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Interview mit Markus Reichhart (MdL)<br />
Foto: Plenarsaal im Bayerischen Landtag (Wikipedia)<br />
Herr Reichhart, die Freien Wähler sind bei den Landtagswahlen<br />
2008 mit 10,2% der Stimmen erstmals<br />
in den bayerischen Landtag eingezogen. Worauf<br />
gründet sich dieser souveräne Erfolg?<br />
Reichhart: Die Bürger haben Vertrauen in unsere<br />
Politik, da sie gute kommunalpolitische Erfahrungen<br />
mit den Freien Wählern gemacht haben. Außerdem<br />
gab und gibt es in der Bevölkerung eine<br />
hohe Unzufriedenheit mit der jahrzehntelangen<br />
<strong>Alle</strong>inherrschaft der CSU.<br />
Welche Bilanz ziehen Sie für die bisherige Tätigkeit<br />
der Landtagsfraktion der Freien Wähler?<br />
Reichhart: Nach einem extrem arbeitsreichen<br />
ersten Jahr, das geprägt war von der intensiven<br />
inhaltlichen Arbeit sowie dem Aufbau unserer In-<br />
WiPoSo – Interview<br />
frastruktur mit vielen neuen Mitarbeitern und Referenten,<br />
sind wir nun auf einem sehr guten Weg<br />
als drittstärkste politische Kraft im Parlament noch<br />
energischer auch nach außen zu treten.<br />
Die Freien Wähler nehmen mit ihrer Bildungspolitik<br />
hauptsächlich auf die Schwachstellen des bayerischen<br />
Schulsystems Bezug. Wie sehen Sie die derzeitige<br />
Lage an den Hochschulen?<br />
Reichhart: Die Herausforderungen an den Hochschulen<br />
sind sehr groß. Neben der Einführung von<br />
Bachelor und Master muss in den nächsten Jahren<br />
auch noch der doppelte Abiturjahrgang verkraftet<br />
werden. Dies bedeutet für alle Beteiligten ein hohes<br />
Maß an Flexibilität und Einsatzbereitschaft.<br />
Die Staatsregierung hat große Probleme, die kommenden<br />
Aufgaben im Sinne der Studierenden und<br />
der Hochschulen zu<br />
lösen.<br />
Welche Schlüsse<br />
ziehen Sie aus den<br />
jüngsten Schüler-<br />
und Studentenprotesten?<br />
Reichhart: Es muss<br />
eine Kurskorrektur,<br />
ein Umdenken geben.<br />
Unsere Bildungslandschaft<br />
befindet sich<br />
generell im Umbruch.<br />
Es bedarf daher der<br />
ganzheitlichen Sicht-<br />
Foto: Markus Reichhart<br />
und Herangehensweise. Besonders wichtig ist<br />
mir, dass die Proteste, Sorgen und Wünsche<br />
der betroffenen Schüler und Studenten ernstgenommen<br />
werden. Deren Beteiligung an den<br />
Veränderungsprozessen ist unabdingbar und<br />
für den Wissenschaftsstandort Bayern von<br />
herausragender Bedeutung.<br />
An vielen Hochschulen ist der Umstieg vom Diplom<br />
zu den Bachelor/Master-Studiengängen bedingt z.B.<br />
durch unterschiedliche Prüfungsordnungen noch<br />
immer nicht vollständig vollzogen. Steigende Studentenzahlen<br />
und der bevorstehende doppelte Abiturjahrgang<br />
belasten die Infrastruktur zunehmend.<br />
Wie hätte die Politik auf diese Herausforderungen<br />
reagieren sollen?<br />
Reichhart: Eine bessere Vorbereitung und Abstimmung<br />
der Hochschulen in Bezug auf Studienpläne,<br />
Anfor derungen an die Wirtschaft und der europäischen<br />
Hochschullandschaft wäre notwendig gewesen.<br />
Die überhastete Einführung des G 8 ohne<br />
wirkliches Konzept und damit die Problematik des<br />
doppelten Abiturjahrgangs verschärfen die Situation<br />
der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor<br />
und Master zusätzlich.<br />
Die Freien Wähler werben<br />
mit „10 schlagkräftigen<br />
Argumenten<br />
gegen die Studiengebühren“<br />
für<br />
ihre Politik. Wie<br />
sieht ihr Finanzierungsmodell<br />
für die bayerischenHochschulen<br />
aus und auf<br />
WiPoSo – Interview<br />
welchen Wegen sollte die Qualität der Lehre verbessert<br />
werden?<br />
Reichhart: Grundsätzlich sind wir der Meinung,<br />
dass Bildung staatliche Aufgabe ist. Im Verhältnis<br />
zu den Gesamtausgaben des Freistaats stellen<br />
die eingenommenen Studiengebühren nur einen<br />
Bruchteil dar. Dem Staat sollte generell mehr an der<br />
Bildung seiner jungen Bürger liegen.<br />
Die Verbesserung der Qualität kann durch die Entschlackung<br />
der Studiengänge erfolgen sowie durch<br />
mehr Internationalität und die umfassendere Anerkennung<br />
von Studienleistungen im Ausland! Überfüllte<br />
Hörsäle sollten der Vergangenheit angehören,<br />
weil gutes Studieren auch gute Rahmenbedingungen<br />
braucht!<br />
Zum Abschluss: Welche persönlichen Erfahrungen<br />
haben Sie als Landtagsabgeordneter bisher gemacht<br />
und was möchten Sie unseren Studentinnen<br />
und Studenten mit auf den Weg geben?<br />
Reichhart: Mein neues Aufgabengebiet als Abgeordneter<br />
ist sehr vielseitig und erfordert schnelles Erfassen<br />
komplexer Materie, was mir sehr viel Freude<br />
bereitet. Mit fast 30 Jahren Berufserfahrung als<br />
Augenoptiker, rund 20 Jahren Selbstständigkeit<br />
und nun dem Wechsel in die Politik<br />
ist meine Empfehlung, gerade zu<br />
Beginn des beruflichen Lebensweges<br />
viel Energie in eine fundierte Wissensbasis<br />
zu investieren.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
(sk)<br />
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