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Schlesischer Gottesfreund - Herzlich Willkommen!

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62. JAHRGANG – SEPTEMBER 2011– NR. 9<br />

ISSN 1861- 9746 Verkaufspreis: 2,50 Euro H 6114<br />

<strong>Schlesischer</strong> <strong>Gottesfreund</strong><br />

NACHRICHTEN UND BEITRÄGE AUS DEM EVANGELISCHEN SCHLESIEN<br />

„Buschprediger-Stein” in der Nähe von Ustron (Bericht S. 136) Foto: Edgar Kraus


Geistliches Wort 130<br />

GEISTLICHES WORT<br />

Sorget nicht,<br />

sondern trachtet ... S. 130<br />

BEITRÄGE<br />

Das ist meines Herzens<br />

Freude und Wonne ... S. 132<br />

Das Zeichen des Kreuzes<br />

verbindet uns ... S. 134<br />

„Ihr beide nicht fremd” S. 135<br />

„Wenn es bloß nicht so kalt werden möchte. Wir hatten<br />

schon ein paar ganz grimmige Tage und dann nur Holz zu<br />

heizen, da habe ich unsre schöne warme Wohnung doch<br />

vermißt. Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, was<br />

wir alles verloren haben, daß jedes kleine Bild, jede Decke,<br />

jedes Buch, Kissen und alles, alles weg ist”.<br />

Einige Zeilen, liebe Hörerinnen und Hörer, aus einem<br />

Brief vom Dezember 1945. Meine Großmutter, auf der<br />

Flucht aus Pommern, schreibt an ihren Mann, der aus<br />

Kriegsgefangenschaft entlassen, bereits in der britischen<br />

Besatzungszone ist. Meine Mutter hat mir vor einigen<br />

Jahren zu Weihnachten eine Sammlung der Briefe ihrer<br />

Eltern aus diesen Jahren des Krieges und der Flucht überreicht.<br />

Briefe, die zwischen Stettin und Deutsch Krone,<br />

zwischen Jasenitz und Vollerwiek an der Nordsee oft wochenlang<br />

unterwegs waren. Die Briefe und Karten bezeugen<br />

eine furchtbare Zeit.<br />

Und doch ist für mich das Lesen dieser Briefe immer<br />

wieder eine zwar traurige aber auch tröstliche Lektüre.<br />

Sicher: Es steht viel von Verzweiflung in den Briefen, von<br />

der Angst um den Sohn, vom Verlust der Heimat, von<br />

Hunger und Kälte. Aber immer wieder auch Sätze der<br />

Hoffnung: „Schon der Gedanke, zusammen zu sein mit<br />

allen seinen großen und kleinen Sorgen, wenn es sein<br />

müßte zusammen zu sterben” oder „Manchmal denke ich,<br />

man brauchte gar nicht mal viel sprechen, man würde wohl<br />

meist dieselben Gedanken haben”.<br />

Die Briefe sind tröstlich, weil sie erzählen, wie Menschen<br />

menschlich bleiben können. Menschlich in Kriegszeiten,<br />

im Hunger, in der verzweifelten Sehnsucht nach<br />

dem Partner. Menschlich, weil sie die Hoffnung nicht aufgeben:<br />

es könnte wieder gut werden. Ich bin dankbar für<br />

diese Briefe. Sie lehren mich, auf das Wesentliche zu<br />

schauen, gerade in guten Zeiten. Auf die Ur-Sehnsucht, die<br />

uns treibt. Auf die Ur-Sehnsucht, nicht allein zu sein.<br />

Zusammen zu stehen, geliebt zu sein auf dieser Welt. Eine<br />

Heimat zu haben, in der man respektiert, anerkannt und<br />

unbedingt gewünscht ist. Nichts kann diese Sehnsucht stillen,<br />

nur das echte und ungeheuchelte Zusammensein der<br />

Herzen. Fehlt es, leidet die Seele tiefen Mangel und das<br />

Sein ist in Frage gestellt.<br />

Bildbericht zur Studienreise S. 136<br />

MELDUNGEN<br />

OKR i.R. Norbert Ernst<br />

zum Abschied S. 139<br />

Zum Gedenken an<br />

Superintendent i.R. Dr. A. Holzhey S. 139<br />

BUCHEMPFEHLUNG S. 140<br />

TERMINE/VERANSTALTUNGEN S. 141<br />

AUS DER LESERGEMEINDE S. 142 FUNDSTÜCK S. 142/144<br />

Sorget nicht, sondern trachtet ...<br />

Predigt von Landesbischof Ralf Meister beim Schlesiertreffen 2011 in der Marktkirche in Hannover<br />

