13 RN 45; Teske, S. 143.475 Teske, S. 143.476 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 23; LR-Schäfer, Einl., Kap. 13 RN 45; Teske, S. 143.477 Es ist streitig, ob nur der Strafrichter oder auch das Schöffengericht durch den Vorsitzenden für den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>szuständig ist. M.E. ist ausschließlich der Strafrichter zuständig, vgl. oben, Seite 32 ff., 47 ff..478 Nr. 175 V RiStBV.


ob der beantragte <strong>Strafbefehl</strong> zu erlassen ist, nicht mit, § 30 Abs. 1 GVG. Es entscheidet be<strong>im</strong>Schöffengericht also allein der Vorsitzende, § 30 Abs. 2 GVG 479 .Fraglich ist, ob besondere Anforderungen an den Grad der Überzeugung des Strafrichtersbe<strong>im</strong> Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s an das Zutreffen der <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag mitgeteilten Tatsachenzu stellen sind.Wegen des summarischen Charakters des <strong>Strafbefehl</strong>s könnte man annehmen, daß dieAnforderungen an die Überzeugung des Strafrichters nicht so hoch sein müssen, wie beieinem Urteil. Dafür könnte auch sprechen, daß der <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> Falle eines Einspruchs denEröffnungsbeschluß ersetzt. Also könnte man überlegen, ob die Überzeugung bei Erlaß eines<strong>Strafbefehl</strong>s derjenigen gleichen muß die für die Zulassung der Anklage und Eröffnung desHauptverfahrens <strong>im</strong> Sinn des § 203 StPO erforderlich aber auch genügend ist.Andererseits erwächst der <strong>Strafbefehl</strong> möglicherweise in Rechtskraft. Er steht dann einemUrteil gleich, § 410 Abs. 3 480 . Deswegen können die Anforderungen an dieÜberzeugungsbildung des Richters nicht allzu niedrig sein. Keinesfalls kann eine Parallelezum zivilrechtlichen Mahnbescheidsantrag gezogen werden, der ausdrücklich ohnerichterliche Prüfung ergeht, § 692 Abs. 1 Nr. 2 481 . Denn wegen der strafrechtlichenSanktionen, namentlich Geldstrafe bis zu 360 Tagessätze a' 10.000,-- DM und des Strafbannsbis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährung gegen den verteidigten Angeklagten, den der<strong>Strafbefehl</strong> gemäß § 407 Abs. 2 hat, sind best<strong>im</strong>mte Mindestanforderungen an den Grad derUberzeugung des Richters zu stellen.a) Allgemeine strafprozessuale AnforderungenDie forensische Wahrheitist ist die Grundlage der Sachentscheidung des Strafgerichts: Sie istdas, wovon der Richter aufgrund der Hauptverhandlung, durchgeführt nach den Grundsätzender Unmittelbarkeit und Mündlichkeit, voll überzeugt ist 482 .Für die richterliche Überzeugung genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maßan Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen 483 . Die Überzeugung479 str. vgl. oben, Seite 26 ff., 27 ff..480 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 410 RN 8 ff., 11, 12.481 Zöller / Vollkommer, § 692 RN 3.482 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 1; Rieß GA 1978, 257 ff..483 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 2; BGH VRS 24, 207 ff., 210.


in diesem Sinne ist eine persönliche Überzeugung des Richters 484 . Daher muß ein bloßtheoretischer Zweifel an der Schuld unberücksichtigt bleiben 485 .<strong>Der</strong> Richter darf aber nicht von seiner persönlichen Überzeugung ausgehen, soweit ihrzwingende Gesetze der Logik, feststehende Erkenntnisse der Wissenschaft oder dem Zweifelenthobene Tatsachen der Lebenserfahrung widerstreiten 486 .Bloße Vermutungen des Richters genügen jedoch nicht 487 . <strong>Der</strong> Beweis muß vielmehr mitlückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein 488 . Erst auf dieserGrundlage gewinnt der Richter seine persönliche Gewißheit, seine persönlicheUberzeugung 489 . Allein dies ist der gesetzliche Nachweis, der die Unschuldsvermutung des Art6 Abs. 2 MRK widerlegt 490 . Das bedeutet aber nicht, daß in den Urteilsgründen stets in allenEinzelheiten darzulegen ist, wie der Richter zu seiner persönlichen Überzeugung gelangt istund weshalb er folglich von diesem Sachverhalt ausgeht 491 .b) Anforderungen an die Überzeugung des Richters be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>Anforderungen an die Überzeugung des Richters ergeben sich einmal unter dem Blickwinkel,daß der <strong>Strafbefehl</strong> bei Einspruchseinlegung den Eröffnungsbeschluß ersetzt, ansonstendaraus daß er <strong>im</strong> Falle der Rechtskraft einem Urteil gleichsteht, § 410 Abs. 3.aa) Anforderungen an die Überzeugung des Richters wie be<strong>im</strong> EröffnungsbeschlußDa dem <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> Fall des Einspruchs die Bedeutung des Eröffnungsbeschlusseszukommt 492 , muß zumindest die Überzeugung des Richters von der dem Angeklagten zur Lastgelegten Tat das Maß dessen erreichen, das für den Eröffnungsbeschluß erforderlich ist. Fürden Eröffnungsbeschluß ist bei vorläufiger Tatbewertung aufgrund der Anklage und desAkteninhalts der Ermittlungsakte 493 ein hinreichender Verdacht der Verurteilung erforderlich.484 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 2; Celle NJW 1976, 2030 m. Anm. Peters JR 1978, 82; Hanack JuS 1977, 727m.w.N.; Fincke GA 1973, 266.485 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 2; BGH NJW 51, 83.486 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 2; BGHSt 29,18.487 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 2; BGH MDR 1980, 849; Schleswig Sch1H-A 84, 104 E/L.488 Kleinknecht/Meyer-Goßner, 261 RN 2; Peters JR 1977, 83; Bay 71, 128 = JR 1972, 30, rn. Anm. Peters; Köln NJW1977, 398, 399.489 Kleinknecht[Meyer-Goßner, § 261 RN 2; Celle NJW 1976,2031.490 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 2.491 Kleinknecht[Meyer-Goßner, § 261 RN 2; ders., § 267 RN 12.492 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 407 RN 7.493 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 203 RN 1, 2; BGHSt 23, 306; Bay NStZ 83, 123.


Die gleich hohe Wahrscheinlichkeit wie be<strong>im</strong> dringenden Tatverdacht <strong>im</strong> Sinn des §§ 112 Abs.1 Satz 1, 126 a Abs. 1 ist nicht erforderlich 494 .Dies entspricht auch dem summarischen Charakter des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens 495 . Denn derAngeklagte hat sich ggf. noch nicht zu dem Vorwurf - anders als regelmäßig in einerHauptverhandlung - geäußert. Somit kann der Überzeugung des Strafrichters noch nicht dieKraft zukommen, die er aufgrund des Eindrucks einer durchgeführten Hauptverhandlung vonder Tat haben kann. Somit ist eine niedrigere Überzeugung des Richters von der Tatnotwendig als nach Durchführung einer Hauptverhandlung.Daher sind an den Grad der Überzeugung des Strafrichters be<strong>im</strong> Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>sgeringere Anforderungen zu stellen, als an die Überzeugung bei Urteilsfällung.Andererseits kann der <strong>Strafbefehl</strong> mit den dort ausgeworfenen Rechtsfolgen rechtskräftigwerden. <strong>Der</strong> Eröffnungsbeschluß ist insoweit wesensverschieden: <strong>Der</strong> Eröffnungsbeschluß istnicht anfechtbar 496 . Nur die Ablehnung der Eröffnung ist durch die Staatsanwaltschaftanfechtbar, § 210 Abs. 1 497 . Jedenfalls erwachsen aus dem Eröffnungsbeschluß aber keine fürden Angeklagten unmittelbaren nachteiligen Rechtsfolgen. Daher muß der Richter von derRichtigkeit des <strong>Strafbefehl</strong>s in einem höheren Maße überzeugt sein, als von demEröffnungsbeschluß. <strong>Der</strong> Grad der Überzeugung des Richters be<strong>im</strong> Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>smuß also zwischen dem Grad der Überzeugung bei Erlaß des Eröffnungsbeschlusses unddem Grad der Überzeugung bei Urteilsfällung liegen.bb) Abweichungen vom <strong>Strafbefehl</strong>santragHält der Richter die sachliche Beurteilung des Falles nicht für zutreffend, aber bei seinerrechtlichen Beurteilung den dringenden Tatverdacht für gegeben, so kann er derStaatsanwaltschaft die Änderung des <strong>Strafbefehl</strong>s vorschlagen 498 . Beharrt dieStaatsanwaltschaft auf ihrer Beurteilung, so lehnt der Richter den Antrag auf Erlaß des<strong>Strafbefehl</strong>s ab, weil der hinreichende Tatverdacht für die von der Staatsanwaltschaftangenommene Straftat nicht besteht 499 . § 408 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative betrifft den Fall der494 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 203 RN 2; KK-Treier, § 203 RN 5; Schlüchter 400; a.M.: LR-Rieß, § 203 RN 12.495 KleinknechtfMeyer-Goßner, vor § 407 RN 1 ff., 2.496 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 210 RN 1 ff..497 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 210 RN 1.498 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 17.499 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 17.


abweichenden rechtlichen Beurteilung, § 408 Abs. 3 Satz 1, 3. Alternative betrifft den Fall derNichtübereinst<strong>im</strong>mung in der Rechtsfolge, die in dem <strong>Strafbefehl</strong> beantragt ist 500 .Schlägt der Richter die ihm notwendig erscheinende Änderung des Antrages vor und beharrtdie Staatsanwaltschaft gleichwohl auf ihrem Antrag, so darf der Richter den Antrag nichtablehnen, sondern nur die Hauptverhandlung nach § 408 Abs. 3 anberaumen 501 .Ein Abweichen des Richters von dem <strong>Strafbefehl</strong>santrag ist also nicht möglich.Grundsätzlich wird also für den Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s eine Übereinst<strong>im</strong>mung vonStaatsanwaltschaft und Gericht gefordert 502 . Dies soll eine erhöhte Gewähr für die Richtigkeitdes <strong>Strafbefehl</strong>s ergeben 503 . Dies kann sich jedoch naturgemäß nur auf eine materiellrechtlicheUberprüfung beziehen, wenn der Sachverhalt als zutreffend unterstellt wird. Diesegeforderte Übereinst<strong>im</strong>mung zwischen Staatsanwaltschaft und Richter soll Ersatz dafür sein,daß die Staatsanwaltschaft gegen den <strong>Strafbefehl</strong> keinen Rechtsbehelf hat 504 .cc) Weitere AufklärungStehen dem Antrag auf Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s Bedenken in rechtlicher oder tatsächlicherHinsicht entgegen, so darf der Richter den <strong>Strafbefehl</strong> nicht erlassen 505 . Er kann denStaatsanwalt auf Bedenken hinweisen, wenn sie durch Ändeungen oder Rücknahme behobenwerden können 506 . Über die Voraussetzungen für den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s entscheidet derRichter nach Aktenlage 507 . Das hindert den Richter nicht, daß er bei der Staatsanwaltschaftdie Klärung einer best<strong>im</strong>mten Frage anregt 508 , oder in Ausnahmefällen die Aufklärung einerFrage entsprechend § 202 StPO selbst vorn<strong>im</strong>mt 509 .500 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 17.501 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 17.502 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 407 RN 2.503 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 407 RN 2.504 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 407 RN 2.505 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 2.506 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 2.507 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 2.508 RiStBV 178 III; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 2.509 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 2; LR-Schäfer 25; Eb. Schmidt 11.


c) Anforderungen an die Überzeugung des Richters be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> beiSteuerstraftatenInsbesondere bei <strong>Strafbefehl</strong>santrägen, die Schätzungen zum Gegenstand des steuerlichenVerkürzungsvorwurfs beinhalten, muß der Richter mit der Schätzung der BuStra bzw. derStaatsanwaltschaft und dem von ihnen beantragten Strafmaß konform gehen. Nur <strong>im</strong> Falle derÜbereinst<strong>im</strong>mung darf er den <strong>Strafbefehl</strong> erlassen.Es überrascht daher nicht, wenn es zwischen derBuStra, der Staatsanwaltschaft und denGerichten feste Absprachen oder zum Teil auch Tabellen gibt, die je nach Verkürzungshöhestarre Strafen vorgeben. So ist <strong>im</strong> Großraum Kassel eine Tabelle bei BuStra, StA undGerichten in Umlauf, an die sich Behörden und Gerichte halten. Ähnliches ist auch <strong>im</strong> RaumWiesbaden bekannt: Zwar existiert keine Tabelle, aber es gibt eine relativ gefestigte Praxis.Bis zu 20.000,-- DM hinterzogenen Steuern werden 4 Tagessätze pro Tausend DM verhängt,darüber hinaus bis 100.000,-- DM für alle weitere 1.000,-- DM zwei Tagessätze. Ab 100.001,--DM wird dann 1 Tagessatz pro weitere tausend DM Verkürzungsbetrag angesetzt. DieVerkürzung von Umsatzsteuer wird <strong>im</strong> Raum Wiesbaden um 1/4 höher bestraft 510 . Dies wirddamit begründet, daß die Umsatzsteuer aus fiskalischer Sicht quasi Fremdgeld für denSteuerpflichtigen ist, das der Untemehmer vereinnahmt und in seinerUmsatzsteuervoranmeldung nicht deklariert hat. Straferhöhend soll sich also die besondersnegative Gesinnung des Täters gegenüber dem Gemeinwohl und dem Steueraufkommen desFiskus hier <strong>im</strong> Strafmaß niederschlagen.Da dieser Usus bei Gerichten, BuStra und Staatsanwaltschaft <strong>im</strong> Raum Wiesbaden bekanntist, bedarf es keiner besonderen Tabelle für Umsatzsteuerhinterziehungen: Die obigen Sätzemit dem Umsatzsteuerzuschlag sind auch so einheitlich und bekannt.Auf die hierin liegende Gefahr, daß durch die Tabellen bzw. den Usus individuelleStrafzumessungsregeln verkannt bzw. nicht angewandt werden und die Tabellen bzw. Taxenzu schematisch angewandt werden, soll später eingegangen werden 511 .Aufgrund der Tabellen bzw. allseits bekannten Praxis kann leicht Übereinst<strong>im</strong>mung zwischenGerichten und <strong>Strafbefehl</strong>santragstellern hergestellt werden, da sich die Behörden als auchGerichte an die bekannten Tabellen bzw. Taxen - mit den ggf. örtlichen Besonderheiten -halten.510 Auch die Lohnsteuerhinterziehung wird härter bestraft. Dem liegt prinzipiell der gleiche Gedanke zugrunde: Denn derdem Arbeitnehmer zustehende, einbehaltene Arbeitnehmeranteil ist für den unrichtig abführenden ArbeitgeberFremdgeld.


2. Bindung des Richters an den Antrag der Staatsanwaltschaft<strong>Der</strong> zuständige Richter prüft den Antrag auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s. Hat er keine Bedenkengegen die Schlüssigkeit des Tatvorwurfs und hält er das Strafmaß für angemessen, erläßt erden beantragten <strong>Strafbefehl</strong> antragsgemäß 512 .Will der Richter den beantragten <strong>Strafbefehl</strong> nicht antragsgemäß erlassen, so wird er seineabweichende Beurteilung - etwa hinsichtlich des Strafmaßes - der Finanzbehörde bzw. derStaatsanwaltschaft mitteilen, § 408 Abs. 2 513 . <strong>Der</strong> Antragsteller, also die BuStra oder dieStaatsanwaltschaft, kann dann den Antrag zurücknehmen 514 .<strong>Der</strong> Richter kann aber auch, wenn ihm die Sache zur Behandlung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenungeeignet erscheint, sofort einen Termin zur Hauptverhandlung best<strong>im</strong>men 515 . Damit ist dieselbständige Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörde beendet und die Finanzbehörde auf ihreMitwirkungsrechte nach § 407 AO beschränkt 516 .Lehnt der Richter den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s ab, so steht dem Antragsteller, also entweder derBuStra oder der Staatsanwaltschaft hiergegen die sofortige Beschwerde nach § 210 Abs. 2StPO zu 517 .<strong>Der</strong> Richter ist also an den <strong>Strafbefehl</strong>santrag gebunden. Er kann nicht von dem beantragtenStrafmaß oder dem Tatvorwurf abweichen und einen <strong>Strafbefehl</strong> anderen Inhalts erlassen.Insbesondere kann er nicht mehr oder weniger als die beantragten Tagessatzzahlenfestsetzen. Dem Richter verbleibt lediglich der Nichterlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s oder dieAnberaumung eines Hauptverhandlungstermins, wenn er der rechtlichen Würdigung oder dembeantragten Strafmaß der BuStra oder der Staatsanwaltschaft nicht folgt.511 vgl. unten, Seite 163 ff., 165.512 F/G/S-Joecks § 400 RN 22.513 F/G/S-Joecks, § 400 RN 23; Lohmeyer, S. 102.514 F/G/S-Joecks, § 400 RN 23; Hübschmann/Hepp/Spitaler-Hübner, RN 2 zu § 435 1967.515 F/G/S-Joecks, § 400 RN 23.516 F/G/S-Joecks, § 400 RN 23.517 F/G/S-Joecks, § 400 RN 24.


3. Bindung des Richters auch an den <strong>Strafbefehl</strong>santrag, der von einem Nicht<strong>jur</strong>isten(Inspektor oder Amtsrat der BuStra) gefertigt wurde ?Wird der <strong>Strafbefehl</strong>santrag vom Staatsanwalt gefertigt, beurteilen schließlich zwei Voll<strong>jur</strong>istenden Sachverhalt. Dann macht die gesetzlich vorgesehene Systematik Sinn, daß durch dasGebot der Übereinst<strong>im</strong>mung zwischen Staatsanwaltschaft und Richter Einigkeit über dierechtliche Würdigung der Tat als auch die Rechtsfolgen Einigkeit bestehen muß, um so eineerhöhte Richtigkeitsgewähr zu haben.Fraglich ist aber, ob dieser Sinn der doppelten Beurteilung durch zwei unabhängige Juristen inVerbindung mit dem Übereinst<strong>im</strong>mungsgebot dann noch aufrechterhalten bleibt, wenn der<strong>Strafbefehl</strong>santrag von einem Nicht<strong>jur</strong>isten, z.B. einem Inspektor oder Amtsrat bei der BuStragefertigt wird 518 .Bedenken begegnet das Procedere bei der BuStia und dem insoweit funktionalgleichgestellten Hauptzollamt 519 , wenn ein Nicht<strong>jur</strong>ist den <strong>Strafbefehl</strong>santrag unterschreibt 520 .518 Das AG Braunschweig (wistra 1992, 234 ff., 235) hielt den von einem Mitarbeiter des Hauptzollamtes unterzeichneten<strong>Strafbefehl</strong>santrag deswegen für unwirksam, weil der Mitarbeiter nicht Voll<strong>jur</strong>ist war. Das AG Braunschweig sah sichdaher gehindert über diesen <strong>Strafbefehl</strong>santrag zu entscheiden. Denn aus den §§ 386 Abs. 1, Abs. 2, 399 Abs. 1 AO ergebesich, daß das Hauptzollamt die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahrnehme und statt dieser dieAufklärung des Sachverhaltes, Abschluß der Ermittlungen und Klageerhebung berechtigt und verpflichtet sei. DieFinanzverwaltung sei <strong>im</strong> Ermittlungsverfahren ihrer Aufgabenstellung nach ein der Staatsanwaltschaft gleichgeordnetesOrgan der Rechtspflege. Indessen habe der Gesetzgeber nicht näher best<strong>im</strong>mt, welche Amtsträger für die Finanzbehördendie staatsanwaltschaftlichen Befugnisse wahrzunehmen hätten und welche Qualifikationsmerkmale sie zu erfüllen hätten.Während aber das Amt des Staatsanwalts be<strong>im</strong> Amtsgericht nur durch einen Staatsanwalt oder Amtsanwalt ausgeübtwerden könne, § 142 Abs. 1, Nr. 3 GVG, bleibe es der Finanzverwaltung überlassen, den Funktionsträger derFinanzbehörden, der mit den staatsanwaltlichen Aufgaben betraut sei, festzulegen. Während die Staatsanwälte dieBefähigung zum Richteramt besäßen, § 122 Abs. 1 DRiG, und die Amtsanwälte nach Abschluß derRechtspflegerausbildung eine besondere Zusatzausbildung erhielten, sei dies für die Funktionsträger der Finanzbehördengesetzlich nicht vorgeschrieben. Soweit also ein Funktionsträger mit einer niedrigeren <strong>jur</strong>istischen Qualifikation als dereines Staatsanwaltes bzw. Amtsanwaltes den <strong>Strafbefehl</strong>santrag unterschreibe, liege ein Verstoß gegen dasRechtsstaatsprinzip vor. Denn der Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens oder gleichrangigen Funktionsträgern derFinanzverwaltung obliege allein die Entscheidung über Einstellung eines Verfahrens oder ob und wie Anklage zu erhebensei. Dies ergäbe sich schon daraus, daß das BVerfG entschieden hat, daß die Verhängung einer Kr<strong>im</strong>inalstrafe aufgrunddes schwerwiegenden Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen dem Gericht vorzubehalten sei (BVerfGE 22, 49 ff.,80). Auch wenn letztlich der Richter über den <strong>Strafbefehl</strong>serlaß entscheide, § 408 Abs. 3, müßten doch dieFunktionsträger, die den <strong>Strafbefehl</strong> beantragten, eine der Staatsanwaltschaft bzw. Amtsanwaltschaft vergleichbareAusbildung haben.Auf die sofortige Beschwerde des Hauptzollamtes Braunschweig gegen die Entscheidung des AG Braunschweig hob dasLG Braunschweig den Beschluß des AG Braunschweig auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an dasAmtsgericht zurück. Ein zulässiger Antrag auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s liege vor. Es gebe keine gesetzliche Regelung, diees erforderlich mache, daß ein den <strong>Strafbefehl</strong>santrag der Finanzbehörde Unterzeichnender die Befähigung zumRichteramt besitzen müsse; verfassungsrechtliche Bedenken bestünden gegen diese Gesetzeslage nicht.Die daraufhin von dem Strafrichter des AG Braunschweig erhobene Richtervorlage nach Art. 100 GG wurde alsunzulässig verworfen, da das übergeordnete LG Braunschweig in einer zurückverweisenden, bindenden Entscheidung dieVerfassungsmäßigkeit des Gesetzes ausdrücklich oder stillschweigend bejaht hatte (BVerfG, wistra 1994, 263 ff., 264).Die Richtigkeit der Entscheidung des übergeordneten Gerichts hat das BVerfG nicht nachzuprüfen (BVerfGE 2, 406 ff.,411 ff.; 12, 67 ff., 72 f.; 22, 373 ff., 377; 42, 91 ff., 95; 65, 140), da es keine Superrevisionsinstanz ist.519 Gemäß §§ 386 Abs. 1, 2 399 Abs. 1 AO n<strong>im</strong>mt das Hauptzollamt als Finanzbehörde die Rechte und Pflichten derStaatsanwaltschaft wahr und kann gemäß § 400 AO den Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s beantragen. Die Zuständigkeit der


Die Bedenken resultieren daraus, daß der Gesetzgeber nicht näher best<strong>im</strong>mt hat, welcheAmtsträger für die Finanzbehörde die staatsanwaltlichen Befugnisse wahrzunehmen habenund welche Qualifikationsmerkmale sie zu erfüllen haben. Hingegen kann das Amt derStaatsanwaltschaft be<strong>im</strong> Amtsgericht nur durch einen Staats- oder Amtsanwalt ausgeübtwerden, § 142 Abs. 1 Nr. 3 GVG.Während der die <strong>Strafbefehl</strong>santräge der BuStra unterzeichnende Mitarbeiter grundsätzlichdie Befähigung zum Richteramt gemäß §§ 5 – 7 DRiG besitzt, ist dies bei Anträgen desHauptzollamtes nicht der Fall. Aufgrund verwaltungsinterner Anweisung werden die<strong>Strafbefehl</strong>santräge von einem Beamten des gehobenen Dienstes, der nicht die Befähigungzum Richteramt besitzt, unterzeichnet 521 . Das bedeutet, daß die Berechtigung zurWahrnehmung der Aufgaben der Staatsanwaltschaft durch Verwaltungsanweisung desBundesministers für Finanzen abhängt und ohne gesetzliche Regelung erfolgt. Dies verstößtgegen das Rechtsstaatsprinzip. Denn als Herrin des Verfahrens obliegt es der Staatsanwaltschaft,die Durchführung rechtsstaatlicher Verfahren zu gewährleisten. Sie trägt dieVerantwortung für die Rechts- und Ordnungsgemäßheit der Ermittlungen sowie für denentsprechenden Verfahrensabschluß. Die Staatsanwaltschaft hat als wichtiges Organ derRechtspflege 522 eineJustizgewährungspflicht 523 . Sie ist Wächter des Gesetzes 524 . DieseFunktion kann sie jedoch nur wahrnehmen, wenn ihre Funktionsträger eine Aus- undWeiterbildung haben, die sie ihrer Aufgabenstellung, Bedeutung und Verantwortung befähigt,ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüIlen 525 . Andernfalls ist die Justizgewährung nicht oderunvollkommen gegeben 526 .Hier verfängt auch nicht ein mögliches Gegenargument, daß das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren fürFälle kleinerer und mittlerer Kategorie geschaffen wurde und an sich bei klaren und einfachenSachverhalten verwendet werden soll. Denn die steuerstrafrechtlichen Fallgestaltungen sindselten einfach. Zudem entbehren die sicher steuerlich gut ausgebildeten Finanzanwärter desgehobenen Dienstes umfangreicher <strong>jur</strong>istischer Kenntnisse: Es beginnt mit der Frage, wannein Anfangsverdacht vorliegt und geht über Fragen wie Täterschaft oder Teilnahme,Abgrenzung von Steuerstraftat nach § 370 AO von einer Ordnungswidrigkeit nach § 378 AO,über die Prüfung von Verwertungsverboten und Belehrungspflichten bis hin zur Prüfung vonEinstellungsmöglichkeiten nach §§ 170, 153 ff. und umfaßt schließlich auch dieFinanzbehörde bleibt bis zur Einspruchseinlegung bzw. Anberaumung der Hauptverhandlung gemäß § 408 Abs. 3 Satz 2bestehen, § 406 Abs. 1 AO.520 AG Braunschweig, wistra 1992, 234 ff., 235.521 AG Braunschweig, wistra 1992, 234 ff., 235.522 BVerfGE 32, 199 ff., 216.523 BVerfGE 9, 223 ff., 228, 63, 45 ff., 63.524 BGHZ 20,178 ff., 180.525 KK-Schoreit, § 141 GVG RN 3.


Strafzumessungsregeln. Daß diese Palette strafrechtlicher und strafprozessualer Kenntnissenicht durch training on the job - angeleitet zwar von langjährigen BuStra-Mitarbeitern, die aberebenfalls keine adäquate <strong>jur</strong>istische Ausbildung haben - erlernt werden kann, dürftenaheliegend sein. <strong>Der</strong> Aufhänger, wer den <strong>Strafbefehl</strong> unterschreibt, ist daher ein formalesArgument. Es kann dadurch gelöst werden, daß ein Voll<strong>jur</strong>ist als Sachgebietsleiter oderHauptsachgebietsleiter den <strong>Strafbefehl</strong>santrag unterzeichnet. Das Problem liegt jedoch tiefer:Die gesamte Bearbeitung des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens liegt in der Finanzverwaltung in Händenzwar steuerlich gut aber strafrechtlich unzureichend ausgebildeter Sachbearbeiter.Es trägt auch nicht das Argument, daß der (Haupt-) Sachgebietsleiter bei der Unterschrift des<strong>Strafbefehl</strong>santrages diesen prüft. Selbst wenn ihm hierzu die Zeit bleibt, was aufgrund derMassenverfahren höchst zweifelhaft ist, gibt es doch <strong>im</strong> Verfahren selbst viele Entscheidungenund Beurteilungsfragen, die in die Hände von strafrechtlich und strafprozessual gutausgebildeten Sachbearbeitern gehören.Zu fordern ist also ein Finanzbeamter, der als Finanzanwärter des gehobenen Dienstes eineZusatzausbildung entsprechend der eines Amtsanwaltes erhält.Die Ausbildung des BuStra-Mitarbeiters steht der qualifizierten <strong>jur</strong>istischen Ausbildung zumVoll<strong>jur</strong>isten keineswegs gleich. <strong>Der</strong> BuStra-Mitarbeiter hat i.d.R. eine dreijährige Ausbildungzum Finanzanwärter, gehobener Dienst, durchlaufen und hat seine steuerstrafrechtlichen bzw.strafprozessualen Kenntnisse durch eine Ausbildung durch training on the job. M.a.W. stehensich hier ein Voll<strong>jur</strong>ist als Richter und ein Finanzamtmann mit spärlichen strafprozessualenKenntnissen gegenüber. Aufgrund dieser unterschiedlichen Vorbildungen ist es naheliegend,daß einerseits der BuStra-Mitarbeiter nur seltenst dem Richter widersprechen kann bzw. wirdund nur selten auf seinen Rechtsauffassungen beharren wird, wenn der Richter den<strong>Strafbefehl</strong> zurückgibt mit der Bemerkung die Tat sei nicht richtig gewürdigt oder das Strafmaßsei unzutreffend. Während der Staatsanwalt ebenfalls die Befähigung zum Richteramt hat, §122 Abs. 1 DRiG, ist die Ausbildung des Finanzbeamten nicht gleichwertig. Das Gegengewicht,von dem § 408 Abs. 3 Satz 1, 3. Alternative ausgeht, erscheint in derartigen Fällen zufehlen, in denen nicht ein Voll<strong>jur</strong>ist dem Richter gegenübersteht und auf seiner abweichendenMeinung beharrt. Die Prüfung ob sich ein Beschuldigter strafbar gemacht hat, kann letztlichnur durch einen Voll<strong>jur</strong>isten, der die Befähigung zum Richteramt hat oder durch einenentsprechend speziell geschulten Amtsanwalt vorgenommen werden. Davon geht jedenfallsauch der Gesetzgeber in § 408 Abs. 3 aus.526 AG Braunschweig, wistra 1992, 234 ff., 236.


Bei dem derzeitigen Ausbildungssystem und den entsprechend zur erwartenden Kenntnissenbei den BuStra-Mitarbeitern kann die Prüfung der Strafbarkeit eines Steuerpflichtigen nur dannkorrekt beantwortet werden, wenn ausschließlich ein entsprechend ausgebildeter Assessor alsSachgebietsleiter bei der Finanzverwaltung den <strong>Strafbefehl</strong>santrag wirksam unterschreibendarf und dieser den <strong>Strafbefehl</strong>santrag genau prüft 527 .<strong>Der</strong> Gegenansicht des LG Braunschweig 528 ist nicht zu folgen.Insbesondere entspricht die Ausbildung der BuStra-Mitarbeiter durch training on the job nichtder qualifizierten Zusatzausbildung der Amtsanwälte. Denn die Amtsanwälte erhalten nachihrer Ausbildung zum Rechtspfleger eine besondere strafrechtlich bzw. strafprozessualausgerichtete Ausbildung, die mit der Amtsanwaltsprüfung abschließt 529 . Ein entsprechenderAusbildungsweg, der eine intensive Befassung mit dem prozessualen und materiellenStrafrecht beinhaltet, ist für die Funktionsträger bei der BuStra nicht vorgesehen 530 .Danach entspricht es nicht der gesetzlichen Konzeption des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens, wenn der<strong>Strafbefehl</strong>sentwurf bei der BuStra von einem Nicht<strong>jur</strong>isten gefertigt und unterzeichnet wird.Die Folge ist, daß nur ein entsprechend ausgebildeter Sachgebietsleiter alle maßgebendenEntscheidungen <strong>im</strong> Ermittlungsverfahren treffen darf bis hin zu der Fertigung undUnterzeichnung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages oder aber daß die Mitarbeiter bei derBuStra eineentsprechende strafrechtliche und strafprozessuale gesetzlich geregelte Zusatzausbildung, dieder der Amtsanwälte entspricht, erhalten.4. Bindung des Strafrichters an steuerrechtliche Feststellungen der Finanzverwaltungund FinanzgerichteEine Bindung der Strafverfolgungsorgane und Strafgerichte an rechtskräftige steuerlicheEntscheidungen ist in der Literatur umstritten. Kirchhof ist ein Vertreter, der dieBindungswirkung der Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte an die rechtskräftigensteuerlichen Entscheidungen befürwortet 531 Kirchhof will die Gefahr einerseits steuerlichandererseits steuerstrafrechtlich sich widersprechender Entscheidungen durch eine völligeBindung des Strafrichters an bestandskräftige Steuerbescheide festschreiben, was <strong>im</strong>Ergebnis eine Übernahme steuerlicher Schätzungen auch für das Strafverfahren sowie eineÜbernahme der steuerlichen Feststellungslast für das Strafverfahren bedeuten würde.527 Ebenso: AG Braunschweig, wistra 1992, 234 ff., 235.528 LG Braunschweig, wistra 1994, 263 ff..529 AG Braunschweig, wistra 1992, 234 ff., 235.530 AG Braunschweig, wistra 1992, 234 ff., 235.531 Kirchhof, NJW 1985, 2977 ff.; ders., NJW 1986, 1315.


Darauf, daß steuerliche Schätzungen von steuerstrafrechtlichen Schätzungen in der heutigenPraxis durchaus erheblich differieren, ist bereits oben hingewiesen worden 532 .Die Festschreibung der steuerlichen Feststellungslast auch für das Strafverfahren durch einezwingende Übernahme rechtskräftiger steuerlicher Entscheidungen für dasSteuerstrafverfahren bedeutet, daß die Feststellungslast für sämtliche steuermindernden odersteuerbeseitigenden Umstände der Steuerpflichtige - hier der Beschuldigte - trägt und dieFeststellungslast für sämtliche steuererhöhenden sowie steuerbegründenden Merkmale dieFinanzverwaltung trägt 533 .Kirchhof geht von der These aus, daß <strong>im</strong> konkreten Fall nicht das Gesetz die Grundlage fürdas Erhebungsverfahren ist, sondern vielmehr der Steuerbescheid 534 . Nach Kirchhof wird derstaatliche Steueranspruch abschließend und verbindlich durch den Bescheid fixiert, derkonstitutiv wirkt. Sobald und solange der Steuerbescheid bestandskräftig ist, ist seinematerielle Richtigkeit nach Auffassung Kirchhofs unerheblich 535 . Nicht die nach dem Gesetzfestzusetzende Steuer, sondern allein die tatsächlich festgesetzte Steuer sei Maßstab für dieRechtmäßigkeit der Steuerzahlungen. Nach Kirchhof ist also der materiell richtigeSteueranspruch des Fiskus Schall und Rauch, entscheidend ist alleine die <strong>im</strong> Bescheidfestgesetzte Zahllast. Entsprechend soll nach seiner Auffassung die <strong>im</strong> Bescheid rechtskräftigfestgesetzte Steuer auch Maßstab für den Tatbestand der Steuerhinterzichung sein 536 .Kirchhof konstatiert zwar, daß die Bestandskraft des Steuerbescheides nur Wirkung zwischender erlassenden Behörde und dem Adressaten des Steuerbescheides entfaltet. Er siehtjedoch die Bindungswirkung des Strafrichters <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong> unmittelbar aus derkonstitutiven Wirkung des Steuerbescheides fließend. Kirchhof leitet dies in Analogie zu denVorschriften des Umweltstrafrechts aus der strikten Tatbestandswirkung vonVerwaltungsakten bei Straftatbeständen mit verwaltungsrechtlicher Akzessorietät her 537 . DieUmweltdelikte sanktionieren nach Kirchhof den Verstoß gegen Gehorsamspflichten, die nichtdas Gesetz, sondern ein Verwaltungsakt konkret festlegt 538 .532 Vgl. oben, S. 84 ff., 85 ff., 87, 88; ebenso: F/G/S-Joecks, § 385 RN 17.533 Kruse, S. 329, 330.534 Kirchhof, NJW 1985, 2977 ff.; ders. NJW 1986, 1315.535 Kirchhof, NJW 1985, 2977 ff., 2978.536 Kirchhof, NJW 1985, 2977 ff., 2980.537 Kirchhof, NJW 1985, 2977 ff., 2983.538 Kirchhof, NJW 1985, 2977 ff., 2983.


Auch aus § 396 AO läßt sich nach Kirchhof kein Gegenargument gegen seine Auffassungentwickeln. Denn § 396 AO habe den Zweck, widersprüchliche Entscheidungen in derselbenSache zu vermeiden. Auch die verfassungsrechtliche D<strong>im</strong>ension des § 396 AO, insbesonderedas Gebot der Gewaltenteilung, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die Rechtsweggarantiedes Art. 19 Abs. 4 GG sprechen nach Auffassung von Kirchhof für die Beachtlichkeit derBestandskraft von Steuerbescheiden oder finanzgerichtlicher Urteile, so daß der <strong>im</strong> Steuerbescheidbzw. finanzgerichtlichen Urteil festgeschriebene Sachverhalt gleichzeitig auch für dasstrafrechtliche Verfahren festgeschiieben sei. Nach Auffassung von Kirchhof steht deshalbnach § 396 AO eine grundsätzliche Aussetzungspflicht; das Ermessen des § 396 AO beziehtsich nach seiner Auffassung nur noch auf die Frage, ob ein bestandskräftiger Bescheidaufhebbar oder abänderbar ist. Nur in den Fällen, in denen kein Bescheid vorliegt odererforderlich ist, insbesondere wenn die Steuerverkürzung in der Verhinderung oderVerzögerung der Veranlagung liegt oder wenn Zahlungspflichten allein vom Gesetz abhängen,wie bei den Fälligkeitssteuern oder Vorauszahlungen, hat der Strafrichter den Sachverhalt ineigener Kompetenz festzustellen 539 .Kirchhof ist insoweit beizupflichten, daß die Finanzbehörde als auch die Finanzgerichte diehöhere Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Klärung steuerlicher Fragen haben, als diein der Regel mit Wirtschaftsdelikten befaßten Strafrichter.Auch ist Kirchhof zuzugeben, daß es dem Laien und insbesondere der Öffentlichkeitschwerfällt, nachzuvollziehen, warum steuerlich in der Regel wesentlich höhereNachzahlungsbeträge z. B. nach einem Steuerfahndungsverfahren gegen denSteuerpflichtigen festgesetzt werden, während strafrechtlich von deutlich geringerenVerkürzungsbeträgen ausgegangen wird. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich aus derunterschiedlichen Feststellungs- bzw. Beweislast. Wenngleich <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren alsauch <strong>im</strong> Strafverfahren eine Über- und Unterordnung <strong>im</strong> Verhältnis zum Steuerpflichtigenjeweils besteht, ist doch nicht zu verkennen, das völlig unterschiedliche Verfahrensordnungenfür das Besteuerungsverfahren einerseits und das Strafverfahren andererseits gelten. DasAuseinanderfallen des strafrechtlichen Vorwurfs von der steuerlichen Festsetzung liegt zudemnicht zuletzt an dem in dubio-Satz, der nur <strong>im</strong> Strafverfahren gilt.539 Kirchhof, NJW 1985, 2977 ff., 2984 f..


Die von Kirchhof gezogene Parallele zum Umweltstrafrecht ist zwar höchst interessant, <strong>im</strong>Ergebnis jedoch wohl nicht haltbar. Zutreffend ist, daß aus der Verwaltungsakzessorietät folgt,daß es <strong>im</strong> Umweltstrafrecht lediglich auf die formelle verwaltungsrechtliche Wirksamkeit einesVerwaltungsakts <strong>im</strong> Sinne des § 43 Abs. 1 VwVfG und nicht auf dessen materiell-rechtlicheRichtigkeit ankommt 540 . So kann sich z.B. die Strafbarkeit aufgrund von Umweltdelikten auchauf einen fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt, wie z.B. die Versagung einer Erlaubnisstützen, selbst wenn materiell-rechtlich ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigungbestanden hätte und noch bestehen würde 541 . Ob eine derartige "blinde" Akzessorietät vonder Öffentlichkeit jedoch eher gebilligt werden würde, als das mögliche - und wohl rechthäufige - Auseinanderfallen von strafrechtlichem Vorwurf und steuerlicher Festsetzung, istm.E. höchst zweifelhaft. Denn dies würde <strong>im</strong> übertragenen Sinn bedeuten, daß bei einemunrichtigen aber rechtskräftigem Steuerbescheid, der die Steuerlast zu hoch festsetzt, wegender zwingenden Akzessorietät eine der überhöhten steuerlichen Festsetzung entsprechendüberhöhte Strafe auszusprechen wäre.Zudem verkennt Kirchhof, daß eine Poenalisierung bloßen Verwaltungsungehorsams, wie siez.B. § 327 StGB vorsieht, nur auf solche Fälle beschränkt ist, in denen wie z.B. in denstrafbewährten Verwaltungsvorschriften des Atomrechts, schon jeder Verwaltungsungehorsameine hochgradig abstrakte Gefahr in sich birgt 542 . Hingegen knüpft z.B. § 330 a nicht an einenVerwaltungsungehorsam an, sondern vielmehr an einen konkretenLebensgefährdungstatbestand 543 . Die Verwaltungsakzessorietät, die der Gesetzgeber schuf,dient also wegen der für uns alle bestehenden Gefahr bei dem Verunreinigen von Gewässern,Luft und bei Lärmemissionen, bei umweltgefährdender Abfallbeseitigung oder dem unerlaubtenBetreiben von kerntechnischen Anlagen, sowie dem unerlaubten Umgang mitKernbrennstoffen oder <strong>im</strong> Falle der Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete dazu, denpotentiellen Täter zu veranlassen, die behördlichen Genehmigungen einzuholen. Damit sollder <strong>Dr</strong>uck verstärkt werden, daß möglichst nach den Vorschriften des Verwaltungsrechtsgehandelt wird, so daß möglichst keine Umweltgefährdungen entstehen. Diese Gedanken sindaber nach ihrem Sinn und Zweck kaum übertragbar auf die Fälle der Steuerverkürzung. Zwarist die Steuerhinterziehung auch ein gemeinschädliches Delikt, jedoch sind die Folgen für das540 Horn, NJW 1981, 2; UPR 1983, 3 65 und NuR 1988, 66, Rudolphi, Zfw 1982, 202; NStZ 1984,197; Lackner-Festschrift,S. 880; Odersky, Tröndle-Festschrift, S. 300; <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, Vor § 324 RN 4 b.541 BGHSt 31, 315; <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, Vor § 324, RN 4 b.542 <strong>Dr</strong>eher7Tröndle, Vor § 324 RN 4 b; Horn, NJW 1988, 2337 und NuR 1988, 64.543 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 330 a RN 1.


Gemeinwesen bei einer auch betragsmäßig noch so hohen Steuerverkürzung keineswegsvergleichbar mit z.B. dem unerlaubten Betreiben kerntechnischer Anlagen nach § 327 StGB.Zudem ist Kirchhof entgegen zu halten, daß zwar faktisch der Steuerbescheid bzw. dasfinanzgerichtliche Urteil die letztendlich zu zahlende Steuer festsetzt, materiell-rechtlich jedochdie gesetzlichen Vorschriften über die Besteuerung maßgebend sind 544 . Daß demSteuerbescheid keine konstitutive Wirkung zukommt, folgt schon aus dem Grundsatz derGesetzmäßigkeit der Besteuerung, wonach die Finanzverwaltung an das Gesetz gebundenist, Art. 20 Abs. 3 GG.Interessanterweise ist in dem Vorläufer zu § 396 AO, dem § 433 RAO 1919, die Verpflichtungdes Strafrichters zur Aussetzung und eine Bindung an eine - eventuell einzuholende -Entscheidung des RFH normiert gewesen 545 . Nach einem Änderungsversuch <strong>im</strong> Jahre 1952,der die Umwandlung der Aussetzungspflicht in eine Ermessensentscheidung, aber dieBeibehaltung der Bindung an die Entscheidung des RFH vorsah, wurde auch 1965 an dieserBindung festgehalten. Allerdings wurde 1967 diese Bindung des Strafrichters an die Entscheidungdes BFH ersatzlos aufgehoben 546 . Im Bericht des Finanzausschusses heißt es hierzu:"Die Ausschüsse waren der Meinung, daß die Bindung der Strafgerichte an Urteile desBundesfinanzhofes nicht zu vertreten sei, da es auch sonst keine entsprechendenVorschriften über die Bindung der Strafgerichte an Urteile anderer Gerichte gebe" 547 .Kirchhof will zwar nicht eine Bindung an Urteile, sondern an Verwaltungsakte. Dies ist jedochin sich schon nicht konsequent, da die Verwaltungsakte durch verwaltungsgerichtliche Urteilemodifiziert werden können. Daher muß nach den Gedanken Kirchhofs es <strong>im</strong>mer nur auf denBescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung in der Form des finanzgerichtlichen Urteilsankommen. Damit aber steht die Konzeption Kirchhofs dem Willen des Gesetzgebers diametralgegenüber.Klein weist zutreffend darauf hin, daß die Auffassung Kirchhofs auch gegen den Grundsatzder freien Beweiswürdigung nach § 261 verstößt. Während <strong>im</strong> Umweltstrafrecht eineVerwaltungsakzessorietät ausdrücklich normiert ist, fehlt eine entsprechende Regelung beiden Blankettnormen des <strong>Steuerstrafrecht</strong>s. Damit würde Kirchhof einerseits eine unzulässige544 Rössler, NJW 1986, 972, 973; Krieger, S. 12 ff.; ders., wistra 1987, 195, 196; Klein, S. 30.545 Klein, S. 30.546 Klein, S. 30.


Analogie <strong>im</strong> materiellen Strafrecht vornehmen wollen, andererseits gegen den Grundsatz derfreien Beweiswürdigung des Richters nach § 261 verstoßen, indem er ihm das Recht und diePflicht zur eigenständigen Bewertung der in Frage stehenden Steuerstraftat abnehmen würdeund ihn entsprechend der Verwaltungsakzessorietät auf den bestandskräftigenSteuerbescheid verweisen würde 548 .Nach alledem gibt es keine Bindungswirkungen für den Strafrichter an steuerrechtlicheEntscheidungen. Davon losgelöst kann sich jedoch der Strafrichter dem Finanzgerichtanschließen, wenn er dessen Überzeugung teilt.5. Besondere Anforderungen an den Grad der Überzeugung des Straftichters?Während be<strong>im</strong> Urteilserlaß der Richter aufgrund der Beweisaufnahme nach seiner freien, ausdem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung von der Richtigkeit des von ihmfestgestellten Sachverhaltes überzeugt sein muß, § 261, gilt ein anderer Grad derÜberzeugung des Richters für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, da es dort - vor Erlaß des<strong>Strafbefehl</strong>s - keine Hauptverhandlung gibt.Die Forderung, daß ein <strong>Strafbefehl</strong> erlassen werden dürfe, wenn hinsichtlich der Tatsachen"richterliche Überzeugung <strong>im</strong> Sinne des § 261" 549 bestehe, ist zu weitgehend 550 , auch wennder rechtskräftige <strong>Strafbefehl</strong> einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht, § 410 Abs. 3. Denn dieGleichstellungswirkungen beziehen sich nur auf das Ergebnis, insbesondere die Rechtskraft,und nicht darauf, wie das Ergebnis zustande kommt.Zudem geht aus der Verknüpfung von richterlicher Überzeugung und richterlicherBeweisaufnahme in § 261 hervor, daß dieser Maßstab systembedingt <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren be<strong>im</strong> Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s nicht erreicht werden kann 551 . Denn das<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist ein summarisches 552 Verfahren, das wegen der damit verbundenUnzulänglichkeiten, insbesondere der Schriftlichkeit und der Mittelbarkeit gegenüber der547 Bericht des Finanzausschusses zu BT-<strong>Dr</strong>ucksache V/1941, S 3; Klein, S.30.548 Klein, S. 3 1; ebenso Eich, S. 57 ff., 63, 64.549 IR-Gössel, vor § 407 Rn 11; Rieß, S. 134.550 Schaal, Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, S. 427 ff., 441.551 Ebenso: Schaal, Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, S. 427 ff., 441.552 BVerfGE 3, 248 ff., 253; 65, 377 ff., 383; BGHSt 29, 305 ff., 307.


Beweiserhebung <strong>im</strong> Regelverfahren nur auf einer unvollkommenen Basis beruht 553 . Grundlagedes Stralbefehls ist hingegen nur die Aktenlage, dies ist das von der Polizei bzw. BuStra undStaatsanwaltschaft zusammengetragene Beweismaterial und ggf. eine Niederschrift einerVernehmung des Beschuldigten bzw. dessen schriftliche Stellungnahme.Einen persönlichen Eindruck - entsprechend dem aufgrund der mündlichen Verhandlung nach§ 261 - vermag das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren daher dem angerufenen Richter nicht zuvermitteln 554 .Das Prinzip der freien Beweiswürdigung in § 261 gehört zu den praktisch wichtigstenErgebnissen der strafprozessualen Entwicklung <strong>im</strong> 19. Jahrhundert 555 . Damit wurde endgültigder gemeinrechtliche Inquisitionsprozeß beseitigt, zu dessen Merkmalen neben einer formalenBeweistheorie mit festen Beweisregeln und der Möglichkeit der Verhängung einerVerdachtsstrafe vor allem die Aktenherrschaft zu zählen ist 556 . <strong>Der</strong> aus derEntstehungsgeschichte ableitbaren Zielrichtung des § 261, unter anderem gesetzlicheBeweisregeln zu überwinden und den Rückgriff auf den Akteninhalt zu überwinden 557 , würdeentgegengewirkt, ließe man aufgrund aktenmäßiger, schriftlicher und damit frei beweislicherMittel die Gewinnung richterlicher Überzeugung von der Schuld eines Betroffenen zu 558 . Zwarmuß auch <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren der Richter von der Täterschaft des Beschuldigten, vonder materiellen Richtigkeit der Tatbeurteilung als auch von der Angemessenheit der Sanktionausgehen. Jedoch ist dies nicht ein "Überzeugtsein" i.S.d. § 261. Denn es ist ein weniger alsdie Überzeugung i.S.d. § 261 559 . Deshalb empfiehlt Schaal diese Art der richterlichenGewißheit <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren mit einem anderen Begriff als dem der Überzeugung zubelegen, da "Überzeugung" mit § 261 untrennbar verbunden sei 560 . Dem ist zuzust<strong>im</strong>men.Schaal benennt hier jedoch keinen anderen Begriff. Zur Verdeutlichung, daß der Grad derÜberzeugung des Strafrichters be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>serlaß ein anderer sein muß als be<strong>im</strong>Urteilserlaß, sollte jedoch m.E. ein anderer Begriff für die richterliche Überzeugung be<strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>serlaß gefunden werden. Hier bietet sich m.E. der Begriff einer “vorläufigenÜberzeugung" an.553 Schaal, Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, S. 427 ff., 441.554 Ebenso: Schaal, Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, S. 427 ff., 441.555 KK-Pfeiffer, Eini. RN 14 L; Glaser, S. 350 L; Hanack, JuS 1977, 727 ff., 727; Küper,Festgabe für Karl Peters, S. 23, 25.556 Beling, in: v. Holtzendorff, Encyklopädie, S. 331 L557 Ries, S. 266.558 Schaal, Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, S. 427 ff., 442.559 Schaal, Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, S. 427 ff., 442.560 Schaal, Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, S. 427 ff., 442.


<strong>Der</strong> Begriff der Überzeugung ist m.E. nicht ersetzbar, da er mehr als bloße Vermutungausdrückt und die persönliche Gewißheit des Richters signifikant umschreibt. "Glaube" oderdergleichen würde dem Maß an Sicherheit, dem gegenüber vernünftige Zweifel nicht mehraufkommen dürfen, nicht gerecht. "Vorläufig" deshalb, weil <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren derselbeRichter möglicherweise aufgrund eines Einspruchs seine bisherige Überzeugung, die er bei<strong>Strafbefehl</strong>serlaß von der Täterschaft, dem Tatgeschehen und der Angemessenheit der Strafehatte, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme revidieren muß.Wünschenswert ist allerdings - worauf Schaal zutreffend hinweist -, daß der Richter trotz derSchriftlichkeit des Verfahrens und der Mittelbarkeit der Beweisaufnahme, seine eigenenAnforderungen an die “vorläufige Überzeugung” recht hoch schraubt, damit eine möglichst tatundtätergerechte Entscheidung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ergeht 561 ...Die "vorläufigeÜberzeugung" darf also nur ein Min<strong>im</strong>um weniger sein als die Überzeugung i.S.d. § 261.6. Beweislast <strong>im</strong> Schnittpunkt von Strafrecht und Steuerrecht<strong>Der</strong> in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Ermittlungsgrundsatz besagt, daß das Gericht zurErforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen undBeweismittel zu erstrecken hat, die für die Entscheidung von Bedeutung sind 562 .<strong>Der</strong> Grundsatz der freien Beweiswürdigung, der in § 261 StPO verankert ist, besagt, daß dasGericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff dermündlichen Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden hat 563 .Im Strafrecht gibt es eine Beweislast. Denn <strong>im</strong> Falle von Unaufklärbarkeit besagt derGrundsatz "<strong>im</strong> Zweifel für den Angeklagten", daß die Entscheidung zugunsten desAngeklagten ausgehen muß. Daraus folgt, daß bei Unerweislichkeit des Sachverhaltes dieStaatsanwaltschaft die Beweislast trägt, mithin der Angeklagte freigesprochen wird, wenn derVorwurf nicht nachweisbar ist 564 .561 Schaal, Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, S. 427 ff., 442.562 Blumers/Göggerle, RN 691.563 Blumers/Göggerle, RN 692.564 Klein, S. 23.


Darüber hinaus bestehen in der Strafprozeßordnung mehrere Beweisregelungen, z.B. in den§§ 58, 59, 68, 69. Aus diesen Beweisregelungen ergeben sich Leitlinien, wie der Richter beider Gewinnung des Beweises formal vorzugehen hat 565 .Dagegen trägt <strong>im</strong> Steuerrecht bei steuerbegründenden oder steuererhöhenden Umständendie Finanzbehörde die Feststellungslast, während bei steuermindernden odersteuerbeseitigenden Umständen der Steuerpflichtige die Beweislast trägt 566 .Während also <strong>im</strong> Steuerrecht steuermindernde Umstände, die nicht völlig aufzuklären sind,aufgrund der Feststellungslast zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen, gilt dies wegen desGrundsatzes in dubio pro reo so nicht zwingend <strong>im</strong> Strafrecht. Zwar kann der Strafrichterdavon überzeugt sein, daß die steuermindernden Umstände, wie sie der Steuerpflichtigeursprünglich <strong>im</strong> Veranlagungsverfahren vorgetragen hatte und deswegen einSteuerstrafverfahren später eingeleitet wurde, tatsächlich nicht vorgelegen haben. Dann mußer aber zu seiner vollen Überzeugung nach § 261 davon ausgehen, daß die steuerminderndenUmstände damals nicht vorlagen. Bleiben vernünftige Zweifel, ob diese steuerminderndenUmstände vorlagen oder nicht, so muß der Richter insoweit freisprechen. Steuerrechtlichhingegen würden bei gleichgelagerten Zweifeln die umstrittenen steuermindernden Umständenicht anerkannt werden können, wegen der insoweit anders gelagerten Feststellungslast.Dies zeigt, daß aufgrund der unterschiedlichen Beweislast, die <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong> und <strong>im</strong>Steuerrecht gilt, jeweils unterschiedliche Ergebnisse entstehen können.7. Allgemeines ZwischenverfahrenIm Zwischenverfahren (Eröffnungsverfahren) nach §§ 199 ff. prüft das Gericht, welcheVerfahren aufgrund der Anklage durchgeführt werden sollen und welche Verfahren zurVermeidung unnötiger Hauptverfahren schon vorher beendet werden sollen. Mit derZulassung der Anklage, § 207, ist das Hauptverfahren eröffnet und der Verfahrensstoffbest<strong>im</strong>mt sowie die Rechtshängigkeit erzeugt 567 .565 Kohlmann, § 185 RN 199.566 Kruse, S. 329, 330.567 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 199 RN 1; ders., Einl. 63, 64.


In den §§ 407 ff. ist be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren kein Zwischenverfahren wie <strong>im</strong> Regelverfahrenvorgesehen. Dennoch hat der zuständige Richter das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren aus den gleichenGründen nicht weiterzuführen, aus denen das Regelverfahren ebenfalls nicht weitergeführtwerden würde 568 . Insbesondere sind also die Einstellungsmöglichkeiten der §§ 170, 153 ff.durch den Richter zu prüfen.8. Zwischenverfahren <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren analog §§ 199 ff.Gelegentlich wird in der Praxis auch ein "richtiges" Zwischenverfahren wie <strong>im</strong> Regelverfahrendurchgeführt, indem nach zumeist telefonischer Kontaktaufnahme durch den Richter diesermit dem Verteidiger die von ihm schon <strong>im</strong> Ermittlungsverfahren vorgetragenen Bedenkenerörtert und ihm freistellt, ob er lieber gegen den <strong>Strafbefehl</strong> Einspruch einlegen wolle oder erdem Verteidiger den <strong>Strafbefehl</strong>santrag in Abschrift zusenden soll, damit er hierzu nocheinmal Stellung nehmen könne 569 . Um <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren nicht den Zuständigkeitsübergangnach § 406 AO von der BuStra zur Staatsanwaltschaft zu bewirken, hat sich derVerfasser bislang hier für die Zusendung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages entschieden. Auf dieschriftliche Stellungnahme, die dem Gericht zweifach zuzuleiten ist, bietet es sich an, einigeZeit später telefonisch Kontakt mit der BuStra aufzunehmen, die dann i.d.R. gesprächsbereitist und insbesondere bei der Strafzumessung zumindest teilweise den Argumenten desVerteidigers Rechnung trägt, indem sie das Strafmaß den schon schriftlich geäußerten Vorstellungenanpaßt.Hier hat ein dem Regelverfahren entsprechendes Zwischenverfahren stattgefunden,verbunden allerdings mit Elementen der Absprache.Die Durchführung eines Zwischenverfahrens analog § 199 ist prozeßökonomisch, da es einenEinspruch vermeiden hilft und die typischen Prüfungen des Zwischenverfahrens, namentlichdie Einstellungsmöglichkeiten nach §§ 170, 153 ff. gedanklich vom zuständigen Richtersowieso durchgeprüft werden müssen. Dann macht es zumindest in den Fällen, in denen ausder Akte der Einspruch des Verteidigers schon fast sicher vorhersehbar ist, durchaus Sinn,das Zwischenverfahren wie <strong>im</strong> Regelverfahren durchzuführen.Ideal kann hier auch eine Absprache durch den Richter gesteuert werden, indem er der einenoder anderen Seite zu erkennen gibt, welchen Argumenten er wohl in einer HauptverhandlungGewicht be<strong>im</strong>essen würde und wie dann die Entscheidung ausfallen würde.568 Müller, S. 65.569 AG Fulda, -107 Js 10.002.1/94 Cs-.


9. Durchführung weiterer Ermittlungen gemäß § 202 analogEs besteht die Möglichkeit, daß das aus den Akten ersichtliche Ermittlungsergebnis nochkeine abschließende Entscheidung des Richters über Verfahrensfortgang oder Einstellungermöglicht, so daß weiterer Aufklärungsbedarf besteht 570 . Da der <strong>Strafbefehl</strong> nicht nurEröffnungsbeschlußersatz <strong>im</strong> Einspruchsfall ist, sondern auch Urteilsersatz wenn der<strong>Strafbefehl</strong> rechtskräftig wird, muß das Ermittlungsergebnis nicht nur eine Eröffnung, sondernauch die Verurteilung mit der für das Strafverfahren erforderlichen vorläufigen Überzeugungdes Strafrichters tragen. So kann sich anders als <strong>im</strong> Regelverfahren ein Ermittlungsdefizit <strong>im</strong>Zwischenverfahren des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens nicht nur aus den Kriterien desEröffnungsbeschlusses ergeben, sondern auch aus der urteilsersetzenden Funktion des<strong>Strafbefehl</strong>s 571 . Hier hat der Richter weitere Ermittlungen anzuordnen, was jedoch nicht dazuführen darf, daß er die der Staatsanwaltschaft obliegende Ermittlungsarbeit dieser abn<strong>im</strong>mt 572 .Einzelne Beweiserhebungen kann er jedoch analog § 202 anordnen.10. Abgabe wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit, § 408 Abs. 1, Satz 3, 4Nach der hier vertretenen Auffassung ist ausschließlich der Amtsrichter für den Erlaß des<strong>Strafbefehl</strong>s zuständig, §§ 24, 25, 74 GVG, § 407 Abs. 1 573 . Die Gegenansicht hält neben demStrafrichter alternativ auch das Schöffengericht für zuständig 574 . Folgt man dieser Meinung,können Meinungsverschiedenheiten über die sachliche Zuständigkeit auftauchen. Beifehlender sachlicher Zuständigkeit ist hier dann wie folgt zu verfahren:Hält der von der Staatsanwaltschaft angerufene Vorsitzende des Schöffengerichts dieZuständigkeit des Strafrichters für begründet, so gibt er durch Vermittlung derStaatsanwaltschaft die Sache an diesen ab, § 408 Abs. 1 Satz 1. <strong>Der</strong> Beschluß ist für denStrafrichter bindend, § 408 Abs. 1 Satz 1, 2. HS. <strong>Der</strong> Staatsanwaltschaft steht die sofortigeBeschwerde zu, § 408 Abs. 1 Satz 1, 3. HS.Hält der von der Staatsanwaltschaft angerufene Strafrichter die Zuständigkeit desSchöffengerichts für begründet, so legt er die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaftdem Vorsitzenden des Schöffengerichts vor, § 408 Abs. 1 Satz 2.570 Müller, S. 66.571 Müller, S. 66.572 Ebenso: Müller, S. 66.573 vgl. oben, Seite 36 ff., 41.574 vgl. oben, Seite 36 ff., 38, 39.


Weder ist die Abgabe an den Vorsitzenden des Schöffengerichts für diesen bindend, nochsteht der Staatsanwaltschaft ein Beschwerderecht gegen die Abgabeverfügung desStrafrichters zu. Die Vorlage be<strong>im</strong> Vorsitzenden des Schöffengerichts bezweckt nur dieZuständigkeitsfrage dem Vorsitzenden des Schöffengerichts mit einer Stellungnahme derStaatsanwaltschaft nach Nr. 178 RiStBV zu unterbreiten 575 . Dieser übern<strong>im</strong>mt entwederEntscheidung über den <strong>Strafbefehl</strong> formlos, wenn er die Zuständigkeit des Schöffengerichtsann<strong>im</strong>mt oder er gibt die Sache an den Strafrichter durch bindenden Beschluß nach § 408Abs. 1 Satz 1, 2. HS zurück 576 .Im <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist dagegen nicht ausdrücklich geregelt, wie zu verfahren ist, be<strong>im</strong>angelnder örtlicher Zuständigkeit oder bei fehlender sachlicher Zuständigkeit desAmtsgerichtes, §§ 24, 74, 120 GVG. In diesen Fällen erklärt der Richter das Gericht durchBeschluß für örtlich unzuständig, § 16 S. 1, bzw. für sachlich unzuständig 577 .11. Ablehnung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages gemäß § 204 analog<strong>Der</strong> Strafrichter, der für die Entscheidung über den <strong>Strafbefehl</strong>santrag zuständig ist, kann wiefolgt entscheiden:a) Ablehnung wegen UnzulässigkeitEs kann den Antrag wegen Unzulässigkeit zurückweisen, z.B. weil die Steuerhinterziehungverjährt ist, es also an den Prozeßvoraussetzungen fehlt 578 . Hiergegen kann die BuStra bzw.die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegen, § 210 Abs. 2 analog 579 .b) Ablehnung wegen UnbegründetheitDas Gericht kann den Antrag wegen Unbegründetheit zurückweisen, weil z.B. mangelsausreichender Ermittlungen der hinreichende Tatverdacht nicht vorliegt, § 203 analog, oderdie beantragte Strafe unangemessen hoch ist. Hier kann der Richter erforderlichenfalls auchselbst weitere Ermittlungen anstellen oder diese der BuStra bzw. StA anhe<strong>im</strong>stellen 580 . Weiter575 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 13.576 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 13.577 Schlüchter, S. 874.578 Blumers/Göggerle, RN 636.579 Blumers/Göggerle, RN 636.580 Blumers/Göggerle, RN 636.


kann der Richter auch bei einem zu hohen Strafantrag - ggf. auch nach erfolgloserAufforderung der Straf- und Bußgeldsachenstelle bzw. der StA zur Anpassung -Hauptverhandlung gemäß § 408 Abs. 2 anberaumen 581 .Hält der Richter die Sache nicht für eine Aburteilung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren für geeignet, soregt er gemäß § 386 Abs. 4, Satz 2 AO die Übernahme der Sache durch die StA an 582 .Ist der Strafrichter allerdings wegen der Bedeutung der Sache nicht zuständig, weist er denAntrag zurück 583 .Gegen diese Zurückweisung 584 steht der BuStra bzw. der StA die sofortige Beschwerde nach§ 311 zu, §§ 210 Abs. 2, 408 Abs. 1, Satz 3 585 .c) Anberaumung der Hauptverhandlung<strong>Der</strong> Richter kann die Hauptverhandlung anberaumen, § 408 Abs. 2, wenn er Belenken hat,ohne Hauptverhandlung zu entscheiden 586 . Das gleiche gilt, wenn er eine andere Rechtsfolgeals die beantragte festsetzen will oder die Hauptverhandlung zur vollständigen Aufklärung desSachverhaltes für unerläßlich hält 587 .d) Einstellung des VerfahrensSchließlich kann der Richter die Einstellung des Verfahrens verfügen, wobei hier dieZust<strong>im</strong>mung der BuStra bzw. StA erforderlich ist, § 153 Abs. 2, Satz 1 588 .e) <strong>Strafbefehl</strong>serlaß<strong>Der</strong> Richter kann den <strong>Strafbefehl</strong> auch erlassen, wobei er hier dem Antrag derErmittlungsbehörde entsprechen muß 589 . Weicht der Richter dennoch von dem beantragten581 Blumers/Göggerle, RN 636.582 Blumers/Göggerle, RN 636.583 Blumers/Göggerle, RN 636.584 Die sofortige Beschwerde steht nach der Gegenauffassung, die neben dem Strafrichter auch das Schöffengerichtgrundsätzlich für zuständig erachtet, auch in dem Fall dem <strong>Strafbefehl</strong>santragsteller zu, wenn derSchöffengerichtsvorsitzende die Abgabe der Sache an den Strafrichter verfügt.585 Blumers/Göggerle, RN 636.586 Blumers/Göggerle, RN 636.587 Blumers/Göggerle, RN 636.588 Blumers/Göggerle, RN 636.589 Blumers/Göggerle, RN 636.


