11.07.2015 Aufrufe

drogenkurier - Jes

drogenkurier - Jes

drogenkurier - Jes

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

DROGENKURIERgedenktag3münchenStreetwork inMünchen „Junkie seinist ein Vollzeit-Job“27 Drogentote gab es in München2010. Die städtischen Straßensozialarbeiterberichten über dieDrogenszene und ihre Arbeit mitden Süchtigen.In München geschieht viel im Verborgenen.Es gibt keine offene Drogenszenewie in Berlin oder Hamburg, kaum jemanddealt oder konsumiert auf der Straße, dieJunkies leben ihre Drogensucht heimlich.Doch auch wenn sie nicht offen auftreten,sind sie da – im schnieken München, wosich am Straßenrand Porsche an Porschereiht und die Designerjeans zur modischenGrundausstattung gehört.In der Weltstadt mit Herz gibt es nichtnur Drogenabhängige, sondern auch Drogentote.Zwischen 35 und 50 sind es jährlich,2009 waren es 47, 2010 bisher 27.Dazu zählen Süchtige, die an einer Überdosisgestorben sind ebenso wie solche,die durch die Folgen ihrer Sucht, durchHIV und andere Infektionen, dahingerafftwurden. Im Verhältnis zur Einwohnerzahlsieht das Bundeskriminalamt München damitin der Drogentotenstatistik deutscherGroßstädte im vorderen Drittel – hinterBerlin, aber vor Hamburg.Den Drogentoten wird am 21. Juli wiejedes Jahr ein Gedenktag gewidmet, umein Zeichen zu setzen und die in MünchenUnsichtbaren ein Stück sichtbarer zu machen.Ein Anlass, genauer hinzuschauen.Zwei, die jeden Tag genauer hinschauensind, die 42-jährige Rita Wilgen und MarkusBosnjak, 36, Streetworker der städti-schen Drogenberatung. Mehrere Stundenklappern sie täglich die einschlägigenPlätze ab: Sendlinger Tor, Hauptbahnhof,Isartor, Münchner Freiheit. Sie suchenund pflegen den Kontakt zu Süchtigen,die von harten Drogen wie Heroinund Opiaten abhängig sind, bieten Hilfean, geben Tipps.Meist sind es Ratschläge, die den Abhängigenhelfen, alltägliche Bedürfnisse zubefriedigen. „Ich habe Hunger, wo kann ichpreiswert essen? Ich bin nicht krankenversichert,welcher Arzt behandelt mich trotzdem?Ich brauche eine Unterkunft, wo kannich wohnen?“, zählt Wilgen einige Fragenauf, die sie häufig beantwortet.„Junkie zu sein ist ein Vollzeit-Job“, erklärtdie Straßensozialarbeiterin. Die Drogenabhängigenseien mit ihren Gedankenhauptsächlich beim nächsten Schuss, beimnächsten Drogenrausch, da werde das alltäglicheLeben zum lästigen Beiwerk. Deshalbist es wichtig, dass die Streetworkerzu den Betroffenen kommen. Es gibt vieleSüchtige, die es aufgrund ihrer körperlichenVerfassung und sozialen Verwahrlosungnicht schaffen, die Beratungsstellein der Bayerstraße aufzusuchen oder festeTermine einzuhalten. Viele, die in Kontaktlädenbereits Hausverbot haben, weilsie die drei Forderungen nicht einhalten:kein Konsum, kein Dealen, keine Gewalt.Kümmern sich um Münchens Drogenabhängige: diestädtischen Straßensozialarbeiter Rita Wilgen undMarkus Bosnjak.Foto: Felicitas Kock„Die Süchtigen fallen so aus dem Drogenhilfesystem“,sagt Wilgen.Bei Drogensüchtigen und Geldbeschaffungdenkt man zwangsläufig an die Kindervom Bahnhof Zoo. Und ans Anschaffen.„Das ist in München ein Tabuthema“,sagt Bosnjak. Auch weil Prostitution imStadtgebiet verboten ist, seien die Abhängigendiesbezüglich schweigsam. Esbestehe keine offene Prostitutionsszenevon Drogenabhängigen.Doch genauso wie es in München Drogenabhängigegibt, die kaum sichtbarsind, gibt es viele Junkies, die anschaffengehen und nicht darüber reden. Vorallem Frauen würden so die Sucht finanzieren,so Bosnjak.Der Spirale aus Drogensucht, Geldbeschaffung,Prostitution und Kriminalitätzu entfliehen, ist schwer. Die Messlattefür den Erfolg liegt bei den Streetworkerndeshalb niedrig. „Wenn wir nur als Erfolgverzeichnen würden, dass ein Junkie vonden Drogen wegkommt, eine Familie gründetund ein normales Leben führt, würdenwir nicht glücklich“, sagt Bosnjak. Deshalbzählen auch die kleinen Dinge. Wenn einSüchtiger in ein Substitutionsprogrammaufgenommen wird oder von sich aus zurDrogenberatung geht zum Beispiel. EinenClean-Anspruch haben die Streetworkernicht. So etwas sei überhaupt irreführend,schließlich gebe es auch Rückfälle nachfünf oder zehn Jahren ohne Drogen. „Wereinmal drogenabhängig war, den begleitetdie Sucht das ganze Leben“, sagt Bosnjak.Die Drogenabhängigen prägen in Münchennicht das Stadtbild wie in anderendeutschen Großstädten. Die Streetworkerprangern die vielen Polizeikontrollen an,die die Süchtigen aus dem öffentlichenRaum ins Private treiben. Das mag zwarder Porsche- und Designerjeans-Atmosphäreförderlich sein, für die Abhängigen ist esdagegen fatal. Wenn sie nicht einmal mehrfür die Streetworker erreichbar sind, fallensie vollkommen aus dem Drogenhilfesystem.Was das für die Zahl der Drogentotenbedeutet, kann man sich ausrechnen.Die Veranstaltung zum Drogentotengedenktag,die von verschiedenenMünchner Drogenhilfeeinrichtungenorganisiert wird,findet am 21. Juli von 11 bis 14Uhr auf dem Marienplatz statt.Süddeutsche 21.07.2010,Felicitas Kock


