art maxx - KUNST Magazin
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– also kein Rückzug, sondern ein Schritt nach vorne.<br />
Mit Thomas Kilppers Ausstellung „Punk statt Stasi“<br />
verabschiedet sich Christian Nagel aus seinen Räumen<br />
im Belgischen Viertel in Köln. Im Zentrum stehen<br />
Arbeiten, die letztes Jahr im Rahmen von Kilppers<br />
Projekt „State of Control“ entstanden sind. Dafür hatte<br />
der Künstler den PVC-Boden der ehemaligen Stasi-<br />
Kantine in einen riesigen Druckstock verwandelt und<br />
Motive zum Thema Überwachung und Widerstand in<br />
den Fußboden geritzt. Anschließend wurden Stoffe<br />
und Papier mit diesen „Floor Cuttings“ bedruckt, ein<br />
extrem heterogenes Geschichtspanorama von Tätern<br />
und Opfern entstand: Neben Personen des DDR-<br />
Überwachungsstaats schnitt Kilpper auch Konterfeis<br />
von Rosa Luxemburg oder Nelson Mandela in den<br />
Boden, auch Willy Brandt, Ulrike Meinhof oder Michel<br />
Foucault sind dabei. Diese Mischung vermittelt eine<br />
asynchrone Auffassung von Geschichte und feuert<br />
eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit<br />
geradezu an. Nagel hat nun die gerahmten Drucke<br />
an einen westdeutschen Ort transportiert. Die<br />
Hängung sondiert sorgfältig: Im Ausstellungsraum<br />
selbst sind Politikerporträts zu sehen – laut Kilpper<br />
„die Bösen“. Die Guten, die Intellektuellen –<br />
Schriftsteller, Architekten, Historiker –, befinden sich<br />
in den Büroräumen der Kölner Galerie. Die Drucke<br />
werden durch ein Video ergänzt, in dem eine Kamera<br />
durch das leer stehende Stasi-Gebäude wandert<br />
und dem ortsunkundigen Publikum eine weitere<br />
Reflexionsmöglichkeit anbietet. Zuletzt präsentiert<br />
die Ausstellung Schwarz-Weiß-Fotografien von<br />
Köpfen der westdeutschen Nachkriegselite, die<br />
Kilpper in dadaistischer Manier modifizierte, indem<br />
er die Augenp<strong>art</strong>ien mit psychedelisch gemusterten<br />
Brillen übermalte.<br />
Auch für das Galeristendasein gilt: Die einzige<br />
Konstante ist die Veränderung. Zwar gibt es nun<br />
keinen Schauraum in Köln mehr, dafür kam einer in<br />
Antwerpen hinzu. Saskia Draxler leitet diese 0 qm<br />
große Filiale und zeigte zuletzt die Konzeptkünstlerin<br />
M<strong>art</strong>ha Rosler. Für ein Jahr ist das Projekt in<br />
Antwerpen geplant. Ob Nagel den Standort halten<br />
wird, hängt von betriebswirtschaftlichen Faktoren<br />
ab. Dank verschiedener Verkäufe und Impulse, die<br />
Antwerpen ermöglicht hat, ist Christian Nagel<br />
zuversichtlich, entschieden ist allerdings noch nichts.<br />
In Deutschland behält die Galerie Nagel den<br />
Schauraum in Berlin. Bis Ende November ist dort die<br />
Dokumentation von Keren Cytters Projekt „Mai Thai<br />
University“ zu sehen. Im Zentrum der Ausstellung<br />
steht die Videoarbeit „Konstruktion“, ein filmisches<br />
Mikrodrama über menschliche Beziehungen inklusive<br />
Eifersüchteleien, Lug und Trug, Ende und Neuanfang<br />
– gelebter Existenzialismus, unterlegt mit poetischen<br />
Kommentaren. Der Film entstand im Rahmen eines<br />
zweitägigen Poetikseminars, das sich durch die in den<br />
Vitrinen präsentierten Relikte (Stundenplan, Gedichte,<br />
Urkunden) rekonstruieren lässt.<br />
Wie gesprochenes Wort zu Dichtung wird und sich dann in Bilder<br />
verwandelt: Keren Cytters poetischer Berlin-Film entstand im Rahmen<br />
einer Dichterakademie der besonderen Art.<br />
Keren Cytter: Konstruktion, 0 0, Digital video, 0’ 4’’<br />
Courtesy: Galerie Christian Nagel, Berlin, Foto: Ludger Paffrath<br />
he will take his leave of the gallery in the Belgium<br />
district.<br />
This exhibition is made up of three p<strong>art</strong>s. At its centre<br />
are the works Kilpper made last year as p<strong>art</strong> of his<br />
“State of Control” project – a project that involved<br />
