B I L D U N G S C H W E I Z - beim LCH
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BILDUNG SCHWEIZ 11 I 2010 .................................................. PäDAGoGIK<br />
Konstitution schreibt Bernadette<br />
Suter es heute zu, dass<br />
sie damals die sehr verletzende<br />
Demütigung nicht<br />
vollends zu Boden geworfen<br />
hat. Sie sagt: «Es ist äusserst<br />
wichtig, dass Eltern ihre Aufgabe<br />
gegenüber den Kindern<br />
wahrnehmen. Dass man<br />
nicht die ganze Verantwortung<br />
der Schule übergibt.<br />
Wenn ein Kind daheim gut<br />
aufgehoben ist, wenn es sich<br />
geliebt weiss, kann ein Kind<br />
auch aus einem solch negativen<br />
Erlebnis heraus gestärkt<br />
ins Leben gehen. Und genau<br />
das habe ich von meinen<br />
Eltern mitbekommen. Dafür<br />
bin ich ihnen sehr dankbar.»<br />
Simon Gerber<br />
«Fehler sollte<br />
man umarmen»<br />
«Hinweg von meiner Pforte!»<br />
So sollte der Zweitklässler<br />
Simon möglichst barsch Maria<br />
und Josef von der tür der<br />
Herberge weisen.<br />
Tatort ist das Schulzimmer der<br />
zweiten Klasse. Simon hat im<br />
jährlich wiederkehrenden<br />
Krippenspiel, das jeweils vor<br />
der ganzen Dorfbevölkerung<br />
aufgeführt wird, die Rolle des<br />
Herbergsvaters gefasst. Er<br />
muss Maria und Josef die Tür<br />
weisen. Der kleine Simon hat<br />
keinen blassen Schimmer,<br />
was «Pforte» bedeutet, der<br />
Sinn des Wortes bleibt ihm<br />
verschlossen. Niemand erklärt<br />
es ihm. So sagt er statt<br />
Pforte immer wieder: «Pflorte».<br />
Das bringt den Dorfschullehrer<br />
völlig aus der Fassung.<br />
Der Mann ist bekannt fürs<br />
brutale Dreinschlagen, wenn<br />
jemandem ein Fehler unterläuft.<br />
«Er gab mir derart kräftige<br />
Ohrfeigen, dass ich Nasenbluten<br />
bekam.»<br />
Heute sagt Simon Gerber (53),<br />
gelernter Landwirt, Sozialpädagoge<br />
und Organisationsentwickler:<br />
«Diese traumati-<br />
Simon Gerber heute und zur Zeit des Krippenspiels in der Primarschule.<br />
sierende Erfahrung behinderte<br />
mich jahrelang. Unentwegt<br />
sass mir die Angst vor<br />
Fehlern im Nacken.» Erst in<br />
den letzten beiden Primarschuljahren<br />
wird es besser.<br />
Als ein Lehrer ab und zu Simons<br />
Aufsätze vorliest, stellt<br />
sich allmählich ein fruchtbares<br />
Selbstbewusstsein ein.<br />
Die blutige Schulerfahrung<br />
hat Simon Gerber nachhaltig<br />
geprägt. Im positiven Sinne.<br />
Während seines langen späteren<br />
Bildungsweges erfährt<br />
er: «Fehler produzieren<br />
macht grossen Sinn. Man soll<br />
sie nicht verteufeln und verdrängen.<br />
Fehler sollte man<br />
deshalb umarmen.» Es gehe<br />
ja darum, von ihnen zu lernen,<br />
durch sie weiterzukommen.<br />
Wer Fehler umarme,<br />
gehe mit einer ganz anderen<br />
Haltung an eine Aufgabe.<br />
«Man muss sich unbedingt<br />
erlauben, Versuche zu starten,<br />
die scheitern können.<br />
Und nicht den Anspruch ha-<br />
ben, es müsse im ersten Anlauf<br />
klappen.»<br />
Studien würden übrigens zeigen,<br />
dass jenen Unternehmen,<br />
die krampfhaft versuchen,<br />
Fehler zu vermeiden<br />
und ihre Strukturen danach<br />
richten, erst recht Fehler unterlaufen.<br />
«In einer solchen<br />
Kultur ist es nicht möglich,<br />
Schiefgelaufenes auf den<br />
Tisch zu legen. Fehler werden<br />
tabuisiert. Im Untergrund<br />
wirken sie aber weiter.<br />
Das rächt sich eines Tages.<br />
Ich find’s schade, dass die<br />
Schule kein Labor sein darf,<br />
in dem man immer wieder<br />
Fehler machen darf. Vor allem<br />
in höheren Stufen ist der<br />
Druck gross, dort gibt es ein<br />
grosses Entwicklungspotential.»<br />
Deshalb bedauert Simon<br />
Gerber, dass an unseren<br />
Schulen Fehler auch heutzutage<br />
noch viel zu häufig nicht<br />
salonfähig sind.<br />
Inge Schneider<br />
Kleider machen<br />
Leute<br />
11<br />
Inge Schneider-Schönthal (64)<br />
führt in Zürich gemeinsam mit<br />
ihrem Mann Adolf den Jupiter-<br />
Verlag. Die beiden engagieren<br />
sich weltweit für die Förderung<br />
alternativer und «freier Energie».<br />
Sie arbeiten weltweit mit<br />
Erfindern und Forschern zusammen.<br />
Die Geschichte, die<br />
Inge Schneider hier erzählt,<br />
geschah in thun, als sie zwölf<br />
Jahre alt war. Sie zeigt, wie<br />
sehr sich das Verhalten einer<br />
Lehrperson auf die Leistungsfähigkeit<br />
ihrer Schützlinge auswirken<br />
kann.<br />
«Als Kinder mussten wir jeweils<br />
Kleider von Geschwistern<br />
und Verwandten austragen.<br />
Eines Winters traf es<br />
mich mit einem Paar Bubenhosen<br />
– samt Hosenladen. Im<br />
Aarefeldschulhaus verbrei-