gedenktag4 DROGENKURIERbonnaachenDie Wallek-Brüder in BonnGedenken anDrogentoteAids Ini informiert amBusbahnhofTrauerkarten, Fotos und Blumen erinnernam Bonner Busbahnhof an verstorbeneDrogenkonsumenten. Angehörigeund Freunde nahmen am bundesweitenGedenktag teil. Die Aids-Ini-Bonn machtemit einem Infostand, an dem Kondomeund sterile Spritzen verteilt wurden,auf die Gefahren für Heroinabhängigeaufmerksam.Wir möchten dort für die Leute dasein, wo sie sich auch im alltäglichenLeben aufhalten“, begründet ChristaSkomorowsky, Mitarbeiterin der AidsIni Bonn, die Trauerstätte nahe der Bushaltestelle.Seit dem Alkoholverbot imBonner Loch halten sich hier viele Abhängigeauf. Vor allem die Möglichkeitzur kontrollierten Heroinvergabean Schwerstabhängige ist den Mitarbeiternder Aids-Initiative wichtig. EinJahr sei bereits vergangen, seit das Gesetzzur medizinischen Heroinvergabein Kraft getreten sei. Lediglich 28 Abhängigenähmen derzeit aufgrund derstrengen Richtlinien an dem Programmteil, berichtet Christa Skomorowsky. DerBedarf hingegen sei groß, täglich gingenmehrere Anfragen nach legaler Heroinabgabeein.Slt.Generalanzeiger Bonn, 22.07.2010Suchthilfe Aachen –Tag der offenen Türam 21.07.Der 21. Juli ist nationaler Gedenktag fürverstorbene Drogenabhängige. Aus diesemAnlass gedachten die Mitarbeitendender Suchthilfe Aachen in ihrer Einrichtungam Kaiserplatz der Frauen und Männer ausder Region Aachen, die aufgrund von Drogenkonsumund ihren Folgeerkrankungenverstorben sind. Für Besucher war die Einrichtungzwischen 11:00–17:00 Uhr geöffnet.Bei Kaffee und Kuchen kamen interessierteBürger mit Mitarbeitern undbetroffenen Nutzern der Hilfsangebote insGespräch und erhielten so einen Einblickin das umfassende Hilfeangebot am Kaiserplatz.Dazu gehören das Kontaktcafé,die Begleitung durch Sozialarbeiter undStreetworker, der Drogenkonsumraum mitvier sauberen und ruhigen Plätzen zum intravenösenund inhalativen Drogenkonsumsowie die medizinische Versorgungin der Ambulanz.„Seit Ende 2005 sind 28 Frauen undMänner verstorben, die wir persönlichkannten und die wir zum Teil über einenlängeren Zeitraum betreut haben“, berichtetBarbara Berger, Einrichtungsleiterin.„Ein großes Kreuz mit ihren Namen undSilhouetten vor dem Eingang des Kontaktcaféserinnern heute an sie.“ In vielen Fällensei die Überdosierung mit Heroin Todesursachegewesen. Die Verunreinigungder illegalen Substanzen mit Streckmittelnseien ein unkalkulierbares Risiko,unhygienische und illegale Lebens- undKonsumbedingungen führten zu schwerenErkrankungen, mit zum Teil tödlichemAusgang, so Berger. In der Stadt Aachengab es nach Auskunft der Polizei im Jahr2009, sowie auch in 2008, elf Drogentote.Im früheren Kreisgebiet im Jahr 2008zwei und in 2009 sechs an Drogen Verstorbene.„Mit unserem Team am Kaiserplatzund auf der Straße wollen wir den Schadenminimieren und den Betroffenen Hilfezum Überleben anbieten,“ skizziert Bergerdas Ziel ihrer Arbeit. „Im vergangenenJahr kam es hier am Kaiserplatz zu sechsschweren Drogennotfällen im Drogenkonsumraum,die durch Mitarbeiter und dengerufenen Notdienst versorgt wurden. Unentdeckthätten diese Notfälle sehr wahrscheinlichtödlich geendet.“B. Berger, 22.07.2010


DROGENKURIER7gedenktagDie meisten Leute rümpfen die Nase,wenn sie „Junkies“ sehen oder von ihnenhören. Das sind ja diese dreckigen Leute,die am Bahnhof herumlungern und klauenoder anschaffen gehen, um ihre Suchtzu finanzieren.Dass Drogensucht und Beschaffungskriminalitätleider sehr oft zusammengehören, ist wohl wahr, aber dass dieseSucht eine Krankheit ist und diese Menschensicherlich nicht freiwillig suchtkranksind, vergessen die meisten Leuteleider. Man ist froh, dass man mit diesenLeuten nichts zu tun haben muss und gehtmöglichst zügig an ihnen vorbei.Man vergisst, dass die meisten Suchtkrankennicht grundlos da hingekommensind, wo sie gerade sind und mit Sicherheitlieber heute als morgen aus demSumpf rauskommen würden. Gerade Missbrauchsopfergreifen leider häufig irgendwannzu Drogen, um die Erlebnisse vergessenzu können, während die Täter oftweiterhin voll in die Gesellschaft integdüsseldorfEin Krieg gegen Drogen ist ein Krieg gegen Menschen29 VornamenEinmal im Jahr werden die Namen der DüsseldorferDrogentoten der vergangen zwölfMonate in der Zeitung veröffentlicht. Ichlese seit Jahren schon jeden Tag die RheinischePost und gehöre zu den Leuten,die immer in die Todesanzeigen schauen!Viele verstehen das nicht und wundernsich, warum mich diese Anzeigen interessieren.Ich bekomme beim Lesen jedes Maleine Gänsehaut, weil ich es schlimm finde,dass erstens Jahr für Jahr so viele jungeLeute dabei sind und zweitens von diesenLeben nicht mehr übrig bleibt als einemehr oder weniger anonyme Sammel- Todesanzeige.Mehr als die Vornamen unddas Alter wird natürlich nicht angegeben,was das Ganze ziemlich anonym und unpersönlichmacht. Dennoch finde ich esnatürlich gut und wichtig, dass es dieseAnzeigen gibt.Anna Conrads (MdL NRW, DIE LINKE)riert sind, ihre normalen Leben leben unddie Nase rümpfen, wenn sie diese „grässlichenJunkies“ sehen. Da könnte ich wirklichkotzen.Wie oft habe ich schon Sprüche wie„Dann sollen se halt einfach 'ne Therapiemachen …“ gehört. Wenn das so einfachwäre, würde es mit Sicherheit nicht so vieleSuchtkranke geben. Ich finde diese Einstellungvollkommen idiotisch. Der jüngsteDrogentote war dieses Mal erst 21 … . Wahrscheinlich(!) hat er von diesen 21 Jahrenbereits drei bis fünf Jahre als Suchtkrankerverbracht, so dass man sich ausrechnenkann, was dieser Mensch für ein wahnsinnig„tolles“ Leben gehabt haben muss.Ich habe einen Namen entdeckt, denich kannte und auch das Alter hat zu demMädel, das ich mal recht gut kannte undsehr mochte, gepasst. Sie ist kaum älterals ich und natürlich wusste ich von ihremDrogenproblem. Ich hatte insgeheimgehofft, dass es Zufall ist und es zufälligmindestens zwei Menschen mit diesemVornamen und diesem Alter gibt, diesuchtkrank durch Düsseldorf laufen. Natürlichwusste ich, dass die Wahrscheinlichkeitdafür gering sein würde.Seit gestern habe ich leider die Gewissheit,dass es diesen Zufall definitiv nichtgibt …RP, 21.07.2010, DietMarc