Was brauchen wir also wirklich für unsere Wanderschaft<br />

durchs Leben? Wir hören einige Sätze aus der Bergpredigt<br />

Jesu, Matthäus 6, 25-34:<br />

25 Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben,<br />

was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren<br />

Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr<br />

denn Speise? und der Leib mehr denn die Kleidung? 26<br />

Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie<br />

ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer<br />

himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel<br />

mehr denn sie? 27 Wer ist aber unter euch, der seiner Länge<br />

eine Elle zusetzen möge, ob er gleich darum sorget?<br />

28 Und warum sorget ihr für die Kleidung? Schaut die<br />

Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht,<br />

auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, daß auch Salomo<br />

in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist wie<br />

derselben eins. 30 So denn Gott das Gras auf dem Felde also<br />

kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen<br />

geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr euch tun, o ihr<br />

Kleingläubigen?<br />

31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden<br />

wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns<br />

kleiden? 32 Nach solchem allem trachten die Heiden. Denn<br />

euer himmlischer Vater weiß, daß ihr des alles bedürfet. 33<br />

Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner<br />

Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen. 34 Darum<br />

sorgt nicht für den andern Morgen; denn der morgende Tag<br />

wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß ein jeglicher<br />

Tag seine eigene Plage habe.<br />

Sätze, die keine Aufforderung zur Verantwortungslosigkeit<br />

und kein Hohn gegen die sind, die sich um Nahrung<br />

und Kleidung gesorgt haben. Sie sprechen der wichtigen<br />

und richtigen Fürsorge für sich selbst und für die Menschen,<br />

die einem anvertraut sind, nicht die Berechtigung<br />

ab. Aber sie betonen: Wir brauchen für unser Leben die<br />

Haltung des „Seins”, nicht die Haltung des „Habens”. So<br />

hat der Psychoanalytiker Erich Fromm über die<br />

Grundlagen einer neuen Gesellschaft philosophiert, die<br />

ohne Krieg und Gewalt auskommen will (Haben oder Sein,<br />

1979). Nicht die Konsumorientierung, nicht das Anerkannt-Werden,<br />

weil ich habe, nicht die Leistung stellt er ins


131<br />

Zentrum des Denkens, sondern die Orientierung am<br />

„Sein”. Wer sich an seinem Sein ausrichtet, lebt anders als<br />

der, der am Haben orientiert ist. „Tätigsein heißt, seinen<br />

Anlagen, seinen Talenten, dem Reichtum menschlicher<br />

Gaben Ausdruck zu verleihen, mit denen jeder – wenn auch<br />

in verschiedenem Maß – ausgestattet ist. Es bedeutet, sich<br />

selbst zu erneuern, zu wachsen, sich zu verströmen, zu lieben,<br />

das Gefängnis des eigenen isolierten Ichs zu transzendieren,<br />

sich zu interessieren, zu lauschen, zu geben.” (S.89)<br />

„Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, was wir<br />

alles verloren haben, daß jedes kleine Bild, jede Decke,<br />

jedes Buch, Kissen und alles alles weg ist” – reduziert auf<br />

das Minimalste, auf das, was kaum noch zum Überleben<br />

reicht, merken wir, was wir eigentlich zum Leben benötigen:<br />

„Schon der Gedanke zusammen zu sein mit allen seinen<br />

großen und kleinen Sorgen”. Nicht das Haben, sondern<br />

die Besinnung auf unser Sein brauchen wir für die Wanderschaft<br />

durch das Leben. Dieses kleine, oft unscheinbare,<br />

oft so brüchige, sich immer wieder neu definierende,<br />

manchmal aufrechte, dann plötzlich wieder erschrockene<br />

und zweifelnde Sein. Dieses Sein, das ängstlich fragt: wie<br />

wird es morgen werden? Trägt der Boden, auf dem ich<br />

gehe? „Wir stehen auf dünner Erdenhaut”, hat Arnim Juhre<br />

seine Sammlung von Gedichten und Psalmnachdichtungen<br />

genannt. Dieser Titel weist auch auf die Geschichte. Auf<br />

unsere persönliche und auf die Welthistorie, die unsere persönliche<br />

Geschichte umfängt. Wir stehen auf dünner Erdenhaut<br />

– über dem Abgrund, auf schwankendem Boden.<br />

Da sind so viele, die auf schwankendem Boden nicht mehr<br />

weiterzugehen wagen; die unsicher geworden sind und<br />

ängstlich, vielleicht schon resigniert und hoffnungslos zu<br />

Boden blicken, aber nicht mehr nach vorn und nicht mehr<br />

nach oben sehen.<br />

Ja, Menschen warten auf eine Botschaft der Hoffnung.<br />

Da sind so viele, die sich schuldhafter Verstrickung, in unserer<br />

von Haß, Gewalt und Tod bedrohten Welt nicht mehr<br />

zurechtfinden. Was wird morgen sein? Trägt der Boden, auf<br />

dem ich gehe? Der Lyriker Albrecht Goes lernte als Lazarettgeistlicher<br />

in der Ukraine einen verwundeten Pianisten<br />

kennen. Seine einzige Welt war die Musik und das<br />

Klavier, … aber die schlimme Schußwunde an seinem<br />

Ellbogen beschäftigte ihn sonderbarerweise kaum. Der<br />

Arzt und die Schwestern im Lazarett machten sich darüber<br />

viel mehr Sorgen als er. Albrecht Goes schenkt dem verwundeten<br />

Pianisten ein Porträt Mozarts, das er sich über<br />

seinem Bett aufhängt. Als nach fünf Tagen das Wundfieber<br />

immer weiter ansteigt entscheidet man sich zur Amputation<br />

des Armes. Für die erste Nacht hat man den Frischoperierten<br />

in ein kleines, ruhiges Zimmer gelegt, aber gleich am<br />

nächsten morgen ist er dann auf eigenen Wunsch wieder<br />

zurück in den großen Saal gebracht worden. Als Goes ihn<br />

besucht, unsicher, nach Worten suchend, unterbricht ihn<br />

der Pianist: „Ich komponiere schon.” „Bei uns hat er sich<br />

Notenpapier bestellt”, riefen zwei vom Tisch herüber. Man<br />

sah sie mit Bleistift und Lineal hantieren. „Mann”, sagte<br />

der eine und kam eilig auf einem Bein ans Bett gehüpft,<br />

einen Stoß Blätter in der Hand, „Mann, da kannste ja ne<br />

ganze Sinfonie komponieren!”.<br />

BEITRÄGE<br />

Der Pianist wird ins Heimatlazarett verlegt, für Albrecht<br />

Goes verliert sich die Spur. Aber, so resümiert er: Ich habe<br />

gelernt, was es heißt, sich nicht von der Sorge ums Morgen<br />

bestimmen zu lassen. An dem Pianisten, dem von einem<br />

Tag auf den anderen der Lebensinhalt genommen worden<br />

war, läßt sich lernen, was das bedeutet: Vertrauen in das<br />

Sein zu haben. In das Sein, nicht das Haben, nicht das<br />

Können. In die Einsicht nämlich, daß die Klaviatur des<br />

Lebens nicht nur eine Oktave umspannt. Und wenn eine<br />

Tür zugeht, kann man darauf achten, ob nicht eine andere<br />

sich gerade öffnet. Und sich auf den Weg machen, zögernd<br />

vielleicht, mit tastendem Schritt. Sich nur auf das Sein,<br />

nicht auf das Haben verlassen. Auf das Sein. Auf das von<br />

Gott geliebte Sein. Wir sind von Gott angesehene Menschen,<br />

die auf dünner Erdenhaut einen tragfähigen Grund<br />

gefunden haben, auf dem sie ihr Leben aufbauen können.<br />

Natürlich bleibt das immer eine Herausforderung. Natürlich<br />

bleibt das Leben auf dünner Erdenhaut eine Aufgabe.<br />

Jeder sehe zu, wie er auf diesem Fundament, das mit Christus<br />

gelegt ist, sein Leben aufbaut, sagt Paulus. Manches<br />

wird gelingen und unser Leben reich machen. Anderes wird<br />

mißlingen – in den Augen der Mitmenschen, vielleicht<br />

auch in unserem eigenen Urteil. Wir werden hin und her<br />

schwanken zwischen Haben und Sein. Zwischen Sehnsucht<br />

und Erfüllung. Zwischen Gehen und tastendem Suchen.<br />

Der Mensch ist vor Gott mehr als die Summe des von ihm<br />

Geleisteten. Er sieht unser Sein. Von der Heimat, von der<br />

Lebensarbeit mag manches verloren gehen, der Mensch als<br />

Kind Gottes aber nicht. Niemand wird von Gott als wertlos<br />

abgetan, weil Christus für alle da war, weil dieses Fundament<br />

sich zu jeder Zeit und für alle als tragfähig erweist<br />

– mag die Erdenhaut auch noch so dünn werden. Es ist<br />

unsere Aufgabe, diese Erfahrung weiter zu geben. Du da, in<br />

Schuhen gehend auf dünner Erdenhaut. Mit deinem Munde<br />

gibt du Hoffnung weiter, mit deiner Stimme weckst du<br />

neuen Mut. Mit deinen Taten weist du Christi Weg. So<br />

bauen wir alle gemeinsam an einem großen Bau mit, dem<br />

Bau seiner Gemeinde, seiner Kirche. Sie will Heimat für<br />

alle sein, die sich mit dem eigenen Leben abmühen, die<br />

sich sorgen und ängstlich nach dem Morgen fragen.<br />

Hängt das alles von uns und von unserem Einsatz ab?<br />

„Sorgt euch nicht um den morgigen Tag, denn der morgige<br />

Tag wird für sich selbst sorgen.” Die Aufgaben sind vielfältig,<br />

und niemand muß für alles verantwortlich sein. Da<br />

kann man schon für sich selbst und für die eigene Mitarbeit<br />

an Gottes großem Bau der Kirche Prioritäten setzen. Da<br />

dürfen die einen durchaus neue Aufgabenfelder aus Überzeugung<br />

bejahen, während andere sich kritisch zurückhalten<br />

und lieber mithelfen, Bewährtes weiter zu bewahren.<br />

Entscheidend bleibt die gemeinsame Konzentration auf das<br />

Fundament, das schon gelegt ist. Letzten Endes hat sich alles<br />

Engagement an dem zu messen, was Christus gebracht,<br />

gelebt und gewirkt hat. Einen anderen Grund kann niemand<br />

legen als den, der gelegt ist, Christus. „Siehe ich mache<br />

alles neu” heißt es in der Offenbarung des Johannes. Der<br />

große Traum, daß alles gut wird, er ist im abgelaufenen<br />

Jahrhundert oft geträumt worden. Und diese Hoffnung auf<br />

Erneuerung hat mehr mit Gott als mit uns zu tun.


BEITRÄGE 132<br />

Eine Erfahrung übrigens, die ich auch in den Briefen meiner<br />

Großeltern lesen konnte, als es gegen allen Anschein<br />

wieder gut geworden ist. Viel später hat meine Mutter einmal<br />

vom Ankommen erzählt. Nach mehr als einem Jahr traf<br />

sie mit ihrer Mutter in Nordfriesland ein. In einem Dorf, in<br />

dem sie dann ihre Jugend verlebt und erwachsen wird. Sie<br />

hat erzählt, daß sie damals in die kleine Dorfkirche gegan-<br />

Es sei mir gestattet, diese erinnernden Zeilen mit einigen<br />

persönlichen Worten zu beginnen.<br />

Nur noch selten erklingt die Glocke im hohen schlanken<br />

Turm der Görlitzer Dreifaltigkeitskirche seit sie als Gemeindekirche<br />

außer Dienst gestellt wurde, jene wunderbaren<br />

alte Franziskaner-Klosterkirche, die seit Jahrhunderten<br />

das Bild des Görlitzer Obermarktes so eindrücklich<br />

prägt. Mir selbst ist sie als Ort der Einkehr, der Stille, des<br />

Gebetes und des Dienstes für Gott sehr ans Herz gewachsen.<br />

Das hat gewiß auch damit zu tun, daß sie seit Generationen<br />

die Gemeindeirche meiner Familie väterlicherseits<br />

war. Was mir als Nachgeborenem aus eigenem<br />

Erleben in diesem Gotteshaus zu erfahren verwehrt blieb,<br />

hat sich doch durch Erzählungen und Schilderungen im<br />

Familienkreis zu einem sehr lebendigen Bild verdichtet –<br />

Erfahrungen aus zweiter Hand – das es mir so leicht, ja<br />

fast selbstverständlich erscheinen ließ, hier eine geistliche<br />

Heimat zu suchen ... und zu finden. Diese „Erfahrungen<br />

aus zweiter Hand” sind immer wieder mit dem Namen<br />

Hans-Joachim Kohlis verbunden, und sie führten zu<br />

Begegnungen mit diesem „einem der letzten Zeugen der<br />

alten schlesischen Kirche”, wie ihn Dr. Hans-Wilhelm Pietz<br />

in seiner Predigt nannte. Behutsam begleitete Hans-<br />

Joachim Kohli zu Beginn der 80er Jahre des vorigen<br />

Jahrhunderts – wenn auch zumeist aus der Ferne – meine<br />

Studien zur Geschichte des Kirchenkampfes in Schlesien<br />

und einprägsam waren auch die wenigen Momente des<br />

Miteinanders in den Jahren seines hohen Alters.<br />

Viele Menschen versammelten sich an diesem 4. August<br />

2011 im weiten Chor der Dreifaltigkeitskirche, um Abschied<br />

zu nehmen: Familie, Wegbegleiter, Gemeindeglieder,<br />

Angehörige der Michaels-Bruderschaft, deren in beiderlei<br />

Sinn ältestes Mitglied er war.<br />

Den Abschiedsgottesdienst hatte Dr. Hans-Wilhelm<br />

Pietz unter die Worte des 63. Psalms gestellt. Dem Wortlaut<br />

der Verse folgend warf er einfühlsam einen Blick auf das<br />

nun vollendete, fast einhundert Jahre währende Leben<br />

Hans-Joachim Kohlis, einen Blick, an dem auch die Leserschaft<br />

des „<strong>Gottesfreund</strong>es” im Folgenden (in gekürzter<br />

Form) teilhaben soll:<br />

gen ist, die gleich neben dem Haus stand, in dem sie wieder<br />

Heimat fand. Da stand sie dann vorne vor dem Altar<br />

und hat die Decke gesehen: Über und über bemalt mit glänzend<br />

goldenen Sternen auf dunklem Blau. In einer stillen,<br />

friedlichen Kirche die Lichter der Nacht. Da, so sagte sie,<br />

da habe ich gedacht, es könnte wieder gut werden.<br />

Amen. �<br />

Das ist meines Herzens Freude und Wonne,<br />

wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann. (Psalm 63)<br />

Am 4. August nahmen Christen aus vielen Teilen Deutschlands in der Görlitzer Dreifaltigkeitskirche<br />

Abschied von Pfarrer Hans-Joachim Kohli<br />

DR. HANS-WILHELM PIETZ – ANDREAS NEUMANN-NOCHTEN<br />

Hans-Joachim Kohli Foto: 1960er Jahre, privat<br />

Welche Strecke seine Lebenszeit umspannt, welche<br />

Generationen zu verbinden ihm zugemutet und aufgetragen<br />

war, das kann uns Jüngeren an einem Vergleich aufgehen:<br />

Am 28. Oktober 1913 geboren war er ja nur zehn Jahre jünger<br />

als die 1903 geborene und schon 1950 verstorbene<br />

Katharina Staritz und als der ebenfalls 1903 geborene<br />

Jochen Klepper, dessen Leben schon 1942 endete. Als<br />

Jochen Kleppers Kyrie mit dem Lied „Ja, ich will euch tragen<br />

bis zum Alter hin” 1938 erschien, da war Bruder Kohli<br />

als 25-Jähriger gerade in Naumburg am Queiss im<br />

Predigerseminar ...”<br />

Die Kindheit des jungen Hans-Joachim Heinrich Friedrich<br />

Ernst Kohli und sein Heranwachsen war von ständigem<br />

Ortswechsel und vom Entbehren einer tragenden Familienatmosphäre<br />

bestimmt ist. Der Vater Walter Kohli war<br />

Ingenieur und in verschiedenen Städtischen Werken tätig.