<strong>Strafbefehl</strong> in seinem erlassenen <strong>Strafbefehl</strong> ab, so ist der <strong>Strafbefehl</strong> nach Auffassung vonBlumers/Göggerle gleichwohl wirksam 590 .Diese Ansicht erscheint zutreffend, da dann der neu gefaßte <strong>Strafbefehl</strong> nicht an einemschweren offensichtlichen Fehler leidet. Zwar kann ein <strong>Strafbefehl</strong> grundsätzlich auch nichtigsein 591 . Dann muß er aber an einem schweren und offensichtlichen Fehler leiden, der einemögliche Bestandskraft unerträglich erscheinen läßt 592 . Dies ist jedoch bei einem Abweicheneines neu gefaßten <strong>Strafbefehl</strong>s von dem ursprünglichen als <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf gefaßtenStrafbefehIsantrag nicht der Fall. Denn das Abweichen von dem <strong>Strafbefehl</strong>santrag ist nichtaus dem <strong>Strafbefehl</strong> selbst zu ersehen, sondern nur durch Herbeiziehung von außerhalb des<strong>Strafbefehl</strong>s liegenden Umständen bzw. Tatsachen. Damit fehlt es an der Offensichtlichkeitdes schweren Fehlers aus dem <strong>Strafbefehl</strong> selbst. Folglich ist der abgeändert erlassene<strong>Strafbefehl</strong> rechtswidrig und anfechtbar, aber zunächst wirksam.Nach einer Auffassung soll der Strafverfolgungsbehörde der Einspruch zustehen 593 . NachBlumers/Göggerle hat in diesem Fall die BuStra bzw. Staatsanwaltschaft den Rechtsbehelfder sofortigen Beschwerde 594 .Da der Erlaß eines anderen <strong>Strafbefehl</strong>s als des beantragten dem Nichterlaß des beantragtenunter Erlaß eines nicht beantragten <strong>Strafbefehl</strong>s gleichsteht, liegt m.E. die Situation des § 408Abs. 2 Satz 1 vor, der den Nichterlaß des beantragten <strong>Strafbefehl</strong>s regelt, so daß derStrafverfolgungsbehörde der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde nach § 408 Abs. 2 Satz2 i.V.m. § 210 Abs. 2 zusteht.12. Nachbesserungsmöglichkeiten bei einem fehlerhaften <strong>Strafbefehl</strong>santrag oderMöglichkeit einer Neuerstellung eines <strong>Strafbefehl</strong>santragesMängel in der Umgrenzungsfunktion führen zu einer unwirksamen Anklageschrift. Einewirksame Anklageschrift ist jedoch Verfahrensvoraussetzung, da das Gericht eine fehlendeoder mangelhafte Anklageschrift weder heilen noch ersetzen kann, da dies derAufgabenzuweisung aus der StPO zuwider liefe. Das Akkusationsprinzip erfordert gerade, daßdie Staatsanwaltschaft den Verfahrensgegenstand in sachlicher und persönlicher Hinsicht590 Str. vgl. Blumers/Göggerle, RN 636.591 vgl. oben, Seite 55 ff., 61.592 vgl. oben, Seite 55 ff., 61.593 vgl. Nachweise bei Blumers/Göggerle, RN 636.594 Blumers/Göggerle, RN 636.


est<strong>im</strong>mt. Wollte man Mängel der Anklage, die die prozessuale Tat i.S.d. § 264 <strong>im</strong> unklarenlassen, durch einen konkretisierenden Eröffnungsbeschluß als heilbar ansehen, so liefe diesdarauf hinaus, daß entgegen §§ 151, 155 Abs. 1 nicht der Kläger, mithin dieStaatsanwaltschaft, sondern das Gericht den Prozeßgegenstand best<strong>im</strong>men würde 595 .Übern<strong>im</strong>mt ein Eröffnungsbeschluß die mangelhafte Anklageschrift, so ist derEröffnungsbeschluß selbst mangelhaft und kann auch nicht mehr geheilt werden. ZwingendeFolge ist eine Einstellung nach § 206 a - respektive nach § 260 Abs. 3 durch Urteil in derHauptverhandlung - mit der Kostenfolge des § 467 Abs. 1 596 .An dem Vorstehenden ändert sich dadurch, daß statt einer Anklageschrift ein <strong>Strafbefehl</strong>vorliegt, gegen den Einspruch eingelegt wurde, nichts. Denn Mängel in derUmgrenzungsfunktion führen auch be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> zur Unwirksamkeit alsVerfahrensgrundlage. Im <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren wird nämlich die öffentliche Anklage durch den<strong>Strafbefehl</strong>santrag erhoben, § 407 Abs. 1, der <strong>im</strong> Falle des Einspruchs für dieHauptverhandlung die Funktion des Eröffnungsbeschlusses übern<strong>im</strong>mt 597 .Zwar ist das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ein summarisches Verfahren, das die beschleunigteVerfahrenserledigung ermöglichen soll, jedoch dürfen an die Darstellung derBeschuldigung(en) keine geringeren Anforderungen gestellt werden, als bei derAnklageschrift 598 .Mängel <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> lassen sich daher wie bei der Anklageschrift weder mit Hilfe andererErkenntnisquellen, noch durch Hinweise des vorsitzenden Richters, noch durch solche desSitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung beseitigen oder heilen 599 .Daß die Anforderungen be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> keinesfalls geringer als bei der Anklageschrift zustellen sind, ergibt sich schon daraus, daß der <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> Falle seiner Rechtskraft dieseUmgrenzungsfunktion aus sich selbst heraus erfüllen muß, denn er steht einemrechtskräftigen Urteil gleich, § 410 Abs. 3. Besonders deutlich wird dies, wenn manberücksichtigt, daß die be<strong>im</strong> Anklagesatz zumindest bei den Schöffengerichts- und Landgerichtsanklagennoch gegebene Möglichkeit, zur Identifizierung der Tat die Darstellung des595 OLG Frankfurt, OLGSt, § 200 StPO, Nr. 1, rn. Anm. Rieß, Seite 3.596 OLG Frankfurt, OLGSt, § 200 StPO, Nr. 1, Seite 3; BGH GA 73, 111, 112; BGH GA 80, 468.597 OLG Düsseldorf, OLGSt, § 200 StPO Nr. 2, Seite 1 m.w.N. = wistra 1988, 365, 366.598 OLG Düsseldorf, OLGSt, § 200 StPO Nr. 2, Seite 2 = wistra 1988, 365, 366.599 OLG Düsseldorf, OLGSt, § 200 StPO Nr. 2, Seite 2 wistra 1988, 365, 366; BGHSt 23, 336 ff., 340.


wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen heranzuziehen, be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> nicht besteht: Eskann daher nicht in Betracht kommen, an den <strong>Strafbefehl</strong> geringere Anforderungen als an eineAnklageschrift zu stellen.Heilungsmöglichkeiten des aufgrund eines mangelhaften <strong>Strafbefehl</strong>santrages erlassenen<strong>Strafbefehl</strong>s bestehen daher nicht.Die Strafverfolgungsbehörde hat jedoch nach erfolgter Einstellung des unheilbar krankenVerfahrens durch Beschluß nach § 206 a außerhalb einer Hauptverhandlung oder durch Urteilnach § 260 Abs. 3 aufgrund Hauptverhandlung die Möglichkeit, einen neuen korrekten<strong>Strafbefehl</strong> zu entwerfen und zu beantragen, wenn die Verfolgbarkeit der Tat noch nichtverjährt ist.13. RechtshängigkeitIm Eröffnungsverfahren nach §§ 199 ff. prüft das Gericht, welche Verfahren aufgrund derAnklage durchgeführt und welche Verfahren zur Vermeidung unnötiger Hauptverfahren schonvorher beendet werden sollen. Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens läßt das angerufeneGericht die Anklage durch Eröffnungsbeschluß zu, § 207. Damit ist nicht nur dasHauptverfahren eröffnet und der Verfahrensstoff best<strong>im</strong>mt, sondern auch die Rechtshängigkeiterzeugt 600 . Da es keinen Eröffnungsbeschluß <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren gibt, vielmehr <strong>im</strong>Einspruchsfall der <strong>Strafbefehl</strong> den Eröffnungsbeschluß ersetzt, entsteht auch erst mit <strong>Strafbefehl</strong>serlaßdurch den Richter die Rechtshängigkeit <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren.14. § 408 aDurch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 wurde § 408 a eingefügt, der <strong>im</strong> geltendenRecht kein Vorbild hat 601 . Gemäß § 408 a kann nach Eröffnung des Hauptverfahrens dieStaatsanwaltschaft den Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s beantragen 602 . Sinn und Zweck des § 408 aist es, daß auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens in geeigneten Fällen dassteckengebliebene Verfahren schnell und ohne großen Aufwand zum Abschluß gebracht600 Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 199 RN 1; ders., Einl. 63, 64.601 Kirch, S. 42.602 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 a RN 1.


werden kann 603 . Da nach der bisherigen Rechtslage ein einmal eröffnetes Verfahren - außer inden Fällen der Einstellung - nur aufgrund einer Hauptverhandlung, für die grundsätzlich dieAnwesenheit des Angeklagten erforderlich ist, §§ 230 ff., und nur durch Urteil beendet werdenkann, soll § 408 a ermöglichen, das Verfahren schnell und sachgerecht zu beenden 604 . <strong>Der</strong>Übergang in das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren kommt nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vorallem dann in Betracht, wenn der Beschuldigte mit bekanntem Aufenthalt <strong>im</strong> Ausland wohnt,seine Einlieferung zur Durchführung der Hauptverhandlung aber nicht möglich oder nichtangemessen (verhältnismäßig) wäre, wenn die Vorführung des möglicherweise weit entferntwohnenden Angeklagten mit Rücksicht auf die geringe Straferwartung unverhältnismäßigwäre, ferner wenn der unmittelbaren Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung erhebliche,die Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 aber nicht erfüllende Hinderungsgründeentgegenstehen und der Sachverhalt nach dem Akteninhalt hinreichend geklärt ist 605 . Da §408 a zur Voraussetzung hat, daß das Hauptverfahren bereits eröffnet ist, findet die Vorschriftkeine Anwendung <strong>im</strong> beschleunigten Verfahren nach §§ 212 ff. 606 . Ebenso kann § 408 a <strong>im</strong>Einspruchsverfahren nach bereits erlassenem <strong>Strafbefehl</strong> nicht angewandt werden 607 .Vielmehr geht insoweit <strong>im</strong> Falle des Ausbleibens des Angeklagten § 412 vor.Auch kann ein <strong>Strafbefehl</strong> nach § 408 a nicht <strong>im</strong> Hauptverfahren erlassen werden, wenn derRichter Bedenken hat ohne mündliche Hauptverhandlung zu entscheiden, § 408 Abs. 3 Satz2 608 . Wenn in diesem Fall der Richter wegen seiner Bedenken, ohne eine Hauptverhandlungzu entscheiden, den beantragten <strong>Strafbefehl</strong> nach § 408 Abs. 3 Satz 2, erste Alternative, nichterlassen will, wäre es in sich widersprüchlich, wenn nach begonnener, aber noch nichtbeendeter Hauptverhandlung der Richter das Verfahren nunmehr durch einen <strong>Strafbefehl</strong>beenden würde. Dieser Fall wäre allenfalls nur dann vorstellbar, wenn die Beweisaufnahmeso weit fortgeschritten wäre, daß nunmehr der Richter keine weiteren Bedenken hätte, auch<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren zu entscheiden und nunmehr der Angeklagte nicht mehr erscheinenwürde. In derartigen Fällen könnte man sich noch die Anwendung des § 408 a vorstellen,jedoch liegen in diesen Fallgestaltungen wohl auch die Voraussetzungen des § 231 Abs. 2vor, so daß dann auch in Abwesenheit des Angeklagten, wenn dieser über die Anklage schonvernommen worden ist und das Gericht seine weitere Anwesenheit nicht für erforderlicherachtet, weiterverhandelt und entschieden werden kann. <strong>Der</strong> Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s nach §603 BT-<strong>Dr</strong> 10/1313, S. 35/36; Vorüberlegungen, S. 35, 45, 58-60; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 a Nr. 1.604 Kirch, S. 42.605 BT-<strong>Dr</strong> 10/1313, S. 36, Kirch, S. 42, 43; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 a RN 1.606 Kirch, S. 43.607 Kirch, S. 43.608 BT-<strong>Dr</strong> 10/1313, S. 36.


408 a wäre in derartigen Fällen nicht prozeßökonomisch, da der <strong>Strafbefehl</strong>santrag erst nochvon der Staatsanwaltschaft gefertigt werden müßte und dem Angeklagten hiergegen derRechtsbehelf des Einspruchs zustünde, hingegen bei einem Weiterverhandeln und einerEntscheidung durch Urteil nach § 231 Abs. 2 nicht erst noch die Staatsanwaltschaft den<strong>Strafbefehl</strong>sentwurfs fertigen muß, sondern vielmehr das Urteil abgesetzt werden kann, dasdann durch die Rechtsmittel der Berufung und Revision angegriffen werden kann.Kirch 609 vermutet, daß der Gesetzgeber das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nach § 408 a in den Fällendes § 408 Abs. 3 Satz 2 - in allen Varianten - für nicht sachgerecht erachtet. Kirch begründetdiese Vermutung leider nicht näher.Diese Vermutung ist m.E. nicht aus dem Gesetz zu rechtfertigen. Denn in den Fällen des §408 Abs. 3 Satz 2, 2. und 3. Alternative ist nicht einzusehen, warum nicht auch nach Eröffnungdes Hauptverfahrens ein <strong>Strafbefehl</strong>santrag nach § 408 a beantragt und erlassen werdenkann. Denn in diesen Fällen will der zuständige Richter von der rechtlichen Beurteilung <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>santrag der Staatsanwaltschaft abweichen, § 408 Abs. 3 Satz 2, 2. Alternative, oderaber eine andere als die beantragte Rechtsfolge festsetzen, wobei die Staatsanwaltschaft aufihrem Antrag beharrt, § 408 Abs. 3 Satz 2, 3. Alternative. Fehlt in beiden Alternativen derAngeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens und einigen sich in der Hauptverhandlungder zuständige Richter und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, so bestehen m.E.keine Bedenken gegen den Antrag des Sitzungsvertreters auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s nach §408 a Abs. 1, um das durch die Abwesenheit des Angeklagten steckengebliebene Verfahrenschnellstmöglich und prozeßökonomisch zu beenden.In der Praxis spielt bislang § 408 a eine unbedeutende Rolle. Dies mag daran liegen, daß ein<strong>Strafbefehl</strong>santrag nach § 408 a und ein entsprechender Erlaß eines solchen <strong>Strafbefehl</strong>s nurprozeßökonomisch ist, wenn man davon ausgehen kann, daß kein Einspruch eingelegtwird 610 . Ansonsten ist nämlich keine Entlastung des Gerichts zu erkennen.Deswegen wird häufig das Mittel der Vorführung oder des Haftbefehls statt der Erlaß eines<strong>Strafbefehl</strong>s nach § 408 a Abs. 1 gewählt 611 .609 Kirch, S. 43.610 Kirch, S. 44.


15. § 408 bNach § 408 b kann der Richter, wenn er eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängen will,deren Vollstreckung aber zur Bewährung ausgesetzt werden soll, § 407 Abs. 2 Satz 2, demAngeklagten einen Verteidiger bestellen, wenn dieser noch keinen Verteidiger hat.Diese Verteidigerbestellung durch den Richter, die durch Gesetz vom 11.01.1993 612 eingefügtwurde, erscheint sehr sinnvoll, damit gegen den bis dahin unverteidigten Angeklagten auchFreiheitsstrafe bis zu einem Jahr mit Bewährung verhängt werden kann. Insbesondere also inFällen, in denen sich aufgrund der Hauptverhandlung eine Verschlechterung alswahrscheinlich abzeichnet, kann dann der Richter - gegebenenfalls auch nach Hinweis gemäߧ 265 wegen Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes - den Strafbann des<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens voll ausschöpfen.IV. Abschluß des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens1. Verfahrensbeendigung durch Einstellung nach § 170 Abs. 2Fehlt es am hinreichenden Tatverdacht aus Sicht des Strafrichters bzw. vorsitzenden Richters,bedarf es schon keiner Entscheidung mehr darüber, ob gemäß dem Antrag derStaatsanwaltschaft <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren prozediert werden soll oder ob sogleichmündliche Verhandlung nach § 408 Abs. 3 anberaumt werden soll. In diesem Fall ergingeauch dann, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hätte, kein Eröffnungsbeschluß undes käme nicht zum Hauptverfahren. Entsprechendes gilt dann für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren:Hält der Richter den Beschuldigten nicht für hinreichend verdächtig, so lehnt er den Beschlußdes <strong>Strafbefehl</strong>s durch Beschluß ab 613 . Diese Entscheidung steht dem Beschluß gleich, durchden <strong>im</strong> Falle einer "normalen" Anklageerhebung die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehntwird, § 408 Abs. 3. <strong>Der</strong> ablehnende Beschluß muß den Grund der Ablehnung erkennenlassen, §§ 408 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 210 Abs. 2. Eine neue Anklage oder ein neuer<strong>Strafbefehl</strong>santrag kann dann nur aufgrund neuer Tatsachen oder neuer Beweismittelergehen, §§ 408 Abs. 22 i.V.m. 211 614 .611 Ebenso Kirch, S. 44.612 BGBl. 1990 1, s. 50.613 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884, 885.


Hält der Richter die sachlich-rechtliche Beurteilung des Falles nicht für zutreffend, aber beiseiner rechtlichen Beurteilung den dringenden Tatverdacht für gegeben, so kann er derStaatsanwaltschaft die Änderung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages vorschlagen. Dies geschieht häufigauf dem "kleinen Dienstweg", also durch mündliche oder fernmündliche Rücksprache. Beharrtdie Staatsanwaltschaft auf ihrer Beurteilung, so lehnt der Richter den Erlaß des beantragten<strong>Strafbefehl</strong>s ab, weil der hinreichende Tatverdacht für die von der Staatsanwaltschaftangenommene Tat nicht besteht 615 . Daher trifft § 408 Abs. 2 - neben der Alternative, daß derRichter Bedenken hat ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden - nur den Fall derNichtübereinst<strong>im</strong>mung in der Rechtsfolge, die in dem <strong>Strafbefehl</strong> beantragt ist. Schlägt derRichter die ihm notwendig erscheinenden Änderungen außerhalb der festzusetzendenRechtsfolgen vor und beharrt die Staatsanwaltschaft auf ihrem Antrag, so darf der Richter den<strong>Strafbefehl</strong>santrag nicht ablehnen, sondern muß die Hauptverhandlung anberaumen, wenn ernicht aufgrund des Beharrens der Staatsanwaltschaft seine Rechtsauffassung überdenkt undden <strong>Strafbefehl</strong> antragsgemäß erläßt 616 .2. Verfahrensbeendigung durch Einstellung, §§ 206 a, 260 Abs. 3Liegen Verfahrenshindernisse vor, ist das Verfahren außerhalb der Hauptverindlung nach §206 a Abs. 1 einzustellen. Wird das Verfahrenshindemis in der Hauptverhandlung festgestellt,muß ein Einstellungsurteil nach § 260 Abs. 3 erfolgen.Schwerwiegende Mängel des Verfahrens sind mit Prozeßhindernissen nicht gleichzusetzen.Schwerwiegende Mängel des Verfahrens berechtigen in der Regel nur zur Urteilsanfechtung,sei es durch Berufung oder Revision. Schwerwiegende Mängel führen in der Revision nurdann zur Urteilsaufhebung, wenn das Urteil auf ihnen beruht, § 337 Abs. 1, oder wennaufgrund der absoluten Revisionsgründe die unwiderlegbare Vermutung des Beruhens nach §338 besteht.Schwerwiegende Mängel sind nur dann Prozeßhindernisse, wenn sie nach dem aus demZusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzgebers so schwer wiegen, daß von ihremFehlen die Zulässigkeit des Verfahrens <strong>im</strong> Ganzen abhängig gemacht werden muß 617 . Ein614 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884, 885.615 Kleinknecht-Meyer-Goßner, § 408 RN 17.616 Kleinknecht-Meyer-Goßner, § 408 RN 17.617 BGHSt 15, 287, 290; 19, 273, 278; 24, 239, 240; 26, 84, 91; 32, 345, 350; 33, 183, 186; 35, 137, 140;Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl. RN 146; hiergegen Volk, S. 205 ff..


solcher Mangel liegt vor, wenn der Angeklagte ungenügend bezeichnet ist, so daß er nichtaufgrund der Anklageschrift identifizierbar ist 618 . Gleiches gilt, wenn die dem Angeklagten zurLast gelegte Tat nicht hinreichend exakt identifizierbar ist 619 . Zwar darf das in derAnklageschrift nielergelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zur Identifizierung der Tatmit herangezogen werden 620 , jedoch hilft dies bei den Anklageschriften, die an dasAmtsgericht adressiert sind, nicht weiter, da dort kein wesentliches Ergebnis der Ermittlungenvorhanden sein braucht und in der Regel auch nicht vorhanden ist.Vorstehende Fehler, liegen sie be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag vor, würden also auch einVerfahrenshindernis darstellen. Demgemäß ist der <strong>Strafbefehl</strong>santrag unter Hinweis auf denVerfahrensmangel der Verfolgungsbehörde zurückzugeben, damit dieser denVerfahrensmangel beheben kann 621 . Verweigert die Strafverfolgungsbehörde die"Nachbesserung", wird die Eröffnung des Hauptverfahrens bzw. der Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>sabgelehnt 622 .3. Einstellung des Verfahrens nach §§ 153 Abs. 2, 153 a Abs. 2Eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153 a geht <strong>im</strong>mer dem <strong>Strafbefehl</strong>santragvor 623 . Es handelt sich also genaugenommen um eine dreistufige Einstellungsprüfung:Erstens wird nach Abschluß der Ermittlungen nach § 170 Abs. 2 überprüft, ob das Verfahrenmangels hinreichenden Tatverdachts einzustellen ist, danach wirdzweitens geprüft, ob das Verfahren an schwerwiegendsten Mängeln leidet, so daß es nach §206 a - hilfsweise nach § 260 Abs. 3, wenn der Fehler erst in der Hauptverhandlung bemerktwird - eingestellt wird unddrittens wird eine Opportunitätsprüfung 624 nach §§ 153 f. vorgenommen, die ebenfalls eineEinstellung des Verfahrens zum Ergebnis haben kann 625 .618 OLG Oldenburg, NJW 1952, 990.619 BGH NJW 1954, 360, 361.620 BGHSt 5, 226; 10, 137; dazu Puppe, NStZ 1982, 230.621 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 200 RN 26.622 LR-Rieß, § 200 RN 57; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 200 RN 26.623 BT-<strong>Dr</strong> 10/1313, S. 35; Meurer, JuS 1987, 882 ff., 884; vgl. oben, S. 44, 46.624 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 153 RN 1; Weber-Blank, wistra 1995, 134 ff., 135.


4. Anberaumung der Hauptverhandlung nach § 408 Abs. 3Nach § 408 Abs. 3 Satz 2 beraumt der Richter Hauptverhandlung an, wenn er Bedenken hatohne eine solche Hauptverhandlung zu entscheiden oder wenn er von der richtigenBeurteilung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag abweichen oder eine andere als die beantragte Rechtsfolgefestsetzen will und die Staatsanwaltschaft auf ihrem Antrag beharrt, § 408 Abs. 3 Satz 2.Bedenken in diesem Sinne können sein, daß der angerufene Amtsrichter <strong>im</strong> Gegensatz zurStaatsanwaltschaft keine strafbare Handlung für vorliegend erachtet, daß er den Sachverhaltfür nicht genügend geklärt hält, daß er ein Prozeßhindernis - das von Amts wegen zu berücksichtigenist 626 - ann<strong>im</strong>mt, daß er den Sachverhalt rechtlich anders wertet (z.B. Diebstahl stattBetrug; leichtfertige Steuerverkürzung statt Steuerhinterziehung) oder eine andere Strafe fürangemessen hält 627 .a) Bedenken des RichtersBedenken liegen vor, wenn der Richter zwar den hinreichenden Tatverdacht einerseits sieht,gleichwohl die Aburteilung <strong>im</strong> Beschlußverfahren für bedenklich hält 628 . Solche Bedenkenkönnen sich insbesondere daraus ergeben, daß der zuständige Richter eineHauptverhandlung wegen der Bedeutung der Sache für geboten erachtet oder zurvollständigen Klärung auch der Nebenumstände die Hauptverhandlung ihm zweckmäßigerscheint 629 . Solche Bedenken mögen weniger <strong>im</strong> Sinne von rechtlichen Zweifeln vorliegen,sondern häufiger wohl <strong>im</strong> Beich der Strafzumessung liegen, wenn also die Tagessatzhöheunklar erscheint oder eventuelle Strafmilderungsgründe in Betracht kommen, der Richter sichaber für eine derartige Beurteilung einen persönlichen Eindruck 630 von dem Angeklagtenverschaffen will 631 .625 zur Rechtmäßigkeit der durch das RPflEntIG geänderten §§ 153 ff.: Weber-Blank, wistra 1995, 134 ff.;626 BGHSt, 304, 306; 20, 292, 293; 22, 1, 2; 29, 94; OLG Celle, NStZ 1983, 233; Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl. RN 150.627 Peters, S. 491.628 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 12.629 vgl. Nr. 165 Abs. 3 RiStBV; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 12.630So, wenn der Richter beispielsweise die Auswirkungen der Tat auf den Angeklagten oder das Maß dessenPflichtwidrigkeit oder das Vorleben des Täters oder die persönlichen Verhältnisse, insbesondere die Strafempfänglichkeitund -empfindlichkeit des Täters berücksichtigen will bzw. sich für einen besonders gelagerten Fall in den Akten - ggf.durch entsprechende Mitteilung eines Verteidigers - Hinweise ergeben; zu den Strafzumessungsfaktoren allgemein<strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 1 ff., 21 ff., 25.631 KMR-Müller, § 408 RN 25; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 12.


) Fehlgeschlagener EinigungsversuchEinigungsversuche, sind in zweierlei Richtung denkbar:Erstens kommt eine Einigung mit der Staatsanwaltschaft in Betracht, zweitens eine Einigungmit dem Verteidiger des Beschuldigten.Die Einigung zwischen Richter und Staatsanwaltschaft kommt in all jenen Fällen in Betracht, indenen der Richter in tatsächlicher Hinsicht von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist under auch ansonsten keine Bedenken hat, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden, er jedochvon der rechtlichen Qualifizierung der Tat abweichen möchte oder eine andere Rechtsfolgefestsetzen möchte. Nach dem Gesetz beraumt der Richter in diesen Fällen gemäß § 408 Abs.3 Satz 2 Hauptverhandlung an. Dies jedoch nur, wenn die Staatsanwaltschaft bei ihrem Antragbeharrt, § 408 Abs. 3 Satz 2, letzter Halbsatz. Aus der Formulierung des Gesetzes "beharren"folgt jedoch, daß der Gesetzgeber hier von einer Kommunikation zwischen Gericht undStaatsanwaltschaft ausging. Denn beharren kann nur, wer vorher gefragt wurde, ob ertatsächlich bei dieser Auffassung bleiben will und der Gefragte von seiner bisherigen Positionnicht abweichen will. Tatsächlich findet eine rege Kommunikation zwischen Gericht undStaatsanwaltschaft insoweit auch statt. Dies erfährt der Verteidiger in denen Fällen, in denenauch die rechtliche Qualifizierung der Tat oder der Rechtsfolgenausspruch mit dem Verteidigerzwecks Vermeidung eines Einspruchs abgest<strong>im</strong>mt werden.Eine derartige Kommunikation zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft bzw. BuStra istbegrüßenswert. Denn aus prozeßökonomischen Gründen ist es sinnvoll, die für den Erlaßeines <strong>Strafbefehl</strong>s erforderliche Einigung zwischen Richter und Strafverfolgungsbehördeschnellstmöglich herzustellen. Noch besser ist die Einbindung des Verteidigers in solcheGespräche. Dies hilft ggf. die gewünschte Akzeptanz des <strong>Strafbefehl</strong>s zu erreichen.Ohne hier auf ein besonderes Zwischenverfahren <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren eingehen zuwollen, das man verschiedentlich in der Praxis erlebt, noch die Zulässigkeit von Absprachenund deren rechtliche Probleme hier vorwegnehmen zu wollen, muß es Ziel jedes Verteidigerssein, Gespräche zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung über die rechtlicheWürdigung der Tat als auch über die Rechtsfolgen der Tat zu suchen. Diese Gespräche sindprozeßökonomisch und effizient. <strong>Der</strong> telefonische Rundruf oder das persönliche Gespräch


vermeiden hier häufig ein langwieriges Verfahren mit eventuell anschließender umfangreicherHauptverhandlung.Ziel ist es nicht, wie auf einem türkischen Basar, je nach Funktion die Strafe herauf- oderherunterzudrücken. Ziel solcher Gespräche ist es vielmehr, nüchtern und emotionslos den Fallin tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sachlich zu würdigen. Hierbei kommen naturgemäßdie eventuell vorliegenden Beweisschwierigkeiten zum Tragen. Man klärt also schlicht denSachverhalt und die rechtliche Würdigung unter Anerkennung der eigenen und fremdenStärken und Schwächen. Synthese hierbei ist dann das hierfür angemessene Strafmaß.Mißlingt der Einigungsversuch mit der Staatsanwaltschaft, beharrt diese also auf ihrerRechtsauffassung, so muß der angerufene Richter nach § 408 Abs. 3 Satz 2Hauptverhandlung anberaumen.Scheitert die Einigung mit dem Verteidiger, bleibt es dem Richter überlassen, ob er den<strong>Strafbefehl</strong> erläßt und die (rechtzeitige und wirksame) Einspruchseinlegung abwartet oderaber für den Fall, daß er aufgrund der Äußerungen des Verteidigers Bedenken <strong>im</strong> Sinne des §408 Abs. 3 Satz 2 bekommen hat, sogleich Hauptverhandlung nach § 408 Abs. 3 Satz 2anberaumt.c) Verhandlungsmöglichkeiten und -strategien aus anwaltlicher SichtEs empfiehlt sich, in den Fällen, in denen man ernsthaft über die Strafbarkeit bzw. dasStrafmaß diskutieren kann, sich frühestmöglich als Verteidiger zu bestellen undentsprechende Argumente schriftlich vorzutragen 632 . Krekeler sieht aus Sicht des Verteidigersin der frühen Offenbarung der Verteidigungsargumente und -strategie nicht nur Vorteile,sondern auch Nachteile, indem er grundsätzlich Bedenken hat, das Verteidigervorbringen unddie Verteidigungsstrategie frühzeitig bekanntzugeben 633 . Eine derartige Zwickmühle bestehtm.E. nicht. Denn die Verteidigungsstrategie ist m.E. nicht tragfähig, wenn sie auf Überraschungsmomentebzw. überraschende Argumente in der Hauptverhandlung angelegt ist. DieStrategie muß sich vielmehr auf eine seriöse Diskussion über einzeIne Punkte, die <strong>im</strong>jeweiligen Fall entweder in sachlicher oder rechtlicher Hinsicht zweifelhaft sind, konzentrieren.Die Wirtschaftsdelikte, speziell die Steuerstrafverfahren, sind in der Regel zu kompliziert, um632 Vgl. oben, S. 51.633 Krekeler, wistra 1985, 54 ff., 54, 55.


in der Verhandlung erst Gegenargumente gegen die Strafbarkeit des Angeklagten austatsächlicher oder rechtlicher Sicht vorzutragen. Das Vorbringen der Verteidigungsargumenteerst in der Hauptverhandlung hat dann allenfalls eine Verlängerung des Prozesses zur FoIge,indem das Gericht eventuelle sachliche steuerrechtliche Argumente auf ihre Stichhaltigkeit hinüberprüft.Die frühzeitige Äußerung von rechtlichen oder tatsächlichen Bedenken gegen das Verfahreninsgesamt hat zur Folge, daß der <strong>Strafbefehl</strong> in der Regel nicht beantragt wird, wenn nichteine Absprache über Strafmaß und über die Erledigung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren erfolgte.Zwar gibt es <strong>im</strong>mer wieder einige Beschuldigte, die die Hauptverhandlung scheuen, so daß ansich das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren für sie zur Erledigung der Strafsache das ideale Mittel wäre.Für diese Mandanten gibt es jedoch - worauf nan bei der Beratung und der Erarbeitung derVerteidigungsstrategie hinweisen nuß - kein Patentrezept. Denn der Beschuldigte, der sichgegen die Höhe der angeblichen Steuerhinterziehung wehren möchte, muß wegen derbestehenden Strafmaßtabellen sich steuerlich wie auch steuerstrafrechtlich gegen die ihm zurLast gelegte Höhe der Verkürzung wehren. Dann muß er aber spätestens <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren Einspruch einlegen, um so in der Hauptverhandlung seine Begründungvortragen zu können. Damit aber ist er mitten in der für ihn unliebsamen Hauptverhandlung.Die Hauptverhandlung um jeden Preis zu vermeiden, bedeutet dann ggf. eine zu hohe Strafeakzeptieren zu müssen. In derartigen Fällen hilft nur der abgesprochene <strong>Strafbefehl</strong>.d) Ladung des Angeklagten nach § 408 Abs. 3 Satz 3Beraumt der Richter nach § 408 Abs. 3 Satz 2 Hauptverhandlung an, so hat er dennochkeinen förmlichen Eröffnungsbeschluß zu erlassen, obwohl er auch keinen <strong>Strafbefehl</strong>erläßt 634 . Müller ist zuzust<strong>im</strong>men, der diese Regelung für wenig überzeugend hält, da derRichter sich auf den <strong>Strafbefehl</strong>santrag hin ohnehin zunächst mit den Voraussetzungen derEröffnung des Verfahrens auseinander zu setzen hat. Müller meint insoweit, daß, wenn derRichter den <strong>Strafbefehl</strong>santrag zwar nicht ablehnt dennoch aber das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrennicht weiterbetreibt, sondern vielmehr in das Regelverfahren überleitet, es nicht einzusehen634 OLG Bremen, OLGSt, § 408, RN 1; LR-Gössel, § 408 RN 45; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 14; KMR-Müller, §408 RN 26; Müller, S. 75; Roxin, S. 417; Schlüchter, S. 876; Schorn, S. 50; Thumar, S. 56.


ist, warum dann nicht auch die Einleitung des Hauptverfahrens entsprechend § 207 erfolgensoll 635 .Müller ist m.E. zuzust<strong>im</strong>men, da grundsätzlich ein Eröffnungsbeschluß für die Eröffnung desHauptverfahrens vorhanden sein muß, lediglich <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ersetzt der erlassene<strong>Strafbefehl</strong> den Eröffnungsbeschluß, wenn gegen den Strafbehl Einspruch eingelegt wird 636 .Wird aber der <strong>Strafbefehl</strong> gerade nicht erlassen wegen irgendwelcher Bedenken desangerufenen Richters, dann liegt gerade kein den Eröffnungsbeschluß ersetzender <strong>Strafbefehl</strong>vor. <strong>Der</strong> Gedanke, warum der <strong>Strafbefehl</strong> den Eröffnungsbeschluß ersetzen soll, ist nämlichder, daß der Richter bei der Prüfung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages sich mit der Frage derZulässigkeit und Begründetheit des <strong>Strafbefehl</strong>santrages, der insoweit einer Anklageschriftgleicht, auseinandersetzen muß. Damit liegt eine Ähnlichkeit hinsichtlich der Prüfung desEröffnungsbeschlusses vor. Erläßt also der Richter den beantragten <strong>Strafbefehl</strong>, so wäre esnicht nur eine überflüssige Formalie, wenn er entsprechend dem Regelverfahren auch nundas <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren eröffnet. Diese Eröffnung wäre sogar unrichtig, da derEröffnungsbeschluß nur einer Hauptverhandlung voranzugehen hat, bei einem <strong>Strafbefehl</strong> esjedoch unklar ist, ob es zu einer solchen überhaupt kommt. Denn dies hängt nach demerlassenen <strong>Strafbefehl</strong> ausschließlich von dem Willen des Angeklagten ab, der entscheidenmuß, ob er Einspruch einlegt oder nicht.Ist aber der <strong>Strafbefehl</strong> nicht erlassen worden, liegt auch <strong>im</strong> Falle einer Hauptverhandlung keinden <strong>Strafbefehl</strong> ersetzender Eröffnungsbeschluß vor. Damit leidet eine ohneEröffnungsbeschluß und ohne Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s durchgeführte Hauptverhandlung aneiner von Amts wegen zu berücksichtigenden Prozeßvoraussetzung 637 . Die allerdings nicht inder Revision - wegen § 336 Satz 2 - gerügt werden kann 638 .Soweit ein Eröffnungsbeschluß nicht ergeht, ist auch § 215 nicht anwendbar. Soweit maneinen Eröffnungsbeschluß insoweit hier nicht für erforderlich hält, ist auch nach § 201 Abs. 1dem Angeklagten nicht die Anklageschrift nach § 201 mitzuteilen, da § 201 nach seinem Sinnund Zweck und systematischem Standort bezweckt, dem Angeklagten die Anklageschrift635 So auch <strong>im</strong> älteren Schrifttum Bennecke/Beling, S. 658; Hertzsch, S. 18; v. Hippel, S. 643; Michaelsen, DRiZ 1952, 133;Oetker, S. 116; Roserifeld, S. 294; Müller, S. 75.636 BGHSt 23, 280; OLG Düsseldorf, VRS 1974,278; OLG Zweibrücken, MDR 1987,164; einschränkend: LR-Gössel, § 408RN 39, der meint, der <strong>Strafbefehl</strong> habe nur einzelne Wirkungen des Eröffnungsbeschlusses.637 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 207 RN 14.638 BGH NStZ 1981, 447 mit zust<strong>im</strong>mender Anm. Rieß; BGH NStZ 1985, 464; LR-Rieß, § 207 RN 71;Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 207 RN 14.


mitzuteilen, damit er hierzu Stellung nehmen kann, so daß das Gericht eine ausgewogeneEntscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens treffen kann 639 . Um dem Angeklagtenjedoch eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen, schreibt § 408 Abs. 3 Satz 3 vor, daßdem Angeklagten eine Abschrift des <strong>Strafbefehl</strong>s ohne die beantragte Rechtsfolge in dem Fallder Anberaumung der Hauptverhandlung mitzuteilen ist.5. Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>sStehen dem Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s keine Bedenken entgegen, hat der Richter dem Antrag derStaatsanwaltschaft entsprechend den <strong>Strafbefehl</strong> zu erlassen, § 408 Abs. 3 Satz 1.a) SachurteilsvoraussetzungenDie in § 408 Abs. 3 Satz 1 nicht positiv aufgeführten sachlichen Voraussetzungen für denErlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s leiten sich aus der Rechtsnatur des <strong>Strafbefehl</strong>s ab 640 . Insoweit wirdüberwiegend die Auffassung vertreten, daß der <strong>Strafbefehl</strong> ein nach schriftlichem Verfahrenohne vorherige Anhörung des Beschuldigten in Beschlußform 641 ergehendes Urteil ist 642 . Ausdieser urteilsersetzenden Funktion folgt für den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s, daß der Richter - wieauch <strong>im</strong> Regelverfahren - in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht von der Schuld des Angeklagtenund der beantragten Rechtsfolge überzeugt sein muß 643 . <strong>Der</strong> Grad der Überzeugungdes Richters ist jedoch heftig umstritten. Die Vertreter der Gegenauffassung beziehen sich aufden Charakter des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens als summarisches Strafverfahren und stellen daheran die Überzeugung des Richters nicht dieselben Anforderungen wie an seine Überzeugung<strong>im</strong> Rahmen der Urteilsfällung: Die Schuld des Täters muß be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nichtzur Überzeugung des Gerichts feststehen, es genügt vielmehr hinreichender Tatverdacht 644 .639 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 201 RN 1: Die Mitteilung der Anklageschrift mit der Aufforderung zur Erklärung dient derGewährung rechtlichen Gehörs, sie trägt außerdem Art. 6 Abs. 3 MRK Rechnung.640 Müller, S. 76.641 <strong>Der</strong> Begriff des Urteils ist herkömmlicherweise mit der Durchführun einer Hauptverhandlung verbunden, grundlegendhierzu Erbe, S. 84 f.; ebenso Schlüchter, S. 147.642 LR-Schäfer (23. Auflage), § 407 RN 56, 57; LR-Gössel, Vor § 407 RN 11; Henkel, S. 400; Roxin, S. 416; Erbe, S. 103ff.; 157 ff.; Moliére, S. 54; Müller, S. 76.643 LR-Gössel, § 408 RN 38; KMR-Müller, § 408 RN 9; Henkel, S. 402; Schorn, S. 46, 47; Erbe, S. 88, 173-174; Vogler, S.87; Lüttger, GA 1957, 208; Hünerfeld, ZStW 90 (1978), 924.644 KK-Meyer-Goßner, § 408 RN 17; Kleinknecht/Meyer, vor § 407 RN 1; Meyer, GS 99, 45, 66 und 83-87.


Müller verlangt denselben hohen Überzeugungsgrad be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>serlaß vom Richter wiebei dessen Urteilsfällung. Denn nach seiner Auffassung liegt der Unterschied zwischen einem<strong>Strafbefehl</strong> und einem aufgrund einer Hauptverhandlung ergehenden Urteil lediglich in der Artder Erkenntnisgewinnung: Statt aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung mit den Mitteln desstrengen Beweises, § 261, gewinnt der Richter be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren seineÜberzeugung aus den schriftlichen Unterlagen, d.h. den Akten und dem <strong>Strafbefehl</strong>santrag 645 .Besinnt man sich auf den Sinn und Zweck des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens, das prozeßökonomischsein soll und lediglich die Hauptverhandlung ersparen soll, könnte man zu dem Schlußkommen, daß an dem Überzeugungsgrad des Richters nichts verändert werden soll. Mangelseiner abweichenden gesetzlichen Normierung sind hier nicht geringere Anforderungen an denÜberzeugungsgrad des Richters zu stellen als <strong>im</strong> Regelverfahren. Dies übersieht jedoch, daßder Richter <strong>im</strong> Regelverfahren seine richterliche Überzeugung aus dem Inbegriff derVerhandlung nach § 261 schöpft. Da aber gerade <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren die Hauptverhandlungentfallen soll, kann der Richter hieraus nicht seinen Überzeugungsgrad gewinnen.Also können vom Richter nicht dieselben Anforderungen an den Grad seiner Überzeugunggestellt werden, wie in den Fällen einer Hauptverhandlung.Hingegen bringt das Argument, daß der Angeklagte sich möglicherweise <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren noch nicht geäußert hat, keinen Gewinn für die Festlegung des Gradesder Überzeugungsbildung des Richters, da auch <strong>im</strong> Falle eines Hauptverfahrens sich derAngeklagte möglicherweise nicht äußert. Aus dem Schweigen des Angeklagten dürfen dannjedoch keine für ihn nachteiligen Schlußfolgerungen gezogen werden 646 .Müßte aber, wie die oben zitierte strengere Auffassung meint, der Richter, gleich wie beieinem Urteil, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht von der Schuld des Angeklagtenüberzeugt sein, dann müßte der Staatsanwalt bei jedem <strong>Strafbefehl</strong>santrag eine doppeltePrüfung hinsichtlich der Grade an Überzeugung vornehmen: Für den Staatsanwalt selbstmüßte er prüfen, ob nach § 170 Abs. 1 ein hinreichender Tatverdacht besteht. Erfolg hättejedoch sein <strong>Strafbefehl</strong>santrag nur, wenn der Richter mehr als einen hinreichendenTatverdacht, nämlich von der Schuld des Angeklagten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsichtvoll umfänglich überzeugt wäre. Damit müßte der Staatsanwalt in all den Fällen, in denen erzwar hinreichenden Tatverdacht bejaht, wegen der urteilsersetzenden Funktion des645 Müller, S. 76, 77; LR-Gössel, Vor § 407 RN 10 ff..


<strong>Strafbefehl</strong>s jedoch allein aufgrund der Aktenlage be<strong>im</strong> Richter die volle Überzeugungentstehen müßte, anderenfalls sein <strong>Strafbefehl</strong>santrag abgelehnt werden würde.Eine solche doppelte Prüfung durch den Staatsanwalt wäre weder sinnvoll, noch würde diesdie Praktikabilität des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens erhöhen. Vielmehr wäre die Folge, daß inweitaus weniger Fällen als bislang ein <strong>Strafbefehl</strong> beantragt werden könnte.Daraus erfolgt m.E., daß hinsichtlich des Grades der Überzeugung be<strong>im</strong> Richter nicht die volleÜberzeugung wie bei dem Erlaß eines Urteils, sondern vielmehr nur hinreichenderTatverdacht wie be<strong>im</strong> Staatsanwalt nach § 170 Abs. 1 vorliegen muß.b) Inhaltliche ErfordernisseDie inhaltlichen Erfordernisse ergeben sich aus 409 Abs. 1.Entgegen seiner pr<strong>im</strong>ären Funktion ein Urteil zu ersetzen, wird er jedoch nicht wie ein Urteilabgefaßt 647 . So enthält der <strong>Strafbefehl</strong>santrag keine Entscheidungsgründe, insbesondereauch keine Beweiswürdigung noch Strafzumessungserwägungen und dementsprechend keineSchilderung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten 648 .Die in § 409 Abs. 1 Nr. 1 - 5 aufgelisteten inhaltlichen Erfordernisse st<strong>im</strong>men in allenwesentlichen Punkten mit den in § 200 für die Anklageschrift aufgestellten Voraussetzungenüberein 649 .<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag hat hier, da er einerseits die Anklage, andererseits das Urteil ersetzt,die Umgrenzungs- und Informationsfunktion zu erfüllen 650 .Da es be<strong>im</strong> Strafverfahren kein Regelzwischenverfahren nach §§ 199 ff. gibt, ist auch demAngeklagten der <strong>Strafbefehl</strong>santrag nach § 201 (ggf. analog) nicht mitzuteilen. Somit ist fürden Angeklagten die Informationsfunktion des später erlassenen <strong>Strafbefehl</strong>s mindestens so646 BGHSt 25, 365, 368; 32, 140, 144; 34, 324, 326 = JR 88 1988, 78 mit Arm. J. Meyer; BGH, MDR 1971, 18; BGH, NStZ1984, 376; 1986, 325; BGH StV 1985, 234; Bay 1980, 79 = VRS 59, 348; OLG Koblenz, VRS 73, 72; OLG Koblenz,MDR 1988, 168; Stuttgart, NStZ 1986, 182; Kühl, JuS 1986,118; Rogall, S. 247 ff..647 Müller, S. 78.648 Müller, S. 78.649 KMR-Müller, § 409 RN 1; LR-Rieß, § 200 RN 1; Schlüchter, S. 87; Müller, S. 78.650 Müller, S. 78; LR-Rieß, § 200 RN 3, 4.


wichtig, wie dessen Umgrenzungsfunktion. Denn der Angeklagte hat bis dahin möglicherweiseerst die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Vorladung zu einer polizeilichenUnternehmung bzw. zu einer Vernehmung bei der BuStra erhalten. Aus der Einleitungsverfügungdes Strafverfahrens konnte er jedoch nur sehr vage den Tatvorwurf entnehmen. Aus derVorladungsverfügung konnte er wahrscheinlich nichts entnehmen außer den Umstand, daß erdamit die Gelegenheit zur Äußerung und damit rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GGerhielt. In der Regel werden die Beschuldigten nur den Personalienbogen ausfüllen undzurücksenden und keine weiteren Angaben zur Sache machen. Mehr empfiehlt sich auch ausVerteidigersicht nicht, wenn man bis dahin keine Akteneinsicht hatte. Die nicht verteidigtenBeschuldigten jedenfalls bekommen selbst keine Akteneinsicht, nur der Rechtsanwalt alsderen Strafverteidiger kann Akteneinsicht erhalten 651 .Aus den <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> gelieferten Informationen kann der Angeklagte dann ersehen, ob undwie er sich gegen den Tatvorwurf verteidigen kann. Dem dienen insbesondere die in § 409Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1-5 aufgelisteten inhaltlichen Anforderungen an den <strong>Strafbefehl</strong>. DieTatbestandsmerkmale der angeklagten Tat werden daher <strong>im</strong> Strafbehlsantrag ebensodargestellt wie <strong>im</strong> Anklagesatz, § 200 Abs. 1 Satz 1, den er ersetzt 652 . Denn nach demEinspruch gegen den <strong>Strafbefehl</strong> muß sich aus diesem der verlesbare Anklagesatzergeben 653 .Erlassen ist der <strong>Strafbefehl</strong>, wenn er die Unterschrift des Richters trägt 654 . BloßeNamenszeichen oder Fax<strong>im</strong>ilestempel genügen insoweit nach einer Auffassung nicht 655 . Nachanderer Auffassung genügt ein Hand- oderFax<strong>im</strong>ilezeichen dann, wenn daraus die Person desRichters zweifelsfrei festgestellt werden kann 656 .Fehlt die Unterschrift, ist dies bedeutungslos, wenn feststeht, daß der Richter den <strong>Strafbefehl</strong>in dieser Form erlassen wollte 657 . Die fehlende Unterschrift ist allerdings dann schädlich, wenn651 RGSt 72, 268, 275; KG JR 1965, 69; OLG Düsseldorf, JZ 1986, 508; Schleswig SchlHA 1952, 50; OLG Stuttgart, NStZ1986, 45, 46; KK-Laufhütte, § 147 RN 2, 8; Lüttger, NJW 1951, 744; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 147 RN 3; a.A.:Frohn, GA 1984, 564.652 OLG Düsseldorf, VRS 1974,278; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 4.653 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 4.654 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 12.655 Müller, S. 78.656 KG, VRS 26, 445; LR-Gössel, § 409 RN 33; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 13; OLG Saarbrücken, NJW 1973,2041 für den Bußgeldbescheid;657 KK-Meyer-Goßner, § 409 RN 14; LR-Gössel, § 409 RN 35; Schlüchter, S. 877; Erbe, S. 185; Müller, S. 79.


zweifelhaft ist, ob es sich um einen nicht unterschriebenen Entwurf eines <strong>Strafbefehl</strong>s handelt,der nur versehentlich dem Angeklagten zugestellt wurde 658 .Soweit einzelne inhaltliche Voraussetzungen des § 409 Abs. 1 nicht beachtet wurden, geltenhinsichtlich der Folgen grundsätzlich die allgemeinen Regeln für die Wirksamkeit einerAnklageschrift bzw. einer rechtlichen Entscheidung 659 . Soweit gegen einen derartigen<strong>Strafbefehl</strong> dann Einspruch eingelegt wird, sind also etwaige Mängel in gleicher Weise wiesolche des Eröffnungsbeschlusses 660 relevant 661 662 .Wird der <strong>Strafbefehl</strong> rechtskräftig, sind Mängel hinsichtlich der Bezeichnung desBeschuldigten nach § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 solange bedeutungslos, wie sich aus denübrigen Angaben zweifelsfrei die Identität des Beschuldigten ergibt 663 .Fehlt die Festsetzung der Rechtsfolgen nach § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, so ist der <strong>Strafbefehl</strong>unwirksam und schlechterdings unbeachtlich 664 .Eine fehlende Rechtsbehelfsbelehrung nach § 409 Abs. 1 Nr. 7 begründet in analogerAnwendung der §§ 35 a, 44 Satz 2 ein Recht auf Wiedereinsetzung 665 .Ist der <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren Angeklagte ein Ausländer bzw. nicht der deutschen Sprachemächtig, sollte die Belehrung nach § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 in der entsprechenden Sprachedes Beschuldigten mitübersandt werden, da die Belehrung nach § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7dazu dient, das rechtliche Gehör zu gewährleisten, Art. 103 Abs. 1 GG 666 . Zwar wird einemnicht der deutsche Sprache Mächtigen grundsätzlich zugemutet, sich bei schriftlicherBelehrung selbst um eine Übersetzung zu bemühen 667 , wegen der Bedeutung des rechtlichenGehörs und den be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren erwachsenden Konsequenzen muß m.E. eineentsprechende Belehrung in der amtlichen Landessprache des Beschuldigten vorgeheftetsein. Denn der <strong>Strafbefehl</strong> steht, wenn er rechtskräftig wird, einem Urteil gleich, § 410 Abs. 3.658 OLG Saarbrücken, VRS 21, 217; Müller, S. 79.659 Müller, S. 79.660 Eingehend hierzu LR-Rieß, § 207 RN 55 ff..661 Schorn, S. 70; Müller, S. 79; LR-Gössel, § 409 RN 3.662 Vgl. oben, S. 55 ff, 56 ff.663 LR-Gössel, § 409 RN 7; Erbe, S. 183; Müller, S. 79.664 OLG Düsseldorf, wistra 1984, 200; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 7; LR-Gössel, § 409 RN 16; Müller, S. 79.665 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 409 RN 9; KMR-Müller, § 409 RN 9; LR-Gössel, § 409 RN 24; Müller, S. 79.666 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 35 a RN 9; BVerfGE 42, 120 = NJW 1976, 1021; LG München 11, NJW 1972, 405;weitergehend noch BVerfGE 40, 95 = NJW 1955, 1597.


Da aber auch in einer Hauptverhandlung gegenüber einem nicht der deutschen SpracheMächtigen ein Dolmetscher mitwirken würde 668 , wäre eine Übersetzung derRechtsbehelfsbelehrung, die mehrsprachig formularmäßig beigefügt werden könnte, gerade<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren angemessen. Zwar kann man diesem Gedanken entgegenhalten,daß gerade das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren die Hauptverhandlung ersparen will und der Anspruchauf einen Dolmetscher vom Bundesverfassungsgericht bislang jedenfalls nur für die mündlicheVerhandlung ausdrücklich bestätigt wurde 669 , die gerade <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nichtstattfinden soll. Diese Argumentation wäre aber verkürzt, da somit nicht sichergestellt wäre,daß dem Beschuldigten rechtliches Gehör gewährt worden wäre nach Art. 103 Abs. 1 GG.Denn Art. 103 Abs. 1 GG gilt auch für Ausländer, da es kein spezielles Deutschen-Grundrechtist, sondern abstammungsunabhängig gilt. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs verlangtjedoch, daß der Beschuldigte, dem die Möglichkeit zur Äußerung gegeben werden soll,versteht, worum es geht 670 . Demnach ist nach meiner Auffassung die Beifügung einerBelehrung in der entsprechenden Landessprache des Angeklagten <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenunerläßlich. Entsprechend sieht auch Nr. 181 Abs. 2 RiStBV vor, daß Ladungen, Haftbefehle,<strong>Strafbefehl</strong>e, Anklageschriften und sonstige gerichtliche Sachentscheidungen dem Ausländer,der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, mit einer Übersetzung in einer ihmverständlichen Sprache bekanntgegeben werden müssen. Soweit KleinknechtIMeyer-Goßnereine solche Belehrung nur empfiehlt, ist dies zu wenig 671 .Die Rechtsbehelfsbelehrung lautet typischerweise wie folgt: "Rechtsbehelfsbelehrung. Dieser<strong>Strafbefehl</strong> wird rechtskräftig und vollstreckbar, wenn Sie nicht binnen zwei Wochen nachZustellung bei dem darin bezeichneten Amtsgericht schriftlich oder zu Protokoll derGeschäftsstelle Einspruch einlegen. Den Einspruch können Sie auf best<strong>im</strong>mteBeschwerdepunkte beschränken. In der Einspruchsschrift können Sie auch weitereBeweismittel (Zeugen, Sachverständige, Urkunden) angeben. Ist der Einspruch rechtzeitigeingegangen, findet eine Hauptverhandlung statt. In dieser entscheidet das Gericht nachneuer Prüfung der Sach- und Rechtslage. Dabei ist es an den <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> enthaltenenSchuld- und Strafausspruch nicht gebunden. Gegen die Entscheidung über die Verfahrenskostenund die notwendigen Auslagen können Sie, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes100,00 DM übersteigt, bei dem umseitig bezeichneten Amtsgericht667 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 35 a RN 9.668 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 35 a RN 9; derselbe, § 185 GVG RN 4.669 BVerfG, NJW 1988, 1462, 1464; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 185 GVG RN 4.670 Münch/Kunig, Art 103 GG RN 8; BGH JZ 1982, 730, 731; OLG Hamm, NJW 1983, 530 zur mangelndenSprachkenntnis.671 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 35 a RN 9: "Sollte".


innen einer Woche, nach Zustellung des <strong>Strafbefehl</strong>s schriftlich oder zu Protokoll derGeschäftsstelle sofortige Beschwerde einlegen.Bei schriftlichen Erklärungen ist die Frist nur dann gewahrt, wenn die Erklärung vor Ablauf derFrist bei dem Gericht eingeht."Ohne Kostenentscheidung fehlt es an einem vollstreckungsfähigen Titel hinsichtlich derKosten 672 . Andere Mängel sind bedeutungslos 673 .c) Ermittlung der zutreffenden GeldstrafeDie Geldstrafe setzt sich aus der Tagessatzanzahl und aus der Höhe des einzelnenTagessatzes zusammen. Beide Faktoren multipliziert, ergeben die Geldstrafenendsumme 674 .Hinsichtlich der Tagessatzanzahl gibt es speziell <strong>im</strong> Steuerrecht je nach Höhe der tatsächlichverkürzten Steuern ein ziemlich ausgefeiltes Schema 675 .Als Eckpfeiler kann man insoweit sagen, daß bei etwa 25.000,00 DM die 90-Tagessatz-Grenze erreicht ist, bei etwa 100.000,00 DM Verkürzungsbetrag muß derBeschuldigte mit etwa 250 Tagessätzen rechnen. Bei 200.000,00 DM Steuerverkürzungwerden etwa 360 Tagessätze verhängt. Eine Haftstrafe über zwei Jahre, d.h. also ohneBewährung, wird teilweise erst bei Steuerverkürzungsbeträgen oberhalb 1 Millionen DMverhängt. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß verschiedene Gerichteaufgrund eigener vorangegangener Entscheidungen in Wirtschaftsstrafsachen sich an ihreneigenen judizierten Strafrahmen halten und z.B. ab 400.000,00 DM oder 500.000,00 DMVerkürzungsbetrag schon mehr als zwei Jahre Haft verhängen 676 .Die Höhe des einzelnen Tagessatzes ist das Monats-Netto-Einkommen geteilt durch 30. DasNetto-Einkommen ist nicht nur Ausgangspunkt oder "bloßer Einstieg”, sondern Grundlage fürdie Festsetzung derTagessatzhöhe 677 . Das Netto-Einkommen ist hier ein rein strafrechtlicherund nicht steurrechtlicher Begriff 678 , der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auszulegenist. Er umfaßt Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalver-672 LR-Gössel, § 409 RN 19; Schorn, S. 73; Müller, S. 79.673 Müller, S. 79.674 BGHSt 27, 363; 28, 363.675 Vgl. dazu unten, S. 142 ff..676 LG Hanau, Urt. v. 22.09.1993,-6 Js 14308/90-, aufgehoben durch BGH, Beschluß v. 21.09.1994, -5 StR 114/94-, zurVeröffentlichung in wistra vorgesehen.677 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 40 RN 6; a.A.: Horn, JZ 1974, 289; NStZ 1989, 178; Schönke/Schröder-Stree, § 40 RN 8.


mögen, Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft, Vermietung, Verpachtung, Renten,Versorgungsleistungen und Unterhaltsbezügen. Steuerfreibeträge undLohnpfändungsfreigrenzen ändern das Netto-Einkommen ebensowenig wie steuerrechtlicheAbschreibungen, die keiner realen Einkommensminderung entsprechen 679 . Außer Betrachtbleiben bei der Feststellung des Netto-Einkommens ferner Lohnpfändungen, sonstigeVerbindlichkeiten wie Schuldzinsen, Abzahlungsraten u.s.w. Vom Netto-Einkommenabzuziehen sind hingegen die laufenden Steuern für den Zeitraum ihrer Fälligkeit.Zur Feststellung des tatsächlichen aktuellen Netto-Einkommens ist die Beiziehung deraktuellen Steuerakten unzulässig 680 . Hingegen dürfen die aktuellen Steuerakten dannbeigezogen werden, wenn der Tatvorwurf eine Steuerverkürzung beinhaltet, um festzustellen,ob der Steuerpflichtige nunmehr steuerehrlich ist.Zwar wäre eine Akteneinsicht in die aktuellen, nicht verfahrensgegenständlichen Steueraktendes Beschuldigten wichtig für die Frage der Strafzumessung, ob und welcher HöheEinwirkungen auf den Beschuldigten erforderlich sind, um ihn künftig von Steuerverkürzungenabzuhalten. Denn die Strafe wird bei einem Täter, der unverändert Steuerverkürzungenvorn<strong>im</strong>mt, naturgemäß höher ausfallen als bei einem Täter, der die Steuerhinterziehungzumindest seit der Fahndungsdurchsuchung eingestellt hat. Wegen des schützenwertenSteuergehe<strong>im</strong>nisses, § 30 AO, können jedoch die Steuerakten nicht herbeigezogen werden,um den aktuellen Nettoverdienst zu ermitteln, um so den aktuellen Tagessatz feststellen zukönnen. Denn schon <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Reform des Tagessatzsystems wurde derGedanke verworfen, dem Strafrichter generell die Mögikeit einzuräumen, in SteueraktenEinsicht nehmen zu dürfen, um den aktuellen Nettoverdienst ermitteln zu können. Wenn aberin allgemeinen Strafverfahren der Richter nicht zur Feststellung des wahren Nettoverdienstesdie Steuerakten beiziehen darf, darf der Steuerstraftäter nicht schlechter gestellt werden.Folglich ist die Beiziehung der aktuellen Steuerakten zur Feststellung des aktuellenNettoverdienstes unzulässig 681 . Denn nur unter den engen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4AO ist die Offenbarung der Steuerdaten zulässig. In dem Ausnahmenkatalog des § 30 Abs. 4678 Kritisch Tipke, JuS 1985, 351.679 Frank, JR 1978, 31; Bay NJW 1977, 2089; <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 40 RN 7.680 so wohl auch Koch/H<strong>im</strong>sel, § 30 AO RN 20, die ein Verwertungsverbot gegenüber dem Steuerpflichtigen für alle vomSteuerpflichtigen in Erfüllung steuerlicher Pflichten offenbarten Tatsachen und Beweismittel für die Verfolgung einernichtsteuerlichen Straftat sieht.681 Kleinknecht/Meyer/Meyer-Goßner, StPO-Kommeritar, 41. Auflage, München 1993, § 161 RN 5; KK-Müller, § 161 RN10.


AO ist der Fall der Akteneinsicht durch den Richter zur Festlegung des richtigen Strafmaßesnicht vorgesehen.In diesen Fällen muß dann der Richter den Tagessatz nach freiem Ermessen schätzen. <strong>Der</strong>Einsicht der aktuellen, nicht verfahrensgegenständlichen Steuerakten steht dasSteuergehe<strong>im</strong>nis, § 30 AO, entgegen.Für den Richter ist es nun ein leichtes, unter dem Blickwinkel von Strafzumessungskriterien,namentlich der Frage, ob der Beschuldigte zwischenzeitlich die Steuerverkürzung eingestellthat, die aktuellen Steuerakten beizuziehen, um dabei quasi zufällig den aktuellen Tagessatzaus den Steuerakten entnehmen zu können.Dem Strafrichter wird kaum nachzuweisen sein, daß er seine Tagessatzschätzung der Höhenach aufgrund der Kenntnis der aktuellen Steuerakten gewonnen hat, wenngleich das unguteGefühl <strong>im</strong> Raume stehenbleibt, daß anläßlich der Prüfung, ob der Steuerpflichtigezwischenzeitlich steuerehrlich geworden ist, das Netto-Einkommen als Nebenprodukt derAkteneinsicht zur Kenntnis genommen wurde.Diese Situation ist mißlich für den Richter als auch für den Verteidiger. <strong>Der</strong> Richter sieht sichnur allzu schnell dem Vorwurf ausgesetzt, auf diesem Wege § 30 AO zu umgehen. <strong>Der</strong>Verteidiger kann diesen Vorwurf andererseits nicht belegen.Da die Steuerakte auch nicht so aufteilbar ist, daß dem Richter nur die eine Information überdie Steuerehrlichkeit zukommt, die Höhe des Netto-Einkommens jedoch ihm verborgen bleibt,bleibt nur die Möglichkeit, ihm die Akte ganz oder nicht zur Einsicht zu überlassen. Bei derAbwägung der Kollision zwischen § 30 AO und den berechtigten Interessen des Richters nach§ 40 StGB kann § 40 StGB nicht überwiegen, da aufgrund der Unschuldsvermutung nach Art.6 Abs. 1 MRK schon für nicht nachgewiesene Taten die Vermutung besteht, daß sie vomBeschuldigten nicht vorgenommen wurden. Somit muß aufgrund der Unschuldsvermutung fürnicht angeklagte Zeiträume davon ausgegangen werden, daß der Beschuldigte insoweitsteuerehrlich war. Damit müssen aber die Interessen des § 30 AO letztlich höherrangig seinals die tatsächliche Ermittlung des Richters, ob der Beschuldigte tatsächlich zwischenzeitlichsteuerehrlich geworden ist.Im Ergebnis muß bei derartigen Kollisionsfällen dem Richter die Beiziehung der aktuellenSteuerakten wegen § 30 AO verwehrt sein, andernfalls das Steuergehe<strong>im</strong>nis nicht gewahrtwerden könnte.