turning the linoleum floor of the former Stasi cafeteria<br />
into an enormous printing plate in which were<br />
etched various motifs related to surveillance and<br />
resistance. Thereafter, fabrics and paper were printed<br />
using these “floor cuttings”, creating an extremely<br />
heterogeneous facial panorama of the agents and their<br />
victims. In addition to the faces of people from the<br />
GDR police state, Kilpper also cut portraits of Rosa<br />
Luxemburg and Nelson Mandela into the linoleum.<br />
Willy Brandt, Ulrike Meinhof and Michel Foucault are<br />
likewise to be found here. The mixture establishes an<br />
asynchronous image of history. It calls us to engage in<br />
„hard drinking“ als Seminarinhalt: Wer sich 48 Stunden lang erfolgreich<br />
bei von Alkoholexzessen genährten Diskussionen und kreativem<br />
Schreiben bewährt, erhält das Diplom der „Mai Thai University“.<br />
Keren Cytter: Mai Thai University, 0 0, Ausstellungsansicht<br />
Courtesy: Galerie Christian Nagel, Foto: Ludger Paffrath<br />
Direkt gegenüber der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz:<br />
Die Galerie Christian Nagel. Das Foto entstand anlässlich einer<br />
Ausstellung von Michael Beutler. Foto: Galerie Christian Nagel, 007<br />
a critical appraisal of the past. Nagel has now framed<br />
the prints and brought them to West Germany. The<br />
exhibition offers a careful selection; in the exhibition<br />
room hang the portraits of the politicians – the bad<br />
guys, according to Kilpper. And the good guys – the<br />
intellectuals, the writers, the architects and historians<br />
– can be seen at the office of the Cologne gallery. The<br />
prints are complemented by a video showing a film<br />
made with a camera as it wanders through the empty<br />
Stasi building, thus offering the audience unfamiliar<br />
with these surroundings a further image to reflect<br />
upon. Finally, the exhibition presents black and white<br />
photos of the heads of the West German military elite,<br />
illustrated by Kilpper in Dadaistic manner, the eyes<br />
painted over with psychedelically patterned glasses.<br />
And it’s also a fact in the life of a gallerist that the<br />
only constant is change. Although he no longer has a<br />
gallery in Cologne, he has acquired one in Antwerp.<br />
Saskia Draxler manages the 0 square metre branch<br />
where the concept <strong>art</strong>ist M<strong>art</strong>ha Rosler has recently<br />
been exhibited. The project is scheduled for one<br />
year. Whether Nagel retains the location in Antwerp<br />
will depend upon its commercial viability. Thanks<br />
to the sales and the impulses generated in Antwerp,<br />
Christian Nagel is confident, but as yet nothing has<br />
been decided.<br />
In Germany Nagel has held on to the showroom in<br />
Berlin. Here the documentation of Keren Cytter’s<br />
project “Mai Thai University” can be seen until the<br />
end of November.<br />
The exhibition is centred around the video work<br />
“Construction”, a cinematic micro-drama about<br />
human relationships, including jealousies, lies, deceit,<br />
abandonment and new beginnings – in short, a “lived”<br />
existentialism underlain with poetic commentaries.<br />
The film was created during a two day seminar on<br />
poetics that can be reconstructed by following the<br />
relics – the schedules, the poems and the certificates<br />
– displayed in the window.<br />
Galerie Christian Nagel<br />
Weydinger Str. /4, 0 78 Berlin<br />
Mo–Fr – 9h, Sa – 8h<br />
www.galerie-nagel.de<br />
bis 0. .: Keren Cytter<br />
Stefan Müller: Opening am 6. . 9– h<br />
7. . 0–8. .<br />
CN Antwerp<br />
Kievitplein, Lange Kievitstr. 4<br />
0 8 Antwerp, Belgium<br />
Do–Sa 4– 8h<br />
www.galerie-angel.eu<br />
bis . .: Kiron Khosla, Cornelius Quabeck,<br />
Dominik Sittig