133<br />

Dreifaltigkeitskirche Görlitz Foto: ANN<br />

Seine Kompetenz als Techniker hat Hans-Joachim wohl<br />

jene aufgeschlossene Modernität, den Zugang zur Welt des<br />

Entwerfens und Gestaltens vermittelt. Die Erfahrung der<br />

Trennung der Eltern aber hat ihn sensibel gemacht für<br />

menschliches Scheitern und für tragfähige Gemeinschaft.<br />

Wir bedenken das im Erinnern der Kindheits- und Jugendorte:<br />

1914-1916 Stettin; 1916-1918 Kindheitserziehung in<br />

der Brüdergemeine Niesky; 1919-1922 Vorschulzeit in<br />

Duisburg; 1923-1932 Schulbesuch bis zum Abitur am<br />

Reform Real Gymnasium in Iserlohn.<br />

Im Rückblick auf die Zeit in Iserlohn konnte Hans-Joachim<br />

Kohli auch von einem Erwachen des eigenen Glaubens<br />

sprechen: Zu Palmarum 1929 wurde er in der reformierten<br />

Kirche zu Iserlohn konfirmiert. Und später hat er<br />

immer wieder einmal zu erkennen gegeben, daß er die<br />

Stärken der unterschiedlichen evangelischen Konfessionen<br />

wohl zu achten wußte, sie aber als Anlaufwege zum gemeinsamen<br />

Christuszeugnis verstand: Lutherisch getauft,<br />

reformiert konfirmiert, in einer Kirche der Union ordiniert<br />

– das läßt lernen, daß im Bereich gelebten Glaubens nicht<br />

alles gleich sein muß, wenn nur die Mitte klar ist. ...<br />

Der Wunsch danach, Theologie zu studieren und Pfarrer<br />

zu werden, hat sich bei ihm auf einem längeren Wege herausgebildet:<br />

Ein Anstoß durch die Mutter mag dazu beigetragen<br />

haben, Erfahrungen im Bund Deutscher Jugendvereine,<br />

weite Fahrten in der Gemeinschaft des CVJM wohl<br />

auch. Im Blick schon auf dieses Reifen heißt es in einem<br />

Lebenslauf, er habe da erfahren, daß persönlicher Glaube<br />

allein nicht trägt. Die Entdeckung der Kirche als Leib<br />

Christi und Haus aus lebendigen Steinen hat ihn weitergeführt.<br />

Das Theologiestudium in Breslau und Dorpat 1932-<br />

1936 brachte eine fundierte Grundlage, Reisen durch das<br />

Baltikum und durch Finnland prägten ebenso wie ein längerer<br />

Aufenthalt im Höhlenkloster Petschur am Peipossee.<br />

Die Schätze orthodoxer Frömmigkeit und orthodoxer Liturgie<br />

gingen von da aus mit. Das Wissen darum, daß geistliches<br />

Leben tief mit der Übung, mit der Disziplin, mit dem<br />

sorgsamen Ritus verbunden ist, beförderten den Kontakt<br />

zur evangelischen Michaelsbruderschaft. ...<br />

Am 1. Oktober 1939 wurde Hans-Joachim Kohli in der<br />

Breslauer Elisabethkirche zum Dienst der öffentlichen<br />

Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung beauftragt.<br />

Pfarrvikar war er dann schon unter den Bedingungen des<br />

Krieges im schlesischen Paschkerwitz, wo im Sommer<br />

BEITRÄGE<br />

1942 unter dem Patronat der Schoellerschen Güterverwaltung<br />

seine Berufung zum Pfarrer von Paschkerwitz erfolgte.<br />

Am 14. Oktober 1939 schloß Hans-Joachim Kohli mit<br />

Käthe von Hansen in St. Bernhardin in Breslau den Bund<br />

der Ehe.<br />

Nach dem II. Weltkrieg folgten Jahre des Dienstes in<br />

Sachsen, zunächst in Freiberg und später in Grüna.<br />

Im Jahre 1956 schließlich übernahm er die Pfarrstelle<br />

an der Görlitzer Dreifaltigkeitskirche. Und hier blieb unter<br />

seiner Führung ein guter Ort für Gemeinde und Bruderschaft,<br />

für die Musik und das Singen, für ein Verkündigen<br />

und Feiern, für grenzüberschreitende Begegnung und nachhaltige<br />

ökumenische Zusammenarbeit. Hans-Joachim<br />

Kohli war ein mutiger und entschiedener Prediger, öffnet e<br />

seinen Mund für die Stummen, verschwieg das Unrecht im<br />

SED-Staat und beim Bau der Mauer vor 50 Jahren nicht.<br />

Eine ungewöhnlich dichte Verbindung von Pfarrer und<br />

Gemeinde, von Familie und Beruf, von Persönlichem und<br />

Dienstlichem prägte die ganz unterschiedlichen Phasen der<br />

späten 50er Jahre, der frühen und späten 60er Jahre, der<br />

noch einmal anderen 70er Jahre des letzten Jahrhunderts,<br />

bis sich dann für Hans-Joachim Kohli mit dem Eintritt in<br />

den Ruhestand Anfang November 1979 noch einmal eine<br />

ganz eigene, fast 32 Jahre währende Lebensperiode eröffnen<br />

sollte.<br />

In einer Welt, die umgetrieben ist von der Inflation der<br />

Wörter und Meldungen, hat er auf den Wert der Stille und<br />

die Möglichkeit des bewußten Schweigens aufmerksam<br />

gemacht. Es war der ihm so ganz eigene Zug von Güte, von<br />

Milde, von Weisheit, der im Alter seinen Weg prägte, aber<br />

eben auch den Weg aller, die ihm nahestanden .<br />

Mit seiner zweiten Frau Christa – die Eheschließung<br />

fand am 3. Dezember 2005 in der Barbarakapelle der Dreifaltigkeitskirche<br />

statt – hat er in den letzten Lebensjahren<br />

immer wieder neu zuwendende Begleitung und Hilfe erfahren<br />

dürfen.<br />

Viele haben Hans-Joachim Kohli als konzentriert arbeitenden<br />

Theologen kennen und schätzen lernen dürfen: im<br />

Studentenpfarramt, bei der Arbeitsgemeinschaft für Theologie<br />

und Soziologie, als Unterrichtender und Seelsorger an<br />

der Kirchenmusikschule, in der Tonbandarbeit unserer Kirche,<br />

als prägenden Denker im Theologischen Ausschuß der<br />

Synode, und auch in der Gesangbuch- und Agendenarbeit<br />

des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR hat er seine<br />

Spuren hinterlassen können. Wer ihn als geistlichen<br />

Gesprächspartner haben durfte, konnte erfahren, wie tief<br />

bei ihm theologisches Denken und die eigene Existenz aufeinander<br />

bezogen waren. Im Gesangbuch, dessen Gewißheiten<br />

er sich so verbunden wußte, heißt es dazu immer<br />

wieder: Vor unseren Augen, in unserer Erfahrung der<br />

gedehnten Zeit ist es wie ein Schlaf, zu dem wir den Leib<br />

in sein Schlafkämmerlein legen in der Erwartung der<br />

Auferstehung der Toten. Bei Gott aber, in seinem Licht, ist<br />

es ein Nu, ein Augenblick, in dem die Tür zum Vaterhaus<br />

schon offensteht, in dem uns schon seine liebevolle und seit<br />

dem Tag der Taufe immer wieder ausgestreckte Hand<br />

begegnet, ein Überkleidetwerden mit einem unvergänglichen<br />

Gewand der Freude. �


BEITRÄGE 134<br />

Das Zeichen des Kreuzes verbindet uns ...<br />

An der Kirche von Geibsdorf (Siekierczyn) wurde eine Gedenktafel für die ehemaligen deutschen Bewohner angebracht.<br />

