Deutsche Aufsteiger - Baker & McKenzie
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wortung der Rechtsabteilung an – Koç Kahraman schlug<br />
zu.<br />
Für ihre abschließende mündliche Prüfung in der<br />
letzten Augustwoche flog sie noch einmal an ihren<br />
Studienort Düsseldorf zurück. Am Mittwoch fand die erfolgreiche<br />
Prüfung statt, am Donnerstag organisierten<br />
ihre Schwestern ihr eine Überraschungsabschiedsfeier –<br />
und am Montag saß sie bereits in der geschäftigen Bosporus-Metropole<br />
an ihrem Schreibtisch. In dem Land, das<br />
ihre Eltern für Jobs in Deutschland verließen. „Das war<br />
eine tolle Gelegenheit. In Deutschland hätte ich bestimmt<br />
einen Posten gefunden, aber sicher nicht gleich<br />
die Leitung einer Rechtsabteilung zum Berufseinstieg“,<br />
erzählt die heute 28-Jährige.<br />
Dafür sei die Konkurrenz in Deutschland zu hoch,<br />
wenn man wie sie mit zwei befriedigend bestandenen<br />
Examen die Prädikatsnote knapp verpasst hat. Doch<br />
ihre potenziellen Chancen schätzt sie als gut ein. Hatte<br />
sie doch im Referendariat in der angesehenen Sozietät<br />
Orth Kluth Kanzleiluft geschnuppert, neben dem<br />
Referendariat in der Rechtsabteilung der Bäckereikette<br />
Kamps gejobbt und dort ihre Rechtsanwaltsstation verbracht.<br />
Eine Ausnahme ist Koç Kahraman nicht. Die Mehrheit<br />
der türkischstämmigen Studenten und Akademiker wollen<br />
ihre Karriere nicht wie Sahin ˛<br />
oder Körtek in Deutschland,<br />
sondern im Heimatland ihrer Eltern fortsetzen. Das<br />
geht zumindest aus der neusten Studie von Futureorg<br />
hervor. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes untermauern<br />
den Trend. 2009 haben rund 40.000 Menschen<br />
Deutschland in Richtung Türkei verlassen – 10.000 Menschen<br />
weniger wählten die umgekehrte Route.<br />
Heimatgefühl?<br />
Als wesentliche Motive der befragten Akademiker ermittelte<br />
Futureorg „fehlendes Heimatgefühl“ und „berufliche<br />
Gründe“. Ausschlaggebend findet Futureorg-Gründer<br />
Sezer jedoch vor allem den Wandel des Landes:<br />
„Die Türkei ist ein attraktives Auswanderungsziel für<br />
Akademiker geworden. Die politische Lage hat sich im<br />
Vergleich zu den konfliktreichen 1990ern stabilisiert,<br />
statt einer Wirtschaftskrise gibt es nun einen Aufschwung<br />
und eine Liberalisierung des Marktes.“ Gleichzeitig<br />
komme aber das Bildungssystem nicht hinterher<br />
und produziere nicht genügend Akademiker, die nun<br />
händeringend gesucht werden.<br />
Juristen sind davon nicht ausgenommen, trotz des<br />
stark regulierten Standesrechts in der Türkei. So brauchen<br />
ausländische Kanzleien einen Kooperationspartner<br />
vor Ort, um ein Büro eröffnen zu können. In Deutschland<br />
ausgebildete Juristen können jedoch wie Koç Kahraman<br />
auch ohne türkische Anwaltszulassung problemlos in<br />
Organisationen oder Unternehmen arbeiten. Der Zugang<br />
zum türkischen Recht dürfte dabei nicht schwerfallen,<br />
schließlich basiert das Gesetzbuch auf dem deutschen<br />
und schweizerischen Recht.<br />
Genau an der Schnittstelle zwischen deutschem und<br />
