23.11.2012 Aufrufe

Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Händeschütteln, Schulterklopfen,<br />

Umarmungen,<br />

Dopingkontrolle, Siegerfanfare,<br />

Blumen, Autogramme<br />

und viele, viele<br />

Fragen aus der Journalistentraube,<br />

die ihn<br />

umringte - als all das<br />

überstanden war, setzte<br />

sich der Held des Abends<br />

ins Auto und fuhr mit<br />

Ehefrau Iris nach Hause.<br />

Eben einer jener Momente<br />

stiller, innerlicher Freude…<br />

Gerade erst 22 Jahre alt geworden, stieß Uwe Hohn mit<br />

diesem phänomenalen Raketenwurf in einer technisch so<br />

anspruchsvollen Disziplin das Tor zu neuen Dimensionen auf.<br />

Der Vollständigkeit halber sollte hinzugefügt werden, dass<br />

sich seinerzeit auch der US-Amerikaner Tom Petranoff als<br />

Rekord-Vorgänger mit 99,72 m schon an die Traumgrenze<br />

herangepirscht hatte. Doch Uwe Hohn hatte zwei Monate vor<br />

dem denkwürdigen Ereignis seine Anwartschaft auf den<br />

ersten "Hunderter" mit neuem Europarekord (99,52 m) schon<br />

angemeldet.<br />

Weiten, die von der Fachwelt auch mit steigendem Unbehagen<br />

registriert wurden. Besorgte Frage: Werden unsere Stadien<br />

zu klein? Bei Hohns Rekordwurf schließlich war der<br />

Speer über die gesamte Länge des Fußballfeldes gesegelt und<br />

am Ende des Rasens gelandet, nur einige Meter von der<br />

Anlage der Stabhochspringer entfernt. Resultat: Die IAAF,<br />

Weltverband der Leichtathleten, setzte ein Stoppsignal und<br />

beschloss, den Schwerpunkt des Gerätes um vier Zentimeter<br />

nach vorn zu verlegen. Ab 1. April 1986 wurden nur noch<br />

Weiten mit dem "neuen" Speer anerkannt.<br />

Im Übrigen fehlen mittlerweile von der jetzigen, aber schon<br />

13 Jahre alten Weltrekordweite des Tschechen Jan Zelezny<br />

auch nur noch rund anderthalb Meter an der 100-m-Marke.<br />

Nach dem Rücktritt Zeleznys sieht Uwe Hohn "im Augenblick<br />

keinen, der so weit werfen kann". Gewiss, es gäbe international<br />

eine Menge junger Athleten, "die man im Auge behalten<br />

muss". Nach seiner Ansicht "wird heute zuviel Wert auf sehr<br />

hohe Kraftleistungen gelegt". Die Technik leide darunter und<br />

sollte "wieder mehr in den Vordergrund des Trainings gerückt<br />

werden", meint er. Als Trainer versuchte und versucht er seine<br />

Erfahrungen weiterzugeben.<br />

Noch einmal zurück ins Jahr 1984. Die Hoffnung vieler DDR-<br />

Athleten, die Früchte jahrelanger Anstrengungen beim olympischen<br />

Höhepunkt ernten zu können, wurde zunichte gemacht.<br />

Die DDR gehörte zu den 19 NOKs, die Olympia in Los Angeles<br />

boykottierten. Bitter auch und besonders für Uwe Hohn, der in<br />

elf Wettkämpfen des Olympiajahres einen Schnitt von sage und<br />

schreibe 94,09 m erreicht hatte. Gold gab es in Los Angeles für<br />

86,76 m (Härkonen/Finnland). Exweltrekordler Petranoff landete<br />

übrigens abgeschlagen auf Rang zehn.<br />

Als sich vier Jahre später in Seoul die nächste olympische<br />

Bewährung hätte bieten können, war Uwe Hohns sportliche<br />

Laufbahn bereits beendet. Mit Siegen beim Europacup in<br />

Moskau (92,88 m) und beim Weltcup in Canberra (96,96 m)<br />

hatte er sich 1985 sportlich verabschieden müssen. "Viel zu<br />

früh", bedauert er noch heute. Der Weltrekord von Berlin<br />

hatte verständlicherweise Appetit auf mehr gemacht.<br />

Gesundheitliche Probleme hatten sich dermaßen verschärft<br />

und insgesamt vier Operationen notwendig gemacht. Durch<br />

eine Versteifung der Wirbelsäule ist er nach wie vor sehr<br />

eingeschränkt, versucht das Beste daraus zu machen. Mit<br />

dem Handikap müsse er leben, sagt er.<br />

Olympia hat er im vergangenen Jahr doch noch erleben<br />

können. Als Trainer holte er in Peking nach, was ihm als<br />

Aktiven verwehrt geblieben ist. In einem Satz fasst er seine<br />

Eindrücke zusammen. "Es war schön dabei zu sein." Nichts<br />

Weiterführendes, nichts Schwärmerisches. Hohn war und ist<br />

kein Freund großer Worte. Erst als wir auf das <strong>Olympische</strong><br />

Dorf zu sprechen kommen, erwähnt er, dass er Athleten und<br />

Bekannte aus früheren Zeiten getroffen habe.<br />

Mit dem Ausgang des Wettkampfes war er nicht ganz zufrieden.<br />

Verletzungsrückschläge hatten die Vorbereitung seines<br />

Schützlings Jarrod Bannister beeinträchtigt. Der Australier<br />

belegte mit 83,45 m Rang sechs. Ein halbes Jahr zuvor hatte<br />

er mit einem 89,02-Meter-Wurf in Brisbane sogar Hoffnungen<br />

auf eine Medaille geweckt. Die langwierigen Folgen eines<br />

Muskelabrisses lassen leider auch keinen Start bei den Weltmeisterschaften<br />

im August in Berlin zu.<br />

Mit einem veranlagten Athleten langfristig auf ein großes Ziel<br />

hinzuarbeiten, hatte sich Uwe Hohn immer gewünscht. Im<br />

Falle Bannister schränkt er allerdings ein, dass ihn sechs<br />

Wochen Canberra und zwei Wochen Hongkong in der Vorbereitung<br />

zu lange von Frau und Kindern getrennt hätten. Bei<br />

einem entsprechenden Angebot würde er eine Aufgabe im<br />

unmittelbaren Umfeld vorziehen.<br />

Dort, wo er zu Hause ist, wo er sich wohl fühlt, wo er Freunde<br />

hat. Kugelstoß-Heroe Udo Beyer zum Beispiel, der nur ein<br />

paar Straßen weiter wohnt. Uwe Hohn ist ein<br />

Familienmensch, und für den Zusammenhalt im Hause Hohn<br />

spricht wohl auch, dass Tochter Marie-Christin (23) und Sohn<br />

Paul (20) noch bei den Eltern leben. Ehefrau Iris ist Physiotherapeutin<br />

und arbeitet freiberuflich. Im vergangenen Jahr<br />

feierte das Ehepaar Silberne Hochzeit. Nun steht "eine sportliche<br />

25" bevor, der 104,80-Meter-Wurf von Berlin. Wirklich<br />

nur "ein Tag wie jeder andere"?<br />

49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!