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B I L D U N G S C H W E I Z - beim LCH

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BILDUNG SCHWEIZ 11 I 2010 .................................................. PäDAGoGIK<br />

Prägungen –was die Schule fürs Leben mitgab<br />

Sie wurden geschlagen, gedemütigt, manche trugen Wunden fürs Leben davon. Es gibt aber auch<br />

Geschichten von Liebe und Zuneigung –auch sie mit langen Nachwirkungen. Hier erzählen Menschen<br />

davon, wie sie in ihrer Schulzeit von Lehrerinnen und Lehrern geprägt worden sind. Peter Jaeggi hat<br />

diese Geschichten für Radio DRS (Sendung «Doppelpunkt») und für BILDUNG SCHWEIZ aufgezeichnet.<br />

Gerda Pimentel-Schulthess<br />

Zwei ohrfeigen<br />

und eine lebenslangeFreundschaft<br />

Die Lehrerin ohrfeigt eine<br />

Schülerin –und diese schlägt<br />

zurück. Das ist die Geschichte<br />

von Gerda Pimentel-Schulthess<br />

(40) und ihrer damaligen Lehrerin<br />

Roberta Schneider, heute<br />

82 Jahre alt.<br />

Wir treffen uns am Tatort von<br />

damals, im zweiten Stock<br />

des Zentrum-Schulhauses in<br />

Neuenhof, Kanton Aargau.<br />

Gerda Pimentel-Schulthess<br />

ist eine sehr gefühlsbetonte<br />

Frau, die gerne lacht. Roberta<br />

Schneider, ihre ehemalige<br />

Lehrerin, ist eine zierliche,<br />

zerbrechlich wirkende Dame,<br />

deren strahlendes Lächeln<br />

ansteckend wirkt.<br />

Gemeinsam blättern sie im<br />

grossformatigen Klassenbuch,<br />

das von Ausflügen und<br />

Schulreisen vor 30 Jahren erzählt.<br />

«Fräulein Schneider»<br />

war bekannt dafür, dass sie<br />

mit ihren Kindern häufig in<br />

die Natur ging.<br />

Was die beiden Frauen bis<br />

heute zusammenhält, sind<br />

zwei Ohrfeigen in der dritten<br />

Klasse.<br />

Die Lehrerin nervt sich einmal<br />

derart über die schwätzende<br />

Schar im Unterricht,<br />

dass Gerda eine saftige Ohrfeige<br />

einfängt. Fast reflexartig<br />

haut sie zurück. Dann<br />

rennt sie aus dem Klassenzimmer<br />

und trifft unterwegs<br />

ziemlich aufgewühlt ihre<br />

Mutter: «Mami, ich hab’ Fräu-<br />

Herzliche Begegnung im Klassenzimmer von damals: Die Lehrerin Roberta Schneider (82) mit ihrer ehemaligen<br />

Schülerin Gerda Pimentel-Schulthess.<br />

lein Schneider eins gehauen!»<br />

– Es waren wohl alle Beteiligten<br />

ziemlich perplex. «Ich<br />

war auf jeden Fall völlig<br />

durcheinander und hatte<br />

ziemlich Schiss», sagt Gerda<br />

Pimentel-Schulthess. Die<br />

Mutter nahm ihre Tochter bei<br />

der Hand und zusammen<br />

gingen sie zurück ins Schulhaus.<br />

Dort entschuldigte man<br />

sich gegenseitig.<br />

Aus dem «Chlapf» von damals<br />

entstand eine bis heute andauernde<br />

Freundschaft zwischen<br />

den beiden. Man trifft<br />

sich regelmässig bei Roberta<br />

Schneider zum Frühstück<br />

oder zum Kaffee und plaudert<br />

«über Gott und die Welt».<br />

Für sie sei es eine wunderschöne<br />

und sehr berührende<br />

Geschichte, sagt Gerda Pimentel-Schulthess.<br />

Sie lacht<br />

und meint: «Ich bin halt ein<br />

nostalgischer Typ und hänge<br />

sehr an meiner Vergangenheit,<br />

obwohl ich im Jetzt auch<br />

sehr gut lebe.»<br />

Und dann macht die alte Lehrerin<br />

Roberta Schneider die<br />

wohl schönste Liebeserklärung,<br />

die man einer ehemaligen<br />

Schülerin schenken<br />

kann: «Ich habe deine Art,<br />

wie du stets wieder den Kontakt<br />

zu mir gesucht hast, immer<br />

sehr geschätzt. Du hast<br />

eine äusserst reiche Gefühlswelt<br />

und keine Scheu davor,<br />

sie auch zu zeigen. Es gibt ja<br />

so viele Leute, die nur oberflächlich<br />

miteinander kommunizieren<br />

können. Doch du<br />

hast immer über alles gesprochen,<br />

was du gefühlt<br />

hast, was dich glücklich oder<br />

unglücklich gemacht hat. Du<br />

9<br />

warst stets ganz offen und<br />

hattest zudem einen ganz<br />

starken Wahrheitssinn. Und<br />

so entstand eine wahre Gemeinschaft.<br />

Das erlebt man<br />

nicht oft im Leben.»<br />

Gerda als Drittklässlerin.

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