6. RechtshängigkeitRechtshängigkeit tritt <strong>im</strong> Strafbdfehlsverfahren nach allgemeiner Meinung nicht mit derStellung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages, sondern erst mit dem Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s ein 682 . Denn §433 Abs. 1 Satz 2 stellt den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s der Eröffnung des Hauptverfahrens gleich.7. Zustellung§ 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 geht davon aus, daß der <strong>Strafbefehl</strong> nach § 35 Abs. 2 Satz 1förmlich zugestellt wird und zwar an den Angeklagten oder für ihn an den Verteidiger, § 145 aAbs. 1 oder dem Zustellungsbevollmächtigten, §§ 116 a Abs. 3, 127 a Abs. 2, 132 Abs. 1 Nr.2, ferner an den Nebenbeteiligten, gegen den eine Rechtsfolge ausgesprochen worden istoder an seinen bevollmächtigten Vertreter, §§ 438 Abs. 1 Satz 1, 442 Abs. 1, 444 Abs. 2 Satz1. Das Zustellungsverfahren ist in den §§ 37 Abs. 1, 40 Abs. 1 geregelt. Hierbei ist umstritten,ob in den Fällen, in denen eine Zustellung an den Angeklagten nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 170ZPO durch Übergabe an den Angeklagten nicht möglich ist, auch eine Ersatzzustellung durchNiederlegung nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 182 ZPO zulässig ist 683 . Ebenso ist umstritten, ob dieöffentliche Zustellung nach § 40 <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren zulässig ist 684 .Hiergegen spricht das Grundrecht auf rechtliches Gehör des Beschuldigten. Denn dasGrundrecht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG kann nur dann gewährleistetwerden, wenn dem Angeklagten der <strong>Strafbefehl</strong> sicher bekanntgegeben wurde. Die Fiktion derBekanntmachung durch öffentliche Zustellung nach § 40 Abs. 1 AO gewährleistet jedoch keinetatsächliche Zustellung, so daß schon deswegen höchst zweifelhaft ist, ob vor Eintritt derRechtskraft dem Angeklagten rechtliches Gehör gewährt wurde. Entsprechendes gilt auch fürdie Zustellung durch Niederlegung, § 37 Abs. 1 i.V.m. § 182 ZPO. Auch hier ist zweifelhaft undzumindest nach Aktenlage nicht für den Staatsanwalt und den Richter erkennbar, wann derAngeklagte aufgrund des Benachrichtigungsscheins von der Niederlegung den <strong>Strafbefehl</strong>tatsächlich erhalten hat. Möglicherweise hat der Angeklagte den <strong>Strafbefehl</strong> erst nach Eintritt682 Kleinknecht/Meyer/Meyer-Goßner, StPO-Kommentar, 41. Auflage, München 1993, vor § 407 RN 3.683 Die Zulässigkeit der übrigen Forrnen der Ersatzzustellung nach §§ 181, 183, 184 ZPO wird für unbedenklich gehalten,vgl. Schmidt II, § 409 RN 11; Schorn, S. 87; Müller, S. 80.684 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 40 RN 1, der gegen die Zulässigkeit der Bekanntmachung durch öffentliche Zustellung des<strong>Strafbefehl</strong>s ist.


der Rechtskraft, sei es wegen Urlaubsabwesenheit oder aus anderen Gründen, be<strong>im</strong>Niederlegungspostamt abgeholt. Dann würde man einerseits, ausgehend von derabgelaufenen Rechtsbehelfsfrist nach § 410 Abs. 1 Satz 1 von einem rechtskräftigen<strong>Strafbefehl</strong> nach § 410 Abs. 3 ausgehen, gleichzeitig könnte man aufgrund der Niederlegungnicht feststellen, daß rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG gewährt wurde, so daß manzumindest einen Wiedereinsetzungsantrag nach §§ 44 ff. zulassen müßte 685 . Während wohleinerseits überwiegend die Bekanntgabe durch öffentliche Zustellung nach § 40 Abs. 1 alsunzulässig angesehen wird, wird andererseits die Ersatzzustellung nach § 37 Abs. 1 i.V.m. §182 ZPO wohl überwiegend als zulässig angesehen, da die Durchführbarkeit dessummarischen Verfahrens von der Möglichkeit abhängen soll, Ersatzzustellungen durchNiederlegung vorzunehmen 686 . <strong>Der</strong> vom Bundesverfassungsgericht eingeschlagene Weg, dieeintretenden Härten für den Angeklagten durch extensive Auslegung der Wiedereinsetzungsvorschriftenzu mildern, vermag die Bedenken, daß dem Angeklagtenmöglicherweise kein rechtliches Gehör gewährt wurde, nicht zu ändern. Überdies ist es einverfahrensunökonomisches Procedere zunächst unter Inkaufnahme einer Verletzung des Art.103 Abs. 1 GG zu versuchen, einen rechtskräftigen <strong>Strafbefehl</strong> zu erlangen, um dann demAngeklagten durch eine extensive Auslegung der §§ 44 ff. die Wiedereinsetzung zuermöglichen. Dies ist alles andere als eine Arbeitsersparnis für das Gericht. Man sollte m.E.schlicht in diesen Ausnahmefällen auf die Bekanntgabe durch öffentliche Zustellung und aufeine Ersatzzustellung durch Niederlegung verzichten. <strong>Der</strong> Gesetzgeber wäre m.E. hiergefordert, eine entsprechende Regelung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren zu treffen.V. Strafklageverbrauch<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> verbraucht die Strafklage wie ein rechtskräftiges Urteil 687 . Ergeht nachRechtskraft des <strong>Strafbefehl</strong>s ein Urteil, das dieselbe Tat, wie die <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenabgeurteilte betrifft, ist der <strong>Strafbefehl</strong> wirksam, nicht dagegen das Urteil 688 . <strong>Der</strong> Verbrauch derStrafklage ist die wichtigste Wirkung der materiellen Rechtskraft. Diese Sperrwirkung - ne bisin idem - macht also eine neue Strafverfolgung gegen denselben Täter wegen derselben Tat<strong>im</strong> Sinne des § 264 Abs. 1 unzulässig, Art. 103 Abs. 3 GG 689 . <strong>Der</strong> Grundsatz ne bis in idemgewährleistet also die Einmaligkeit der Strafverfolgung. Ist das Verfahren auch noch so685 BVerfGE 25,158,166; 40,88,91; 43,95,98.686 BVerfGE 25,158,165.687 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Vor § 407 RN 4.688 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Vor § 407 RN 4.


günstig für den Angeklagten ausgegangen, hat er kein neues Verfahren zu befürchten, wennnicht die Wiederaufnahmegründe nach § 373 a vorliegen.Vl. Möglichkeit eines neuen <strong>Strafbefehl</strong>santrages, sofern zwischenzeitlich keineVerjährung eingetreten istSowie aufgrund entsprechender Rügen <strong>im</strong> Regelzwischenverfahren eine mangelhafteAnklageschrift durch eine neue, nunmehr mangelfreie Anklage der Staatsanwaltschaft ersetztwerden kann 690 , so ist auch ein neuer <strong>Strafbefehl</strong>santrag vor Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s möglich,wenn die Staatsanwaltschaft erkennt, daß der bisherige <strong>Strafbefehl</strong>santrag unwirksam ist.Ebenso ist aber auch nach Einspruchseinlegung die Anklage nach § 411 Abs. 3 durch dieStaatsanwaltschaft rücknehmbar. Ist das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung nach §206 a oder in der Hauptverhandlung nach § 260 Abs. 3 eingestellt, weil der <strong>Strafbefehl</strong>santragund der somit darauf basierende Eröffnungsbeschluß unwirksam waren, steht einem neuen,dann wirksamen <strong>Strafbefehl</strong>santrag nicht etwa die Rechtshängigkeit des unwirksamen<strong>Strafbefehl</strong>santrages bzw. Eröffnungsbeschlusses entgegen, da durch denEinstellungsbeschluß der angefochtene <strong>Strafbefehl</strong> dann seine Wirkung verliert, ohne daß eraufgehoben zu werden braucht 691 .E. Besonderheiten bei Steuerhinterziehung§ 386 AO enthält die Regelung über die grundsätzliche funktionelle Zuständigkeit derFinanzbehörden, in Steuerstrafsachen als Ermittlungsbehörde tätig zu verden.§ 387 AO normiert die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden.In den §§ 388 bis 390 AO werden die örtlichen Zuständigkeiten der Finanzbeiörden, in § 391AO wird die entsprechende Zuständigkeit der Gerichte geregelt.689 BGHSt 20, 292.690 LR-Rieß, § 211 RN 11; OLG Düsseldorf, NStZ 1982,336 = wistra 1982,159,160; Krekeler, wistra 1985 54 ff., 58.


I. ZuständigkeitenBei Steuerstrafsachen ist grundsätzlich die Finanzbehörde die Ermittlungsbehörde(Steuerfahndung = Steufa), §§ 386, 399 Abs. 1 AO. Die Staatsanwaltschaft ist dadurch nichtvon der Pflicht befreit, dafür zu sorgen, daß einem Verdacht nachgegangen wird 692 . DieStaatsanwaltschaft kann die Sache jedoch jederzeit an die Finanzbehörde abgeben 693 .Umgekehrt darf die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren nur dann fortführen, wennausschließlich der Verdacht einer Steuer- oder Zollstraftat besteht 694 .Die Steufa ist quasi die Polizei <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>, während dieBußgeld- undStrafsachenstelle BuStra) die Funktion der Anklagebehörde inne hat, bis der<strong>Strafbefehl</strong>santrag in die Hauptverhandlung übergleitet.1. Zuständigkeit der BuStraDie Formulierung des § 386 Abs. 1 Satz 1 AO nach der "Bei dem Verdacht einer Steuerstraftat(...) die Finanzbehörde den Sachverhalt" ermittelt, darf nicht zu dem unzutreffenden Schlußverleiten, das Ermittlungsmonopol der Staatsanwaltschaft nach § 152 Abs. 2 wäre hierdurchdurchbrochen 695 . Denn die Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörde bzw. der BuStra istlediglich von der Staatsanwaltschaft abgeleitet. Es darf insoweit nicht übersehen werden, daßin § 386 Abs. 3 und 4 AO eine Reihe von Ausnahmen enthalten sind, da deren Vorliegen dieErmittlungszuständigkeit ohne weiteres wieder von derBuStra auf die Staatsanwaltschaftübergeht. Während der Übergang der Ermittlungszuständigkeit nach § 386 Abs. 3 AO vonGesetzes wegen dann der Fall ist, sobald gegen den Beschuldigten wegen der Tat ein HaftoderUnterbringungsbefehl erlassen wird, ist der Übergang der Ermittlungszuständigkeit nachAbs. 4 allein vom pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft bzw. der Finanzbehördeabhängig 696 . Die Staatsanwaltschaft hat nach § 386 Abs. 4 Satz 2 AO jederzeit die691 Bay, VRS 1964, 371; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 206 a RN 1; derselbe § 260 RN 48: Den Verbrauch der Strafklage hatdas Einstellungsurteil nach § 260 Abs. 3 grundsätzlich nicht zur Folge, denn nur eine Sachentscheidung und nicht einProzeßurteil verbraucht die Strafklage (vgl. BVerfGE 12, 62; BGHSt 2, 375).692 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 160 RN 13.693 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 160 RN 13.694 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 160 RN 13.695 So aber Lohmeyer in Ehlers-Lohmeyer, RN 39, S. 77 ff.; a.A.: Dumke in Schwarz, § 386 AO RN 1; F/G/S-Franzen, § 386AO RN 4, Kohlmann, § 386 RN 2; Rössler, StoW 1968, 140 ff., 143 zu § 421 RAO.696 Kohlmann, § 386 RN 2.


Möglichkeit, die Strafsache an sich zu ziehen 697 . Dies bedeutet, daß die Zuständigkeit für dieErmittlungen von Steuerstraftaten zwar zunächst bei der Finanzbehörde liegt, jedoch jederzeitauf die Staatsanwaltschaft als die allgemeine Ermittlungsbehörde übergehen kann. DieStaatsanwaltschaft ist also insoweit "Herrin des Ermittlungsverfahrens" 698 ; ihrErmittlungsmonopol ist be<strong>im</strong> Verdacht einer Steuerstraftat somit keineswegs durchbrochen,sondern es wird allenfalls modifiziert 699 .Die Finanzbehörde führt das Ermittlungsverfahren in den Grenzen des § 399 Abs. 1 und der§§ 400, 401 AO selbständig durch, wenn die Tat erstens ausschließlich eine Steuerstraftatdarstellt oder zweitens zugleich andere Strafgesetze verletzt und deren VerletzungKirchensteuer oder andere öffentlich-rechtliche Abgaben betrifft, die anBesteuerungsgrundlagen, Steuermeßbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen, § 386 Abs. 2.Nach § 400 AO beantragt die Finanzbehörde be<strong>im</strong> Richter den Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s, wenndie Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten und wenn dieStrafsache zur Behandlung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren geeignet erscheint. Ist dies nicht der Fall,legt die Finanzbehörde die Akten der Staatsanwaltschaft vor. Nach Durchführung derErmittlungen kann also die Finanzbehörde das Verfahren mangels Tatverdachts nach § 170Abs. 2 Satz 1 oder wegen Geringfügigkeit, gegebenenfalls mit Zust<strong>im</strong>mung des Gerichts, nach§§ 398 AO, 153, 153 a einstellen. Besteht genügend Anlaß zur Erhebung der Anklage, mußdie Finanzbehörde die Sache der Staatsanwaltschaft abgeben 700 . § 400 gibt jedoch derFinanzbehörde zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung und zur Entlastung derStaatsanwaltschaft das Recht, das Ermittlungsverfahren gegebenenfalls selbständig mit dem<strong>Strafbefehl</strong>santrag abzuschließen 701 .Darüber hinaus regelt § 398 AO die Voraussetzungen, unter denen die Staatsanwaltschaft dieSteuerstrafsache wegen Geringfügigkeit einstellen kann. Insoweit ist § 398 AO lex specialis,so daß die §§ 153 ff. für die Staatsanwaltschaft nicht gelten. Daraus folgt, daß die BuStraweitergehende Einstellungsmöglichkeiten als die Staatsanwaltschaft bei Steuerstrafsachenhat, da über § 385 Abs. 1 die Regeln der Strafprozeßordnung Anwendung für das Steu-697 Kohlmann, § 386 RN 2, der dieses Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft nur geben will, wenn hierzu ein sachlicherGrund vorhanden ist; derselbe, a.a.O., RN 22 ff...698 Kohlmann, § 386 AO RN 2.699 Zeller in Koch, § 386. RN 2; Suhr-Naumann, S. 409; Beckermann-van Helden, S. 155; Meyer in Erbs-Kohlhaas, § 386AO RN 1; Leise, § 386 AO Anm. 6 B; Hübner in Hübschmann-Hepp-Spitaler, § 421 RAO Anm. 1; Kohlmann, § 386 AORN 2.700 F/G/S-Joecks, § 40,0 RN 2.701 F/G/S-Joecks, § 40,0 RN 2.


erstrafverfahren der BuStra finden. Da § 153 inhaltlich dem § 398 AO entspricht 702 , währendeine Einstellung unter Auflage nach § 153 a Abs. 1 nicht mehr von § 398 AO gedeckt wird 703 ,führt dies zu der merkwürdigen Konsequenz, daß in Steuerstrafsachen die Staatsanwaltschaftdas Verfahren allein nur nach § 398 AO, der insoweit dem § 153 Abs. 1 entspricht, einstellenkann. Adressat des § 398 AO ist auch nur die Staatsanwaltschaft. Damit sind die Einstellungsmöglichkeitenvon BuStra und Staatsanwaltschaft ohne Zust<strong>im</strong>mung des Gerichtsunterschiedlich weitgehend. In Anbetracht dessen, daß die Staatsanwaltschaft die Herrin desVerfahrens ist, können diese unterschiedlichen Befugnisse nicht recht nachvollzogen werden,zwar könnte man mutmaßen, daß der BuStra als der sachnäheren Behörde mehrEinstellungsmöglichkeiten zustehen sollten, als möglicherweise der Herrin des Verfahrens.Dem steht jedoch das jederzeitige Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft nach § 386 Abs. 4Satz 2 AO entgegen. Denn damit ist der Staatsanwaltschaft die jederzeitige unmittelbareLeitung des Ermittlungsverfahrens ermöglicht. Warum sie dann nicht die vollständige Paletteder Einstellungsmöglichkeiten zur Verfügung haben sollte, ist unerfindlich. Zudem wäre dieserWiderspruch, wäre er beabsichtigt, nicht verfahrensökonomisch. <strong>Der</strong> Gesetzgeber bleibt daheraufgefordert, § 398 AO klarer zu fassen oder ihn ganz zu streichen, da eine Lücke insoweitnicht erkennbar ist, da für die Staatsanwaltschaft - fehlt es an der lex specialis des § 398 AO -sämtliche Einstellungsmöglichkeiten nach §§ 153 ff. zur Verfügung stehen und gleiches dannauch für die BuStra nach §§ 385 Abs. 1 AO i.V.m. 153 ff. gelten würde.Hat die Finanzbehörde den <strong>Strafbefehl</strong>santrag gestellt und lehnt das Amtsgericht den Erlaßdes <strong>Strafbefehl</strong>s ab, steht nicht der Staatsanwaltschaft, sondern der Finanzbehörde hiergegendie sofortige Beschwerde gem. § 210 Abs. 2 zu 704 .Legt der Angeklagte Einspruch gegen den <strong>Strafbefehl</strong> ein, so wechselt die Zuständigkeit vonder Finanzbehörde automatisch zur Staatsanwaltschaft, da die besonderenZuständigkeitsregelungen der §§ 386 ff. nicht mehr eingreifen 705 .Nach § 387 Abs. 1 AO ist die BuStra der Finanzbehörde zuständig, welche die betroffeneSteuer verwaltet. Hiervon losgelöst kann nach § 387 Abs. 2 die Zuständigkeit fürSteuerstrafverfahren bei einer Finanzbehörde durch Rechtsverordnung konzentriert werden.702 F/G/S-Joecks, § 398 RN 6.703 str.: vgl. F/G/S-Joecks, § 398 RN 5.704 Hübschmann/Hepp/Spitaler-Hübner, § 435 RAO RN 27; Kohlmann, § 401 RN 41; derselbe § 406 AO RN 6;F/G/S-Joecks, § 400 RN 24.705 F/G/S-Joecks, § 398 AO RN 5.


Hiervon haben die Finanzminister umfangreich Gebrauch gemacht, so daß nicht bei jedemFinanzamt eine BuStra organisatorisch angesiedelt ist 706 .2. Übernahme durch die StaatsanwaltschaftFührt die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren selbständig durch, so bedeutet dies nicht,daß es für die gesamte Dauer des Verfahrens hierbei bleiben muß. Die AO sieht mehrereMöglichkeiten vor, in denen die Zuständigkeit auf die Staatsanwaltschaft und umgekehrt vondieser auf die Finanzbehörde (BuStra) übergehen kann.Auch wenn die Finanzbehörde für die selbständige Durchführung der Ermittlungen zuständigist, kann sie die Strafsache jederzeit an die Staatsanwaltschaft abgeben, § 386 Abs. 4 Satz 1AO. Die Staatsanwaltschaft kann ihrerseits die Strafsache jederzeit an sich ziehen, § 386 Abs.4 Satz 2 AO, sogenannte fakultative Zuständigkeit oder auch Evokationsrecht genannt 707 .<strong>Der</strong> Übergang der Ermittlungskompetenz auf die Staatsanwaltschaft bleibt für das weitereStrafverfahren in derselben Sache wirksam, solange nicht die Staatsanwaltschaft mit derFinanzbehörde eine Rückgabe nach § 386 Abs. 4 Satz 3 AO vereinbart 708 . Ohne förmlicheRückgabe durch die Staatsanwaltschaft lebt die Ermittlungskompetenz der Finanzbehördeauch dann nicht wieder auf, wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nach § 170Abs. 2 Satz 1 einstellt 709 . Auch wenn der Finanzbehörde neue Tatsachen oder Beweismittelbekannt oder zugänglich werden, die den Verdacht einer Straftat begründen oder erhärten,lebt die Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde nicht etwa wegen einer eventuell größerenSachnähe auf, vielmehr muß die Finanzbehörde das neue Material der Staatsanwaltschaftzuleiten, damit diese sich darüber schlüssig werden kann, ob sie nunmehr die öffentlicheKlage erheben muß 710 . Die Finanzbehörde hat in diesen Fällen dieselben Rechte undPflichten wie Behörden des Polizeidienstes nach der StPO entsprechend § 402 Abs. 1 AO 711 .Daher kann die Finanzbehörde das Strafverfahren auch dann nicht von sich aus weiter fortführen,wenn die Staatsanwaltschaft oder das Gericht es wegen eines Verfahrenshindernisses,z.B. wegen längerer Abwesenheit des Beschuldigten nach § 205 eingestellt hat und dasHindernis zwischenzeitlich weggefallen ist 712 .706 F/G/S-Franzen, § 387 AO RN 18.707 Kohlmann, § 386 AO RN 22.708 F/G/S-Franzen, § 386 AO RN 32.709 Kohlmann, § 386 AO RN 24; F/G/S-Franzen, § 386 RN 32.710 F/G/S-Franzen, § 386 AO RN 32.711 Kohlmann, § 386 AO RN 22.712 F/G/S-Franzen, § 386 AO RN 32.


Schließlich hat die Finanzbehörde kein Klageerzwingungsrecht nach § 172 713 , denn dieFinanzbehörde hat <strong>im</strong> Verhältnis zur Staatsanwaltschaft keine Kontrollfunktion in Bezug aufdie Einhaltung des Legalitätsprinzips 714 .Förmliche Rechtsbehelfe, mit denen der Beschuldigte die Abgabe der Strafsache an dieStaatsanwaltschaft oder umgekehrt die Abgabe von der Staatsanwaltschaft an dieFinanzbehörde angreifen könnte oder die jeweilige Nichtabgabe rügen könnte, stehen nichtzur Verfügung 715 . Die strafverfahrensrechtliche Beschwerde ist <strong>im</strong> Ermittlungsstadium,abgesehen von richterlichen Verfügungen nach § 304, nur gegen best<strong>im</strong>mte, <strong>im</strong> Gesetzeinzeln aufgeführte Verfügungen der StrafverfoIgungsbehörden gegeben, wie z.B. nach § 172Abs. 1; <strong>im</strong> übrigen ist nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde statthaft 716 , aber ebenso sichererfolglos.Da die Abgabe einer Strafsache an die Staatsanwaltschaft oder von der Staatsanwaltschaft andie BuStra keinen Verwaltungsakt darstellt, vielmehr nur das Innenverhältnis zwischenFinanzbehörde und Staatsanwaltschaft betrifft, fehlt es bei der jeweiligen Abgabe bzw.Evokation an einer unmittelbaren Außenwirkung <strong>im</strong> Verhältnis zum Beschuldigten 717 , so daßauch eine Mitteilung an den Beschuldigten über die Abgabe weder <strong>im</strong> Gesetz vorgesehen ist,noch in der Praxis vorgenommen wird 718 .3. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft ab EinspruchseinlegungDa nach § 386 AO die Zuständigkeit der Finanzbehörde bei Steuerstraftaten nur dasErmittlungsverfahren begründet wird, folgt daraus, daß ab Einspruchseinlegung gegen den<strong>Strafbefehl</strong> die Staatsanwaltschaft zuständig ist. Denn das Ermittlungsverfahren endet beiAbschluß der Ermittlungen, die durch den Abschlußvermerk nach § 169 a aktenkundiggemacht werden 719 .713 Hübschmann/Hepp/Spitaler-Hübner, § 386 AO RN 94; LR-Meyer-Goßner, § 172 RN 71; F/G/S-Franzen, § 386 AO RN32; a.A.: Kohlmann, § 386 AO RN 24; Bender, Tz 1, 127714 KK-Rainer Müller, § 172 RN 29; F/G/S-Franzen, § 386 AO RN 32.715 F/G/S-Franzen, § 386 AO RN 33.716 F/G/S-Franzen, § 386 AO RN 33.717 F/G/S-Franzen, § 386 AO RN 33.718 F/G/S-Franzen, § 386 AO RN 39.719 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 169 a RN 1.


Bedeutung hat dieser Abschlußvermerk nach § 169 a nicht nur für das Akteneinsichtsrechtdes Verteidigers nach § 147 Abs. 2, Abs. 6, sondern auch für die Verteidigerbestellung aufAntrag der Staatsanwaltschaft nach § 341 Abs. 3 Satz 3 sowie für die Beendigung derZuständigkeit der Finanzbehörde als Ermittlungsbehörde in Steuerstrafsachen nach § 386 AO.Damit geht mit Anfertigung des Abschlußvermerks nach § 169 a die Zuständigkeit-vorbehaltlich der Regelung des § 400 AO- automatisch auf die Staatsanwaltschaft über.Diese Folgen des Abschlußvermerks bleiben auch dann bestehen, wenn weitere Ermittlungennoch vorgenommen werden müssen 720 .Richtet sich das Verfahren gegen mehrere Beschuldigte, so wird der Abschlußvermerk erstdann angebracht, wenn die Ermittlungen gegen alle Beschuldigten abgeschlossen sind, gegendie die Staatsanwaltschaft bzw. die BuStra Anklage zu erheben erwägt 721 .Von der Überleitung der Zuständigkeit von der BuStra auf die Staatsanwaltschaft aufgrund desAbschlußvermerkes nach § 169 a regelt allerdings § 400 AO eine nicht unwesentlicheAusnahme: Bieten die Ermittlungen genügend Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, sobeantragt die Finanzbehörde be<strong>im</strong> Richter den Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s, wenn die Strafsachezur Behandlung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren geeignet erscheint. Bei der Frage, ob eingenügender Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht, handelt es sich um eine Prognoseaufgrund – vorläufiger - Bewertung des gesamten Akteninhalts 722 ,wobei dieVerurteilung des Beschuldigten wahrscheinlich sein muß 723 .Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Beschuldigten ist derGrundsatz in dubio pro reo nicht unmittelbar anwendbar. <strong>Der</strong> in dubio-Satz findet jedoch alsRechtssatz 724 , <strong>im</strong> Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 261 Anwendung aufgrund dervorangegangenen Hauptverhandlung, so daß bei der Prognose, ob eine Verurteilungstattfindet, dieser Rechtssatz mit zu berücksichtigen ist, anderenfalls die Prognose vonfalschen bzw. unvollständigen Prämissen ausgehen würde 725 .720 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 169 a RN 2, der die Folgen des Abschlußvermerkes für das Akteneinsichtsrecht bzw. dieVerteidigerbestellung bestehen lassen will, auch wenn weitere Ermittlungen vorgenommen werden müssen.721 KK-Müller, § 169 a RN 1.722 F/G/S-Joecks, § 400 AO RN 4.723 Meyer, § 400 AO RN 3; Sailer, NJW 1977,1138; F/G/S-Joecks, § 400 AO RN 4.724 Die Rechtsnatur des Zweifelssatzes wird unterschiedlich beurteilt: Sie soll keine Beweisregel (so aber RGSt 52, 319),sondern eine Entscheidungsregel, ein Rechtssatz (Stree, JZ 1974, 300) sein, der dem sachlichen Strafrecht angehört(Krey JA 1983, 237; Saarstedt/Hamm, S. 383; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 26.725 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 203 RN 2; derselbe, § 261 RN 28; F/G/S-Joecks, § 400 AO RN 5.


Fehlt die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung, ist das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1StPO einzustellen 726 . Kein genügender Anlaß <strong>im</strong> Sinne des § 400 AO zur Erhebung deröffentlichen Klage besteht ebenfalls dann, wenn Verfahrenshindernisse einer Verurteilungentgegenstehen oder Einstellungen nach §§ 153 ff. in Betracht kommen 727 .Aufgrund des § 400 AO ist also die Zuständigkeit der Finanzbehörde über dieSchlußverfügung hinaus für die Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 und dieEinstellungen nach §§ 153 Abs, 1, 153 a Abs. 1, 153 b Abs. 1, 154 Abs. 1 und § 154 a Abs. 1sowie für den Antrag auf Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s zuständig. Im übrigen verbleibt es bei derÜberleitung der Zuständigkeit auf die Staatsanwaltschaft nach § 386 AO.Die BuStra ist jedoch nicht mehr gemäß § 400 AO für die Durchführung der Hauptverhandlungnach Einspruchseinlegung zuständig. Denn § 400 AO statuiert die Zuständigkeit der BuStraausdrücklich nur für die Beantragung eines <strong>Strafbefehl</strong>s, nicht jedoch auch hinsichtlich derDurchführung der Hauptverhandlung aufgrund eines eventuellen Einspruchs oder für die Fälle,in denen der Richter nach § 408 Abs. 3 Satz 2 Hauptverhandlung anberaumt.II. VerfahrenFür das Ermittlungsverfahren, geführt durch die BuStra 728 , gelten keine Besonderheiten, d.h.,das Ermittlungsverfahren als vorbereitendes Verfahren ist eingeleitet, sobald dieFinanzbehörde eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemandenstrafrechtlich vorzugehen, § 397 Abs. 1 AO 729 . Dieses vorbereitende Verfahren ist einschriftliches Verfahren, das der Sammlung von belastenden und entlastenden Beweisengleichermaßen dient, § 160 730 , mit dem Ziel festzustellen, ob hinreichender Anlaß zurErhebung der öffentlichen Klage besteht, anderenfalls das Verfahren einzustellen, § 170.726 F/G/S-Joecks, § 400 AO RN 6.727 F/G/S-Joecks, § 400 AO RN 6.728 Die BuStra hat die Funktion der Staatsanwaltschaft. Die Zoll- und Steuerfahndung hat die Stellung der Polizei, §§ 208,404 AO. Ob und welche Funktion die Zoll- und Steuerfahndungsstellen be<strong>im</strong> Zusammentreffen mit Nichtsteuerstraftatenbezüglich dieser haben, ist in § 208 AO nicht geregelt. § 404 S. 1 AO best<strong>im</strong>mt lediglich, daß die Zollfahndungsämterund die Steuerfahndungsstellen sowie ihre Beamten in Strafverfahren wegen Steuerstraftaten die strafprozessualenRechte und Pflichten der Polizei haben. Für diese Verfahren räumt § 404 S. 2, 1. HS AO ihnen die Befugnisse derHilfsbeamten der Staatsanwaltschaft sowie das Recht zur Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenengemäß § 110 Abs. 1 StPO ein (vgl. Hellmann, S. 297 ff.).729 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl. RN 60.730 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl. RN 60 f, 62.


Da die Finanzbehörde (BuStra) jedoch nicht die Staatsanwaltschaft vertritt oder diese ersetzt,sondern schlicht eine andere Behörde ist, die von ihrem Status insgesamt (Steufa und BuStra)eher der Polizei vergleichbar ist 731 , - wobei die BuStra mit enumerativ aufgeführtenSonderfunktionen ausgestattet ist 732 -, ist der Beschuldigte zum Erscheinen zu einerVernehmung vor der BuStra nicht verpflichtet, auch wenn die BuStra das Verfahren allein undselbständig führt 733 . Denn nach § 163 a Abs. 3 ist der Beschuldigte nur verpflichtet, aufLadung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Vor Polizeibehörden oder anderen Behördenbraucht der Beschuldigte nicht zu erscheinen. <strong>Der</strong> Beschuldigte hat lediglich die Pflicht,nach § 111 OWiG Angaben zur Person - nicht jedoch zur Sache - zu machen.1. Zusammenwirken von BuStra und VeranlagungsbezirkWährend es <strong>im</strong> normalen Veranlagungs-, <strong>im</strong> Erhebungs- und <strong>im</strong> Vollstreckungsverfahrenzumeist zur Sicherung des Steuerstrafverfahrens ausreichen wird, wenn der sachbearbeitendeBeamte der Strafsachenstelle, der Steuer- oder Zollfahndung oder der Staatsanwaltschaft dieVerdachtsgründe mitteilt, um den geborenen Strafverfolgungsbehörden ein Einschreiten zuermöglichen, stellt sich die Situation <strong>im</strong> Außenprüfungsverfahren in der Regel anders dar.Stößt der Außenprüfer auf tatsächliche Anhaltspunkte, die einen steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachtbegründen, so wird in der Regel ein sofortiges Einschreiten erforderlich sein,um einen Verlust von Beweismitteln (z.B. belastenden Unterlagen) zu verhindern. In derPraxis unterbricht in der Regel der Außenprüfer seine Prüfung, um die Steuerfahndungsstellezu informieren, die dann schnellstmöglich einschreitet 734 . Gehört der Außenprüfer nicht derFinanzbehörde an, bei der die Strafsachenstelle besteht, so gilt für ihn gemäß § 399 Abs. 2AO das Legalitätsprinzip mit der Folge, daß er zum ersten Zugriff berechtigt und verpflichtet731 Wannemacher, Steuerfahndung und Steuerstrafverfahren, S. 9.732 Daß die Finanzbehörde eine andere Behörde als die Staatsanwaltschaft ist und diese auch nicht vertritt, folgt schon daraus,daß nach überwiegender Auffassung (vgl. OLG Frankfurt/M, wistra 1987, 32; Koch/Scholtz-H<strong>im</strong>sel § 404 RN 16)grundsätzlich jede Zuständigkeit der Finanzbehörde, auch die der Steuer- und Zollfahndung, zur Ermittlung einer Nichtsteuerstraftat,entfällt, wenn eine Steuer- mit einer Nichtsteuerstraftat zusammentrifft, und zwar unabhängig davon, ob dieDelikte in Tateinheit oder -mehrheit stehen. Danach ist eine Kompetenz zur Ermittlung von Nichtsteuerstraftaten nurdann anzunehmen, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vorsehen ist. Hiervon abweichend schließt Hellmann (S. 297 ff.,301 ff.) aus dem Grundsatz, daß die Finanzbehörde bei dem Verdacht einer Steuerstraftat ermittelt, § 386 Abs. 1, S. 1AO, daß die Finanzbehörde für diesen Ausschnitt gemäß §§ 386 Abs. 2, 399 Abs. 1 AO die Stellung derStaatsanwaltschaft inne hat, allerdings nur <strong>im</strong> Rahmen der §§ 386 Abs. 3, 4 S. 1 und 2, 400, 406 AO. Für alle anderenVerfahren, in denen auch eine Steuerstraftat den Gegenstand der Ermittlungen bildet, gilt § 402 Abs. 1 AO, durch den derFinanzbehörde die strafprozessualen Rechte und Pflichten der Polizei sowie die Befugnisse der Hilfsbeamten derStaatsanwaltschaft übertragen worden sind (vgl. Hellmann, S. 302). Dem ist zuzust<strong>im</strong>men. Damit aber steht fest, daß dieFinanzbehörde aber eben gerade eine andere Stellung als die Staatsanwaltschaft hat.733 A.A.: F/G/S-Joecks, § 393 AO RN 12.734 § 9 BpO.


ist 735 . <strong>Der</strong> Außenprüfer soll 736 dann gemäß § 201 Abs. 2 AO in der Schlußbesprechung daraufhinweisen, daß die strafrechtliche Würdigung der Prüfungsergebnisse vorbehalten bleibt 737 .Die Funktion der Vorschrift wird darin gesehen, den Steuerpflichtigen zu warnen 738 , so daßsich der Steuerpflichtige auf ein Steuerstrafverfahren einstellen kann 739 .Nach § 393 Abs. 1 Satz 1 AO richten sich die Rechte und Pflichten des Steuerlichtigen undder Finanzbehörde <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren und <strong>im</strong> Strafverhren nach den für das jeweiligeVerfahren geltenden Vorschriften. Dem Steustrafverfahren steht der Beschuldigte jedemanderen Beschuldigten in einem gegen ihn geführten Strafprozeß gleich: Er ist zur Duldunggewisser repressiver Maßnahmen wie Durchsuchungen, Gegenüberstellungen,Untersuchungen nach § 81 a usw. verpflichtet und muß gegebenenfalls vor Gericht, §§ 230 f.,oder vor der Staatsanwaltschaft, § 163 a Abs. 3 Satz 1, erscheinen. Zur aktiven Mitwirkung ander Aufklärung seiner eigenen Straftat ist er jedoch nicht verpflichtet und darf jeglicheAngaben zur Sache verweigern, § 136 Abs. 1 Satz 2 740 .Im Besteuerungsverfahren hingegen unterliegt der Beschuldigte nach § 393 Abs. 1 Satz 1 AOgrundsätzlich weiterhin den allgemeinen steuerlichen Mitwirkungspflichten, wie siebeispielsweise § 90 Abs. 1 und § 200 Abs. 1 Satz 1 AO statuieren. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1und § 200 Abs. 1 Satz 2 AO hat er Auskünfte zu erteilen und muß gegebenenfalls nach den735 Hellmann, S. 365 f..736 In der Literatur wird § 201 Abs. 2 AO teilweise dahingehend interpretiert, daß es sich nicht um eine Soll-, sondern umeine Mußvorschrift handelt, d.h. daß eine zwingende Verpflichtungzur Erteilung dieses Hinweises besteht (vgl. Schwarz-Frotscher, § 201 AO RN 8;Hübschmann/Hepp/Spitaler-Schick, § 201, RN 231; nur "regelmäßig":Kühn/Kutter/Hofmann, § 201 Anm. 5; ähnlich: Tipke/Kruse, § 201 RN 6: `geringer Ermessensspielraum"; zum Ganzen:Hellmann, S. 366 m.w.N.)737 Dieser Hinweis soll Ausfluß des Gebots der Fairneß sein, vgl. Hellmann, S. 237.738 Es ist durchaus ungewöhnlich, daß eine staatliche Stelle einen Bürger warnt, um ihn vor einer überraschenden Einleitungeines Strafverfahrens zu schützen. Soweit dem Betroffenen dadurch eine sachgerechte Verteidigung ermöglicht wird under auf seine prozessualen Rechte damit hingewiesen wird, ist dagegen sicher nichts einzuwenden. Soweit Hellmann hierindie Gefahr sieht, daß dem Steuerpflichtigen mit diesem Hinweis allerdings auch die Möglichkeit eröffnet wird, daß derBetroffene in unzulässiger Weise den Ausgang des Strafverfahrens etwa durch Beeinflussung von Zeugen oderBeiseiteschaffen von Unterlagen oder sonstigen Verdunkelungsmaßnahmen beeinflussen könnte (vgl. Hellmann, S. 366,367), ist dem nicht zu folgen. Denn der Hinweis erfolgt erst in der Schlußbesprechung, also erst zu einem Zeitpunkt, indem die Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse <strong>im</strong> Sinne des § 194 Abs. 1 S. 1 AO bereits abgeschlossen ist. DieMöglichkeit des Ergreifens von Verdunkelungsmaßnahmen ist jedoch eine stets latente Problematik, die nicht erst durchden Hinweis nach § 201 Abs. 2 AO hervorgerufen wird. Es handelt sich daher nicht um ein spezielles aus § 201 Abs. 2AO resultierendes Problem. Die Warnfunktion soll den Steuerpflichtigen vielmehr darauf vorbereiten, daß in demBetriebsprüfungsbericht die steuerlichen Feststellungen zwar abschließend erfasst sind, nicht jedoch diesteuerstrafrechtlichen Würdigungen gezogen wurden, die die BuStra in eigener Zuständigkeit zieht. Daß der Hinweisnach § 201 Abs. 2 AO daher Ausdruck der Fairneß gegenüber dem Steuerpflichtigen sein soll, begegnet tiefgreifendenBedenken. Denn der Hinweis erfolgt erst nach Abschluß der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse <strong>im</strong> Sinn des § 194Abs. 1, S. 1 AO. Bis dahin ist der Steuerpflichtige also <strong>im</strong> Unklaren über die mögliche steuerstrafrechtliche Relevanzgelassen worden und hat vielmehr <strong>im</strong> Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 90 AO an der Aufdeckung desSachverhalts mitgewirkt, wozu er nach dem strafrechtlichen Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare nicht verpflichtetgewesen wäre (vgl. Hellmann, S 367).739 Hellmann, S. 366.


§§ 97, 100 Abs. 1, 200 Abs. 2 AO der Finanzbehörde Gegenstände und Unterlagen vorlegensowie eine wahrheitsgemäße Steuererklärung abgeben 741 . Dies bedeutet, daß es diestrafprozessualen Weigerungsrechte <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren für den Beschuldigten nichtgibt. Allein die Mitwirkungspflichten des Beschuldigten können nach der AO nicht durch dieAndrohung bzw. Auferlegung von Zwangsmitteln erzwungen werden, § 393 Abs. 1 Satz 2AO 742 .Da es einen Vorrang der einen oder anderen Verfahrensart nicht gibt 743 , läuft dasBesteuerungsverfahren parallel zum Steuerstrafverfahren, soweit nicht das Strafverfahrennach § 396 AO einstweilen ausgesetzt wird. Grundsätzlich aber wirken also derVeranlagungsbezirk und dieBuStra zusammen, versuchen somit gemeinsam den wahrensteuerlich relevanten Sachverhalt zu ermitteln.2. ZwischenverfahrenHat das Ermittlungsverfahren nicht zur Einstellung der Strafverfolgung geführt, so führt derWeg des Regelverfahrens über die Anklageerhebung nicht unmittelbar in das Hauptverfahren,sondern es ist in der Regel das sogenannte Zwischenverfahren vorgeschaltet, in dem diegerichtliche Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens herbeigeführt wird, §§199-211.Nur in besonderen Verfahrensarten fehlt das Zwischenverfahren. Beispielsweise fehlt dasZwischenverfahren <strong>im</strong> sogenannten beschleunigten Verfahren der §§ 212-212 b: Dort wird dieHauptverhandlung unmittelbar nach Abschluß der Ermittlungen durchgeführt. Ebenso ist <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nach §§ 407 ff. kein Zwischenverfahren vorgesehen.Die Normen des Zwischenverfahrens werden jedoch analog auch auf das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenangewandt 744 . Gegen die analoge Anwendung bestehen insoweit keineBedenken, da es sich lediglich um Verfahrensnormen und nicht um materielles Strafrechthandelt.740 F/G/S-Joecks, § 393 AO RN 14.741 F/G/S-Joecks, § 393 AO RN 15.742 F/G/S-Joecks, § 393 AO RN 15.743 Hübschmann/Hepp/Spitaler-Hübner, § 428 RAO RN 5; Hamacher, DStZ 1983, 495; F/G/S-Joecks, § 393 AO RN 17.


Obwohl also an sich <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren kein Zwischenverfahren vorgesehen ist, wird einsolches Zwischenverfahren häufig vor den eventuellen Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s oder vor dieAblehnung des Erlasses eines <strong>Strafbefehl</strong>s geschaltet.Dieses <strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahren unterscheidet sich kaum von dem Regelzwischenverfahren.Es beginnt damit, daß der konkret angegangene zuständige Richter das StrafbefehIsverfahrennicht weiterführt, weil er den <strong>Strafbefehl</strong>santrag (noch) nicht für begründet hält, weitereErmittlungen für unerläßlich hält oder die ausgeworfene Strafe für überhöht erachtet.Nach der Konzeption des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens gibt es drei Möglichkeiten zu verfahren,nämlich entweder den beantragten <strong>Strafbefehl</strong> exakt dem Antrag entsprechend zu erlassen, §408 Abs. 3 Satz 1, oder den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>santrages abzulehnen, § 408 Abs. 2 Satz 1,oder <strong>im</strong> Falle von Bedenken die Hauptverhandlung anzuberaumen, § 408 Abs. 3 Satz 2.Diese drei Entscheidungsalternativen werden eben durch dieses <strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahren um eine vierte Alternative erweitert. Es handelt sich hier um eine sehrpragmatische Lösung, die Lösung, die dem zuständigen Richter zunächst eine Entscheidungals auch die Durchführung des Hauptverfahrens erspart. Zumeist beginnt diesesZwischenverfahren mit einem Anruf des zuständigen Richters be<strong>im</strong> Staatsanwalt oder bei demVerteidiger, wenn er sich schon bestellt hat. Hierbei wird in einem informellen Gespräch dieSach- und Rechtslage erörtert.Hier bietet sich aus Verteidigersicht an, den <strong>Strafbefehl</strong>santrag der Staatsanwaltschaft bzw.BuStra in Kopie zu erbitten, um hierzu Stellung nehmen zu können. Gerade in komplizierterenVerfahren wie denen der Wirtschaftskr<strong>im</strong>inalität bietet sich m.E. neben informellenRechtsgesprächen auch die Darlegung der Bedenken in einem Schriftsatz an, damit derzuständige Richter als auch der zuständige Staatsanwalt die Probleme und Bedenken nocheinmal in Ruhe überprüfen kann.Die Durchführung eines <strong>Strafbefehl</strong>-Zwischenverfahrens ist aus dieser Sicht sehrverfahrensökonomisch, da <strong>im</strong> Falle der Ablehnung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages dieStaatsanwaltschaft nachbessern müßte bzw. einen neuen <strong>Strafbefehl</strong>santrag fertigen müßte744 Müller, S. 66.


zw. Beschwerde nach § 408 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 210 Abs. 2 einlegen müßte. Bestehen dieBedenken auf Seiten der Verteidigung, wäre <strong>im</strong> Erlaßfall des <strong>Strafbefehl</strong>s mit einem Einspruchzu rechnen. Dies zeigt, daß mit Einführung des <strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahrens eineHauptverhandlung möglicherweise unterbleiben kann, vielmehr (kleinere) Bedenken durch einmündliches bzw. fernmündliches oder schriftlich durchgeführtes Zwischenverfahren gelöstwerden können.Diese Arten von <strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahren münden zum Teil auch in Absprachen ein,die entweder nur zwischen Staatsanwaltschaft bzw. BuStra und Verteidiger, teilweise aberauch unter Einbeziehung des Richters getroffen werden.Das Zwischenverfahren bietet den Prozeßbeteiligten eine letzte Chance, ohne die formalenAnforderungen der Hauptverhandlung zu einem verfahrensverkürzenden Abschluß durch eineAbsprache zu kommen. Entsprechend wird auch in der Literatur darauf hingewiesen, daß dieMöglichkeiten zu Absprachen <strong>im</strong> Zwischenverfahren umfangreich genutzt werden sollten 745 .Rönnau schreibt in diesem Zusammenhang, daß "für das Gericht und die Staatsanwaltschaftsich hier die Gelegenheit eröffnet, ganz ohne die zeitaufwendige Hauptverhandlung undmöglicherweise auch ohne einen Verteidiger den Fall zu erledigen" 746 . Rönnau berichtetzutreffend, daß Absprachen nur zwischen der Staatsanwaltschaft bzw. BuStra einerseits undVerteidiger andererseits, gegebenenfalls noch unter Einbeziehung des Gerichts getroffenwerden, jedenfalls aber in der Regel unter Ausschluß des Angeklagten 747 . Ist der Beschuldigtenichtanwaltlich vertreten, werden keine Absprachen getroffen. Dies mag einerseits an deremotionalen Erregtheit der meisten Angeklagten liegen, wie auch andererseits daran, daßAbsprachen in der Regel nur mit dem Verteidiger getroffen werden und man gegenüber demangeklagten Laien bezüglich Absprachen zurückhaltend ist, der gegebenenfalls den Sinn undZweck sowie die Vor- und Nachteile einer solchen Absprache nicht voll erfassen würde unddas Ganze als Kungelei mißverstehen könnte. Auch widerstrebt wohl psychologisch dasGespräch mit dem Angeklagten, mit dem sich die Strafverfolgungsorgane nicht durchVerhandlungen auf die gleiche Stufe stellen lassen wollen: Dies paßt nicht zu dem Ober- undUnterordnungsverhältnis eines Strafverfahrens.745 Schmidt-Hieber, Verständigung, RN 134 ff.; Rückel, NStZ 87, 297 ff., 301 ff.746 Rönnau, S. 137.747 Rönnau, S. 34 ff., 37 f., 38 ff..


In dem <strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahren kann der Richter, der sich für nicht zuständig erachtet,nach § 408 Abs. 1 Satz 1 und 2 das Verfahren bei einem Kompetenzkonflikt innerhalb desAmtsgerichtes die Sache durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft an den jeweils anderensachlich zuständigen Spruchkörper abgeben 748 .Bejaht der angerufene Richter seine sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit, hat erzu prüfen, ob er den <strong>Strafbefehl</strong>santrag mangels hinreichenden Tatverdachts ablehnen muß, §408 Abs. 2 Satz 1. N<strong>im</strong>mt der Richter mit dem Staatsanwalt bzw. der BuStra einenhinreichenden Tatverdacht an, wird er zu prüfen haben, ob nicht doch eine den Beschuldigtenweniger belastende Einstellung nach §§ 153 Abs. 2, 153 a Abs. 2, 154 in Betracht zu ziehenist 749 .<strong>Der</strong> Richter kann jedoch auch analog § 202 ergänzende Ermittlungen zwecks weitererSachaufklärung durchführen. Dieses Recht des Richters ist einerseits daraus abzuleiten, daß<strong>im</strong> Falle des Erlasses des <strong>Strafbefehl</strong>s dieser die Wirkung eines Eröffnungsbeschlusses <strong>im</strong>Falle eines späteren Einspruchs des Beschuldigten hat. Wenn jedoch der <strong>Strafbefehl</strong> denEröffnungsbeschluß ersetzt, dann muß auch das vor der Eröffnung liegendeZwischenverfahren, das auch Eröffnungsverfahren genannt wird 750 , zulässig sein. Da auch derrechtskräftige <strong>Strafbefehl</strong> einem Urteil gleichsteht, § 410 Abs. 3, muß auch aus demRechtsgedanken des § 244 Abs. 2 hergeleitet werden können, daß weitere Ermittlungen durchden zuständigen Richter vor Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s zulässig sind 751 , zumal § 244 mit § 202 ineinem engeren inneren Zusammenhang steht 752 .Sinn und Zweck des Zwischenverfahrens ist es, die dort angegebenen Beweismittel gründlichzu überprüfen 753 . Denn das streng förmliche Ritual der Hauptverhandlung - geprägt vor allemdurch die Prozeßmax<strong>im</strong>en - hat allein den Zweck, die richterliche Überzeugungsbildung zuermöglichen 754 . Aufgrund des Ober- und Unterordnungsverhältnisses zwischen Gericht bzw.Staatsanwaltschaft einerseits und dem Angeklagten andererseits und der gesamten Zielrichtungdes Strafprozesses folgt, daß die Durchführung des Hauptverfahrens eine erheblicheBelastung für den Angeklagten bedeutet. Sinn und Zweck des Zwischenverfahrens ist einenegative Kontrolle über die Staatsanwaltschaft auszuüben des Inhalts, daß ein748 Müller, S. 65.749 LR-Gössel, Vor § 407 RN 11; Gössel, S. 333; Müller, S. 65; Rieß JR 1988, 133 f.750 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl 63.751 Müller, S. 66.752 LR-Rieß, § 202, RN 1.753 Dencker-Hamm, Vergleich, S. 83; Rönnau, S. 136.754 Seyer, JZ, 88, 683.


Hauptverfahren nur zu eröffnen ist, wenn hinreichender Tatverdacht, das heißt eineüberwiegende Wahrscheinlichkeit der Verurteilung besteht 755 . <strong>Der</strong> höchstwahrscheinlichUnschuldige soll sich diesem für ihn auch belastenden Ritual des Strafverfahrens mit derHauptverhandlung nicht unterverfen müssen. Das Zwischenverfahren hat also insoweit reineSchutzfunktion. Die <strong>im</strong> Hauptverfahren geltenden Prozeßmax<strong>im</strong>en wie Unmittelbarkeits-,Mündlichkeits- und Öffentlichkeitsgrundsatz gelten <strong>im</strong> Zwischenverfahren nicht 756 . <strong>Der</strong>Ermittlungsgrundsatz gilt hingegen auch <strong>im</strong> Zwischenverfahren, § 55 Abs. 2 757 .Auch wenn nun in der StPO nicht ausdrücklich das Zwischenverfahren auch für das<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren vorgesehen ist, so kann aus dem Fehlen einer gesetzlichen Regelungjedoch nicht geschlossen werden, daß das Zwischenverfahren für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenausgeschlossen sei. Die Strafprozeßordnung regelt nur einige wenige Verfahrensgänge <strong>im</strong>Detail, <strong>im</strong> übrigen läßt sie dem Richter einen weiten Gestaltungsspielraum 758 . Soweit alsoAnalogien oder Neuerungen nicht gegen Prozeßmax<strong>im</strong>en verstoßen und keine anderenabweichenden Regelungen fixiert sind, ist der Rechtsfortbildung durch Richterrecht keineGrenze gesetzt. Entsprechend wird auch in der Literatur - soweit ersichtlich - die Durchführungeines <strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahrens nicht für unzulässig gehalten. Vielmehr dessenDurchführung zumindest gedanklich als Notwendigkeit erachtet 759 .Da aber schon <strong>im</strong> Regelzwischenverfahren das Gericht nur einzelne Beweiserhebungen vonAmts wegen anordnen kann, nicht jedoch umfassende Beweiserhebungen durchführen darf,bis eine eventuell unschlüssige Anklageschrift schlüssig ist 760 , muß diese Begrenzung vonErmittlungen um so mehr für das <strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahren gelten. Denn die analogeAnwendung des § 202 kann auch <strong>im</strong> Rahmen des <strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahrens nur zueinzelnen Beweiserhebungen berechtigen, also nur zu bloßen Ergänzungen eines bereits vonder Staatsanwaltschaft bzw. BuStra weitgehend aufgeklärten Sachverhalts führen 761 , so zumBeispiel bei Unzulänglichkeit einzelner, aufgeführter Beweismittel. Es kann aber in dem<strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahren nicht darum gehen, offensichtliche Mängel des Vorverfahrenszu beheben, indem erhebliche Teile des Ermittlungsverfahrens durch den Richter durchgeführtwerden und so dieser unschlüssige <strong>Strafbefehl</strong> vervollständigt und schlüssig gemacht wird 762 .755 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 203 RN 1, 2.756 Rönnau, S. 136.757 LR-Schäfer, Einl, Kapital 13, RN 45; Rönnau, S. 136.758 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 238 Rn 4 ff..759 Müller, s. 81.760 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 202, RN 1.761 Allgemein hierzu KMR-Paulus, § 202, RN 5 ff; Müller, S. 66; LR-Rieß, § 202, RN 3; Gössel, S. 115.762 Müller, S. 66.


Denn dies widerspräche dem Gewaltenteilungsgrundsatz, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz 763 .3. Vorgehen aus anwaltlicher Sicht§ 407 Abs. 3 besagt, daß es einer vorherigen Anhörung des Angeschuldigten durch dasGericht vor Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s nicht bedarf. Mit dem Nichtbedürfen ist jedoch nicht gesagt,daß eine Anhörung verboten ist. Daraus folgt <strong>im</strong> Umkehrschluß, daß der Richter ohneAnhörung des Beschuldigten bzw. ohne informelles Rechtsgespräch mit dessen Verteidigerden <strong>Strafbefehl</strong> erlassen kann, wenn die Voraussetzungen des § 408 Abs. 2 Satz 1 vorliegen.Damit ist aber ebenfalls gesagt, daß eine Anhörung ebenso wie ein Rechtsgespräch mit demVerteidiger des Beschuldigten nicht ausgeschlossen ist.Typischerweise fordert der Verteidiger nach dem ersten Besprechungstermin mit demMandanten die Strafakten unter Vorlage auf sich lautender Vollmacht an. Eine Stellungnahmeunterbleibt vor der Akteneinsichtnahme. Denn es mag alles interessant und wichtig sein, wasder Mandant erzählt. Maßgebend ist jedoch die Akten- und Beweislage der Staatsanwaltschaftbzw. der BuStra. Entsprechend wird dem Mandanten auch angeraten, einen Anhörungsterminbei der BuStra nicht wahrzunehmen, sondern sich erst über den Verteidiger nach Akteneinsichtnahmezu äußern.Die Ermittlungsakte wird nach Eingang entsprechend abgelichtet und der Vorwurf nebst derBeweislage mit dem Mandanten erörtert. Dann erfolgt eine schriftliche Einlassung desMandanten über den Verteidiger, entweder mit einem Vorschlag, das Verfahren nach § 170Abs. 2 oder §§ 153, 153 a abzuschließen oder mit der Anregung, in den nächsten Tagen mitdem BuStra-Mitarbeiter (telefonisch) ein Rechtsgespräch zu führen.Kommt eine Absprache zustande, wird diese kurz schriftlich dem Mandanten und der BuStrabestätigt, indem letzterer der Verteidiger mitteilt, daß gegen einen <strong>Strafbefehl</strong> mit einerbest<strong>im</strong>mten Strafe abredegemäß <strong>im</strong> Einverständnis mit dem Mandanten kein Rechtsbehelfeingelegt werden wird.<strong>Der</strong>artige Bestätigungen mit einem "Vorab-Rechtsbehelfsverzicht" werden von der BuStrahäufig erbeten.763 Münch/Schnapp, Art 20 GG Rn 32 ff., 34; BVerfGE 10, 217 L; BVerfGE 14, 68.


Rechtlich ist dieser "Vorab-Rechtsbehelfsverzicht" zwar nicht wirksam, da einRechtsmittelverzicht bzw. -behelfsverzicht nicht vor Erlaß eines Urteils bzw. eines <strong>Strafbefehl</strong>swirksam erklärt werden kann.In den Fällen, in denen keine Absprache zustande kommt, bietet es sich m.E. an, in einemSchriftsatz das aus Sicht der Verteidigung angemessene Strafmaß darzustellen. Es kann sichdann die Strafverfolgungsbehörde daran orientieren und überlegen ob bzw. ab welcherAbweichung ein Einspruch gegen den <strong>Strafbefehl</strong> zu erwarten ist. Weiterer Vorteil ist, daß derRichter bei der Aktenlektüre, wenn er den <strong>Strafbefehl</strong> erlassen soll, die Strafmaßausführungenund -vorstellungen der Verteidigung sieht und ggf. diese Auffassung teilt. Häufige Folge wirdein Rechtsgespräch des Richters mit der Strafverfolgungsbehörde und dem Verteiliger sein.Dies bietet in aller Regel die Möglichkeit für den Richter und den Verteidiger, den Fall inrechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht zu diskutieren. <strong>Der</strong>artige Gespräche haben nichtsmit einem "Kuhhandel" gemein - es sind kontruktive und zumeist sehr effiziente Diskussionen,die keineswegs <strong>im</strong>mer ein konsensfähiges Ergebnis beinhalten.Ist kein Konsens zwischen Richter, Strafverfolgungsbehörde und Verteidigung diesem<strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahren zu erzielen, in dem der Fall in rechtlicher und/odertatsächlicher Hinsicht erörtert wird und dabei auch die Wahrscheinlichkeit der Einlegung einesEinspruchs eruiert wird, bietet es sich an, den <strong>Strafbefehl</strong>santrag vor Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>szwecks Anfertigung einer (weiteren) Stellungnahme zu erbitten.Zwar ist in gebührenrechtlicher Hinsicht der Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s mit dem danneinzulegenden Einspruch lukrativer, jedoch ist für die dann durchzuführe Hauptverhandlungdie Staatsanwaltschaft zuständig. Dies bedeutet in den typischen Fällen der <strong>Strafbefehl</strong>e <strong>im</strong><strong>Steuerstrafrecht</strong>, die von der BuStra ausgefertigt werden, daß ein Zuständigkeitswechsel vonder BuStra zur StaatsanwaItschaft erfolgt. Ein solcher Zuständigkeitswechsel ist jedoch nurdann sinnvoll, wenn keine Kommunikationsebene mit der BuStra herzustellen war oder mehrist.Solange das Besteuerungsverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, läßt sich zumindest<strong>im</strong> Strafverfahren - und sei es über den in dubio-Satz - die Verwirklichung einerSteuerhinterziehung eher bestreiten. Es bietet sich also an, wenn halbwegs ernsthafteArgumente gegen die dem Beschuldigten zur Last gelegte Steuerhinterziehung intatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht vorgebracht werden könnten, das


Besteuerungsverfahren so lange durch Rechtsmittel offen zu halten, bis das Strafverfahrenabgeschlossen ist.Völlig anders sind aus Verteidigersicht die Fälle anzugehen, in denen die Sach- undRechtslage völlig eindeutig ist. Dies sind insbesondere Fälle, bei denen <strong>im</strong> Rahmen einerFahndungsprüfung eine komplette "schwarze" Buchführung aufgefunden wird. Hier kann nureine umfassende Zusammenarbeit zwischen BuStra und Veranlagungsbezirk demBeschuldigten nahegelegt werden mit Blick auf mögliche Strafmilderungsgründe. Insoweit istdem Steuerpflichtigen in derartigen Fällen dringend anzuraten, sich zu bemühen, denSchaden schnellstmöglich wieder gut zu machen, insbesondere durch unverzüglicheAkontozahlungen in Höhe von etwa der Hälfte bis zwei <strong>Dr</strong>ittel der zu erwartenden Steuernachzahlungenund tätige Mitwirkung bei der Erstellung dann richtiger Steuererklärungen. DiesesVerhalten des Täters nach der Tat, insbesondere das Bemühen, den Schaden wieder gut zumachen, ist ein Umstand, den das Gericht bei der Strafzumessung nach § 46 Abs. 2 StGBstraffilildernd zu berücksichtigen hat 764 . Als weiterer Strafmilderungsgrund kommt in diesenFällen auch das schnellstmögliche Geständnis des Täters in Betracht 765 . Umstritten ist jedoch,ob ein reines Zweckgeständnis einen Strafmilderungsgrund darstellen soll, oder ob nur dasechte Geständnis aus Reue und Schuldeinsicht Milde verdient 766 .Schließlich bietet sich in all jenen Fällen, in denen der Umfang der Steuerhinterziehung nichtexakt best<strong>im</strong>mbar ist, in steuerlicher Hinsicht eine tatsächliche Verständigung und instrafrechtlicher Hinsicht eine entsprechende Absprache an. Da die Finanzverwaltung nichtsonderlich gerne zu dem Mittel einer tatsächlichen Verständigung greift, fällt dies demVeranlagungsbezirk noch schwerer, wenn eine tatsächliche Verständigung mit einemSteuerhinterzieher vorgenommen werden soll. Gespräche oder gar Vereinbarungenunmittelbar mit dem Steuerstraftäter sind aufgrund des bei der Finanzbehörde in derartigenFällen erfahrungsgemäß bestehenden Feindbildes schlechterdings nicht möglich. Die Gesprächsbereitschaftkann hier i.d.R. nur über einen bei dem Finanzamt bekanntenSteuerberater oder einem auf das Steuerrecht spezialisierten Rechtsanwalt in mehrerenintensiven Gesprächen geschaffen werden. Nur so lassen sich die wogenden Emotionenglätten und brauchbare Ergebnisse erzielen. Auch hierbei bietet es sich an, zunächst eine764 Schleswig SchlHA 1980, 170; LK, § 46 RN 98; SK, 46 RN 143; Bruns, S. 239; Weigend, GA 1992, 365; <strong>Dr</strong>eher/Tröndle,§ 46 RN 27.765 Das Geständnis ist die einschneidenste, weil unmittelbar auf die Beweislage einwirkende Sacheinlassung desAngeklagten, die per se den Freispruch aus tatsächlichen Gründen ausschließt. Das max<strong>im</strong>aleHauptverhandlungsergebnis aus Sicht des Verteidigers ist daher <strong>im</strong> Falle eines Geständnisses des Angeklagten dieVerfahrenseinstellung nach § 153. Es ist deshalb genauestens zu überlegen, ob durch ein freiwilliges Geständnis nichtunnötig "Verteidigungsterrain" aufgegeben wird und der Weg zu einem Freispruch mangels Beweis vorschnellaufgegeben wird (vgl. Malek S. 107 f.)


Absprache mit der BuStra zu treffen und erst danach eine tatsächliche Verständigung mit demVeranlagungsbezirk zu versuchen.Eine Aussetzung des Steuerstrafverfahrens bis zur Abklärung des steuerlichen Verfahrensnach § 396 AO ist i.d.R. nicht gewünscht oder erforderlich.Ill. Exkurs:Bindungswirkung rechtskräftiger steuerstrafrechtlicher Entscheidungen, insbesondererechtskräftiger <strong>Strafbefehl</strong>e für Entscheidungen <strong>im</strong> BesteuerungsverfahrenSoweit ersichtlich, wird eine Bindungswirkung von steuerstrafrechtlichen Entscheidungen fürdas Besteuerungsverfahren <strong>im</strong> Gegensatz zur umgekehrten Richtung derBindungswirkung 767 weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung vertreten.Zu diskutieren ist, ob eine Bindungswirkung der Feststellungen des Strafrichters für dieFinanzverwaltung bzw. das Finanzgericht besteht. Immerhin hat ein ordentliches Gericht denSachverhalt geprüft, hat Beweise erhoben, ggf. Zeugen vernommen usw. Dann stellt sich dieFrage, ob das gefundene Ergebnis nicht auch für die Verwaltung oder das Finanzgerichtverwertbar oder gar bindend ist.Für eine solche Bindungswirkung könnte auch der Gedanke der Rechtseinheit sprechen. Dasweite Auseinanderklaffen von steuerlicher Nachversteuerungsfeststellung und demstrafrechtlich zugrundegelegten Verkürzungsbetrag ist für den außenstehenden Betrachterkaum verständlich.Gegen eine Bindungswirkung spricht, daß das Strafrecht zwar wie das finanzgerichtlicheVerfahren auch vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird, jedoch sind dieVerfahrensordnungen zu unterschiedlich, als daß Ergebnisse des strafrechtlichen Verfahrensbedenkenlos für die Besteuerung übernommen werden könnten. Insbesondere wegen desGrundsatzes in dubio pro reo <strong>im</strong> Strafverfahren können Verfahrenseinstellungen sich ergeben,die in steuerlicher Hinsicht keine Bindung haben können. Denn während <strong>im</strong> Strafprozeß dieStaatsanwaltschaft die Beweislast zu tragen hat, hat die Feststellungslast <strong>im</strong>Besteuerungsverfahren der Steuerpflichtige zu tragen, wenn es sich um steuermindernde odersteuerbeseitigende Tatsachen handelt. Nur wenn es sich um steuererhöhende odersteuerbegründende Tatsachen handelt, hat die Finanzbehörde die Feststellungslast zu tragen.766 <strong>Dr</strong>eher/Trödle, § 46 RN 29 d; BGH, NJW 1954,1416; BGH, StV 1991,108.767 Vgl. Oben, Seite 112 ff..


Entsprechend sind die Finanzbehörden und das Finanzgericht nicht an die rechtlicheBeurteilung des Amtsgerichts gebunden, wenn dieses ein Strafverfahren wegenSteuerhinterziehung einstellt, weil es den objektiven Tatbestand der Steuerverkürzung fürnicht nachweisbar oder nicht gegeben erachtet 768 .Das Strafgericht kann nur zu einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung lommen, wenn esden objektiven und subjektiven Tatbestand als erfüllt ansieht sowie die Rechtswidrigkeit undSchuld bejaht und keine Strafverfolgungshindernisse bestehen 769 .Im Besteuerungsverfahren ist demgegenüber nur erheblich, ob der Besteuengstatbestandverwirklicht worden ist. Auf ein Verschulden oder Nichtverschulden des Steuerpflichtigenkommt es insoweit nicht an 770 . Insoweit muß das Strafgericht einen weiteren Umfang prüfenals die Finanzbehörde bzw. das Finanzgericht. Fehlt es also dann an Tatbestandsmerkmalen<strong>im</strong> Strafverfahren, müssen dies nicht denknotwendig auch für das Besteuerungsverfahrenerforderliche Tatbestandsmerkmale sein. Dies wird an dem Vorsatz deutlich, der auschließlichfür das Strafverfahren für eine Verurteilung nach § 371 AO erforderlich ist und <strong>im</strong>Besteuerungsverfahren nicht geprüft zu werden braucht 771 .Schließlich ist § 96 FGO zu beachten, der das FG zur selbständigen Ermittlung desSachverhalts verpflichtet 772 . Entsprechendes gilt für das Besteuerungsverfahren nach § 88AO.Gleichwohl kann sich die Finanzbehörde und das Finanzgericht die <strong>im</strong> Strafprozeß getroffenenFeststellungen zu eigen machen 773 . Ein Sachverhalt, der bereits vor einem Strafgerichtausführlich untersucht und als Ergebnis einer Beweisaufnahme festgestellt wurde, brauchtnicht unbedingt noch einmal geprüft zu werden. Er darf jedoch noch einmal geprüft werden.Somit ist die Finanzverwaltung und das Finanzgericht nicht an Feststellungen desStrafgerichts gebunden. Dies bedeutet, daß eine Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrensnicht bewirkt, daß die steuererhöhenden oder steuerbegründenden Merkmale als fehlendanzusehen sind bzw. die als steuermindernd erklärten Merkmale tatsächlich steuerminderndsind.768 FG Bremen, Urteil vom 10.11.1992, abgedruckt in EFG 1993, Nr. 310, S. 326 f.; NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13,S. 848.769 FG Bremen, Urteil vom 10.11.1992, abgedruckt in EFG 1993, Nr. 310, S. 326 f.; NWB Nr.19 vom 09.05.1994, Fach 13,S. 848.770 FG Bremen, Urteil vom 10.11.1992, abgedruckt in EFG 1993, Nr. 310, S. 326 f.; NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13,S. 848.771 FG Bremen, Urteil vom 10.11.1992, abgedruckt in EFG 1993, Nr. 310, S. 326 f.; NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13,S. 848.772 FG Bremen, EFG 1993, Nr. 310, S. 326 f.; NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13, S. 848.773 FG Bremen, EFG 1993, Nr. 310, S. 326 f.; NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13, S. 848, BFH/NV 1992, 612.