gedenktag8 DROGENKURIEREine Kranzniederlegung zur Erinnerungan Drogentote, das hat es in Wanne-Eickelnoch nie gegeben – zumindest nichtbis zum Mittwoch. Da sorgte das SelbsthilfeNetzwerk JES für die Premiere.Eine vielbeachtete Premiere, denn dieLeute von JES hatten sich mit Kranz undInfostand auf der Hauptstraße in Höhedes Buschmannshofes platziert. „Die Ortswahlhat zwei Gründe“, sagt Guido Truszkowski(42) einer der zwei Gründer derWanne-Eickeler JES-Gruppe und erläutert:„Hier in der Fußgängerzone erreicht mandie meisten Leute und außerdem ist hieram Buschmannshof ein Treffpunkt für dieSzene.“ JES das steht für Junkies, Ehemalige,und Substituierte. Schlägt man imDuden unter „substituieren“ nach, so erfährtman, dass das Verb für „einen Wechsel/Austauschvornehmen“ steht. Im Zusammenhangmit Drogen bedeutet es, voneiner illegalen Droge, Opiaten wie Heroin,auf Drogenersatzstoffe wie etwa Methadonzu wechseln.Der Wanne-Eickeler Guido Truszkowskischätzt die Zahl der Substituierten inWanne-Eickel auf etwa 300 und erzählt:„Seit ich 18 war, bin ich drogenabhängig.Heroin – Koks auch, das war aber immereher Luxus. 40 Monate habe ich michtherapieren lassen. Aber das hat nichtsgebracht. Erst als ich vor 15 Jahren inein Methadonprogramm gekommen bin,ging’s mir besser. Ich konnte sogar arbeiten– bei Opel am Band als Monteur.“ Mittlerweileist der Vater eines erwachsenenSohnes Rentner. Er klopft auf sein rechtesBein. Es klingt hohl. „Ein Unfall.“ Daswar’s dann mit dem Arbeitsleben. Das Methadon-Programmnutzt der weiter. „Ohneunseren Doktor Plum und seinen KollegenBlumenthal, die sich hier um die Substipeinewanne-eickelFoto: Ute GabrielStefan Ritschel (links) und Jan Hümpel von JES PeineMahnendeErinnerungWer am 21.Juli durch die Fußgängerzonein Peine gegangen ist, musste an einemgroßen Stoffherz vorbei, das an der St. Jakobi-Kircheausgelegt war. „Wir wollenauf die Drogentoten aufmerksam machen“sagte Monika Ostrowski vom Veranstalterdem Lukas Werk Peine.“LetztesJahr sind offiziell 6 Menschen aufgrundihres Drogenkonsums in Peine gestorben“fügt Stefan Ritschel hinzu. Just am21 Juli wurde ein langjähriges Mitgliedder JES-Gruppe Peine beerdigt. „Der Spanier“.so sein Spitzname, war vielen mitseinem sonnigen Gemüt und seiner stetsguten Laune ans Herz gewachsen. Leiderwurde er nur 32 Jahre alt. Während einigeJES-Mitglieder gemeinsam mit ThomasTschirner von der DrogenberatungPeine rund 600 Kilometer zur Beerdigungfuhren, richtete der Rest in Peineden Gedenktag aus.Stefan RitschelMitarbeiter der Wanne-Eickeler Gruppe „JES Leben mit Drogen“ bauten einen Infostand auf und gedachten derbereits verstorbenen Drogensüchtigen mit einer Kranzniederlegung am BuschmannshofErinnerungan die Opfertuierten kümmern, wären noch viel mehrvon uns längst tot“, stellt Guido Truszkowskifest und sein Kollege Odo Preikschat(54) pflichtet ihm bei.Auch der Herner hat eine leidvolle Drogenkarrierehinter sich: „Ich werde seit 20Jahren substituiert, die letzten zwei Jahremit Polamidon. Zwischendurch bin ich malrückfällig geworden. Seit 1995 bin ich beiDoktor Plum in Behandlung. Da hatte ichdann erstmals seit 35 Jahren nichts mehrmit der Polizei am Hut. Bis dahin bin ichalle fünf Jahre in den Knast 80, 85, 90,95 – Beschaffung, Einfuhr, BTM-Verstöße.“Wenn er entscheiden musste Knastoder Therapie, ist er lieber in den Knastgegangen. „War besser so. In den 80er und90er Jahren haben sie viele tottherapiert.Dann, 1995 eben mit Doktor Plum, warendlich Schluss“, sagt Odo Preikschat.Auch wenn er nun schon 15 Jahre ohneillegale Drogen lebt, so haben sie doch Spurenhinterlassen. Er spricht langsam und dieFarbe seiner Haut zeugt nicht gerade vonGesundheit. Dass Odo Preikschat und GuidoTruszkowski sich trotzdem im November2009 aufgerafft und die Wanne-EickelerJES-Gruppe gegründet haben, erklärt derLetztgenannte so: „Man kann sich dochnicht hängen,lassen muss doch seinenTag irgendwie strukturieren. Deshalb setzenwir uns für unsere Bekannten aus derSzene ein, dass vielleicht mal in Wanne einRaum zur Verfügung gestellt wird. In anderenStädten gibt es das längst.“ Und ThomasGoldmann, dessen Arbeitgeber, das EickelerSt. Marien Hospital, sich seit dem 1.Februar 2010 um die psychosoziale Betreuungder Substituierten kümmert, kann dieseForderung nur unterstützen: „Ein Raumfür die Betroffenen als niederschwelligesAngebot ist längst überfällig.“Der Westen, 22.07.2010,Bernd Nickel


DROGENKURIER9gedenktagwilhelmshavenDrogentodschauriges GesichtgegebenGedenktag Bürgerinitiativeerinnert an Drogentote –Bedarfsgerechte Vergabevon Ersatzmedikament fehltMit einer Mahnwache machten die Bürgerinitiativeund die WilhelmshavenerAids-Hilfe auf die Situation von heroinabhängigenMenschen aufmerksam. Bundesweitwurde in 40 Städten der Drogentotengedacht. Es gibt zu wenige WilhelmshavenerÄrzte, die Heroinabhängige mit demErsatzmedikament Methadon versorgenwollen. Viele Betroffene suchen einen Behandlungsplatz.Wilhelmshaven – WernerH., Claudia, Joachim, Boris – Namen stehenschwarz umrandet auf Pappschildern,die wie Grabsteine aussehen. Davor stehenFriedhofskerzen – 43 an der Zahl. Ein Mannmit Sense sitzt auf einem Stuhl, Trauermusikist zu hören.Hinter den Namen auf den Schildern verbergensich Schicksale: Es waren Heroinabhängigeaus Wilhelmshaven, die in den vergangenenJahren an den Folgen ihrer Suchtgestorben sind. Die Polizei in Wilhelmshavenregistrierte im vergangenen Jahr fünfDrogentote. In diesem Jahr war es einer. Betroffeneerinnern sich aber an jeden einzelnen.Man kennt sich in der Szene. Mit einerMahnwache machten die Bürgerinitiativeund die Wilhelmshavener Aids-Hilfe aufFoto: NWZdie Situation von heroinabhängigen Menschenaufmerksam. Bundesweit wurde in40 Städten der Drogentoten gedacht.Mit der provokanten Aktion in der Fußgängerzonevor der Nordseepassage wolltenam Mittwoch die Bürgerinitiative fürdie Sicherstellung der Versorgung von Drogenabhängigensowie die WilhelmshavenerAids-Hilfe den Betroffenen ein Gesichtgeben. Anlass war der Gedenktag für gestorbeneDrogenabhängige, der seit 1998bundesweit in 40 Städten begangen wird.„Wir wollen um die Menschen trauern,über die man kaum spricht“, sagt SusanneRatzer von der Wilhelmshavener Aids-Hilfe.„Wenn sich die medizinische Versorgungvon drogengebrauchenden Menschen inWilhelmshaven nicht verbessert, wird dieZahl der Toten steigen.“400 SuchtkrankeGemeint ist die wohnortnahe Versorgungvon Drogenkranken mit Heroin-Ersatzmedikamenten– Substitution genannt. Sie istin Wilhelmshaven immer noch nicht gewährleistet,weil es an substituierendenÄrzten fehlt.Methadon soll den Betroffenen ein normalesLeben ermöglichen, am besten ganzvom Heroin und den Folgen wie Beschaffungskriminalitätund Verwahrlosung wegbringen.Im Gegensatz zu Heroin bleibt beiden Ersatzstoffen der Rauschzustand aus.Rund 400 Suchtkranke soll es statistischin Wilhelmshaven geben, schätzt JohannJanßen und bezieht sich auf den bundesweitenDurchschnitt. Viele von ihnenwarten auf einen Platz im Methadonprogramm.Knapp 100 würden heute versorgt.Janßen engagiert sich in der Bürgerinitiativeund kennt als ehemaliger Hausarzt,der selbst Heroinabhängige mit Methadonversorgt hat, die Ängste und Sorgender Betroffenen.In Wilhelmshaven werden zurzeit nurnoch so genannte „Take-Home“-Patientenvon Hausarzt Matthias Abelmann mitMethadon versorgt. Die Patienten nehmenihre Wochenration mit nach Hauseoder erhalten sie in der Apotheke. Die Abgabeist streng reguliert, birgt aber Gefahren.Zudem könnte ein Teil der Medikamenteauf den Schwarzmarkt gelangen,so Janßen. Einige Junkies würden sich Methadonspritzen. das sei besonders gefährlich.Wer die Therapie abbricht und wiederHeroin spritzt, setze sich oft den „goldenenSchuss“.Keine UnterstützungDer substituierende Hausarzt MatthiasAbelmann hatte immer wieder damit gedroht,die tägliche Behandlung einzustellen,da die Arbeitsbelastung zu groß war.Er hoffte auf Unterstützung von Kollegen.Rückhalt von der Kassenärztlichen Vereinigungund der Ärzteschaft blieben aus. Dasses schlicht an der Bereitschaft scheitert,hätte zuletzt eine Informationsveranstaltunggezeigt, zu der die BI 160 Hausärzteschriftlich eingeladen hatte. Ein substituierenderArzt aus Oldenburg referierte. „Nurein Wilhelmshavener Arzt hat an der Veranstaltungteilgenommen“, erzählt Janßen.Die Beratungsstelle der Aids-Hilfe teiltindes erheblich mehr Insulinspritzen anHeroinabhängige aus. In diesem Jahr bereits1500. So sinke zwar das Risiko für Betroffene,sich mit HIV oder anderen Krankheitenzu infizieren – für Johann Janßenund Susanne Ratzer ist es aber auch eindeutliches Indiz dafür, dass wieder „mehrgedrückt“ wird.NWZ, 23.07.2010,Stephan Giesers