ANDREAS NEUMANN-NOCHTEN<br />

Schon mehrfach konnte im „<strong>Gottesfreund</strong>”<br />

darüber berichtet werden, daß<br />

an Kirchen und Friedhöfen im heute<br />

polnischen Schlesien Gedenktafeln und<br />

-steine für die früheren deutschen Bewohner<br />

aufgestellt wurden. Dennoch<br />

sind solche Gesten des Aufeinanderzugehens<br />

längst noch nicht Normalität<br />

oder gar Selbstverständlichkeit im Umgang<br />

der heutigen Bewohner Schlesiens<br />

mit dem deutschen Erbe. Um so<br />

wichtiger ist es, darüber zu berichten,<br />

wenn in solcher Weise Schritte in Richtung<br />

guten Miteinanders zwischen Deutschen<br />

und Polen getan werden.<br />

Nur wenige Kilometer von Görlitz,<br />

noch auf dem Gebiet der Oberlausitz,<br />

liegt das einst, wie heute, recht stattliche<br />

Geibsdorf (poln. Sikiercyn). Am<br />

13. August konnte hier im Beisein zahlreicher<br />

Gäste eine Gedenktafel für die<br />

früher auf dem Kirchhof bestatteten<br />

deutschen und die seit dem Kriegsende<br />

zur letzten Ruhe gebetteten polnischen<br />

Bewohner enthüllt werden.<br />

Möglich wurde dies in erster Linie<br />

durch das unermüdliche Wirken von<br />

Günter Scholz, der hier seine Kindheit<br />

verbrachte. Nach erfüllten Berufs- und<br />

Lebensjahren im Westen Deutschlands<br />

ist er vor wenigen Jahren ganz in die<br />

Nähe des Ortes seiner Kindheit gezo-<br />

gen und lebt heute mit seiner Frau Marianne Scholz-Paul<br />

(hierzulande besser bekannt als das „Schlesische Tippelweib”)<br />

in Königshain bei Görlitz.<br />

Er selbst beschreibt den Weg von der Idee bis zur praktischen<br />

Umsetzung des Vorhabens als lang und nicht unkompliziert,<br />

als ein Wechselspiel furchtsamen Fragens, mutigen<br />

Voranschreitens, nachdenklichen Innehaltens und anpackender<br />

Kreativität. Nicht jeder im Gemeinderat des Ortes war<br />

sonderlich von dem Gedanken angetan, hier eine Gedenktafel<br />

aufzurichten, mit der an die vormals deutschen Bewohner<br />

und die deutsche Geschichte des Ortes erinnert werden<br />

sollte. Hier war ein Mann mit diplomatischen Geschick und<br />

Kompromißfähigkeit gefragt. Als ein solcher sollte sich der<br />

Bürgermeister der Gemeinde Januœ Niekracz erweisen, der<br />

mit Geduld und Weitsicht gegensätzliche Positionen zueinander<br />

führte. Wird andernorts auf vergleichbaren Denkmalen<br />

nur auf die deutschen Verstorbenen verwiesen, die<br />

am entsprechenden Ort über Jahrhunderte hinweg ihre letzte<br />

Ruhe fanden, so sollte nun in Geibsdorf auf der Tafel<br />

auch der polnischen Toten der Nachkriegszeit gedacht werden<br />

und vor allem jeder Verweis auf die vielhundertjährige<br />

deutsche Geschichte unterbleiben.<br />

Alte und neue Bewohner von Geibsdorf<br />

nach Messe, Andacht und Enthüllung<br />

der Gedenktafel im Gespräch vor dem<br />

Kirchhof.<br />

Letztlich konnten Formulierungen gefunden<br />

werden, die beide Seiten zufriedenstellten.<br />

Der Tag, an dem die Tafel enthüllt<br />

werden sollte, begann mit schweren Regenschauern.<br />

Vom Görlitzer Bahnhof<br />

aus setzte sich gegen 10 Uhr ein kleiner<br />

Konvoi von 5 Fahrzeugen in Richtung<br />

Geibsdorf in Bewegung. Dort angekommen<br />

hatte sich der Regen noch verstärkt,<br />

so daß in Erwägung gezogen<br />

werden mußte, die kleine evangelische<br />

Andacht, die eigentlich auf dem Kirchhof<br />

direkt vor der Gedenktafel stattfinden<br />

sollte, in den Vorraum der Kirche<br />

zu verlegen. Einer der Teilnehmer äußerte<br />

jedoch mit prüfendem Blick zum<br />

Himmel, daß um 12 Uhr gewiß die Sonne<br />

scheinen würde. In der Kirche hatten<br />

sich zur Messe, gehalten in polnischer<br />

Sprache, ungefähr 60 Gäste versammelt.<br />

Als sich der Gottesdienst dem Ende<br />

entgegenneigte, schimmerte tatsächlich<br />

durch die Kirchenfenster das erste<br />

Sonnenlicht.<br />

Worte des 126. Psalms bestimmten<br />

den Inhalt der Andacht, die zu halten<br />

mir übertragen worden war. Nach Gebet<br />

und Segen ergriff Bürgermeister<br />

Januœ Niekracz das Wort und gab seiner<br />

Freude Ausdruck über das Engagement<br />

der ehemaligen Bewohner Geibsdorfs.<br />

Er sprach davon, daß er der festen Überzeugung sei, daß<br />

„die Menschen eine Sehnsucht nach friedvollem Miteinander<br />

im Herzen tragen”. Günter Scholz, als Initiator,<br />

erinnerte in seiner kurzen Rede an die ursprüngliche<br />

Ideengeberin Frau Regina Werner und verwies auf den langen<br />

schweren Weg, dessen es bedurft hatte: „Es ist das<br />

Zeichen des Kreuzes auf der Tafel, das Deutsche und Polen<br />

vereine. Das Trennende, das sich zwischen beide Völker<br />

drängen will, darf nicht die Oberhand gewinnen. In diesem<br />

schönen Gotteshaus sind wir getauft worden in Christi<br />

Namen. In seinem Namen wurden die Toten begraben. Aus<br />

diesem Grund sind wir heute bei Ihnen, in Ihrem und in<br />

unserem Heimatort.” Besonderer Dank gilt an dieser Stelle<br />

Frau Ettrich aus Görlitz, die als hervorragende Dolmetscherin<br />

alle Redebeiträge in die jeweiligen Landessprachen<br />

übertrug.<br />

Günter Scholz und der Bürgermeister waren es dann,<br />

denen die Aufgabe zufiel, die Tafel durch Entfernen der<br />

weiß-roten bzw. schwarz-rot-goldenen Schleifen symbolisch<br />

zu enthüllen.<br />

Mit einem Empfang in der Schule des Ortes schloß dieser<br />

für alle Beteiligten denkwürdige Tag. �


135<br />

An hellen Tagen stand er, aus fruchtbarer Ebene aufragend,<br />

groß vor den Augen von uns Dorfbewohnern: der Berg<br />

Zobten, einst „Siling” genannt, und das Land hatte von ihm<br />

seinen Namen empfangen - Schlesien. Der kleine Fluß, der<br />

das Dorf streift und zur Oder hinstrebt, hieß Weistritz. An<br />

seinem Ufer steht ein hochgebautes Schloß, und einmal im<br />

Jahr, im Mai, strömten Menschen von weither in unser<br />

sonst stilles Dorf, um sich an dem Meer von Fliederblüten<br />

zu berauschen, die das Schloß umwogten.<br />

Das war unser Dorf, war Domanze. „Domanice 8 km”<br />

lese ich jetzt auf dem Wegweiser. Domanze-Domanice:<br />

kaum ein Unterschied zwischen Vergangenheit und<br />

Gegenwart? In der Tat: die Wiesen beiderseits der Straße<br />

sind die gleichen wie einst, und die weidenden Kühe gleichen<br />

ihren deutschen „Voreltern” aufs Haar. „Domanice”!<br />

Wir, meine Frau und ich, lassen das Auto vor dem Dorfschild<br />

stehen, um den Boden meiner Heimat zu Fuß zu<br />

betreten. Meiner Heimat? Ach, die Menschen in den Vorgärten<br />

und an den Fenstern kennen mich alle nicht, und ich<br />

kenne auch keinen. Kein Gruß, kein Kopfnicken. Heute ist<br />

nicht mehr einst.<br />

Das gilt auch für die Gaststätte, die „Zum grünen<br />

Baum” hieß. In der hocken jetzt, am Vormittag schon,<br />

betrunkene Gestalten. Ein Mann kommt auf mich zu und<br />

schüttelt meine Hand. Genauer: mit bedrohlicher Gebärde<br />

schüttelt er mich, bis ein anderer Zecher eingreift und ihn<br />

von mir trennt.<br />

Bange Frage: wie werden uns die Menschen begegnen,<br />

die jetzt im einstigen Pfarrhaus wohnen, in meinem<br />

Heimathaus? Wir holen das Auto und lassen es am Kirchplatz<br />

stehen. Spielten nicht eben noch Kinder dort? Im Nu<br />

sind sie verschwunden, wohl im Haus, um die Ankunft der<br />

Fremden zu melden. Die Tür steht offen, aber niemand<br />

zeigt sich. Die Steinfliesen im Flur, das Linoleum auf den<br />

Treppenstufen haben die Jahrzehnte überdauert. Eine Frau<br />

kommt von oben herab, hager, erschöpft wirkend, das Gesicht<br />

verschlossen, aber doch auch fragend zugleich. Was<br />

sagen wir jetzt? Wir, die wir nicht Polnisch können – wir,<br />

die wir nicht wissen, ob die Menschen in diesem Haus<br />

Deutsch verstehen, verstehen können, verstehen wollen?<br />

„Djen dobre” sage ich. Ja, einen „guten Tag” wünschen<br />

wir dieser Frau. Und vielleicht erreicht sie auch der zweite<br />

Gruß, der uns in den Sinn kommt: „Pax vobiscum!” Ob sie<br />

ihn wohl kennt aus der Liturgie der Kirche? Ob sie versteht,<br />

wir wollen ihr und den Ihren keinerlei Unheil bringen, wir<br />

wünschen ihnen Gutes? Pax vobiscum – Friede sei mit<br />

euch! Das Antlitz der Polin entspannt sich und ermutigt<br />

mich zu den Worten: „In diesem Haus bin ich geboren und<br />

habe ich gelebt. Dürfen wir hereinkommen?” Einladende<br />

Gebärde eröffnet uns den Zugang. Träume ich oder ist es<br />

wirklich wahr: der Schleier, der sich in tausend Tagen und<br />

Nächten über die Vergangenheit gelegt hatte, ist abgedeckt.<br />

Ich bin in „meinem” Zimmer! Hier zogen mich als Jungen<br />

an lauen Maiabenden Fliederduft und Nachtigallenschlag<br />

ganz lind in den Schlaf. Hier habe ich zuerst Mose-Ge-<br />

„Ihr beide nicht fremd”<br />

GÜNTER KNECHT<br />

BEITRÄGE<br />

schichten gelesen und von den Nibelungen. Hier bin ich<br />

krank geworden und wieder gesund. Hier war alles gut.<br />

Die Polin erklärt die wenigen Veränderungen, die sie im<br />

Zimmer getroffen haben. Woher kann sie einigermaßen<br />

Deutsch? Durch die deutsche Besatzung hat sie es als Kind<br />

gelernt. Deutsche in Polen, damals! „Mein Bruder erschossen<br />

vor Augen mein Vater, am Tage Stille Nacht, heilige<br />

Nacht!” Schweigen steht im Raum . . .<br />

Jungen kommen mit Badesachen. Nehmen sie uns mit<br />

zum Fluß, zur Weistritz? Nicht lange, und ich bade mit<br />

ihnen an der Stelle, an der ich einst schwimmen lernte. Vom<br />

Ufer aus wird schwerlich jemand erkennen: die badenden<br />

Jungen sind Polen, der Mann mit ihnen ist Deutscher.<br />

Wieder im Hause. Wir werden eingeladen zu einer<br />

Mahlzeit, und nun hat sich auch der Familienvater eingefunden,<br />

geboren und aufgewachsen in Lemberg, in Lwow.<br />

Wir essen. „Wir” sage ich und meine nun schon uns beide<br />

und unsere polnischen Gastgeber. Die Kirschen zum<br />

Nachtisch erkenne ich wieder: sie sind von dem Baum, den<br />

mein Vater gepflanzt hat.<br />

Die Polen erzählen, erzählen uns Deutschen auch vom<br />

Streit um Gartenfläche mit ihren polnischen Nachbarn.<br />

Draußen spielen die Kinder mit dem Federballspiel, das wir<br />

ihnen schenkten. Vor der Haustür: Aufstellung zum Gruppenbild:<br />

Polen mit Deutschen, Deutsche mit Polen.<br />

Abschied am Auto: einen Beutel mit Eiern und einen<br />

sehr großen mit Kirschen drücken sie uns in die Hand. Die<br />

Polen sagt: „Ihr beide nicht fremd, ihr Bruder und<br />

Schwester!” Was bleibt zurück hinter uns, was geht mit<br />

uns? „Wohin gehen wir?” hat der Dichter gefragt und vernahm<br />

die Antwort: „Immer nach Hause.”<br />

Schloß Domanze Alte Ansichtskarte, 1920er Jahre<br />

Der Autor dieses kleinen Berichtes lebt als Pfarrer im<br />

Ruhestand, jetzt 85 Jahre alt, in Berlin, und ist der jüngere<br />

von zwei Söhnen (der ältere ist vermißt in Stalingrad) des<br />

Pastors Georg Knecht der von 1918 bis Anfang Februar<br />

1945 Pastor in Domanze war. �


Die Teilnehmer der Studienreise vor der Kirche in Dziêgielów mit Pfarrer Marek Londzin (rechts außen)<br />

„Die evangelische Kirche in Oberschlesien und<br />

Österreichisch-Schlesien in Vergangenheit und Gegenwart”<br />

Bericht zur Studienreise vom 16.- 22.6.2011, veranstaltet von der Kirchlichen Stiftung Evangelisches Schlesien<br />