Entsprechend haben auch zivilgerichtliche Urteile keine Bindungswirkung für dieFinanzverwaltung und das finanzgerichtliche Verfahren 774 . Schon aufgrund derDispositionsmax<strong>im</strong>e und insbesondere der Möglichkeit von Versäumnisurteilen und demAusschluß eines Sachvortrages wegen verspäteten Vorbringens können selbst in den Fällen,in denen in einem Zivilrechtsstreitinzident steuerliche Tatbestandsvoraussetzungen geprüftwerden, diese Feststellungen die Finanzverwaltung und das Finanzgericht nicht binden.Dagegen sind sich schon die Strafgerichtsbarkeit und die Finanzgerichtsbarkeit, wegen desbeiden Verfahrensordnungen <strong>im</strong>manenten Untersuchungsgrundsatzes, sachnäher, so daß dieFrage, ob Ergebnisse des einen Verfahrens bei dem anderen Bindungswirkung entfalten, sicheher stellt.Aus den oben dargelegten Gründen besteht jedoch keine Bindungswirkung des <strong>im</strong>Strafverfahren festgestellten Sachverhalts für den Finanzrechtsstreit.Für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist darauf hinzuweisen, daß aus einem rechtskräftigen<strong>Strafbefehl</strong> jedenfalls für das Besteuerungsverfahren, z.B. für Haftungsbescheide etc.allenfalls eine Indizfunktion aus dem rechtskräftigen <strong>Strafbefehl</strong> gezogen werden kann.Zwingend ist dies jedoch nicht, da auch ein <strong>Strafbefehl</strong> zu Unrecht ergangen sein kann undder Beschuldigte sich ggf. aus Unwissenheit nicht hiergegen gewehrt hat oder schlicht dieEinspruchsfrist verpaßt hat und das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nichtkannte oder den Wiedereinsetzungsantrag für nicht aussichtsreich hielt.Denn wegen der bloß summarischen Prüfung des <strong>Strafbefehl</strong>s hat sich noch kein Gerichtaufgrund einer Hauptverhandlung von der Täterschaft und Schuld des Angeklagten überzeugti.S.d. § 261, sondern der den <strong>Strafbefehl</strong> erlassende Richter war lediglich aufgrund derAktenlage von der Tat des Angeklagten und der Angemessenheit der Sanktion vorläufigüberzeugt.Nach alledem gibt es keine Bindungswirkung steuerstrafrechtlicher Entscheidungen,insbesondere keine Bindungswirkung rechtskräftiger <strong>Strafbefehl</strong>e für dasBesteuerungsverfahren.IV. Rechtsfolgenvorstellungen bei der BuStra1. Starres Schema der Tagessatzberechnung?774 FG Bremen, EFG 1993, Nr. 310, S. 326 f.; NWB Nr. 19 vom 09.05.1994, Fach 13, S. 848.


Über die Möglichkeit <strong>Strafbefehl</strong>e nach § 400 AO zu beantragen, nehmen die Finanzämterdurch die BuStra einen nicht unbeachtlichen Einfluß auf die gerichtlichenStrafzumessungsentscheidungen in Steuerstrafsachen 775 . Denn mit den beantragten<strong>Strafbefehl</strong>en, die auch das Strafmaß als Antrag mitenthalten, wirken die Finanzbehörden beiden Amtsgerichten nicht unerheblich auf die richterliche Meinungsbildung und die richterlichenMaßstäbe ein 776 .Die Antragspraxis der BuStra 777 wird durch die Dienstanweisungen der Oberfinanzbehörden,die Hinweise auf das bei best<strong>im</strong>mten Fallgestaltungen zu beantragende Strafmaß geben 778 ,wesentlich beeinflußt 779 .Es handelt sich also um den richterlichen Strafmaßempfehlungen 780 vergleichbare Taxen.Solche Dienstanweisungen sind verschiedentlich veröffentlicht worden 781 . Insbesondere dievon Birmanns 1981 beschriebene Anweisung der OFD Düsseldorf ist informativ und soll daherhier wiedergegeben werden. Die Strafe für eine Steuerhinterziehung best<strong>im</strong>mt sich danachI. nach der SchadenshöheII. nach den sonstigen Umständen1. Milderungena) Versuchb) Verkürzung auf Zeitc) Nachzahlung der Steuernd) Geständnis, Einsichte) Nichtzahlung bei Selbstanzeigef) Alter, Krankheitg) Existenz schien gefährdet2. Erhöhungena) Wiederholungsfälle775 Meine, RN 120.776 Meine, RN 120, ders., MSchrKr<strong>im</strong> 1982, 342, 343.777 in verschiedenen Bundesländern heißt die BuStra (= Bußgeld- und Strafsachenstelle) auch StraBu (= Srafsachen- undBußgeldstelle).778 Meine, RN 120; Blumers, wistra 1987, 1 ff., 4; Birmanns, DStR 1981, 648; Göggerle/Müller, S. 275.779 Meine, RN 120.780 Meine, RN 120; Bruns, Strafzumessung, S. 293.781 Meine, RN 120; Blumers, wistra 1987, 1 ff., 4; Göggerle/Müller S. 275.


) raffinierte Begehungc) Habgier, Gewinnsuchtd) Kürzung von LohnsteuerNach der Schadenhöhe soll bei einem Schaden (= verkürzte Steuern)bis 20.000,-- DM je 250,-- DM 1 Tagessatz,von 20.001,-- bis 100.000,-- DM je 500,-- DM 1 Tagessatz,und ab 100.001,-- DM je 1.000,-- DM 1 Tagessatzangesetzt werden 782 .Unter anderem von der Steuerfahndungstelle des Finanzamtes Wiesbaden ist noch bekannt,daß die Verkürzung von Umsatzsteuer straferhöhend wirkt. Ein Aufschlag von etwa 25Prozent auf die nach vorstehendem Tagessatzberechnungssystem wird bei derUmsatzsteuerverkürzung hinzugesetzt. Denn straferhöhend soll wirken, daß es sich bei derUmsatzsteuer quasi um Fremdgeld handelt. Denn der Steuerpflichtige hat die Umsatzsteuerfür das Finanzamt von <strong>Dr</strong>itten vereinnahmt, aber nicht abgeführt, sei es, daß er seineUmsatzsteuerschuld zu niedrig auswies oder sei es, daß er die Vorsteuerforderung überhöhterklärte.Auch die Hinterziehung von Lohnsteuer wird teilweise strafschärfend angesehen.Einen wirtschaftlichen Grund kann man für einen solchen Strafschärfungsgrund nichterkennen. Denn eine DM Einkommensteuerhinterziehung ist betragsmäßig genausoverwerflich wie eine DM Umsatzsteuerhinterziehung. <strong>Steuerstrafrecht</strong>lich ist ein solcherStrafschärfungsgrund nicht normiert.Es fällt daher schwer, den "Strafschärfungsgrund Lohnsteuer" oder "Umsatzsteuer" zuakzeptieren. Denn meist will der Täter nur irgendwelche Steuerbeträge "sparen" - eineschädliche oder bösartige Gesinnung, die eine Strafschärfung m.E. rechtfertigen würde, istdabei <strong>im</strong> allgemeinen nicht zu erkennen. Dem Täter erscheint schlicht eine best<strong>im</strong>mteSteuerart aus irgendwelchen Gründen eben leicht zu seinen Gunsten manipulierbar.782 Meine, RN 120.


Deswegen verkürzt er diese Steuer. <strong>Der</strong> Gedanke der eventuellen Veruntreuung vonFremdgeld kommt dem typischen Täter dabei nicht.So gesehen ist Geld gleich Geld, d.h. Verkürzungsbetrag gleich Verkürzungsbetrag und somitsind gleich hoch hinterzogene Beträge grundsätzlich auch gleich hoch zu bestrafen,gleichgültig ob es sich um eine Ertragsteuer-, Lohnsteuer- oder Umsatzsteuerhinterziehunghandelt.Aus dem Hinterziehungsbetrag wird also die Anzahl der Tagessätze errechnet 783 . Die sogefundene Zahl der Tagessätze wird dann in Anbetracht der sonstigen einschlägigenStrafzumessungstatsachen erhöht oder vermindert 784 .Sofern sich die Anwender - gemeint sind damit Staatsanwaltschaft, BuStra und Gerichte -dieses Systems bewußt sind und insbesondere die errechnete Tagessatzzahl nicht starrfixieren, sondern diese Tagessatzzahlen nur als Basiswert verwenden, mag diesesBerechnungssystem akzeptabel sein 785 .Eine große psychologische Gefahr liegt jedoch darin, daß viele der Anwender von der anfangserrechneten Anzahl von Tagessätzen sich nicht oder nur unwesentlich entfernen können.Damit besteht die Gefahr der schematischen, starren Anwendung der Straftaxen 786 .Dies kann dazu führen, daß wegen einem relativ geringen Hinterziehungsbetrag vonbeispielsweise 8.000,-- DM und einem hohen Tagesnettoeinkommen z.B. von 5.000,-- DMeine Geldstrafe von 35 Tagessätzen à 5.000,-- DM, mithin eine Geldstrafe von 175.000,-- DMzu verhängen wäre. Einem Hinterziehungstäter jedoch klar zu machen, daß für einenHinterziehungsbetrag von 8.000,-- DM er eine Geldstrafe von 175.000,-- DM zahlen soll unddies angemessen sein soll, kann nicht gelingen. Entgegen der Auffassung von Joecks 787 istdies nicht einfach hinzunehmen als Folge der Multiplikation Tagessatzanzahl mal Tagessatznettoeinkommenaus dem Berechnungsschema. Vielmehr zeigt diese starre Anwendung einesSchemas die Gefährlichkeit einer solchen Handhabung: Ein solcher Hinterziehungstäter wirdnie einsehen, daß er den 22-fachen Betrag dessen bezahlen soll, was er betragsmäßighinterzogen hat, nur weil er ein hohes Tagesnettoeinkommen hat 788 . Haß,783 Meine, RN 120.784 Meine, RN 120.785 Meine, RN 121; Blumers, wistra 1987, 1 ff., 4.786 Meine, RN 121; OLG Hamm, NJW 1977, 2087.787 Franzen/Gast/Joecks, <strong>Steuerstrafrecht</strong>, 4. Auflage, Köln 1996, § 369 RN 136, ebenso: <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 40 RN 6, der dasNettoeinkommen nicht bloß als Anhaltspunkt oder Einstieg, sondern als Grundlage für die Festsetzung der Tagessatzhöheansieht. Insoweit aber in sich widersprüchlich, wenn ders. meint, daß bei Einkommensschwachen die Festsetzung derTagessatzhöhe besonderer Sorgfalt bedarf und der Tatrichter auch einen unter dem <strong>Dr</strong>eißigstel der Monatsnettozahlliegenden Betrag als Tagessatz festlegen darf (<strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 40 RN 12 m.w.N.; OLG Köln NJW 1976, 636).788 Man bedenke auch die Konsequenzen einer starren Berechnungsmethode bei hohen Hinterziehungsbeträgen: Soll derSteuerstraftäter, der z.B. 20 Mio DM hinterzogen hat, tatsächlich mit 20.140 Tagen Haft, also rund 56 Jahren Haftrechnen müssen? Oder soll das starre Berechnungssystem durchgehalten werden bis zu einem Hinterziehungsbetrag von


Staatsverdrossenheit und Formulierungen wie etwa "das Geld hole ich mir anderweitig vomFinanzamt zurück" sind nach meinen Erfahrungen die Folge solcher und ähnlicherSanktionsberechnungen. Wenn die Strafe aber neben Sühne auch Einsicht in begangenesUnrecht bewirken soll 789 , kann dieser Erfolg mit derartigen Sanktionsberechnungen nichterzielt werden. Hier ist m.E. eine Kappung auf einen angemessenen Betrag, beispielsweisedas Doppelte des Hinterziehungsbetrages (wenn man eine schematische Bezugsgröße habenmöchte) dringend geboten. Auch wenn der Täter mit einem so hohen Tagesnettoeinkommenvon 5.000,-- DM dann nur etwa 16.000,-- DM bis 20.000,-- DM als Geldstrafe zahlen muß,wird er sich dies als ausreichende Warnung dienen lassen und Wut, Haß undStaatsverdrossenheit ihm nicht den Weg in die Einsicht in das von ihm begangene Unrechtversperren. Letztendlich waren derartige Kappungs-Überlegungen auch Grundlage für dieFestlegung des Tagesnetto-Höchstsatzes auf 10.000,-- DM gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2StGB 790 . Vor der Anwendung eines starren Schemas kann daher nur gewarnt werden.Die von Meine an die Sachgebietsleiter der BuStra formulierte Aufforderung, derSchematisierung entgegenzuwirken 791 , ist prinzipiell vollauf zu unterstützen, in der Sacheselbst hat dieser Aufruf jedoch noch nicht genügend gefruchtet.Bruns 792 und ihm folgend Meine 793 schlagen vor, daß in die <strong>Strafbefehl</strong>santräge diebest<strong>im</strong>menden Strafzumessungsgründe aufgenommen werden sollten. Die Straftaxen hättendann nur noch die Funktion der Angabe einer Einstiegsstelle in den Strafrahmen 794 .Dem ist unbedingt beizupflichten.Eine weitergehende Überlegung ist folgende: Wenn schon das Strafmaßsystem schematisiertist, warum wird nicht auch ein Schema für Strafmilderungen und Strafschärfungen entworfen,so daß eine Art Katalog entsteht. Darin könnte z.B. der Versuch als Milderungsgrund miteinem Abschlag von 20 bis 40 Prozent oder das rechtzeitige Geständnis und die tätige,3,46 Mio DM (= 10 Jahre Haft vorbehaltlich der zeitigen Höchststrafe bei Tatmehrheit von 15 Jahren, § 40 Abs. 2 StGB)und danach jede weitere hinterzogene Steuermark das Strafmaß nicht mehr beeinflussen können?789 vgl. <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 3 zum Sinn und Zweck von Strafe.790 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 40 RN 2: Dieser Höchstsatz (§ 5111 E 1962 sah 500 DM, § 40 Ld.F. des 2. StrRG 1.000 DM vor) isterst in der Sitzung des StrABTag vom 25.09.1973 (Prot.7/648) beschlossen worden, und zwar mit Rücksicht auf Steuer- und andere Wirtschaftsdelikte sowie auf Bezieherungewöhnlich hoher Einkommen.791 Meine, RN 121.792 Bruns, S. 293; vgl. auch Zipf, Strafmaßrevision, S. 103; Meine, RN 121.793 Meine, RN 121.


freiwillige Mitwirkung bei der Aufklärung mit 30 bis 40 Prozent vorgeschlagen werden. Dasspäte Geständnis aufgrund später Einsicht könnte dann mit 5 bis 10 Prozent z.B. angesetztwerden. Bei den Strafschärfungen könnte z.B. ein Aufschlag von 110 bis 150 Prozent fürWiederholungstäter vorgeschlagen werden, usw..Dies ist letztlich sicher auch kein perfekter Vorschla, ein gerechtes System zu entwickeln undes kann nur auch hier vor einer starren Anwendung eines solchen Schemas gewarnt werden.In der Einsicht jedoch, daß die Einstiegstaxen zur Zeit in der Praxis vorgegeben sind undMilderungen wie Schürfungen je nach Sachbearbeiter, Sachgebietsleiter und Vorgabe derOFD sehr starken Schwankungen unterliegen können, erscheint dann jedenfalls einausführliches und durchdachtes Taxensystem erfolgreicher und damit gerechter zu sein, alsnur eine Einstiegstelle taxmäßig vorzugeben und die nicht unmaßgebliche Feinabst<strong>im</strong>mungvöllig offen zu lassen. Maßgebend ist jedoch für alle Beteiligten zu erkennen, daß jedesSchema nur ein Anhaltspunkt, also ein Indiz für die Strafzumessung sein kann. Einesklavische Anbindung an ein Schema kann aber wohl niemals den vielen Einzelfragen einesLebenssachverhaltes gerecht werden.Verbunden mit dem Vorschlag von Bruns und Meine, daß der <strong>Strafbefehl</strong>santrag dann eineBegründung des beantragten Strafmaßes erforderte 795 , müßten zumindest mehrereÜberlegungen, ob und in welche Höhe Strafzumessungsgründe die errechenbareEinstiegsgröße verändern, auch dem Richter und vor allem dem Beschuldigten die Gedankender BuStra verdeutlichen. Dann könnte der Richter sich auch diesen Erwägungen, soweit sienachvollziehbar sind, anschließen und der Beschuldigte könnte erkennen, ob und in welcherHöhe eventuelle Milderungsgründe berücksichtigt wurden und sich so über dieErfolgsaussichten eines Einspruchs mehr Klarheit verschaffen. Insgesamt würde damit dieStrafzumesung <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren transparenter. Sicherlich könnten damit auch einigeEinsprüche gegen <strong>Strafbefehl</strong>e vermieden werden, was nebenbei zu einer wünschenswertenEntlastung der überlasteten Gerichte führte.Sehr problematisch ist auch, daß die meisten der Dienstanweisungen der Oberfiianzdirektionenbislang nicht veröffentlicht wurden. Wegen ihrer <strong>im</strong>mensen Bedeutung für diePraxis sollten die Oberfinanzdirektionen dazu übergehen, sämtliche Dienstanweisungen zuveröffentlichen und damit einer vergleichenden Diskussion preisgeben.794 Meine, RN 121.795 Meine, RN 121.


Die dagegen derzeit praktizierte Gehe<strong>im</strong>niskrämerei um die Anweisungen einzelnerOberfinanzdirektionen ist nicht nur unverständlich, sondern erweckt auch den unschönenAnschein, die Anweisungen hätten etwas zu verbergen und würden ggf. rechtsstaatlichenAnforderungen nicht genügen 796 .2. Probleme bei Strafentabellen, Unkenntnis von Strafzumessungsregeln undungenügende Anwendung von Milderungsgründen, insbesondere überlangeVerfahrensdauera) Mangelhafte Kenntnis oder mangelhafte Berücksichtigung von Strafzumessungsregeln bei der BuStraEs fällt auf, daß bei der BuStra Straffmilderungsgründe nicht oder nicht genügendberücksichtigt werden. Ob dies an der mangelnden strafrechtlichen Ausbildung derBuStra-Mitarbeiter liegt oder an anderen Gründen kann hier nur Spekulation bleiben.Jedenfalls sind Fehler bei der Strafzumessung bei einem bei der BuStra gefertigten<strong>Strafbefehl</strong> nicht selten, sei es, daß Verstöße gegen das Doppelverwertungsverbot vorliegenoder Straffmilderungsgründe nach § 46 Abs. 2 StGB nicht oder kaum berücksichtigt werden 797 .b) Strafmilderungsgrund bei überlanger VerfahrensdauerEine zwischen der Verfahrenseinleitung und der Verurteilung verstrichene überlange Zeit iststrafmildernd zu berücksichtigen 798 . Voraussetzung ist allerdings, daß der Angeklagte dieüberlange Verfahrensdauer nicht selbst zu vertreten hat 799 .Eine Verlängerung des Verfahrens wegen des Schweigens des Angeklagten zur Tat oderwegen seines Leugnens der Täterschaft gereicht ihm jedoch nicht zum Nachteil: Auch hierwirkt sich zu seinen Gunsten die überlange Verfahrensdauer aus 800 . <strong>Der</strong> Angeklagte ist nichtverpflichtet, aktiv an seiner Überführung mitzuwirken 801 . Schweigt oder leugnet er, so ist diessein gutes Recht. Die Schwierigkeiten bei der Überführung wirken sich jedenfalls nicht negativ796 ebenso Meine, RN 121.797 Z. B. AG Fulda, -107 Js 10.002.1/94 Cs-.798 Meine, RN 78; BGH, NStZ, 1983,167; BGH, wistra 1983,106; BGH, NStZ 1988,552 m.w.N..799 Meine, RN 78; BGH, NStZ 1983, 167.800 Meine, RN 57; BGH, wistra 1983, 106.


<strong>im</strong> Strafmaß für den Angeklagten aus 802 . Vielmehr wirkt sich sein freiwilliges Geständnis oderseine Mitwirkung bei der Aufklärung der Tat zu seinen Gunsten strafmildernd aus 803 .Eine überlange Verfahrensdauer ist bei einer Verfahrensdauer von über 10 Jahren 804 vomBVerfG angenommen worden 805 . Diese lange Verfahrensdauer verletzt den Angeklagten inseinem Recht auf ein faires Verfahren und verstößt gegen Art 2 Abs. 1 GG i.V.m. demRechtsstaatsprinzip. Dieses Prozeßgrundrecht fordere nicht zuletzt auch <strong>im</strong> Interesse desBetroffenen eine angemessene Beschleunigung des Verfahrens 806 . Ob die Verfahrensdauernoch angemessen ist, kann nicht allgemein best<strong>im</strong>mt werden, sondern richtet sich nach denUmständen des Einzelfalles 807 .<strong>Der</strong> Grund für die Strafmilderung sind die zusätzlichen fühlbaren Belastungen durch die langeVerfahrensdauer, die in ihren Auswirkungen der Sanktion selbst gleichkommen können 808 .Jedenfalls ist eine Verfahrenslänge von insgesamt 26 Monaten ab Bekanntgabe der Einleitungdes Ermittlungsverfahrens bis zur letzten rechtskräftigen Verurteilung zu kurz, um einenVerstoß gegen Art 6 Abs. 1 MRK darzustellen 809 .Eine überlange Verfahrensdauer ist von Amts wegen zu berücksichtigen 810 und kann inExtremfällen zu einem Verfahrenshindernis 811 führen oder eine Verfahrenseinstellung nach §153 812 oder § 154 gebieten 813 .In Steuerstrafverfahren ist wegen der regelmäßig langen Verfahrensdauer von häufig 5 bis 7Jahren der Strafmilderungsgrund der überlangen Verfahrensdauer zumindest diskutabel.801 Meine, RN 78; BGH, NStZ 1981, 343; BGH, StV 1981, 122.802 Meine, RN 57; BGH, wistra 1983, 106.803 Meine, RN 60, 61, der zumindest einem rechtzeitig abgelegten Geständnis erhebliches Strafmilderungsgewicht be<strong>im</strong>essenwill. Rechtzeitig ist für Meine ein Geständnis dann, wenn es die Hauptverhandlung nicht unerheblich abkürzt oder dieBeweisführung wesentlich erleichtert. Wertlos ist nach Auffassung von Meine ein Geständnis nie, auch nicht bei einem"bereits überführten" Angeklagten, so daß nach Meines Auffassung dem Geständnis stets strafmilderndes Gewichtzukommt. Die Größe der Strafmilderung hängt nur von dem Zeitpunkt und dem damit verbundenen Nutzen desGeständnisses für das Verfahren ab.804 Gerechnet von der Einleitung des Verfahrens durch einen Steuerfahndungsbesuch vom 07.07.1980 über das am14.07.1989 zugestellte Berufungsurteil bis zur Verwerfung der Revision durch das Hanseat. OLG vom 04.10.1990, vgl.BVerfG, wistra 1993, 219 ff., 219.805 BVerfG, wistra 1993, 219 ff., 219;806 BVerfGE 46, 17 ff., 28 f.; 63, 45 ff., 60; BVerfG (Vorprüfungsausschuß) NJW 1984, 967; BVerfG, NJW 1992, 2472,BVerfG, wistra 1993, 219 ff., 219.807 BayObLG, wistra 1994, 352.808 BVerfG, wistra 1993, 219 ff., 219; BayObLG wistra 1994, 352.809 BayObLG, wistra 1994, 352.810 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 35.811 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 35.812 BVerfG, wistra 1993, 219 ff., 221.813 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 35.


Denn der Strafmilderungsgrund der überlangen Verfahrensdauer beginnt m.E. nichtschematisch bei einer über 10-jährigen Verfahrensdauer, sondern verdichtet sich <strong>im</strong> Laufe derJahre erst zu einem Strafmilderungsgrund und kann dann, bei mehr als 10-jährigerVerfahrensdauer, zu einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernis bzw.Einstellungsverflichtung nach § 153 führen. Dies bedeutet aber, daß bei etwa 5 bis 7 JahrenVerfahrensdauer m.E. gerade in Steuerfahndungsverfahren, die häufig nicht nur einen,sondern zwei Fahndungsbesuche beinhalten, die Belastungen durch die Intensität derErmittlungen als auch durch die Dauer der Ermittlungen sich zu einem Strafmilderungsgrundwegen der überlangen Verfahrensdauer verdichten. Dieser Strafmilderungsgrund n<strong>im</strong>mt m.E.mit steigenden Belastungen und/oder eigender Dauer des Verfahrens stetig zu, bis er zumEinstellungsgrund erstarkt.3. Strafmilderungsgrund tatsächliche Verständigung?Die Schuld des Täters wird durch das Maß des Vorwurfs, das dem Täter wegen seinerHandlung zu machen ist, best<strong>im</strong>mt 814 . Dabei darf der Begriff "Tat” nicht nur <strong>im</strong> Sinn des § 264gesehen werden, also nicht nur in der Erfüllung eines best<strong>im</strong>mten Tatbestandes durch denTäter 815 . Mit zu berücksichtigen sind auch die Umstände, die der tatbestandsmäßigenHandlung vorausgehen oder ihr folgen, sofern sie in Beziehung zum tatrelevantenTäterverhalten stehen 816 .Eich 817 untersucht insoweit, ob eine tatsächliche Verständigung ein Strafzumessungsfaktor <strong>im</strong>Sinn des § 46 Abs. 2 StGB ist. Er überprüft, ob der Abschluß einer tatsächlichenVerständigung <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren als Bemühen ausgelegt werden könnte, den durchdie Verwirklichung des Steuerstraftatbestandes herbeigeführten Schadenwiedergutzumachen 818 .Eich legt zu Recht dar, daß eine tatsächliche Verständigung ebensowenig ein Geständnis ist,wie sie auch nicht als Bemühen des Steuerpflichtigen zur Schadenswiedergutmachunggewertet werden kann 819 . Die tatsächliche Verständigung ist ein Vergleich, eine814 BGH StV 1983, 332; <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 4; Eich, S. 89; Schmidt-Hieber, S. 78.815 Eich, S. 89.816 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 24 ff., BGHSt 5, 132; BGH MDR 1972,196.817 Eich, S. 89 f.818 Eich, S. 89 f.819 Eich, S. 89 f., 90.


Zweckmäßigkeitsvereinbarung. Als solcher fehlt ihr aber von vornherein die Intention zurSchadenswiedergutmachung. Denn die tatsächliche Verständigung ist eine Einigung zwischenden Beteiligten auf einen Sachverhalt, der so gewesen sein könnte, wobei jedoch jederBeteiligte von seiner ihm günstigsten Position abrückt und sich der Position des anderen (nichtnotwendig bis zur gedanklichen bzw. rechnerischen Mitte) annähert. In diesem gegenseitigenNachgeben wird jedoch keinesfalls der gesamte mögliche Verkürzungsschaden, der be<strong>im</strong>Fiskus durch diesen Steuerpflichtigen verursacht wurde, wiedergutgemacht 820 . DieFinanzverwaltung rückt von ihrer Vorstellung vom Sachverhalt ab und nähert sich derDarstellung des Steuerpflichtigen an 821 . Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, daß Teileeines entstandenen Steueranspruchs i.S.d. § 38 AO i.V.m. denEinzelbesteuerungstatbeständen nicht festgesetzt und eingezogen werden. Insoweit fehlt eszumindest an einer vollständigen Schadenswiedergutmachung. Das Motiv desSteuerpflichtigen ist auch in der Regel nicht auf Schadenswiedergutmachung gerichtet,sondern auf ein ihm möglichst gutes, d.h. niedriges steuerliches, als auchsteuerstrafrechtliches Ergebnis 822 . Infolgedessen hält Eich die tatsächliche Verständigung fürkeinen Strafmilderungsgrund <strong>im</strong> Sinn des § 46 Abs. 2 StGB 823 .Dieses Ergebnis überzeugt nicht.Nach § 46 Abs. 2, Satz 1 StGB sind bei der Strafzumessung durch das Gericht sämtlicheUmstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander abzuwägen. Nach § 46 Abs.2 Satz 2 StGB kommen dabei "namentlich in Betracht: ( ... ) die Art der Ausführung und dieverschuldeten Auswirkungen der Tat ( ... ) sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders seinBemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einenAusgleich mit dem Verletzten zu erreichen".Es sind somit drei Kriterien bei der Strafzumessung bei Steuerstraftaten besondersinteressant, die auch <strong>im</strong> Hinblick auf eine tatsächliche Verständigung näher zu untersuchensind: Erstens verschuldete Auswirkungen (dazu unter Punkt a), zweitens Verhalten nach derTat (dazu unter Punkt b) und drittens Ausgleichsbemühungen gegenüber dem Verletzten(dazu unter Punkt c).820 Eich, S. 90.821 Eich, S. 90.822 Eich, S. 90.


a) Verschuldete AuswirkungenFür die Strafzumessung ist ein Kriterium die Art der Ausführung und die verschuldetenAuswirkungen der Tat. Unter verschuldeten Auswirkungen in diesem Sinne sind <strong>im</strong><strong>Steuerstrafrecht</strong> die nicht mehr nachvollziehbaren Manipulationen oder Beseitigungen vonAufzeichnungen, Urkunden, Buchführungsunterlagen, BiIanzen etc., zu verstehen, die eineRekapitulation der tatsächlich zu zahlenden Steuer nicht mehr möglich machen. Verschuldetist dann <strong>im</strong> Rahmen der Abgabe der falschen Steuererklärungen die Unmöglichkeit, denentstandenen Steueranspruch <strong>im</strong> Sinn des § 38 AO i.V.m. den jeweiligenEinzelbesteuerungsgesetzen nicht mehr exakt aus den Büchern etc. entnehmen undfestsetzen zu können, daß ggf. (Zu-)Schätzungen erforderlich sind. Je mehr manipuliert oderbeseitigt wurde, um so größer war die kr<strong>im</strong>inelle Energie, um so höher muß die Strafe sein.Insoweit handelt es sich um einen Strafschärfungsgrund bei dieser Sachverhaltsgestaltung.Dann kann die tatsächliche Verständigung, die näherungsweise, wenn auch wohl nicht ganz,den Zustand wiederherstellt, der bestehen würde, wenn die Manipulationen oderBeseitigungen nicht vorgenommen worden wären, allenfalls diesen Strafschärfungsgrundentfallen lassen. Einen Strafmilderungsgrund stellt dann die tatsächliche Verständigungdarüber hinaus nicht dar.b) Verhalten nach der TatBei der Strafzumessung des Täters ist u.a. sein Verhalten nach der Tat, besonders seinBemühen, den Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen. DieSchadenswiedergutmachung ist nur beispielhaft genannt. Es gehören daneben auch alleFormen einer tätigen Reue, die Bitte um Verzeihung und Genugtuung des Verletzten undÄhnliches hierzu 824 . Insbesondere auch eine verspätete Selbstanzeige führt zurStrafmilderung 825 . Dies zeigt, daß das Motiv der tätigen Reue bzw. derSchadenswiedergutmachung nicht erheblich ist: Gleichgültig, ob aus Angst vor Strafe oderethisch wertvollen Motiven heraus der Täter den Schaden beseitigen möchte, in jedem Fall istdiese, auch nur teilweise Schadenswiedergutmachung, als Nachtatverhalten strafmildernd zuberücksichtigen. Dann muß aber auch eine tatsächliche Verständigung insoweit strafmilderndwirken, da sie - losgelöst vom zugrundeliegenden Motiv - jedenfalls zur Schadensbehebung823 Eich, S. 90.824 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 27.825 BGH, Urteil vom 30.01.1979, -4 StR 820/78-; <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 27.


mit dient. Dies entspricht auch dem Willen des Täters, auch wenn dies nicht sein (pr<strong>im</strong>äres)Ziel ist. Aber auf den Grund der Wiedergutmachung kommt es - wie gezeigt - nicht an.Damit ist die tatsächliche Verständigung in allen Fällen der Steuerverkürzung, die nicht aufeinem nicht mehr nachvollziehbaren Manipulieren der Bücher oder Beseitigen von Unterlagenberuhen, also kein Fall des § 46 Abs. 2, Satz 2, 4. Alt StGB vorliegt, ein Strafmilderungsgrund.c) Ausgleichsbemühungen gegenüber dem VerletztenAuch soweit sich der Täter um den Ausgleich mit dem Verletzten bemüht, liegt einStrafmilderungsgrund vor. <strong>Der</strong> Verletzte ist bei Steuerstraftaten der Fiskus bzw. bei derGewerbesteuer die Kommune. Soweit der Steuerpflichtige mit der Finanzverwaltung bzw. demSteueramt der betreffenden Kommune Gespräche mit dem Ziel des Abschlußes einertatsächliche Verständigung führt, bemüht er sich um einen Ausgleich mit dem verletztenSteuergläubiger, vertreten durch das zuständige Finanzamt bzw. das Steueramt. Ob es dannzu einer tatsächlichen Verständigung kommt oder nicht, ist nach dem Wortlaut des Gesetzesgleichgültig: Es kommt auf die Bemühung des Täters zum Ausgleich an - der erfolgreicheAusgleich ist nicht Tatbestandsvoraussetzung 826 .Damit ist schon der (ernsthafte) Versuch einer tatsächlichen Verständigung in allen Fällen derSteuerverkürzung, die nicht auf einem nicht mehr nachvollziehbaren Manipulieren der Bücheroder Beseitigen von Unterlagen beruhen, also kein Fall des § 46 Abs. 2 Satz 2, 4. Alt StGBvorliegt, ein Strafmilderungsgrund. Ob eine tatsächliche Verständigung zustandekommt, istinsoweit unerheblich.Im Ergebnis ist - entgegen der Auffassung von Eich - das ernsthafte Angebot auf Abschlußeiner tatsächlichen Verständigung ein Strafmilderungsgrund i.S.d. § 46 Abs. 2, Satz 2 StGB,ebenso wie der erfolgreiche Abschluß einer tatsächlichen Verständigung. Insgesamt dürfte essich aber nur um insgesamt einen Strafmilderungsgrund handeln, so daß bei einererfolgreichen tatsächlichen Verständigung die Ausgleichsbemühungen i.S.d. § 46 II 2 StGB indem Strafmilderungsgrund "Nachtatverhalten" konsumiert sind.826 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46 RN 27 f.


<strong>Der</strong> bloße Versuch einer tatsächlichen Verständigung (Ausgleichsbemühung) darf aber nichtvon vornherein weniger strafmildernd gewichtet werden, als der erfolgreiche Abschluß einertatsächlichen Verständigung (Nachtatverhalten).Die tatsächliche Verständigung kann auch allein auf Seiten des Steuergläubigers scheitern.Dies darf dem Steuerpflichtigen aber nicht angelastet werden. Es ist also jeweils beiAusgleichsbemühungen sorgsam zu prüfen, ob seitens des Steuerpflichtigen ernsthaft einetatsächliche Verständigung gewollt war, so daß bejahendenfalls eine Strafmilderung zugewähren ist.Jedenfalls dürften in derartigen Fällen einige - nicht bloß klauselhafte - Formulierungen zudiesen Strafmilderungsgründen in einem Urteil zu erwarten sein, wenn es revisionsfestgeschrieben sein soll.V. Exkurs:Bindung des Strafrichters und der Strafverfolgungsorgane an eine tatsächlicheVerständigung <strong>im</strong> SteuerverfahrenDie Strafrichter und Strafverfolgungsorgane sind frei von jeder Bindung an Behörden,namentlich Finanzbehörden, und andere Gerichte, namentlich Finanzgerichte 827 : DieEntscheidungen der Veranlagungsstelle und der Strafsachenstelle müssen alsEntscheidungen derselben Behörde auch einheitlich sein, denn die Finanzbehörde tritt nachAußen nur als Gesamtes auf. Klein hält dem zu Recht entgegen, daß die BuStra dieselbenRechte und Pflichten wie die Staatsanwaltaft hat, die ihrerseits wiederum - wie der Strafrichter- dazu verpflichtet ist, materielle Wahrheit zu erforschen. Daraus folgert Klein, daß die BuStraebenfalls frei von jeder Bindung an die Veranlagungsstelle entscheiden kann 828 . Jeder Richterist nur dem Recht und Gesetz unterworfen 829 und grundsätzlich an Präjudizien weder deseinen noch des anderen Rechtsbereichs gebunden 830 , insbesondere dann nicht, wenn es sich827 BGH NJW 1982, 1237; F/G/S-Gast, § 396 AO RN 5; Hübschmann/Hepp/Spitaler-Hübner, 396 AO RN 11; Kohlmann,§ 396 RN 43 u. 57; Reiß, StuW 1986, 68, 70; Eich, S. 54. A.A. ist Kohlmann/Gast De Haan, Strafverfolgung, S. 187, 193ff..828 Klein, S. 27; Eich, S. 54.829 Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG, § 1 GVG, § 25 DRiG.830 Vgl. § 358 Abs. 1, § 121 Abs. 2 GVG.


um behördliche Entscheidungen handelt 831 . <strong>Der</strong> Strafrichter hat also die volleVorfragenkompetenz 832 .Eine ganz andere Frage ist es jedoch, ob der Strafrichter sich der Auffassung derFinanzbehörde oder des Finanzgerichts anschließen darf. Diese Frage ist uneingeschränkt zubejahen. Er muß nur von der Richtigkeit der forensischen Wahrheit überzeugt sein. Lediglichdarf er bei dem von ihm ermittelten Sachverhalt nicht gegen zwingende Gesetze der Logik,feststehende Erkenntnisse der Wissenschaft oder den von Zweifeln enthobenen Tatsachender Lebenserfahrung verstoßen 833 . Gerade in Fällen, in denen das Finanzgericht einensteuerlichen Sachverhalt gewürdigt hat, ist es für den Strafrichter zulässig, sich derAuffassung der Finanzgerichte anzuschließen. Ein höheres Maß an materieller Richtigkeit insteuerlicher Hinsicht dürfte der Strafrichter - trotz der bei ihm selbstverständlich auch insoweitbestehenden Vorfragenkompetenz - kaum erzielen. Damit sind widersprüchlicheEntscheidungen zwischen dem Steuerverfahren und Steuerstrafverfahren grundsätzlichhinzunehmen und nach meinen Erfahrungen sogar auch die Regel.F. Bindungswirkung von AbsprachenDie Strafjustiz ist mindestens so überlastet, wie die Rechtsbehelfsstellen der Finanzverwaltungund die Finanzgerichte. Steigende Einspruchs- und Klageverfahren als auch die steigendeZahl der entdeckten Steuerhinterzieher stehen einem allenfalls stagnierendenPersonalbestand in Finanzverwaltungen und Justiz gegenüber.Dem gegenüber hat sich die Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte überproportionalgesteigert. Nicht alle sind Steuer-, Strafrechts- oder gar <strong>Steuerstrafrecht</strong>sspezialisten.Jedoch macht sich ein neuer Typus Anwalt als Verfechter der Rechte von Steuerpflichtigenund Steuerstraftätern breit: Ein - wie es Hanack 834 formuliert - sehr engagierter undgrundsätzlich sehr seriöser, oft höchst kundiger Anwalt, der die weiten und äußerstenMöglichkeiten der Prozeßordnung anders als die Generation vor ihm, nicht nurausnahmsweise nutzt, sondern <strong>im</strong> Interesse seines Mandanten, auch wenn er ihn für schuldighält, in alle gesetzlichen Freiräume vorstößt und dabei Verteidigungsstrategien entwickelt, die831 Ausgenommen hiervon ist die strenge Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts.832 Hübschmann/Hepp/Spitaler-Hübner, § 396 AO RN 11; Eich, S. 54.833 BGH St 29, 18; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 RN 2.834 Hanack, StV 1987, 500 f., 501.


gerade auch auf die typischen Schwachpunkte der Justiz zielen 835 . Wirtschafts- undSteuerstrafverfahren erreichen häufig einen Umfang, der eine Absprache zwecks Abkürzungdes Verfahrens als Erlösung für alle Beteiligten erscheinen läßt 836 . Im Wirtschafts- undSteuerrecht belasten unklare materiellrechtliche Maßstäbe die Gerichte undStrafverfolgungsbehörden mit Verfahren zu Tatkomplexen, bei denen das Prinzip dermateriellen Wahrheit eine vollständige Tataufklärung <strong>im</strong> Sinn des § 244 Abs. 2 nicht mehrrealisierbar macht 837 . Verfahrensdauern in Steuer- und Wirtschaftsdelikten allein bei derStaatsanwaltschaft bzw. der BuStra von 3 bis 5 Jahren bis zum Abschluß der Ermittlungensind keine Seltenheit.In dieser Situation wird die Absprache häufig als ein geeignetes und willkornmenes Mittel zurVerfahrensvereinfachung und -beschleunigung angesehen, losgelöst davon, ob die Absprachenun zulässig ist oder nicht 838 .I. Grundsätzliche Aspekte der AbspracheAbsprachen <strong>im</strong> Bereich des Strafverfahrens bzw. <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens begegnengrundsätzlich keinen Büdenken 839 , sofern die gesetzlichen Rahmenbedinangen eingehaltenwerden 840 841 .835 Eich, S. 75; ebenso: Nestler-Tremel, DRiZ 1988, 288 f., 289.836 Dencker/Hamm, S. 62; Eich, S. 75; Hanack, StV 1987, 500 f., 501; Hassemer/Hippler, StV 1986, 360 f., 361; Seier, JZ1988, 683 f., 684; Widmaier, StV 1986, 357 f.; allgemein zur Verfahrensdauer: Moschüring, RuP 1988, 152 ff..837 Eich, S. 75; Hanack, StV 1987, 500 f., 501; Nestler-Tremel, DRiZ 1988, 288 f., 289; Widmaier, StV 1986, 357 f..838 Eich, S. 76.839 BGH, Urteil vom 20.02.1996 - 5 StR 679/95 -, der wie folgt urteilte: "<strong>Der</strong> von der Bfin. als »Absprache« bezeichneteVorgang kann mit der Revision nicht beanstandet werden. Einem Richter ist es nicht verwehrt, mit denVerfahrensbeteiligten auch außerhalb der Hauptverhandlung Kontakt aufzunehmen (BGH StV 1988, 417, 418 m.w.N.).Gegen Rechtsgespräche generell ist nichts einzuwenden. Selbst Absprachen, die bei den Beteiligten einenVertrauenstatbestand schaffen, sind trotz der hier geltend gemachten Bedenken nicht ohne weiteresprozeßordnungswidrig noch ein Verstoß gegen Prinzipien eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. BVerfG -Kammer - NJW 1987, 2662)".840 Schmidt-Hieber, Festschrift für die deutsche Richterakademie, 1983, 193, 202 f.; ders., Verständigung, RN 73 ff.; Rückel,NStZ 1987, 297, 300; Haas, NJW 1988, 1345, 1347 f.; Zierl, Anwaltsblatt 1985, 505; Keller/Schmid, wistra 1984, 201,208; Hühnemann, Symposium, S. 141; Rönnau, S. 134; Malek, S. 21; Siolek, Verständigung in der Hauptverhandlung,S. 76 ff..841 Absprachen oder Verständigungen, die allerdings gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen, können unteranderem erfolgreiche Richterablehnungen nach sich ziehen (vgl. zur Ablehnung durch einen Mitangeklagten: BGHSt 37,99 = StV 1990, 387; zur Ablehnung durch die StA - jeweils wegen vermißter Unterrichtung der Prozeßbeteiligten überden Inhalt best<strong>im</strong>mter Verständigungsgespräche: BGHSt 37, 298 = StV 1991, 194; BGH StV 1984, 449; StV 1986, 369,StV 1996, 355). Vor diesem Hintergrund hat der BGH Anlaß gesehen, best<strong>im</strong>mte Anforderungen an das Vorgehen beiVerständigungen oder Zusagen <strong>im</strong> Strafprozeß zu formulieren (vgl. BGHSt 38, 102 = StV 1992, 50): Erfordernisrechtlichen Gehörs für die StA, wenn dem Angeklagten ein für sein Prozeßverhalten bedeutsames Zwischenergebnismitgeteilt wird; zur Unzulässigkeit einer Absprache bei sachwidriger Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung vgl.auch BGHSt 40, 287, 290 = StV 1995, 1. Ein Versuch, die Strafzumessung in Vorgänge außerhalb der Hauptverhandlungzu verlagern und durch fest Vereinbarungen auch über das weitere Prozeßverhialten der Beteiligten abzusichern, wäre mitwesentlichen Grundsätzen des Strafverfahrens unvereinbar (vgl. BGH, Beschluß vom 25.10.1995 - 2 StR 529/95-).


1. GeständnisIn Regelstrafverfahren des Wirtschaftsstrafprozesses wird häufig schon zu einem sehr frühenZeitpunkt, d.h. <strong>im</strong> Zwischenverfahren oder <strong>im</strong> Rahmen der Vorbereitung derHauptverhandlung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger, diskutiert, ob eineschnelle Prozeßerledigung herbeigeführt werden kann 842 . Obwohl hier der Sachverhaltkeineswegs zur Überzeugung des Gerichts feststeht, sondern dieses vielmehr nur von einemhinreichenden Tatverdacht ausgeht, wird in derartigen Fällen regelmäßig ein Geständnis vomAngeklagten eingefordert, welches dieser häufig in Erwartung einer milderen Bestrafung auchabgibt 843 "Tausche Geständnis gegen Bewährung" 844 ist gerade bei angeklagten Taten, dieknapp über der magischen Grenze von zwei Jahren zu prognostizieren sind, häufig.Im <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren bedarf es jedoch keiner Überzeugung des zuständigen Richters vonder Schuld des Angeklagten, vielmehr reicht hinreichender Tatverdacht zum Erlaß des<strong>Strafbefehl</strong>s aus 845 . Daher ist das Geständnis zwar einerseits ein Strafmilderungsgrund, derauch <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren zu berücksichtigen ist, andererseits aber jedoch von denStrafverfolgungsbehörden wie auch dem Gericht nicht so sehr begehrt wie <strong>im</strong>Regelstrafverfahren, da auch ohne volle Überzeugung des Richters der <strong>Strafbefehl</strong> erlassenwerden kann. Das "Tausche Geständnis gegen Strafmilderung" modifiziert sich also <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren eher in ein "Tausche Mitarbeit zur Aufklärung gegen Strafmilderung"oder "Tausche einverständliches, unproblematisches Procedere gegen Strafmilderung".Insoweit gibt es <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren den bislang unbenannten Strafmilderungsgrund derArbeitserleichterung.Ein Geständnis der Tat und der Schuld liegt nicht unbedingt <strong>im</strong> Eingehen vonAbspracheverhandlungen. Rönnau berichtet, daß bereits die Aufnahme vonKontaktgesprächen zwecks späterer Absprache bei lückenhafter Beweisaufnahme gegen dieUnschuldsvermutung spricht 846 . Nach Auffassung vieler Kritiker der Absprachepraxis sei dieAnbahnung einer Absprache schon gewissermaßen eine Umkehrung des in dubio-Satzes in842 Rönnau, S. 146.843 Hühnemann, Symposium S. 45, Rönnau, S. 146.844 Zierl, Anwaltsblatt 1985, 505.845 Vgl. oben, S. 102 ff., 103 ff.846 Rönnau, S. 174.


eine Schuldvermutung 847 . Hühnemann hat <strong>im</strong> Rahmen einer Erhebung insoweit auchfestgestellt, daß sowohl Richter als auch Staatsanwälte einhellig die Auffassung vertreten, daßdie Verteidigung vor allem bei relativ eindeutiger Beweislage absprachebereit sei 848 . Bahntalso der Verteidiger Gespräche über eine Absprache an, so indiziert dies zumindest bei vielenStaatsanwälten und Richtern die Vermutung, daß die Chancen einer Verurteilung recht gutstehen.<strong>Der</strong>artige Auffassungen sind interessant und aus Sicht des Verteidigers sehr wohl ins Kalkülmit einzubeziehen, wenngleich solche Überlegungen wohl häufig unrichtig sind. Denn dieAnbahnung einer Absprache kann vielerlei Gründe haben. Es mag sein, daß der Sachverhaltwirklich eindeutig ist und nur ein annähernd gerechtes Strafmaß abgesprochen werden soll.Dabei kann dann auch abgesprochen werden, ob ein <strong>Strafbefehl</strong> die Sache zur Erledigungbringen soll oder ob eine Hauptverhandlung erforderlich ist.In derartigen eindeutigen Fällen sind die Absprachen in beiden Richtungen m.E. zulässig.Einerseits steht der <strong>Strafbefehl</strong> einer Anklage gleich, so daß es an sich keinen Unterschiedmacht, welches Verfahren gewählt wird, da auch beide Verfahren -mit Ausnahme des § 373 a-dieselben Rechtskraftwirkungen und Wieaufnahmemöglichkeiten bieten, ist die Einigung aufdas eine oder andere Verfahren nicht zu beanstanden. Die Einigung auf ein Strafmaß istebenfalls nicht zu beanstanden, da es keine einzig richtige Strafe gibt, sondern vielmehraufgrund der Spielraumtheorie eine gewisse Bandbreite <strong>im</strong> Rahmen der Strafzumessung alsangemessene Strafe anzusehen ist 849 . Eine Vereinbarung <strong>im</strong> Rahmen dieses konkretenSchuldrahmens ist also zulässig.Ein Geständnis liegt jedoch nicht allein darin, wenn der Verteidiger für den Angeklagten zuerkennen gibt, gegen eine best<strong>im</strong>mte Strafe, die <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> festgesetzt werden soll, keinenEinspruch einlegen zu wollen.Um so mehr gilt dies für all jene Fälle, in denen in tatsächlicher oder rechtlicher HinsichtBedenken gegen eine Verurteilung bestehen. Hier kann einem Angebot auf eine Abspracheebenfalls keine Geständniswirkung beigemessen werden. Auch liegt längst in der Anbahnung847 Dencker/Hamm, S. 53, 56, 94; Hasserner, JuS 1989, 890, 892; Hühnemann, S. 42; ders., NJW 1989, 1995, 1998;<strong>Dr</strong>ehmel, DRiZ 1988, 288, 294; ders. StV 1989, 109, 112; Bussmann/Lüdemann, MSchr-Kr<strong>im</strong> 1988, 81, 88; Damaska,StV 1988, 398, 400; Siolck, DRiZ 1989, 321, 327; Rönnau, S. 174.848 Hühnemann, NJW 1989, 1895, 1900.849 BGHSt 7, 28; 7, 89, 10, 263; 20, 266; 29, 320; BGH VRS 11, 52; 28, 359; BGH wistra 1988, 345; <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 46RN 10.


von Absprachen nicht das Zugeständnis begründet, daß der Tatvorwurf berechtigt ist. Zwarwird der Verteidiger, wenn der Beschuldigte unschuldig ist, stets auf eine Einstellung nach §170 Abs. 2 bzw., wenn bereits Anklage erhoben ist, auf einen Freispruch plädieren. Jedochkann es sich auch in einigen Fällen, die angeklagt sind oder angeklagt werden sollen,anbieten, aus Verteidigersicht Vergleichsgespräche aufzunehmen. Dies gilt inbesondere dann,wenn bei weiteren Ermittlungen oder gegebenenfalls aufgrund von Zeugenaussagen in derHauptverhandlung zu befürchten steht, daß andere unangenehme Sachverhalte erörtertwerden. In derartigen Fällen mag der eigentliche Verfahrensgegenstand nicht oder nicht sogewesen sein, so daß aus Verteidigersicht der Vorwurf aus tatsächlichen oder rechtlichenGründen möglicherweise nicht haltbar ist, das Akzeptieren einer Absprache aber dieErledigung der Angelegenheit auch mit Blick auf den Strafklageverbrauch endgültig herbeiführt.In solchen Fällen wäre es irrig, von Seiten der Strafverfolgungsbehörden davon auszugehen,daß der Täter der angeklagten Tat schuldig ist. Ist nämlich das mögliche Abspracheergebnisnicht für den Beschuldigten akzeptabel, so kommt es eben nicht zu einer Absprache und dieHauptverhandlung führt dann - wenn es gut geht und die Leiche nicht entdeckt wird - zu einemFreispruch oder - je nach Sachverhaltsgestaltung - zu einer Einstellung nach § 153 ff..a) Einigung als GeständnisBei einer Einigung, sei es <strong>im</strong> Steuerrecht die tatsächliche Verständigung, sei es <strong>im</strong>Strafverfahren die Absprache, stellt sich die Frage, ob hierin ein Geständnis <strong>im</strong> Sinne derStrafprozeßordnung gesehen werden kann.Ein gerichtliches oder außergerichtliches Geständnis <strong>im</strong> Sinne der Strafprozeßordnung istjedes Zugestehen der Tat oder einzelner Tatsachen, das für die Entscheidung zur Schuld- undRechtsfolgenfrage erheblich sein kann 850 . Denn die Verfahrensbeteiligten einigen sich <strong>im</strong>Wege gegenseitigen Nachgebens darüber, welcher Sachverhalt als verwirklicht gelten soll 851 .Daher kann die tatsächliche Verständigung schon begrifflich kein Geständnis sein, da die Tatoder einzelne Teile davon nicht zugestanden werden, sondern der jeweils andere erkennt, daßder jeweils andere nicht auf den Sachverhalt beharrt, den er für verwirklicht hält, sondernvielmehr sich hiervon auf die anderen gedanklich zubewegt und eine Kompromißlösung als850 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 254 RN 2; KMR-Paulus, § 254 RN 14; Eich, S. 67.851 Eich, S. 20 ff., 67.


verwirklichter Sachverhalt vereinbart wird. <strong>Der</strong> Steuerpflichtige, der sich also tatsächlichverständigt, gesteht nicht, sondern gibt nach 852 . Eich legt zutreffend dar, daß bei einemGeständnis der Gestehende die Haltung hat "so war es". Bei einer tatsächlichenVerständigung hingegen wird <strong>im</strong> Wege gegenseitigen Nachgebens eineZweckmäßigkeitslösung gefunden, die keineswegs der Wahrheit - auch nicht teilweise - zuentsprechen braucht 853 .Ähnliches gilt auch für die strafrechtliche Absprache. Auch hier findet ein gegenseitigesNachgeben statt, ohne daß hierin ein (Teil-) Geständnis gesehen werden könnte. DieAbsprachebeteiligten geben auch hier ihre jeweiligen Positionen betreffend der Vorstellungvom Sachverhalt auf und einigen sich auf einen mehr oder weniger in der Mitte liegenden Wegunter Berücksichtigung und Abwägung der jeweils strafprozessual bestehenden Chancen undRisiken. In dieser Einigung liegt auch nicht teilweise das Geständnis des Beschuldigten "sowar es”.b) SelbstanzeigeAus den gleichen Gründen ist eine tatsächliche Verständigung oder eine Absprache keineSelbstanzeige <strong>im</strong> Sinne des § 371 AO. Denn die Selbstanzeigehandlung nach § 371 Abs. 1AO besteht darin, daß jemand "unrichtige oder unvollständige Angaben ( ... ) berichtigt oderergänzt oder unterlassene Angaben nachholt" 854 . Da der Steuerpflichtige bei der tatsächlichenVerständigung bzw. der Beschuldigte bei der Absprache nicht - auch nicht konkludent - erklärt"so war es” , kann in der tatsächlichen Verständigung als auch in der Absprache keineBerichtigung oder Ergänzung oder Nachholung bisher nicht erklärter Besteuerungsgrundlagenliegen. Sinnvollerweise gibt der Rechtsanwalt die Erklärung <strong>im</strong> Sachverhalt ab und zwar in derGestalt, daß dieser Lebenssachverhalt (weil der tatsächliche Lebenssachverhalt nichtaufklärbar ist oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder unverhältnismäßig hohemAufwand aufgeklärt werden kann) nun <strong>im</strong> Rahmen der tatsächlichen Verständigung Grundlageder Besteuerung werden soll und verweist sogleich darauf, daß dies kein strafrechtlichesGeständnis ist.852 Eich, S. 67.853 Eich, S. 67.854 F/G/S-Franzen, § 371 AO RN 30.


2. nemo tenetur se ipsum accusare proddere ./. § 136 aRönnau berichtet, daß sich die Staatsanwaltschaft häufig auf ein <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nurdann einläßt, wenn der Beschuldigte vorher ein Geständnis ablegt 855 . <strong>Der</strong>artiges kann vomVerfasser dieser Arbeit für Steuerstrafverfahren jedenfalls nicht bestätigt werden. Kommt eszu einer Absprache, ist es eigentlich gleichgültig, von welchen Steuerhinterziehungen dieStrafverfolgungsbehörde <strong>im</strong> Einzelnen ausgeht. Im Hinblick darauf, daß möglicherweise dochkeine Absprache zustande kommt, erscheint es auch höchst riskant, dem Mandanten zueinem Geständnis als Vorausleistung zu raten und dann darauf zu hoffen, daß die Absprache(mit welchem Inhalt ?) zustande kommt. Es ist aus Verteidigersicht strikt davon abzuraten,irgendwelche Vorleistungen zu Lasten des Mandanten zu erbringen, nur damit der Weg füreine Absprache geebnet wird. Denn <strong>im</strong> Falle des Nichtzustandekommens der Absprache mußdie uneingeschränkte Verteidigungsmöglichkeit gegen den Anklagevorwurf bestehenbleiben 856 . Diese Position darf nicht <strong>im</strong> Hinblick auf eine mehr oder weniger vage Möglichkeitdes Zustandekommens einer Absprache leichtfertig aufgegeben werden. Deswegen solltenauch Erklärungen zur Absprache und zu dem hierfür zugrunde zu legenden Sachverhaltausschließlich vom Verteidiger 857 (und nicht vom Angeklagten) <strong>im</strong> Konjunktiv abgegebenwerden, um nicht den Rückweg zu einer prozessualen Verteidigungslinie zu verstellen 858 .Maßgebend ist zudem aus Verteidigersicht auch, daß wegen des Strafklageverbrauchs derProzeßgegenstand weit genug gespannt ist.Die sich aus dem nemur-tenetur-Satz ergebende Aussagefreiheit des Beschuldigten wird <strong>im</strong>deutschen Strafprozeßrecht durch die Belehrungspflichten seitens der Strafverfolgungsorganeund durch die Fixierung des Verbots best<strong>im</strong>mter Vernehmungsmethoden durch § 136 agewährleistet 859 . § 136 a ist daher eine in allen Verfahrensstadien zu beachtendeprozeßrechtliche Grundnorm 860 . Die Fortführung von Gesprächen über tatsächlicheVerständigungen wird ebenso wie die Fortführung von Gesprächen <strong>im</strong> Besteuerungsverfahrennach Auftauchen eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts, ohne daß der ermittelndeBeamte der Betroffenen über die Nichterzwingbarkeit der Mitwirkungspflicht aufgeklärt hat, einVerwertungsverbot nach §§ 136 a Abs. 3 S. 2, 163 a Abs. 4 S. 2 nach sich ziehen, weil dieMitwirkung des Steuerpflichtigen durch eine Täuschung <strong>im</strong> Sinn des § 136 a Abs. 1 S. 1855 Rönnau, S. 135, Schmidt-Hieber, RN 82; Sessar, ZStW 87 (1965) 1033, 1034.856 Malek, S. 23 f., 24.857 Hier wird teilweise die Auffassung vertreten, daß sich der Verteidiger von seiner beruflichen Schweigepflicht von seinemMandanten entbinden lassen müsse, vgl. Malek, S. 24; Dahs NStZ 1988, 153, 154.858 Malek, S. 24.859 Rönnau, S. 183.860 EB. Schmidt, I RN 100.


herbeigeführt wurde 861 . Unzweifelhaft greift dann ein strafprozessuales Verwertungsverbot ein,wenn der ermittelnde Finanzbeamte dem Steuerpflichtigen die Einleitung desSteuerstrafverfahrens bewußt verschweigt oder trotz zureichender Anhaltspunkte für eineSteuerstraftat das Besteuerungsverfahren fortsetzt, um die Mitwirkungsbereitschaft desSteuerpflichtigen zu erhalten. Darin liegt eine bewußte Irreführung des Steuerpflichtigen, diezur Unverwertbarkeit der durch die Mitwirkung erlangten Erkenntnisse gemäß § 136 a Abs. 3S. 2 führt. Wenn in der Literatur zum Teil jedoch ausschließlich 862 für derartige Fälle einVerwertungsverbot angenommen wird, scheint dies der eigentlichen Problematik nicht gerechtzu werden: Wird der Beschuldigte von der Polizei, dem Staatsanwalt oder einem Richtervernommen, ist ihm seine Situation, in der er sich befindet, bewußt: Er weiß, daß seineÄußerungen strafrechtlich relevant sind bzw. in einem Strafverfahren gegen ihn verwandtwerden können 863 . Grundlegend anders ist jedoch die Situation für einen Laien, der sichgegenüber einem Finanzbeamten äußert in der Annahme aufgrund erzwingbarerMitwirkungspflichten hierzu verpflichtet zu sein. Insoweit besteht bei Laien die vageVorstellung, vor einer Aussage bei der Polizei, dem Staatsanwalt oder dem Richter sich durcheinen Anwalt beraten zu lassen, während dieses Bewußtsein <strong>im</strong> Gespräch mit einemFinanzbeamten nicht in dieser Form vorhanden ist 864 .Nach Rönnau sind <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Abspracheproblernatik die Varianten"Täuschung", § 136 a Abs. 1 Satz 1, "<strong>Dr</strong>ohung", § 136 a Abs. 1 Satz 3, 1. Alternative, und"Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils", § 136 Abs. 1 Satz 3, 2.Alternative, relevant 865 . Die Täuschungen, <strong>Dr</strong>ohungen und Versprechen können u.a. folgendeErscheinungsformen haben:Hühnemann berichtet insoweit, daß Verteidigern, gerade solchen mit hohemStrafverteidigungsanteil, schon drakonische Strafen für ihren Mandanten für den Fall inAussicht gestellt wurden, daß die Verteidiger nicht ausreichend gesprächsbereit seien 866 .Ebenso unzulässig ist auch die Androhung einer längeren Untersuchungshaft, falls derBeschuldigte nicht verständigungsbereit ist 867 .861 Hellmann, S. 378, 379.862 F/G/S-Franzen, § 397 RN 98; Koch/Scholtz-H<strong>im</strong>sel, § 393 AO RN 17; Klein/Orlopp-Orlopp, § 393 AO, Anm. 6;Hellmann, S. 378.863 Hellmann, S. 378, 379.864 Hellmann, S. 375 ff., 378, 379, 380 f.865 Rönnau, S. 182.866 Hühnemann, Anh., Frage Nr. 34; Rönnau, S. 185.867 Rönnau, S. 185.


Unzulässig ist ebenso das "Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils", wennalso einem Angeklagten <strong>im</strong> Austausch gegen ein Geständnis seitens des Gerichts zugesichertwird, daß er seine zu erwartende Freiheitsstrafe <strong>im</strong> offenen Strafvollzug verbüßen kann, ohnehierbei zu beachten, daß wegen vieler Vorstrafen eine Ladung in den offenen Vollzug nicht inFrage kommt 868 .Diffiziler als vorstehende unzulässigen Methoden ist so mancher Beeinflussungsversuch durchdas Gericht. Seier meint insoweit, daß unzulässiger Willensdruck auch und gerade durch dieArt und Form des Zugeständnisses von staatlicher Seite ausgeübt werden kann 869 .Entscheidend für einen Verstoß nach § 136 a Abs. 1 Satz 3 sei demnach, daß demBeschuldigten durch das Verhalten der Justizorgane der Eindruck des Rechtswidrigenvermittelt wird. Muß doch der Beschuldigte die Äußerungen so verstehen, daß dieangekündigte staatliche Vergleichsleistung auf nicht ordnungsmäßigem Wege zustandekomme, daß ihr also sachwidrige Erwägungen zugrunde liegen, so sei seine eigene auf denVergleich hin erbrachte Leistung als unfrei anzusehen 870 . Rönnau meint, daß die meistenAbsprachen gegen § 136 a verstoßen 871 . Er hält dies wegen des Modells der Absprache fürkaum vermeidbar 872 .Dem ist nicht zuzust<strong>im</strong>men. Naturgemäß befindet sich - insoweit ist Rönnau zuzust<strong>im</strong>men -der Angeklagte in der <strong>Dr</strong>ucksituation. Diese <strong>Dr</strong>ucksituation ist jedoch nicht absprachebedingt,sondern anklagebedingt. Bei der Absprache geht es für den Beschuldigten nur darum, daskleinere Übel zu wählen. Wenn der Angeklagte sich daher für das Akzeptieren einerbest<strong>im</strong>mten Strafe entscheidet, ist auf ihn kein unzulässiger <strong>Dr</strong>uck ausgeübt worden, da ohnedie Absprache das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren bzw. das Regelverfahren gegen ihn durchgeführtworden wäre. Die sich daraus ergebenden psychischen Belastungen als auch die sich danndort ergebende Strafzumessung können dann - insbesondere wenn sich ein anderes Bild vonder Tat darstellt, als zum Zeitpunkt der Anklageerhebung bzw. zum Zeitpunkt des<strong>Strafbefehl</strong>erlasses - auch zu einer anderen Würdigung führen. <strong>Der</strong>artige Risiken sind jedochdem Strafverfahren <strong>im</strong>manent. Daß der Beschuldigte insoweit nachgibt und sich seine Ruheund gegebenenfalls niedrigere Strafe durch eine Absprache einhandelt, läßt die Absprachenicht als Verstoß gegen § 136 a per se erscheinen.868 LG Kassel, StV 1987, 288; aufgehoben durch Beschluß des OLG Frankfurt, StV 1987, 289 mit Anm. Galandi; Rönnau, S.189.869 Seier, JZ 1988, 683, 688.870 Seier, JZ 1988, 683, 688; zust<strong>im</strong>mend Rönnau, S. 191, 192.871 Rönnau, S. 193.872 Rönnau, S. 193.


3. Vernehmungen durch die Steufa, Vorladungen durch die BuStraIn Steuerfahndungsfällen versucht die Steufa gelegentlich anläßlich der Durchsuchungsämtlicher Wohn- und Geschäftsräume, Ferienhäuser, Garagen und Pkws des Beschuldigtenvon diesem eine Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu erlangen.Eine Einigung in Form einer Absprache ist in derartigen Fällen nicht möglich und auch nicht zuerwarten, da der Sachverhalt für dieSteufa noch völlig unbekannt ist.Hat die BuStra das Verfahren übernommen, so ist die Fahndungsarbeit abgeschlossen. DieBuStra gibt dann <strong>im</strong> Rahmen des § 169 a dem Beschuldigten noch einmal durch Übersendungeines Anhörungsbogens Gelegenheit zur Stellungnahme. Alternativ lädt sie den Beschuldigtenzur Vernehmung vor.Absprachen des Beschuldigten selbst mit der BuStra sind kaum möglich. Denn das Bild vombösen Steuerhinterzieher hindert nicht selten die Bereitschaft der BuStra zu einer Absprache.Intensive Gespräche durch einen Verteidiger unter Darlegung der tatsächlichen undrechtlichen Probleme des Falles können hier jedoch zu angemessenen Ergebnissen führen.4. Tatsächliche Verständigung, Vereinbarung, Absprachea) Tatsächliche VerständigungBis Ende der achtziger Jahre war heftig umstritten, ob eine tatsächliche Verständigung <strong>im</strong>Steuerverfahren überhaupt zuzulassen sei.<strong>Der</strong> Begriff der "tatsächlichen Verständigung" ist dabei eine Wortschöpfung des RFH 873 , die erzwecks Abgrenzung gegen einen aus dem Zivilrecht bekannten Vergleich, dessen Urform §779 BGB ist, wählte. Die tatsächliche Verständigung ist eine Vereinbarung zwischen derFinanzbehörde und dem Steuerpflichtigen über den Tatbestand, also nicht eigentlich einetatsächliche (als Gegensatz zu einer scheinbaren) Verständigung, sondern eine873 RFHE 18, 92, 95.


