Deutsche Aufsteiger - Baker & McKenzie
Deutsche Aufsteiger - Baker & McKenzie
Deutsche Aufsteiger - Baker & McKenzie
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Atreiben, klingelte prompt das Telefon im Frankfurter Büro<br />
ls das türkische Großunternehmen Anadolu<br />
Efes letztes Jahr beschloss, seine international bekannte<br />
Biermarke Efes Pilsen auch in Deutschland zu ver-<br />
von Dr. Ali Sahin. ˛ Es war im November 2009, als die Istanbuler<br />
den 37-Jährigen Salary-Partner von <strong>Baker</strong> & <strong>McKenzie</strong><br />
und sein Team in ihr Projekt einspannten. Efes musste<br />
sich für den Markteintritt unter anderem zwei Partner<br />
suchen, die sie in der Brauerei Einbecker und dem Vertriebsunternehmen<br />
Drinks & Food aus Sachsen-Anhalt<br />
fand. Sahins ˛ Team half bei der Strukturierung des Ver-<br />
MULTIKULTI<br />
Herkunft der Migranten in Deutschland<br />
Rund 20 Prozent der 82 Millionen Menschen in Deutschland<br />
haben laut dem Berlin-institut einen Migrationshintergrund.<br />
Migranten sind demnach selbst Zugewanderte und deren<br />
Nachkommen. Die wichtigsten Gruppen im Überblick:<br />
Anteil an Gesamt-<br />
Herkunft<br />
bevölkerung in %<br />
1. Aussiedler<br />
Deutschstämmige, die unter anderem aus der<br />
Russischen Föderation und ländern der ehemaligen<br />
Sowjetunion zugewandert sind, und ihre Nachkommen<br />
4,7<br />
2. Türkei<br />
3. Weitere Länder der EU-25<br />
außer ‚Südeuropa’<br />
4. Südeuropa<br />
Griechenland, italien, Portugal, Spanien<br />
5. Ehemaliges Jugoslawien<br />
6. Ferner Osten<br />
Gebiet von Afghanistan, Pakistan, China<br />
und Mongolei bis pazifische inseln<br />
7. Naher Osten<br />
Gesamte Region des östlichen Mittelmeerraums<br />
bis einschließlich iran und Staaten der<br />
Arabischen Halbinsel<br />
8. Afrika<br />
3,4<br />
2,3<br />
1,8<br />
1,4<br />
0,9<br />
0,6<br />
0,6<br />
Quelle: Berlin-institut für Bevölkerung und Entwicklung, Stand: Januar 2009 – neben eigenen<br />
Berechnungen zog das Berlin-institut den Mikrozensus 2005, Scientific Use File, heran.<br />
titEl<br />
triebs und dem Abschluss der Verträge. So war der Weg in die deutschen Verkaufsregale<br />
für die türkischen Bierkästen nur drei Monate später frei.<br />
Im deutsch-türkischen Geschäft hat sich Sahin ˛ mittlerweile einen Namen gemacht.<br />
2008 rief er bei <strong>Baker</strong> die ‚Turkish Working Group’ ins Leben. Vom Standort<br />
am Main aus leitet der Salary-Partner nun ein zwölfköpfiges Team, dessen Mitglieder<br />
neben Frankfurt in New York, London, Houston und Amsterdam sitzen.<br />
Und die Arbeit reißt nicht ab, denn er berät auch umgekehrt Investi tionen in die<br />
Türkei, wo die <strong>Deutsche</strong>n laut der türkischen Förderungsagentur ISPAT mit rund<br />
4.000 Unternehmen so stark wie keine andere Nation vertreten sind. Sahins ˛<br />
früherer Fokus auf IT-Recht ist von Mandaten mit Türkeibezug mittlerweile stark<br />
verdrängt worden. Gefragt sind jetzt vor allem M&A und Gesellschaftsrecht.<br />
Der gebürtige Türke blickt auf eine beeindruckende Karriere zurück: Ende<br />
2000 schloss er sein Jurastudium an der Frankfurter Goethe-Universität mit<br />