gedenktag10 DROGENKURIERahlen münsterGedenken an Drogentotein AhlenMehr als 100 Namen stehen auf dem großenPlakat, das Klienten der Drogenberatungsstelleentworfen haben. Es soll an dieMenschen erinnern, die in den vergangen30 Jahren an den Folgen ihres Drogenkonsumsgestorben sind. Im Rahmen eines gemeinsamenFrühstücks im Cafe „Drauf undDran“ brachten Mitarbeiter und Klientendas Namensplakat am Mittwoch an derHausfassade der Beratungsstelle an derKönigstraße an.Als weitere Aktion hatten MitarbeiterJan Sosna und Praktikantin Leonie Dahlhausim Garten eine Gedenkstätte errichtet.Zwischen Natursteinen brannten mitNamen versehene Kerzen, die an die vierDrogenabhängigen erinnern, die im vergangenenJahr an den Folgen ihres Konsumsgestorben sind. Am Mittwoch hatsich bundesweit zum 12. Mal der Gedenktagfür verstorbene Drogenabhängige gejährt.Ahlener Tageblatt, 21.07.2010Ein Rahmenfür die TrauerDrei Hilfsorganisationen erinnernan verstorbene Drogenabhängige„Hallo Rudi! Gib alles und lass es dir gut gehen!“Ein aufmunternder Gruß, den jemandmit schwarzem Filzstift auf die Leinwandgeschrieben hat, gleich neben die Blüte einerweißen Rose. Doch Rudi wird ihn nie zuGesicht bekommen. Er ist tot, gestorben anden Folgen seines Drogenkonsums.Rund um das Bild der weißen Rose sammeltensich im Verlauf des gestrigen Tagesviele weitere Botschaften. Letzte Grüßevon Freunden, Eltern, Geschwistern derMenschen, die in Münster ihre Drogensuchtmit dem Leben bezahlt haben. Zehnwaren es in den vergangenen zwölf Monaten.Sie starben an einer Überdosis Heroin,an Aids oder Hepatitis, an einem tödlichenMix verschiedener Drogen – oder einfach,weil ihr Körper ausgebrannt war. Ansie soll der „nationale Gedenktag für verstorbeneDrogenabhängige“ erinnern, dergestern auch in Münster begangen wurde.Zum zweiten Mal versuchte der „Verein zurFörderung der Drogenhilfe“, auf die Situationder geschätzt 1200 Süchtigen in derStadt aufmerksam zu machen – zum erstenMal gemeinsam mit der AidsHilfe unddem SelbsthilfeNetzwerk JES.Luftballons zum AndenkenDabei gehörte der Vormittag dem stillenGedenken. Am Bremer Platz hinter demHauptbahnhof, wo sich die so genannte„offene Szene“ der Abhängigen trifft, gabes Musik, Kaffee und Kuchen, Luftballonsstiegen zum Andenken in den Himmel.„Wir wollen einen Rahmen für die Trauerschaffen“, sagt Sarah Schüßler vom Förderverein.Für die, die ihren Bruder, ihrenLebenspartner, ihren besten Freund an dieNadel verloren haben.Am Nachmittag informierten die dreiOrganisationen an einem Stand in der Ludgeristraßeüber ihre Arbeit und die Lage inMünster.Zehn Drogentote in einem Jahr:„Das ist viel“, findet Richard Michael Halberstadt,CDU Sozialpolitiker und Vorsitzenderdes Fördervereins. Trotzdem seidas Hilfsangebot gut, die Vernetzung vonstädtischen und ehrenamtlichen Initiativeneng. Zuschüsse nicht antasten Wo gibtes sauberes Spritzbesteck, wo kann ich duschen,wo kriege ich medizinische Hilfe?Fragen, auf die Süchtige in Münster lautHalberstadt schnell und kompetent Antwortenbekommen. Damit das so bleibe,mahnte er, dürfe die Politik die Zuschüssefür die Drogenhilfe nicht antasten.Die Hauptforderung des nationalen Gedenktagsunterstützen auch die Expertenin Münster: Alle Schwerstheroinabhängigensollen Zugang zur medizinischen Behandlungmit Diamorphin erhalten.Joerg.Gierse@muensterschezeitung.de