Verständigung über Tatsachen 874 . <strong>Der</strong> BFH hat diesen Begriff übernommen und in seinerneueren Rechtsprechung zu Absprachen über den Tatbestand verwendet 875 . TatsächlicheVerständigung bezeichnet also eine Vorgehensweise, bei der die Beteiligten <strong>im</strong> Bereich derSachbehandlung ihre gemeinsame Überzeugung von der Verwirklichung eines Sachverhaltesan die Stelle einer hoheitlichen Sachverhaltsfeststellung setzen 876 .Schon in seinem Urteil vom 20.10.1925 judizierte der RFH, daß die Steuerfestsetzungsbehördenzu tatsächlichen Verständigungen genötigt seien, "um in der Veranlagungvoran zu kommen" 877 .<strong>Der</strong> BFH entschied in mehreren Einzelfällen 878 zunächst unter Berufung auf Treu undGlauben, daß einzelne Absprachen Bindungswirkung zwischen Steuerpflichtigen undVeranlagungsfinanzamt hätten 879 . Dennoch hielt der BFH daran fest, daß grundsätzlichAbsprachen <strong>im</strong> Steuerrecht unverbindlich seien 880 . Diese auf Treu und Glauben beruhendeEinzelfallbindung der Verwaltung stufte der BFH als Einigung über eine best<strong>im</strong>mteSachbehandlung ein 881 .In der neueren Rechtsprechung bejahte erstmals 1984 der BFH eine generelleBindungswirkung einer Vereinbarung über Tatsachen 882 . Damit war erstmals nicht - nur fürden Einzelfall - eine auf Treu und Glauben basierende Bindungswirkung an Absprachenhöchstrichterlich <strong>im</strong> Steuerrecht gebilligt worden. Die Bindungswirkung folgerte der BFH injenem Urteil 1984 aus dem materiell-rechtlichen Gehalt der Erklärungen des Finanzamtes unddes Steuerpflichtigen; es handele sich dabei um eine auch <strong>im</strong> Steuerrecht zulässige undbindende tatsächliche Verständigung. Zwar seien nach allgemeiner Auffassung Vergleicheüber Steueransprüche <strong>im</strong> Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit derBesteuerung unzulässig, es sei allerdings zwischen Vereinbarungen über Steueransprücheund Vereinbarungen über eine best<strong>im</strong>mte Sachbehandlung zu differenzieren 883 .Diese Rechtsprechung hat der BFH in seinen Urteilen vom 05.10.1990 und 06.02.1991fortgeführt 884 .874 Eich, Die tatsächliche Verständigung <strong>im</strong> Steuerverfahren und Steuerstrafverfahren, S. 5.875 BFH, BStBl. 1985 II, 354.876 HFR 1985, 212, 214.877 RFHE 18, 92, 94.878 BFH, BStBl. 1956, 341; BFH, BStBl. 1963 III, 180, 181.879 Eich, S. 14.880 BFH, BStBl. 1956, 341.881 Eich, S. 14.882 BFH, BStBl. 1985 II, 354 ff..883 Eich, S. 16.884 BFH, BStBl. 1991 II, 45; BFH, DStR 1991, 1047.


Im Schrifttum ist die Zulässigkeit der tatsächlichen Verständigung heftig umstritten. Einerseitswird zumeist die Zulässigkeit von Vergleichen <strong>im</strong> Steuerrecht abgelehnt, aber die bindendetatsächliche Verständigung doch für erlaubt gehalten, respektive zumindest eineunverbindliche Vereinbarung zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem als "praktizierteVerwaltungskunst" ausdrücklich befürwortet 885 .Die Gegner der tatsächlichen Verständigung führen ins Feld, daß die GrundsätzeGleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einen Vergleich oder ähnliches <strong>im</strong>Steuerrecht unmöglich machen. Denn nach dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz sei dieBesteuerung nur zulässig, sofern und soweit sie durch Gesetz angeordnet sei. Nach § 38 AOentstehe der Steueranspruch durch die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes undnach § 85 AO hätten die Finanzverwaltungen die Steuern nach Maßgabe der Gesetzefestzustellen und zu erheben 886 . Zudem fordere der Gleichheitsgrundsatz des Art 3 I GG dieGleichbehandlung aller allgemein erfaßten Steuerpflichtigen. Eine gleichmäßige Heranziehungder Steuerpflichtigen sei jedoch nicht mehr gewährleistet, wenn es nicht auf die Verwirklichungvon Steuertatbeständen sondern auf das Verhandlungsgeschick des einzelnenSteuerpflichtigen bzw. seines Vertreters ankomme 887 .Letztere Auffassung verkennt jedoch, daß es eine perfekte Gerechtigkeit und Gleichheit nichtgibt. Die Ungleichheit beginnt schon bei den Abschreibungsmöglichkeiten aller Selbständigen<strong>im</strong> Gegensatz zu den deutlich geringeren Möglichkeiten der Geltendmachung vonWerbungskosten von nichtselbständig Tätigen. Aber auch diese gesetzlich vorgeseheneUngleichheit verstärkt sich <strong>im</strong> Einzelfall durch Einfallsreichtum und Engagement dersteuerlichen Berater: Die steuervermeidende Beratung als auch die engagierteRechtsverfolgung bis zum BFH bewirken bei dem steuerlich Beratenen eine völlig andereZahllast als dies bei nicht beratenen Steuerpflichtigen der Fall wäre. Wo ist da die Gleichheit,die die obigen Autoren postulieren. M.E. wird da mit einem Verstoß gegen denGleichheitsgrundsatz argumentiert, wo doch vom Sachverhalt her Gleiches gleich undUngleiches seiner Eigenart entsprechend behandelt wird.Schließlich überzeugt auch nicht eine Angst vor versierten steuerlichen Beratern, die für dieberatenen Steuerpflichtigen gute Verhandlungsergebnisse erzielen: In unserem Rechts- undGesellschaftssystern zieht in der Regel der den Kürzeren, der sich nicht wehrt. Dies magsoziologisch beklagenswert sein, ein überzeugendes Argument, eine Ungleichbehandlung <strong>im</strong>885 Schwarz/Frotscher, § 162 Anm 11 a; Hübschmann/Hepp/Spitaler-Schick, § 204 AO RN 165 ff.; Tipke/Kruse, AO, § 201RN 5.886 Große, StBp 1986, 58; Latsch/Honemann, StBp 1980, 1 ff., 9 f.; Martens, StuW 1986, 97 ff., 102 f.; Paulick, Steuerrecht,RN 347; Hübschmann/Hepp /Spitaler- Schick, 201 AO RN 165 ff.; Schröder/Delhey, Betriebsprüfungsordnung, § 14 RN7 c; Tipke/Kruse, § 38 AO, RN 2; Tipke/Lang, Steuerrecht (13. Auflage), S. 32.887 Große, StBp 1986, 58: "Individuelle Vereinbarungen können je nach Machtstellung oder Verhandlungsgeschick desSteuerpflichtigen zu nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlungen führen".


Steuerrecht aufgrund dieser Verständigungsmöglichkeiten erst entstehen zu sehen, ist essicherlich nicht.Um so beachtenswerter ist, daß dennoch niemand eine derartige einverständliche Regelungwie die tatsächliche Verständigung abschaffen will 888 .Anders als in zivilrechtlichen Fällen, in denen Gegenstand des Vergleichs die Rechtsfolge ist,ist <strong>im</strong> Steuerrecht allenfalls der Tatbestand Gegenstand einer Einigung. Es wäre aber wohlweltfremd anzunehmen, daß <strong>im</strong> Steuerrecht nicht alle Beteiligten auf das wirtschaftlicheErgebnis der Einigung schielen würden. Mit anderen Worten ist der Vergleich <strong>im</strong> Zivilrechtergebnisorientiert, <strong>im</strong> Steuerrecht die tatsächliche Verständigung dogmatisch allein auf derTatbestandsebene möglich, tatsächlich jedoch genauso ergebnisorientiert wie der Vergleich.Die Diskussion erscheint daher teilweise praxisfremd. <strong>Der</strong> Name "tatsächliche Verständigung"erscheint als Mogelpackung.Baur 889 hält die Einigungserklärung des Finanzamtes für eine allgemeine verbindliche Zusage.Damit meint er nicht eine verbindliche Zusage i.S.d. §§ 204 bis 207 AO, sondern die <strong>im</strong>Gesetz expressis verbis nicht geregelte aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht stammendeund auch <strong>im</strong> Steuerrecht Geltung beanspruchende allgemeine Zusage, dieVerwaltungsaktsqualität hat.Die Bindungswirkung sieht Baur in einer Kombination des Grundsatzes von Treu und Glaubenund dem in § 354 AO und § 50 FGO enthaltenen Gedanken des Rechtsbehelfsverzichts 890 .Sangmeister 891 will die tatsächliche Verständigung als eine <strong>im</strong> Über- undUnterordnungsverhältnis getroffene Einigung als einen Verwaltungsakt bewerten, der <strong>im</strong>Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen und unter dessen Mitwirkung ergangen ist. Für dietatsächliche Verständigung bedeutet dies, daß die Erklärung der Behörde als Zusage zu888 Vogel, Festschrift für Döllerer, S. 677 ff., 681 f., berichtet: "Unter den Rednern des Podiums bestand Einverständnisdarüber, daß bei wirklich zweifelhaften Rechtsfragen eine Verständigung <strong>im</strong> Wege gegenseitigen Nachgebens oft derGerechtigkeit, der Wirtschaftlichkeit der Steuerverwaltung und dem Rechtsfrieden besser diene, ja daß ohne diese MöglichkeitGerichte und Steuerverwaltung außerstande sein würden, ihren Aufgaben angemessen nachzukommen. In deranschließenden Diskussion wurde dann freilich wieder geltend gemacht, daß der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit derVerwaltung Vergleiche verbiete". Ebenso Baur, BB 1988, 602 f., 605.889 Baur, BB 1988, 602 ff., 606.890 Baur, BB 1988, 602 ff., 608.891 Sangmeister, BB 1988, 609 ff., 613.


ewerten ist, sofern die für diesen Verwaltungsakt sonstigen erforderlichen Voraussetzungengegeben sind 892 .Schick 893 hält Vergleiche zur Streitschlichtung für rechtmäßig. Nach seiner Auffassung stehtdem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Grundsatz der Bewahrungdes Rechtsfriedens gegenüber, der als eigentliches Ziel der gesamten Rechts- undVerfassungsordnung zugrunde liege 894 . Ein Vergleich ist allerdings nach Auffassung vonSchick nur bei einer objektiv zweifelhaften Lage und nur dann zulässig, wenn dieser Zweifelnicht durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift oder eine wegen Art 3 I GG durchSelbstbindung manifestierte Verwaltungsübung geklärt sei 895 .Eich hält dem entgegen, daß man dann bloß einen Sachverhalt streitig stellen müsse undschon sei die Verwaltung wegen des Grundsatzes der Bewahrung des Rechtsfriedensgezwungen nachzugeben 896 . Diese Betrachtungsweise wird Schick jedoch nicht gerecht, derals weitere Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Vergleiches <strong>im</strong> Steuerrecht objektiveZweifel forderte 897 . Es mag schwierig sein festzulegen, wann objektive und nicht bloßsubjektive Zweifel in einem Sachverhalt bestehen 898 : Dies liegt in der Natur der Sache eineswertausfüllungsbedürftigen unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriffs; grundsätzlich erscheint jedoch derAnsatzpunkt Schicks einleuchtend.Ehlers 899 geht davon aus, daß Verträge auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zulässig sind.Damit hält er auch Verträge <strong>im</strong> Steuerrecht für wirksam. Kern seiner Überlegung ist, daß dieFinanzbehörde, wenn sie einen Vergleichsvertrag schließt, nicht etwa auf einen klarentstandenen Steueranspruch verzichtet 900 , es handele sich vielmehr um ein gegenseitigesNachgeben begrenzt auf die Fälle, in denen Ungewißheit darüber besteht, was tatsächlich z.B.bei einer Bewertung das Richtige sei, Fälle also, in denen die Steuerschuld dem Grunde undder Höhe nach ungewiß ist. Alternativ sei ein Nachgeben seitens der Finanzverwaltung nachAuffassung von Ehlers in den Fällen denkbar, in denen vom Gesetzgeber vorgesehene892 Sangmeister, BB 1988, 609 ff., 613.893 Schick, S. 25 ff..894 Schick, S. 32 f.; Schick faßt die Bewahrung des Rechtsfriedens mit dem BFH als ein Grundrecht des Steuerpflichtigen auf(BFH, BStBl. 1966 III, 486,487.) Ferner weist Schick darauf hin, daß ein Vergleich Kosten und wertvolle Arbeitskraftsparen könne.895 Schick, S. 25 ff., 34.896 Eich, S. 27.897 Schick, S. 25 ff..898 ähnlich wohl Eich, S. 28, der das Vorliegen objektiver Zweifel <strong>im</strong> Sinne Schicks bestreitet und meint, es lägen allenfallssubjektive Zweifel vor.899 Ehlers, DStR 1965, 64 ff..900 Ehlers, DStR 1965, 64 ff., 65.


Ermessensspielräume oder die Anwendung unbest<strong>im</strong>mter Rechtsbegriffe voneinanderdivergierende Rechtsstandpunkte ermögliche 901 .Die mit einem Vergleich verbundenen Vorteile sprächen für dessen Zulässigkeit überall dort,wo das Gesetz der Finanzverwaltung einen Ermessensspielraurn gewähre 902 .Sonthe<strong>im</strong>er 903 geht ebenfalls von der Zulässigkeit von Vergleichen <strong>im</strong> Steuerrecht aus, wennein dem Gesetzmäßigkeitsprinzip ebenbürtiger Grundsatz bestehe, der die Beseitigung desZweifels oder der Ungewißheit rechtfertige und dabei auf die völlige Aufklärung der Wahrheitund damit auf die völlige Übereinst<strong>im</strong>mung mit der Rechtslage verzichte 904 . SolcheGrundsätze seien der des Rechtsfriedens und der der Rechtssicherheit 905 . Voraussetzung seiweiter eine objektive ungewisse Rechtslage 906 . Sonthe<strong>im</strong>er weist auch auf die beträchtlicheEntlastungsfunktion der Erledigung durch Vergleich für die Verwaltung und Finanzrechtsprechunghin 907 .Vogel will ebenfalls Vergleiche <strong>im</strong> Steuerrecht zulassen mit der Begründung, daß einLebenssachverhalt durch eine abstrakt generell gefaßte Norm nur unvollkommen erfaßtwerden kann, so daß der Vergleich quasi Randkorrekturen vornehmen soll 908 . Er hält einenVergleich <strong>im</strong> Rahmen dessen für möglich, was aufgrund der Auslegung noch als vertretbarerscheint 909 .Eich 910 sieht in der tatsächlichen Verständigung einen Vergleichsvertrag und hält dietatsächliche Verständigung in diesem Sinne für zulässig 911 . Denn der Vergleich alsHandlungsform verstößt nach seiner Auffassung nicht von vornherein gegen denGleichheitsgrundsatz, weil er ebenso wie ein Verwaltungsakt handlungsformneutral ist 912 .Gleichviel, ob man nun den Vergleich <strong>im</strong> Steuerrecht oder die tatsächliche Verständigung fürzulässig hält, es stellt sich die Frage, ob <strong>im</strong> Falle eines Vergleichs oder einer tatsächlichen901 Ehlers, DStR 1965, 64 ff., 66.902 Ehlers, DStR 1965, 64 ff., 67.903 Sonthe<strong>im</strong>er, S. 114 ff., 173 ff..904 Sonthe<strong>im</strong>er, S. 114 ff., 116.905 Sonthe<strong>im</strong>er, S. 114 ff., 121.906 Sonthe<strong>im</strong>er, S. 114 ff., 121.907 Sonthe<strong>im</strong>er, S. 114 ff., 173 ff., 177.908 Vogel, S. 677 ff.: Vogel will einen Vergleich über den Bereich der durch das Gesetz eingeräumten Ermessens- undFeststellungsspielräume hinaus <strong>im</strong> gesamten Steuerrecht zulassen.909 Vogel, Festschrift für Döllerer, S. 677 ff., 688.910 Eich, S. 19 ff., 43.911 Eich, S. 19 ff., 50, 51.912 Eich, S. 19 ff., 43.


Verständigung der Richter bzw. der Staatsanwalt bzw. die BuStra von dem durch dietatsächliche Verständigung <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren als zutreffend vereinbarten Sachverhaltausgehen kann oder muß oder die Besteuerungsgrundlagen selbständig ermitteln muß. Daranschließt sich die Frage aus Sicht des Verteidigers, in welcher zeitlichen Reihenfolge dasBesteuerungsverfahren und das Strafverfahren abgewickelt werden soll. Hieran knüpfen sichFragen der Verzögerung eines Verfahrens z.B. durch Aussetzungsanträge etc.Hieran knüpft sich die weitere Frage aus Sicht des Verteidigers, ob er sich ggf. derStrafvereitelung strafbar macht, wenn er bei der tatsächlichen Verständigung erfolgreich fürseinen Mandanten tätig wird und die Justiz <strong>im</strong> Strafverfahren an dieses <strong>im</strong> Vergleich zurRealität niedrigere Besteuerungsergebnis gebunden wäre.Weiter stellt sich die Frage, ob die Nichtzahlung der sich aus der tatsächlichen Verständigungergebenden (Mehr-)Steuern tatbestandsmäßig eine Steuerverkürzung sein kann.Zuletzt wird die Frage aufzuwerfen sein, ob eine tatsächliche Verständigung ein Geständnis <strong>im</strong>strafprozessualen Sinn ist.b) Vereinbarung, AbspracheNicht nur die häufig 3 Jahre oder länger andauernde Verfahrensdauer in Delikten derWirtschaftskr<strong>im</strong>inalität 913 , gerechnet ab Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bis zu einemerstinstanzlichen Abschluß, sondern auch die häufig anzutreffende Unübersichtlichkeit desmeist bergeweise vorliegenden zu sichtenden Beweismaterials bestärken die Bereitschaft derStaatsanwaltschaft bzw. der BuStra nach Absprachen mit dem Verteidiger des Beschuldigten.Dies klingt nach einem "Kuhhandel", einem Feilschen, einem "Handel mit der Gerechtigkeit" 914aus Bequemlichkeit oder ähnlichen Motiven.Diese Vorverurteilung des Kontakts zwischen Staatsanwaltschaft bzw. BuStra und Verteidigerverkennt jedoch, daß zumindest das frühzeitige Gespräch für beide Seiten Vorteile bezüglichder Sachverhaltserforschung bieten kann. Die verschiedentlich anzutreffende abwehrendeHaltung gegenüber intensiven Gesprächen zwischen Staatsanwaltschaft bzw. BuStra undVerteidiger schon <strong>im</strong> frühen Ermittlungsverfahren mit dem Argument, man befinde sich nichtauf einem "türkischen Basar", verkennt die Vorteile dieser zulässigen Rechtsgesprächezwischen Strafverfolgungsbehörde und Verteidigung.913 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 201.914 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 207.


Diese Gespräche werden zumeist unter so verschiedenen Begriffen wie "Gentlemen'sAgreement" 915 , "Vereinbarungen", "Kooperation", "Konsensbildung" und "Kommunikation"erörtert 916 .Vereinbarungen <strong>im</strong> Sinne von Verträgen zu schließen, kann und darf es nach Auffassung vonKeller/Schmid nicht geben 917 .Denn die Bundesrepublik hat kein anglo-amerikanisches Rechtssystem und will dies auchnicht für Teilbereiche, wie z.B. den der Wirtschaftskr<strong>im</strong>inalität 918 .Nach Auffassung von KellerlSchmid muß die Staatsanwaltschaft in dem nach derenAuffassung sowieso heiklen Bereich des § 153 a StPO alles tun, um in jeder Lage desVerfahrens die Freiheit zu haben, ihr Ermessen uneingeschränkt und nicht durchVereinbarungen mit dem Verteidiger festgelegt, sondern nur dem Gesetz entsprechendausüben zu können 919 . Daher sind für Keller/Schmid Vereinbarungen <strong>im</strong> Ermittlungsverfahren,die zu einer Ermessensbindung des Staatsanwalts führen und die gar für den Verteidiger einsubjektives Recht erzeugen könnten, nicht zulässig 920 .Allerdings sind auch nach Auffassung von Keller/Schmid solche Gespräche sinnvoll und fürbeide Seiten nützlich, wenn es z.B. darum geht, den Stand einer Vielzahl von Konten zueinem best<strong>im</strong>mten Stichtag zu ermitteln, wenn der Verteidiger anbietet, diese Bestände selbstdurch Kontaktaufnahme mit den Banken zu beschaffen 921 . Dies wird man aus Sicht derStaatsanwaltschaft <strong>im</strong> Ermittlungsverfahren akzeptieren können 922 . Eine solche Vereinbarungdes Inhalts, daß der Verteidiger innerhalb einer angemessenen Frist die begehrtenInformationen und die dazugehörigen Belege besorgt, statt eines Anschreibens derErmittlungsbehörde oder einer persönlichen Vorsprache der Ermittlungsbeamten oder gareines Vorgehens mittels eines Durchsuchungsbeschlusses, ist zulässig. Verdunklungsgefahrenbestehen hierbei auch nicht. Denn die Daten wären bei einer Bank auchspäter noch durch die Ermittlungsbehörde abzufragen. Die Datenbeschaffung würde lediglichauf einem für den Beschuldigten milderen und unauffälligeren Weg stattfinden. Diese915 Schmidt-Hieber, NJW 1982, 1017 ff., 1017.916 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 207; Schumann, S. 201 ff., 210; Dahs, RN 126; E. Müller, NJW 1981, 1801, 1803;Hanack, JZ 1971, 705; Meisenhein, S. 184 ff., 194; Römer, S. 133; Müller-Dietz, ZStW 93 (1981), 1177 ff., 1214;Schmidt-Hieber, NJW 1982, 1017; ders., Beschleunigung des Strafverfahrens, S. 193 ff.; Wassermann, S. 20 ff., 22.917 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 207.918 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 207.919 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 207.920 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 207.921 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 208.922 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 208.


Vorgehensweise ist daher aus rechtsstaatlicher Sicht nicht nur unbedenklich, sondern sogardas bei der Ermittlungsbehörde bestehende Ermessen müßte bei einem entsprechendenAngebot eines Verteidigers in dieser Weise ausgeübt werden, da dies demVerhältnismäßigkeitsgrundsatz und somit dem Übermaßverbot des Art. 20 Ill GG einziggerecht wird.5. LegalitätsprinzipDas Legalitätsprinzip, §§ 152 Abs. 2, 160, 170, besagt, daß die Staatsanwaltschaft be<strong>im</strong>Vorliegen eines Tatverdachts ermitteln und bei hinreichendem Tatverdacht Anklage erhebenmuß 923 .Das Legalitätsprinzip ist durch das Opportunitätsprinzip der §§ 153 ff. eingeschränkt, da dieBagatellkr<strong>im</strong>inalität bei geringfügigem Tatvorwurf und fehlendem Strafverfolgungsinteresse,bei anderweitiger Befriedigung des Strafverfolgungsinteresses, bei vorrangigentgegenstehenden staatlichen Interessen und bei der Möglichkeit der Strafverfolgung durchden Verletzten in der Regel eingestellt wird.Die Absprachen sind jedoch keine (weitere) Durchbrechung des Legalitätsprinzips, wenn siesich <strong>im</strong> Rahmen des gesetzlich Zulässigen halten. Dies meint, daß die Absprachedahingehend, ob die Sache durch <strong>Strafbefehl</strong> oder <strong>im</strong> Regelverfahren erledigt werden soll,unproblematisch zulässig ist ebenso wie die Absprache über die angemessene Strafe <strong>im</strong> Sinnder Spielraumtheorie.Absprachen, die darüber hinausgehen, wie z.B. daß man als Verteidiger eine best<strong>im</strong>mteStrafe bei dem Angeklagten bereit ist hinzunehmen, wenn dafür dessen Ehefrau nicht verfolgtwird, sind hingegen unzulässig. Hier stellt sich zudem auch die Frage der Strafbarkeit derabsprachebeteiligten Richter, Staatsanwälte und Verteidiger.6. Unmittelbarkeitsgrundsatz923 BVerfG NStZ 1982, 430; Roxin, S. 69; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 152 RN 2; Wiegend, S. 17; Rönnau, S. 109.


<strong>Der</strong> Unmittelbarkeitsgrundsatz besagt, daß die Beweise möglichst unmittelbar von denZeugen und Sachverständigen gewonnen werden sollen. Dies bedeutet, daß der Richteraufgrund seines Eindrucks in der Hauptverhandlung das Beweismittel Zeuge oderSachverständige unmittelbar hören soll 924 . <strong>Der</strong> Unmittelbarkeitsgrundsatz kann durchAbsprachen entgegen der Auffassung von Rönnau 925 zumindest <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrennicht verletzt sein, da das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren (vor dem Einspruch) schriftlich, mittelbar undnicht öffentlich ist 926 .7. ErmittlungsgrundsatzDas Strafverfahren und insbesondere das ihm vorgeschaltete Ermittlungsverfahren dienendazu, festzustellen, ob gegen eine best<strong>im</strong>mte Person ein staatlicher Strafanspruch entstandenist und (noch) besteht. Ist ein solcher staatlicher Strafanspruch feststellbar, ist die Schuldauszusprechen und die angemessene Strafe festzusetzen, anderenfalls ist das Verfahrengegen den Beschuldigten einzustellen 927 . Zur Prüfung dieses staatlichen Strafanspruchesbedarf es einer umfassenden Sachverhaltserforschung, um die gesamte Palette derAnknüpfungstatsachen für eine schuldangemessene Verurteilung und Strafe zu erhalten 928 .Gegenstand des Verfahrens sind nicht, wie <strong>im</strong> Zivilprozeß, widerstreitende Privatinteressen,auch sind nicht Parteien an dem Strafverfahren beteiligt. Vielmehr ist Gegenstand derVerhandlung die Feststellung, ob ein staatlicher Strafanspruch besteht. Schon dessen Prüfung<strong>im</strong> Ermittlungsverfahren kann unter Umständen die Rechte des Beschuldigten erheblichbeschneiden, indem z.B. Untersuchungshaft angeordnet werden kann. Es gilt daher <strong>im</strong>Strafprozeß auch nicht die Verhandlungsmax<strong>im</strong>e wie <strong>im</strong> Zivilprozeß, sondern der für dasöffentliche Recht typische Untersuchungsgrundsatz, der <strong>im</strong> Gegensatz zu vielen anderen, dieStPO prägenden Prozeßmax<strong>im</strong>en, bisher vom Gesetzgeber <strong>im</strong> Regelverfahren noch nichtdurchbrochen worden ist 929 . Lediglich <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist der Ermittlungsgrundsatz <strong>im</strong>Rahmen des § 244 Abs. 2 nicht vorherrschend, soweit es nicht aufgrund eines Einspruchs desAngeklagten zur Hauptverhandlung kommt. Rönnau führt insoweit aus, daß bis zurgegenteiligen Überzeugung des Gerichts der Ermittlungsgrundsatz dazu zwingt, denAngeklagten aufgrund der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 1 MRK als unschuldig924 Kleinknecht/Meyer, § 250 RN 1.925 Rönnau, S. 153 ff., 155.926 Müller, S. 152; vgl. oben, S. 14.927 LR-Schäfer, Einl. Kap. 6 RN 7.928 Rönnau, S. 140.


anzusehen. Rönnau meint weiter, daß jede vorzeitige Aufgabe der Sachverhaltserforschungzwecks schneller Verurteilung einer Verdachtsstrafe gleichkäme und die Gefahr derVerurteilung eines Unschuldigen enthielte. Dies aber gerade zu verhindern, sei eine derwichtigsten Ziele der Prozeßmax<strong>im</strong>en 930 .Grundsätzlich ist Rönnau zuzust<strong>im</strong>men, jedoch übersieht er, daß der Ermittlungsgrundsatzgerade nicht für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren gilt, das vielmehr ein summarisches Verfahren ist.Insoweit ist für den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s ein hinreichender Tatverdacht gemäß § 408 Abs. 2Satz 1 ausreichend 931 .<strong>Der</strong> Ermittlungsgrundsatz ist in den §§ 155 Abs. 2, 202, 244 Abs. 2 kodifiziert und hat zumInhalt, daß das Gericht den Sachverhalt selbst ermittelt und dabei an Anträge und Erklärungenweder der Staatsanwaltschaft noch des Beschuldigten gebunden ist 932 .Das Gericht muß <strong>im</strong> Regelverfahren nicht nur <strong>im</strong> Rahmen der Amtsaufklärung nach § 244Abs. 2 sämtliche sich ihm aufdrängende Beweismöglichkeiten verfolgen, es muß darüberhinaus auch Beweisanträgen, deren Ablehnung es nicht aus den gesetzlich fixierten Gründenzu rechtfertigen vermag, nachgehen, §§ 244 Abs. 3, 4, 245 Abs. 2 933 .Erst, wenn das Gericht alle erkennbaren und erreichbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpfthat, kann dann die richterliche Überzeugungsbildung durch die freie Beweiswürdigung, § 261,sachgemäß zustande kommen 934 . Entgegen einer früher vertretenen Auffassung, daß derTatrichter, der bereits aufgrund der erhobenen Beweise eine feste Überzeugung vomVorliegen oder Nichtvorliegen einer Beweistatsache gewonnen hat, ohne Verletzung seinerAufklärungspflicht von jeglicher weiteren Beweiserhebung absehen durfte 935 , darf der Richteralso nicht eine weitere Beweisaufnahme ablehnen, nur weil er sich in einem best<strong>im</strong>mtenVerfahrensstadium von einer best<strong>im</strong>mten Beweistatsache schon eine Meinung gebildet hat.Vielmehr muß er sämtlichen Beweismitteln nachgehen, von denen eine weitere929 LR-Schäfer, Einl. Kap. 13 RN 2; Krauß, S. 411; Wessels, JuS 1969, 1, 2; Rönnau, S. 140.930 LR-Schäfer, Einl. Kap. 13 RN 1; Römer, Festschrift für Schmidt-Leichner, 1977, 133, 135; Jähnke, Symposium, S. 121;Schroeder, NJW 1983, 121; Schroeder, NJW 1983, 137, 139; Günter, DRiZ 1989, 151; Rönnau, S. 141.931 KMR-Müller, § 408 RN 8; Schaal, Meyer-Gedenkschrift, S. 427 ff.; Schlüchter, S. 788 RN 5;Kleinknecht/Meyer-Goßner, Vor § 407 RN 1; a.A.: Rieß, JR 1988, 133; Lüder, GA 1957, 208, Fn 114.932 Roxin, S. 285; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 244 RN 11; Rönnau, S, 141.933 KK-Herdegen, § 244 RN 22 mit weiteren Nachweisen; ders., NStZ 1984, 97; Schmidt-Hieber, JuS 1985, 291; Rönnau, S.142.934 LR-Gollwitzer, § 244 RN 45.935 Wessels, JuS 1969, 1 ff.; Engels, GA 1981, 21, 25.


Sachaufklärung zu erwarten ist, deren Ergebnis seine vorläufige Überzeugung von einembest<strong>im</strong>mten Sachverhalt wieder revidieren kann 936 .Die Amtsaufklärungspflicht bedeutet jedoch nicht, daß die Wahrheitserforschung um jedenPreis nun zu betreiben ist 937 . Dem stehen rechtsstaatliche Grundsätze, die Prozeßökonomieund Beweisverbote entgegen 938 , und Beweiserhebungsverbote, wie dasAussageverweigerungsrecht und die Zeugnisverweigerungsrechte.Rönnau schreibt zutreffend, daß die materielle Wahrheit doch nicht ans Tageslicht zu fordernist, sondern nur eine prozessuale Wahrheit herausgearbeitet werden kann die mehr oderweniger der materiellen Wahrheit nahe kommt 939 . Rönnau weist dann zutreffend darauf hin,daß in den Fällen, in denen eine Entscheidung durch das Gericht ergehe, die Gefahr einesFehlurteils aufgrund dieser lediglich zu Tage geförderten prozessualen Wahrheit weitausgrößer ist, als wenn alle Beteiligten bei der Entscheidungsfindung mitwirkten 940 . NachAuffassung von Rönnau ist der Konsens der bessere Garant für Gerechtigkeit, da diematerielle Wahrheit eine Ch<strong>im</strong>äre sei und darauf gestützte Strafen demnach nur mehr oderminder Verdachtsstrafen seien 941 .Rönnau verwirft jedoch sodann gleich wieder seine These, indem er bezweifelt, daß in denKonsensfällen tatsächlich die bessere Grundlage für eine gerechte Entscheidung liegt, da derAngeklagte nicht auf der Suche nach einer schuldangemessenen Strafe, sondern nach dermildestmöglichen Strafe ist und möglicherweise die anderen Verfahrensbeteiligten ausBequemlichkeit, wie z.B. Arbeitsersparnisgründen etc. einwilligen würden 942 .Weiter meint Rönnau, daß der Grundsatz "volenti non fit iniuria" hier nicht uneingeschränktgelten würde, da beispielsweise das Vorteilsgeständnis "Geständnis gegen Strafmilderung" 943eines Unschuldigen die häufigste Ursache für Fehlentscheidungen darstellen würde 944 .936 LR-Gollwitzer, § 244 RN 45 mit weiteren Nachweisen; Rönnau, S. 42.937 BGHSt 14, 358, 365; 31, 304, 309.938 KK-Pfeifer, Einl. RN 7; LR Gollwitzer, § 244 RN 43; Schlüchter, RN 496; Wenner, Aufklärungspflicht, S. 42 ff..939 Rönnau, S. 143; Bohde, DRiZ 1988, 281, 285.940 Rönnau, S. 143.941 Galandi, NStZ 1987, 420; ders., StV 1987, 290; ähnlich Cramer, Festschrift für Rebmann 1989, 145, 148; Rönnau, S. 143.942 Rönnau, S. 143.943 In diesem Sinn: Zierl, AnwBl. 1985, 505: <strong>Der</strong> Vergleich <strong>im</strong> Strafverfahren - Oder "Tausche Geständnis gegenBewährung".944 Peters, Fehlerquellen, Bd. 2, S. 25, 26; Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellung, RN 782; Rönnau, S. 144.


8. ÖffentlichkeitsgrundsatzEine Absprache <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren widerspricht auch nicht dem <strong>im</strong> Regelverfahrengeltenden Öffentlichkeitsgrundsatz, da das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nicht öffentlich ist 945 .9. plea bargainingDas plea bargaining ist eine Kurzformel für die mit richterlicher Billigung geführtenVerhandlungen zwischen dem Staatsanwalt und dem Angeklagten bzw. dessen Verteidiger.Es handelt sich dabei um in den meisten amerikanischen Bundesstaaten zugelassene undexerzierte Vergleichsverhandlungen in Strafverfahren 946 . In Amerika steht es derStaatsanwaltschaft frei, dem Angeklagten Zusagen zu machen für sein Versprechen, sich fürschuldig zu erklären (to plead guilty) 947 , wodurch der Angeklagte auf sein verfassungsmäßiggarantiertes Recht auf Durchführung einer Hauptverhandlung verzichtet. Nach deramerikanischen Strafprozeßordnung kann der Angeklagte sich zu dem Anklagevorwurf aufdrei verschiedene Weisen äußern (pleas): Er kann sich für unschuldig erklären (to plead notguilty), worauf zwingend eine Hauptverhandlung (trial) stattfindet, in der über Schuld undUnschuld durch die Geschworenen entschieden wird 948 . <strong>Der</strong> Angeklagte kann sich auch fürschuldig bekennen (to plead guilty). Alternativ kann der Angeklagte auf "nolo contendere"plädieren, womit er - ohne zu seiner strafrechtlichen Schuld Stellung zu nehmen - daraufverzichtet, sich gegen die Anklage zur Wehr zu setzen 949 .Bei aller Unterschiedlichkeit der Strafverfahrensordnungen ist doch festzustellen, daß häufigAbsprachen mit Billigung des Gerichts getroffen werden. Gerade in dem oben beschriebenenZwischenverfahren <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren analog §§ 199 ff. wird sogar i.d.R. das Gesprächvom Richter aus gesucht und zwischen BuStra und Verteidiger initiiert. Damit wird aber dasplea bargaining hier schon praktiziert.Auch das nolo contendere bietet sich gerade für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren an, denn andersals <strong>im</strong> Regelverfahren stellt sich nicht die Frage "Geständnis gegen Strafmilderung", denn einGeständnis wird <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> nicht benötigt, da es keine Hauptverhandlung gibt und folglichkeine richterliche Überzeugung i.S.d. § 261. Im <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren stellt sich daher nur die945 Müller, S. 152; vgl. oben, S. 14.946 Dielmann, GA 1981, 558 ff., 558.947 Dielmann, GA 1981, 558 ff., 558.948 Dielmann, GA 1981, 558 ff., 558.949 Dielmann, GA 1981, 558 ff., 558.


Frage "Rechtsbehelfsverzicht gegen Strafmilderung". Dies entspricht der Zusage, sich nichtgegen die Anklage zu verteidigen.10. the (very) big dealThe (very) big deal ist eine Absprache mit der Strafverfolgungsbehörde und gleichzeitig mitdem Veranlagungsbezirk des Inhalts, daß seitens des Beschuldigten eine Summe zurVerfügung gestellt wird, die zur Abgeltung des strafrechtlichen Anspruchs wie auch zurBefriedigung des steuerlichen Anspruchs genügen muß.Auf den ersten Blick fragt man sich natürlich, warum der Veranlagungsbezirk und dieStrafverfolgungsbehörde sich auf einen derartigen Vergleich einlassen sollten. Die Antwortliegt darin begründet, daß <strong>im</strong> Falle des Scheiterns der Absprache der Beschuldigte zumindestkein Geld mehr für die Begleichung seiner nachermittelten Steuern hat. Das Geld für den(very) big deal kommt in derartigen Fällen vom Ehegatten oder sonst nahen Verwandten.11. Dispositionsbefugnis der AbsprachebeteiligtenAbsprachebeteiligt sind der Staatsanwalt bzw. der Sachgebietsleiter der BuStra, hin undwieder der zuständige Richter und der Verteidiger. Mit dem "bösen Buben” spricht unmittelbarnormalerweise keiner. Er wird auch nicht bei diesen Zweier- oder <strong>Dr</strong>eiergesprächen geduldet.Das Gesprächskl<strong>im</strong>a verschlechtert sich in Anwesenheit des Angeklagten drastisch.Darüber hinaus hat die Absprache – leider - noch <strong>im</strong>mer etwas Anrüchiges an sich, so daßviele Beteiligte offenbar der Meinung sind, daß man sie <strong>im</strong> He<strong>im</strong>lichen vornehmen muß, wasdem Ansehen der Absprache nicht gerade zuträglich ist. Denn nur das, was das Licht derÖffentlichkeit nicht zu scheuen braucht, scheint rechtmäßig zu sein. Allein deswegen wäre esbegrüßenswert, wenn der Gesetzgeber die Absprache in dem hier beschriebenen Sinnausdrücklich für zulässig erklären würde. Damit würde der Gesetzgeber nur dasnachvollziehen, was <strong>im</strong> heutigen Strafverfahren Gang und Gebe ist, diese Regelung hätte alsonur klarstellende Funktion.Bei dem (very) big deal ist darauf zu achten, daß neben den oben angegebenenAbsprachebeteiligten auch der Sachgebietsleiter des Veranlagungsbezirks der Absprache


entsprechend zust<strong>im</strong>mt. Denn die BuStra hat keine Kompetenz, sich mit dem Beschuldigtenauch hinsichtlich der steuerlichen Gegebenheiten in Form einer tatsächlichen Verständigungzu einigen.12. Bindungswirkunga) Bindung der Betriebsprüfung/Fahndungsprüfung bzw. BuStra an das Ergebnis derSchlußbesprechungIn Schätzungsfällen, aber auch sonst, wenn die Beweise über die Steuerverkürzung nichtdurch eine vollständige "schwarze Buchführung" oder durch sonstige Unterlagen exaktrekonstruierbar sind, stellt sich die Frage nach einer tatsächlichen Verständigung.Zwar sind Vergleiche über den Steueranspruch unzulässig, da der Steueranspruch nicht derDisposition der Beteiligten unterliegt 950 . Damit ist aber nicht jede Einigung zwischenFinanzbehörde und Steuerpflichtigem ausgeschlossen. Soweit der Finanzbehörde einDispositionsspielraum zusteht, kann sie diesen Spielraum auch in Vereinbarung mit demSteuerpflichtigen ausfüllen. Als Bereich für solche Vereinbarungen kommen also insbesonderedie Ermessens- und Beurteilungsspielräume in Betracht, allgemein aber auch der gesamteBereich der Sachverhaltsermittlung 951 . Dagegen ist der Bereich der Rechtsanwendung derVereinbarung entzogen; rechtliche Probleme können nur durch Gesetzesauslegung gelöstwerden - nicht durch Vereinbarungen 952 .Damit sind für beide Seiten bindende tatsächliche Verständigungen - insbesondere inSchätzfällen - möglich 953 . Die steuerliche Bindungswirkung ist vom BFH auch in mehrerengrundlegenden Entscheidungen anerkannt worden 954 . Voraussetzung ist es jedoch, daß derSachverhalt wegen der erschwerten Umstände nicht leicht und sicher ausgefüllt werdenkann 955 . Eine einseitige Entscheidung der Finanzbehörde wäre in diesen Fällen gegenüber950 Schwarz/Frotscher, § 166 RN 11 a.951 Schwarz/Frotscher, § 166 RN 11 a.952 Schwarz/Frotscher, § 166 RN 11 a.953 BFH, BStBl. 1985 II, 354; Bornhaupt BB 1985, 1591; Rößler DB 1985, 1861; Ruppel DStR 1985, 684; Knepper BB1986, 168, Sangmeister BB 1988, 2289; kritisch: Martens StuW 1986, 97 wegen Fehlens der Rechtsgrundlage;Streck/Schwedholm DStR 1986/713, die darauf hinweisen, daß eine tatsächliche Verständigung strafrechtlich alsGeständnis des Steuerpflichtigen, eine Steuerhinterziehung begangen zu haben, gewertet werden könnte;Schwarz/Frotscher, § 166 RN 11 a.954 BFH, Urteil vom 11.12.1984, BStB1 1985 II, 354; BFH, Urteil vom 05.10.1990, BStBl. 1991 II, 45; BFH, Urteil vom06.02.1991, BStBl. 1991 II, 673; BFH, Beschluß vom 28.08.1992, BFH/NV 1993, 393; BFH, Urteil vom 06.11.1962,BStBl. 1963 III, 104; Schuhmann, DStZ 1995, 34 ff., 35.955 Schwarz/Frotscher, § 166 RN 11 a.


einer von beiden Seiten getragenen "tatsächlichen Verständigung" die schlechtere undsachlich mit mehr Unsicherheiten behaftete Lösung 956 . Die tatsächliche Verständigungverstößt dann nicht gegen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit und Tatbestandsmäßigkeit derBesteuerung, sondern dient ihr gerade 957 .Damit erscheint die Auffassung überholt, die eine Bindungswirkung ausschließlich aus Treuund Glauben 958 in derartigen Fällen konstruieren wollte 959 .Eine tatsächliche Verständigung kann in jedem Stadium des Verfahrens erzielt werden, alsoauch während einer Außenprüfung 960 und <strong>im</strong> Rahmen einer Fahndungsprüfung.Voraussetzung ist jedoch, daß auf Seiten der Finanzbehörde ein entscheidungsbefugterBeamter mitwirkt 961 . Einverständliche Regelungen gibt es nur <strong>im</strong> Bereich derSachverhaltsermittlung und nicht über das anzuwendende Recht 962 .Hier bietet es sich aus Verteidigersicht an, ein Gespräch mit der Steufa bzw. der BuStra zusuchen, mit dem Ziel, den strafrechtlich relevanten Vorwurf durch die BuStra präzisieren zulassen und Strafmaßvorstellungen bzw. überhaupt Verfahrensvörstellungen von der BuStra zuhören. So wird sich also klären lassen, ob die BuStra davon ausgeht, das Verfahren durcheinen <strong>Strafbefehl</strong> abschließen zu :`können oder ob sie die Sache an die Staatsanwaltschaftabgeben will, so daß von dort eine Anklageschrift verfaßt wird. Weiter wird sich in diesemGespräch in bringen lassen, welche Sachverhalte die BuStra strafrechtliche Relevanz be<strong>im</strong>ißt.Hierbei sind natürlich Wertungen und rechtliche Würdigungen einzelner Sachverhaltevorzunehmen. Als geschickter Verteidiger wird man der BuStra die argumentative Arbeitüberlassen zu begründen, was steuerbar und steuerpflichtig war - getreu nach demGrundsatz, daß die Beweislast für steuerbegründende und steuererhöhende Tatsachen dieFinanzverwaltung trägt - und ggf. hiergegen negierende Argumente vortragen.Für den Verteidiger stellt sich dann weiter die Frage, ob Ergebnisse des Gesprächs dieFinanzverwaltung binden. Denn nach langer mühevoller Diskussion kann es sein, daß der956 Schwarz/Frotscher, § 166 RN 11 a.957 Schwarz/Frotscher, § 166 RN 11 a.958 so: BFH, Urteil vom 11.12.1984, BStBl. 1985 II, 354; BFH, Urteil vom 05.10.1990, BStBl. 1991 II, 45; BFH, Urteil vom06.02.1991, BStBl. 1991 II, 673; BFH, Beschluß vom 28.08.1992, BFH/NV 1993, 393; BFH, Urteil vom 06.11.1962,BStBl. 1963 III, 104; Schuhmann, DStZ 1995, 34 ff., 36, 37; dem BFH zust<strong>im</strong>mend: Schick inHübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 201 RN 171.959 Schwarz/Frotscher, § 162 RN 11 a; Schuhmann siedelt die Rechtsgrundlage für Einigungen beispielsweise <strong>im</strong> Bereich desöffentliches Vertrages an, Schuhmann, DStZ 1995, 34 ff., 37.960 Schwarz/Frotscher, § 162 RN 11 a.961 FG Sauerland, EFG 1986, 214; Schwarz/Frotscher, § 162 RN 11 a.962 Schuhmann, DStZ 1995, 34 ff., 36, 37.


BuStra-Mitarbeiter endlich überzeugt ist. Dann stellt sich die Frage, ob er an Äußerungen,Wertungen, rechtliche Würdigungen, insbesondere wie er die Besteuerungsgrundlagen siehtund welches Strafmaß er als angemessen ansieht, gebunden ist oder ob er nach Belieben vonseinen Äußerungen späterhin abweichen darf.Ähnlich stellt sich auch die Frage, ob die BuStra an Äußerungen der Steufa in derSchlußbesprechung oder während des Fahndungsverfahrens gebunden ist.Nicht geregelt ist die Frage, inwieweit Finanzbehörde und Steuerpflichtiger an das Ergebnisder Schlußbesprechung gebunden sind 963 . Da es sich um eine Bindung hinsichtlich derBeurteilung des in der Vergangenheit liegenden Sachverhaltes handelt, ist diese Frage vonder verbindlichen Zusage nach § 204 AO zu differenzieren 964 . Eine Bindung derFinanzbehörde ist überhaupt nur denkbar, wenn ein entscheidungsberechtigter Beamterteilgenommen hat. Dies setzt voraus, daß ein Sachgebietsleiter des Veranlagungsbezirkesmitanwesend war und zugest<strong>im</strong>mt hat. Aber auch dann wird über den Steueranspruchregelmäßig erst bei der Veranlagung, nicht schon bei der Schlußbesprechung, entschieden 965 .Eine Bindung der Finanzbehörde hinsichtlich des Ergebnisses der Schlußbesprechung kannsich daher nur aufgrund außergewöhnlicher Umstände ergeben 966 .Da die Finanzverwaltung die dem Gesetz entsprechende Besteuerung durchzuführen hat(Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) 967 , und insbesondere die Besteuerunggleichmäßig durchführen muß (Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) 968 , ist ihr einAbweichen von gesetzlichen Vorschriften nicht erlaubt 969 .Die Finanzverwaltung ist also nicht an ihre in der Schlußbesprechung geäußertenRechtsansichten gebunden und kann daher bei der Veranlagung ohne weiteres von den in derSchlußbesprechung geäußerten Rechtsauffassungen zum Nachteil des Steuerpflichtigenabweichen 970 .963 Hess. FG, EFG 1988, 274; Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.964 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.965 BFH, BStBl. 1964 III, 566.966 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.967 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.968 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.969 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.970 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.


Die Finanzverwaltung ist selbst dann nicht an ihre in der Schlußbesprechung geäußertenRechtsansichten gebunden, wenn ein entscheidungsbefugter Beamter desVeranlagungsbezirks sie geäußert hat 971 .Soweit die Finanzverwaltung berechtigt ist, konstitutive Entscheidungen zu treffen wie z.B.Erlaß, Stundung, können diese Entscheidungen auch von dem entscheidungsbefugtenBeamten des Veranlagungsbezirkes auch in der Schlußbesprechung getroffen werden 972 .Hinsichtlich der Einigung über die tatsächlichen Grundlagen der Besteuerung wurde dieAnsicht vertreten, daß eine Vermutung dafür besteht, daß die übereinst<strong>im</strong>mende Auffassungbeider Parteien eine zutreffende Würdigung darstelle 973 . Die Finanzbehörde kann danachzwar grundsätzlich von dieser Einigung abweichen 974 , sie hatte aber darzutun, aus welchentriftigen - und nicht nur geringfügigen - Gründen sie von ihrer ursprünglichen Auffassungabweichen will 975 .Hiervon ist der BFH in seiner Grundsatzentscheidung vom 11.12.1984 abgerückt 976 . Danachist eine "tatsächliche Verständigung" grundsätzlich für beide Parteien bindend 977 , soweit derFinanzbehörde ein Beurteilungsspielraum zusteht (z.B. bei Bewertungsfragen) oder soweit derSachverhalt nicht oder nur mit großem, unzumutbarem Aufwand zu ermitteln ist 978 .Grund dieser Bindung sind die übereinst<strong>im</strong>menden materiellen Erklärungen vonFinanzverwaltung und Steuerpflichtigem 979 . Darin wird eine Art öffentlich-rechtlicher Vertraggesehen 980 . Eine Grenze findet diese Möglichkeit der tatsächlichen Verständigung nur dort, wosie zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt 981 . Denn dann dient die tatsächlicheVerständigung ganz offensichtlich nicht dem Zweck, einem möglichen und wahrscheinlichenSachverhalt möglichst nahe zu kommen, sondern dann wird ein fiktiver Sachverhalt alsBesteuerungsrundlage zugrundegelegt 982 .971 BFH, BStBl. 1963 III, 212; BFH, BStBl. 1964 III, 566; Nds. FG, EFG 1988, 453.972 BFH BStBl. 1955 III, 92; BFH, BStBl. 1964 III, 634.973 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.974 BFH, BStBl. 1956 III, 86.975 BFH BStBl. 1963 Ill, 104.976 BFH BStBl. 1985 II, 354; Bornhaupt BB 1985, 1591; Rößler DB 1985, 1861; Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.977 Schuhmann geht mit dem BFH (BFH, Urteil vom 11.12.1984, BStBl. 1985 II, 354; BFH, Urteil vom 05.10.1990, BStBl.1991 II,45; BFH, Urteil vom 06.02.1991, BStBl. 1991 II, 673; BFH, Beschluß vom 28.08.1992, BFH/NV 1993, 393;BFH, Urteil vom 06.11.1962, BStBl. 1963 III, 104) von einer grundsätzlichen Bindungswirkung unter dem Gesichtspunktvon Treu und Glauben aus. Für die Bindungswirkung sollte lediglich zwischen Nichtigkeit und der Rechtswidrigkeitunterschieden werden, Schuhmann, DStZ 1995, 34 ff., 36, 37.978 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.979 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.980 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2; Schumann, DStZ 1995, 34 ff., 37.981 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.982 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2; Schumann, DStZ 1995, 34 ff., 37.


Die für die Finanzverwaltung entwickelten Grundsätze gelten für die Bindung desSteuerpflichtigen entsprechend 983 . Vertritt der Steuerpflichtige in der Besprechung einebest<strong>im</strong>mte Rechtsansicht und legt die Finanzbehörde diese Auffassung den Steuerbescheidenzugrunde, ist der Steuerpflichtige nicht gehindert, hiergegen Einspruch einzulegen. Denn seinVerhalten in der Schlußbesprechung kann auch nicht als stillschweigender oderausdrücklicher Rechtsbehelfsverzicht gewertet werden, da dieser nach § 354 Abs. 1 AO erstnach Erlaß des Bescheides möglich ist 984 .In jedem Fall muß derjenige, der sich auf eine Einigung in der Schlußbesprechung beruft,diese auch beweisen 985 .Versäumt einer der Beteiligten es, die Einigung mit all ihren Ergebnissen in schriftlicher Formabzufassen, so gehen die sich daraus entwickelnden Unklarheiten und Lücken sowieBeweisschwierigkeiten zu Lasten dessen, der sich auf diese Vereinbarung beruft 986 .b) Bindungswirkung von AbsprachenEine Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten kann aus den unterschiedlichstenGründen scheitern: Über den Inhalt der getroffenen Vereinbarung kann ein versteckterDissens bestehen; ein Verfahrensbeteiligter kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründengehindert sein, die getroffene Vereinbarung umzusetzen; den anderen Verfahrensbeteiligtenkann seine Nachgabe reuen, so daß er schlicht die Vereinbarung nicht mehr einhalten will 987 .Scheitert also eine Absprache, stellen sich zwei Fragen: 1. Können die VerfahrensbeteiligtenErfüllung der Vereinbarung verlangen? Ist die Vereinbarung also ggf. einklagbar? 2. Welchesonstigen Rechtsfolgen können die der gescheitertern Verständigung zugrundeliegendenErklärungen haben?Die Frage nach der Einklagbarkeit einer Absprache ist also die Frage nach derBindungswirkung einer solchen Absprache.983 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.984 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.985 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.986 Schwarz/Frotscher, § 201 RN 2.987 Schmidt/Hieber, RN 231.


Während schon in der Literatur umstritten ist, ob eine Absprache <strong>im</strong> Strafverfahren überhauptzulässig ist, wird jedoch einhellig eine Bindungswirkung einer getroffenen Abspracheabgelehnt 988 .Dencker/Hamm beschreiben die Praxis wie folgt: "Mag da an Vereinbarungen,Verständigungen oder Absprachen vorweggegangen sein was will; fällt nicht am Ende dieseEntscheidung, ist alles Vorweggegangene rechtlich Makulatur" 989 .Es entsteht damit die interessante Kontroverse, daß zwar eine tatsächliche Verständigung <strong>im</strong>Veranlagungsverfahren sehr wohl bindend ist, eine Absprache mit gleichem Inhalt <strong>im</strong>Strafverfahren <strong>im</strong> Gegensatz dazu keine Bindungswirkung haben soll 990 . Begründet wird diesdamit, daß die Strafprozeßordnung eine (bindende) Absprache nicht vorsehe 991 . Daß diesesArgument aber letztlich nicht sonderlich beeindruckt, liegt daran, daß viele Rechtsinstituteheute unumstritten akzeptiert sind, dagegen nie kodifiziert waren noch wurden. Man denke nuran die Institute der pVV oder cic <strong>im</strong> bürgerlichen Recht oder an die tatsächliche Verständigung<strong>im</strong> Steuerrecht: Alle haben sie gemeinsam, daß sie von der Praxis entwickelt, höchstrichterlichakzeptiert und heute <strong>im</strong> wesentlichen unumstritten gleich den geschriebenen Normen zuunserem geltenden Recht gehören. Mit der Argumentation “das ist nicht kodifiziert, also darfes dies nicht geben" wird jede Rechtsfortbildung unterbunden. Ein Argument für oder gegendie Sache selbst ist dies jedenfalls nicht. Allenfalls eine Tatsachenfeststellung, aus der sich jedochkein Indiz in die eine oder andere Richtung ableiten läßt.Es stellt sich also die Frage, ob eine strafrechtliche Absprache nicht doch eineBindungswirkung haben kann und, falls ja, unter welchen Voraussetzung und in welchemUmfang. Weiter stellt sich die Frage, ob ein plea bargain oder the very big deal auch inunserem Rechtssystem mit Bindungswirkung vereinbart werden kann.988 Eich, S. 83.989 Dencker/Hamm, Vergleich <strong>im</strong> Strafprozeß, S. 31.990 Baumann, NStZ 1987, 157, 159; Bode DRiZ 1988, 281, 286; Bussmann/Lüdemann, MSchKr<strong>im</strong> 1988, 81, 86, 89;Cramer, Festschrift für Rebmann, S. 145, 147; Dahs, NStZ 1988, 153, 154; Deal (Pseudonym), StV 1982, 545;Dencker/Hamm, Vergleich <strong>im</strong> Strafprozeß, S. 44 ff., Eich, S. 83; Haas, NJW 198, 1345 f.; Hamm, ZRP 1990, 337, 339;Hanack, StV 1987, 500, 502; Kleinknecht/Meyer, Einleitung RN 119 ff.; Krüger, DRiZ 1989, 150 f.; Nestler-Tremel,DRiZ 1988, 288, 289; Niemöller, StV 1990, 34, 35; Rönnau, Absprache, S. 157 ff.; Schäfer, DRiZ 1989, 294, 295;Schmidt-Hieber, Verständigung <strong>im</strong> Strafverfahren, S. 111 f.; Schünemann, JZ 1989, 984, 987; Seier, JZ 1989, 984, 985;Siolek, <strong>Dr</strong>iZ 1989, 321, 322; Strate, NStZ1989, 438, 439; Widmaier, StV 986,357 f..991 Dencker/Hamm, Vergleich <strong>im</strong> Strafprozeß, S. 32; Eich, S. 83.


Zunächst ist festzustellen, daß die bürgerlich-rechtlichen Best<strong>im</strong>mungen überWillenserklärungen und Verträge keine - auch nicht analoge - Anwendung finden 992 . DasProblem der gescheiterten oder nicht erfüllten Verständigung ist mit strafprozessualen Mittelnzu lösen 993 . Insoweit könnte man zwar an die Lehre von den Prozeßhandlungen denken. Faßtman den umstrittenen Begriff der Prozeßhandlungen dabei weit auf und subsumiert hierunterauch die "Mittel der Prozeßsubjekte, um zur Entscheidung über die dem Beschuldigtenvorgeworfene Tat voranzuschreiten", dann dürfen aus diesem Begriff keine Rechtsfolgenabgeleitet werden. Denn es geht nicht an, zunächst einen außerhalb des Gesetzes stehendenBegriff zu schaffen, um dann aus ihm rechtliche Folgerungen herzuleiten 994 . Faßt mandagegen den Begriff der Prozeßhandlung enger und versteht darunter nur solche Erklärungender Verfahrensbeteiligten, die "eine Rechtsfolge <strong>im</strong> Prozeß willensgemäß auslösen” hilft dieshier auch nicht weiter. Denn um die Frage, ob die der gescheiterten Verständigungzugrundeliegende Erklärung Rechtsfolgen auslöst, geht es hier gerade 995 .Schmidt-Hieber sieht eine Bindungswirkung nur dann, wenn mit der Erwirkungshandlung dieBewirkungshandlung zusammenfällt 996 . Dies ist dann z.B. der Fall, wenn Staatsanwalt undVerteidiger sich dahin geeinigt haben, nach der Urteilsverkündung gegenseitigenRechtsmittelverzicht zu erklären (Erwirkungshandlung) und sie dies auch dann zu Protokollerklären (Bewirkungshandlung). Bleibt es bei der Erwirkungshandlung, ist diese nach AnsichtvonSchmidt-Hieber nicht einklagbar 997 .Zierl will entgegen der überwiegenden Meinung eine eingeschränkte Bindungswirkung beistrafrechtlichen Absprachen gelten lassen 998 .Keller/Schmid sind der Auffassung, daß, wenn es um die Verbindlichkeit eines solchenGesprächs bzw. einer solchen Vereinbarung geht, es bei der Prüfungszusage sein Bewendenhaben muß 999 .Allenfalls besteht nach Auffassung von Keller/Schmid die Möglichkeit, dem Verteidiger einenHinweis auf die Wahrscheinlichkeit eines best<strong>im</strong>mten Ergebnisses zu geben 1000 . Mehr als eine992 Schmidt-Hieber, RN 232.993 Schmidt-Hieber, RN 232.994 Schmidt-Hieber, RN 232.995 Schmidt-Hieber, RN 232.996 Schmidt-Hieber, RN 238.997 Schmidt-Hieber, RN 239.998 Zierl, AnwBl. 1985, 505 f.; ebenso Zuck, MDR 1990, 18, 19.999 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 208.1000 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 208.


Prüfungszusage bzw. ein solcher Hinweis sei jedenfalls dem Staatsanwalt verwehrt 1001 .Keller/Schmid schließen dies aus der strengen, vereinbarungsfeindlichen Objektivität derStaatsanwaltschaft 1002 .Schmidt-Hieber ist hingegen der Auffassung, daß Konsensbildung nach der StPO inverschiedenen Best<strong>im</strong>mungen vorausgesetzt wird 1003 . Denn die StPO enthält in nur wenigenTeilbereichen eine detaillierte Regelung, welche dem Gericht bzw. der Ermittlungsbehördeeinen exakten Weg vorschreibt wie z.B. bei §§ 243, 244 Abs. 1, 258 1004 . Grundsätzlich seijedoch die Verhandlungsführung des Gerichts frei. Ebenso frei sei die Ermittlungsbehörde beider Gestaltung des Ermittlungsverfahrens 1005 .Zwar sei das Strafrecht und das Strafverfahrensrecht grundsätzlich auf eine Entscheidungausgerichtet. Dies beinhalte <strong>im</strong> Strafprozeß eine Verfahrensherrschaft 1006 . Dies stehe jedochnicht grundsätzlich <strong>im</strong> Gegensatz zu einer zumindest teilweisen Verhandlungsmax<strong>im</strong>e 1007 .Denn der Verfahrensgang in der Strafprozeßordnung sei keineswegs auf ein autoritäresBest<strong>im</strong>men und Anordnen des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft bzw. BuStra und einemDuldenmüssen, einem Unterwerfen des Beschuldigten konzipiert 1008 .Hierfür führt Schmidt-Hieber zahlreiche Beispiele an: Nicht nur die Anwendung des § 153 asetzt eine Zust<strong>im</strong>mung voraus. Diese Zust<strong>im</strong>mung des Beschuldigten <strong>im</strong> Sinn des § 153 abedeutet streng genommen für Schmidt-Hieber auch den Abschluß einer Vereinbarungzwischen den Beteiligten, also zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten.Schmidt-Hieber sieht die Einstellungsmöglichkeiten wegen Geringfügigkeit nachAnklageerhebung oder bei Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen das Gericht vonStrafe absehen kann (§§ 153 Abs. 2, 153 b Abs. 2) ebenfalls als Vereinbarungen in obigemSinn an, da das Gericht hier ebenfalls mit Zust<strong>im</strong>mung der Staatsanwaltschaft bzw. BuStraund des Beschuldigten das Verfahren beenden kann 1009 . Zust<strong>im</strong>men muß der Angeklagteebenfalls, wenn <strong>im</strong> Rahmen der Nachtragsanklage der Vorwurf gegen ihn erweitert werdensoll, § 266 Abs. 1, sowie bei der Zurücknahme der Anklage <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, §§ 411Abs. 3, 303 1010 . Schmidt-Hieber ist der Auffassung, daß es auch bei der Anwendung von §265 a zu einem Übereinkommen der Verfahrensbeteiligten führen kann: Kommen best<strong>im</strong>mte1001 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 208.1002 Keller/Schmid, wistra 1984, 201 ff., 208.1003 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1019.1004 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1019.1005 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1019.1006 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018; Wassermann, in: Aus Politik undZeitgeschichte, B 19/80, S. 34; Schreiber, ZStW 88 (1976), 144.1007 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.1008 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.1009 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.


Auflagen nach dem StGB für den Angeklagten in Betracht, so ist er zu befragen, ob er sich zuLeistungen erbiete, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, oder Zusagen fürseine künftige Lebensführung macht 1011 . Best<strong>im</strong>mte Weisungen setzen sowieso darüberhinaus seine Einwilligung voraus, z.B. sich einer Heilbehandlung oder Entziehungskur zuunterziehen § 265 S. 2 1012 . Auch hierin sieht Schmidt-Hieber eine Vereinbarung <strong>im</strong> obigenSinn 1013Schließlich folgert Schmidt-Hieber aus Nr. 175 Abs. 3 der Richtlinien für das Straf- undBußgeldverfahren (RiStBV), in denen es bis zum 30.04.1991 insoweit hieß, daß ein<strong>Strafbefehl</strong> nicht beantragt werden sollte, wenn ein Einspruch des Beschuldigten zu erwartensei, daß üblicherweise der Staatsanwalt mit dem Verteidiger Kontakt aufn<strong>im</strong>mt und vorab klärt,ob ein <strong>Strafbefehl</strong> akzeptiert wird. Auch hieraus n<strong>im</strong>mt Schmidt-Hieber die grundsätzlicheMöglichkeit und Zulässigkeit nach der StPO, Vereinbarungen zwischen Gericht,Ermittlungsbehörde und Beschuldigtem zu treffen 1014 . Zwar ist Nr. 175 Abs. 3 Satz 2 RiStBV inder Fassung vom 01.05.1991 formuliert, daß auf einen <strong>Strafbefehl</strong>santrag nicht schondeswegen verzichtet werden soll, weil ein Einspruch des Angeschuldigten zu erwarten ist.Dennoch hat Schmidt-Hiebers Argument an Schlüssigkeit dadurch nicht eingebüßt, denn diePrognose, ob ein Einspruch zu erwarten ist, setzt eine schriftliche oder mündliche Äußerungdes Beschuldigten bzw. Seines Verteidigers voraus. Aus dieser Äußerung läßt sich dannersehen, ob und inwieweit ein <strong>Strafbefehl</strong> akzeptiert wird. Auch hieraus läßt sich der Schlußziehen, daß eine ausdrückliche oder stillschweigende Absprache zulässig ist.Schmidt-Hieber spricht aber auch dort von Konsens oder Vereinbarung, wo durchwechselseitige Verzichts- oder Einverständniserklärungen best<strong>im</strong>mte Verfahrensabschnittevereinfacht oder vermieden werden können 1015 . Die Best<strong>im</strong>mungen, die solches vorsehen,sind durchaus zahlreich und die Dispositionsbefugnis der Verfahrensbeteiligten bezieht sichkeineswegs <strong>im</strong>mer nur auf reine Förmlichkeiten, wie z.B. §§ 245 Abs. 1 Satz 2, § 249 Abs. 2Satz 1, § 251 Abs. 1 Nr. 4, 61 Nr. 5 1016 .Schmidt-Hieber schränkt jedoch die Möglichkeit von Vereinbarungen <strong>im</strong> Ermittlungs- oderStrafverfahren insoweit ein, als daß die Vereinbarung nicht <strong>im</strong> Widerspruch zumLegalitätsprinzip oder zum Anklagezwang stehen darf 1017 .1010 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.1011 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.1012 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.1013 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.1014 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.1015 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.1016 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1018.1017 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1019.


