23.11.2012 Aufrufe

Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Handy oder Flatrate-Partys und entsprechend frühreifen<br />

"Begleiterscheinungen". Der Schulsport ist eine Farce, Vereine<br />

sind "uncool"! Dafür gibt es schon jetzt gravierende Defizite<br />

einfachster Bewegungsabläufe, erschreckendes Übergewicht und<br />

gravierende Suchtprobleme. Im Hochleistungsbereiche müssen<br />

Top-Athleten auf Grund psychischer Überforderung ihre Karriere<br />

auf dem Zenit beenden, wobei andererseits die Gesundheit der<br />

Athleten z.T. unverantwortlich aufs Spiel gesetzt wird, gnadenlos<br />

dokumentiert bei einem TV Boxkampf mit doppelt gebrochenem<br />

Kiefer und tödlichem Risiko. Vor allem hat das Fernsehen mit<br />

seiner Quoten- und Vermarktungsabhängigkeit sowie stundenlangen<br />

"Endlos-Events" einiger international erfolgreicher Sportarten<br />

und Akteure in einer exzessiven Form von positiven und<br />

negativen Extremen und Übertreibungen - Athleten werden<br />

genau so schnell und gnadenlos demontiert wie sie aufgebaut<br />

wurden - längst jegliches Maß und Verantwortungsgefühl<br />

verloren.<br />

Auch haben ausgerechnet ARD und ZDF die mit Recht umstrittenste<br />

"Sport"art - mit dem Ziel einer vorsätzlichen Körperverletzung<br />

- aus dem Rotlicht- und Manipulationsmilieu wieder<br />

hoffähig gemacht, um mit - vom klassischen Amateurboxen<br />

(Faustfechten) weltenentfernten - blutigen Ringschlachten,<br />

Kirmesboxen ("Riese" gegen "Zwerg") und immer wieder neuen,<br />

aus dem Hut gezauberten Welt- und Sonstwas-Meistern Einschaltquoten<br />

zu erzielen. Dafür ringen sogenannte "Randsportarten"<br />

um jede Sendeminute und die entsprechenden Vereine<br />

und Verbände ums finanzielle Überleben.<br />

Die jahrzehntelang wider besseres Wissen verharmloste und<br />

unter den Tisch gekehrte, in letzter Zeit wenigstens endlich<br />

öffentlich diskutierte Doping-Problematik scheint vor allem<br />

weltweit unlösbar, weil nicht nachweis- und kontrollierbar, mit<br />

der katastrophalen Konsequenz eines Fragezeichens hinter jeder<br />

Höchstleistung. Wobei die Praxis mittlerweile auch in Deutschland<br />

ernüchternd und entlarvend ist, wenn Hausärzte immer<br />

öfter von Amateur- und Breitensportlern vor vollendete Doping-<br />

Tatsachen gestellt werden und im Behandlungsfall in Gewissenskonflikte<br />

geraten.<br />

Betroffen natürlich auch die Fußballer, deren z.B. exzessives<br />

Aggressionspotenzial mit gesunder Härte rein gar nichts mehr zu<br />

tun hat. Unser "Volkssport" - in seinem Ursprung eine der attraktivsten<br />

und schönsten Sportarten überhaupt - steht vor allem<br />

mit entsprechenden Auswirkungen mittlerweile leider an der<br />

Spitze der degenerierten und pervertierten "Freizeitbeschäftigungen"<br />

mit noch schlechteren Zukunftsperspektiven.<br />

Wett- und Schiedsrichter-Skandale erschüttern von Zeit zu Zeit<br />

außerdem die Glaubwürdigkeit des Fußballs in seinen Grundfesten.<br />

Gewaltbereite Hooligans mit immer niedrigerer Hemmschwelle<br />

- keinesfalls alle aus asozialen Verhältnissen - nutzen<br />

die konkurrierende Medienpräsenz als Plattform für Selbstbestätigung<br />

und abstruse Selbstverwirklichung.<br />

26<br />

Die "Schwalben"-Mentalität, bei Südländern, früher scharf<br />

kritisiert, haben wir leider mit deutscher Gründlichkeit perfektioniert<br />

und damit die Schiedsrichter offensichtlich so verunsichert,<br />

dass schon mehrfach Brutal-Fouls nicht mehr geahndet wurden.<br />

Nur die Trainer könnten die Unsitte - natürlich bei eigenen<br />

Spielern - unterbinden. Wofür gibt es eigentlich Trainer-Tagungen?<br />

Rechte- und Spieler-Vermarktung nehmen groteske Formen und<br />

Ausmaße an, wobei der Sport durch branchenfremde "professionelle<br />

Marketing-Experten" oft nur noch als Mittel zum (finanziellen)<br />

Zweck missbraucht wird. Erste Konsequenzen und Negativfolgen<br />

sind unübersehbar: z.T. hoch verschuldete Verbände<br />

und (Bundesliga-) Vereine, die außerdem wegen dauernd wechselnder<br />

Akteure ihre Identifikationsmöglichkeit - ein entscheidender<br />

Fan-Faktor - und damit ihre regionale Attraktivität mehr<br />

und mehr verlieren. Eine gefährliche, offensichtlich noch völlig<br />

unterschätzte Entwicklung. Auch bei den Amateuren und im<br />

Jugendbereich hat der Umgangston - aus welchen Gründen<br />

auch immer - zwischen Akteuren, Schiedsrichtern, Offiziellen<br />

und Zuschauern z. T. katastrophale Formen angenommen. Und<br />

nach einer euphorisierenden WM mit existenziellem Stellenwert,<br />

einer ergebnisbefriedigenden EM und Partystimmung in den<br />

neuen Stadien schwelgt der DFB in Nostalgie und Zukunftsvisionen,<br />

aber auch in Populismus, Selbstdarstellung und einer fußballkapitalistischen<br />

Expansionsgier. Im Übrigen droht nicht nur<br />

im sportlichen, sondern auch im Zuschauerbereich eine problematische<br />

Zweiklassengesellschaft.<br />

Zu nennen natürlich auch der fast schon wieder in Vergessenheit<br />

geratene Wettskandal im Tennis sowie vor allem jetzt der Manipulationssumpf<br />

im Handball "unserer" urdeutschen Traditionssportart.<br />

Auch im Formel-1-Zirkus werden "Urteile" und "Regeln"<br />

offensichtlich ausschließlich im Sinne eines attraktiven Wettbewerbs<br />

ausgelegt und bewertet. Dazu kommt: Lifestyl und Sex<br />

(be)nutzen und reduzieren die sportliche Leistung immer öfter<br />

nur noch als Mittel zum PR-, Quoten- und Auflage-Zweck.<br />

Der Sport sollte bei allem zeitgemäßen Fortschritt wieder zu sich<br />

selbst zurückfinden, sonst verliert er vollends sein Selbstverständnis<br />

und mutiert zum reinen Gladiatorentum. Nicht Geld<br />

und Gigantismus, sondern Lust und Freude sollten in unserer<br />

immer kälter werdenden unpersönlichen Welt die Garanten und<br />

die Triebfeder der Sportentwicklung sein und bleiben. Dies vor<br />

allem auch den Medien und ihrem Hang zur Sensation und zur<br />

Überbewertung des Oberflächlichen und Unwichtigen ins<br />

Stammbuch.<br />

* * *<br />

Fernsehjournalist und Filmemacher Wolfgang Avenarius war lange<br />

Jahre Kommentator, Reporter und Moderator und hat 40 Jahre die<br />

nationale und internationale Sport-Szene begleitet.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!