DROGENKURIER11gedenktagoldenburgFoto: J. LißewskiunnaSuchthilfe Lüsatrauert um fünfVerstorbeneMitgefühl: Mit einer großen Aids-Schleife drückte die Aids-Hilfe ihre Solidarität mit Infizierten aus.Aids-Hilfe setztZeichen bei Nachtder SolidaritätSoziales Gedenken an HIV-Infizierte – JES-Oldenburg zeigtAnteilnahme am Schicksal vonDrogentotenDie Zahl der HIV-Infizierten steigtin Oldenburg stetig an. Es gabauch schon zwei Drogentote indiesem Jahr.Der 21. Juli stand in Oldenburg ganz imZeichen des Gedenkens. Auf dem Rathausplatzmachte die OldenburgischeAids-Hilfe am Abend im Rahmen derbundesweiten „Nacht der Solidarität“mit einer großen roten Schleife auf dieglobale Dimension von HIV und Aidsaufmerksam.Die Zahl der Neuinfektionen steigtnach Angaben der Aids-Hilfe weltweitsowie in Oldenburg stetig an. „In Oldenburgsind rund 300 Menschen betroffen.Die Dunkelziffer dürfte aber bei weitemhöher sein“, sagt Claas Hüer, stellvertretenderGeschäftsführer der OldenburgischenAids-Hilfe.Aber am 21. Juli ging es nicht nurum die Aids-Krankheit. Im Rahmen desbundesweiten „Gedenktags für verstorbeneDrogenabhängige“ nahm derVerein JES-Oldenburg tagsüber mit einerSchweigeminute am BahnhofsvorplatzAnteil am Schicksal von Drogentoten.Außerdem machten die Mitgliederdes Vereins auf ihre Forderung nach einer„menschenwürdigeren Drogenpolitik“aufmerksam. Der Hintergrund ist,mehr Alternativen zur Abstinenz vonSchwerstabhängigen zu finden. Ein Beispielsind Ärzte, die eine medizinischeHeroinvergabe, die Diamorphinbehandlung,betreiben. „Auf diese Weise könnenAbhängige wieder am gesellschaftlichenLeben teilnehmen. Eine Abstinenzist nicht bei jedem zu erzwingen“, so DorisEggers, Mitglied der JES-Oldenburg.Zwei Drogentote habe es bereits indiesem Jahr in Oldenburg gegeben, soMarkus Scharf, Pressesprecher der PolizeiinspektionOldenburg. 2009 habe sichdie Zahl auf sechs belaufen.JES-Oldenburg zählt anders. NachAngaben von Eggers liegt die Zahl derDrogentoten in diesem Jahr bereits beisechs.NWZ, 21.07.2010,Julia LißewskiKalle, Harry, Marcello, Mark und Michael– fünf Namen, fünf Schicksale, an diedas Projekt Lüsa jetzt im Rahmen desnationalen Gedenktages für verstorbeneDrogenabhängige erinnerte.Für sie, die Verstorbenen des Jahres,haben die Betreuer und Freunde vomLangzeit-Übergangs- und Stützungsangebot(Lüsa) einen japanischen Ahornim Gedenkgarten gepflanzt.„Die von uns betreuten Menschensterben weniger an einer Überdosis,sondern an den Folgekrankheiten ihrerlangen Sucht“, erzählt GeschäftsführerinAnabela Dias de Oliveira. Oft seienauch die Organe stark geschädigt, vieleleiden an Hepatitis oder, Aids – „mitwieder steigenden Zahlen, da Hilfsprogramme(Spritzenabgabe) drastisch zusammengestrichenwurde“. Die Diplom-Sozialarbeiterin sagt es drastisch: „Rund20 Jahre lang seine Spritze mit Wasseraus einem öffentlichen Klo oder ausAbwasserschächten aufzuziehen, kannnicht gesund sein.“ Hinzu käme, dassdie schwarz verkauften Drogen oft vonden Dealern um das zigfache gestrecktwürden, um noch mehr Kasse zu machen.„Mit zermahlenem Katzenstreuoder Rattengift.“Damit die schwerstabhängigen Menschennicht an den Folgen der Illegalitätsterben, plädiert die Lüsa dafür, andiese kontrolliert Heroin (Diamorphin)zu Lasten der Krankenkassen abzugeben.Und somit das bereits am 21. Juli 2009in Kraft getretene Gesetz zur medizinischenHeroinvergabe endlich umzusetzenund – im Sinne des Wortes- „mit Lebenzu füllen“.Westfälische Rundschau, 27.07.2010


gedenktag12 DROGENKURIERemmerichFoto: Andreas EndermannFoto: dpafrankfurtDie Emmericher Initiative demonstrierte gestern.Sie findet derzeit keinen Arzt, der mitmacht.Emmericher fordern:Gebt Heroin frei fürAbhängige!„Heroin für alle, die es brauchen!“,steht in großen Buchstaben auf den T-Shirts, die die Mitglieder der EmmericherElterninitiative für Angehörige vonDrogenabhängigen tragen. Am NationalenGedenktag für verstorbene Drogenabhängige,der gestern war, stand eineGruppe der Initiative auf dem Wochenmarkt,verteilte weiße Rosen. Die Emmericherhaben ein wichtiges Anliegen:Heroin vom Arzt für Schwerstabhängige.„Das Gesetz ist durch. Danach darfvon Ärzten schwersterkrankten AbhängigenHeroin gegeben werden“, erklärteine betroffene Mutter, deren Sohn seit28 Jahren abhängig ist. Leider sei es sehrschwer, in Emmerich dafür Ärzte zu finden,weil die Ausgabe von Heroin mit besonderenAuflagen verbunden sei. „Aberwir kämpfen weiter dafür, dass unserekranken Kinder versorgt werden und somitihr Leben lebenswert wird.“Vor rund 20 Jahren wurde die EmmericherInitiative ins Leben gerufen, nochbevor 1994 der „Landesverband der Elternund Angehörigen für humane undakzeptierende Drogenarbeit NRW e.V.“gegründet wurde. Erich Braam, der ersteVorsitzende, der aus Krankheitsgründennicht an der Aktion teilnehmen konnte,und der mittlerweile verstorbene EugenBartels waren federführend beteiligt. DieInitiative hilft in vielen Bereichen. Sowurde das Methadon-Programm auf denWeg gebracht, die Vereinsmitglieder unterstützenbei der Suche nach Therapieplätzenund medizinischer Betreuung,bei Wohnungs- und Berufssuche undbieten in ihrem Haus am Neuer Steinweg21 eine Unterkunft.RP, 22.07.2010,Monika HartjesEin paar Schuhe, ein Kreuz – Erinnerungen in Frankfurtan Menschen, die an einer Überdosis Drogen starben.Schwarze Kreuze,weiße RosenSchwarze Kreuze, weiße Rosen, rote Kerzen,dazwischen hier und dort ein Paar Schuhe– Symbole der Erinnerung an Menschen,die ihrer Sucht erlagen, von denen oft nichteinmal bekannt ist, wo sie begraben sind.Deutschlandweit wird der „BundesweiteGedenktag für verstorbene DrogengebraucherInnen“begangen, damit auch in Frankfurt.Ein mit dunkelrotem Samt ausgelegterSarg ist kunstvoll im Kaisersack vor demHauptbahnhof aufgestellt.Auf dem Sargdeckel steht: „Drogengebraucherbesitzen ebenso wie alle anderenMenschen ein Recht auf Menschenwürde.Sie brauchen es nicht erst durch abstinentesund angepasstes Verhalten zu erwerben.“Der gleiche Text steht auf der Gedenkplattein der Taunusanlage. Dorthin wirdsich am späten Nachmittag ein Trauerzugbewegen. Der Lesegarten in der Taunusanlagewar bis vor circa zwanzig Jahren einoffener Treffpunkt der Junkies, wo gedealtund konsumiert wurde.Seit zehn Uhr stehen Kathrin Eggebrechtund Bianka Weil am Stand der Aids-Hilfe. Sie wollen „der Traue einen Rahmengeben“. Eggebrecht trägt ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift: „Insulin, für alle diees brauchen“, Bianca Weil ist in ein Hemdmit dem Schriftzug „Heroin, für alle, diees brauchen“ geschlüpft. In Frankfurt gibtDemo am 21. Juli in FrankfurtGedenkplatte in der Taunusanlagees eine ärztlich kontrollierte Heroinvergabefür schwerkranke Rauschgift-Süchtige.Aber die Vorausetzungen, um in diesesProgramm aufgenommen zu werden, sindstreng.Die Forderungen von Wolfgang Sterneck,der das Projekt „Alice“ leitet, gehenweiter. Der Bus von „Alice“ fährt Discosund andere Locations an, um junge Menschenüber die verschiedenen Drogen undihre Wirkungen aufzuklären. Legale Drogenwie Zigaretten und Alkohol seien auchgefährlich, meint Sterneck. Das Verbot vonharten Drogen habe dazu geführt, dass einSchwarzmarkt mit verschmutzten Drogenentstanden sei. Sterneck wünscht sich eineneue „Drogenmündigkeit“, kontrollierteAusgabestellen für harte Drogen, letztlichihre Legalisierung – „wenn auch nicht vonheute auf morgen“.Wulfila Walter vom Frankfurter Gesundheitsdezernatweist darauf hin, dass nichtdie Stadt darüber entscheidet, ob Drogenfreigegeben werden, sondern der Bund. DieStadt könne nur versuchen, die Folgen derSucht so klein wie möglich zu halten undden Gesundheitsschutz zu verbessern. DerKonsum von Drogen in der Öffentlichkeitwerde nicht geduldet. Stattdessen werdenden Drogenabhängigen Konsumräume mithohen Sicherheitsstandard angeboten. Gestorbensind in diesem Jahr nach Angabenvon Walter sechzehn Drogenabhängige.FR Online, 21.07.2010,Friederike TinnappelAktion in der Innenstadt