Aufgrund des der Staatsanwaltschaft nach den §§ 153 ff. eingeräumten Ermessens- bzw.Beurteilungsspielraumes hält Schmidt-Hieber eine Stoffbeschränkung oder eine andereVerfahrensweise nach dem Opportunitätsprinzip dann für zulässig, wenn sich die vereinbarteRegelung <strong>im</strong> Rahmen des der Staatsanwaltschaft gewährten Ermessens- oderBeurteilungsspielraumes bewegt 1018 . Schmidt-Hieber begründet dies mit dem allgemeinenverwaltungsrechtlichen Grundsatz, daß in dem Fall " in dem einer Behörde ein ErmessensoderBeurteilungsspielraum eingeräumt ist, eine Vereinbarung zulässig ist, wenn dieentsprechende Regelung auch durch Verwaltungsakt hätte fehlerfrei herbeigeführt werdenkönnen 1019 .Weiter dürfen nach Auffassung von Schmidt-Hieber keine Strafzumessungsentscheidungenals Ermessensentscheidung <strong>im</strong> Sinne möglicher Vereinbarungen mißverstanden werden. Soist es insbesondere nach seiner Auffassung unzulässig, für einen vorab angekündigtenEinspruchsverzicht eine niedrigere Tagessatzhöhe oder eine niedrigere Tagessatzzahl seitensder Ermittlungsbehörde zuzusagen. <strong>Der</strong>artige Strafrabatt-Vereinbarungen sind unzulässig.Ebenso hält Schmidt-Hieber Vereinbarungen für unzulässig, die den Strafrahmen des § 407Abs. 2 umgehen wollen 1020 .Dagegen hält Schmidt-Hieber es für statthaft, wenn die Ermittlungsbehörde ein Geständnisverlangt, um einen <strong>Strafbefehl</strong> zu beantragen. Dies ergibt sich nach seiner Meinung zumindestmittelbar aus § 408 Abs. 2, denn danach ist eine Hauptverhandlung durch den Richteranzuberaumen, wenn er Bedenken hat, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden. Bei derPrüfung der Frage, ob ein <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren in Betracht kommt, hat diese Überlegungebenfalls der Staatsanwalt anzustellen, Nr. 175 Abs. 3 RiStBV. Hierbei wird deutlich, daß beieinem nicht geständigen Beschuldigten eine Hauptverhandlung zur Klärung des Sachverhaltseher erforderlich erscheint, als bei Vorliegen eines Geständnis des Beschuldigten 1021 .Weiter darf nach Auffassung von Schmidt-Hieber bei einer Vereinbarung kein Verstoß gegen §136 a 1022 sowie keine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes vorliegen 1023 . Hiervonbetroffen sind häufig Absprachen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigeraußerhalb der Hauptverhandlung 1024 . Die Gründe für ein solch "he<strong>im</strong>liches" Vorgehen werdenmeist darin liegen, daß die Beteiligten es für unzweckmäßig halten, die Unterredung in Anwesenheitdes Angeklagten zu führen oder gar glauben, die Sache ohne Zuhörer <strong>im</strong>1018 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1019.1019 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1019; Kopp, VwVfG, § 55 Anm. 11.1020 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1020.1021 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1020.1022 Vgl. hierzu den Fall in BGHSt 14,189 = NJW 1960,1212; BGHSt 1, 387 = NJW 1952,152; Meyer, in Löwe-Rosenberg, § 136 a RN 40; a.A.: Grünwald, NJW 1960, 1941.1023 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1021.


Gerichtssaal "unbekümmert besprechen zu können" 1025 . Hierdurch kann jedoch der Grundsatzder Öffentlichkeit, § 169 GVG, verletzt werden 1026 . Zwar verbietet der Grundsatz derÖffentlichkeit nicht vertrauliche Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten schlechthin.Werden jedoch verfahrensrelevante Absprachen getroffen, so müssen diese in derHauptverhandlung offengelegt werden 1027 . Weist beispielsweise der Vorsitzende denVerteidiger außerhalb der Hauptverhandlung darauf hin, daß das Gericht eineSchadenswiedergutmachung strafmildernd bewerten würde, so darf in der Hauptverhandlungnicht nur die erfolgte Wiedergutmachung zur Sprache kommen. Es wäre eine unerlaubteÖffentlichkeitseinschränkung, nachgerade eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn nicht auchder vorherige Hinweis der Vorsitzenden an den Verteidiger in der Hauptverhandlung erwähntwürde 1028 .Zusammengefaßt geht Schmidt-Hieber von dem Gedanken aus, daß das Prozeßrecht zwarden Rahmen (und einige Detailregelungen) festlegt, <strong>im</strong> übrigen aber durch generelleErmächtigungen weitgehende Ermessensfreiheiten und Beurteilungsspielräume gewährt 1029 .Dagegen sieht der BGH in dem Bruch einer "Zusage" eines Staatsanwaltes, eine best<strong>im</strong>mteTat nicht zu verfolgen, wenn der Beschuldigte sein Rechtsmittel unter Hinnahme einerempfindlichen Strafe in einer anderen Sache zurückn<strong>im</strong>mt, nicht als einVerfahrenshindernis 1030 . Allerdings n<strong>im</strong>mt der BGH, wenn diese Tat unter dem Verstoß gegenden Grundsatz des fair trial trotzdem angeklagt worden ist und wegen ihr verurteilt wird, einenwesentlichen Strafmilderungsgrund an 1031 .Dem BGH kann insoweit nicht zugest<strong>im</strong>mt werden.Eine Bindungswirkung bei strafrechtlichen Absprachen muß <strong>im</strong> Rahmen eines fair trial bejahtwerden. Kennt der Richter die zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidiger vorgenommeneAbsprache und will der Richter z.B. von der abgesprochenen, staatsanwaltschaftlich zubeantragenden Strafe abweichen, muß zumindest der Richter, wie bei jeder sorgsamenProzeßführung, auf rechtlich oder tatsächlich wesentliche Aspekte hinweisen, damit sich die1024 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1021.1025 Schmidhäuser, JZ 1973, 535; Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 4. Auflage (1977), RN 125.1026 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1021.1027 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1021.1028 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1021.1029 Schmidt-Hieber, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff., 1019, ebenso: Peters, in: Festschrift f. Henkel,1974, S. 255; Schreiber, ZStW 88 (1976), 118.1030 BGH, wistra 1990, 319 ff..


Verteidigung hierauf einstellen kann. Dies folgt aus der Fürsorgepflicht des Richters. Denn dieFürsorgepflicht ist ein Einzelelement eines fairen Verfahrens, das wiederum auf demRechtsstaatsprinzip beruht 1032 . Zwar ist das Prinzip des fair trial in der StPO nicht ausdrücklichgeregelt, allerdings seinem Grundgedanken nach in verschieden Normen enthalten 1033 . DasGebot des fair trial ist aber insgesamt Auslegungsrichtschnur für den Richter 1034 . <strong>Der</strong> Richtermuß daher in derartigen Fällen, in denen häufig auch die gesamte Verteidigung nicht oder nurnoch eingeschränkt mit Blick auf die Absprache agiert, die Verteidigung darauf hinweisen, daßein anderes als das abgesprochene Strafmaß in Betracht kommt. Dann kann die Verteidigungdie ggf. erforderlichen Beweisanträge noch stellen oder entsprechend ausführlich plädieren.Halten sich also Staatsanwaltschaft und Verteidigung an die Absprache, so muß der Richterdarauf hinweisen, daß er ein höheres Strafmaß in Betracht ziehe, damit sich die Verteidigunghierauf entsprechend einstellen kann.Noch eindeutiger ist m.E. der Fall, in dem der Richter bei der Absprache beteiligt war und derDeal einvenehmlich zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung vereinbart wurde:Hier kann von einem fairen Verfahren nur die Rede sein, wenn sich alle Absprachebeteiligtenan die Absprache halten. Pacta sunt servanda 1035 ist zwar ein zivilrechtlicher Grundsatz,jedoch kann eine einvernehmliche strafrechtliche Absprache wegen des Grundsatzes des fairtrial ähnliche Wirkungen haben 1036 . Zwar ist diese Absprache nicht einklagbar, jedoch dasVerfahren bei Nichteinhaltung der Absprache nicht fair geführt. Insbesondere kommt einVerstoß gegen § 136 a in Betracht 1037 , soweit eine Täuschung des Angeklagten vorliegt 1038 .Schließlich ist <strong>im</strong> übrigen faktisch eine solche einseitige Abweichung von einer Absprache nureinmal mit einem Verteidiger möglich: Danach wird das Vertrauensverhältnis gestört sein,1031 BGH, wistra 1990, 319 ff..1032 KK-Pfeiffer, Einl. RN 28.1033§§ 338 Nr. 8, 350.1034KK-Pfeiffer, Einl. RN 28.1035Verträge sind einzuhalten.1036ebenso KK-Pfeiffer, Einl. RN 29 a.1037ebenso Schmidt-Hieber, RN 242; BGHSt 14, 190 = NJW 1960, 1212; Anmerkung Grünwald, NJW 1960, 1941; BGHSt1, 387; BGHSt 20, 268.1038Soweit das Gericht eine Strafmilderung für den Fall eines Geständnisses dem Angeklagten in Aussicht stellt, istgrundsätzlich eine solche Inaussichtstellung nur zulässig, wenn das Gericht aufgrund einer Zwischenberatung dieseInaussichtstellung unter den Vorbehalt stellt, daß der weitere Verlauf der Hauptverhandlung nicht zu anderenErgebnissen führt und diesen Vorbehalt dem Angeklagten unmißverständlich verdeutlicht. Weiter muß in einemderartigen Fall das Gericht in dem Fall, in dem es aufgrund der Hauptverhandlung zu einem anderen Ergebnis gelangt,hierauf nach § 265 hinweisen (Schmidt-Hieber, RN 243).Wird dem Beschuldigten jedoch vorbehaltlos für sein Geständnis eine Strafmilderung versprochen, kann hierin eineTäuschung liegen mit der Rechtsfolge, daß das aufgrund des Strafmilderungsversprechens abgelegte Geständnis einemVerwertungsverbot nach § 136 a Abs. 3, Satz 2 unterliegt (LR-Meyer, § 136 a RN 31; Grünwald NJW 1960, 1941;Schmidt-Hieber, RN 244; OLG Hamm, MDR 1984, 1043). § 136 a erfordert allerdings, daß die Wahrheit bewußt undabsichtlich entstellt wird; dies dürfte kaum nachzuweisen sein. Die bindende Zusage einer Strafmilderung für den Falldes Geständnisses ist jedenfalls aber ein Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils i.S.d. § 136 a Abs. 1,Satz 3, 2. Alt.. Denn die endgültige Entscheidung des Gerichts darf erst nach der Beweisaufnahme erfolgen.


neue Absprachen werden mit diesem Verteidiger in anderen Dingen wohl kaum mehr möglichsein. Zudem müssen das Gericht bzw. der Staatsanwalt künftig wegen des zerstörtenVertrauensverhältnisses mit Befangenheitsanträgen bzw. der Ausnutzung aller strafprozessualzulässigen Verteidigungsmittel rechnen: Eine Konfliktverteidigung, die zum Erliegen der Strafrechtspflegeführen kann 1039 , könnte bei einem derart zerstörten Vertrauensverhältnis dieFolge sein. In diesem Sinn gilt schon, daß einmal geschlossene Verträge auch eingehaltenwerden müssen.Entsprechendes gilt auch umgekehrt für den Verteidiger: Auch er muß sich an den einmalgeschlossenen Vertrag halten, da andernfalls eine künftige Zusammenarbeit mit dem Gerichtoder der Staatsanwaltschaft nahezu unmöglich wird. Es handelt sich also um eine faktischeBindung, keine rechtliche. Denn aus standesrechtlicher oder strafprozessualer Sicht ist ernicht an die Absprache gebunden. Denn man wird wohl § 1 BRAO überspannen, wenn manaus der Stellung des Anwalts als einem Organ der Rechtspflege eine rechtliche Bindung aneine Absprache herleiten will. Andere standesrechtliche Aspekte, die eine Bindung begründenkönnten, sind nicht ersichtlich. Aus der StPO ergeben sich auch keine Pflichten für denVerteidiger, die Interessen des Gerichts und Staatsanwaltschaft auf Einhaltung einerAbsprache zu wahren. Zwar geht die StPO in ihrer Ausprägung davon aus, daß der Auftragder Verteidigung nicht ausschließlich <strong>im</strong> Interesse des Beschuldigten liegt, sondern denVerteidiger eine Pflicht trifft, mit dafür Sorge zu tragen, daß das Verfahren sachdienlich und inprozessual geordneten Bahnen durchgeführt wird und auch der Abschluß des Verfahrens inangemessener Zeit nicht in Frage gestellt werden darf 1040 . Die StPO ist jedoch insoweit eineVerfahrensordnung, mit dem Ziel, <strong>im</strong> wesentlichen die Abwehrrechte des Beschuldigten zunormieren 1041 . Rechtspflichten für den Verteidiger, die Interessen des Gerichts oder derStaatsanwaltschaft auf Einhaltung einer getroffenen Absprache zu wahren, kennt sie jedochnicht.Während die tatsächliche Verständigung und die Absprache, insbesondere das Geständnisgegen mildere Strafe, die Gemeinsamkeit der Einigung in sich tragen, besteht dennoch eingrundlegender Unterschied: Die tatsächliche Verständigung hat Bindungswirkung, dieAbsprache hat in der Praxis eine Art moralische Bindungswirkung, sie ist aber nichteinklagbar 1042 . Denn die Absprache wird sinnvollerweise von allen Verfahrensbeteiligteneingehalten, um auch künftig eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Gerichten,1039 LG Wiesbaden, Urteil v. 23.09.1994, -6 Js 8862.2/94-, StV 1995, 239 f.; m. Anm. Asbrock, StV 1995, 240 f..1040 BGHSt 38. 140 f..1041 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl. RN 5.1042 Eich, S. 83.


Staatsanwaltschaft und Verteidigern zu gewährleisten, Erfüllung einer getroffenen Absprachekann aber rechtlich nicht gefordert werden, denn einklagbar ist die Absprache nicht.Hieran schließt sich die Frage, welche Folgen bei einer gescheiterten Absprache eintreten.<strong>Der</strong> BGH löst die Fälle gescheiterter Absprachen über die Gewährung einesStrafmilderungsgrundes, wenn der Angeklagte Rechtsnachteile dadurch erleidet, daß er aufdie Einhaltung einer Absprache vertraut, die dann nicht eingehalten wird 1043 . Damit fängt derBGH auf der Rechtsfolgenseite eine so entstandene unerträgliche Härte ab. Die Frage bleibtjedoch offen, ob der Bruch einer Absprache, auf deren Einhaltung der Angeklagte vertraute,die Rechtsfolge des § 136 a auslöst, also ein Verwertungsverbot der so erlangten Kenntnissezur Folge hat.§ 136 a ist eine Ausprägung des Grundsatzes der Unantastbarkeit der Menschenwürde, Art. 1Abs. 1 GG und richtet sich an die mit der Strafverfolgung befaßten Staatsorgane 1044 . Nach §136 a Abs. 1 darf insbesondere die Willensentschließungsfreiheit des Beschuldigten nichtdurch Täuschung beeinflusst werden. Das Eingehen nur zum Schein auf eine Absprache, umsie dann später nicht einzuhalten, ist jedoch eine solche unlautere Täuschung, die einemRechtsstaat unwürdig 1045 ist und deshalb unter das Verwertungsverbot des § 136 a fällt 1046 .Gleiches muß dann auch entsprechend für eine Rechtsposition <strong>im</strong> Verfahren gelten, die nurdeshalb erlangt wird, weil der Beschuldigte auf die Einhaltung der Absprache vertraute. Hatalso der Verteidiger auf Verfahrensrügen, Beweis oder Rechtsmittel verzichtet, weil er auf dieEinhaltung einer Absprache vertraute, muß das Verfahren in das Stadium versetzt werden,das vor der Absprache bestand. Ist dies nicht möglich, verbleibt nur die Einstellung wegeneines Verfahrenshindernisses nach §§ 206 a, 260 Abs. 3 1047 . Denn es liegt dann einschwerwiegendes Prozeßhindernis 1048 vor, wenn die Strafverfolgungsbehörden einprozessuales Ergebnis auf einem rechtsstaatsunwürdigen Weg erlangt haben oder erlangenwollen.1043 BGH, wistra 1990, 319 ff..1044 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 136 a RN 1, 2; KK-Boujong, § 136 a RN 3.1045 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 136 a RN 12; KK-Boujong, § 136 a RN 1, 8 ff-, 19,23.1046 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 136 a RN 12, 27; KK-Boujong, § 136 a RN 2.1047 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 206 a RN 3; ders., § 260 RN 43.1048 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl. RN 146 ff..


II. Auswirkungen von Absprachen auf MitbeschuldigteWährend <strong>im</strong> Regelverfahren, das gegen mehrere Beschuldigte läuft, die Möglichkeit einesGeständnisses eines Angeklagten einen Wettlauf der Geständnisse unter den Angeklagtenmöglicherweise hervorruft, damit derjenige, der mit seinem Geständnis zuerst kommt, auchwirklich in den Genuß der Strafmilderung kommt, ist derartiges bei Absprachen nichtfestzustellen. Denn die Absprache hat keine Geständniswirkung. Zumindest ist bei dertatsächlichen Verständigung offen, ob sich der Sachverhalt in steuerlicher Hinsicht tatsächlichso zugetragen hat. Auch soweit das Verfahren <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>swege nach einer Absprache abgeschlossenwird kann der <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> festgestellte Sachverhalt dennoch nicht die gleichenWirkungen entfalten, wie der festgestellte Tatbestand in einem Urteil aufgrund mündlicherVerhandlung. <strong>Der</strong> Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>s beruht auf den Feststellungen derStrafverfolgungsbehörde, nicht jedoch auf der freien Beweiswürdigung des Richters aufgrundeiner mündlichen Hauptverhandlung nach § 261. Damit kann auch der Tatbestand des<strong>Strafbefehl</strong>s, der nach § 410 Abs. 3 einem Urteil grundsätzlich gleichsteht, nicht die gleichenIndizwirkungen haben, wie eine aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpfte Überzeugungdes Richters.Konsequenzen für die übrigen Mitbeschuldigten sind also aufgrund eines rechtskräftigen,gegebenenfalls abgesprochenen <strong>Strafbefehl</strong>s nicht zu erwarten.Zu berücksichtigen ist allerdings, daß das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 mitdem rechtskräftigen Abschluß gegen einen Mitbeschuldigten erlischt 1049 . Dem bereitsrechtskräftig verurteilten Angeklagten droht nicht mehr die Gefahr <strong>im</strong> Sinne des § 55 wegeneiner Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, wenn er wegen genau dieserStraftat oder Ordnungswidrigkeit bereits verfolgt wurde. Denn der weiteren Verfolgung stehtder Grundsatz ne bis in idem, d.h. also der Strafklageverbrauch, entgegen. Etwas andereswürde nur dann gelten, wenn durch die Aussage des bereits rechtskräftig VerurteiltenWiederaufnahmegründe <strong>im</strong> Sinne des § 373 a tangiert würden.1049 OLG Celle, NJW 1962, 2315; BVerfG, NStZ 1985, 277; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 55 RN 8.


III. Strafbarkeit der AbsprachebeteiligtenRönnau untersucht ausführlich die Strafbarkeit der Absprachebeteiligten 1050 , wobei er für dasRegelstrafverfahren von einer Widerrechtlichkeit der Absprache ausgeht. Diese Prämisse istjedenfalls für das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nicht haltbar. Die Verstöße der Absprache, dieRönnau <strong>im</strong> Regelstrafverfahren gegen Verfahrensmax<strong>im</strong>en aufzeigt, wie gegen dieGrundsätze der Unmittelbarkeit und den der Öffentlichkeit 1051 gelten gerade <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nicht, denn das Verfahren ist schriftlich, mittelbar und nicht öffentlich 1052 .Da eine Absprache nach hiesigem Verständnis in dem oben dargelegten Umfang zulässig ist,scheiden Straftatbestände, die Rönnau prüft, wie z.B. die Rechtsbeugung nach § 336 StGBoder die Bestechungsdelikte nach § 331 ff. StGB sowie auch die Strafvereitelung (<strong>im</strong> Amt)nach §§ 258, 258 a StGB, die Verfolgung Unschuldiger, § 344 StGB und dieAussageerpressung nach § 343 StGB sowie die Nötigung nach § 240 StGB, grundsätzlichaus.Da auch der Verteidiger mandatiert ist, mit allen zulässigen Mitteln auf allen Wegen dasbestmögliche Ergebnis für den Beschuldigten zu erreichen, liegt es <strong>im</strong> wohlverstandenenInteresse des Beschuldigten, sich um eine Absprache zu bemühen. Ein derartigerAbspracheversuch ist lege artis. Mehr noch: Den Einigungsversuch zu unterlassen, ist m.E.ein erheblicher Kunstfehler. Deswegen scheidet entgegen der Ansicht Rönnaus 1053 vonvornherein die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nach § 203 Abs. 1 Ziff. 3 StGB bei derAufnahme von auf Absprachen tendierenden Gesprächen aus. Denn der anwaltliche Auftragumfaßt die Anbahnung und den Abschluß solcher Absprachen, so daß es amTatbestandsmerkmal des unbefugten Offenbarens <strong>im</strong> Sinn des § 203 StGB fehlt.Zutreffend geht Rönnau aber davon aus, daß ein Parteiverrat <strong>im</strong> Sinn des § 356 StGB beieiner Absprache durch den Verteidiger nicht vorliegt 1054 . Rönnau begründet dies damit, daßdas Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft nicht unter dem Begriff "Partei" zu subsumierenseien. Dies ist zutreffend. Zudem setzt § 356 StGB als Tathandlung voraus, daß der Täter inderselben Rechtssache in Ausübung seines Berufes als Rechtsbeistand beiden Parteien1050 RÖnnau, S. 227 ff..1051 Rönnau, S. 151 ff. und 161 ff.1052 Vgl. oben, S. 14; Müller, S. 152.1053 Rönnau, S. 241.1054 Rönnau, S. 239, 240.


durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient 1055 . Eine derartige Tathandlung ist jedoch bei einerAbsprache nicht erkennbar. Vielmehr vertritt die Staatsanwaltschaft ihren Rechtsstandpunkt,während der Verteidiger den für seinen Mandanten günstigsten Standpunkt einn<strong>im</strong>mt. Ein deranderen Partei pflichtwidriges Dienen liegt in der Vornahme einer Absprache nicht vor, da ausSicht des Verteidigers die Absprache allein den Interessen des Mandanten dient und nur ausdiesem Grunde die Absprache getroffen wird. Er dient damit nicht <strong>im</strong> Sinne § 356 StGBzugleich auch der anderen Partei. Denn eine solche könnte nur die Strafverfolgungsbehördesein. Dieser dient er aber mit der Absprache nicht <strong>im</strong> Sinne des Tatbestandes des § 356StGB, auch wenn als Nebeneffekt vielleicht eine Arbeitsersparnis für dieStrafverfolgungsbehörde durch den abgesprochenen <strong>Strafbefehl</strong> entsteht. Denn dieAbsprache dient aus Sicht des Verteidigers allein seinem Mandanten. Eventuelle Vorteile odergewahrte Interessen bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht sind reine Reflexwirkungen,die nicht unter die Tatbestandshandlung zu subsumieren sind. Auch daher scheidet insoweiteine Strafbarkeit nach § 356 StGB aus.Eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung und entsprechend eine Strafvereitelung <strong>im</strong> Amt nach§§ 258, 258 a StGB kommt jedoch in Betracht, wenn der Deal, höhere Tagessätze gegen eineniedrigere Tagessatzzahl in der Absicht durchgeführt wird, daß die Geldstrafe nicht bezahlt,sondern die Ersatzfreiheitsstrafe angetreten werden soll. Ansonsten ist die Abspracheunproblematisch, denn ob der Beschuldigte 125 Tagessätze à 80 -- DM oder 100 Tagessätzeà 100,-- DM oder 80 Tagessätze à 125,-- DM zahlt, ist <strong>im</strong> Ergebnis summenmäßig dasGleiche, nämlich jeweils 10.000,-- DM. <strong>Der</strong> Umstand, daß der Beschuldigte in den erstenbeiden Fällen vorbestraft und <strong>im</strong> letzteren Fall nicht vorbestraft ist, führt nicht dazu, daß hiereine Strafvereitelung (<strong>im</strong> Amt) in Betracht kommt, denn die Frage des Vorbestraftseins istkeine selbständige Sanktion, sondern lediglich Rechtsreflex der rechtskräftigen Strafe. <strong>Der</strong>Versuch, das Makel des Vorbestraftseins abzuwenden, ist ein legit<strong>im</strong>er Versuch desVerteidigers für den Mandanten.IV. Die Kontrolle der Absprachen durch die ObergerichteDie abgesprochenen <strong>Strafbefehl</strong>e sind der Kontrolle durch die Obergerichte entzogen, da beiabredegemäßen Entscheidungen naturgemäß keine Rechtsbehelfe eingelegt werden.1055 <strong>Dr</strong>eher/Tröndle, § 356 StGB RN 4.


Lediglich die gescheiterten Absprachen werden durch Rechtsbehelfe angegriffen 1056 .Ein solches Scheitern ist an sich nur vorstellbar, wenn man glaubt, sich geeinigt zu haben unddennoch ein Einigungsmangel, eine Art versteckter Dissens vorliegt. Denn ein bewußtes,absichtliches Scheiternlassen einer Absprache würde den betreffenden Absprachebeteiligtenein für allemal unmöglich machen. Deshalb empfiehlt sich m.E. zur Vermeidung vonMißverständnissen <strong>im</strong> Rahmen der Absprache ganz offen diese schriftlich zu fixieren und soder Strafverfolgungsbehörde bzw. dem Gericht zur Kenntnis zu geben. Nach einer (fern-)mündlichen Einigung empfiehlt es sich daher m.E., das Abspracheergebnis derStrafverfolgungsbehörde mitzuteilen und entsprechend anzukündigen, <strong>im</strong> Falle einerentsprechenden Beantragung eines <strong>Strafbefehl</strong>s – wie besprochen – keinen Einsprucheinzulegen.Scheitert eine Absprache <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, so ist eigentlich nichts verloren, da eineVorleistung des Beschuldigten wie etwa <strong>im</strong> Regelstrafverfahren - tausche Geständnis gegenStrafmilderung - nicht vorgenommen wird 1057 . Im übrigen können gescheiterte Absprachen, dienicht einklagbar sind, wie ein Vertrag, mit dem strafprozessualen Mittel angegriffen werden,des Inhalts, daß ein Verstoß gegen das fair trial vorliegt. Auf der gleichen Linie liegt eineEntscheidung des BGH 1058 zu den Absprachen des Inhalts, daß ein Abgehen von einergerichtlichen Zusage vorher angekündigt werden muß, also ein Hinweis entsprechend § 265erfolgen muß, anderenfalls sich die Verteidigung und der Angeklagte darauf verlassenkönnen, daß die Absprache eingehalten wird.Die teilweise von den Landgerichten angestellten Versuche, durch eine erweiterteAnfechtungsmöglichkeit von prozessualen Erklärungen wie etwa der Anfechtung vonRechtsmittelverzichten oder der Anfechtung von Berufungs- und Revisionsrücknahmen 1059sind m.E. kein gangbarer Weg. Denn die Prozeßhandlungen müssen unanfechtbar bleiben.Dies gebietet schon die Rechtssicherheit.1056 Z.B. BGH, wistra 1990, 319 ff..1057 Vgl. oben, S. 182 ff., 187 f..1058 BGH, StV 1989, 336.1059 So LG Kassel, StV 1987, 288 mit Anm. Galandi (StV 1987, 290), aufgehoben durch Beschluß des OLG Frankfurt (StV1987, 289).


G. RechtsbehelfeBei der Prüfung der Frage, welcher Rechtsbehelf statthaft ist, ist zu unterscheiden, ob der<strong>Strafbefehl</strong> antragsgemäß erlassen wurde oder nicht. Wurde der Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>sabgelehnt, weil der Richter den Angeschuldigten nicht für hinreichend verdächtig hielt, § 408Abs. 2 Satz 1, steht der Staatsanwaltschaf bzw. der BuStra - wie auch sonst bei einemNichteröffnungsbeschluß - die sofortige Beschwerde zu, § 408 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 210 Abs.2.Ist hingegen der <strong>Strafbefehl</strong> antragsgemäß erlassen worden, kommt allein der Rechtsbehelfdes Einspruchs für den Angeklagten nach § 410 Abs. 1 in Betracht, den nur der Angeklagtenach § 410 Abs. 1, nicht aber die Staatsanwaltschaft einlegen kann, da es ihr insoweit beieinem antragsgemäß ergangenen <strong>Strafbefehl</strong> an der Beschwer fehlt 1060 . Ein etwaigerEinspruch der Staatsanwaltschaft wäre also insoweit unzulässig 1061 .<strong>Der</strong> Einspruch ist kein Rechtsmittel <strong>im</strong> engeren Sinne, denn das Wesen eines Rechtsmittelsbesteht darin, daß es eine noch nicht rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zurNachprüfung vor ein Gericht höherer Ordnung bringt (Devolutiveffekt) 1062 . Berufung undRevision hindern zudem den Eintritt der Rechtskraft des Urteils und damit seineVollstreckbarkeit (Suspensiveffekt) 1063 . Die Beschwerde hat allerdings keinen Suspensiveffekt,§ 307 Abs. 1. Sie ist gleichwohl Rechtsmittel <strong>im</strong> engeren Sinne. Hingegen ist der Einspruchnur ein Rechtsbehelf, da es ihm am Devolutiveffekt fehlt 1064 .Durch den Einspruch des Angeklagten wird das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren unmittelbar in dasreguläre Verfahren übergeleitet, d.h. auf seinen Einspruch hin wird einHauptverhandlungstermin best<strong>im</strong>mt. Das weitere Verfahren setzt sich also - ähnlich wie indem Fall, in dem der Richter Bedenken gegen den Erlaß de <strong>Strafbefehl</strong>s <strong>im</strong> Sinne des § 408Abs. 2 Satz 1 hat - dadurch fort, daß eine mündliche Verhandlung von Amts wegen anberaumtwird. Weitere Zwischenschritte oder ein weiteres Zutun ist weder seitens derStaatsanwaltschaft noch seitens des Angeklagten hierfür erforderlich.1060 LR-Gössel, § 410, RN 3; KMR-Müller, § 409, RN 16, Erbe, S. 186; Müller, S. 81.1061 Die Beschwer ist Voraussetzung für die Zulässigkeit, nicht erst für die Begründetheit eines förmlichen Rechtsmittels, vgl.BGH 16, 374; 28, 327, 330, BayObLGSt 77, 143 = JR 78, 474 mit Anm. Gollwitzer; KK-Ruß, § 296 RN 8;LR-Gollwitzer, RN 14 zu § 296; Roxin, S. 301, 302.1062 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Vor § 296 RN 2.1063 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Vor § 296 RN 2.1064 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Vor § 296 RN 20.


Durch die Möglichkeit des Einspruchs wird dem Beschuldigten das rechtlich Gehör <strong>im</strong> Sinnedes Art. 103 Abs. 1 GG verbürgt 1065 , der gegebenenfalls bis dahin trotz einer möglichenVorladung bei der BuStra sich bislang noch nicht zu Sache geäußert hat.Ferner wird durch das Einspruchsrecht auch das Menschenrecht auf eine mündlicheHauptverhandlung <strong>im</strong> Strafverfahren dem Angeklagten gewährleistet, Art. 6 Abs. 1 MRK.Umstritten sind die Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft in dem Fall, in dem derzuständige Richter einen <strong>Strafbefehl</strong> antragswidrig erläßt. Wie oben ausgeführt 1066 , ist derRichter an den <strong>Strafbefehl</strong>santrag gebunden. <strong>Der</strong> Richter hat nur vier Möglichkeiten, auf den<strong>Strafbefehl</strong>santrag zu reagieren, nämlich erstens, den <strong>Strafbefehl</strong>, wie beantragt, zu erlassenoder zweitens, den Erlaß abzulehnen oder drittens die Hauptverhandlung anzuberaumen oderviertens, das <strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahren durchzuführen. Eine Abweichung von dembeantragten <strong>Strafbefehl</strong> ist ihm nicht gestattet. Soweit dies in der Praxis jedoch einmalvorkommt, stellt sich die Frage, welchen Rechtsbehelf die Staatsanwaltschaft einzulegen hat.Einerseits wird die sofortige Beschwerde analog §§ 408 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 204, 210 Abs. 2als statthaft angesehen 1067 . Einer anderen Meinung will der Staatsanwaltschaft in diesem Fallüberhaupt kein Rechtsmittel zugestehen, da kein Rechtsmittel für diesen Fall vorgesehenist 1068 .Nach anderer Auffassung soll hier die Staatsanwaltschaft ausnahmsweise ein Einspruchsrechtnach § 410 - wohl analog - zustehen 1069 . Nur in dem Fall, in dem der Einspruch rechtskräftigwird, soll der Fehler geheilt sein 1070 .Nach Auffassung von Müller ist der Einspruch der statthafte Rechtsbehelf 1071 .Müller begründet seine Auffassung damit, daß in den Fällen, in denen eine Einigung zwischenStaatsanwaltschaft und Richter über die Rechtsfolge nicht zustande kommt, stets durchHauptverhandlung zu entscheiden ist, § 408 Abs. 2. Er meint, daß es dabei keinen1065 BVerf`GE 3, 248, 253; 25, 158, 165; 40, 46, 49 ff.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 407 RN 20, Kleinknecht/Meyer, § 408RN 22; KMR-Müller, § 407 RN 17; LR-Gössel, § 407 RN 58; Schlüchter, S. 872, Schäfer, S. 269, Dahs, S. 120, Röhl,NJW 1958,1273; Schorn, S. 16; Rüping, Gehör, S. 127 ff..1066 Vgl. oben, Seite 106.1067 KG LZ 1923, 39, KK-Müller (1. Auflage), § 408 RN 3; Schmidt II, § 408 RN 20; Schorn, S. 107, Müller, S. 82.1068 LR-Gössel, § 408 RN 42.1069 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 19; Kleinknecht/Meyer, § 408 RN 11; KMR-Müller, § 408 RN 23; LR-Gössel,§ 408 RN 41, Schmidt II, § 408 RN 20; Müller, S. 82; Schorn, S. 54.1070 Müller, S. 82.1071 Müller, S. 82.


Unterschied machen kann, ob der Richter sich um eine Einigung bemüht oder aber gleichohne einen dahingehenden Versuch den <strong>Strafbefehl</strong> antragswidrig erläßt 1072 .Im Ergebnis ist Müller zuzust<strong>im</strong>men, daß in derartigen Fällen der Staatsanwaltschaft ebenfallsein Rechtsbehelf zustehen muß. Dies folgt schon daraus, daß sie ansonsten keine Kontrollemehr hätte, auf das Verfahren einzuwirken, wenn nicht gerade der Angeklagte gegen denantragswidrig erlassenen <strong>Strafbefehl</strong> Einspruch einlegen würde.Wegen des eindeutigen Wortlaut des § 410 Abs. 1, nachdem nur der Angeklagte innerhalbvon zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, daß den <strong>Strafbefehl</strong> erlassen hat,schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen kann, erscheint eineanaloge Anwendung des § 410 Abs. 1 nicht gerechtfertigt. Vielmehr erscheint die sofortigeBeschwerde analog § 210 Abs. 2 als statthaftes Rechtsmittel. Die sofortige Beschwerde nach§ 210 Abs. 2 ist auch in den Fällen statthaft, in denen abweichend vom Antrag derStaatsanwaltschaft die Verweisung an ein anderes Gericht niederer Ordnung ausgesprochenworden ist. Entsprechend muß dies auch für den antragswidrig erlassenen <strong>Strafbefehl</strong> gelten.Daß nicht ein Einspruch, sondern eine sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft in diesenFällen gegeben ist, ergibt sich auch aus der Überlegung, daß es nach der Konzeption des<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens dem Angeklagten überlassen bleiben muß - mit Ausnahme der Fälle, indenen der Richter wegen seiner Bedenken gemäß § 408 Abs. 3 Hauptverhandlunganberaumen will - ob er durch Einlegung eines Einspruchs in das Regelverfahren eintreten willoder aber den <strong>Strafbefehl</strong> akzeptieren möchte. Würde man der Staatsanwaltschaft hier einenEinspruch als statthaften Rechtsbehelf zugestehen, hätte sie es in Fällen dieser Artnachträglich in der Hand, die Durchführung des Regelverfahrens zu erzwingen. Dieswiderspricht jedoch dem geltenden <strong>Strafbefehl</strong>ssystem. Es wäre auch nicht einzusehen, daßder Angeklagte wegen eines Rechtsfehlers des Gerichts seiner <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenvorgesehenen Entscheidungsmöglichkeit, ob er eine Hauptverhandlung wünscht oder nicht,beraubt würde.I. Sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft1072 Müller, S. 82.


Gegenstand der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft kann einerseits Abgabewegen fehlender sachlicher Zuständigkeit, § 408 Abs. 1 Satz 1 und andererseits dieAblehnung des <strong>Strafbefehl</strong>santrages, § 408 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 210 Abs. 2, sein.Nicht beschwerdefähig ist nach § 202 Satz 2 die Anordnung einzelner Beweiserhebungen <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>s-Zwischenverfahren. Nach § 202 Satz 1 analog. Nicht beschwerdefähig ist weiterdie Einstellung des Verfahrens nach den §§ 153 Abs. 2, 153 a Abs. 2, 154 Abs. 2, da dieseEinstellungsmöglichkeiten sowieso die Zust<strong>im</strong>mung der Staatsanwaltschaft voraussetzen.1. FalI des § 408 Abs. 1, Satz 1, 2. HSDie dogmatischen Probleme des § 408 Abs. 1, Satz 1, 2. HS haben sich durch dieNeufassung der §§ 24, 25 GVG, die eine Alleinzuständigkeit der Strafrichter begründen,erledigt 1073 . Die Darstellung erfolgt hier <strong>im</strong> Hinblick auf die Gegenauffassung, die unverändertvon einer potentiellen Zuständigkeit des Schöffengerichts alternativ neben der Zuständigkeitdes Strafrichters ausgeht 1074 .Eine sofortige Beschwerde gegen die Abgabe an einen anderen amtsgerichtlichenSpruchkörper wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit steht der Staatsanwaltschaft nach §408 Abs. 1 Satz 1, 2. HS dann zu, wenn sie einen <strong>Strafbefehl</strong>santrag bei dem Vorsitzendendes Schöffengerichtes gestellt hatte und dieser die Sache mit bindender Wirkung an denStrafrichter abgegeben hat.Einer ausdrücklichen Schaffung des § 408 Abs. 1 Satz 1, 2. HS hätte es nicht bedurft, da sichdas Recht zur sofortigen Beschwerde aus § 210 Abs. 2, 2. Alternative sowieso für dieStaatsanwaltschaft ergeben hätte 1075 . Hat die Staatsanwaltschaaft jedoch den<strong>Strafbefehl</strong>santrag an den Strafrichter adressiert und hält dieser die Zuständigkeit desSchöffengerichts für gegeben und legt der Strafrichter den durch Vermittlung derStaatsanwaltschaft dem Vorsitzenden des Schöffengerichts zur Entscheidung vor, § 408 Abs.1 Satz 2, steht der Staatsanwaltschaft kein Beschwerderecht zu. Denn es fehlt hier an der fürdie Anfechtbarkeit des Beschlusses notwendigen Beschwer für die Staatsanwaltschaft 1076 .Denn es ist nach ständiger Rechtsprechung kein Rechtsnachteil, wenn ein Gericht höherer1073 Vgl. oben, Seite 36 ff., 41.1074 Vgl. oben, Seite 36 ff..1075 LR-Rieß, § 210 RN 2, Müller, S. 83.1076 Müller, S. 83.


Ordnung über die Sache entscheidet. Bei einem Gericht höherer Ordnung ist von mehrSachkompetenz auszugehen, so daß hierin kein Nachteil für die Beteiligten zu erblicken ist.Da auch gegen die Entscheidungen des Schöffengerichts wie auch gegen Entscheidungendes Strafrichters die Rechtsmittel der Berufung und der Revision zulässig sind, §§ 312, 333,335, wird auch keinem der Beteiligten durch die Abgabe des Strafrichters an das Schöffengerichteine Instanz genommen. Zudem stellt die Abgabe des Strafrichters nach § 408 Abs. 1Satz 2, worauf Müller zutreffend hinweist, noch keine Entscheidung <strong>im</strong> Sinne der §§ 33, 304dar, sondern bereitet die Entscheidung über die Zuständigkeit zum Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s erstvor 1077 .Folgt der Vorsitzende des Schöffengerichts nicht der Auffassung des Strafrichters und bejahter entgegen dem Vorlagebeschluß die Zuständigkeit des Strafrichters, gibt er die Sache mitbindender Wirkung 1078 nach § 408 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative an diesen zurück. DieserBeschluß ist nur dann durch die Staatsanwaltschaft anfechtbar, wenn sie sich bei ihrerStellungnahme <strong>im</strong> Vorlageverfahren der Ansicht des Strafrichters angeschlossen hatte und dieZuständigkeit des Schöffengerichts seitdem bejahte 1079 .Ist die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft nach § 408 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz,statthaft, entscheidet nach § 310 Abs. 2 letztinstanzlich das Landgericht darüber, ob nun fürden Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s der Strafrichter oder der Vorsitzende des Schöffengerichtszuständig ist 1080 .Da aufgrund des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993 1081 der Strafbannder Strafrichter gem. § 24 Abs. 1 Nr. 2 auf vier Jahre Freiheitsstrafe erhöht wurde und dieZuständigkeit des Strafrichters nach § 25 Nr. 2 GVG gegeben ist, wenn nicht eine höhereStrafe als die Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu erwarten ist, könnte man der Auffassungsein, daß es sich bei den Verweisungsproblemen bzw. diesbezüglichenRechtsmittelmöglichkeiten um ein eher theoretisches Problem handelt, da aufgrund dererweiterten Zuständigkeiten des Strafrichters nach §§ 24, 25 GVG dieser generell für das<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren zuständig ist, da das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nach § 407 Abs. 2 nur dannzulässig ist, wenn eine Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Verfall,1077 KK-Treier, § 209 RN 16; Kleinknecht/Meyer, § 209, RN 9, KMR-Paulus, § 210 RN 26; Müller, Seite 83.1078 Begründung BT-<strong>Dr</strong>ucksache 8/976, 61.1079 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 408 RN 10; LR-Rieß, § 210 RN 11; a.A.: Einerseits für unbegrenzte AnfechtungLR-Gössel, § 408 RN 11; KMR-Müller, § 408 RN 12; andererseits für keinen Rechtsbehelf: Kleinknecht/Meyer, § 408RN 6; LR-Eb-Schäfer (23. Auflage), § 408 RN 1.1080 LR-Gössel, § 408 RN 10.1081 BGBl. I 1990, 50.


Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Bekanntgabe der Verurteilung und Geldbußegegen eine <strong>jur</strong>istische Personenvereinigung, Entziehung der Fahrerlaubnis bei der die Sperrenicht mehr als zwei Jahre beträgt, sowie <strong>im</strong> Falle von Absehen von Strafe und in den Fällen, indenen der Angeklagte einen Verteidiger hat, höchstens Freiheitsstrafe bis zu einem Jahrfestgesetzt wird, § 407 Abs. 2.<strong>Der</strong> Schein trügt jedoch: Jüngst entschied das LG Stuttgart 1082 , daß der Widerspruch, derzwischen § 407 und § 25 GVG bestehe, dadurch zu lösen sei, daß allein auf § 25 GVGabgestellt werde und § 408 Abs. 1 faktisch außer Kraft gesetzt werde. Denn die sachlicheZuständigkeit für Anträge auf Erlaß von <strong>Strafbefehl</strong>en richte sich nach den Regelungen desGVG und nicht nach dem Strafprozeßrecht 1083 . Nach Auffassung des LG Stuttgart ist § 25GVG so auszulegen, daß bei Straferwartungen bis 2 Jahren Freiheitsstrafe ohne Rücksichtauf Umfang und Bedeutung der Sache ausnahmslos der Strafrichter zuständig sei 1084 . Damitist faktisch das Schöffengericht für <strong>Strafbefehl</strong>e nicht mehr sachlich zuständig 1085 .Dieser Auffassung tritt Hohendorf entgegen, der auch die Schöffengerichte dann für sachlichzuständig hält, wenn die Sache eine größere Bedeutung oder größeren Umfang hat, als sonstüblich 1086 . Hohendorf will § 25 GVG verfassungskonform 1087 dahingehend auslegen, daß derStrafrichter grundsätzlich für Verfahren wegen Vergehen, bei denen die Straferwartung 2Jahre Freiheitsstrafe nicht übersteigt 1088 . Dies soll nach Auffassung von Hohendorf jedochnicht für solche Verfahren gelten, die den Bereich der minderen Bedeutung übersteigend vongrößerer Bedeutung und/oder größerem Umfang sind und eine auch unter Beachtung derGesetzesänderung des § 25 GVG mit der Folge der Aufwertung der Strafrichtertätigkeittypische Einzelrichtersache übersteigen: In diesen Fällen ist nach Auffassung von Hohendorfdie Zuständigkeit des Schöffengerichts gegeben 1089 .Dem ist nicht zu folgen. Denn der <strong>Strafbefehl</strong> darf nur bei den nach § 407 Abs. 2 möglichenRechtsfolgen beantragt werden. Aufgrund des erweiterten Strafbanns des Einzelrichters nach§ 25 GVG auf bis zu 2 Jahre ist der Einzelrichter allein für die <strong>Strafbefehl</strong>e zuständig. DieAbgrenzung der Zuständigkeit des Schöffengerichts vom Einzelrichter erfolgt aus dem1082 LG-Stuttgart, wistra 1994, 40.1083 LG-Stuttgart, wistra 1994, 40.1084 LG-Stuttgart, wistra 1994, 40.1085 Das.LG Stuttgart hält es für "nahezu ausgeschlossen", daß künftig ein Schöffengericht für ein <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrensachlich zuständig ist, vgl. LG Stuttgart, wistra 1994, 40.1086 Hohendorf, wistra 94, 294, 295.1087 BVerfGE 22, 254 ff..1088 Hohendorf, wistra 94, 294, 295.


Zusammenspiel von § 24 Abs. 2 GVG und § 25 GVG: das Amtsgericht hat einen Strafbannvon bis zu 4 Jahren, § 25 Abs. 2 GVG. <strong>Der</strong> Einzelrichter ist jedoch nach § 25 Nr. 2 GVG nurdann zuständig, wenn eine höhere Freiheitsstrafe als 2 Jahre nicht zu erwarten ist. Damitverbleiben für die sachliche Zuständigkeit des Schöffengerichts nur die Fälle, in denenzwischen 2 und 4 Jahre Haft prognostiziert werden. Insoweit hat die St aatsanwaltschaftauch keinen Ermessensspielraum und erst recht kein echtes Wahlrecht, sondern sie mußentsprechend der gerichtlich nachprüfbaren Progno se entweder be<strong>im</strong> Einzelrichter oderbe<strong>im</strong> Schöffengericht Anklage erheben, ansonsten sie willkürlich dem Angeklagten seinengesetzlichen Richter entziehen könnte, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Für die<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren folgt daraus, daß das Schöffengericht nur für <strong>Strafbefehl</strong>e mit einer zuerwartenden Rechtsfolge von 2 bis 4 Jahren Freiheitsstrafe sachlich zuständig wäre. Wäreeine solche Rechtsfolge zu erwarten, wäre der <strong>Strafbefehl</strong> nicht zulässig, da dort nur gegenüberdem verteidigten Angeklagten höchstens 1 Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährungverhängt werden darf, § 407 Abs. 2 Satz 2. § 25 GVG spricht nicht von Fällen mindererSchwere oder minderen Umfangs. Diese Auslegung, daß minder schwere Fälle an dasrangniedere Gericht gehören, stammt von der Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeitzwischen Landgericht und Amtsgericht nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG 1090 . Da die Zuständigkeitzwischen Amtsgericht und Schöffengericht sich jedoch nicht nach § 24 Abs. 1 GVG undinsbesondere nicht nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG richtet, sondern sich aus dem Wechselspielvon §§ 24, 25 GVG ergibt, kann § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG und die Auslegung hierzu nichttaugliche Abgrenzungsgrundlage für die Zuständigkeit des Einzelrichters und desSchöffengerichts sein. Bei der Zuständigkeitsprüfung ist also nach § 24 GVG die Zuständigkeitzwischen Landgericht und Amtsgericht vorzunehmen, danach über § 25 GVG die AbgrenzungEinzelrichter und Schöffengericht. Ist das Amtsgericht nach § 24 GVG zuständig, nicht jedochder Einzelrichter nach § 25 GVG, dann ist das Schöffengericht zuständig.Das Rechtspflegeentlastungsgesetz (RPflEntIG) vom 11.01.1993 1091 wollte u.a. dieVerlagerung von ranghöheren Gerichten auf rangniedere, also auch vom Schöffengericht aufden Einzelrichter bewirken. Die Alleinzuständigkeit der Einzelrichter für <strong>Strafbefehl</strong>e ist eineKonsequenz daraus.Überdies ist eine (verfassungskonforme) Auslegung <strong>im</strong>mer nur dann möglich, wenn derWortlaut nicht eindeutig ist, er also eine Interpretation überhaupt zuläßt. § 25 GVG ist jedoch1089 Hohendorf, wistra 94, 294, 295; ders., NStZ 1988, 390; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 25 GVG RN 6.1090 Vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 24 GVG RN 6.1091 BGBl. 1993 I, 50.


eindeutig formuliert, so daß kein Raum für die von Hohendorf vorgenommene Auslegungbesteht.2. § 210 Abs. 2 analog bei Ablehnung des <strong>Strafbefehl</strong>santragesDas Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde steht der Staatsanwaltschaft auch dann zu, wenndas mit dem <strong>Strafbefehl</strong>santrag befaßte Gericht den <strong>Strafbefehl</strong>santrag nach § 204 analog alsunzulässig oder unbegründet ablehnt 1092 .Nach § 306 Abs. 1 ist die sofortige Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle oderschriftlich grundsätzlich bei dem Richter einzulegen, der den <strong>Strafbefehl</strong>santragzurückgewiesen hat.Ist die sofortige Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt, entscheidet nach §§ 73 Abs. 1,76 1 GVG die Große Strafkammer des Landgerichts.Hält die Große Strafkammer des Landgerichts die Beschwerde für begründet, kann sie nichtunter Berufung auf § 309 Abs. 2 den <strong>Strafbefehl</strong> selbst erlassen 1093 , da zum Erlaß des<strong>Strafbefehl</strong>s nach § 407 Abs. 1 ausschließlich der Strafrichter 1094 berufen ist.Zudem würde, dürfte nun die Große Strafkammer den <strong>Strafbefehl</strong> erlassen, der Angeklagteseinem gesetzlichen Richter entzogen, Denn der Strafrichter bzw. der Vorsitzende desSchöffengerichts hat bis zu diesem Zeitpunkt nur über die Eröffnungsbeschluß- und noch nichtüber die urteilsersetzende Funktion des <strong>Strafbefehl</strong>s - zumindest wenn er den<strong>Strafbefehl</strong>santrag für unzulässig hielt - entschieden. Daher kann die Große Strafkammer desLandgerichts weder den <strong>Strafbefehl</strong> selbst erlassen, noch das Amtsgericht bzw.Schöffengericht anweisen, den <strong>Strafbefehl</strong> antragsgemäß zu erlassen 1095 . Ebenso kann dieGroße Strafkammer des Landgerichts nicht den Strafrichter bzw. den Vorsitzenden des Schöffengerichtsanweisen, die Hauptverhandlung anzuberaumen. Denn dies ist eine der1092 KG LZ 16, 39; LG Dortmund, NJW 1957, 1731; AG Bremerhafen JZ 1967, 370; KKMeyer-Goßner, § 408RN 14; Kleinknecht-Meyer, § 408 RN 9; KMR-Müller, § 408 RN 20; LR-Gössel, § 408 RN 25; Schmidt II,§ 408 RN 23; Gössel, S. 334; Henkel, S. 402; Kramer, S. 185; Müller, S. 84; Peters, S. 563; Roxin, S. 417;Schlüchter, S. 875; Schorn, S.33, 49.1093 Müller, Seite 84; a.A.: Pieck JR 1927, 248.1094 Nach der Gegenauffassung muß der Vorsitzende des Schöffengerichts den <strong>Strafbefehl</strong> erlassen, wenn dasSchöffengericht zuständig ist.


Entscheidungsalternativen, die dem Amtsrichter originär zusteht und dessen Entscheidungihm nicht durch ein Rechtsmittelgericht vorgegeben werden kann. Denn auch zu dieser Fragehat der Amtsrichter mit der Ablehnung des Erlasses des <strong>Strafbefehl</strong>santrages noch bislangkeine Stellung bezogen. Daher muß die Beschwerdeentscheidung sich allein mit derAufhebung des vom Strafrichter bzw. vorsitzenden Richter des Schöffengerichtes erlassenenAblehnungsbeschlusses sowie auf die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht beschränken1096 .II. Einspruch des Beschuldigten<strong>Der</strong> Einspruch des Beschuldigten gegen den erlassenen <strong>Strafbefehl</strong> nach § 411 versetzt dasVerfahren wieder in das Regelverfahren. Dies bedeutet, daß von Amts wegen nunmehr ohneweitere Mitwirkung des Angeklagten und ohne weitere Anträge der StaatsanwaltschaftHauptverhandlungstermin anzuberaumen ist.Da das angerufene Gericht den Angeklagten <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nicht hören muß, § 407Abs. 3, gewährt das Recht der Einspruchseinlegung dem Angeklagten neben der <strong>im</strong>Ermittlungsverfahren nach § 173 a bestehenden Anhörungsmöglichkeit nunmehr wieder dieerste Chance, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG 1097 sowie aufAburteilung <strong>im</strong> Rahmen einer mündlichen Hauptverhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 MRK 1098 zusichern. <strong>Der</strong> Einspruch des Beschuldigten zielt jedoch weniger auf die Wiedererlangung desrechtlichen Gehörs bzw. auf die Aburteilung in einer mündlichen Hauptverhandlung, sondernvielmehr auf die Beseitigung der urteilsersetzenden Wirkung des <strong>Strafbefehl</strong>s. Weniger richtetsich der Einspruch gegen die Art und Weise des Verfahrens. Hiermit wäre der Angeklagtevielleicht sogar gerne einverstanden gewesen, denn viele möchten gerade aus Imagegründenoder überhaupt wegen der sehr unangenehmen Situation die Urnstände einer öffentlichenHauptverhandlung vermeiden. Maßgebendes Motiv für die Einspruchseinlegung ist, das ausSicht des Angeklagten unakzeptable Verfahrensergebnis.<strong>Der</strong> Angeklagte steht dann nach seinem Einspruch dem gleichen Richter gegenüber, der ihnschon einmal durch Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s verurteilt hatte 1099 . Dies mag zunächst überraschen1095 So aber Dosenhe<strong>im</strong>er, DRiZ 1926, 239.1096 Kleinknecht/Meyer, § 408 RN 9, KK-Meyer-Goßner, § 408 RN 20; LR-Gössel, § 408 RN 29, Müller, S. 85.1097 BVerfGE 3, 248, 253; 25, 158, 165; 40, 46, 49 ff.1098 Pieck, S. 78 ff. 127 ff; Schorn, Art. 6 MRK, Anm. 66.1099 Schmidt II, § 409 RN 12; Müller, S. 85.


und einem sofort die Ausschließungsgründe der §§ 22 und 23 in Erinnerung rufen. EineAusschließung des Richters nach § 23 Abs. 1 scheitert jedoch daran, daß der hier zurEntscheidung berufene Richter nicht bei einer Entscheidung in einem <strong>im</strong> Rechtszugniedrigeren Gericht mitgewirkt hat, und nun aufgrund des eingelegten Rechtsmittels zuentscheiden hätte. Vielmehr ist der Einspruch kein Rechtsmittel, sondern nur einRechtsbehelf. Es fehlt also am Devolutiveffekt. Damit liegt der Ausschließungsgrund des § 23Abs. 1 nicht vor. Mit der Einlegung des Einspruchs ist auch die ursprüngliche Intention derStaatsanwaltschaft, das Verfahren schnell und ohne Hauptverhandlung erledigen zu können,zunichte gemacht. Die gewünschte Arbeitsersparnis ist also in diesem Fall nicht eingetreten.Auch dieser Gedanke bestätigt die Nützlichkeit und prozeßökonomisch vorteilhafteAuswirkung des <strong>Strafbefehl</strong>-Zwischenverfahrens 1100 .1. VerfahrensvoraussetzungenEs ist zwischen Form, zuständiger Stelle und Frist zu unterscheiden. Hierüber muß derAngeklagte nach § 209 Abs. 1 Nr. 7 <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> belehrt werden.a) Form<strong>Der</strong> Einspruch bedarf ebenso wie die Berufung, § 317, keiner Begründung 1101<strong>Der</strong> Einspruch ist ebenso wie die Berufung, § 314 Abs. 1, und die Revision, § 341 Abs. 1,schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen.Eine fehlende Unterschrift ist auch be<strong>im</strong> Einspruch solange unschädlich, wie aus demSchriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem dieErklärung herrührt und der Entäußerungswille, also der Wille zur Einlegung zweifelsfreierkennbar ist 1102 .1100 Vgl. oben, S. 119, 120.1101 Eine Begründung ist aber gleichwohl zulässig, vgl, Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 410 RN 6; KMR-Müller, § 409 RN 17,LR-Gössel, § 410 RN 17; Müller, S. 86; Schmidt II, § 409 RN 15; Schorn, S. 91.1102 BayObLG HRR 1929, Nr. 1081; RGSt 67, 385, 388; BGHSt II, 77, 78; 12, 317; BayObLG, NJW 1980, 2365, 2367;Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 410 RN 6; KMR-Müller, § 409 RN 17; LR-Gössel, § 410, RN 9; Müller, S. 86; Schom,S. 92.


) Zuständige Stelle<strong>Der</strong> Einspruch ist an das Amtsgericht zu richten, das den <strong>Strafbefehl</strong> erlassen hat 1103 .Zuständig ist der iudex a quo.c) FristDie mit der Zustellung des <strong>Strafbefehl</strong>s beginnende Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen, §410 Abs. 1 Satz 1. Fraglich ist auch hier - wie <strong>im</strong> Steuerrecht - wann frühestmöglich einEinspruch wirksam eingelegt werden kann.Im Fall der Fristversäumung kann der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Standnach §§ 44, 45 beantragen. <strong>Der</strong> Wiedereinsetzungsantrag ist ein außerordentlicherRechtsbehelf 1104 . Bei der Entscheidung des Gerichts über den Wiedereinsetzungsantrag hatdas Gericht die Besonderheiten des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens zu berücksichtigen. Dies bedeutet,daß das Gericht <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG berücksichtigen muß,daß der Angeklagte bislang noch kein rechtliches Gehör vor Gericht hatte und seinemAnspruch auf Aburteilung in einer Hauptverhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 MRK noch nichtGenüge getan ist. Hieraus folgt, daß bei Zweifeln, ob der Einspruch verspätet ist, dieser alsrechtzeitig behandelt werden muß 1105 . Es ist bei der Prüfung des Wiedereinsetzungsantragesalso zu berücksichtigen, daß die Wiedereinsetzung in den Fristversäumnisfällen den "erstenZugang" zum Gericht schafft. Daher dient die Wiedereinsetzung in diesen Fällen unmittelbarund in stärkerem Maße als sonst der Verwirklichung der verfassungsrechtlich manifestiertenRechtsschutzgarantien 1106 . Daher darf der Zugang zum Gericht nicht unzumutbar erschwertwerden, daraus folgt, daß an die unverschuldete Unkenntnis von der Zustellung Sinne des §44 Satz 1 nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden dürfen.So sind z.B. bei längerer Urlaubsabwesenheit keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlichmöglicher Zustellungen zu treffen, selbst dann, wenn der Angeklagte Kenntnis von demErmittlungsverfahren hatte 1107 . Denn der Angeklagte hat in der Regel keine Kenntnis vomAbschluß des Ermittlungsverfahrens, § 169 a. Ebenso ist ihm unbekannt, wann der<strong>Strafbefehl</strong>santrag seitens der Staatsanwaltschaft bzw. BuStra gestellt wird und wann der1103 Müller, S. 87, Schlüchter, S. 880.1104 LR-Wendisch, Vor § 42 RN 31.1105 BayObLGSt 19, 65, 142; OLG Stuttgart, Die Justiz 1981, 57; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411 RN 2; KMR-Müller,§ 109 RN 17; LR-Gössel, § 411 RN 2, Müller, S. 88, Fußnote 305.1106 BVerfGE 25, 158 ff., 165 ff; 26, 315 ff., 318; 38, 35, 38; 40, 88, 91; 41, 23; 41, 337; Goerlich, NJW 1976, 1526 ff..


<strong>Strafbefehl</strong> durch den zuständigen Richter erlassen wird. Er braucht also mit einer Zustellungeines <strong>Strafbefehl</strong>s nicht zu rechnen, folglich auch keine entsprechenden Vorkehrungen <strong>im</strong>Sinne von Vertretungen zu schaffen, auch bei längerer Abwesenheit.2. Entscheidung des GerichtsLegt der Angeklagte den Einspruch verspätet ein oder ist der Wiedereinsetzungsantragunbegründet oder ist der Einspruch aus anderen Gründen unzulässig, so wird er ohneHauptverhandlung durch Beschluß verworfen 1108 . Gegen diesen Beschluß, der den Einspruchals verspätet oder aus sonstigen Gründen als unzulässig verwirft, kann der Angeklagte eineeinfache Beschwerde nach § 304 erheben 1109 . In den Fällen, in denen der Antrag aufWiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen wurde, steht dem Angeklagten allerdingsnach § 46 Abs. 3 die sofortige Beschwerde zu 1110 .Da der Einspruch keiner Begründung bedarf 1111 , prüft das Gericht nur die Zulässigkeit desEinspruchs. Ist der Einspruch zulässig, ergeht jedoch kein gesonderter Bescheid hierüber.Das Gericht setzt vielmehr automatisch, d.h. von Amts wegen, den Termin zurHauptverhandlung fest und lädt den Angeklagten sowie den Verteidiger und die möglichenZeugen. Für die Hauptverhandlung gelten dann die allgemeinen Vorschriften der §§ 213 ff. 1112<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>santrag ersetzt in diesem Fall die Anklageschrift, der erlassene <strong>Strafbefehl</strong>übern<strong>im</strong>mt die Funktion des Eröffnungsbeschlusses 1113 .In der Hauptverhandlung verliest dann der Vertreter der Staatsanwaltschaft nach § 243 Abs. 3Satz 1 als Anklagesatz die sich aus dem antragsgemäß erlassenen <strong>Strafbefehl</strong> ergebendenBeschuldigungen. Dies bedeutet, daß der Staatsanwalt nicht den gesamten <strong>Strafbefehl</strong>,sondern nur die sich aus dem <strong>Strafbefehl</strong>santrag und dem <strong>Strafbefehl</strong> ergebenden1107 BVerfGE 34, 154 ff., 156; 40, 88, 91; LR-Wendisch, § 44 RN 31-33; Müller, S. 88.1108 BGHSt 9, 272, 279; Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 1; LR-Gössel, § 411 RN 3; Schmidt II, § 410 RN 2; Müller, S. 88.1109 KG 1955, 432; OLG Köln, GA 1956, 432; KK-Müller (l. Auflage), § 411 RN 1; KMRMüller, § 411 RN 3,LG Dortmund, NJW 1957,1731; Fritzsche, DRiZ 1980,142;1110 Schorn, S. 101, Müller, S. 88, Fußnote 313.1111 EineEinspruchsbegründung, gegebenenfalls durch einen weiteren Schriftsatz, der nicht fristgebundeneingereicht werden muß, da hierfür nicht die Zweiwochenfrist des § 410 Abs. 1 gilt, empfiehlt sich m.E.insbesondere in komplizierteren Wirtschaftsstrafsachen, da sich dann das Gericht und die Staatsanwaltschaftvor dem Hauptverhandlungstermin mit der rechtlichen oder tatsächlichen Problematik auseinandersetzenkann.1112 Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 3.1113 BGHSt 23, 280; OLG Düsseldorf, VRS 1974, 278; OLG Zweibrücken, MDR 1987, 164; einschränkend insoweit:LR-Gössel, § 408 RN 39, der der Auffassung ist, daß der <strong>Strafbefehl</strong> nur einzelne Wirkungen des Eröffnungsbeschlussesübem<strong>im</strong>mt.


Beschuldigungen unter Weglassung der beantragten und festgesetzten Rechtsfolgen vorliest.Dies bedeutet, daß der Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>santrages vorgelesen wird, soweit er nach § 200Abs. 1 Satz 1 in einem Anklagesatz stehen müßte 1114 .Nach Verlesung des dem Anklagesatz entsprechenden Teils des <strong>Strafbefehl</strong>s stellt dasGericht fest, daß der Einspruch form- und fristgerecht eingelegt worden ist 1115 .Einigkeit besteht wohl dahingehend, daß auch schon vor Zustellung des <strong>Strafbefehl</strong>sEinspruch eingelegt werden kann, selbst wenn der Angeklagte noch keine Kenntnis vom Erlaßdes <strong>Strafbefehl</strong>s hat 1116 .Hierbei wird jedoch wohl überwiegend vorausgesetzt, daß auch <strong>im</strong> Falle eines vorsorglicheingelegten Einspruchs der <strong>Strafbefehl</strong> zumindest schon erlassen sein muß 1117 .Anderer Auffassung sind Teile des Schrifttums. Danach ist der Einspruch sogar schon vorErlaß möglich, wenn es zu dem von dem Beschuldigten erwarteten Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>skommt 1118 . Nach dieser Auffassung ist wohl der Einspruch bedingt für den Fall eingelegt, daßder <strong>Strafbefehl</strong> erlassen wird.III. Besonderheiten des EinspruchsverfahrensDas Einspruchsverfahren ist weder ein wirkliches Rechtsmittel- (Berufungs-)Verfahren noch istes ein echtes erstinstanzliches Verfahren. Die §§ 411 Abs. 2 Abs. 4, 412, tragen vielmehr dieZüge eines erstinstanzlichen Verfahrens so wie die eines Rechtsmittelverfahrens in sich 1119 .Denn die Einspruchsrücknahme § 411 Abs. 3 und das fehlende Verbot der reformatio in peius,1114 Kleinknecht/Meyer, § 411, RN 3 und § 243 RN 13, 14; KK-Treier, § 243 RN 24; Gegenfurtner, DRiZ 1965, 334; a.A.:OLG Koblenz, VRS 38, 56, das der Auffassung ist, daß der gesamte <strong>Strafbefehl</strong> vorzutragen ist.1115 Kleinknecht/Meyer, § 411, RN 3.1116 Müller S. 87; a.A.: BayObLG, NJW 1961, 1637, OLG Hamm, VRS 37, 61.1117 Grundlegend hierzu BGHSt 25, 187, 189 f.; ihm folgend LR-Gössel, § 410 RN 8; KK-Meyer-Goßner, § 410 RN 5;Kleinknecht/Meyer, § 410 RN 1; KMR-Müller, § 409 RN 5, 17; Müller, S. 87; Schlüchter, S. 880, Anm. 16.1118 Hanack, JR 1974, 296, LR-Schäfer (23. Auflage), § 409 RN 42; Erbe S.188.1119 Müller, S. 90; a.A. allerdings ohne nähere Begründung Gössel, S. 335. Die sich häufig findende Feststellung, so z.B. beiHenkel, S. 402, Roxin, S. 374. daß für die mündliche Verhandlung die allgemeinen Vorschriften gelten, löst allerdingsdie Frage nicht, ob es sich vorliegend (eher) um ein echtes erstinstanzliches Verfahren oder um ein wirklichesRechtsrnittelverfahren handelt, da auch für die mündliche Verhandlung <strong>im</strong> Berufungsverfahren die allgemeinenVorschriften gemäß § 332 gelten. Daß also die für die Hauptverhandlung geltenden allgemeinen Vorschriften gelten istinsoweit neutral und kann weder für die Zuordnung des Einspruchsverfahrens zum echten erstinstanzlichen Verfahrennoch zum Rechtsmittelverfahren als tragendes Argument herangezogen werden.