CHRISTOPH SCHOLZ<br />

Diesmal war nicht wie bei den bisherigen Studienreisen<br />

eine Epoche der Kirchengeschichte das Thema, sondern<br />

eine Grenzregion mit wechselnder staatlicher Zugehörigkeit.<br />

Es handelt sich weitgehend um das ehemalige Piasten<br />

-Herzogtum Teschen. Auch kirchlich ist dieses Gebiet hart<br />

umkämpft gewesen. Recht früh in der Reformationszeit<br />

wurde es evangelisch, dann durch den Wechsel des Herzogs<br />

zum Katholizismus versuchte die Gegenreformation<br />

mit den üblichen Grausamkeiten das Rad zurückzudrehen.<br />

Nach dem Aussterben des Herzogshauses in der Zeit des<br />

30jährigen Krieges kam das Gebiet an Habsburg und musste,<br />

den Verträgen von Münster und Osnabrück 1648 entsprechend,<br />

katholisch werden. Aber der größte Teil der Bevölkerung<br />

blieb seinem Glauben treu, Stichwort: Geheimprotestantismus.<br />

Durch geheime Waldgottesdienste, lutherische<br />

und später pietistische Pastoren und Schriften retteten<br />

sie ihren Glauben bis zum Toleranz-Patent von Kaiser<br />

Joseph II. 1781. Die protestantischen Einwohner der Stadt<br />

Teschen waren 1709 durch den Bau der Gnadenkirche der<br />

drohenden Katholisierung entgangen. Diese Kirche war die<br />

einzige evangelische in Oberschlesien und wurde dazu zur<br />

Mutterkirche für die entstehenden protestantischen Kirchen<br />

Osteuropas. Die pietistische Ausrichtung, begründet von<br />

Predigern aus Halle, blieb bis heute ihr Markenzeichen.<br />

Wir konnten dies beim Besuch der Gemeinden hautnah<br />

erleben. Im Teschener Gebiet bilden Protestanten noch<br />

heute die Mehrheit der Bevölkerung, einzigartig in Polen.<br />

Wir besuchten nicht nur die mächtige, die Stadt überragende<br />

Gnadenkirche, sondern auch eine Reihe von evangelischen<br />

Gemeinden in Polen und Tschechien. Die Stadt<br />

Teschen ist übrigens wie Görlitz geteilt: Die Altstadt, mit<br />

typisch schlesischem Ring, gehört zu Polen, die neuen<br />

Viertel zu Tschechien. Sehr imponierend waren zum einen<br />

Evangelische Kirche im tschechischen Teil von Teschen


die Zahl der Gottesdienstbesucher: im Schnitt 200-250,<br />

Sonntag für Sonntag, wie uns stolz von den Pfarrern verkündet<br />

wurde. Wir konnten in Ustron mitfeiern und ein volles<br />

Haus erleben. Das Gemeindeleben ist rege. Es gibt<br />

Kinderchöre, gemischte Chöre und Posaunen-Chöre und<br />

Jugendgruppen, auch Evangelisationen sind üblich.<br />

Ebenfalls beeindruckend ist das Diakonissen-Mutterhaus<br />

in Dziêngelów. Hier hat sich ein evangelisches Zentrum<br />

entwickelt: Altenwohnheim und Evangelisationszentrum<br />

für die gesamte ev. Augsburger Kirche in Polen. Aber<br />

auch hier fehlt der Diakonissen-Nachwuchs. Pfarrer<br />

Londzin, der Leiter dieses Zentrums begleitete uns auf unserer<br />

Fahrt zu den Gemeinden und gab viele Informationen.<br />

Die westl. Beskiden, bis 1300 m ansteigend, sind ein<br />

dicht bewaldetes Mittelgebirge und zum Wandern sehr geeignet.<br />

Das konnten wir als Familie Scholz mit Mutter Erna<br />

1977 und 1979 ausprobieren. Unser Standquartier war damals<br />

das Waldhäuschen des poln. Pastor Krop. Beim Sonntagsausflug<br />

konnte unsere Gruppe aus dem Bus einen<br />

Eindruck der reizvollen Landschaft bekommen. Ustron und<br />

Drei Schwestern in Dziêgielów<br />

Teile der Schloßanlage in Pless<br />

Evangelische Kirche in Weichsel


Weichsel sind attraktive Kurorte, Bielitz-Biala beherbergt<br />

als Bischofssitz der ev. Diözese Teschen ein weiteres ev.<br />

Zentrum. Es ist stolz auf sein imponierendes Luther-<br />

Denkmal. Übrigens sind die Evangelischen auf der tschechischen<br />

Seite meist zweisprachig: polnisch und tschechisch,<br />

auch bei den Gottesdiensten wechselt die Sprache.<br />

Alle Pastoren , die wir erlebten, sprachen gut deutsch.<br />

Einer der Höhepunkte der Fahrt war der Besuch in der<br />

Teschener Gnadenkirche. Nicht zu übersehen war die Büste<br />

des Schwedenkönigs Karl XII., der dem Kaiser die sechs<br />

Gnadenkirchen in Schlesien abgerungen hatte.<br />

Die zweite Waldwanderung führte zum Platz der geheimen<br />

Gottesdienste bei Ustron, mit erhaltenem Altartisch<br />

und einem Gedenkstein. Die Stelle ist noch heute schwer<br />

zu erreichen.<br />

Auf der Hinfahrt war die Militscher Gnadenkirche<br />

Zwischenstation, auf der Rückfahrt die Stadt Pless mit<br />

Schloß und Evangelischer Schloßkirche, ehemals Sitz des<br />

Fürsten Pless u. Hochberg.<br />

Insgesamt genossen wir wieder eine landschaftlich lohnende<br />

und historisch interessante Gegend, lohnend allein<br />

schon wegen des Besuchs der lebendigen evangelischen<br />

Gemeinden. Unsere Geschichtskenntnisse wurden dabei<br />

kräftig aufgefrischt.<br />

<strong>Herzlich</strong> sei Herrn Edgar Kraus gedankt, der alle hier<br />

wiedergegebenen Fotos zur Verfügung gestellt hat. �<br />

Blick zum Altar der evangelischen Kirche in Bielitz<br />

Evangelische Schloßkirche in Pless


139<br />

Foto: ANN<br />

OKR i.R. Norbert Ernst zum Abschied<br />

Die „Gemeinschaft evangelischer Schlesier (Hilfskomitee)<br />

e.V.” trauert um Pfarrer und Oberkonsistorialrat i.R. Norbert<br />

Ernst. Er ist am 19. August 2011 in Görlitz im Alter von 77<br />

Jahren „aus dieser Zeit, in der er gern gelebt und Menschen<br />

geliebt hat”, – so die Traueranzeige – abgerufen worden.<br />

Norbert Ernst war mit Leib und Seele Oberlausitzer. Hier<br />

hat er die meiste Zeit seines Lebens verbracht: Am 12. März<br />

1934 in Niesky geboren, war er nach dem Theologiestudium<br />

in Halle/Saale ab 1958 Vikar, dann Pfarrer in Gersdorf, – an<br />

der Kirche, in der am 25. August 2011 auch die Trauerfeier<br />

Zum Gedenken an Superintendent i.R. Dr. Andreas Holzhey<br />

GENERALSUPERINTENDENT MARTIN HERCHE<br />

Am Dienstag, dem 16. August, ist Superintendent i.R. Dr.<br />

Andreas Holzhey im Leipziger Universitätsklinikum verstorben.<br />

Auf dem Weg der schweren Krebserkrankung und<br />

im Abschied ist er dabei treu von den Seinen und von herzlicher<br />

Fürbitte aus Nah und Fern begleitet worden.<br />

Am 29. Januar 1948 ist er in Ruhland als Sohn des<br />

Superintendenten Gotthold Holzhey und seiner Ehefrau Käthe<br />

zur Welt gekommen. Die Erfahrung mannigfacher Gaben<br />

und Begabungen im Geschwisterkreis und in der Familie<br />

haben ihn für den eigenen Weg ebenso vorbereitet wie die<br />

Freude an der Gemeinde und am kirchlichen Gestalten und<br />

Bekennen, die er im Elternhaus erfahren durfte. Nach der<br />

1966 in Leipzig absolvierten Reifeprüfung hat er dort bis<br />

1971 an der Sektion Theologie der damaligen Karl-Marx-<br />

Universität studiert.<br />

Nach dem Lehrvikariat bei Pfarrer Fritz Kolata in<br />

Kroppen und der Predigerseminarszeit in Wittenberg war<br />

Andreas Holzhey als Vikar mit pfarramtlichen Diensten in<br />

MELDUNGEN<br />

stattgefunden hat. Von 1973 bis 1982 war er Superintendent<br />

des Kirchenkreises Reichenbach, 1982 bis 1985 nebenamtlicher,<br />

ab 1985 hauptamtlicher Konsistorialrat in Görlitz und<br />

von 1991 bis zu seiner Verabschiedung aus dem Dienst 1997<br />

Oberkonsistorialrat. Seinen Ruhestand verbrachte er in Görlitz.<br />

Unsere „Gemeinschaft” hat OKR Norbert Ernst viel zu<br />

verdanken. Er gehörte zu denen, die nach der Wiedervereinigung,<br />

als die Zusammenarbeit zwischen uns, die wir aus<br />

der westdeutschen Bundesrepublik kamen, und den Schlesiern<br />

in der Oberlausitz möglich wurde und langsam anlief,<br />

sehr freundlich, ja herzlich willkommen hieß, Türen öffnete,<br />

Beziehungen herstellte und uns half, in der ehemaligen DDR<br />

heimisch zu werden.<br />