gedenktag14 DROGENKURIERbundesweitLegalize it!Am Gedenktag demonstrierenbundesweit Heroinabhängigegemeinsam mit Eltern undAngehörigenSie sind diesmal wütend. In 40 Städtender Republik werden sie am Mittwoch,21. Juli, dem jährlichen Gedenktag fürverstorbene Drogenabhängige, nichtnur um ihre Toten trauern, sondern auchgegen die unsägliche Drogenpolitik protestieren.Drogenabhängige und Cannabisbefürworterwissen nur zu gut, dass sie mitals erste vom Sparwahn der Bundesregierungin der Krise betroffen sein werden.Sie haben keine mächtige Lobby.Unter ihnen sind Hartz-IV-Bezieher undsozial Benachteiligte. Deshalb wollensie dieses Mal all ihre Kräfte aufbieten,unter anderem in Wuppertal, Düsseldorf,München, Köln, Aachen, Stuttgart,Braunschweig, Dortmund und Leipzig. InBerlin wird die Losung heißen: „Gemeinsamgegen Ausgrenzung“.In Frankfurt am Main wird der Protestdirekt vorm Hauptbahnhof beginnen,am „Kaisersack“, mitten im Rotlichtviertelder Bankenmetropole. Dort,wo man einige der Heroinabhängigentäglich antreffen kann, wenn sie sichprostituieren, um Kohle für den nächstenSchuß heranzuschaffen; wo manchein bereits schlimm Erkrankter, am ganzenKörper mit Abszessen übersät, ohneHoffnung auf Perspektive einfach zusammenbricht.Todbringende VerhältnisseDas alles müsse nicht sein, wäre Heroinlegalisiert und würde staatlich kontrolliertvergeben, meint Christian Holl,Sprecher des Selbsthilfenetzwerks JES(von und für Junkies, Ehemalige, Substituierte)in Frankfurt am Main. „Heroinfür alle, die es brauchen!“ ist in diesemJahr das Motto. Wie der 58jährige,der selbst ärztlich verordnet Methadonschluckt und damit seit Jahrzehnten lebt,wissen viele Kenner der Szene, was ihreFreunde und Bekannten das Leben gekostethat: „Hätten Sie sauberen Stoffbekommen– nicht den aus Profitgier derDealer mit diversen Stoffen gestreckten–, könnten sie noch leben“, sagt Holl wütend.Nicht an Drogen seien die Leutegestorben, sondern an den Verhältnissen,die sie gezwungen haben, diese aufmenschenverachtende Weise zu konsumieren.Babypuder und Putz von denWänden gehörten noch zu den harmloserenMitteln, die Heroin aus Gewinnstrebenbeigemischt würdenDeshalb fordern JES und andere Organisationenam 21.Juli eine akzeptierendeDrogenpolitik. Das 2009 in Kraftgetretene Gesetz zur medizinischen Heroinvergabewerde bisher nicht flächendeckendangewandt, kritisiert Holl.gekürzter Beitrag ausJUNGE WELT, 20.07.2010,Gitta DüperthalEltern Abhängigerwollen Drogenakzeptieren„Natürlich wäre uns lieber, wenn unsereKinder clean wären“, sagt JürgenHeimchen vom Bundesverband der Elternund Angehörigen für akzeptierendeDrogenarbeit. „Oberstes Ziel muß abersein, das Überleben der Drogenabhängigenzu sichern, nicht ihre Abstinenz.“Heimchen weiß, wovon er spricht.Sein Sohn Thorsten erhängte sich1992 mit 21 Jahren im Polizeigewahrsamin seiner Zelle – kaputt vom ständigenDruck, sich den nächsten SchußHeroin erbetteln oder stehlen zu müssen.„Er hätte ins Krankenhaus gehört,nicht ins Gefängnis“,sagt Heimchen heutebitter. Im Gedenken anseinen Sohn kämpft ergemeinsam mit anderenEltern des Verbands füreine humanere Drogenpolitik:„Hätte ihm einArzt damals Heroin verschreibendürfen, lebteer noch.“ Deshalb setzter sich am morgigen Gedenktagfür verstorbeneDrogenabhängige, am21. Juli, für die Legalisierungaller Drogen ein.Just an diesem Tag vorWuppertaler Eltern …einem Jahr hat der Bundestagbeschlossen, dass Ärzte schwerstDrogenabhängigen synthetisches Heroinverschreiben dürfen. Doch die gesetzlichvorgeschriebenen Bedingungen,wer Heroin ärztlich verordnet injiziertbekommen darf, seien zu hart, sagtHeimchen gegenüber jW. Nur wer älterals 23 Jahre ist, seit mindestens fünf Jahrendrogenabhängig und zwei erfolgloseTherapien hinter sich hat, erhält denStoff. „Wie will man das einer Muttererklären, deren Tochter mit 15 angefangenhat, Heroin zu spritzen, aber erst 21Jahre alt ist und gehofft hatte, endlichaufhören zu können, sich zu prostituieren?“,kommentiert Heimchen. Solldie Mutter ihrem Kind etwa sagen: „Dumußt noch zwei Jahre weitermachen“?So sieht es auch Margot Hartmannvom Essener Verein „Elternkreis AktionsgruppeDrogen“. Die einstige Forde-