§ 411 Abs. 4 und die Verwerfungspflicht, § 412, tragen den Charakter einer Berufungs-(Rechtsmittel-) Verhandlung. Demgegenüber wäre die mögliche Klagerücknahme, § 411 Abs.3 typisch für ein erstinstanzliches Verfahren. Die Vertretungsbefugnis des Verteidigers nach §411 Abs. 2 ist hingegen weder dem Berufungsverfahren noch dem erstinstanzlichen Verfahrenzuzuordnen.1. Beschränkbarkeit des EinspruchsDie Beschränkung des Einspruchs auf best<strong>im</strong>mte Beschwerdepunkte ist bis zur Verkündungdes Urteils <strong>im</strong> ersten Rechtszug, § 411 Abs. 3 Satz 1 in gleichem Maße möglich, wie dieBeschränkung der Rechtsmittel gegen Urteile nach §§ 318, 344 Abs. 1 1120 . Wirksam istdanach die Beschränkung des Einspruchs auf eine von mehreren selbständigen Straftaten alsauch auf die nachrangigen Teile des <strong>Strafbefehl</strong>sausspruchs für eine einheitliche Tat,insbesondere auf die Höhe der Geldstrafe oder die Höhe des Tagessatzes 1121 . AndererAuffassung ist Müller 1122 , der innerhalb desselben Prozeßgegenstandes <strong>im</strong> Sinne des § 264Abs. 1 nur die Anfechtung von Schuld- und Straffrage gemeinsam für möglich hält. NachAuffassung von Müller ist daher der Einspruch, anders als die Berufung oder die Revision,nicht auf das Strafmaß beschränkbar 1123 . Müller begründet seine Auffassung, daß dieBeschränkung auf das Strafmaß nicht zulässig sein soll, damit, daß aus systematischenGründen die Beschränkung nicht möglich sei, da ein Verweis auf die einschlägigenVorschriften der §§ 318, 327, bei der Berufung in den Verfahrensvorschriften des Einspruchsfehle. Auch stehe § 411 Abs. 4 entgegen, der zeige, daß der Richter bei der Entscheidungaufgrund der mündlichen Hauptverhandlung gerade nicht mehr an den <strong>Strafbefehl</strong> gebundensein solle 1124 . Weiter begründet er seine Auffassung damit, daß der entscheidende Einwandaber in der logischen Nachrangigkeit des Strafausspruchs begründet sei. Müller meint, daßeine Beschränkung des Einspruchs auf das Strafmaß bedeuten würde, daß der Richter in dermündlichen Hauptverhandlung entgegen § 261 an die vorwiegend aufgrund der Aktenlagegewonnene Schuldvorstellung auch dann gebunden wäre, wenn sich der <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>angenommene Sachverhalt als unzutreffend oder die rechtliche Bewertung als nicht vertretbarerweise 1125 . Insoweit ist nach seiner Auffassurig die Situation bei der Berufung und Revision1120 Kleinknecht/Meyer, § 410 RN 4.1121 BayDAR 1989, 371; Kleinknecht/Meyer, § 410 RN 4.1122 Müller, S. 89, 90.1123 Müller, S. 89.1124 KK-Müller (l. Auflage), § 409 RN 21; LR-Schäfer (23. Auflage), § 409 RN 48; Müller, S.89.1125 Müller, S. 89.


anders, da hier jedenfalls ein aufgrund mündlicher Hauptverhandlung ergangenes Urteilvorliegt, wenn hier neu (nach Zurückweisung) verhandelt wird.Dem ist nicht zu folgen. Denn einerseits kann auch die Berufung auf das Strafmaß beschränktwerden und hierbei kann sich ebenfalls herausstellen, daß der bislang - zwar aufgrund einerHauptverhandlung gewonnene Sachverhalt - unzutreffend ist. Dies ist jedoch dann keinGrund, die Beschränkbarkeit der Berufung nicht zuzulassen. Es liegt eben in der Eigenart des<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens, daß die Erkenntnisse, die zum Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s führten, nichtaufgrund einer Hauptverhandlung gewonnen wurden, sondern eben nur aus der Aktenlage.Dies ist jedoch system<strong>im</strong>manent. Warum hieraus dem Angeklagten Nachteile erwachsensollen, dergestalt, daß ihm eine Beschränkung seines Rechtsbehelfs nicht möglich sein soll,ist nicht erkennbar. Eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers läßt sich ebenfalls nichtfinden. Denn der Gesetzgeber wollte mit dem <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren kein Verfahren schaffen,das den Angeklagten mit Blick auf seine Rechtsbehelfsmöglichkeiten schlechter stellt als dasRegelverfahren. VieImehr wollte der Gesetzgeber ein Verfahren, in dem die Hauptverhandlungnicht benötigt wird, das also prozeßökonomischer durchgeführt werden kann für die MassenundBagatellkr<strong>im</strong>inalität zur Entlastung der Gerichte konzipieren. Das Hauptargument Müllers,daß bei einer Beschränkung des Rechtsbehelfs der Prozeßgegenstand <strong>im</strong> Sinne des § 264Abs. 1, also die einheitliche Tat in Schuld- und Straffrage gesplittet werden würde, überzeugtnicht. Denn diese Aufteilung ist nach §§ 318, 327 in der Berufung ebenfalls möglich. Auchverfängt nicht der Hinweis Müllers, daß es an einer entsprechenden Verweisung fehle. Denneine Verweisung ist einerseits nicht erforderlich, da nach § 411 Abs. 4 bei der Urteilsfällungdas Gericht an den <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> enthaltenen Ausspruch nicht gebunden ist, soweitEinspruch eingelegt ist. Aus der "Soweit"-Formulierung folgt jedoch, daß ein teilweiserEinspruch offenbar möglich ist. Denn anderenfalls wäre der letzte Halbsatz des § 411 Abs. 4"soweit Einspruch eingelegt ist" <strong>im</strong> Gesetz überflüssig. Zudem wäre auch, gebe es § 411 Abs.4 nicht, an eine analoge Anwendung der §§ 318, 327 zu denken.Nach alledem ist eine Beschränkung des Einspruchs allein auf den Rechtsfolgenausspruchmöglich.Damit ergeht das Urteil unabhängig von dem <strong>Strafbefehl</strong>, wenn gegen den <strong>Strafbefehl</strong> invollem Umfang Einspruch eingelegt worden ist oder der Einspruch auf eine von mehrerenVerurteilungen beschränkt worden ist. Es wird also nicht der <strong>Strafbefehl</strong> aufgehoben oderbestätigt, sondern der Angeklagte würde dann verurteilt oder freigesprochen oder das


Verfahren eingestellt. <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> wird nicht erwähnt 1126 . Lediglich am Aktenzeichen läßtsich erkennen, daß es sich um ein <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren handelte.Anders ist es in den Fällen, in denen der Angeklagte den Einspruch auf denRechtsfolgenausspruch beschränkte. Dann hatte der Richter den Schuldausspruch des<strong>Strafbefehl</strong>s, an den er dann gebunden ist, für sein Urteil vorauszusetzen und nicht etwa durchAufnahme in den Urteilsausspruch zu bestätigen. <strong>Der</strong> <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> enthaltene Schuldspruchwird also in dem Urteil nicht wiederholt, sondern in Bezug genommen 1127 . <strong>Der</strong>Urteilsausspruch lautet daher etwa:"<strong>Der</strong> Angeklagte wird wegen der in dem <strong>Strafbefehl</strong> vom ... bezeichnetenSteuerverkürzung zu einer Geldstrafe von ... verurteilt.” 1128Die Kostenentscheidung des Urteils wird unabhängig vom <strong>Strafbefehl</strong> nach §§ 465, 467getroffen 1129 . § 473 gilt nicht 1130 . Da das Verbot der reformatio in peius nicht gilt, also beieinem unbeschränkt zulässigen Einspruch des Angeklagten eine Schlechterstellung durch dasUrteil aufgrund der Hauptverhandlung möglich ist, auch wenn die Hauptverhandlung keinenschwerwiegenderen Sachverhalt ergeben hat, empfiehlt sich die zumindest teilweiseZurücknahme, d.h. nachträgliche Beschränkung des Einspruchs nach § 411 Abs. 3, wenn sicheine solche Schlechterstellung abzeichnet oder wahrscheinlich wird. Die Zurücknahme desEinspruchs und die Teilrücknahme durch nachträgliche Beschränkung ist bis zur Verkündungdes Urteils <strong>im</strong> ersten Rechtszug zulässig 1131 . Nach Beginn der Hauptverhandlung - also mitAufruf der Sache 1132 - ist die Einspruchsrücknahme oder Teilrücknahme aber nur mitZust<strong>im</strong>mung der Staatsanwaltschaft gemäß § 411 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 303 Satz 1möglich 1133 . Einer Zust<strong>im</strong>mung eines eventuellen Nebenklägers zur Einspruchsrücknahmeoder Teilrücknahme bedarf es allerdings nicht, § 411 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 303 Satz 2.2. Vertretung durch Verteidiger1126 Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 10.1127 Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 10; a.A.: AG Braunschweig, MDR 1987,1049.1128 Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 10.1129 Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 10.1130 AG Braunschweig, MDR 1987,1049.1131 Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 9.1132 Kleinknecht/Meyer, § 303 RN 2.1133 Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 9.


Wie <strong>im</strong> Regelverfahren nach § 230 besteht auch in der Hauptverhandlung nach Einspruch desAngeklagten <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren eine allgemeine Anwesenheitspilicht desAngeklagten 1134 . Soweit das Gericht nicht gemäß § 236 das persönliche Erscheinen desAngeklagten anordnet, muß der Angeklagte nicht persönlich erscheinen 1135 . <strong>Der</strong> Angeklagtekann sich vielmehr in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger vertreten lassen.Erforderlich ist insoweit eine auf den Verteidiger ausgestellte schriftliche Vollmacht, derseinerseits Untervollmachten erteilen kann, soweit dies nicht in der Vollmacht ausgeschlossenist. Die Untervollmachten bedürfen dann keiner weiteren Schriftform 1136 .Eine Vertretung durch den Verteidiger ist jedoch dann trotz vorliegender Vollmachten nichtzulässig, wenn der Angeklagte seinen Willen, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, deutlichzum Ausdruck gebracht hat 1137 .Diese Vertretungsmöglichkeit gilt auch <strong>im</strong> Berufungsrechtszug 1138 und <strong>im</strong> ganzen folgendenVerfahren, auch nach Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache durch dasRevisionsgericht 1139 .Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten nach § 236 hebt sein Recht,sich vertreten zu lassen, nicht auf 1140 . Müller hält es für dogmatisch unverständlich, warum dieVertretungsrechte des Verteidigers hier weitergehen als <strong>im</strong> Regelverfahren oder <strong>im</strong>Berufungsverfahren 1141 . Müller sieht als ratio der erweiterten Vertretungsbefugnis desVerteidigers nur die summarische Struktur des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens bzw. die moderne“Auflockerung des Verfahrens" 1142 , die auch das Einspruchsverfahren nach dem OWiG 1143kennzeichnet 1144 . Müller ist der Meinung, daß die Anwesenheitspflicht der StPO demAngeklagten den Anspruch auf rechtliches Gehör sichert, so daß er die Aufweichung der1134 Müller, S. 91.1135 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411 RN 14; Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 12; LR-Gössel, § 411 RN 24; Schmidt II, § 408RN 13; Rieß, ZStW, Beiheft 1978, 200.1136 OLG Karlsruhe, NStZ 1983, 43.1137 OLG Karlsruhe, StV 1986, 289.1138 RGSt 66, 68; Bay 77, 177 = MDR 1978, 510; OLG Zelle, NJW 1970, 906; OLG Düsseldorf, JurBüro 1985, 1352; NStZ1984, 524; OLG Köln, StV 1981, 119; Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 4.1139 Zweifelnd insoweit OLG Köln, AnwBl. 1964, 325.1140 Bay 77, 177 = MDR 1978, 510; OLG Düsseldorf, StV 1985, 52; OLG Frankfurt, StV 1983,268; OLG Hamburg, NJW 1968,1687; OLG Karlsruhe, NStZ 1983, 43; Küper, NJW 1969,493.1141 Müller S. 91, 92.1142 LR-Schäfer (23. Auflage), § 411 RN 12.1143 Vgl. § 73 OWiG.1144 Müller, S, 92.


Anwesenheitspflicht für bedenklich hält und damit der weitgehenden Vertretungsbefugnis desVerteidigers Skepsis entgegen bringt 1145 .Dem ist nicht zu folgen. Denn einerseits hat der Angeklagte es selbst in der Hand, ob erseinem Verteidiger eine derart weitgehende Vollmacht erteilt. <strong>Der</strong> Angeklagte ist alsokeineswegs gehindert, sein Recht auf rechtliches Gehör durch seine Anwesenheitwahrzunehmen. Im übrigen ist weiter davon auszugehen, daß der bevollmächtigte Verteidigerauch die Rechte des Angeklagten, namentlich dessen Recht auf rechtliches Gehör umfassendvor Gericht wahrnehmen wird. Schon daraus ist die von Müller geäußerte Skepsis nicht rechtnachvoIlziehbar gegenüber diesen weitgehenden Verteidigerrechten. Zudem kann auch <strong>im</strong>Einspruchsverfahren bei eventuellen Terminkollisionen zwischen demHauptverhandlungstermin und wichtigen Terminen des Mandanten, wie in jedem anderenVerfahren auch die Terminsverlegung beantragt werden. Daher ist kein Angeklagtergezwungen, <strong>im</strong> Falle einer Verhinderung einen Verteidiger mit schriftlicher Vollmachtauszustatten und sich vertreten zu lassen. Maßgebend ist jedoch, daß diese weitgehendeVertretungsbefugnis des Verteidigers sich aus dem Sinn und Zweck des<strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens entnehmen läßt: Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist für leichte und einfachgelagerte Fälle kleinerer Kr<strong>im</strong>inalität, namentlich für Massenverfahren oder Bagatelldelikte,geschaffen worden. Hier ist es auch für einen Verteidiger einfach, den Sachverhalt zuerfassen und ohne den Angeklagten den Sachverhalt für den Angeklagten darzulegen. Dannist es aber, nicht wie <strong>im</strong> Regelverfahren, erforderlich, daß der Angeklagte unmittelbaranwesend ist und jederzeit den Sachverhalt richtigstellen kann bzw. den Sachverhaltvortragen kann, so wie er sich aus seiner Sicht dargestellt hat. Auch prozeßökonomischeÜberlegungen sprechen dafür, daß die Anwesenheit des Angeklagten nicht unbedingterforderlich ist, sondern daß er sich durch einen Verteidiger vertreten lassen kann, da es sicheben nur um kleinere Delikte handelt. <strong>Der</strong> Angeklagte, der also entweder anderen Terminennachgehen möchte oder aber beispielsweise eine öffentliche Hauptverhandlung scheut, kannalso einen Verteidiger mit einer entsprechenden schriftlichen Vollmacht ausstatten und sich sovertreten lassen, ohne an der mündlichen Hauptverhandlung teilnehmen zu müssen.Diese weitgehende Vertretungsbefugnis des Verteidigers ist also grundsätzlich durchaussinnvoll und begrüßenswert. Gleichwohl hat der Verfasser dieser Arbeit in Wirtschaftsdeliktenbislang noch keinen derartigen Fall erlebt, in dem ein Angeklagter der Hauptverhandlungfernbleiben wollte und eine Vollmacht nach § 411 Abs. 2 ausstellen wollte.1145 Müller, S, 92.


3. Klagerücknahme, § 411 Abs. 3Die Zurücknahme der Klage ist nach § 411 Abs. 3 ohne Beschränkung möglich, solange derAngeklagte gegen den <strong>Strafbefehl</strong> noch keinen Einspruch eingelegt hat 1146 . Wenn derEinspruch nach § 410 Abs. 2 Satz 2 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist, so daßder Schuldspruch Rechtskraft erlangt hat, ist die Zurücknahme der Klage nicht mehrmöglich 1147 . Nur für den Fall, daß auf einen unbeschränkten Einspruch des Angeklagten eineHauptverhandlung stattfindet, erweitert § 411 Abs. 3 die Möglichkeit, die Klage bis zum Beginnder Urteilsverkündung <strong>im</strong> Sinne des § 268 Abs. 2 Satz 1 <strong>im</strong> ersten Rechtszugzurückzunehmen. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahmevorschrift zu § 156, nach dem dieöffentliche Klage nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht mehr zurückgenommen werdenkann.Im <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren kann die Anklage bei rechtzeitigem und formgerechten Einspruchdes Angeklagten bis zum Beginn der Hauptverhandlung - dies ist der Aufruf der Sache nach §243 Abs. 1 Satz 1 - zurückgenommen werden 1148 .Danach kann die Klage nur noch mit Zust<strong>im</strong>mung des Angeklagten bis zur Verkündung desUrteils <strong>im</strong> ersten Rechtszug zurückgenommen werden, § 411 Abs. 3 Satz 1. Ein Verbrauchder Strafklage tritt hierdurch nicht ein 1149 . Die Klagerücknahme durch die Staatsanwaltschaftn<strong>im</strong>mt dem <strong>Strafbefehl</strong> die ihm auch noch nach Einspruch verbleibendeeröffnungsbeschlußersetzende Wirkung 1150 . Dogmatisch überrascht dies, daß dieStaatsanwaltschaft also ohne Zust<strong>im</strong>mung des Gerichts dem Gericht den Eröffnungsbeschlußwieder entziehen kann. Durch diese Konstruktion werden Kompetenzüberschreitungen seitensder Staatsanwaltschaft in richterliche Befugnisse durch das Gesetz gebilligt. Begründet wirddies mit Vereinfachungs- und Beschleunigungserwägungen 1151 .1146 Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 8.1147 Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 8.1148 A.A.: Kleinknecht/Meyer, § 156 RN 3, der die Klagerücknahme noch bis zur Vernehmung zur Sache zulassen will;ebenso OLG Düsseldorf, MDR 1984, 70.1149 RGSt 61, 99; 63, 268, Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411 RN 24; Schorn, S. 125; Müller, S. 93; LR-Gössel, § 411, RN48.1150 Müller, S. 93.1151 LR-Gössel, § 411, RN 36; Schmidt, Nachtr. I, § 411 RN 2; Müller, S. 93.


Im Steuerstrafverfahren kann der von der BuStra gestellte <strong>Strafbefehl</strong>santrag von dieserzurückgenommen werden, bis die Hauptverhandlung nach § 408 Abs. 2 anberaumt oderEinspruch gegen den <strong>Strafbefehl</strong> erhoben wird, §§ 400, 406 Abs.1 AO. Mit Anberaumung derHauptverhandlung oder Einspruchseinlegung geht die Rücknahmebefugnis auf dieStaatsanwaltschaft über 1152 .Hinzuweisen ist noch darauf, daß die Klagerücknahme der Staatsanwaltschaft dieEinspruchseinlegung des Angeklagten voraussetzt. Denn § 411 Abs. 3 Satz 1 setzt - wie auchdie übrigen Absätze des § 411 - einen zulässigen Einspruch des Angeklagten voraus 1153 .Keinesfalls kann die Staatsanwaltschaft nach § 411 Abs. 3 Satz 1 den antragsgemäßerlassenen <strong>Strafbefehl</strong> einfach durch Klagerücknahme beseitigen, wenn kein Einspruchvorliegt. Denn damit würde der Staatsanwaltschaft ein gesetzlich nicht vorgesehenesEinspruchsrecht zustehen. Sie würde auch damit die urteilsersetzenden Wirkungen demantragsgemäß erlassenen <strong>Strafbefehl</strong> nach § 410 Abs. 3 entziehen können, wenn nur derAngeklagte den <strong>Strafbefehl</strong> wirksam werden lassen wollte, die Staatsanwaltschaft jedochdiesen innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist des § 410 Abs. 1 durch Klagerücknahmewieder zunichte machen könnte.4. Einspruchsrücknahme, § 411 Abs. 3§ 411 Abs. 3 statuiert auch für den Angeklagten die Möglichkeit der Einspruchsrücknahme undzwar ebenfalls bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung ohne Zust<strong>im</strong>mung derStaatsanwaltschaft, danach bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils mit Zust<strong>im</strong>mungderselben. Diese Zurücknahmemöglichkeit des Rechtsbehelfs des Angeklagten entspricht derZurücknahmemöglichkeit eines Rechtsmittels nach § 302 <strong>im</strong> Regelverfahren.<strong>Der</strong> Angeklagte verzichtet damit unwiderruflich auf (weiteres) rechtliches Gehör nach Art. 103Abs. 1 GG und auf die Aburteilung aufgrund einer mündlichen Hauptverhandlung, Art. 6 Abs. 1MRK.Umstritten ist allerdings die Frage, ob eine Einspruchsrücknahme noch nach Rückverweisungeiner <strong>Strafbefehl</strong>ssache durch das Rechtsmittelgericht zulässig ist 1154 . Müller weist zutreffend1152 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 156 RN 4.1153 Müller, S. 93.1154 Bejahend BayObLG, GA 1982, 325, 326; OLG Hamm, MDR 1980, 151; LG Osnabrück, Rechtspfleger 1979, 27;Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411 RN 21; Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 9; KMR-Müller, § 411 RN 22; LR-Gössel,


darauf hin, daß insoweit die Unterscheidung zwischen gewährleistender und überprüfenderFunktion des Einspruchs zur Lösung dieses Streits weiterhilft 1155 . Von der gewährleistendenFunktion des Einspruchs her hat sich dieser spätestens mit dem Urteil <strong>im</strong>Einspruchsverfahren, auch wenn es in der Rechtsmittelinstanz aufgehoben wird, erledigt.Nach Zurückverweisung durch das Rechtsmittelgericht geht es nur noch um dieRechtsbehelfsfunktion des Einspruchs. Dies bedeutet aber, daß die Frage nach derRücknahme des Einspruchs ausschließlich nur noch nach den allgemeinenRechtsmittelvorschriften zu beurteilen ist. Bei den Rechtsmittelvorschriften ist aber dieRechtslage für die Berufung eindeutig: Nach Zurückweisung durch das Rechtsmittelgerichtlebt das Recht zur Rücknahme der Berufung wieder auf, die Staatsanwaltschaft muß allerdingszust<strong>im</strong>men 1156 . Sinngemäß gleiches muß dann aber auch für die Einspruchsrücknahme<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren gelten. Während es nach zurückgenommenerBerufung bei dem erstinstanzlichen Urteil bleibt, lebt hier entsprechend der angefochtene<strong>Strafbefehl</strong> wieder auf 1157 .Hiergegen wendet Peters ein, daß dem die Verfahrenskontinuität entgegen stünde 1158 ,wonach die Herrschaft des Angeklagten über den Einspruch durch die Herrschaft über dieKlageentscheidung begrenzt wird. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum dem Angeklagtennach einer Zurückverweisung durch ein Rechtsmittelgericht die Rücknahmemöglichkeit desEinspruchs nicht gegeben sein sollte. Dies entspricht der Rechtsstellung, die der Angeklagteauch <strong>im</strong> Regelverfahren hätte, §§ 302, 303.Daß der Angeklagte <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren insoweit schlechter gestellt sein sollte, ist nichtvom Gesetzgeber gewollt. <strong>Der</strong> Gesetzgeber wollte lediglich einfaches, beschleunigendesVerfahren für die Massen- und Bagatellkr<strong>im</strong>inalität mit dem <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren zurVerfügung stellen. Eine Überschneidung etwaiger Rechtsbehelfsrücknahmemöglichkeiten warsomit vom Gesetzgeber nach dem Sinn und Zweck des Verfahrens nicht beabsichtigt. Im Geteilliegt es <strong>im</strong> Sinne des Gesetzgebers, wenn <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, das auch ausprozeßökonomischen Gründen die Hauptverhandlung ersparen sollte, es nunmehr nach einerRückverweisung durch ein Rechtsmittelgericht nicht zu einer erneuten Hauptverhandlungkommt. Die Einsparung dieser neuerlichen Hauptverhandlung ist dann zweifellos mit der§ 411, RN 31; Roxin, S. 374; Müller, S. 94, Schlüchter, S. 881, Anm. 18 a); Groth NStZ 1983, 9 ff.; ablehnend hingegenLG München II, NJW 1981, 65; Peters, S. 564; Schorn, S. 124.1155 Müller, S. 94.1156 BayObLGSt, NJW 1973, 2308 ff.; Kleinknecht/Meyer, § 303, RN 2; LR-Gollwitzer, § 303 RN 7; Müller, S. 94.1157 Müller, S. 94.1158 Peters, S. 564.


Intension des Gesetzgebers auf Einsparung einer Hauptverhandlung vereinbart. Nach alledemlebt also das Rechtsbehelfs-Rücknahmerecht nach Zurückverweisung durch ein Rechtsmittelgerichtwieder auf. Allerdings muß die Staatsanwaltschaft nach § 303 analog zust<strong>im</strong>men.Hizuweisen ist auch noch darauf, daß nicht eine voll umfängliche Rücknahme des Einspruchserfolgen muß, vielmehr eine Teilrücknahme durch die nachträgliche Beschränkung desRechtsbehelfs ebenso möglich ist 1159 . Eine Beschränkung des Einspruchs auf denRechtsfolgenausspruch soll allerdings dann unwirksam sein, wenn die Feststellungen zumSchuldspruch so knapp und unzulänglich sind, daß sie keine ausreichende Grundlage für diePrüfung des Rechtsfolgenausspruchs bieten 1160 . Nach Auffassung von Meurer hat dies zurFoIge, daß das Gericht in der Hauptverhandlung die Tatsachensfeststellungen <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>hinnehmen muß und keine neuen, eigenen Feststellungen mehr treffen kann 1161 . Solcheweiteren Beweiserhebungen, insbesondere über Strafzumessungstatsachen, werden nachAuffassung von Meurer jedoch vollständig erforderlich, wenn der <strong>Strafbefehl</strong> selbst nurinsoweit recht spärliche Feststellungen gemäß § 409 Abs. 1 enthalten muß. Aus der Praxis istinsoweit Meurer zuzust<strong>im</strong>men. Die meisten <strong>Strafbefehl</strong>e haben <strong>im</strong> Hinblick auf die Strafzumessungstatsacheneher einen dürftigen Inhalt. Zumindest aber in den Fällen, in denen derAngeklagte mit dem ausgeworfenen Strafmaß nicht einverstanden ist, fehlen die relevantenMilderungsgründe bzw. sind Strafschärfungsgründe zu Unrecht 1162 aufgeführt, so daß zumeistweitere Feststellungen über die <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> hinaus von Nöten sind. In diesen Fällen hältMeurer 1163 die Einspruchsbeschränkung für nicht wirksam, da anderenfalls das Gericht seinerAufgabe, über die zu verhängenden Sanktionen zu entscheiden, nicht nachkommen könnte.Meurer zieht hier den Vergleich zu § 318 Satz 1 bei zulässigen Berufungsbeschränkungen:Dort, wie <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, soll nach seiner Auffassung die Rechtsmittel- bzw.Rechtsbehelfsbeschränkung unwirksam sein, wenn sie keine selbständige Prüfung undBeurteilung des angefochtenen Teils der Entscheidung mehr zuläßt 1164 . Dem ist zuzust<strong>im</strong>men.Da das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren den Angeklagten hinsichtlich seiner Rechtsbehelfsmöglichkeitennicht besser aber auch nicht schlechter stellen wollte, als das Regelverfahren, müssen m.E.die Regelungen und die sich hierzu ausgebildete Rechtsprechung entsprechend auch für dieBeschränkung des Einspruchs <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren gelten. Entgegen der Auffassung von1159 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411 RN 9.1160 Meurer, JuS 1987, 882 ff., 886; Rieß/Hilger, NStZ 1987, 205.1161 Meurer, JuS 1987, 883 ff., 886.1162 Gegebenenfalls unter Verstoß des Doppelverwertungsverbotes <strong>im</strong> Sinne des § 46 StGB.1163 Meurer, JuS 1987, 1883 ff., 1886.1164 Meurer, JuS 1987, 1883 ff., 1886.


Müller 1165 ist damit sehr wohl eine teilweise Anfechtung des <strong>Strafbefehl</strong>s durch Einspruch dannmöglich, wenn es sich auch nur um eine Tat <strong>im</strong> Sinne des § 264 Abs. 1 handelt, denn dieSchuld- und Straffrage muß nicht zwingend zusammen angefochten werden. Aber die auch für§ 318 geltende sogenannte Trennbarkeitsformel, die eine Beschränkung der Berufung nurdann für möglich hält, wenn sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem innerenZusammenhang des Urteils - losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil - rechtlich undtatsächlich selbständig verurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung <strong>im</strong>übrigen erforderlich zu machen 1166 , gilt entsprechend für die Beschränkbarkeit des Einspruchs<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren.Ebenso ist die Beschränkbarkeit des Einspruchs nur möglich, wenn aufgrund des stufenweiseZustandekommens die als einheitliches Ganzes anzusehende abschließende Entscheidung insich nicht widersprüchlich ist. Aufgrund des Erfordernisses der Widerspruchsfreiheit ist eineBerufungsbeschränkung dann unwirksam, wenn sie zu Widersprüchen zwischen dem nichtangefochtenen Teil des Urteils und der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts führt 1167 . Obdie Voraussetzungen der Trennbarkeit und der Widerspruchsfreiheit vorliegen, prüft dasRechtsmittelgericht bzw. das mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angerufene Gerichte vonAmts wegen 1168 . Damit aber ist grundsätzlich eine teilweise Einspruchsrücknahme möglich.Die Zust<strong>im</strong>mung ist unwiderruflich und unanfechtbar und muß dem Gericht gegenüber erklärtwerden 1169 . Zwar ist dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eine angemesseneÜberlegungsfrist zuzubilligen, bei einer mehrtägigen Hauptverhandlung genügt allerdings ohneRücksicht auf die Dauer der Unterbrechung die Zust<strong>im</strong>mung zu Beginn des nächstenVerhandlungstages 1170 . Will der Angeklagte bzw. dessen Verteidiger nach Ablauf einerangemessenen Frist seine Rücknahmebereitschaft hinsichtlich des Einspruchs nicht mehraufrechterhalten, so kann die Zust<strong>im</strong>mung allerdings seitens der Staatsanwaltschaft nichtmehr wirksam erklärt werden 1171 .1165 Müller, S. 89, 90.1166 BGHSt 5, 252; 10, 100, 101; 16, 237, 239; 19, 46, 48; 21, 256, 256; 22, 213, 217; 24, 185, 187; 27, 70, 72; 29, 359, 364;Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 318 RN 6.1167 BGHSt 7, 283, 285; 10, 71, 72; 24, 185, 188; 29, 359, 365; OLG Düsseldorf, wistra 1988, 118.1168 BGH, NJW 1980, 1807; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 318 RN 8.1169 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 303 RN 4.1170 OLG Düsseldorf, MDR 1983,1045.1171 OLG Hamm, NJW 1969, 151=JR 1969, 269 mit kritischer Anm. Peters; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 303 RN 4.


Wird die Zust<strong>im</strong>mung ausdrücklich erklärt, so ist sie <strong>im</strong> Protokoll aufzunehmen 1172 . DieZust<strong>im</strong>mung kann aber auch durch schlüssiges Verhalten 1173 oder auch in bloßem Schweigenliegen, sofern dem Angeklagten durch die Zurücknahme nur Vorteile erwachsen 1174 .5. Kein Verbot der reformatio in peiusBei dem Erlaß des Urteils auf den zulässigen Einspruch des Angeklagten gilt das Verbot derSchlechterstellung nach §§ 331, 358 II nicht 1175 , auch wenn die Hauptverhandlung keinenschwererwiegenden Sachverhalt ergeben hat 1176 . Das Gericht kann ebenso den Schuldspruchändern, wie auch ohne vorherigen Hinweis an den Angeklagten 1177 die Geldstrafe durchVeränderung der Anzahl oder Höhe der Tagessätze erhöhen und Nebenfolgen festsetzen, diein dem <strong>Strafbefehl</strong> bislang nicht enthalten waren 1178 .Die Verschlechterungsmöglichkeit wird damit begründet, daß der Einspruch kein Rechtsmittel,sondern nur ein Rechtsbehelf sei 1179 . Ferner wird die Verschlechterungsmöglichkeit auchdamit begründet, daß der Angeklagte in einer Hauptverhandlung aufgrund des gegen ihnerlassenen <strong>Strafbefehl</strong>s nicht besser gestellt werden könne, als wenn gegen ihn zuvor eineAnklage erhoben worden wäre, denn auch dort ist der Richter nicht an die rechtlichenWürdigungen gebunden, sondern kann - jedenfalls nach Hinweis gem. § 265 - die Tat entsprechendanders würdigen und <strong>im</strong> Rahmen seiner sachlichen Zuständigkeit frei entscheiden 1180 .Beide Begründungen sind formal zutreffend, berücksichtigen jedoch nicht, daß der nichtberatene Angeklagte mit einer Verschlechterungsmöglichkeit nicht rechnet bzw. der verteidigteAngeklagte selbst nach Belehrung sich dennoch durch den <strong>Strafbefehl</strong> ungerecht behandeltfühlt und wie selbstverständlich davon ausgeht, daß das Einspruchsverfahren schon nicht zueiner Verschlechterung, sondern, <strong>im</strong> Gegenteil, zu seiner Besserstellung führen werde.1172 Bay 1984, 116=NJW 1985, 754; OLG Köln, MDR 1954, 500.1173 RGSt 64, 17, 20.1174 KG, VRS 1965, 59; OLG Düsseldorf, MDR 1976,1040; OLG Hamm, NJW 1969, 151=JR 1969, 269; Köln,MDR 1954, 500; Rechtspfleger 1977, 105; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 303 RN 6.1175 KG, VRS 17, 285, 289; OLG Hamburg, MDR 1980, 598, 599; OLG Hamm, VRS 36, 117; 41, 302;OLG Zweibrücken, MDR 1967, 236; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411, RN 11.1176 KK-Meyer-Goßner, § 411 RN 31; a.A.: Ostler, NJW 1968, 486 f.; Roxin § 66 B III 3.1177 OLG Hamm, NJW 1980,1587; VRS 1963, 56.1178 Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411 RN 11.1179 LR-Gössel, § 411 RN 56.1180 Müller, S. 95; Schlüchter, S 884 Anm. 35.


Gleichwohl besteht hier die Gefahr, daß zumindest bei, aus Sicht des Richters, unberechtigtenEinsprüchen die Strafe sich erhöht 1181 . Es kann in derartigen Fällen nicht ausgeschlossenwerden, daß der zuständige Richter nach dem Grundsatz "He takes some of my t<strong>im</strong>e - so Itake some of his” 1182 verfährt. Da hilft es auch wenig weiter, wenn die Einlegung vonRechtsmitteln oder die Einlegung eines Rechtsbehelfs wie des Einspruchs 1183 keinenStrafzumessungsgrund darstellen - auch wenn das Rechtsmittel bzw. der Rechtsbehelf klarunzulässig ist.Müller ist zuzust<strong>im</strong>men, wenn er meint, daß gerade der erste Zugang zum Gericht für denBeschuldigten nicht mit einem unwägbaren Risiko einer Strafschärfung behaftet sein sollte 1184 .Nach Auffassung von Müller führt dies dazu, daß entgegen der herrschenden Meinung 1185 diereformatio in peius nicht uneingeschränkt zulässig sein sollte, sondern an objektivnachvollziehbare Gründe gebunden sein muß, die sich aus der unterschiedlichenprozessualen Vorgeschichte von <strong>Strafbefehl</strong> und Urteil <strong>im</strong> Einspruchsverfahren - dortschriftliches und mittelbares Verfahren, hier mündliche und unmittelbare Hauptverhandlung -ergehen 1186 . Nach Auffassung von Müller, dem insoweit zuzust<strong>im</strong>men ist, soll dieVerschlechterung nur dann stattfinden, wenn sich <strong>im</strong> Einspruchsverfahren ein gegenüber demAkteninhalt schwerer wiegender Sachverhalt ergeben hat 1187 .6. Verwerfung des EinspruchsIst der Einspruch unzulässig, wird er (als unzulässig) durch Beschluß verworfen, § 411 Abs. 1Satz 1, 1. Halbsatz.Ist der Einspruch zulässig und nicht durch Rücknahme erledigt, muß der Einspruch gegen denwirksam zugestellten <strong>Strafbefehl</strong> nach § 412 zwingend ohne Verhandlung zur Sache durchUrteil verworfen werden, wenn der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung bei Beginn der1181 Bruns, S. 607; nach Seibert, MDR 1952, 459, besteht eine derartige Gerichtsgepflogenheit, den Angeklagten, der aus derex post-Betrachtung den Einspruch zu Unrecht einlegte, durch eine erhöhte Strafe zu belegen. <strong>Der</strong> Angeklagte wird inder Nähe eines Querulanten eingestuft. Die Verschlechterung soll wohl dann zur Abschreckung anderer Querulantendienen.1182 Weber, DRiZ 1988, 73.1183 KMR-Müller, § 411 RN 18; LR-Gössel, § 411, RN 58; Schmidt II, § 411 RN 14; Müller, S. 95; Peters, S. 564; Bruns, S.607.1184 Müller, S. 95.1185 OLG Hamburg, MDR 1980, 598, 599; KK-Meyer-Goßner, § 411, RN 31; Kleinknecht/Meyer, § 411 RN 11;KMR-Müller, § 411 RN 17,18; LR-Gössel, § 411 RN 58; Schmidt II, § 411 RN 14; Henkel, S. 402 f.; Schlüchter, S.884.1186 Ostler, NJW 1968, 486.1187 Müller, S. 95, 96; Ostler, NJW 1968, 486 L; Roxin, Seite 48, Weigand, Kr<strong>im</strong>J 1984, 30 und sowohl auch Bruns, S. 608.


Hauptverhandlung unentschuldigt ausgeblieben ist und auch nicht wirksam nach § 411 Abs. 2vertreten ist 1188 . Erstreckt sich die Hauptverhandlung über mehrere Verhandlungstage, ist esunerheblich, an welchem der Hauptverhandlungstage der Angeklagte fehlt. Die Verwerfungerfolgt dann, wenn er an einem der Hauptverhandlungstage unentschulgt ausgeblieben ist 1189 .Liegen die Voraussetzungen des § 412 vor, so muß der Einspruch verworfen werden, auchwenn die Voraussetzungen erst nach Beginn der Hauptverhandlung zur Sache festgestelltwerden 1190 . Diese Regelung <strong>im</strong> Rahmen des Rechtsbehelfseinspruchs erinnert an die für dieBerufung geltende Regelung des § 329. Die zu § 329 entwickelten Grundsätze sind dahernach zutreffender Auffassung von Müller 1191 bei der Auslegung des § 412 entsprechend zuberücksichtigen 1192 . Das Verwerfungsurteil nach § 412 ist als rein prozessuales Formalurteil zukennzeichnen, d.h. eine Verhandlung in der Sache selbst findet überhaupt nicht statt 1193 .Für das Verwerfungsurteil gelten die gleichen Grundsätze wie für das Urteil nach § 329 Abs.1 1194 . Die Verwerfung beruht auf dem Gedanken, daß der Angeklagte durch sein Ausbleibenkonkludent seinen Einspruch als zurückgenommen angesehen wissen will 1195 bzw. sein Rechtauf die Hauptverhandlung verwirkt habe 1196 .Gegen dieses Verfahren bestehen aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Bedenken.Denn der Angeklagte hatte durch die Einspruchseinlegung die Chance, eine mündlicheHauptverhandlung zu erzwingen. Wenn er nunmehr zu der erzwungenen mündlichenVerhandlung ausbleibt, braucht er sich nicht zu wundern, daß die ihm gewährte Chance seinergerichtlichen Anhörung und der Aburteilung <strong>im</strong> Rahmen einer Hauptverhandlung verfallen,wenn er verschuldet von der für ihn stattfindenden Hauptverhandlung fernbleibt. Art. 103 Abs.1 GG und Art. 6 Abs. 1 MRK verlangen nicht, daß der Angeklagte tatsächlich rechtlichesGehör erhält oder tatsächlich <strong>im</strong> Rahmen einer mündlichen Hauptverhandlung abgeurteiltwird, sondern sie verlangen vielmehr, daß dem Angeklagten die prozessuale Gelegenheit zurVerfügung gestellt wird, sich in der Hauptverhandlung mündlich zu äußern und <strong>im</strong> Rahmeneiner Hauptverhandlung abgeurteilt zu werden. Verpaßt es der Angeklagte, den Einspruchfrist- und ordnungsgemäß einzulegen oder verspielt er durch Versäumung der1188 Müller, S. 96.1189 LR-Gössel, § 412 RN 11; Schlüchter, S. 882; Müller, S. 96.1190 LG München I, NStZ 1983, 427.1191 Müller, S. 96.1192 OLG Frankfurt, StV 1983, 268; OLG Düsseldorf, StV 1984, 168.1193 OLG Harnburg, NJW 1965, 315; LR-Gössel, § 412 RN 1 f.; Müller, S. 96.1194 Kleinknecht/ Meyer-Goßner, § 413 RN 8.1195 BGHSt 15, 287, 289; Kleinknecht/Meyer, § 329 RN 2; LR -Schäfer (23. Auflage), § 412 RN 3; Peters, S. 630;Müller, S. 97.1196 LR-Gollwitzer, § 329 RN 77; Schmidt, Nachtr., § 329 RN 2; Rieß ZStW, Beiheft, 1978, 204.


Hauptverhandlung auf seinen Einspruch hin die ihm verfassungsrechtlich gewährleistetenRechte, liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 MRK vor 1197 .<strong>Der</strong> Angeklagte kann gegen das Verwerfungsurteil neben dem Antrag auf Wiedereinsetzung inden vorigen Stand nach §§ 44, 45 1198 Berufung und Revision mit der Begründung einlegen, eshabe an den Voraussetzungen des Verwerfungsurteils gefehlt 1199 . Legt der AngeklagteBerufung ein, entscheidet die Kleine Strafkammer, §§ 74 Abs. 3, 76 Abs. 1 GVG. Hatte dasmit der Berufung angfochtene Urteil eines Schöffengerichts eine Wirtschaftsstrafsache zumGegenstand, so ist die Wirtschaftsstrafkammer Berufungsgericht 1200 . Dem Angeklagten gehtalso <strong>im</strong> Falle der Berufungs- und Revisionseinlegung die erste Tatsacheninstanz, nämlich dievor dem Amtsgericht, <strong>im</strong> Falle des unentschuldigten Fernbleibens von der Hauptverhandlungverloren. Nur in den Fällen, in denen dem Angeklagten der Nachweis gelingt, daß ihn an demAusbleiben kein Verschulden trifft, ist entweder der Wiedereinsetzungsantrag erfolgreich oderhat das Berufungsgericht das Urteil aufzuheben und gemäß § 328 Abs. 2 die Sache an dasAmtsgericht zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen 1201 .7. Ausbleiben des Angeklagten, § 412Ist bei Beginn einer Hauptverhandlung der Angeklagte weder erschienen noch durch einenVerteidiger vertreten, so ist der Einspruch entsprechend § 329 Abs. 1, 3 und 4 zu verwerfen,wenn der Angeklagte sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt hat, § 412 Satz 1. DieVerwerfung wegen nicht genügender Enschuldigung des Ausbleibens des Angeklagten setzteine ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung in der durch §§ 216,323 Abs. 1 Satz 1 vorgeschriebenen Form voraus 1202 .Das Fehlen einer Prozeßvoraussetzung, die <strong>im</strong>mer von Amts wegen zu berücksichtigen ist,steht der Verwerfung nur dann entgegen, wenn das betreffende Verfahrenshindernis erst inder Berufungsinstanz eingetreten ist 1203 .1197 BK-Rüping, Art. 103 RN 35; Maunz/Düring-Schmidt-Assmann, Art. 103 RN 8; von Münch-Kunig, Art. 103 RN 9;Rüping, Gehör, S. 146.1198 LR-Gössel, § 412 RN 44 ff..1199 Müller, S. 97.1200 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 74 GVG RN 3, § 74 c GVG RN 6.1201 Müller, S. 97.1202 BGHSt 24, 143, 149; KG JR 1976, 425; OLG Düsseldorf, StV 1982, 127; 1982, 216; OLG Karlsruhe, NJW 1981,471;OLG Köln, VRS 1964,198; OLG Stuttgart, MDR 1986,778.1203 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 329 RN 8.


Das Gericht muß jeden Entschuldigungsgrund beachten, gleichgültig wie er ihm bekanntgeworden ist. Denn es kommt nicht darauf an, ob der Angeklagte sich entschuldigt hat,sondern ob er entschuldigt ist 1204 . Eine genügende Entschuldigung fehlt daher nicht schondann, wenn der Angeklagte einen hinreichenden Entschuldigungsgrund nicht rechtzeitiggeltend macht, obwohl er dazu <strong>im</strong>stande gewesen wäre 1205 oder nicht glaubhaft gemachthat 1206 .Die Entschuldigung kann sich aus den Akten, die das Gericht zu diesem Zweck durchzusehenhat, aus Erklärungen des Verteidigers oder anwesenden Zeugen, aus allgemeinen kundigenTatsachen oder aus naheliegenden Zusammenhängen ergeben.Hat das Gericht Anhaltspunkte dafür, daß das Ausbleiben des Angeklagten entschuldigt seinkönnte, so muß es ihnen durch Ermittlung <strong>im</strong> Freibeweisverfahren nachgehen 1207 . Genügendentschuldigt ist der Angeklagte nur, wenn es glaubhaft scheint, daß den Angeklagten keinVerschulden trifft. Allerdings rechtfertigen bloße Zweifel an der Richtigkeit des tatsächlichenVorbringens des Angeklagten und mögliche Zweifel an der Beweiskraft der vorgelegtenUrkunde nicht die Verwerfung nach § 412 1208 . Bei der Frage, ob das Fernbleiben verschuldetist oder nicht, ist eine weite Auslegung zugunsten des Angeklagten geboten 1209 . In Regelentschuldigt eine Krankheit, wenn sie nach Art und Auswirkung eine Beteiligung an derHauptverhandlung unzumutbar macht 1210 , auch wenn keine Verhandlungsunfähigkeit 1211 , aberdie Gefahr einer Verschl<strong>im</strong>merung der Krankheit besteht 1212 .Umgekehrt entschuldigt allerdings eine testierte Verhandlungsunfähigkeit auch dann nicht,wenn der Angeklagte tatsächlich vor Gericht hätte erscheinen und die Hauptverhandlung hättewahrnehmen können 1213 .1204 BGHSt 17, 391, 396; KG GA 1974, 116; JR 1978, 36; OLG Celle, StV 1987, 192; OLG Düsseldorf, StV 1987, 9;VRS 1971, 292; OLG Frankfurt, NJW 1974, 1151; OLG Karlsruhe, NJW 1969, 476; OLG Koblenz, VRS 1964, 211,212; OLG Köln, VRS 1971, 371; Saarbrücken, NJW 1975, 1613; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 329 RN 18.1205 OLG Düsseldorf, NStZ 1984, 331; OLG Köln, GA 1963, 58; OLG München, MDR 1957, 761.1206 ÖLG Köln, NJW 1953, 1064,1046; VRS 1971, 371.1207 RGSt 64, 239, 246; Bay 1966, 58 = NJW 1966, 1981; KG GA 1973, 29; OLG Düsseldorf, StV 1987, 9, VRS 1971, 292;OLG Frankfurt, NJW 1974, 1151; OLG Hamm, NJW 1965, 410; OLG Karlsruhe, NJW 1969, 476; OLG Köln, NJW1982, 2617; OLG Nürnberg, MDR 1984, 74.1208 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 412 RN 6 und § 329 RN 22.1209 BGHSt 17, 391, 397; RGSt 62, 420; Bay 56, 32 = NJW 1956, 838; OLG Karlsruhe, NJW 1969, 476; OLG Stuttgart,Justiz 1988, 215.1210 OLG Düsseldorf, NStZ 1984, 331: Abszeß in der Mundhöhle.1211 OLG Düsseldorf, StV 1987, 9; OLG Köln, VRS 1972, 442, 444.1212 OLG Düsseldorf, MDR 1982, 954.1213 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 329 RN 26.


Eine Operation ist kein Entschuldigungsgrund, wenn sie aufschiebbar ist 1214 .H. RechtskraftI. Formelle RechtskraftDie Frage der formellen Rechtskraft regelt die Unanfechtbarkeit des <strong>Strafbefehl</strong>s. Dieser istunanfechtbar nach Ablauf der Einspruchsfrist, § 410 Abs. 1 oder <strong>im</strong> Falle des Verzichts aufEinlegung eines Einspruchs nach § 302 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative sowie <strong>im</strong> Fall derZurücknahme des Einspruchs nach § 411 Abs. 3.1. Ablauf der Einspruchsfrist, § 410 Abs. 1<strong>Der</strong> Angeklagte kann gegen den <strong>Strafbefehl</strong> innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beidem Gericht, das den <strong>Strafbefehl</strong> erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der GeschäftsstelleEinspruch einlegen, § 410 Abs. 1 Satz 1.Ist die Zweiwochenfrist abgelaufen, ohne daß ein Einspruch des Angeklagten oder dessenVerteidigers bei dem Gericht eingegangen ist, wird der <strong>Strafbefehl</strong> rechtskräftig und steht danneinem Urteil gleich, § 410 Abs. 3.Von den Fällen des ungenutzten Ablaufs der Einspruchsfrist sind die Fälle zu unterscheiden,bei denen zwar rechtzeitig Einspruch eingelegt wird, dieser dann aber aus anderen Gründenkeine Wirksamkeit entfaltet 1215 , sei es nach § 411 Abs. 3 durch Zurücknahme des Einspruchsdurch den Angeklagten, sei es durch gerichtliche Verwerfung wegen Unzulässigkeit oder seies aufgrund einer Verwerfung nach § 412 i.V.m. § 329 Abs. 1, 3 und 4 wegenNichterscheinens des Angeklagten zur Hauptverhandlung <strong>im</strong> Einspruchsverfahren.1214 OLG Koblenz, OLGSt Nr. 3; zu weiteren Nachweisen vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 329 RN 25 ff..1215 LR-Gössel, § 410 RN 18; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 410 RN 3, 8; Müller, S. 99.


Erwähnenswert ist insoweit noch, daß mehrere Einspruchsberechtigte auch Einsprucheinlegen müssen, anderenfalls der <strong>Strafbefehl</strong> denjenigen gegenüber in Rechtskraft erwächst,die hiergegen keinen Einspruch einlegen 1216 .<strong>Der</strong> von einem Verteidiger eingelegte Einspruch steht dem von dem Beschuldigten selbsteingelegten Einspruch gleich, selbst wenn der Verteidiger zunächst ohne Vorlage einerStafprozeßvollmacht, sondern lediglich die Bevollmächtigung anwaltlich versichernd, denEinspruch einlegt 1217 .Ist die Einspruchsfrist des § 410 Abs. 1 Satz 1 versäumt, bleibt dem Angeklagten lediglichnoch der außerordentliche Rechtsbehelf des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigenStand nach §§ 44 ff.. Zu beachten ist hierbei, daß der Wiedereinsetzungsantrag nach § 47 dieVollstreckung aus dem <strong>Strafbefehl</strong> nicht hemmt, wenn nicht <strong>im</strong> Rahmen desWiedereinsetzungsantrages der Aufschub der Vollstreckung nach § 47 Abs. 2 beantragt undvom Gericht angeordnet wird.2. Verzicht auf Einlegung eines Einspruchs, §§ 410 Abs. 1 Satz 2, 302 Abs. 1 Satz 1und Absatz 2Nach § 410 Abs. 1 Satz 2 gelten die §§ 297-300 und 302 Abs. 1 Satz 1 und Absaatz 2 für das<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren entsprechend. § 302 Abs. 1 Satz 1 regelt die Zurücknahme oder denVerzicht eines Rechtsmittels. § 302 Abs. 2 statuiert, daß der Verteidiger zur Zurücknahmeeiner ausdrücklichen Ermächtigung bedarf.Verzichtet der Angeklagte auf den Rechtsbehelf des Einspruchs, so wird der <strong>Strafbefehl</strong> vorAblauf der Einspruchsfrist nach § 410 Abs. 1 Satz 1 rechtskräftig 1218 . Ein solcherRechtsbehelfsverzicht ist eine bedingungsfeindliche Prozeßhandlung, die als sogenannteBewirkungshandlung 1219 - da unwiderruflich und unanfechtbar 1220 - zum Verlust desEinspruchssrechts führt und somit das Verfahren endgültig beendet. Ist die Verzichtserklärung1216 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 410 RN 9.1217 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 410 RN 10.1218 Müller, S. 99.1219 So in der Terminologie der herrschenden Meinung, siehe hierzu allgemein KMR-Sachs, Eini. X RN 1; LR-Schäfer,Einl. Kap. 10 RN 4 ff.; Peters, S. 252; Roxin, S. 134; Müller, S. 99.1220 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 302, RN 21; LR-Gollwitzer, § 302 RN 39.


abgegeben, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 44 f. unmöglich 1221 . Im<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist die Rücknahmemöglichkeit gleich zweifach geregelt:Erstens gilt die Zurücknahmevorschrift des § 302 Abs. 1 Satz 1 über § 410 Abs. 1 Satz 2entsprechend.Zweitens statuiert § 411 Abs. 3 Satz 1, daß der Einspruch bis zur Verkündung des Urteils <strong>im</strong>ersten Rechtszug zurückgenommen werden kann.Da nach § 411 Abs. 3 Satz 2 § 303 entsprechend gilt, kann in beiden Fällen eineZurücknahme des Rechtsmittels, wenn die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlungergeht, was aufgrund des Einspruchs durch Hauptverhandlung hier geschieht, nach Beginnder Hauptverhandlung nur mit Zust<strong>im</strong>mung des Gegners erfolgen. Damit sind beideRegelungen inhaltlich identisch. <strong>Der</strong> Gesetzgeber ist zwar nicht unbedingt gefordert, diedoppelte Lösung der Rücknahmemöglichkeiten zu korrigieren, da an sich diese Parallelität, diewiderspruchsfrei ist, unschädlich ist. Es spricht allerdings nicht für die Qualität desGesetzgebungsverfahrens, daß solche Parallelitäten vorkommen.3. Zurücknahme des Einspruchs, § 411 Abs. 3Die Zurücknahme des Einspruchs und die Teilrücknahme durch nachträgliche Beschränkungist bis zur Verkündung des Urteils <strong>im</strong> 1. Rechtszug zulässig, nach Beginn derHauptverhandlung allerdings nur mit Zust<strong>im</strong>mung der Staatsanwaltschaft. § 411 Abs. 3 Satz 2i.V.m. § 303 Satz1 1222 . Nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht, kannder Einspruch respektive die Einspruchsbeschränkung erneut bis zur erneutenUrteilsverkündung - nach Beginn der Hauptverhandlung wieder nur mit Zust<strong>im</strong>mung derStaatsanwaltschaft - vorgenommen werden 1223 .4. Verwerfung des EinspruchsSchließlich tritt formelle Rechtskraft des <strong>Strafbefehl</strong>s dann ein, wenn trotz rechtzeitigenEinspruchs dieser vom Gericht als unzulässig oder nach § 412 wegen Ausbleibens desAngeklagten <strong>im</strong> Hauptverhandlungstermin verworfen wird. Während <strong>im</strong> ersteren Fall die1221 BGH NJW 1978, 330; Sarstedt/Hamm, S. 66 f.; Müller, S. 99.1222 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411 RN 9,


Rechtskraft mit der Rechtskraft des den Einspruch verwerfenden Beschlusses entsteht, wirdder <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> Fall des § 412 erst mit Rechtskraft des den Einspruch verwerfenden Urteilsrechtskräftig 1224 .II. Materielle RechtskraftDie Rechtsprechung hat früher die Ansicht vertreten, daß die Rechtskraftwirkung des<strong>Strafbefehl</strong>s wegen der lediglich summarischen Prüfung des Sachverhaltes bei seinem Erlaßbeschränkt werden müsse und daß es daher zulässig sei, die Tat nochmals unter einemrechtlichen Gesichtspunkt zu verfolgen, der <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> bis dahin nicht berücksichtigtworden ist und eine erhöhte Strafbarkeit begründet 1225 . Das Bundesverfassungsgericht hatdiese Rechtsprechung zunächst für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten 1226 , späteraber für den Fall, daß der die höhere Strafbarkeit bedingende Erfolg erst nach rechtskräftigemAbschluß des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens eintritt, dahingehend eingeschränkt, daß entsprechend §153 a Abs. 1 Satz 2, § 85 Abs. 3 Satz 2 OWiG nur die nachträgliche Verfolgung wegen einesVerbrechens <strong>im</strong> Sinne des § 12 Abs. 1, Abs. 3 StGB zulässig ist 1227 .Durch die Neufassung des § 410 durch das StVÄG 1987 ist diese Beschränkung derRechtskraftwirkung, gegen die sich ein großer Teil des Schrifttums ausgesprochen hatte 1228 ,beseitigt worden und damit zahlreichen Streitfragen, die hieran anknüpften, der Bodenentzogen worden 1229 .<strong>Der</strong> nicht mehr anfechtbare <strong>Strafbefehl</strong> äußert nunmehr die gleiche, nur <strong>im</strong> Wiederaufnahmeverfahrenzu beseitigende Rechtskraftwirkung wie ein rechtskräftiges Urteil. Er istvollstreckbar, §§ 409 Abs. 1 Nr. 7, 449, und verbraucht die Strafklage 1230 .1223 Müller, S. 94, 95; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 411 RN 9.1224 Müller, S. 101.1225 BGHSt 3, 13; 6, 120; 9, 10; 18, 141; 28, 69; RGSt 4, 234; 56, 251; 76, 250; Bay 1976, 84 = JR 1977, 477 mit Anm.Kleinknecht.1226 BVerfGE 3, 248 = NJW 1954, 69.1227 BVerfGE 65, 377 = NJW 1984, 604, hier war das Opfer eines Straßenverkehrsunfalls aufgrund der Unfallfolgen erstnach dem rechtskräftigen Abschluß des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens gestorben. Gegenstand des <strong>Strafbefehl</strong>s war hingegen nurdie fahrlässige Körperverletzung.1228 Groth, NJW 1978, 197; umfassend dazu: Müller, S. 101 ff., 113-115.1229 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 410 RN 11.1230 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Vor § 407 RN 4; ders., Einl. 168 ff..


Bei beschränktem Einspruch nach § 410 Abs. 2 tritt die Rechtskraftwirkung in gleichemUmfang ein, wie sie bei einer beschränkten Berufung oder Revision <strong>im</strong> Bezug auf die nichtangefochtenen Urteilsteile eintreten würde 1231 .III. Wiederaufnahme§ 410 Abs. 3 statuiert, daß der rechtskräftige <strong>Strafbefehl</strong> einem rechtskräftigen Urteilgleichsteht. Mit dieser Regelung ist der Streit um die beschränkte Rechtskraft des <strong>Strafbefehl</strong>sdurch den Gesetzgeber beendet worden. Damit ist aufgrund desStrafverfahrensänderungsgesetzes vom 27.01.1987 klargestellt, daß durch denrechtskräftigen <strong>Strafbefehl</strong> die Strafklage ebenso verbraucht ist, wie durch ein rechtskräftigesUrteil 1232 .Somit verbleibt nach rechtskräftiger Beendigung eines <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens nur noch dieWiederaufnahme. Es gelten zugunsten (§ 359) als auch zuungunsten (§ 362) des durch den<strong>Strafbefehl</strong> Verurteilten dieselben Wiederaufhmegründe, die auch <strong>im</strong> Falle einer Verurteilungdurch ein Urteil <strong>im</strong> Falle dessen eingetretene Rechtskraft gegeben sind, § 373 a. Neben denWiederaufnahmegründen zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten ist in § 373 a eindritter Wiederaufnahmegrund geschaffen worden, nämlich dann, wenn neue Tatsachen oderBeweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisengeeignet sind, die Verurteilung wegen eines Verbrechens, § 12 Abs. 1 StGB zu begründen.Dies ist nur der Fall, wenn sich die Tat nachträglich als Verbrechen herausstellt, sei es alsodurch bisher unbekannte oder nachträglich eingetretene Umstände 1233 . Ist dagegen die Tatnur rechtlich fehlerhaft als Vergehen gewertet worden, wobei sämtliche Umstände undBeweismittel, die den Verbrechenscharakter der Tat erkennen ließen, jedoch von derStaatsanwaltschaft und dem zuständigen Richter nicht zutreffend gewürdigt wurden, soscheidet eine Wiederaufnahme nach § 373 a Abs. 1 aus 1234 . Denn es liegen dann keine"neuen Tatsachen oder Beweismittel" <strong>im</strong> Sinne des § 373 a vor, da die Tatsachen oderBeweismittel schon alt, d.h. bekannt waren.Da <strong>im</strong> Wiederaufnahmeverfahren nach § 373 a Abs. 2 die §§ 359-373 entsprechend gelten, ist<strong>im</strong> Wiederaufnahmeverfahren gegen einen <strong>Strafbefehl</strong> zunächst nach § 368 über die1231 Vgl. oben, S. 222 f., 224; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 410 RN 12.1232 Kirch S. 64.1233 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 373 a RN 2.


Zulässigkeit, sodann nach § 370 über die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags zuentscheiden. Wenn der Beschluß zur Wiederaufnahme nach § 370 Abs. 2 rechtskräftig wird,hat der ursprüngliche, rechtskräftige <strong>Strafbefehl</strong> für das weitere Verfahren die Bedeutungeines Eröffnungsbeschlusses 1235 .Soweit dann in dem Wiederaufnahmeverfahren nicht ein Freispruch ohne Hauptverhandlungnach § 371 erfolgt , muß in dem wiederaufgenommenen Verfahren aufgrund einerHauptverhandlung entschieden werden 1236 . In dieser Hauptverhandlung wird dann entwederder <strong>Strafbefehl</strong> aufrecht erhalten oder unter seiner Aufhebung anderweitig in der Sacheentschieden 1237 . § 412 ist jedenfalls ebensowenig anwendbar 1238 wie erneut durch <strong>Strafbefehl</strong>entschieden werden kann 1239 . Das in dem Wiederaufnahmeverfahren dasVerschlechterungsverbot aufgehoben ist, folgt schon aus § 362, bei dessen Vorliegen eineWiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten möglich ist. Es entspricht dem Sinn undZweck des Wiederaufnahmeverfahrens, die betreffende Fehlentscheidung <strong>im</strong> Rahmen derWiederaufnahmegründe zu korrigieren. Dann kann es nach dem Sinn und Zweck dieserVorschriften kein Verschlechterungsverbot geben 1240 . Ebenso ist eine Klagerücknahme nach §411 Abs. 3 wie auch eine Einspruchsrücknahme nach § 411 Abs. 3 ausgeschlossen 1241 , dennda für das Wiederaufnahmeverfahren die Vorschriften der Hauptverhandlung gelten, liegt derStatus wie <strong>im</strong> Normalverfahren nach Eröffnungsbeschluß vor, so daß gemäß § 156 dieöffentliche Klage – auch nicht mit Zust<strong>im</strong>mung des Angeklagten – nicht mehr zurückgenommenwerden kann.Ebenso ausgeschlossen ist eine Verwerfung des Einspruchs nach § 412, denn es gelten diefür die Hauptverhandlung maßgebenden Vorschriften über die Anwesenheitspflicht desAngeklagten gem. §§ 230 ff. 1242 .1234 Neumann, NJW 1984, 780; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 373 a RN 2.1235 KMR-Paulus, § 373 a RN 3; LR-Gössel, § 373 a RN 5; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 373 a RN 4.Kirch, S. 117.1236 LR-Gössel, § 373 a RN 5; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 373 a RN 4.1237 KMR-Paulus, § 373 a RN 3; LR-Gössel, § 373 a RN 5; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 373 a RN 4.1238 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 373 a RN 4; Kirch, S. 116,117.1239 Müller, S. 116.1240 Kirch, S. 117.1241 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 373 RN 4, KMR-Paulus, § 373 RN 10; Peters, Fehlerquellen, S. 165; Kirch, S. 117;a.A. LR-Gössel, § 373 RN 18.1242 Kirch, S. 117.


Stellungnahme und Ausblick<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ist nicht nur wegen seiner für das Gericht verfahrensökonomischenWirkungsweise ein unersetzliches Mittel, kleinere und mittlere Verfahren abschließen zukönnen. Auch die Staatsanwaltschaft wird durch die Möglichkeil der Beantragung eines<strong>Strafbefehl</strong>s durch die BuStra, § 400 AO, nicht unerheblich entlastet.<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong> kann allerdings nicht so knapp, d.h. auf einem zweiseitigenFormular abgefaßt werden, wie der <strong>Strafbefehl</strong> <strong>im</strong> allgemeinen Strafrecht. Insbesondere inSchätzungsfällen ist eine ausführliche Darstellung <strong>im</strong> Sinne eines "wesentlichen Ergebnissesder Ermittlungen" zur Erlangung der gewünschten Akzeptanz be<strong>im</strong> Beschuldigten erforderlich.Auch der abgesprochene <strong>Strafbefehl</strong> sollte häufiger von allen Verfahrensbeteiligten genutztwerden. Bei der Absprache geht es nicht um einen Kuhhandel, sondern darum,verfahrensökonomisch, pragmatisch und kostengünstig ein sachgerechtes Ergebnisherbeizuführen.Für den Beschuldigten hat der <strong>Strafbefehl</strong> die angenehme Wirkung, daß keineHauptverhandlung stattfindet. Insbesondere in der Wirtschaftskr<strong>im</strong>inalität ist daher dieserAnreiz der Vermeidung einer öffentlichen Hauptverhandlung nicht zu unterschätzen.<strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> ist auch <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong> aus beiden Gründen m.E. unersetzlich.Soweit der Strafbann <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren dahingehend erweitert werden sollte, daß auchein oder zwei Jahre Haft ohne Bewährung festgesetzt werden können, muß hinsichtlich derAkzeptanzfunktion bedacht werden, daß kaum ein Beschuldigter einen derartigen <strong>Strafbefehl</strong>akzeptieren würde, wenn der <strong>Strafbefehl</strong> nicht überzeugend und ausführlich den Vorwurfdarlegt und das Strafmaß begründet. Das Ziel, die Hauptverhandlung zu ersparen, kann hiersicher nur durch eine umfangreiche Darstellung des "Wesentlichen Ergebnisses derErmittlungen" und einer ausführlichen Darstellung aller Strafzumessungskriterien erreichtwerden.Die Mehrarbeit für die Strafverfolgungsbehörde wird aber m.E. durch den Wegfall derHauptverhandlung mehr als kompensiert. Denn Gericht und Sitzungsdienst derStaatsanwaltschaft werden durch die Vermeidung der Hauptverhandlung entlastet.Personen, die z.B. wegen ihres Bekanntheitsgrades eine öffentliche Hauptverhandlungscheuen, und die z.B. in einem Steuerstrafverfahren eine Haftstrafe mit oder ohne Bewährung


zu gewärtigen haben, sind m.E. sicher Aspiranten für ein <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren mit einemderart erweiterten Strafbann.Schließlich könnte die Beantragung bzw. Verhängung solcher Haftstrafen <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren auch abgesprochen werden, so daß <strong>im</strong> Ergebnis eine derartigeStrafbannerweiterung durchaus die Attraktivität des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens erhöhen könnte.Zusammenfassung1. Nur der Amtsrichter ist für den Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s zuständig, 24, 25, 74 GVG, § 407Abs. 1. Sollte das Schöffengericht irgendwann aufgrund Strafbannsverschiebungen wiederzuständig werden, erläßt der Vorsitzende des Schöffengerichts allein den <strong>Strafbefehl</strong>. DieSchöffen wirken hierbei nicht mit. Eine entsprechende Klarstellung des Gesetzgebers wärejedoch wünschenswert.2. Im <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren ist eine Freiheitsstrafe mit Bewährung gegenüber dem verteidigtenAngeklagten festsetzbar, § 407 Abs. 2 Satz 2. Die Prognose nach § 56 StGB ist jedoch nursehr schwer aufgrund der Aktenlage durchführbar. Die Intension des Gesetzgebers, dieAttraktivität des <strong>Strafbefehl</strong>s durch diese Strafbannserweiterung ist grundsätzlichbegrüßenswert, der Versuch ist jedoch mißlungen, da die Prognose schwer praktikabel ist. DieMöglichkeit der Verhängung der Haftstrafe sollte daher entweder völlig entfallen oder aber dieBedingung der Bewährungsgewährung sollte wegfallen.3. Es gibt grundsätzlich auch nichtige <strong>Strafbefehl</strong>e. Es gelten insoweit die gleichenVoraussetzungen wie bei nichtigen Urteilen: Es sind inhaltliche, formale und inhaltlich-formaleFehler denkbar. <strong>Der</strong> Fehler muß nur offenkundig sein und sich aus dem <strong>Strafbefehl</strong> selbstergeben und nicht etwa durch Hinzufügung außerhalb des <strong>Strafbefehl</strong>s befindlicherTatsachen. Fehlt also z.B. Zeit und Ort der Tat, hat dies die Nichtigkeit des <strong>Strafbefehl</strong>s zurFolge.4. <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong> hat nicht nur eine Umgrenzungs- und Informationsfunktion wie bei derAnklageschrift, sondern darüber hinaus hat der <strong>Strafbefehl</strong> auch eine Akzeptanzfunktion zuerfüllen.Umgrenzungs- und Informationsfunktion sind gleichwertig. <strong>Der</strong>en Verletzung hat dieEinstellung des Verfahrens zur Folge, §§ 206 a, 260 Abs. 3.


