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Das Testament des Hlg. Franz von Assisi - Christian Rüther

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ihre eigentümliche Radikalität, die <strong>Franz</strong>ens Leben und das der ersten Gemeinschaftauszeichnete.Im folgenden Abschnitt (Z.55-76) geht es um das liebe Geld. Der Papst gestattet demOrden indirekt Vertrauensleute einzusetzen, die die Geldangelegenheiten für sieregeln. Offiziell treten diese Treuhänder aber als Beauftragte der Almosengeber undnicht <strong>des</strong> Ordens auf. Trotz dieser juristischen Spitzfindigkeit widerspricht der Papstoffensichtlich der Regula bullata, in der den Brüdern und etwaigen Mittelsmännernstrikt verboten ist, Geld anzunehmen. Anscheinend wird hier nur das normiert, wasschon längst Realität war ("Mittlerweile gibt es längst De-facto-Beauftragte <strong>des</strong>Ordens in Geldangelegenheiten"). 63Ähnlich "juristisch" geht Gregor IX. im nächsten Abschnitt (Z.77-91) vor, in dem erauf das absolute Besitzverbot der Regel eingeht. Offiziell dürfen die Minderbrüderweiterhin weder gemeinschaftlich noch individuell etwas besitzen, inoffiziell habensie aber uneingeschränktes Nutzungsrecht. Eigentümer bzw. Besitzer bleiben dievormaligen Schenker. In der Folgezeit wurde dann die Römische Kirche Eigentümerder franziskanischen Güter. Auch hier wird der ursprüngliche Wille <strong>des</strong> <strong>Franz</strong>iskusformaljuristisch ausgehöhlt.In den nächsten fünf Abschnitten werden kleine Änderungen zu den ThemenBeichtpraxis, Predigterlaubnis, Aufnahme- und Ausschlußverfahren, Teilnehmerkreis<strong>des</strong> Generalkapitels und Betreten <strong>von</strong> Frauenklöstern vorgenommen, die alle keine sogravierenden Einschnitte sind, wie die oben genannten.Wie unklar waren die Formulierungen <strong>Franz</strong>ens im <strong>Testament</strong>/in der Regel?Lediglich bei der Frage nach der Rechtsverbindlichkeit <strong>des</strong> <strong>Testament</strong>es sindwirkliche Zweifel angebracht. Bei den drei anderen wichtigen Fragen (Leben nachdem Evangelium, Besitz- und Geldfrage) ging es nicht um eine genauere Auslegungder Regel - sie ist in allen Punkten klar und unmißverständlich - sondern um eineAufweichung der Regel und Anpassung an die Ordenswirklichkeit. Anscheinendwaren nur wenige der Brüder bereit, dem Evangelium so radikal zu folgen wie ihrOrdensgründer und die erste Generation. Vielleicht hat <strong>Franz</strong>iskus das geahnt, als ersein <strong>Testament</strong> schrieb und jede Glossierung oder Interpretation <strong>von</strong> seiten derrömischen Kirche ablehnte, trotzdem hat es nichts gebracht.Durch die Bulle "Quo elongati" ist es Papst Gregor gelungen, der Gemeinschaft dieletzten formalrechtlichen radikalen Spitzen zu nehmen und sie unter das Dach derRömischen Kirche einzugliedern. <strong>Das</strong> letzte Hindernis - das <strong>Testament</strong> <strong>des</strong><strong>Franz</strong>iskus - ist aus dem Wege geräumt genau wie die strengen Vorschriften zurArmut und Besitzlosigkeit.6.1 Rezeption der BulleDer Großteil der Brüderschaft wird die Bulle begrüßt haben, da sie doch rechtlichsanktionierte, was schon seit längerem Usus und Sitte war - damit war ihr Gewissenpäpstlich entlastet. Verwunderlich scheint, daß nur wenige radikale Spiritualen in derBulle den Anfang der Entartung sahen, während selbst bekannte Spiritualen-Führer63 Feld, Helmut: <strong>Franz</strong>iskus, 1994, S. 341.29

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