2008 - ITCA
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54 Neusiedlersee <strong>2008</strong><br />
Es gibt einfach Reviere, die liegen einem mehr als andere.<br />
Spätestens nach der Österreichischen Meisterschaft 2007, die<br />
ich an derselben Stelle und bei vergleichbaren Bedingungen wie<br />
jetzt bei der EM <strong>2008</strong> gewinnen konnte, gehört der Neusiedler see<br />
natürlich für mich zu den Revieren, die mir anscheinend mehr liegen.<br />
Aber das alleine konnte nicht reichen, um mich auf das Top-<br />
Event <strong>2008</strong>, die EM in Podersdorf, richtig einzustimmen. Schon<br />
im letzten Winter hatte ich mir überlegt, dass ich mir unter Berücksichtigung<br />
meines Daseins als Ältester unter den Vordersten<br />
der K 3-Rangliste einen Extra-Motivationschub geben müsste,<br />
der mich auf dem Wasser aufputscht im Wettkampf gegen die<br />
„jungen Wilden“ in dieser Klasse (sorry, trotzdem seid ihr alle<br />
super und nett). Ich habe kurzerhand meinen K3 zu meinem per -<br />
sönlichen „Jungbrunnen“ aufgewertet und ihn schlicht „anti-age“<br />
getauft. Zwei Wochen vor der Euro hat sich meine Tochter dann<br />
endlich aufgerafft, den gemeinsam gestalteten Schriftzug herzu -<br />
stellen und auf die Rümpfe aufzubringen. Die Spitze der K3-Segler<br />
ist in den letzten Jahren eindeutig dichter zusammen gerückt,<br />
so dass immer einer von fünf bis zehn Seglern eine „große“ Regatta<br />
gewinnen kann. Sechs Segler haben z.B. bei der Euro mindestens<br />
eine Wettfahrt gewonnen. Da gewinnt dann der oft zitierte<br />
Faktor „Tagesform“ und die dazu notwendige innere Einstellung<br />
zunehmend an Bedeutung. Im Nachhinein lässt es sich natürlich<br />
leicht sagen „Hey, es hat gewirkt“.<br />
Und dabei hat es zunächst gar nicht danach ausgesehen. Alle Mitfavoriten<br />
hatten mich nach dem ersten Tag (5 – 3 – 5) schon wieder<br />
mehr oder weniger abgehakt, obwohl es eigentlich „mein Wind“<br />
gewesen wäre. Aber ich war einfach noch nicht aus der beruflich<br />
stressigen Vorwoche bei der EM „angekommen“. Am Montag -<br />
abend habe ich mir dann bei 1, 2 oder mehr Gläsern Zweigelt<br />
und Welschriesling geschworen, das muss geändert werden. Ich<br />
musste aktiver, präsenter, sensibler sein, die trimmtechnischen<br />
und taktischen Entscheidungen konsequenter umsetzen, ohne die<br />
Lockerheit zu verlieren. Dies hat sich hervorragend ausgezahlt.<br />
Ich habe die Wettfahrten richtig genießen können, auch wenn bei<br />
mehr Wind selbst meine 85 Kilo immer wieder ein offeneres Fahren<br />
des Travellers erforderlich machten. Ein Tipp für so kurze, steile<br />
Wellen wie am Neusiedlersee: 5 -10 cm Längstrimm nach hinten in<br />
Böen können Wunder vollbringen und das Schiff viel leichter<br />
über die Wellen tänzeln lassen anstatt sich hineinzubohren.<br />
Und dann die Raum-/Vorwindbahnen: Flyern und Fliegen pur<br />
K3 -Segeln<br />
und ab und zu den Mund zumachen, wenn eine Volldusche nicht<br />
zu vermeiden war. Ein gutes Abstemmen am Gurtband oder der<br />
Trampolinspannleine war oft nötig, um beim Einstechen des<br />
Rumpfes in eine Welle nicht am Mast oder in Lee zu landen. Mike<br />
hat am zweiten Tag Pech gehabt und sich bei einer Kenterung<br />
verletzt, indem er versehentlich mit dem Bein unter den Gurt gerutscht<br />
ist – leider das Aus für ihn für die weiteren Tage. Nur einmal<br />
hatte ich eine Situation, wo das Boot über eine Welle nach<br />
vorn sprang, sich beide Rümpfe in die Wellenrückseite bohrten<br />
und sich das Schiff hinten schon aufstellte. Da lag schon der Gedanke<br />
in der Luft „Das war’s“. Ein beherzter Sprung zum hinteren<br />
Holm und der offene Genacker brachten das Schiff aber wieder<br />
in die Waagerechte und weiter ging’s. Dank der gleichmäßigen<br />
Winde und berechenbaren Böen konnte man raumschots sehr<br />
schön die Windkante suchen, losdüsen und abfallen, in Böen bis<br />
fast vor den Wind mit dichten Schoten. Für die, die bereits in Trave -<br />
münde bei ähnlichem Wind und noch mehr Welle ihre Genackertechnik<br />
verbessern konnten, war die EM eine Fortsetzung, nur<br />
fast ohne Welle. Ich schätze, dass wir im K3 in ein bis zwei Jahren<br />
durch noch mehr Übung unsere Speedgrenze nochmals nach<br />
oben schieben können. Allen, die sich noch nicht so sicher sind,<br />
kann ich nur raten: Traut euch weiter ran, das Kenterrisiko steigt<br />
nicht automatisch mit der zunehmenden Geschwindigkeit an,<br />
sondern vornehmlich durch eigene technische Fehler beim Steuern<br />
und in Manövern, und das lässt sich üben. Also Ruhe, Übersicht,<br />
Konzentration wahren und „krachen lassen“.