Entgegen der Rechtsprechung des BGH kann auch bei einem geständigen, sachkundigenAngeklagten auf die Umgrenzungs- und Informationsfunktion des <strong>Strafbefehl</strong>s wegen dermöglichen Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem nicht verzichtet werden. Das Risiko derDoppelbestrafung wegen der gleichen Tat steht nicht zur Disposition des Angeklagten.Die Akzeptanzfunktion hat andere Konsequenzen: Ihre Verletzung führt nicht zurRechtswidrigkeit des <strong>Strafbefehl</strong>s - ihre Verletzung führt zum Einspruch des Angeklagten.Denn die Akzeptanzfunktion wendet sich pr<strong>im</strong>är als Auftrag an die Strafverfolgungsbehördeals Verfasserin des <strong>Strafbefehl</strong>sentwurfs und besagt, daß nur ein ordentlicher, umfassenderAnklagesatz mit einer Begründung des Strafmaßes die Akzeptanz be<strong>im</strong> Angeklagtenhervorrufen kann, den <strong>Strafbefehl</strong> zu akzeptieren. <strong>Der</strong> Auftrag an die Strafverfolgungsbehördegeht dahin, daß ein ordentlicher, gut dargestellter und ausführlich begründeter<strong>Strafbefehl</strong>sentwurf gefertigt werden soll, damit der Angeklagte diesen <strong>Strafbefehl</strong> akzeptiertund die Hauptverhandlung vermieden werden kann. Denn da es Ziel des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrensist, daß der Angeklagte den <strong>Strafbefehl</strong> akzeptiert und somit keinen Einsprucheinlegt, muß der sorgfältige, opt<strong>im</strong>ale <strong>Strafbefehl</strong>santrag diese Akzeptanzfunktion leisten, d.h.überzeugen, d.h. Akzeptanz be<strong>im</strong> Angeklagten durch den schriftlichen <strong>Strafbefehl</strong> bewirken.5. Bei steuerlichen Schätzungen ist das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren in der typischen Form -bestehend aus einem 2- oder 3-seitigen <strong>Strafbefehl</strong> - nicht geeignet. Wegen derAkzeptanzfunktion sollte ein opt<strong>im</strong>aler <strong>Strafbefehl</strong> nicht nur eine Schätzungsmethode, sondernmindestens 2 Methoden mit den jeweiligen Rechenwegen umfassend darlegen und dasErgebnis in einer Art "Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen" nachvollziehbar aufschlüsselnund begründen.Die Mehrarbeit bei der Strafverfolgungsbehörde be<strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sentwurf wird dann i.d.R.durch das Ersparnis der Hauptverhandlung mehr als kompensiert. Das Gericht und auch dieStaatsanwaltschaft werden durch weniger Hauptverhandlungen bzw. Sitzungsdiensteentlastet.6. <strong>Der</strong> Grundsatz in dubio pro reo gilt auch <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>. Er wird insbesondere nichtdadurch eingeschränkt, daß der Angeklagte die Beweissituation schuldhaft verschlechtert hat,indem er z.B. keine Bücher oder diese zumindest nicht ordnungsgemäß geführt hat oder keineBelege gesammelt hat. Es gibt insoweit keine Beweislastumkehr zu Lasten desSteuerverkürzers; eine actio illicita zum Nachteil des Steuersünders existiert nicht.


Im Ergebnis ist für die Übertragbarkeit steuerlicher Schätzungsmethoden in dasSteuerstrafverfahren die Gesamtsituation maßgebend: Trägt der Angeklagte keine Einwändegegen die Höhe der steuerlichen Schätzungen vor und kann der Strafrichter die steuerlichenSchätzungen nachvollziehen, so wird er sie gegebenenfalls, unter Abzug gewisserSicherheitsabschläge, dem Tatbestand als auch bei der Strafzumessung zugrundelegen.Erhebt der Angeklagte hingegen gegen die Höhe der ihm zur Last gelegten Verkürzungen insubstantiierter Form Einwände, die die Aussagekraft der steuerlichen Schätzung erschüttern,kann der Strafrichter diesen Sachvortrag nicht mit dem Argument abtun, es sei der Angeklagtegewesen, der durch die Mängel seiner Buchführung die Notwendigkeit einer Schätzungverursacht habe. Es gibt keine Beweislast, sondern nur die Grenze der Widerlegung durchBeweisaufnahme, und die Grenze der widerlegten Schutzbehauptung.7. Hinzuweisen ist aus Verteidigersicht bei Schätzungsverfahren darauf, daß es sich nicht nurfür das Einspruchsverfahren bzw. finanzgerichtliche Klageverfahren empfiehlt, die Schätzungdurch eine nachträgliche - zumindest fragmentarische - Buchführung zu widerlegen, sonderndies um so mehr schon wegen des Grundsatzes in dubio pro reo auch für dasSteuerstrafverfahren gilt. Überhaupt empfiehlt sich aus Verteidigersicht das frühzeitigeGespräch mit der BuStra, der frühzeitige steuerliche als auch steuerstrafrechtliche Vortrag derVerteidigungsargumente und das Offenhalten des Besteuerungsverfahrens bis dasSteuerstrafverfahren abgeschlossen ist.8. Die Sachbearbeitung bei der BuStra bzw. dem Hauptzollamt muß ein Finanzbeamterübernehmen, der als Finanzanwärter des gehobenen Dienstes eine Zusatzausbildungentsprechend der eines Amtsanwaltes hat.9. An den Grad der Überzeugung des Strafrichters bei Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s sind min<strong>im</strong>algeringere Anforderungen als an die Überzeugung <strong>im</strong> Sinn des § 261 zu stellen. Zwar mußauch <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren der Richter von der Täterschaft des Beschuldigten, von dermateriellen Richtigkeit der Tatbeurteilung als auch von der Angemessenheit der Sanktionausgehen. Jedoch ist dies nicht ein "Überzeugtsein" i.S.d. § 261. Denn aufgrund derfehlenden Hauptverhandlung, also aufgrund der Schriftlichkeit und Mittelbarkeit derBeweiserhebung ist nicht der Grad an Überzeugung möglich, der aus dem Inbegriff einerHauptverhandlung geschöpft werden kann. Insoweit ist die Überzeugung des Strafrichters bei<strong>Strafbefehl</strong>sunterzeichnung ein weniger als die Überzeugung i.S.d. § 261. Deshalb empfiehlt


Schaal diese Art der richterlichen Gewißheit <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren mit einem anderenBegriff als dem der Überzeugung zu belegen, da "Überzeugung" mit § 261 untrennbarverbunden sei.Hier bietet sich m.E. als Begriff eine "vorläufige Überzeugung" an.<strong>Der</strong> Begriff der Überzeugung ist m.E. nicht ersetzbar, da er mehr als bloße Vermutungausdrückt und die persönliche Gewißheit des Richters signifikant umschreibt. “Glaube" oderdergleichen würde dem Maß an Sicherheit, dem gegenüber vernünftige Zweifel nicht mehraufkommen dürfen, nicht gerecht. "Vorläufig" deshalb, weil <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren derselbeRichter möglicherweise aufgrund eines Einspruchs seine bisherige Überzeugung, die er bei<strong>Strafbefehl</strong>serlaß von der Täterschaft, dem Tatgeschehen und der Angemessenheit der Strafehatte, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme revidieren muß.10. Verschiedentlich wird ein dem Regelverfahren entsprechendes Zwischenverfahren <strong>im</strong><strong>Strafbefehl</strong>sverfahren vor Erlaß des <strong>Strafbefehl</strong>s durchgeführt, teilweise verbunden mitElementen der Absprache.Die Durchführung eines Zwischenverfahrens analog § 199 ist prozeßökonomisch, da es einenEinspruch vermeiden hilft und die typischen Prüfungen des Zwischenverfahrens, namentlichdie Einstellungsmöglichkeiten nach §§ 170, 153 ff. gedanklich vom zuständigen Richtersowieso durchgeprüft werden müssen. Dann macht es zumindest in den Fällen, in denen ausder Akte der Einspuch des Verteidigers schon fast sicher vorhersehbar ist, durchaus Sinn, dasZwischenverfahren wie <strong>im</strong> Regelverfahren durchzuführen.Ideal kann hier auch eine Absprache durch den Richter gesteuert werden, indem er der einenoder anderen Seite zu erkennen gibt, welchen Argumenten er wohl in einer HauptverhandlungGewicht be<strong>im</strong>essen würde und wie dann die Entscheidung ausfallen würde.11. Es gibt keine Bindungswirkungen für den Strafrichter an steuerrechtliche Entscheidungen.Davon losgelöst kann sich jedoch der Strafrichter dem Finanzgericht anschließen, wenn erdessen Überzeugung teilt.12. Heilungsmöglichkeiten des aufgrund eines mangelhaften <strong>Strafbefehl</strong>santrages erlassenen<strong>Strafbefehl</strong>s etwa durch das Gericht oder den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaftbestehen nicht.


Die Strafverfolgungsbehörde hat jedoch nach erfolgter Einstellung des unheilbar krankenVerfahrens durch Beschluß nach § 206 a außerhalb einer Hauptverhandlung oder durch Urteilnach § 260 Abs. 3 aufgrund Hauptverhandlung die Möglichkeit einen neuen korrekten<strong>Strafbefehl</strong> zu entwerfen und zu beantragen, wenn die Verfolgbarkeit der Tat noch nichtverjährt ist.13. Es gibt keine Bindungswirkung steuerstrafrechtlicher Entscheidungen, insbesondererechtskräftiger <strong>Strafbefehl</strong>e für das Besteuerungsverfahren. Konsequenz ist, daß dassteuerliche Mehrergebnis i.d.R. wesentlich höher ist, als das der strafrechtlichen Verurteilungzugrundegelegte Verkürzungsergebnis.Die Begründung für das Auseinanderfallen der jeweils zugrundegelegten Zahlen liegt an derunterschiedlichen Beweis- bzw. Feststellungslast und insbesondere an dem <strong>im</strong> Strafrechtgeltenden Grundsatz in dubio pro reo, während <strong>im</strong> Steuerrecht gerade bei Schätzungen derGrundsatz in dubio pro fisco gilt.Erst recht kann aus einem rechtskräftigen <strong>Strafbefehl</strong> keine Bindungswirkung für denFinanzrechtsstreit oder das behördliche Veranlagungsverfahren hergeleitet werden, da dasstrafrechtliche Ergebnis nur aufgrund vorläufiger Überzeugung des Richters entstand undnicht mit der Überzeugung i.S.d. § 261 festgestellt wurde. Daher kann aus einemrechtskräftigen <strong>Strafbefehl</strong> jedenfalls für das Besteuerungsverfahren, z.B. fürHaftungsbescheide etc., allenfalls eine Indizfunktion aus dem rechtskräftigen <strong>Strafbefehl</strong>gezogen werden. Zwingend ist ein solcher Schluß jedoch nicht.14. <strong>Der</strong> Strafmilderungsgrund der überlangen Verfahrensdauer beginnt m.E. nichtschematisch bei einer über 10-jährigen Verfahrensdauer, sondern verdichtet sich <strong>im</strong> Laufe derJahre erst zu einem Strafmilderungsgrund und kann dann bei mehr als 10-jährigerVerfahrensdauer zu einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernis bzw.Einstellungsverpflichtung nach § 153 führen. Dies bedeutet aber, daß bei etwa 5 bis 7 JahrenVerfahrensdauer in Steuerstrafsachen, die häufig 5 - 7 Jahre dauern und die häufig nicht nureinen, sondern zwei Fahndungsdurchsuchungen beinhalten, die Belastungen durch dieIntensität der Ermittlungen als auch durch die Dauer der Ermittlungen sich zu einemSträfmilderungsgrund wegen der überlangen Verfahrensdauer verdichten. DieserStrafmilderungsgrund n<strong>im</strong>mt m.E. mit steigenden Belastungen und/oder steigender Dauer desVerfahrens stetig zu, bis er zum Einstellungsgrund erstarkt.


15. Dem Richter ist die Akteneinsicht in die aktuellen, nicht verfahrensgegenständlichenSteuerakten nicht erlaubt. Er kann zwar daraus feststellen wollen, ob der Angeklagtezwischenzeitlich steuerehrlich geworden ist. Die aktuellen, nicht verfahrensgegenständlichenAkten darf er zwecks Feststellung der Höhe des tatsächlichen Nettoeinkommens zurFestsetzung der Tagessatzhöhe jedoch nicht einsehen. Insoweit besteht einBeweiserhebungs- bzw. -verwertungsverbot. In Kollisionsfällen, also in den Fällen, in denen ernur die Steuerehrlichkeit in jüngeren Steuererklärungen überprüfen will, er aber das aktuelleNettoeinkommen erkennen kann, ist ihm grundsätzlich die Akteneinsicht verwehrt, daandernfalls das Steuergehe<strong>im</strong>nis nach § 30 AO nicht gewahrt werden kann.Man sollte m.E. auf die Bekanntgabe durch öffentliche Zustellung, § 40 Abs. 1 und auf eineErsatzzustellung durch Niederlegung, § 37 Abs. 1 i.V.m. § 172 ZPO wegen nichtauszuschließender Verletzung des rechtlichen Gehörs, Art 103 Abs. 1 GG, verzichten. <strong>Der</strong>Gesetzgeber sollte hier eine entsprechende klarstellende Regelung für das<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren treffen.17. Das aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis herrührende plea bargaining wird <strong>im</strong> hiergeltenden Rechtskreis schon praktiziert. Bei aller Unterschiedlichkeit derStrafverfahrensordnungen ist doch festzustellen, daß häufig Absprachen mit Billigung desGerichts getroffen werden. Auch das nolo contendere bietet sich gerade für das<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren an, denn anders als <strong>im</strong> Regelverfahren stellt sich nicht die Frage"Geständnis gegen Strafmilderung", denn ein Geständnis wird <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong> nicht benötigt, daes keine Hauptverhandlung gibt und folglich keine richterliche Überzeugung i.S.d. § 261. Im<strong>Strafbefehl</strong>sverfahren stellt sich daher nur die Frage "Rechtsbehelfsverzicht gegenStrafmilderung". Dies entspricht dem nolo contendere, nämlich der Zusage, sich nicht gegendie Anklage zu verteidigen.18. Die Absprache hat - leider - noch <strong>im</strong>mer etwas Anrüchiges an sich, so daß viele Beteiligteoffenbar der Meinung sind, daß man sie <strong>im</strong> He<strong>im</strong>lichen vornehmen muß, was dem Ansehender Absprache nicht gerade zuträglich ist. Denn nur das, was das Licht der Öffentlichkeit nichtzu scheuen braucht, scheint rechtmäßig zu sein. Allein deswegen wäre es begrüßenswert,wenn der Gesetzgeber die Absprache in dem hier beschriebenen Sinn ausdrücklich fürzulässig erklären würde. Damit würde der Gesetzgeber nur das nachvollziehen, was <strong>im</strong>heutigen Strafverfahren Gang und Gebe ist, diese Regelung hätte also nur klarstellendeFunktion.


19. Im <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens ist die Rücknahmemöglichkeit gleich zweifach geregelt:Erstens gilt die Zurücknahmevorschrift des § 302 Abs. 1 Satz 1 über § 410 Abs. 1 Satz 2entsprechend.Zweitens statuiert § 411 Abs. 3 Satz 1, daß der Einspruch bis zur Verkündung des Urteils <strong>im</strong>ersten Rechtszug zurückgenommen werden kann.Da nach § 411 Abs. 3 Satz 2 § 303 entsprechend gilt, kann in beiden Fällen eineZurücknahme des Rechtsmittels, wenn die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlungergeht, was aufgrund des Einspruchs durch Hauptverhandlung hier geschieht, nach Beginnder Hauptverhandlung nur mit Zust<strong>im</strong>mung des Gegners erfolgen. Damit sind beideRegelungen inhaltlich identisch. <strong>Der</strong> Gesetzgeber ist hier zwar nicht unbedingt gefordert, diedoppelte Lösung der Rücknahmemöglichkeiten zu korrigieren, da an sich diese Parallelität, diewiderspruchsfrei ist, unschädlich ist. Es spricht allerdings nicht für die Qualität desGesetzgebungsverfahrens, daß solche Parallelitäten vorkommen.


LiteraturverzeichnisAsbrock, Bernd, Anm. zu LG Wiesbaden, Urteil vom 23.09.1994, -6 Js 8862.2/94-, wistra1995, 239 ff., 240 f.;App, Michael, Rechtskraftwirkung von <strong>Strafbefehl</strong>en bei Steuerhinterziehung,DStR 1984, 651;Baumann, Jürgen, Von der Grauzone zur "rechtsstaatlichen Regelung", NStZ 1987, 157;Baur, Ulrich, Vereinbarungen in der Schlußbesprechung - Vorteile und Risiken,BB 1988, 602 ff.;Baur, Ulrich, Ein Pferdetritt nach der Selbstanzeige, FAZ, Blick durch die Wirtschaft,18.02.1982, S. 4;Beling, in: Holtzendorff, Encyclopädie der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin 1904;Bender, Peter, § 196 AO und der strafrechtliche Schuldnachweis, ZfZV 1964, 225 ff.;Berz, Ulrich, Zur Reform des Strafverfahren, in: Festschrift für Günter Blau zum70. Geburtstag am 18. Dezember 1985, hrsg. von Hans-Dieter Schwind u.a.,Berlin/New York 1985, S. 51 ff.;Beulke, W., Anmerkung zu BGH, JR 1990, 378 f., JR 1990, 380 f.;Bilsdorfer, Peter, Die Bedeutung von Schätzungen für das Steuerstraf- und-ordnungswidrigkeitenrecht, DStZ 1982, 298;Bilsdorfer, Peter, Die tatsächliche Verständigung <strong>im</strong> Strafprozeß - ein Mittel derStreitvermeidung?, Inf. 1991, 195;Bilsdorfer, Peter / Weyand, Ra<strong>im</strong>und, <strong>Der</strong> Steuerberater <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren,Freiburg 1993;Birkenfeld, Wolfram, Beweis und Beweiswürdigung <strong>im</strong> Steuerrecht, Diss Köln 1973;


BK-Bearbeiter: Kommentar zum Grundgesetz (Bonner Kommentar), hrsg. V. Bodo Dennewitzu.a., Hamburg 1950 ff.;Blumers, Wolfgang, Strafen wegen Steuerhinterzichung, wistra 1987, 1 ff.;Blumers, Wolfgang / Göggerle, Werner, Handbuch des Verteidigers und Beraters <strong>im</strong>Steuerstrafverfahren, Köln 1984;Bode, Hans Jürgen, Verständigung <strong>im</strong> Strafprozeß, DRiZ 1988, 281 ff.;Bohne, G., "Mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit", NJW 53, 1377;Bornhaupt, Kurt Joach<strong>im</strong>, "Tatsächliche Verständigung" in Schätzungsfällen,BB 1985, 1591 f.;Bruns, Hans-Jürgen, Strafzumessungsrecht, Gesamtdarstellung, 2. Auflage, Köln 1974;Burchardi / Klempahn / Wetterich, <strong>Der</strong> Staatsanwalt und sein Arbeitsgebiet, 5. Auflage,München 1982Bussmann, Kai-D. / Lüdemann. Christian, Rechtsbeugung oder rationale Verfahrenspraxis? -Über informelle Absprachen in Wirtschaftsstrafverfahren, MSchrKr<strong>im</strong> 1988, 81 ff.;Cramer, Peter, Absprachen <strong>im</strong> Strafprozeß, in: Festschrift für Kurt Rebmann, München 1989,145 ff.;Crohne, Vereinfachte Verfahrensarten, in: Das kommende deutsche Strafverfahren, Berichtder amtlichen Strafprozeßkommission, hrsg. Von Gürtner, Berlin 1938, S. 453 ff.;Dahs, Hans, Absprachen <strong>im</strong> Strafprozeß, NStZ 1988, 154;Dahs, Hans, Handbuch des Strafverteidigers, 4. Auflage, Köln 1977;


Damaska, Mirjan, <strong>Der</strong> Austausch von Vorteilen <strong>im</strong> Strafverfahren: Plea Bargaining undAbsprachen, StV 1988, 398 ff.;Deal, Detlef (Pseudonym), <strong>Der</strong> strafprozessuale Vergleich, StV 1982, 545 ff.;Dencker, Friedrich, Über He<strong>im</strong>lichkeit, Offenheit und Täuschung bei der Beweisgewinnung <strong>im</strong>Strafverfahren, Anmerkungen aus Anlaß zweier Entscheidungen des BGH, StV 1994, 667 ff.;Dencker, Friedrich / Hamm, Rainer, <strong>Der</strong> Vergleich <strong>im</strong> Strafprozeß, Frankfurt am Main 1988;DieImann, Heinz J., "Guilty Plea" und "Plea Bargaining"Im amerikanischen Strafverfahren - Möglichkeiten für den deutschen Strafprozeß?GA 1981, 558 ff.;Dosenhe<strong>im</strong>er, E., Zur Abänderung des § 408 StPO, DRiZ 1926, 238 f.;Dörn, Harald, Betriebsprüfung - Steuerstrafverfahren - Steuerfahndung,Stbg 1993, 257 ff., 306 ff.;Dörn, Harald, Schätzungen <strong>im</strong> Steuerstraf- und <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren,wistra 1993, 1 ff., 50 ff.;<strong>Dr</strong>eher, Eduard / Tröndle, Herbert, Strafgesetzbuch, Kommentar, 46. Auflage,München 1993;Ehlers, Hans, Warum gibt es <strong>im</strong> Steuerrecht keine Vergleiche, DStR 1965, 64 ff.;Ehlers / Lohmeyer, Steuerstrafverfahren und Steuerordnungswidrigkeitenrecht, 5. Auflage,Stuttgart 1982;Eich, Andreas, Die tatsächliche Verständigung <strong>im</strong> Steuerverfahren und Steuerstrafverfahren,Köln 1992;Erbe, Joach<strong>im</strong>, Zum Wesen des <strong>Strafbefehl</strong>s, Diss. Berlin, Berlin 1979;


Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblattkommentar;Erhard, Fritz, Steuerliche Betriebsprüfung, Sonderauflage, Düsseldorf 1975;Erhard, Fritz, Steuerliche Betriebsprüfung, 3. Auflage, Düsseldorf 1975;Erhard, Fritz / Wenzig, Herbert, Steuerliche Betriebsprüfung (grüne Reihe, Band 12),6. Auflage, Bremen 1991;Feißt, Jürgen, Betriebsprüfung: so kontrolliert das Finanzamt, Planegg, 1993;Foerstemann, Theodor, Principien des preußischen Polizeirechts, Berlin 1869;Franz, A.: <strong>Der</strong> preußische Strafprozeß nach den positiven Gesetzen und legislatorischenQuellen, unter Anführung sämtlicher ergänzender Gesetze, Verordnungen,Ministerialverfügungen und Entscheidungen des königlichen Obertribunals,2. Auflage, Quedlinburg / Leipzig 1855;F/G/S-Bearbeiter: Franzen, Klaus / Gast-De Haan, Brigitte / Samson, Erich, <strong>Steuerstrafrecht</strong>,3. Auflage, München 1985;Franzen / Gast / Joecks-Bearbeiter: Franzen, Klaus / Gast-De Haan, Brigitte / Joecks,Wolfgang, <strong>Steuerstrafrecht</strong>, 4. Auflage, München 1996;Frisch, in: Henkel-Festschrift, S. 273;Fritzsche, Werner, Eine Ungere<strong>im</strong>theit <strong>im</strong> Strafprozeß, DRiZ 1980, 142 ff.;Frohn, Hansgeorg, Strafverteidigung und rechtliches Gehör, verfassungsrechtlicheAnmerkungen zur Strafverfahrensreform, GA 1984, 554 ff.;Fürstenberg, Alexander Freiherr von, Die neuen Anweisungen für das Straf- undBußgeldverfahren, DStR 1985, 455 ff., 507 ff.;


Fuhse, Ekkehard, Ist das Schöffengericht durch § 25 Nr. 2 GVG gehindert, <strong>Strafbefehl</strong>e zuerlassen, Erledigungen <strong>im</strong> beschleunigten Verfahren vorzunehmen, kann es beiStraferwartung unter 2 Jahren Freiheitsstrafe angerufen werden? - Zugleich Besprechung vonOLG Oldenburg, NStZ 1994, 449 -, NStZ 1995, 165:Gallandi, Anm. zu BVerfG (Kammer), Beschluß v. 22.01.1987, NStZ 1987, 420;Gallandi, Volker, Anm. zum Urteil des LG Kassel vom 12.06.1986 (StV 1987, 288), StV 1987,290 ff.;Gegenfurtner, August, Das Strafprozeß-Änderungsgesetz in der Praxis, DRiZ 1965, 334 f.;Ge<strong>im</strong>er, Zur Zulässigkeit von Vereinbarungen über zwischen dem Steuerpflichtigen und derFinanzbehörde zugrunde zu legenden Sachverhalt, DStZ 1991, 279;Glaser, Handbuch des Strafprozesses, in: Bindung Systematisches Handbuch der deutschenRechtswissenschaft, Bd. I, 350 f.;Goerlich, Helmut, Wiedereinsetzung und erster Zugang zu Gericht, NJW 1976, 1526 ff.;Greßmann, <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren mit Auslandsberührung, NStZ 1991, 216;Große, Thomas, Die Schlußbesprechung - ein orientalischer Basar?, StBp 1986, 58 ff.;Groth, Ein Dogma fällt - Das BVerfG zur Rechtskraft des <strong>Strafbefehl</strong>s, MDR 1985, 716;Groth, Klaus-Ulrich, Die Rechtskraft des <strong>Strafbefehl</strong>s, NJW 1978, 197 ff,;Grünwald, Gerald, Zur Ankündigung von Strafmilderug für den Fall eines Geständnisses,NJW 1960, 1941;Günter, Hans-Helmut, Verantwortung und Selbstbewußtsein bei der Verständigung <strong>im</strong>Strafverfahren, DRiZ 1989, 150 f.;Haas, Günter, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren - Ein Beitrag zur Lehre von denProzeßhandlungen, NJW 1988, 1345 ff.;


Haeberlin, C.F.W.J.: Sammlung der neuen deutschen Strafproceßordnungen mit Einschlußder französischen und belgischen sowie der Gesetze über Einführung des mündlichen undöffentlichen Strafverfahrens mit Schwurgerichten, Greifswald 1852;Hamacher, Rolfjosef, Aufgabe und Befugnisse der Steuerfahndung bei der Ermittlung nach§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO, DStZ 1983, 493;Hamm, Rainer, Absprachen <strong>im</strong> Strafverfahren?, ZRP 1990, 337 ff.;Hanack, Ernst-Walter, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafprozeß, Ein besseres Mittel zur Bewältigungvon Großverfahren?, StV 1987, 500 ff.;Hanack, Ernst-Walter, Prozeßhindernis des überlangen Verfahrens?, JZ 1971, 705 ff.;Hanack, Ernst-Walter, Anm. zu BGH, JR 1974, 295 f., JR 1974, 296;Hanack, Ernst-Walter, Maßstäbe und Grenzen richterlicher Überzeugungsbillung <strong>im</strong>Strafprozeß - OLG Celle, NJW 1976, 2030;Hartung, Kommentar zur RAO;Hassemer, Ra<strong>im</strong>und / Hippler, Gabriele, Informelle Absprachen in der Praxis des deutschenStrafverfahrens, StV 1986, 360 ff.;Hassemer, Winfried, Informelle Programme <strong>im</strong> Strafprozeß, StV 1982, 377 ff.;Hassemer, Winfried, Die “Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" –Ein neuer Rechtsbegriff ?, StV 1982, 275 ff.;Hassemer, Winfried, Pacta sunt servanda - Auch <strong>im</strong> Strafprozeß?- BGH, NJW 1989, 2270,JuS 1989, 890 ff.;Hellmann, Uwe, Das Neben-Strafverfahrensrecht der Abgabenordnung, Köln, Berlin, Bonn,München 1995;


Henke, G. Kritische Bemerkungen zur Auslegung des § 396 AO (Steuerhinterziehung),FR 1966, 188 ff.;Hohendorf, Andreas, Zuständigkeit des Schöffengerichts zum Erlaß eines <strong>Strafbefehl</strong>s -Anmerkung zu LG Stuttgart wistra 1994, 40 -, wistra 1994, 294 ff.;Hohmann, R. / Matt, H., Anm. zu BGH, JR 1989, 160 f., JR 1989, 161;Horn, Eckhard, Strafbares Fehlverhalten von Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde?,NJW 1981, 1 ff.;Horn, Eckhard, UPR 1983, 365;Horn, Eckhard, Bindung des Strafrechts an Entscheidungen der Atombe'hörde?NJW 1988, 2335 ff.;Horn, Eckhard, Umweltschutz durch Strafrecht, NuR 1988, 63 f.;Hübschmann / Hepp / Spitaler-Bearbeiter: Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur AOund FGO, Loseblattsammlung, 8. Auflage, Stand: 119 Ergänzungslieferung, Mai 1987;Hühnerfeld, Peter, Kleinkr<strong>im</strong>inalität und Strafverfahren, ZStW 90 (1978), 905 ff.;Jähnke, Symposium;Joecks, Wolfgang, Steuerliche Schätzungen <strong>im</strong> Strafverfahren, wistra 1990, 52 ff.;IKatzenstein, Richard, Das richterliche Strafmandat, IKV 10 (1902), S. 159 ff.;Keller, Rolf / Schmid, Wolfgang, Möglichkeiten einer Verfahrensbeschleunigung inWirtschaftsstrafsachen, wistra 1984, 201 ff.;Kirch, Hermann Josef, Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren nach dem StVÄG 1987, Diss. Köln,Köln 1987;


Kirchhof, Paul, Bestandskräftige Steuerbescheide <strong>im</strong> Steuerverfahren und <strong>im</strong>Steuerstrafverfahren, NJW 19853 2977 ff.;Kirchhof, Paul, Strafwürdigkeit einer den Steuerbescheid erfüllenden Steuerzahlung,NJW 1986, 1315 f.;Kissel, Otto Rudolf, Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, München 1981;KK-Bearbeiter: Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung und zumGerichtsverfassungsgesetz, hrsg. von Gerd Pfeiffer, 2. Auflage, München 1987;Klein, Guido, Die Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislast <strong>im</strong> Steuerrechtund <strong>im</strong> Strafrecht, Köln 1989;Klein, Franz / Orlopp, Gerd, Abgabenordnung, Kommentar, 4. Auflage, München 1989;Kleinknecht, Theodor / Meyer-Goßner, Lutz, Kommentar zur Strafprozeßordung, 41. Auflage,München 1993;Kleinknecht, Theodor / Meyer, Karlheinz, fortgeführt von Meyer-Goßner, Lutz,Strafprozeßordnung, 40. Auflage, München 1991;Kleinknecht, Theodor, Anmerkung zu BayObLG, Beschluß vom 14.07.1976-RReg 2 St 85/76-, JR 1977, 477 f., JR 1977, 479 f.;KMR-Bearbeiter: Kommentar zur Strafprozeßordnung, begründet von Th. Kleinknecht, H.Müller, L. Reithberger, neu bearbeitet von Hermann Müller, Walter Sachs, Rainer Paulus,Loseblattsammlung, ab der 7. Auflage, Frankfurt am Main, Stand: Oktober 1989;Knepper, Karl Heinz, <strong>Der</strong> Vergleich <strong>im</strong> Steuerrecht, BB 1986, 168 f.;Köster, Schätzung <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren, BB 1960, 1121;Koch, Abgabenordnung, AO 1977, Taschenkommentar, 2. Auflage, Köln 1979;


Koch / Scholtz-Bearbeiter: Koch, Karl / Scholtz, Rolf-Detlev,Abgabenordnung, AO 1977, 4. Auflage, Köln 1993;Kohlmann, Günter, Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht einschließlichVerfahrensrecht - Kommentar zu den §§ 369 - 412 AO 1977, Loseblattsammlung, Köln 1977ff., Stand: Februar 1987;Kopp, Ferdinand O., Kommentar zum VwVfG, 2. Auflage, München 1980;Kramer, Bernhard, Grundbegriffe des Strafverfahrensrechts, Ermittlung und Verfahren,Stuttgart 1984;Krauß, Detlef, Das Prinzip der materiellen Wahrheit <strong>im</strong> Strafprozeß, Festschrift für FriedrichSchaffstein, Göttingen 1975, 411 ff.;Krause, Dietmar / Thon, Stefan, Mängel der Tatschilderung <strong>im</strong> Anklagesatz und ihre rechtlicheBedeutung, StV 1985, 252 ff.;Krause, Dietmar, Die Revision <strong>im</strong> Strafverfahren, 3. Auflage, Köln 1987;Krekeler, Wilhelm, Das Zwischenverfahren in Wirtschaftsstrafsachen aus der Sicht derVerteidigung, wistra 1985, 54 ff.;Krey, Volker, Grundzüge des Strafverfahrensrechts, JA 1983, 235 ff.;Krieger, Jochen, Täuschung über Rechtsauffassungen <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>, Franktfurt/M 1987;Krieger, Jochen, Tatbestandsprobleme in Parteispendenverfahren, wistra 1987, 195 ff.;Krüger, Hans-Joach<strong>im</strong>, <strong>Der</strong> Gesetzgeber muß notfalls Konsequenzen ziehen,DRiZ 1989, 150 ff.;Kruse, Heinrich Wilhelm, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, AT, München 1991;


Kunigk, Fritz, Die Staatsanwaltschaftliche Tätigkeit, 3. Auflage, Berlin 1975;Kühl, Kristian, Freie Beweiswürdigung des Schweigens des Angeklagten und derUntersuchungsverweigerung eines angehörigen Zeugen - BGHSt 32, 140, JuS 1986, 115 ff.;Kühn / Kutter / Hofmann, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung,Kommentar, 16. Auflage, Stuttgart 1990;Kühn, Rolf, Reichsabgabenordnung, 3. Auflage, Stuttgart 1954;Küper, in: Lange-Festschrift, S. 75;Küper, in: Festgabe für K. Peters, S. 23;Lammerding, Jo / Sudau, Alfred / Brauel, Heinz,Abgabenordnung und FGO, 11. Auflage, Ach<strong>im</strong> 1991;Latsch, W. / Honemann, Franz, Die Bedeutung der Schlußbesprechung (§ 201 AO)<strong>im</strong> Rahmen der steuerlichen Außenprüfung, StBp 19803 1 ff.;Leise, Horst / Dietz, Gottfried / Cratz, Egon,Steuerverfehlungen, Kommentar zum materiellen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowiezum Straf- und Bußgeldverfahren in Steuersachen,Loseblattsammlung, Stand: 56. Ergänzungslieferung, Oktober 1992;LK-Bearbeiter: Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar. Großkommentar, hrsg. Hans-HeinrichJescheck, Wolfgang Ruß, Günther Wilms, 10. Auflage, Berlin / New York, S. 1978;Loening, Edgar, Gerichte und Verwaltungsbehörden in Brandenburg-Preußen, Halle a.d.S.,1914;Lohmeyer, Heinz, Schätzungen als Schuldnachweis <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren,NJW 1959, 373;


Lohmeyer, Heinz, Die strafrechtliche Verantwortung von Steuerberater und Mandant, Bonn1978;Lohmeyer, Heinz, Praxis der Steuerfahndung, Rechte und Pflichten der Finanzverwaltung-Beschuldigten, Verteiger, Heme / Berlin, 1985;Lohmeyer, Heinz, Schätzungen als Schuldnachweis <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren,NJW 1959, 373 ff.;Lohmeyer, Heinz, Die Bedeutung der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen für denNachweis einer Verkürzung von Steuereinnahmen, DStZ A 1973, 372 ff.;L/R-Bearbeiter: Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz.Großkommentar, 23. Auflage, hrsg. von Hans Dünnebier, Berlin / NewYork 1975-1979;L/R-Bearbeiter: Löwe/Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz.Großkommentar, 24. Auflage, hrsg. von Peter Rieß, BerIin / New York,seit 1984;Lüttger, Hans, <strong>Der</strong> genügende Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, GA 1975 193 ff.;Lüttger, Hans, Das Recht des Verteidgers auf Akteneinsicht, NJW 1951, 744 f.;Mack, Alexandra, Die bindende Verständigung über den Sachverhalt - Ein Weg mit Gefahren,DStR 1991, 272;Malek, Klaus, Verteidigung in der Hauptverhandlung, Heidelberg 1994Marschall, Paul O., Die Bedeutung der Schätzung <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren,DStR 1979, 587 f.;Martens, Joach<strong>im</strong>, Vergleichsvertrag <strong>im</strong> Steuerrecht?, StuW 1986, 97 ff.;


Mattern, G., Die Feststellung des Tatbestandes <strong>im</strong> Besteuerungs- und <strong>im</strong>Steuerstrafverfahren, DStZ 1958, 269;Mattes, Heinz, Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, 1; Halbband:Geschichte und Rechtsvergleichung; 2. Halbband: Geltendes Recht und Kritik; nach demTode des Verfassers herausgegeben und fortgeführt vo Herta Mattes, Berlin 1977 und 1982;Maunz / Dürig-Bearbeiter: Kommentar zum GG, Loseblattausgabe, 1983 ff.;Maurach, Reinhart / Gössel, Karl Heinz / Zipf, Heinz,Strafrecht, AT, Teilband 2, 5. Auflage, Karlsruhe 1978;Mayer, Hellmuth, Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, GS 96, S. 397 ff.;Mayer, Hellmuth, <strong>Der</strong> amtsrichterliche <strong>Strafbefehl</strong>, GS 98. S. 330 ff. und GS 99, S. 36 ff.;Meine, Hans-Gerd, Die Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung,wistra, Schriftenreihe 2, Heidelberg 1990;Meisenberg, Michael,Strafprozessuale Probleme bei der Bekämpfung der Wirtschaftskr<strong>im</strong>inalität,in: Belke, Rolf / Oehmichen, Joach<strong>im</strong>, Wirtschaftskr<strong>im</strong>inalität, Bamberg 1983, 184 ff.;Meurer, Dieter, <strong>Der</strong> <strong>Strafbefehl</strong>, JuS 1987, S. 882 ff.;Meyer-Goßner, Lutz, Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1987, NJW 1987, 1161 ff.;Mittelbach, Rolf, Die Schätzung <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren, Ludwigshafen 1961;Mittelbach, Rolf, Die Schätzung <strong>im</strong> Steuerrecht, NWB, Fach 97, S. 77 ff.;Moliére, Rainer, Die Rechtskraft des Bußgeldbeschlusses, eine Untersuchung zum Umfangder materiellen Rechtskraft des Beschlusses nach § 72 OwiG, zugleich ein Beitrag zurRechtskraft des <strong>Strafbefehl</strong>s, Berlin 1975;


Moschüring, Helmut, Inwieweit lassen sich die Vorschläge zur Reform des Strafverfahrens mitdem Bedürfnis nach Verkürzung der Verfahrensdauer vereinbaren?, RuP 1988, 152 ff.;MüIler, Klaus Jochen, Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren (§§ 407 ff. StPO). Eine dogmatisch-kr<strong>im</strong>inalpolitischeStudie zu dieser Form des schriftlichen Verfahrens unterbesonderer Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung - zugleich Beitrag zum StVÄG1987, Frankfurt am Main, 1993;Müller, Egon, Strafverteidigung, NJW 1981, 1801 ff.;Müller-Dietz, Die Stellung des Beschuldigten <strong>im</strong> Strafprozeß, ZStW 93 (1981), 1177 ff.;Münch-Bearbeiter: Ingo von Münch (Hrsg.), Kommentar zum GG, Bd. I 3.Auflage 1985, Bd. II und III 2. Auflage 1983;Nestler-Tremel, Cornelius, <strong>Der</strong> Handel um die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege,DRiZ 1988, 288 ff.;NestIer-Tremel, Cornelius, Anm. zu LG Berlin, StV 1989, 109 ff.;Neumann, Ulfried, Zur Frage der Rechtskraft von <strong>Strafbefehl</strong>en, NJW 1984, 779 f.;Niemöller, Martin, Absprachen <strong>im</strong> Strafprozeß, StV 1990, 34 ff.;Odersky, Walter, in: Tröndle-Festschrift, S. 300;Ostler, Fritz, § 411 Abs. 3 StPO -"Klarer Wortlaut" und wirklicher Sinn, NJW 1968, 486 f.;Paulick, Heinz, Lehrbuch des allgemeinen Steuerrechts, 3. Auflage, Köln 1977;Peters, Karl, Strafprozeß, 3. Auflage, Karlsruhe 1981;Peters, Karl, in: Festschrift für Henkel, 1974, 255 ff.;Peters, Karl, Anmerkung zu BGH, JR 1969, 266 f., JR 1969, 267;


Peters, Karl, Fehlerquellen <strong>im</strong> Strafprozeß, Eine Untersuchung der Wiederaufnahmeverfahrenin der Bundesrepublik Deutschland, 3. Band: Wiederaufnahmerecht, Karlsruhe 1974;Pieck, Werner, <strong>Der</strong> Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren, Art. 6 Abs. 1 dereuropäischen Menschenrechtskonvention in seiner Bedeutung für das deutscheVerfahrensrecht, Berlin 1966;Rahn, Dietrich / Schaefer Christoph, Mustertexte zum Strafprozeß, 5. Auflage, München 1993;Rasenack, Christian, Steuern und Steuerverfahren, Heidelberg 1985;Rebmann, Kurt / Roth, Werner / Hermann, Siegfried, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten,Kommentar, Loseblattsammlung, 2. Auflage, Stuttgart, Stand: Januar 1990;Rex, Erhard, Verständigung <strong>im</strong> Strafverfahren, Gutachten der Großen Strafrechtskommissiondes DRB, DRiZ 1991, 31 f.;Rieß, Zweifelsfragen zum neuen <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, JR 1986, 133;Rieß, Peter / Hilger, Hans, Das neue Strafverfahrensrecht-Opferschutzgesetz undStrafverfahrensänderungsgesetz 1987, NStZ 1987, 145 ff., 204 ff.;Rieß, Peter, Die Änderungen <strong>im</strong> Strafverfahrensrecht zum 01.04.1987, SIV 1987, 214;Rieß, Peter, Anmerkung zu BGH NJW 1987, 1209 (= JR 1987, 389), JR 1987, 389;Rieß, Peter, Anmerkung zu OLG Frankfurt, Beschluß vom 01.07.1988, -1 Ss 467/87-,OLGSt, § 200 StPO Nr. 1, S. 3;Rieß, Peter, Arm. zu DStZ (RStZ) 1981, 447;Rieß, Peter, ZStW, Beiheft 1978, 200;Rogall, Klaus, <strong>Der</strong> Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, Berlin 1977;


Roxin, Claus, Strafverfahrensrecht, 21. Auflage, München 1989;Röhl, Hellmut, Das rechtliche Gehör, NJW 1958,1268 ff.;Römer, Josef, Kooperatives Verhalten der Rechtspflegeorgane <strong>im</strong> Strafverfahren, inSchmidt-Leichner-Festschrift, München 1977, S. 133 ff.;Rönnau, Thomas, Die Absprache <strong>im</strong> Strafprozeß, Baden Baden 1990;Rössler, StuW 1968, 140 ff.;Rößler, Gerhard, Nochmals: <strong>Der</strong> bestandskräftige Steuerbescheid <strong>im</strong> Steuerverfahren und <strong>im</strong>Steuerstrafverfahren, NJW 1986, 972 f.;Rößler, Gerhard, Die tatsächliche Verständigung in Schätzungsfällen, BB 1986, 1075 f.;RößIer, Gerhard, Die tatsächliche Verständigung <strong>im</strong> Steuerrecht - Anm. zum Urteil des BFHvom 11.12.1984, -VIII R 131/76-, DB 1985, 1861;Ruppel, Alfred, Die “tatsächliche Verständigung" mit dem Finanzamt - Vorteil oder Nachteil?,DStR 1985, 684 f.;Rückel, Christoph, Verteidigertaktik bei Verständigungen und Vereinbarungen <strong>im</strong>Strafverfahren, NStZ 1987, 297 ff.;Rudolphi, Hans-Joach<strong>im</strong>, ZfW 1982, 202 ff.;Rudolphi, Hans-Joach<strong>im</strong>, Pr<strong>im</strong>at des Strafrechts <strong>im</strong> Umweltschutz, NStZ 1984, 193 ff.;Rudolphi, Hans-Joach<strong>im</strong>, in: Lackner-Festschrift, S. 880;Rüping, Hinrich, Funktionen der Laienrichter <strong>im</strong> Strafverfahren, JR 1976, 272;Rüping, Hinrich, Das Strafverfahren, 2. Auflage, München 1983;


Saarstedt, Werner / Hamm, Rainer, Die Revision in Strafsachen, 5. Auflage,Berlin / New York 1983;Sangmeister, Bernd, Pacta sunt servanda - oder die Pflicht zur Einhaltung einer sächlichenVerständigung, BB 1998, 609 ff.;Schaal, Hans-Jürgen, Hinreichender Tatverdacht oder richterliche Überzeugungsbildung fürden <strong>Strafbefehl</strong>serlaß?, in: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer,hrsg. von Geppert, Klaus / Dehnicke, Diether, Berlin / New York 1990, S. 427 ff.;Schäfer, Gerhard, Die Praxis des Strafverfahrens, 3. Auflage, Berlin, 1983;Schäfer, Herbert, Rechtsgespräch und Verständigung <strong>im</strong> Strafprozeß, DRiZ 1989, 294 ff.;Scheffler, Uwe, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 18.04.1990, -3 StR 252/88-,wistra 1990, 319 f.;Schick, Walter, Vergleiche und sonstige Vereinbarungen zwischen Staat und Bürger <strong>im</strong>Steuerrecht (Steuerrecht <strong>im</strong> Rechtsstaat, Heft Nr. 5), 1967, München;Schlüchter, Ellen, Das Strafverfahren 2. Auflage, Köln 1983;Schmidhäuser, Eberhard, Freikaufverfahren mit Strafcharakter <strong>im</strong> Strafprozeß?,JZ 1973, 529 ff.; ,Schmidt-Hieber, Werner, Verständigung <strong>im</strong> Strafverfahren, Möglichkeiten und Grenzen für dieBeteiligten in den Verfahrensabschnitten, München 1986;Schmidt-Hieber, Verständigung <strong>im</strong> Strafverfahren (Hg.: JustizMin. Bad-Württ.) 1987, 50;Schmidt-Hieber, Werner, Vereinbarungen <strong>im</strong> Strafverfahren, NJW 1982, 1017 ff.;Schmidt-Hieber, Werner, Absprachen <strong>im</strong> Strafprozeß-Privileg des Wohlstandskr<strong>im</strong>inellen?,NJW 1990, 1884 ff.;


Schmidt-Hieber, Werner: Beschleunigung des Strafverfahrens durch Kooperation, in: Justizund Recht, Festschrift aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens der deutschen Richterakademiein Trier, hrsg. von Werner Schmidt-Hieber und Rudolf Wassermann, Heidelberg 1983, S. 193ff.;Schmidt-Troje, Christa, Steuerfahndung, Bonn 1987;Schmidt, Eberhard, Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz,Teil I-III, 2. Auflage, Göttingen 1957, 1960, 164;Schmidt, Eberhard, Anm. zu BGH JR 1961, 30, JR 1961, 30;Schorn, Hubert, Das <strong>Strafbefehl</strong>s- und Strafverfügungsverfahren, Frankfurt 1962;Schönke / Schröder-Bearbeiter: Schönke, Adolf / Schröder, Horst, Strafgesetzbuch,Kommentar, begründet von Adolf Schönke, fortgeführt von Horst Schröder, 24. Auflage,bearbeitet von Theodor Lenckner u.a., München 1991;Schreiber, Hans-Ludwig, Akteneinsicht für Laienrichter? Zu den Grundsätzen von Mündlichkeitund Unmittelbarkeit <strong>im</strong> Strafprozeß, in: Festschrift für Hans Welzel, Berlin / New-York, 1974,S. 941-956;Schreiber, Hans-Ludwig, Verfahrensrecht und Verfahrenswirklichkeit, ZStW 1988 (1976), 117ff.;Schroeder, Friedrich-Christian, Grenzen der Rationalisierung des Strafverfahrens, NJW 1983,137 ff.;Schröder, Johannes / Delhey, Wilhelm, Betriebsprüfung (Steuer) nebst gesetzlichenGrundlagen und ergänzenden Vorschriften, Handkommentar, Berlin 1970;Schubert, Werner / Regge, Jürgen, Gesetzesrevision (1825-1848), I. Abteilung Straf- undStrafprozeßrecht, Bd. 1: Strafrecht (Ministerium Dankelmann; 1827 - 1930), hrsg. undeingeleitet von Jürgen Regge mit einer Einführung in die Gesamtedition von Werner Schubert


und Jürgen Regge; Bd. 2: Straf- und Strafprozeßrecht (Ministerium Dankelmann; 1828 -1830), hrsg. von Jürgen Regge, Vaduz 1981,1982;Schuhmann, Helmut, Die tatsächliche Verständigung <strong>im</strong> Steuerverfahren, DStZ 1995, 34 ff.;Schumann, Karl F., <strong>Der</strong> Handel mit der Gerechtigkeit, 1977, 201 ff., Frankfurt am Main, 1977;Schünemann, Bernd, Absprachen <strong>im</strong> Strafverfahren? Grundlagen, Gegenstände undGrenzen, Gutachten B für den 58. dt. Juristentag, in: Verhandlungen des 58. dt. JuristentagesMünchen 1990, München 1990;Schünemann, Bernd, Die Verständigung <strong>im</strong> Strafprozeß - Wunderwaffe oderBankrotterklärung der Verteidigung?, NJW 1989, 1895 ff.;Schünemann, Bernd, Exper<strong>im</strong>entelle Untersuchung zum Thema: Informelle Verständigung <strong>im</strong>Strafverfahren, Mannhe<strong>im</strong> 1987, S. 1 - 16;Schwarz-Bearbeiter: Schwarz, Kommentar zur AO, Loseblattsammlung,Stand: 65. Ergänzungslieferung Dezember 1993;Seier, Jürgen, <strong>Der</strong> strafprozessuale Vergleich <strong>im</strong> Lichte des § 136 a StPO, JZ :1988, 683 ff.;Seibert, Claus, Fehler bei der Strafzumessung, MDR 1952, 457 ff.;Seifert, Helmut, Steuerfestsetzung und Steuerstrafverfahren, BB 1960, 978;Sessar, Klaus, Empirische Untersuchungen zu Funktionen und Tätigkeit derStaatsanwaltschaft, ZStW 87 (1975), 1033 ff.;Siegismund, Eberhard / Wichern, Thomas, Das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege,wistra 1993, 81 ff., 136 ff.;Spiegel, Helmut, Probleme der Schätzung <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren, wistra 1987, 48;Siolek, Wolfgang, Verständigung <strong>im</strong> Strafverfahren - Eine verfassungswidrige Praxis!


DRiZ 1989, 321 ff.;Siolek, Wolfgang, Verständigung in der Hauptverhandlung, Baden-Baden 1993;Sonthe<strong>im</strong>er, Jürgen, <strong>Der</strong> verwaltungsrechtliche Vertrag <strong>im</strong> Steuerrecht, Köln 1987;Strate, Gerhard, Anmerkung zu BGH NStZ 1989, 438 f., NStZ 1989, 439 ff.;Streck in Kohlmann (Hrsg.), Strafverfolgung und Strafverteidigung, Köln 1983;Streck, Michael, Die Steuerfahndung, 2. Auflage, Köln 1993;Streck, Michael / Schwedhelm, Ralf, "Tatsächliche Verständigung" und § 370 AO,DStR 1986, 713 ff.;Stree, W., Anm. zu dem Beschluß des Pfälzischen OLG Zweibrückenvom 16.01.1991 - 1 Ws 18-19/91 -; JR 1991, 477 f., 478 f.;Stypmann, Rolf, Methoden zur Feststellung der Steuerverkürzung und Schätzung <strong>im</strong>Steuerstrafverfahren, wistra 1983, 95;Suhr / Naumann / Bilsdorfer, <strong>Steuerstrafrecht</strong>-Kommentar, 4. Auflage, Berlin 1986;Terhorst, Bruno, Informelle Absprachen <strong>im</strong> Strafprozeß, DRiZ 1988, 296 ff.;Terhorst, Bruno, Information und Aktenkenntnis der Schöffen <strong>im</strong> Strafprozeß,MDR 1988, 809 ff.;Teske, Die Abgrenzung der Zuständigkeiten und der Beweisverfahren <strong>im</strong> Besteuerungsverfahrenund <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren unter besonderer Berücksichtigungdes § 393 AO de lege lata und de lege ferenda, München 1989;Theil, Clemens, Anmerkung zu BGH BB 1984, 2180 f., BB 1984, 2181;


Thuma, Robert, Das <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren <strong>im</strong> geltenden und künftigen Recht, Diss. Tübingen,Tübingen 1935;Tipke, Klaus / Kruse, Heinrich Wilhelm, Kommentar zur AO und FGO, Loseblattsammlung,Stand: 69. Ergänzungslieferung, April 1993;Tipke, Klaus / Lang, Joach<strong>im</strong>, Steuerrecht - Ein systematischer Grundriß,12. Auflage, Köln 1989;Vent, Helmut, Zur Frage der Korrektur eines rechtswidrigen, aber rechtskräftigen <strong>Strafbefehl</strong>s,JR 1980, 400 ff.;Verhandlungen des 58. Deutschen Juristentages (München 1990, Bd. 2, Teil L),Absprachen <strong>im</strong> Strafverfahren? Grundlagen, Gegenstände und Grenzen. München 1990;Vogel, Klaus, Vergleich und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung <strong>im</strong> Steuerrecht, Festschrift fürGeorg Döllerer, hrsg. von Brigitte Knobbe-Keuk, Franz Klein, Adolf Moxter, Düsseldorf 1988,S. 677 ff.;Volk, Klaus, <strong>Der</strong> Laie als Strafrichter, in: Festschrift für Hanns Dünnebier,Berlin - New York 1982, S. 373-389;Wannemacher, Wolfgang J., Steuerberater und Mandant <strong>im</strong> Steuerstrafverfahren,2. Auflage, Bonn, 1987;Wannemacher, Wolfgang J.,Steuerfahndung und Steuerstrafverfahren, Typische Besonderheiten, vermeidbare Fehler,Abwehrmaßnahmen, Praktische Hinweise zur Verteidigung, Bonn, 1985;Warda, Günter, Das zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, MDR 1965, 1 ff.;Wassermann, Rudolph, Kritische Überlegungen zur Bekämpfung der Wirtschaftskr<strong>im</strong>inalität,Kr<strong>im</strong>inalistik 1984, 20 ff.;Wassermann, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 19/80, S. 34 (FN 1013);


Weber, Viktor, "He takes some of my t<strong>im</strong>eStrafprozeß? - Ein Tagungsbericht, DRiZ 1988, 73;- so I take some of his", "Vergleich" <strong>im</strong>Weber, Victor, "He takes some of my t<strong>im</strong>e - so I take some of his", DRiZ 1988, 73;Weber-Blank, Michael, Einstellung von Steuerstrafverfahren durch die Strafsachenstellen derFinanzbehörden nach §§ 153 und 153 a StPO ohne Zust<strong>im</strong>mung des Gerichts,wistra 1995, 134 ff.;Wedelstädt, Alexander von, Tatsächliche Verständigung - Rechtslage, Voraussetzungen,Inhalt, Folgen, DB 1991, 515;Weigend, Thomas, Strafzumessung durch den Staatsanwalt? Lösbare und unlösbareProbleme bei der Verfahrenseinstellung unter Auflagen (§ 153 a StPO), Kr<strong>im</strong>J 1984, 8 ff.;Weigend, Thomas, Abgesprochene Gerechtigkeit, JZ 1990, 774;Weigend, Thomas, Strafzumessung durch die Parteien - Das Verfahren plea bargaining <strong>im</strong>amerikanischen Recht, ZStW 1994, 200;Weigend, Thomas, Sanktionen ohne Freiheitsentzug, GA 1992, 365;Welzel, Hans, Irrtumsfragen <strong>im</strong> <strong>Steuerstrafrecht</strong>, NJW 1953, 486;Wenner, Gerd, Die Aufklärungspflicht gemäß 244 Abs. 2 StPO, Bochum 1982;Wessels, Johannes, Die Aufklärungsrüge <strong>im</strong> Strafprozeß, JuS 1969, 1 ff.;Widmaier, Gunter, <strong>Der</strong> strafprozessuale Vergleich, StV 1986, 357 ff.;Zierl, Gerhard, <strong>Der</strong> Vergleich <strong>im</strong> Strafverfahren - oder "Tausche Geständnis gegenBewährung" Anwbl 1985, 505;Zipf, Heinz, Strafprozeßrecht, 2. Auflage, Berlin - New York 1977;


Zöller / Vollkommer-Bearbeiter: Zöller, Richard / Vollkommer, Max,Zivilprozeßordnung, 18. Auflage, Köln 1993;Zschockelt, Alfons, Die Urteilsabsprache in der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH,NStZ 1991, 305 ff.;Zuck, Rüdiger, <strong>Der</strong> Deal, MDR 1990,18 ff.;


RegisterAbgabeAblauf der EinspruchsfristAblehnung des <strong>Strafbefehl</strong>santragesAblehnung wegen UnbegründetheitAblehnung wegen UnzulässigkeitAbschluß der ErmittlungenAbschlußvermerkAbspracheAbweichungen vom <strong>Strafbefehl</strong>santragAbzahlungsratenactio illicita in causaAdressat des EinspruchsAkkusationsprinzipAkteneinsichtsrechtAkzeptanzfunktionAmtsaufklärungspflichtAnberaumung der HauptverhandlungAnfangsverdachtAnforderungen an die Überzeugung des RichtersAnklagesatzAusbleiben des AngeklagtenAusgleichsbemühungen gegenüber dem VerletztenAuswahlermessenAuswirkungen von Absprachen auf MitbeschuldigteAußenprüferäußerer BetriebsvergleichBAK- WertBedenken des RichtersBegründung des EinspruchsBekanntmachung durch öffentliche ZustellungBelastungsindizBerechnungsschema


Beschränkbarkeit des EinspruchsBeschwerdegegenstandBesteuerungsgrundlageBesteuerungszeitraumbest<strong>im</strong>mtes StrafmaßBeweislastBeweismittelersatzBindung der Betriebsprüfung / Fahndungsprüfung bzw. BuStra an das Ergebnis derSchlußbesprechungBindung der Finanzverwaltung an rechtskräftige steuertrafrechtliche EntscheidungenBindung des Richters an den <strong>Strafbefehl</strong>santragBindung des Strafrichters an eine tatsächliche VerständigungBindung des Strafrichters an steuerrechtliche FeststellungenBindungswirkung von AbsprachenBuStraDevolutiveffektDienstaufsichtsbeschwerdeDispositionsbefugnis der AbsprachebeteiligtenDoppelbestrafungDoppelfunktion des <strong>Strafbefehl</strong>sDurchsuchungEinigung als GeständnisEinigungsversuchEinspruchEinspruchsrücknahmeEinspruchsverfahrenEinstellung des VerfahrensEinstellungsprüfungErfahrungssätzeErfolgsdeliktErledigungenErmittlungsgrundsatzErmittlungsmonopol


ErmittlungspflichtErmittlungsverfahrenEröffnungsbeschlußErsatzzustellungEvokationsrechtFäIligkeitssteuernFeststellungslastForm des Einspruchsformelle RechtskraftFreiheitsstrafeFreispruchFrist zur EinspruchseinlegungGegenüberstellungGeldstrafeGeldverkehrsrechnungGeständnisGewaltenteilungsgrundsatzHaftstrafeHauptverhandlungHeilungsmöglichkeiten bei Funktionsmängelnhinreichender TatverdachtIndizientatsachein dubio pro reoin dubio pro fiscoInformationsfunktionInhalt des <strong>Strafbefehl</strong>sinnerer BetriebsvergleichIst-EinnahmeKassenfehlbetragsrechnungkein Verbot der reformatio in peius


KlagerücknahmeKontrolle der Absprachen durch die ObergerichteKontrollmitteilungKostenentscheidungLadung des AngeklagtenLegalitätsprinzipLohnpfändungMahnverfahrenMandatsverfahrenMängel der AkzeptanzfunktionMängel der InformationsfunktionMängel der UmgrenzungsfunktionMassenverfahrenmaterielle RechtskraftMilderungenMittelbarkeitMitwirkungspflichtenMündlichkeit(-sgrundsatz)Nachbesserungsmöglichkeiten bei fehlerhaftem<strong>Strafbefehl</strong>santragNachermittlungne bis in idemnemo tenetur se ipsum accusare proddereNetto-Einkommenneuer <strong>Strafbefehl</strong>santragNichtigkeitNichtöffentlichkeitÖffentlichkeitsgrundsatzOrdnungswidrigkeitplea bargainingPolize<strong>im</strong>andate


PostzustellungsurkundeProzeßgegenstand des <strong>Strafbefehl</strong>santragesrechtliches GehörRechtsbehelfRechtsbehelfsbelehrungRechtsfolgeRechtsgesprächRechtshängigkeitRechtskraftRücknahmeSachurteilsvoraussetzungenSchätzung nach EinzelfeststellungSchätzung nach LebenshaltungskostenSchätzungen der FinanzverwaltungSchlüssigkeitSchlußbesprechungSchöffengerichtSchrIftlichkeitSchuldumfangSchuldzinsenSelbstanzeigeSicherheitsabschlägeSicherheitszuschlägesofortige Beschwerde der StaatsanwaltschaftSoll-EinnahmeSteuer-IstSteuer-SollSteuerartSteuerhinterziehungSteuerverkürzungenSteuerfahndungSteufaStrafbarkeit der Absprachebeteiligten


<strong>Strafbefehl</strong>santrag<strong>Strafbefehl</strong>sentwurf<strong>Strafbefehl</strong>serlaßStrafentabellenStrafklageverbrauchStrafmilderungsgrund bei überlanger VerfahrensdauerStrafmilderungsgrund tatsächliche VerständigungStrafschärfungenStrafverfügungenStrafzumessungsregelungenSummarisches VerfahrenSuspensiveffektTagessatzanzahlTagessätzeTagessatzhöhetatsächliche Verständigungthe (very) big dealÜber- und UnterordnungsverhältnisÜbernahme des VerfahrensÜberzeugung des GerichtsUmgrenzungsfunktionUmsatzsteuerUnmittelbarkeitUnmittelbarkeitsgrundsatzUnschuldsvermutungUntersuchung nach § 81aUnterwerfungsverfahrenUrteilsfunktionVeranlagungsbezirkVeranlagungssteuernVerböserungVerbrechen


VereinbarungVerfahrenshindernisVergehenVerhalten nach der TatVerjährungsunterbrechungVerkürzungVerkürzungssummeVermögenszuwachsrechnungVernehmungVernehmung durch die Steufaverschuldete AuswirkungenVerteidigungsschriftsatzVertretung durch VerteidigerVerwarnung mit StrafvorbehaltVerwerfungVerwerfung des EinspruchsVerzicht auf Einlegung eines EinspruchsVoll- und Teilschätzungvollstreckbarer TitelVoraussetzungen des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrensVorladung durch die BuStraWahrscheinlichkeit der VerurteilungWahrscheinlichkeitsmaßstabweitere Aufklärungweitere Ermittlungenwesentliches Ergebnis der ErmittlungenWiederaufnahmeWiedereinsetzungZuschätzungZuständigkeitZuständigkeit der BuStraZustellungZustellung durch NiederlegungZwischenverfahren


Zwischenverfahren <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrenDie Arbeit untersucht die Besonderheiten <strong>im</strong> <strong>Strafbefehl</strong>sverfahren, wenn der Gegenstand desVorwurfs eine Steuerstraftat ist. Beginnend mit den historischen Grundlagen legt die Arbeit dieVoraussetzungen des <strong>Strafbefehl</strong>sverfahrens, den Inhalt des <strong>Strafbefehl</strong>s, die Besonderheitenbei der Steuerhinterziehung, die Bindungswirkung von Absprachen, Rechtsbehelfsmöglichkeitenund die Rechtskraft des <strong>Strafbefehl</strong>s dar. Praktische Hinweise und Erfahrungenaus Verteidigersicht läßt der Autor aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt einfließen.Jörg <strong>Burkhard</strong> ist Rechtsanwalt und Fachanwaft für Steuerrecht. Er wurde 1962 in Darmstadtgeboren, studierte in Mainz, legte 1991 sein erstes <strong>jur</strong>istisches Staatsexamen und 1994 seinzweites <strong>jur</strong>istisches Staatsexamen in RheinlandPfalz ab. Seit 1994 ist er in Wiesbaden, ab1997 in Frankfurt/Main als Rechtsanwalt zugelassen. Promotion 1996 an der UniversitätGreffswald.© RA <strong>Dr</strong>. <strong>jur</strong>. Jörg <strong>Burkhard</strong>, Frankfurter Str. 14, 65189 Wiesbaden,Telefon 0611-890910, Fax: 0611-8909179

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!