Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Händeschütteln, Schulterklopfen,<br />
Umarmungen,<br />
Dopingkontrolle, Siegerfanfare,<br />
Blumen, Autogramme<br />
und viele, viele<br />
Fragen aus der Journalistentraube,<br />
die ihn<br />
umringte - als all das<br />
überstanden war, setzte<br />
sich der Held des Abends<br />
ins Auto und fuhr mit<br />
Ehefrau Iris nach Hause.<br />
Eben einer jener Momente<br />
stiller, innerlicher Freude…<br />
Gerade erst 22 Jahre alt geworden, stieß Uwe Hohn mit<br />
diesem phänomenalen Raketenwurf in einer technisch so<br />
anspruchsvollen Disziplin das Tor zu neuen Dimensionen auf.<br />
Der Vollständigkeit halber sollte hinzugefügt werden, dass<br />
sich seinerzeit auch der US-Amerikaner Tom Petranoff als<br />
Rekord-Vorgänger mit 99,72 m schon an die Traumgrenze<br />
herangepirscht hatte. Doch Uwe Hohn hatte zwei Monate vor<br />
dem denkwürdigen Ereignis seine Anwartschaft auf den<br />
ersten "Hunderter" mit neuem Europarekord (99,52 m) schon<br />
angemeldet.<br />
Weiten, die von der Fachwelt auch mit steigendem Unbehagen<br />
registriert wurden. Besorgte Frage: Werden unsere Stadien<br />
zu klein? Bei Hohns Rekordwurf schließlich war der<br />
Speer über die gesamte Länge des Fußballfeldes gesegelt und<br />
am Ende des Rasens gelandet, nur einige Meter von der<br />
Anlage der Stabhochspringer entfernt. Resultat: Die IAAF,<br />
Weltverband der Leichtathleten, setzte ein Stoppsignal und<br />
beschloss, den Schwerpunkt des Gerätes um vier Zentimeter<br />
nach vorn zu verlegen. Ab 1. April 1986 wurden nur noch<br />
Weiten mit dem "neuen" Speer anerkannt.<br />
Im Übrigen fehlen mittlerweile von der jetzigen, aber schon<br />
13 Jahre alten Weltrekordweite des Tschechen Jan Zelezny<br />
auch nur noch rund anderthalb Meter an der 100-m-Marke.<br />
Nach dem Rücktritt Zeleznys sieht Uwe Hohn "im Augenblick<br />
keinen, der so weit werfen kann". Gewiss, es gäbe international<br />
eine Menge junger Athleten, "die man im Auge behalten<br />
muss". Nach seiner Ansicht "wird heute zuviel Wert auf sehr<br />
hohe Kraftleistungen gelegt". Die Technik leide darunter und<br />
sollte "wieder mehr in den Vordergrund des Trainings gerückt<br />
werden", meint er. Als Trainer versuchte und versucht er seine<br />
Erfahrungen weiterzugeben.<br />
Noch einmal zurück ins Jahr 1984. Die Hoffnung vieler DDR-<br />
Athleten, die Früchte jahrelanger Anstrengungen beim olympischen<br />
Höhepunkt ernten zu können, wurde zunichte gemacht.<br />
Die DDR gehörte zu den 19 NOKs, die Olympia in Los Angeles<br />
boykottierten. Bitter auch und besonders für Uwe Hohn, der in<br />
elf Wettkämpfen des Olympiajahres einen Schnitt von sage und<br />
schreibe 94,09 m erreicht hatte. Gold gab es in Los Angeles für<br />
86,76 m (Härkonen/Finnland). Exweltrekordler Petranoff landete<br />
übrigens abgeschlagen auf Rang zehn.<br />
Als sich vier Jahre später in Seoul die nächste olympische<br />
Bewährung hätte bieten können, war Uwe Hohns sportliche<br />
Laufbahn bereits beendet. Mit Siegen beim Europacup in<br />
Moskau (92,88 m) und beim Weltcup in Canberra (96,96 m)<br />
hatte er sich 1985 sportlich verabschieden müssen. "Viel zu<br />
früh", bedauert er noch heute. Der Weltrekord von Berlin<br />
hatte verständlicherweise Appetit auf mehr gemacht.<br />
Gesundheitliche Probleme hatten sich dermaßen verschärft<br />
und insgesamt vier Operationen notwendig gemacht. Durch<br />
eine Versteifung der Wirbelsäule ist er nach wie vor sehr<br />
eingeschränkt, versucht das Beste daraus zu machen. Mit<br />
dem Handikap müsse er leben, sagt er.<br />
Olympia hat er im vergangenen Jahr doch noch erleben<br />
können. Als Trainer holte er in Peking nach, was ihm als<br />
Aktiven verwehrt geblieben ist. In einem Satz fasst er seine<br />
Eindrücke zusammen. "Es war schön dabei zu sein." Nichts<br />
Weiterführendes, nichts Schwärmerisches. Hohn war und ist<br />
kein Freund großer Worte. Erst als wir auf das <strong>Olympische</strong><br />
Dorf zu sprechen kommen, erwähnt er, dass er Athleten und<br />
Bekannte aus früheren Zeiten getroffen habe.<br />
Mit dem Ausgang des Wettkampfes war er nicht ganz zufrieden.<br />
Verletzungsrückschläge hatten die Vorbereitung seines<br />
Schützlings Jarrod Bannister beeinträchtigt. Der Australier<br />
belegte mit 83,45 m Rang sechs. Ein halbes Jahr zuvor hatte<br />
er mit einem 89,02-Meter-Wurf in Brisbane sogar Hoffnungen<br />
auf eine Medaille geweckt. Die langwierigen Folgen eines<br />
Muskelabrisses lassen leider auch keinen Start bei den Weltmeisterschaften<br />
im August in Berlin zu.<br />
Mit einem veranlagten Athleten langfristig auf ein großes Ziel<br />
hinzuarbeiten, hatte sich Uwe Hohn immer gewünscht. Im<br />
Falle Bannister schränkt er allerdings ein, dass ihn sechs<br />
Wochen Canberra und zwei Wochen Hongkong in der Vorbereitung<br />
zu lange von Frau und Kindern getrennt hätten. Bei<br />
einem entsprechenden Angebot würde er eine Aufgabe im<br />
unmittelbaren Umfeld vorziehen.<br />
Dort, wo er zu Hause ist, wo er sich wohl fühlt, wo er Freunde<br />
hat. Kugelstoß-Heroe Udo Beyer zum Beispiel, der nur ein<br />
paar Straßen weiter wohnt. Uwe Hohn ist ein<br />
Familienmensch, und für den Zusammenhalt im Hause Hohn<br />
spricht wohl auch, dass Tochter Marie-Christin (23) und Sohn<br />
Paul (20) noch bei den Eltern leben. Ehefrau Iris ist Physiotherapeutin<br />
und arbeitet freiberuflich. Im vergangenen Jahr<br />
feierte das Ehepaar Silberne Hochzeit. Nun steht "eine sportliche<br />
25" bevor, der 104,80-Meter-Wurf von Berlin. Wirklich<br />
nur "ein Tag wie jeder andere"?<br />
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