Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft
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sich immer mehr Fans identifizieren konnten. Der Laborversuch<br />
ist geglückt, die Kalkulation aufgegangen. Groß und Greis, Wilhelm<br />
und Neuner haben ihren Sport nicht nur populär gemacht.<br />
Sie laufen und schießen sich und ihm auch viel Geld zusammen;<br />
mit jedem Rennen mehr, es können gar nicht genug sein. Angebot<br />
und Nachfrage - so stürmt Biathlon nun in die Charts und in<br />
die freie Marktwirtschaft. Auch in alle Konsequenzen, die sich in<br />
deren "Krise" gerade offenbaren?<br />
Aufstieg und Fall sind auch im Sport nicht mehr unbekannt,<br />
seitdem Fußballer, Handballer und Eishockeyspieler sich nicht<br />
mehr mit einem Lorbeerkranz, Ruhm und Ehre zufrieden geben.<br />
Ergebnisse werden manipuliert oder erkauft. Große Clubs sind<br />
zahlungsunfähig, andere kommen nicht mehr aus dem Börsenkeller.<br />
Mancher Möchte-gern-kann-aber-nicht ist insolvent oder<br />
still verschieden. In Einzelsportarten, weil sich einer allein immer<br />
leichter tut als eine ganze Mannschaft, greift man immer eher<br />
zu Diabolika. Ob Leichtathleten, Gewichtheber oder Radfahrer,<br />
sie kennen zwar die Risiken für ihre Gesundheit - und spielen<br />
doch russisches Roulette. Als heilige der Sieg jedes Mittel, weil er<br />
Ruhm bringt und Ruhm Geld.<br />
Geld stinkt nicht, und freie Marktwirtschaft kennt keine Grenzen?<br />
Irrtum. Es geht um Sport. Und dessen Faszination macht gerade<br />
die Annahme aus, dass es anders zugeht als im täglichen Leben,<br />
dass Gleich und Gleich aufeinander treffen und ehrlich und fair<br />
ihre Kräfte messen. Daran glauben bis heute Millionen Menschen,<br />
und diesen Glauben wollen sie sich auch nicht nehmen lassen.<br />
Darum diskreditiert, wer immer manipuliert oder dopt, nicht nur<br />
seine Gegner und alle Sportkameraden. Nein, es schadet eine<br />
kleine, radikale Minderheit ihrem Sport, ja dem Sport "an sich". Sie<br />
verhöhnt den olympischen Geist - die Teilnahme, nicht der Sieg ist<br />
"alles" - , und sie unterminiert seine Glaubwürdigkeit. Und nun<br />
Biathlon. Herausragende Erfolge der deutschen Mannschaft haben<br />
" Sport ist eine der faszinierendsten Gemeinschaftsleistungen<br />
unserer <strong>Gesellschaft</strong>", so Hessens Innen- und<br />
Sportminister Volker Bouffier - selbst einmal aktiver<br />
Leistungssportler. Natürlich hat sich der ursprüngliche Zeitvertreib<br />
aus Spiel und Vergnügen in Verbindung mit dem vergleichenden<br />
Leistungsgedanken weiterentwickelt. Gesundheitliche,<br />
erzieherische, zwischenmenschliche, charakterbildende und auch<br />
Unterhaltungselemente sorgten- vor allem auch im Jugendbereich<br />
- für wertvolle, kaum zu ersetzende positive Begleiterscheinungen,<br />
prägten Persönlichkeiten und Vorbilder. In unserer<br />
"fortschrittlichen", schnelllebigen, globalen Leistungs-, Konsumund<br />
Computer-<strong>Gesellschaft</strong> pervertiert die einstmals schönste<br />
Nebensache der Welt - offensichtlich fast unbemerkt - zur<br />
reinen Werbe- PR- und Medienshow mit noch gar nicht absehbaren<br />
Folgen und verheerenden Konsequenzen, natürlich und<br />
die abgelaufene Saison bestimmt. Doch zur Bilanz gehört auch,<br />
dass wg. Doping wieder (russische) Sportler aus dem Rennen<br />
genommen wurden. Dass eine ganze Reihe weiterer Fälle noch<br />
unerledigt bei den Verbänden liegt. Und dass sich die Verantwortlichen<br />
über ihre eigenen Regeln, Standards und Sanktionen nicht<br />
einig sind; dass womöglich der eine oder andere sogar selbst mit<br />
seinem persönlichen Fortkommen in erfolgreichem Systemdoping<br />
gefesselt ist und deshalb trickst. Alfons Hörmann, der deutsche<br />
Vizepräsident der Internationalen Biathlon Union (IBU), spricht<br />
bereits von "sportpolitischen Geisterfahrern".<br />
Gewiss wäre Biathlon nicht die erste Sportart, deren Weg aus<br />
den Labors des Marketing über die Labors der Chemie direkt in<br />
den totalen Kommerz führte. Doch fiele auch diese Disziplin, die<br />
über Jahrtausende herkommt und sich heute noch so gern hehr<br />
präsentiert, Drogen anheim und geböten die "sportpolitischen<br />
Geisterfahrer" einer solchen Fehlentwicklung nicht umgehend,<br />
unmissverständlich und konsequent Einhalt, die Folgen wären<br />
verhängnisvoll. Alfons Hörmann weiß das, darum sein Drängen.<br />
Spätestens wenn auch die "Blase" des Sportkommerzes platzte,<br />
stünden notgedrungen staatliche Strafverfolger ins Haus. Drohte<br />
dem organisierten Sport der Verlust autonomer Justiz. Gäbe es<br />
auch für seine Selbstverwaltung bald kein Halten mehr und für<br />
seine Substitution mit öffentlichen Geldern kaum noch eine<br />
Rechtfertigung. Vom Niedergang des olympischen Geistes ganz<br />
zu schweigen. Denn der Sport selbst hätte sein wichtigstes<br />
Alleinstellungsmerkmal preisgegeben: seine Glaubwürdigkeit. Wo<br />
endet, wer die verliert, können gerade Banker und Manager allen<br />
berichten, die es hören wollen.<br />
* * *<br />
Günther von Lojewski war Intendant des Senders Freies Berlin<br />
und langjähriger Vorsitzender der Medienkommission des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Sportbundes.<br />
vor allem auch im (mittlerweile finanziell total abhängigen)<br />
Amateur- und Breitensport. <strong>Von</strong> Werten, Moral und Ethikverlusten<br />
ganz zu schweigen.<br />
Kinder und Jugendliche verbringen ihre Freizeit anstatt auf<br />
Sportplätzen oder in Turn- und Schwimmhallen mit Computer,<br />
Sport-Infarkt oder Vom Frust<br />
eines Medienmenschen<br />
<strong>Von</strong> Wolfgang Avenarius<br />
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