Gern denke ich an seine Andachten und Vorträge zurück,<br />

die er bei den Arbeitstagungen des „Vereins für Schlesische<br />

Kirchengeschichte e.V.” in der Kreuzbergbaude in Jauernick-Buschbach<br />

gehalten hat. Mehrere seiner Vorträge sind<br />

dann auch im „Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte”<br />

gedruckt worden und dort nachzulesen. Nach dem Zusammenschluss<br />

der Evangelischen Kirche der schlesischen<br />

Oberlausitz mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg<br />

hat er den Vorsitz unserer Landesarbeitsgemeinschaft<br />

(LAG) in Görlitz übernommen und regelmäßig Zusammenkünfte<br />

veranstaltet, auch an unserem internen Austausch und<br />

an den Kirchentagen teilgenommen.<br />

Vielen von uns war er ein guter Freund geworden. In<br />

Dankbarkeit für den Weg, den wir mit ihm gemeinsam gehen<br />

durften, nehmen wir Abschied von Oberkonsistorialrat i. R.<br />

Norbert Ernst. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken<br />

bewahren. Christian-Erdmann Schott �<br />

Rothenburg, Kirchenkreis Niesky, beauftragt. Am 20. Juli<br />

1975 in der Görlitzer Dreifaltigkeitskirche durch OKR<br />

Juergensohn ordiniert, hat er dann vom Oktober 1976 bis<br />

zum August 1986 in Rothenburg das Pfarramt wahrgenommen.<br />

In der engen Beziehung von Gemeindewirklichkeit und<br />

diakonischer Arbeit, der zeitlebens seine besondere Aufmerksamkeit<br />

und Liebe galt, hat er in jenen Jahren wichtige<br />

Akzente setzen können. Seit November 1985 war Andreas<br />

Holzhey Superintendent des Kirchenkreises Niesky; die<br />

Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde Niesky<br />

übernahm er am 1. September 1986.<br />

In den Zeiten der friedlichen Revolution und auf dem<br />

Weg in die demokratische Umgestaltung hat Andreas Holzhey<br />

viele geprägt und sich selbst mit großer Verantwortungsbereitschaft<br />

eingebracht. Als Mitglied der Provinzialsynode<br />

und Kirchenleitung, aber auch im politischen Kreis,<br />

der Stadt Niesky und den Gemeinden des Kirchenkreises<br />

konnte er mit Rat, Kritik und Tatkraft wirken. Als ausgewie-


MELDUNGEN 140<br />

sener Kenner der Heimatgeschichte hat er vielen u.a. die<br />

Dichtungen von Eleonore Fürstin Reuß nahe bringen können.<br />

Und unermüdlich hat Andreas Holzhey auch nach der<br />

Verabschiedung in den Ruhestand im Oktober des Jahres<br />

2000 auf Klarheit und Verantwortlichkeit in Kirche, Diakonie<br />

und gesellschaftlichem Leben gedrungen. So hat er<br />

sich vehement für den aus seiner Sicht unabdingbaren Erhalt<br />

seiner geliebten Landeskirche eingesetzt und darauf gesehen,<br />

daß das Erbe des evangelischen Schlesiens auch angesichts<br />

veränderter Kirchenstrukturen mit Dankbarkeit und<br />

Entschiedenheit wahrgenommen wird.<br />

Wer ihn in den letzten Jahren in Diehsa im Kreise seiner<br />

Familie und in der Gemeinde vor Ort erleben konnte, durfte<br />

Unter dem Titel „Zwischen Schlesien und Sachsen – die Migration<br />

der Schwenckfelder in die Oberlausitz” führt der<br />

Verein „Schwenckfeldhaus Berthelsdorf e.V.” in Zusammenarbeit<br />

mit der Kirchlichen Stiftung Evangelisches<br />

Schlesien vom 16. bis 18. September 2011 eine Studientagung<br />

in Görlitz durch. Besonderer Beachtung sei hierbei der<br />

titelgebende Grundlagenvortrag empfohlen, den Herr Prof.<br />

Horst Weigelt (Bamberg) im Schlesischen Museum Görlitz<br />

am 16. September um 19 Uhr halten wird.<br />

Aber auch die weiteren Tagesordnungspunkte versprechen<br />

ein vielfältiges und interessantes Programm. So steht<br />

ein Besuch des Görlitzer Ratsarchivs ebenso auf dem Plan,<br />

wie eine Fahrt ins Schlesische (Harpersdorf, Zobten, Probsthain)<br />

und eine Stadtführung, die sich auf die Suche begibt<br />

nach Spuren konfessioneller Minderheiten in Görlitz<br />

(„Crypto-Calvinisten, Pietisten, Schwenckfelder”). Ein Besuch<br />

Reichenbachs, mit Gottesdienst und Besichtigung des<br />

Sächsischen Migrationszentrums ist für den Sonntag vorgesehen.<br />

In diesem Zusammenhang erfahren die Teilnehmer<br />

durch Film und Vortrag Wissenswertes zum Berthelsdorfer<br />

„Schwenckfeldhaus”.<br />

Noch niemand hat gezählt und zusammengestellt, wie oft<br />

in den Jahren 1945/46 der Befehl und die Verheißung<br />

Gottes an Abraham unter den Ostvertriebenen gepredigt<br />

wurde – eben nicht nur von Joachim Konrad in Breslau-St.<br />

Elisabeth: „Gehe aus deinem Vaterland ... ich will dich segnen<br />

und du sollst ein Segen sein”.<br />

Studientagung „Schwenckfeldhaus”<br />

Buchempfehlung<br />

mit ihm und den Seinen etwas von geschenkter Zeit ahnen,<br />

zugleich aber auch erfahren, mit welchem Lebensmut Andreas<br />

Holzhey so vielfältig engagiert blieb – und von welcher<br />

Vertrautheit und Liebe er umgeben war. Er selbst hat<br />

den Freunden der Diakonie-Sozialstation das einmal so<br />

beschrieben, was für ihn zu dem Schönsten gehörte: „Wenn<br />

die Tiefe erreicht war, wenn die Probleme über uns zusammen<br />

brachen, wenn ich mich eingeschlossen fühlte wie in<br />

einer Grube oder einer Gefängniszelle, dann brachte irgendjemand<br />

eine Leiter oder es drehte sich ein Schlüssel im<br />

Schloß.” Einem solchen Erbarmen, einer solch rettenden und<br />

befreienden Liebe vertrauen wir unseren verstorbenen<br />

Bruder und die Seinen an. ( red. gekürzte Fassung) �<br />

Dank einer Förderung des Landkreises, der die Besonderheit<br />

dieses Gebäudes erkannt hat, konnte in diesem Jahr mit der<br />

Stabilisierung des Hauses begonnen werden. Mit der<br />

Trockenlegung des Bauwerkes in den letzten zwei Jahren<br />

sind die jetzt begonnenen Arbeiten überhaupt erst möglich<br />

geworden. (ANN)<br />

Teilnehmerbeitrag: 30,- Euro<br />

Anmeldung und Informationen:<br />

Kirchliche Stiftung Evangelisches Schlesien<br />

Schlaurother Straße 11, 02827 Görlitz, Tel.:03581-744 205<br />

Abbildungen: (li.o.) Schwenckfeldhaus 2007, Zeichnung: ANN;<br />

(re.u.) Computersimulation des künftig wiederhergestellten<br />

Hauses, Foto: Schwenckfeldhaus Berthelsdorf e.V.<br />

Aber wer nach einem Buch sucht, in dem so spannend wie<br />

anschaulich (in Sprache und Bildern) einmal sehr sehr konkret<br />

erzählt wird, wie vertriebene Schlesier (und wahrhaftig<br />

nicht nur Schlesier) in ihrer neuen (Zwangs-)Heimat<br />

zum Segen wurden, der lese das neue Buch, das Dr. Klaus<br />

Leder (bis zum Ruhestand Dekan in Feuchtwangen) über


141<br />

seinen Vater geschrieben hat. Und wie<br />

der Titel weckt auch das Titel-bild<br />

Aufmerksamkeit: Die Wiedergabe eines<br />

Plakates in damaliger graphischer Manier:<br />

„Studenten in Not! Hilf auch Du!”<br />

Und dazu dann: „Studentenhilfswerk<br />

der Inneren Mission Ansbach.” Der Untertitel<br />

ist dann ganz sachlich: „Erinnerungen<br />

an meinen Vater Martin Leder,<br />

Stadtmissionar, Stadtrat und Bürgermeister,<br />

1948-1967 in Ansbach.”<br />

Für die Lesergemeinde des „<strong>Gottesfreund</strong>es”:<br />

Martin Leder war Schlesier,<br />

Diakon und Missionar der Oderschiffer<br />

mit Dienstsitz im Oderhafen Cosel.<br />

Über diesen schlesischen Teil seines<br />

Lebens hat der Sohn vor einigen Jahren<br />

bereits eine Arbeit vorgelegt: „Das<br />

Haus an der Oder”; der <strong>Gottesfreund</strong><br />

berichtete davon. Und hier nun die Fortsetzung:<br />

mit welcher Energie, mit welchem Sachverstand,<br />

mit welcher Sensibilität für die Nöte der Mitmenschen,<br />

sonderlich der Vertriebenen, mit welcher Phantasie auch<br />

VERANSTALTUNGEN DER<br />

GEMEINSCHAFT EVANGELISCHER SCHLESIER<br />

Hamburg:<br />

<strong>Schlesischer</strong> Gemeindenachmittag<br />