DROGENKURIER15gedenktagrung der Partei Die Linke in Nordrhein-Westfalen „Ein Recht auf Rausch“, diediese nach massiver Kritik wieder zurückgenommenhat, findet sie immernoch gut. Durch Legalisierung könneder Schwarzmarkt endlich trockengelegtwerden.Die mit der Aufschrift „Heroin füralle, die es brauchen“ bedruckten T-Shirts des Bundesverbands der Elternund Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeithaben im Vorfeld des Gedenktagsfür Aufregung gesorgt. Heimchenbekommt wütende Mails, doch das läßtihn kalt: „Sollen sie sich doch aufregen,dann ist das Thema auf der Tagesordnung“.JUNGE WELT, 20.07.2010,Gitta Düperthal… vom BV fordern „Heroin für alle die es brauchen“Dyckmans:DiamorphingestützteBehandlung voraussichtlichab Herbst2010 Regelleistungder gesetzlichenKrankenversicherungAm 21. Juli ist der Nationale Gedenktagfür verstorbene Drogenabhängige. Auch indiesem Jahr gedenken in über 40 StädtenEltern, Angehörige und Freunde der Menschen,die an den Folgen ihrer Drogenabhängigkeitgestorben sind.Dazu erklärt die Drogenbeauftragte derBundesregierung, Mechthild Dyckmans:„Der Gedenktag führt uns das Schicksal jedeseinzelnen verstorbenen Drogenabhängigenvor Augen, das nicht in Vergessenheitgeraten darf. Er mahnt uns zugleich,dass noch zu viele Menschen an den Folgenihres Drogenkonsums sterben. Auchwenn wir nicht jeden Todesfall verhindernkönnen, müssen wir alles tun, um Drogenabhängigemit effektiven Hilfs- und Behandlungsangebotenzu erreichen. InsbesondereMaßnahmen zur Überlebenshilfeund Schadensreduzierung, wie Drogenkonsumräume,Kontaktläden und derSpritzentausch zur Vermeidung von HIVundHepatitis-C-Infektionen leisten hiereinen wichtigen Beitrag und retten Menschenleben.“1.331 Menschen kamen im vergangenenJahr durch den Konsum illegaler Drogenums Leben, dies waren 8 % wenigerals im Vorjahr (1.449). Die meisten vonihnen starben an Überdosen von Heroinund einem Mischkonsum mit anderenDrogen. Gesundheitliche Langzeitschädigungen,insbesondere durch Infektionskrankheitenwie Hepatitis und AIDS, sindin zunehmendem Maße Mitursache vielerTodesfälle. Da viele Drogenabhängige unterDepressionen, Ängsten oder Psychosenleiden, ist die Suizidrate sehr hoch.Ein wichtiges Behandlungsangebot fürSchwerstopiatabhängige ist die Substitutionsbehandlungmit Diamorphin, derenÜberführung in die Regelversorgungder gesetzlichen Krankenversicherungkurz vor dem Abschluss steht. Der Bewertungsausschussder Ärzte und Krankenkassenhat einen Beschluss zur Aufnahmevon Leistungen der diamorphingestütztenBehandlung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab(EBM) gefasst. Bei bestehendenEinrichtungen, die bereits zur Diamorphinabgabeberechtigt sind, empfiehltder Bewertungsausschuss den kassenärztlichenVereinigungen der Länder und denLandesverbänden der Krankenkassen bereitsvor Inkrafttreten des Beschlusseseine Abrechenbarkeit zu ermöglichen.Dieser Beschluss ist auf der Internetseitedes Instituts des Bewertungsausschussesabrufbar. Er tritt erst in Kraft, wenn dasBundesministerium keine Einwände gegenden Beschluss erhebt.Dazu erklärt Mechthild Dyckmans: „Sobaldder Beschluss dem Bundesministeriumfür Gesundheit vorgelegt wird, wirddas Ministerium ihn zeitnah prüfen. NachAbschluss des Verfahrens wird die diamorphingestützteBehandlung bei dergesetzlichen Krankenkasse abrechenbarsein. Das wird voraussichtlich bis Herbst2010 der Fall sein. Die diamorphingestützteBehandlung ist ein wichtiger Bausteinfür die Behandlung Schwerstopiatabhängiger,die mit anderen Behandlungsangebotennicht erreicht werden können. Siekann nicht nur das Überleben dieser Menschensichern, sondern auch ihre gesundheitlicheund soziale Situation langfristigstabilisieren. Von der Umsetzung in derPraxis erwarte ich, dass die diamorphingestützteBehandlung überall dort angebotenwerden kann, wo ein Bedarf dafürbesteht.“Pressemitteilung der Drogenbeauftragtenzum 21. Juli


gedenktag16 DROGENKURIERstuttgartleipzigStuttgarter Aktionsbündnis„Untergehen, Übergehen,Mitgehen,Weitergehen“Der Gedenktag für verstorbeneDrogenabhängige in StuttgartAnlässlich des Gedenktages hatte sichdas Stuttgarter Aktionsbündnis, wie inden Jahren zuvor, in der Stuttgarter Innenstadtzusammengefunden, um mitBürgerinnen und Bürgern über die LebenssituationDrogen gebrauchenderMenschen zu diskutieren.Zum Aktionsbündnis gehören u.a. dieAIDS-Hilfe Stuttgart, die CARITAS-Stuttgart,die Beratungsstellen „RELEASE“und „LAGAYA“, die „DIE BRÜCKE“, dieakzeptierenden Eltern „LEDRO“, die BezirksvorsteherinVeronika Kienzle (DieGrünen), die Landtagsabgeordnete BrigitteLoesch und ihr Team, der Suchthilfekoordinatorder Stadt Stuttgart HansGros, die Beratungsstelle für „Stricher“,vertreten durch Marlen Löffler und dieJES-INITIATIVE STUTTGART, sowie weitereHelfer, Unterstützer und Sympathisanten.Wie immer beteiligten sich Betroffenegemeinsam mit dem Aktionsbündnisan der Vorbereitung und Durchführungdes Tages sowie an den Aktionen, dieüber den Tag verteilt stattfanden. DieseAktionen wurden durch künstlerischeDarbietung des Laienschauspielensembles„Wilde Bühne“ begleitet.Roland Baisch –Schirmherr für StuttgartUm das Motto des Gedenktages „HERO-IN FÜR ALLE DIE ES BRAUCHEN"! auchnach außen zu verdeutlichen trugenMitglieder von JES Stuttgart T-Shirts mitdiesem Slogan.JES-Initiative StuttgartSchwarze Shirts mit dem Slogan „IN-SULIN FÜR ALLE DIE ES BRAUCHEN"!sollten verdeutlichen, dass es sich hierum ein Medikament zur Behandlung einerErkrankung handelt.Ferner wurde so die Gleichheit im Bedürfnisnach dem wirksamsten Medikamentbetont.Am Karlsplatz wurde der letztjähriggepflanzte „Gedenkbaum“ mit einerGedenktafel versehen.Unser Dank gilt hierfür Roland Baur,der diese Tafel privat finanzierte undohne den diese Aktion wohl nicht stattgefundenhätte. Anschließend wurdenNamen von verstorbenen Freunden mitKreide auf den Boden geschrieben, Kerzenaufgestellt und schwarze Ballonsgen Himmel geschickt.Musikalische Darbietungen vomSchirmherren und von JES kamen beiden zahlreich anwesenden Drogengebrauchernund anderen Gästen gut an.Im Namen von JES Stuttgart möchteich mich bei allen Beteiligten herzlichfür ihr Engagement bedanken. DieZusammenarbeit im Aktionsbündnis hatzum Gelingen des Gedenktags in Stuttgartmaßgeblich beigetragen.M. Auer, JES-Initiative Stuttgart(redaktionell bearbeiteter Text)Stadt Leipzig gedenktDrogentotenDen nationalen Gedenktag für verstorbeneDrogenabhängige nahm die Stadt Leipzigzum Anlass, den Menschen zu gedenken,die an Drogenabhängigkeit oder derenFolgeerkrankungen gestorben sind. Dazuwurde eine Andacht in der Nikolaikirche,eine Gedenkminute sowie ein „Fest des Lebens“mit der Möglichkeit zur Informationendurchgeführt.„Diesen Tag finde ich wichtig, denn nurwer vergessen wird, ist wirklich tot!“ Solautete einer der vielen Gedenksätze, diedie Angehörigen der Drogentoten vor derNikolaikirche hinterließen. Ungefähr fünfzigLeute versammelten sich, um den Verstorbenenzu gedenken. Die Angehörigenlegten Blumen nieder und schickten Luftballonsmit persönlichen Botschaften inden Himmel. Die Leiterin des Gesundheitsamtes,Dr. Regine Krause-Döring, wandtesich mit einigen Worten des Gedenkensan die Angehörigenund die Leipziger Streetworker.Zur Situation der Drogenabhängigenin Leipzighat sich Alexander Hertelmit Ina Stein vom GesundheitsamtLeipzig unterhaltenund Redakteurin VanessaRaab war bei der Gedenkfeieran der Nikolaikirche.


