Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Körperertüchtigungsstätte - als Spenderin möglichst ehrerbietigen<br />
Beifalls für den um den Lorbeer ringenden Mann.<br />
Wenn wir nun einen Blick voraus werfen auf die XII. Leichtathletik-WM<br />
im August im Berliner Olympiastadion und uns<br />
das (tatsächlich mögliche) Szenario ausmalen, wie Frau<br />
Isinbayeva aus Wolgograd ihren vielleicht 30. Weltrekord<br />
erzielt und mit mehr Applaus bedacht wird als alle männlichen<br />
Sieger, inklusive des angeblichen Wunderläufers Bolt -<br />
ja dann wird klar, dass die Zeit des Ringens um Gleichstellung<br />
längst hinter den Leichtathletinnen liegt. Im Gegensatz zur<br />
Berufswelt und zu anderen <strong>Gesellschaft</strong>sbereichen der zivilisierten<br />
Welt steht in der Leichtathletik die Frau auf Augenhöhe<br />
mit dem Mann: Gleiche Erfolgsprämien bei der Weltmeisterschaft<br />
sowie im Grandprix - beim Tennis zum Beispiel<br />
erhalten Männer nach wie vor höhere Gagen - und seit der<br />
WM 2005 auch gleiche Disziplinen; lediglich das 50 km<br />
Gehen hat man den Athletinnen nicht zumuten wollen.<br />
Worüber die Damen wohl kein bisschen traurig sind.<br />
Bis die Gleichberechtigung hergestellt war, ist es allerdings<br />
ein langer und steiniger Weg gewesen. Als zu den <strong>Olympische</strong>n<br />
Spielen 1928 in Amsterdam die IAAF leicht widerwillig<br />
erstmals fünf Wettbewerbe (100 m, 800 m, Hochsprung,<br />
Diskus, 4x100 m) zuließ, war die Männer-Leichtathletik schon<br />
32 und der allein Männern vorbehaltene Weltverband IAAF<br />
16 Jahre alt. Vor 1928 galt: Olympia, ein Fest von Männern<br />
für Männer. Die Sporthistorikerin Gertrud Pfister fand heraus,<br />
dass "die damalige Diskussion um die Zulassung (der Frau) im<br />
Zusammenhang steht mit verbreiteten stereotypen Vorstellungen<br />
(der Männer) über das Wesen der Frauen und dem<br />
Mythos von der weiblichen Schwäche".<br />
Der Multifunktionär und spätere NS-Reichssportführer Karl<br />
Ritter von Halt postulierte damals, der Kampf gebühre "dem<br />
Mann, der Natur des Weibes ist er wesensfremd". Und verriet<br />
so früh seine braune Gesinnung. Noch 1931 warnte der<br />
Leipziger Gynäkologe Hugo Sellheim: "Durch zu viel Sport<br />
nach männlichem Muster" werde der Frauenkörper "direkt<br />
vermännlicht, die weiblichen Unterleibsorgane verwelken".<br />
Der diplomierte Frauenkenner aus dem Sächsischen sprach<br />
vom "künstlich gezüchteten Mannweib".<br />
Vermutlich war die Sorge um das Wohl der Frau nur ein<br />
vorgeschobenes Argument und die Sorge um die Aufrechterhaltung<br />
der herrschenden Geschlechterordnung das eigentliche<br />
Problem. So ähnlich muss es die Suffragette Alice Millat<br />
empfunden und degoutiert haben. Folglich<br />
gründete sie 1921 in Monte Carlo den Internationalen<br />
Frauensportverband FSFI und veranstaltete<br />
ein Jahr später die "1. Jeux Olympiques<br />
Feminins". Was dann geschah, es war typisch<br />
Mann. Den Erfolg der Millat-Spiele zähneknirschend<br />
zur Kenntnis nehmend beanspruchte die<br />
Männergesellschaft der IAAF die Frauenleichtathletik nun<br />
doch für sich und meldete 1926 beim IOC fünf Wettbewerbe<br />
für Olympia in Amsterdam an. Das IOC stellte freilich eine<br />
Bedingung: Die nach wie vor neben der IAAF existierende FSFI<br />
muss bei ihren Frauenspielen auf den Zusatz "olympisch"<br />
verzichten. Fortan firmierte die FSFI-Veranstaltung als World<br />
Games für Frauen. Erst 1936 ging Millats Verband in der IAAF<br />
auf.<br />
Es zählt nun zu den Skurrilitäten der Frauenleichtathletik,<br />
dass Amsterdam 1928 sowohl hoffnungsvoller Start der<br />
Bemühungen um Emanzipation war als auch Dämpfer für sie.<br />
Die Männer wollten das Haar in der Suppe und sie fanden es:<br />
im 800-m-Finale, das von der Breslauerin Karoline ("Li")<br />
Radke in Weltrekordzeit gewonnen wurde (Radkes Sieg<br />
bedeutete das erste Olympiagold für die deutsche Leichtathletik<br />
überhaupt). Es ging um die Szenen, die sich hinter der<br />
sich taktisch klug verhaltenden Siegerin aus Deutschland<br />
abspielten. Kaum im Ziel legten sich gleich drei geschlagene<br />
Läuferinnen flach. Vor Erschöpfung, wie all die meinten, die<br />
schon immer vor der olympischen Zulassung von Leichtathletinnen<br />
gewarnt hatten. Aus Enttäuschung ob der entgangenen<br />
Goldmedaille, wie jene argumentierten, die es einfach<br />
nur besser wissen wollten. Gleich wie, die angeblichen Schreckensbilder<br />
von auf den Rasen niedergesunkenen Sportlerinnen<br />
waren den IOC- und IAAF-Männern Indiz genug für die<br />
Gefährlichkeit der Frauen-Leichtathletik. Also: Raus mit der<br />
Mittelstrecke aus dem Programm.<br />
Es hat dann noch einmal 32 Jahre gedauert, bis die Machos<br />
vom Olymp ihren Widerstand gegen die Mittelstrecke der<br />
Frauen aufgegeben haben - und die verstaubte Meinung der<br />
deutschen Sportbehörde ad acta gelegt werden konnte: "Der<br />
Laufsport gehört nicht zu den Sportzweigen, in denen die<br />
Frauen Aussicht auf Erfolg haben. Ihr Laufstil steht im Vergleich<br />
zu dem des männlichen wie das Watscheln der Ente<br />
zum stolzen Schritt des Rennpferds".<br />
Was der Frauenleichtathletik jetzt noch fehlt, das ist eine<br />
Weltmeisterschaft, deren Wiedererkennungswert zuvorderst<br />
vom Namen einer Athletin bestimmt wird. <strong>Olympische</strong> Spiele<br />
dagegen wurden schon von Sportlerinnen aus der Leichtathletik<br />
geprägt: 1948 von Fanny Blanckers-Koen, 1960 von<br />
Wilma Rudolph, 1972 von Ulrike Meyfarth und 2000 von<br />
Cathy Freeman. Gewiss, Merlene Ottey, Jackie Joyner-Kersee,<br />
Gail Devers und Astrid Kumbernuss haben WM-Geschichte<br />
geschrieben, aber vor allem auf Grund ihrer Siege bei mehreren<br />
Weltmeisterschaften. Vielleicht ist es ja<br />
Berlin 2009 vorbehalten, eine Weltmeisterin zu<br />
präsentieren, die die Erinnerung an die Taten<br />
der Männer verblassen lässt und selbst dem<br />
alten Coubertin dessen Voreingenommenheit<br />
gegen Frauen im Leistungssport ausgetrieben<br />
hätte. Mit Leistung und einem Lächeln.<br />
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