Prädikats examen ab, begann 2001 als Associate bei <strong>Baker</strong> und wurde 2007 zum<br />
Partner ernannt. Sein Migrationshintergrund wurde schließlich zu seinem Trumpf.<br />
„Man muss zwar als Basis erst einmal ein sehr guter deutscher Jurist werden. Den<br />
Migrationshintergrund kann man darauf aufbauend als Zusatzqualifikation nutzen“,<br />
sagt er. Die Mehrsprachigkeit und doppelte Kulturvertrautheit helfen ihm<br />
nun bei der Mandatsarbeit und -akquise, für die er vier bis fünf Mal pro Jahr in die<br />
Türkei fliegt.<br />
Es sei nämlich ein Wettbewerbsvorteil, mit denjeweiligen Unternehmen in<br />
ihrer Landessprache zu verhandeln, das schätzen sowohl die deutschen als auch<br />
türkischen Geschäftsleute – besonders bei der Vermittlung in schwierigen<br />
Situationen. Zu seinen Mandanten zählt auch das türkische Familienunternehmen<br />
Koç Holding, das im vergangenen Jahr einen Gewinn von rund 1,6 Milliarden<br />
Euro einfuhr. Bei der Vergabe von Mandaten für ihre Deutschlandgeschäfte legt<br />
der Konzern Wert auf türkische Sprach- und Kulturkenntnisse.<br />
Die Bildungshürde<br />
Für viele Migranten stellt sich der Einwanderungshintergrund jedoch als Nachteil<br />
heraus. Dies belegt einmal mehr der aktuelle Bundesbildungsbericht, demzufolge<br />
Einheimische einen durchschnittlich höheren Bildungsgrad haben als Migranten.<br />
Im Fokus der öffentlichen Debatten stehen häufig die rund drei Millionen türkischen<br />
Einwanderer, die einst vor allem als Gastarbeiter zuwanderten und die<br />
zweitgrößte Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland<br />
stellen (5Multikulti). Eine vorurteilsfreie Diskussion darüber erlaubt eine Studie<br />
des Berlin-Instituts für Bevölkerung aus dem Jahr 2009. Der unabhängige Think<br />
Tank hat anhand verschiedener Indikatoren die Assimilierung der Migranten im<br />
Sinne gleicher Chancen und Teilhabe gemessen.<br />
Dabei erzielten Türkischstämmige den niedrigsten Integrationswert. Defizite<br />
gibt es vor allem in puncto Bildung. Nur 14 Prozent haben eine Hochschulzugangsberechtigung<br />
und 30 Prozent sogar keinen Bildungs abschluss. Zum Vergleich:<br />
Rund 40 Prozent der Einheimischen haben die Hochschulreife und nur<br />
ein Prozent ist ohne Bil dungsabschluss. Besser sieht es bei der Erwerbs losenquote<br />
aus, bei denen Türkischstämmige mit 23 Prozent zwar mehr als doppelt so stark<br />
betroffen sind wie Einheimische, aber weit unter dem Höchstwert von 35 Prozent<br />
der Migranten aus dem Nahen Osten bleiben. Mit einem durchschnittlichen Individualeinkommen<br />
von 1.700 bis unter 2.000 Euro spielen Türkischstämmige beim<br />
Vergleich der Lebensstandards zudem im Mittelfeld mit.<br />
Die Forschung, die die Bevölkerung in Deutschland unter<br />
dem Aspekt der Migration und nicht der Staatsbürgerschaft<br />
untersucht, ist noch jung. So kam das Berlin-Institut zu dem<br />
etwas vagen Ergebnis, dass nur vier Prozent der Türken in<br />
sogenannten Vertrauensberufen, unter die zum Beispiel<br />
Juristen und Ärzte fallen, tätig sind. Ins gesamt haben damit<br />
112.000 Türkischstämmige einen Vertrauensberuf.<br />
Wie viele davon als Anwälte zu den<br />
über 150.000 Kammermitgliedern zählen,<br />
Karrieremagazin für junge Juristen azur 02 10 17