türkischem Recht berät nun Koç Kahraman. <strong>Deutsche</strong><br />
und türkische Unternehmen unterstützt sie bei Import-<br />
und Exportfragen, Zoll- und Verwaltungsthemen oder<br />
auch Visaangelegenheiten. Darüber hinaus leitet sie<br />
Seminare und übernimmt regelmäßige Veröffentlichungen.<br />
Zur Seite stehen ihr eine Assistentin und regelmäßig<br />
einer der Referendare, die bei ihr die Auslandsstation<br />
verbringen. Vor allem bei türkischstämmigen Referendaren<br />
aus Deutschland ist die Istanbuler Auslandshandelskammer<br />
beliebt.<br />
Der Kulturschock<br />
Die Arbeit in der Heimat der Eltern kann sich jedoch<br />
auch als befremdend herausstellen. So erlebte es Koç<br />
Kahraman selbst. „Am Anfang fiel es mir nicht so sehr<br />
auf, vor allem weil es bei der Auslandshandelskammer<br />
deutsche Strukturen und Kollegen gibt. Aber sprachlich<br />
wurde es teilweise schwierig“, berichtet sie. „Mir fehlten<br />
die Vokabeln aus dem Wirtschaftsrecht und auch aus<br />
dem Büroleben. Zum Beispiel fiel mir hier erst auf, dass<br />
ich die Übersetzung für ‚Locher‘ nicht kenne. Im Gespräch<br />
unter Freunden habe ich es ja nicht gebraucht.“<br />
Noch bis heute lernt sie neue Vokabeln und muss sich in<br />
die Schriftsprache einüben. „Erst mit der Zeit merkte ich,<br />
dass ich ins kalte Wasser gesprungen bin.“<br />
Und es gab noch mehr kommunikative Tücken.<br />
Es sei etwa ganz normal, sich im Geschäftsleben<br />
gegenseitig ,Schätzchen‘ zu nennen, ganz gleich, ob<br />
unter Frauen oder Männern. „Das finde ich schon<br />
seltsam, denn so etwas gehört nicht in eine<br />
Geschäftskorres pondenz. Beamte melden sich dagegen<br />
oft nur mit ‚Ja?!‘ am Telefon und fangen schnell an, einen<br />
unaufgefordert zu duzen. Auch da versuche ich immer<br />
wieder Distanz zu wahren, weil ich das Verhalten als unpassend<br />
empfinde.“<br />
Ihre Prägung löst auch Gegenreaktionen aus. So<br />
bleibt sie vom ‚Deutschländer‘-Phänomen nicht verschont.<br />
„‚Deutschländer‘ werde ich schon mal genannt,<br />
wenn ich auf Ordnung bestehe oder wenn jemand nur<br />
erfährt, dass ich erst vor Kurzem aus Deutschland kam.“<br />
Es sei als Scherz gemeint, doch Koç Kahraman wehrt<br />
sich gegen die Ausgrenzung: „Wenn es zu weit geht,<br />
sage ich meine Meinung.“<br />
Unter anderem zur Vorbereitung auf einen juristischen<br />
Job in der Türkei bieten verschiedene Uni -<br />
versi täten gemeinsam mit Kooperationspartnern<br />
deutsch-türkische Jura-Masterstudiengänge an (5Gemeinsame<br />
Sache). Auch die Ruhr-Universität Bochum<br />
will einen entsprechenden Studiengang ab dem<br />
Wintersemester 2011/2012 anbieten (5Interview „Wir<br />
helfen, verborgene Schätze zu heben“, Professor Gereon<br />
Wolters, Seite 23). Und er soll nicht nur der Zusatzqualifikation<br />
dienen – sondern auch den Austausch und<br />
das Verständnis füreinander auf beiden Seiten<br />
anstoßen. F<br />
titEl<br />
Ihre Meinung zum Thema?<br />
Noch Fragen offen?<br />
Schreiben Sie unserer Autorin<br />
parissa.kerkhoff@juve.de<br />
Karrieremagazin für junge Juristen azur 02 10 25