Freitag, 2. September um 16 Uhr<br />

im Gemeindesaal von St. Petri in Altona, Schmarjestraße 33.<br />

LAG Anhalt-Mitteldeutschland:<br />

Schlesiertreffen in Zerbst<br />

25. Oktober, Beginn um 14 Uhr in der St. Trinitatiskirche.<br />

Berichtet wird über die Arbeit der Goßner-Mission.<br />

LAG Baden-Württemberg:<br />

Jahrestagung vom 19. - 21. September<br />

im Gästehaus der Herrenberger Schwestern in Herrenberg.<br />

Aus dem Programm:<br />

Beginn mit dem Kaffeetrinken am Montag um 15 Uhr;<br />

Vorträge über „Caspar von Schwenckfeld in Süddeutschland”<br />

und den Liederdichter Johann Heermann aus Köben; Bericht<br />

vom Kirchentag der evg. Schlesier; Reiseberichte; Klavierkonzert,<br />

Filmvorführung; am Mittwochvormittag<br />

Abendmahlsgottesdienst.<br />

Stuttgart:<br />

Ostdeutscher Heimatgottesdienst<br />

nach der Liturgie der Altpreußischen Union<br />

Sonntag, 29. September um 14.30 Uhr in der Schloßkirche.<br />

Anschließend Kaffeetafel.<br />

EVANGELISCHE GOTTESDIENSTE<br />

IN DEUTSCHER SPRACHE IN SCHLESIEN<br />

Pfarramt:<br />

ul. Partyzantów 60, PL 51-675 Wroclaw,<br />

Pfarrer Andrzey Fober, Tel.: 0048-71-34 84 598<br />

BUCHEMPFEHLUNG<br />

Martin Leder die Innere Mission in<br />

Ansbach aufbaute und leitete, ist bis in<br />

überraschende und bewegende Details<br />

hinein beschrieben: „Du sollst ein Segen<br />

sein”, oder, mit dem anderen Bibelwort,<br />

das damals immer wieder für<br />

Christenmenschen Ansporn war, am<br />

neuen Ort nach Kräften anzupacken:<br />

„Suchet der Stadt Bestes, in die euch<br />

Gott, der Herr, geführt hat.” Und für<br />

sehr viele unserer Leser wird die Lektüre<br />

ein Erinnerungsgang in die eigene<br />

Kindheit oder Jugend sein: -ß<br />

Klaus Leder<br />

Bettler mit Bundesverdienstkreuz<br />

Erinnerungen an meinen Vater Martin<br />

Leder, Stadtmissionar, Stadtrat und<br />

Bürgermeister,<br />

1948-1967 in Ansbach.<br />

288 Seiten, A 4, reich bebildert.<br />

Vertrieb: Druckerei Sommer, 91 555 Feuchtwangen,<br />

Dieselstraße 4 �<br />

Breslau:<br />

an jedem Sonntag um 10 Uhr<br />

in der Christophorikirche, pl. Sw. Krzyzstofa 1<br />

Jauer<br />

Friedenskirche. Auf Anfrage: Park Pokoju 2, 59-400 Jawor.<br />

Tel. (+4876) 870 51 45. E-Mail: jawor@luteranie.pl<br />

Lauban:<br />

an jedem 4. Sonntag im Monat um 9.30 Uhr<br />

in der Frauenkirche, ul. Kombatantów<br />

Liegnitz:<br />

am 1. und 3. Sonntag um 13<br />

Uhr in der Liebfrauenkirche, pl. Mariacki 1<br />

Schweidnitz:<br />

jeden 4. Sonnabend um 9 Uhr<br />

in der Friedenskirche, pl. Pokoju 6<br />

Waldenburg:<br />

am 2. und 4. Sonnabend um 14 Uhr<br />

in der Erlöserkirche, pl. Koscielny 4<br />

Bad Warmbrunn:<br />

Erlöserkirche, pl. Piastowski 18<br />

jeder 2. Sonnabend im Monat 14 Uhr<br />

jeder 4. Sonntag im Monat 14 Uhr<br />

Weitere Informationen: www.stchristophori.eu<br />

GEBURTSTAGE AUS DER LESERGEMEINDE<br />

102. Am 06.09. Frau Charlotte Wagner, 85221 Dachau,<br />

Ludwig-Ernst-Str. 12, früher Breslau.<br />

96. Am 06.09. Frau Johanna Peschke, 04924 Bad<br />

Liebenwerda, Kurt-Fitzkow-Platz 1, früher Schlauroth/<br />

Görlitz.<br />

92. Am 28.09. Herr Pfarrer Ernst Gelke, 89073 Ulm,<br />

Friedenstr. 39, früher Breslau.<br />

91. Am 16.09. Frau Helene Klose, 34128 Kassel,<br />

Karlsbergstr. 3, früher Goldberg Schlesien.


AUS DER LESERGEMEINDE<br />

90. Am 05.09. Frau Ursula Weirauch, 13583 Berlin,<br />

Kemmannweg 25 a, früher Schweidnitz. � Am 09.09.<br />

Herr Erich Quester, 53115 Bonn, Kreuzbergweg 14, früher<br />

Ohlau. � Am 15.09. Herr Eberhard Scholz, 78098 Triberg,<br />

Rohrbacher Str. 31, früher Reichenbach/Eulengb.<br />

89. Am 17.09. Frau Rosemarie Drescher, geb. Kleiner,<br />

65582 Diez, Rosenstr. 38, früher Gottesberg. � Am<br />

17.09. Herr Pastor i. R. Gottfried Treblin, 38871 Langeln,<br />

Hauptstr. 11, früher Schmolz, Krs. Breslau. � Am 23.09.<br />

Frau Hilde Saur, 72760 Reutlingen, Storlachstr. 88, früher<br />

Laasan, Krs. Schweidnitz.<br />

87. Am 03.09. Frau Ilse Rott, 37520 Osterode, In den<br />

Angerhöfen 38, früher Geischen/Guhrau.<br />

86. Am 28.09. Frau Margot Neumann, geb. Huhnt<br />

02828 Görlitz, Am Wiesengrund 6, früher Kamenz, Krs.<br />

Frankenstein.<br />

85. Am 07.09. Frau Pastorin Elisabeth Fuchs, 48153<br />

Münster, Am Berg Fidel 70, früher Beuthen/Oder. � Am<br />

12.09. Frau Irmingard Gattner, 79241 Ihringen, Auf der<br />

Breite 19, früher Hirschberg. � Am 14.09. Frau Sigrid<br />

Pollerspöck, 51109 Köln, Straßburger Platz 2, früher<br />

Breslau-Opperau.<br />

84. Am 02.09. Frau Brigitte Boulay, 26123<br />

Oldenburg, Theodor-Francksen-Str. 7, früher Hindenburg.<br />

83. Am 07.09. Herr Dietrich Kleiner, 28779 Bremen,<br />

Langenberger Str. 62, früher Berlin. � Am 08.09. Herr<br />

Pfarrer i.R. Christoph Klaffke, 72074 Tübingen, Seestr. 25,<br />

früher Breslau-Zimpel. � Am 10.09. Frau Barbara<br />

Brandt, 32694 Dörentrup, Barntruper Str. 17, früher Waldenburg.<br />

82. Am 05.09. Herr Wolfgang Kaufmann, 02826<br />

Görlitz, Sattigstr. 2, früher Bismarckhütte O/S. � Am<br />

08.09. Herr Rudolf Hanke, 37520 Osterode, Halberstädter<br />

Str. 33. � Am 15.09. Frau Edith Gisbert, 14055 Berlin,<br />

Glockenturmstr. 28. � Am 29.09. Frau Ursula Vogel,<br />

95234 Sparneck, Reinersreuth 71, früher Neuhammer/Queis.<br />

81. Am 08.09. Herr Dr. med. Hans-Gerhard Möller,<br />

31515 Wunstorf, Mühlenkampstr. 41, früher Schweidnitz.<br />

� Am 11.09. S.H. Herr Dr. Wilfried v. Watzdorf, 31167<br />

Bockenem, Martin-Luther-Str. 39, früher Schönfeld<br />

Krs.Kreuzburg. � Am 25.09. Frau Ingeborg Siebke, 61352<br />

Bad Homburg, Seedammweg 46, früher Oppeln. � Am<br />

28.09. Herr Diakon Reinhold Wiesner, 63450 Hanau,<br />

Philippsruher Allee 12, früher Wüstegiersdorf. � Am<br />

29.09. Herr Manfred Klisch, 21217 Seevetal, Am<br />

Twielenberg 26, früher Hennersdorf/Namslau.<br />

78. Am 02.09. Frau Inge Riemann, 61250 Usingen,<br />

Schillerstr. 19, früher Görlitz. � Am 08.09. Frau Margarete<br />

Fritzler, 04315 Leipzig, Neustädter Str. 13, früher<br />

Ottendorf/Bunzlau. � Am 27.09. Frau Barbara Huber,<br />

80634 München, Schäringerstr. 7, früher Ströbel. � Am<br />

28.09. Frau Charlotte Beige, 76229 Karlsruhe, Bruchwaldstr.<br />

45, früher Kattern Krs.Breslau. � Am 29.09. Herr<br />

Gotthard Hoffmann, 38259 Salzgitter, Ernst-Moritz-Arndt-<br />

Str. 10, früher Böhmischdorf/Brieg.<br />

77. Am 09.09. Frau Inge Braun, geb. Kielmann, 50735<br />

Köln, Gelsenkirchener Str. 5, früher Groß Wartenberg.<br />

�Am 23.09. S.H. Herr Dr. Götz v. Goßler, 21244 Buch-<br />

142<br />

holz, Schlehenweg 19. � Am 28.09. Herr Ekkehard Reichel,<br />

14193 Berlin, Hagenstr. 23, früher Heidewilxen.<br />

76. Am 20.09. Frau Barbara Simon, 80804 München,<br />

Bummstr. 15, früher Goldberg. � Am 24.09. Herr Pfarrer<br />

i. R. Christoph Lüke, 09243 Niederfrohna, Am Rittergut 45,<br />

früher Groß Wartenberg. � Am 27.09. Herr Oskar Rohde,<br />

51467 Bergisch Gladbach, Klutstein 39.<br />

75. Am 06.09. Herr Martin Schmidt, 02829 Königshain,<br />

Dorfstr. 307a, früher Niederbacken Krs.Guhrau. �<br />

Am 13.09. Herr Knut Frenzel, 24107 Kiel, Wippen 28.<br />

70. Am 12.09. Frau Marlies Richter, 42389 Wuppertal,<br />

Caronstr. 4, früher Breslau. � Am 17.09. Frau Renate<br />

Bischoff, 22175 Hamburg, Osteroder Weg 16, früher<br />

Reichenbach/Eulengb. � Am 29.09. Frau Irene Dettmar,<br />

31177 Harsum, Kreuzstr. 16, früher Brieg.<br />

65. Am 03.09. Herr Klaus Chr. Röhrbein, 30855 Langenhagen,<br />

Kapellenstr. 10.<br />

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derzeitige Anschrift oder Ihren gesamten Eintrag löschen<br />

