2008 - ITCA
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Das wird wieder knapp! Dabei stehen wir beide auf Zehen -<br />
spitzen im Trapez, um unserem Gewicht einen längeren Hebel<br />
zu geben. Schön schneidet der Leerumpf durch die trüben, aber<br />
lustigen Wellen des Neusiedlersees, und es sind nur mehr wenige<br />
Bootslängen zur Luvtonne. Eigentlich könnte ich ganz entspannt<br />
hier stehen, meine Pinne halten und genießen, denn wir liegen<br />
gut im Rennen, – wenn wir nicht auf Steuerbordbug wären. Die<br />
Großschot fährt mein Schotmann. Zentimetergenau, immer wieder<br />
peilt er nach Lee, um schließlich knapp und kurz „Peilung steht“<br />
zu melden. Janu, was nun? Mit Unterwenden schaffen wir die<br />
Tonne nicht, Abfallen scheidet aus, weil da ja noch der Italiener<br />
und ein anderer ist. „Das muss sich ausgehen!“ herrsche ich meinen<br />
Fockmanager an, der sogleich noch mal kräftig an meiner<br />
Großschot zerrt und das letzte aus dem Schiff rausholt. In meinen<br />
Unterschenkeln kündigt sich ein Krampf an, dessen Beachtung<br />
ich jedoch auf später vertage. Jetzt können wir schon die kampfbereiten<br />
Gesichter am vorfahrtberechtigten Schiff sehen, die aus<br />
voller Kehle nach Raum brüllen. Aber keine Chance, wir sind<br />
schneller, kommen vorbei und wenden sofort, um gemeinsam die<br />
Luvtonne zu runden. Beide segeln wir am Limit und noch ein<br />
bisserl drüber. Jede Menge Spritzwasser von den grabenden Rumpfspitzen<br />
beeinträchtigen die Sicht. Keiner achtet auf Haltungsnoten<br />
wegen der Fotografen, sondern alle wollen nur schnell rum, um<br />
mit Reacher nach Lee zu flyern. Ja, so macht es Spaß, – uns zumindest.<br />
Unser Gegner halst, da wir ihm den besten Wind wegnehmen.<br />
Die Sonne scheint, Wasser und Luft sind warm, der<br />
Wind gut ausreichend und unser K1 fliegt förmlich nach Lee. So<br />
soll eine Topcat EM sein. Jetzt nur noch durch das Leegate, dann<br />
ins Ziel, und uns ist Bronze sicher. Heimlich macht sich schon<br />
Vorfreude breit bis mein Navigator wieder knapp „Peilung steht“<br />
meldet. So ein Krampf, nicht schon wieder „die“. Wie sind die<br />
bloß zu so einer Bö gekommen, dass sie jetzt in einer Gischtwolke<br />
daher rasen, – mit Backbordbug natürlich. Wir müssen um die<br />
linke Tonne, da die deutlich bevorteilt ist, meint mein Taktiker<br />
Neusiedlersee <strong>2008</strong><br />
während er mit Reacher und Fockschot arbeitet. Zwei Halsen fahren<br />
um dann in Lee zu sein? – Nein, danke. Anluven geht grad nicht,<br />
weil die Bö uns jetzt auch besucht. Als Kind würde ich einfach<br />
nicht hinsehen und warten was passiert. Eine Protestverhandlung<br />
nach der letzten Wettfahrt wäre aber auch nicht gerade ein krönender<br />
Abschluss. „Peilung steht“ meldet unüberhörbar mein<br />
Schotmann, und ich will zur Halse ansetzten, sehe aber, wie unser<br />
Mitbewerber durch mehrere Stecker gebremst wird und wir doch<br />
noch vorbeikommen. Wieder kommt leichte Vorfreude auf, doch<br />
jetzt ist die Leetonne schon da, und wir werken an einer gar nicht<br />
vorbildlichen Tonnenrundung, die uns viel Höhe kostet. Unser<br />
Konkurrent macht das viel besser, knüppelt Höhe und hat uns<br />
wieder fest unter Kontrolle. „So ein Krampf“ sage ich, und spüre<br />
gleich wieder meine Unterschenkel. Schlagartig kippt die Vorfreu de<br />
in beginnenden Frust. Nur noch eine Wende ins Ziel! Basti hat<br />
schon, Sebi auch, – und wir könnten auch bald wenden. Endlich!<br />
„Ob wir den noch schaffen?“ frage ich unsicher. „Brauchen wir<br />
nicht.“ antwortet mein Fockmann, der meist alles zuerst checkt<br />
und zieht noch ein paar Zentimeter an der Großschot, „Der hat<br />
sich selber geschafft“. Tatsächlich hat der die letzte Wende vor’m Ziel<br />
vergeigt. Nur noch wenige Meter, jetzt die befreiende Tröte, wir<br />
haben Bronze geschafft! Spannender hätte es kaum sein können.<br />
Am nächsten Morgen steh’ ich nun, – ein letztes Mal vor der Abreise<br />
am Ufer. Mein Blick geht über das in der Sonne glitzernde<br />
Wasser des Neusiedlersees. Es verbinden uns viele schöne und<br />
aufregende Stunden auf seinen Wellen. Als Kind habe ich zum<br />
Abschied dem „Urlaubsgewässer“ immer ein Bussi gegeben, gedanklich<br />
tu’ ich das jetzt noch und empfinde dabei tiefe Freude.<br />
Roland Reischl<br />
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»So ein Krampf«