Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft
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er sich auf das besinnen, was er einstmals war, so hat er sich<br />
auf die Grundpfeiler festzulegen, die ihn von den übrigen<br />
Sportanbietern unterscheidbar machen. Vereine hätten sich<br />
dann nicht am Markt zu orientieren, sie hätten nicht jenes zu<br />
kopieren, was die Märkte ihnen offerieren. Sie hätten ihre<br />
Stärke darin zu suchen, dass sie etwas anderes sind als alle<br />
anderen Anbieter. Gerade aus einer ökonomischen Sicht<br />
könnte den Vereinen deshalb empfohlen werden, sich auf die<br />
Suche nach "Alleinstellungsmerkmalen" zu machen. Die<br />
Stärke der Vereine könnte zum Beispiel darin zu suchen sein,<br />
dass sie als einzige Organisation in der Lage sind, Kinder- und<br />
Jugendarbeit auf kostengünstige Weise zu ermöglichen. Dazu<br />
bedarf es jedoch eines Eingriffs in den stattfindenden Transformationsprozess.<br />
Vereine hätten sich auf ihre ehemals<br />
intakten Strukturen zu besinnen. Es wäre wünschenswert,<br />
dass Vereine über Stoppregeln ihrer Kommerzialisierung<br />
nachdenken. Es wäre angebracht, dass Vereine überprüfen,<br />
inwiefern die oft unbeabsichtigten Transformationsprozesse<br />
noch ihre Legitimation und ihre demokratischen Entscheidungsstrukturen<br />
erhalten.<br />
Unser Gemeinwesen muss ein Interesse daran<br />
haben, dass demokratische Entscheidungsstrukturen<br />
in gemeinnützigen Organisationen aufrechterhalten<br />
werden. Die Modernisierung, die in den<br />
vergangenen Jahrzehnten in den Vereinen und<br />
Verbänden stattgefunden hat, kann durchaus als<br />
ein Prozess der Entdemokratisierung gedeutet<br />
werden. Jeder sucht schnellere Entscheidungswege.<br />
Kleinere Gremien sollen größere Gremien<br />
ersetzten. Jede Delegation von Entscheidungen<br />
soll verkürzt werden, weil man glaubt, nur auf<br />
diese Weise im Geschäft des Sportmarktes bestehen<br />
zu können. Deswegen befindet sich der deutsche<br />
Sport auf der Suche nach hauptamtlichen<br />
Präsidenten. Deshalb werden in Bezug auf die<br />
Führung der Sportorganisationen Aufsichtsratsmodelle<br />
der Wirtschaft diskutiert, und deswegen wird<br />
eine Aufwertung der Hauptamtlichkeit gefordert.<br />
Aber Hauptamtlichkeit und Professionalität bedeuten<br />
immer auch Entdemokratisierung. Dies wiederum bedeutet,<br />
dass die Beteiligung der Bürger an dem so wichtigen<br />
intermediären System der freiwilligen Vereinigungen, das<br />
zwischen Staat und Privatheit vermittelt, ständig abnimmt.<br />
Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit mögen<br />
Verbandsräte, Kommissionen und Arbeitsgruppen überflüssig<br />
sein, unter den Gesichtspunkten einer gelebten Demokratie<br />
sind es sinnvolle Einrichtungen. Sie repräsentieren Landesverbände<br />
und Vereine, und sie repräsentieren die Interessen der<br />
Mitglieder.<br />
Auch in Bezug auf die Organisation der Vertreterverbände der<br />
Turn- und Sportvereine findet somit ebenfalls ein schleichender<br />
Transformationsprozess statt. Das einstmals bewährte<br />
Modell der Delegiertendemokratie wird abgebaut. Es wird<br />
verkleinert, und am Ende ist ein ökonomisches Modell des<br />
Sports in Sicht, das dem Prinzip des wirtschaftlichen Unternehmens<br />
entspricht. Solch ein Transformationsprozess kann<br />
gewollt sein, aber diejenigen, die ihn veranlassen, sollten<br />
wissen, was sie dabei tun. Entscheidend für den weiteren<br />
Verlauf dieses Prozesses müsste deshalb sein, dass die Basis in<br />
die Diskussion der Veränderungen einbezogen wird, dass die<br />
Vorstände, die diesen Prozess veranlassen, sich bewusst sind,<br />
dass sie selbst Teil eines Veränderungsprozesses sind, der<br />
Folgen und Nebenfolgen hat, die bedacht sein müssen.<br />
Einen weiteren Sachverhalt gilt es dabei zu beachten. Ist man<br />
auf der Suche nach Antworten, so ist sehr schnell zu erkennen,<br />
dass es für die Probleme, die sich in der Vereinsentwicklung<br />
von heute stellen, keine einfachen Lösungen gibt. Vielmehr<br />
ist man mit einer Komplexität konfrontiert, die geradezu<br />
typisch ist für unsere heutige Wissens- und Informationsgesellschaft,<br />
in die auch den Sport einbindet. Der Sport ist<br />
vernetzt mit vielen anderen Bereichen, mit der Wirtschaft,<br />
der Politik, der Kultur, den Kirchen und dem Bildungswesen.<br />
Wer immer über den Sport befindet, muss sich auf eine<br />
differenzierte Betrachtung einlassen. Vor Ideologen, die<br />
einfache Rezepte anbieten, muss deshalb gewarnt werden.<br />
Kontingenz ist das Merkmal unserer Zeit, und wer über<br />
Weichenstellungen zu entscheiden hat, der muss begreifen,<br />
dass es immer eine Vielfalt an Möglichkeiten gibt. Jede Möglichkeit,<br />
für die man sich entscheidet, hat dabei nicht nur<br />
Vorteile. Für die Vereine gilt das gleiche wie für die Politik.<br />
Man kann meist nur noch zwischen Möglichkeiten unterscheiden,<br />
von denen abzusehen ist, dass die eine, für die man<br />
sich entscheidet, weniger Fehler aufweist als die anderen.<br />
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