lassen möchten, schreiben Sie bitte an die im Impressum<br />

genannte Herausgeber-Adresse! �<br />

Dienstanweisung<br />

für einen Apostel<br />

DIETMAR NEß<br />

Um es gleich vorweg zu sagen: diese Überschrift ist schön,<br />

sie soll ja auch neugierig machen, nur leider: sie ist nicht<br />

korrekt. Auch wenn der kurze Text, den wir als „Fundsache“<br />

auf die letzte Seite (144) des „<strong>Gottesfreund</strong>es“ gesetzt<br />

haben, in der Literatur immer wieder als eine solche<br />

ausgegeben wird.<br />

Die „Fundsache“ ist ein Blatt Papier im sogenannten<br />

Quartformat, 34,6 x 21,1 cm, beschrieben um 1750, im<br />

Besitz des Schreibers dieser Zeilen, eine ´Copie` nicht im<br />

heutigen technischen Verfahren, sondern wie seinerzeit<br />

einzig möglich als Abschrift. Und weil vielleicht nicht<br />

mehr alle unsere Leser entziffern können, sei der Text hier<br />

wie-dergegeben: Instruction vor die im Lager bey Glogau<br />

confirmirte neue Prediger.<br />

Auf Sr. Königlichen Majestät in Preußen allergnädigsten<br />

Befehl, soll der Prediger Kegel zu Primkenau und<br />

denen da herum liegenden Dörfern in großen Sälen oder<br />

Gemächern den Gottesdienst halten, auch alle Actus ministeriales<br />

verrichten, übrigens aber denen Catholischen keinen<br />

Eingriff thun, wornach sie ein jeder, wes Standes er<br />

sey, zu richten, Rauschwitz, d 22 Jan. 1741<br />

Sr Königl. Maijestæt in Preußen General Lieutenant<br />

und Commendant des andern Corps der Armee von Glogau.<br />

(LS) Leopold von Anhalt<br />

Der Text veranschaulicht den Bericht über die Ereignisse<br />

im preußischen Kriegslager vor den Toren der Festung<br />

Glogau, den wir in den beiden letzten Ausgaben<br />

abdruckten, mit einem zeitgenössischen Dokument, einer<br />

„Dienstanweisung“, wie deren am gleichen 22. (und wohl


143<br />

auch am 23.) Februar 1741 insgesamt zehn ausgefertigt<br />

wurden. Und zehn junge Geistliche zogen mit einer solchen<br />

Bescheinigung mit den sie abholenden Gemeindevertretern<br />

nun in zehn Orte – Kirchengemeinden kann man ja kaum<br />

sagen – , fanden irgendwo dort vorläufige Wohnung, provisorisch<br />

zum Gottesdienst hergerichtete größere Räume.<br />

Und als Legitimation hatten sie nicht mehr als diesen einzigen<br />

Satz – was müssen das für Zeiten gewesen sein, möchte<br />

man sagen angesichts heutiger Pfarrerdienst-gesetze, als<br />

noch ein einziger Satz, miliärisch knapp, als<br />

Dienstanweisung für einen Pastor ausreichte! Und zugleich<br />

waren diese Zettel auch Königlicher und also nicht zu<br />

umgehender Befehl an die jeweilige Obrigkeit – ob<br />

Grundherr oder Stadtrat – , die Arbeit der Pastoren ja nicht<br />

etwa zu behindern. Und so fingen sie dann an.<br />

Die ersten zwölf dieser im Feldlager Rauschwitz vor<br />

Glogau „confirmirten“ (nicht ordinierten!) Geistlichen<br />

nannte man dann alsbald die „12 schlesischen Apostel“ –<br />

und daher die Überschrift über diesen kleinen Text. Aber<br />

mein erster Satz lautete: diese Überschrift ist, für diesen<br />

Text, nicht korrekt. Denn die historische Wahrheit lautet,<br />

auch wenn das hundertmal und öfter so zu lesen ist: dieser<br />

Text wurde nicht jenen ersten zwölf ´Aposteln`, sondern<br />

erst einer dritten Gruppe von Predigern mitgegeben. Und<br />

ob die ersten 12 ein solches Papier bekamen und wie es lautete,<br />

ist nicht bekannt.<br />

Und noch überraschender: man weiß bis heute nicht<br />

sicher, wer diese ersten Zwölf waren, und welches die<br />

zwölf Orte waren, in die sie geschickt wurden! Schon Johann<br />

Adam Hensel in seiner „Protestantischen Kirchen-Geschichte<br />

der Gemeinen in Schlesien“, der ja eigentlich noch<br />

Zeitgenosse war und sein schönes dickes Buch mit seinen<br />

792 Seiten bereits 1768 drucken ließ, hat eine nicht nur<br />

unvollständige, sondern auch noch teilweise falsche Liste<br />

der Orte und Personen gegeben, und die ist dann fleißig<br />

immer und immer wieder abgeschrieben worden ...<br />

Durcheinandergebracht wurden nämlich drei Termine<br />

und drei Gruppen: eine erste Gruppe von 12 Geistlichen, in<br />

Berlin (!) ordiniert und dann im Lager Rauschwitz an zwölf<br />

Gemeinden ausgelost; eine zweite Gruppe von 9 Geistlichen,<br />

am 16. Februar 1741 in Rauschwitz ordiniert und ausgesandt;<br />

und eine dritte Gruppe von weiteren 10 Geistlichen<br />

dann eine Woche später, am 23. Februar 1741 in<br />

Rauschwitz ordiniert. Und weil ich dieses Durcheinander –<br />

jedenfalls bisher – auch nicht eindeutig entwirren kann,<br />

wird hier auf die Nennung der Orte und Personen verzichtet;<br />

die Fehler sollen nicht weiter verbreitet werden.<br />

Die Ordination weiterer Pastoren für – künftige –<br />

Bethausgemeinden wurde dann erst einmal ausgesetzt: zum<br />

einen müsse die ganze Angelegenheit etwas sorgfältiger<br />

betrieben werden, zum anderen sei jetzt erst einmal Krieg.<br />

Als dann am 20. September 1742, also nach dem ersten der<br />

drei Schlesischen Kriege, in Breslau das inzwischen eingerichtete<br />

Konsistorium eine neuen Dienstanweisung herausgab,<br />

war die um ein mehrfaches länger als die hier wiedergegebene,<br />

die „Verordnung an alle Evangelischen Prediger<br />

der neu erbauten Bethäuser wie sie sich ratione ihres Amtes<br />

zu verhalten haben.“ �<br />

Datum: Unterschrift:<br />

Titel:<br />

Nachname:<br />

Vorname:<br />

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Impressum<br />

FUNDSTÜCK<br />

Beitrittserklärung:<br />

Ich erkläre hiermit meinen Beitritt zur Gemeinschaft evangelischer<br />

Schlesier e. V. bei einem Mitglieder-Jahrebeitrag von aktuell 30 Euro<br />

für das laufende Kalenderjahr; im Rahmen meiner Vereinsmitgliedschaft<br />

erhalte ich die Zeitschrift „<strong>Schlesischer</strong> <strong>Gottesfreund</strong>” kostenfrei.<br />

Ich möchte kein Mitglied werden, bestelle aber die Monatszeitschrift<br />

„<strong>Schlesischer</strong> <strong>Gottesfreund</strong>” zum Abo-Preis von derzeit 30<br />

Euro pro Jahr.<br />

Bitte senden Sie mir eine Probenummer der Zeitschrift „<strong>Schlesischer</strong><br />

<strong>Gottesfreund</strong>” zu.<br />

Beruf:<br />

persönlicher bzw. familiärer<br />

schlesischer Herkunftsort:<br />

Sollten Sie nicht mit der Veröffentlichung einiger Ihrer persönlichen<br />

x Daten in der Geburtstagsliste des „<strong>Gottesfreund</strong>es” einverstanden<br />

sein, kreuzen Sie es bitte in den entsprechenden Kästchen an.<br />

Bitte einsenden an: Gemeinschaft evangelischer Schlesier e.V.<br />

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oder Stiftung Evangelisches Schlesien<br />

Schlaurother Straße 11, D – 02827 Görlitz<br />

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BLZ: 490 519 90 Kto.-Nr.: 26 997<br />

Herausgeber:<br />

Gemeinschaft evangelischer Schlesier (Hilfskomitee) e.V.<br />

D 32440 Porta Westfalica, PF 1410, Tel.: 0571-971 99 74,<br />

Bankverbindung: Stadtsparkasse Porta Westfalica<br />

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E-mail: info@gesev.de<br />

Verantwortlich für den Inhalt:<br />

Mag. phil. et theol. Dietmar Neß<br />

Wittichenauer Straße 11a, D - 02999 Groß Särchen,<br />

Tel./Fax: 03 57 26 - 5 56 75<br />

E-mail: mag.ness@online.de.<br />

Grafik/Satz/Layout/Redaktionelle Beiträge:<br />

Andreas Neumann-Nochten<br />

Hotherstraße 32, D - 02826 Görlitz<br />

Tel.: 03581 - 878988<br />

E-mail: neumann-nochten@freenet.de<br />

Herausgegeben in Zusammenarbeit mit der<br />

Stiftung Evangelisches Schlesien und der<br />

Evangelischen Diözese Breslau/Wroc³aw.<br />

Druck: MAXROI Graphics GmbH, Görlitz


FUNDSTÜCK


Grusses Schlachtfest woar gewast.<br />

Endlich is der Obend do, olle Kotza wur a groo<br />

und der Kolle kruch eis Nast.<br />

Vullgesackt sei Baeuchla waor, denn a hatte gutt gestuppt<br />

Wellfleisch, Wellwurscht, Plimpelwurscht,<br />

viel getrunka und gesuppt.<br />

Wies halt ies ei sichta Taga, obends leit em olls eim Maaga.<br />

Kolles Maaga dar woar vul und dem Kolle woar ne wuhl.<br />

De Nacht woar schworz wie Pech und Room,<br />

a Kaeuzla uffm Dache rief und wie der Kolle endlich schlief,<br />

do hot ar goar nen biesa Troom:<br />

Ging der Wind eim Ufariehre, kloopt woas on de Stubatiere?<br />

Koama lauter - ees, zwee, drei - lauter fette Schweinla rei,<br />

's woar a ganzes Uufgebote, hoatte lange Masser miete,<br />

lauter Schweinla, lauter fette, koama uff zwee Benn geloofa,<br />

koama olle bis oans Bette, wu dar Kolle und toat schloofa.<br />

Zeigta blanke Masserklinga, finga olle on zu singa:<br />

Kolle, Kolle, Kolle, Kolle, Kolle jitzt werscht du geschlacht'<br />

und aus dir werd Wurscht gemacht.<br />

Jitzt fing doas erschte on zu sprecha:<br />

Nuck, nuck, mer warn a bale stecha.<br />

Und wie doas erschte und hoatta geredt,<br />

do meente doas zweete, ar is hibsch fett,<br />

do daecht icht wull, is waer doas beste,<br />

mer machta Wurscht und zwoar gepresste.<br />

Do sproach doas dritte: sis gutt, surgt ok ver Blutt, surgt ok Ver<br />

Blutt.<br />

Doas erschte sproach: Woas mach denn aber<br />

mit dann Nierlan und mit der Laber?<br />

Do sproch doas zweete: Doas macht keene Miehe,<br />

doas kimmt olles ei de Briehe.<br />

Dann sproch das dritte: Macht kee Gelaerme, macht kee<br />

Gelaerme,<br />

surgt ok ver Daerme, surgt ok ver Daerme.<br />

Do finga se olle zu grunze oan, Faerme werd a wull salber hoan.<br />

Do sproch doas erschte: mer wern ins setza,<br />

Masser wetza, Masser wetza.<br />

Und wie se und hoatta de Masser geschliffa,<br />

do meent doas zweete: Jetzt zugegriffa,<br />

hier hilft erscht kee Aber und kee Wenn, mer nahma a baale bei<br />

a Benn,<br />

ees nimmt a beim linka, ees nimmt a beim rechta,<br />

wir beede haln a, ihr beede stecht a.<br />

Do wurd dam Kolle Angst und bange,<br />

a loag und woand sich wie ne Schlange.<br />

Ar griff noch dar Lompe, a griff nochm Tochte, a flug ausm<br />

Pochte.<br />

Und wie a nabern Bette loag, so wurd a munter und derschroack.<br />

Nee, ducht a, nee, kunnts taelscher sein,<br />

ma kun e jitzt schun Blutwurscht sein.<br />

A griff oan de Uhrn, a griff oan de Beene. -<br />

Nee, Gott sei Dank, ar woar noch keene.

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