DROGENKURIER17gedenktagmettmannsaarbrückenAn DrogentoteerinnernSechs Menschen sind in Mettmann undWülfrath binnen der letzten zwölf Monatean den Folgen ihres Drogenkonsumsgestorben. Vermutlich, so ThomasRasch, Bereichsleiter Integration und Rehabilitationvon der Caritas, ist die Zahlnoch größer.Denn es gibt eine hohe Dunkelziffer.Anlässlich des heutigen bundesweiten12. Gedenktages für verstorbene Drogenabhängige,erinnerte der Caritasverbandgestern an den zu oft verharmlostenUmgang und Missbrauch vonSuchtmitteln in unserer Gesellschaft.Die Drogentoten in den beiden Städtenstarben an einer Überdosis oder anden Folgen von Hepatitis und Aids. In einemFall erlitt ein Klient infolge des jahrelangenDrogenkonsums ein Magengeschwürund verblutete. Viele von denälteren Drogenabhängigen sind gesundheitlichgeschwächt und psychisch vielfachbelastet, so Rasch.Bis zu 400 Klienten„Reine Heroin-Suchtkranke kennen wirnicht mehr“, sagt Stephan Falley. 62 Klientensind im so genannten Methadon-Programm. Leider, so Rasch, gibt es inMettmann immer noch keinen „substituierendenArzt“, sprich einen Mediziner,der eine suchtmedizinische Ausbildunghat, und Methadon als Ersatzstoffverschreibt und ausgibt. Die Klientenmüssen nach Velbert oder Erkrath ausweichen.Viele Abhängige nehmen mehrereabhängig machende Stoffe, weißFalley. So werden Amphetamine, Benzos,Cannabis-Produkte, Alkohol undHeroin beziehungsweise Methadon zusammenkonsumiert.RP, 21.07.2010,Christoph Zacharias(redaktionell gekürzter Beitrag)Wunschstiefel,Erinnerungsschuhe,ZauberpumpsFür den Gedenktag in Saarbrücken wurdedas Motto der Stuttgarter Aidshilfe „Untergehen-Übergehen-Mitgehen-Weitergehen“übernommen. Das Thema wurde als ansprechendempfunden, weil es zum einen Raumbot, sich mit dem Tod eines liebgewordenenMenschen auseinander zu setzen, zumanderen bot das Motto Fläche zur Selbstreflexion:Damit die Gäste des DHZ ins Themafanden und eine intensivere Auseinandersetzungmöglich wurde, fand am 20.07.im Innenhof eine besondere Aktion statt.Aus Pappe gestaltete Schuhe wurden mitGedanken an die Verstorbenen oder persönlichenWünschen versehen. Viele Besucherbeteiligten sich, es wurden Wunschstiefelgeschaffen, Erinnerungsschuhe,Zauberpumps.Am 21.07. führten die im Innenhof desDHZ zu einer Straße gelegten Schuhe ineinen Kreis, in dem eine Gedenkfeier gehaltenwurde. Von den Besuchern sowieden Mitarbeitern des DHZ wurden die Namender Verstorbenen, verbunden mit einemWunsch für diese, vorgelesen. Dieanschließende Gedenkminute wurde musikalischuntermalt von dem SaxophonistenSergio Parra. Frau Pfarrerin Barroissegnete abschließend die etwa 50 teilnehmendenBesucher und Mitarbeiter des DHZsowie die Kollegen kooperierender Beratungsstellen,die eigens zu diesem Anlassangereist waren.Im Anschluss an die Gedenkfeier gab esfür alle Teilnehmer ein von unserer Köchinliebevoll angerichtetes kostenloses, mehrgängigesMenü: Die Resonanz war äußerstpositiv, niemand beschwerte sich darüber,dass für die Dauer der Gedenkfeier Drogenkonsumraumund Kontaktladen geschlossenwaren. Wenn so ein Tag schön seindarf, dann war es ein schöner Tag!Claudia/Eva/ReinhardDHZ Saarbrücken


gedenktag18 DROGENKURIERschwäbisch-hallWeisse Kreuzeerinnern an dieDrogentotenÖffentliches Gedenken in SchwäbischHall – Kritik an unzureichendemmedizinischem Hilfsangebotim Landkreis.Die Drogeninitiative „Raphael“, derDrogenkontaktladen „POINT“ und dieSelbsthilfegruppe für Angehörige undFreunde beteiligten sich mit der Drogenseelsorgein Schwäbisch Hall am 21.Juli zusammen am bundesweiten Gedenktagfür Drogentote.Ansprache bei der öffentlichen Trauerfeierin Schwäbisch Hall:Am heutigen Gedenktag gehen unsereGedenken besonders zu Reinhard undChris. Wir sehen sie noch ganz lebendigvor uns. Beide sind lange Zeit Besucherim POINT gewesen. Und wennman sich so lange kennt, wächst aucheine Vertrautheit zu einander. Als wirvon ihrem Tod erfahren haben waren wirschockiert und sehr, sehr traurig. Sie undwir alle sind Töchter und Söhne des einenGottes. Er hat uns eine tiefe Sehnsuchtnach Erfüllung, Liebe und Sinn insHerz geschrieben. Das treibt uns an aufunsrem Lebensweg. Aber manche vonuns kommen damit nicht klar. Sie spürenihre Sehnsucht als Enttäuschung undSchmerz in ihrer Seele. Den Schmerz vertreibensie mit Drogen und die Sehnsuchterfüllen sie sich mit flüchtigem Rausch.Aber bald nehmen sie die Drogen nurnoch, um nicht die Schmerzen des Entzugserleiden zu müssen. Von früh bisspät sind sie auf der Jagd nach Drogenoder Geld, um sich die Drogen kaufen zukönnen. – Ein elendes Leben, bei dem diemeisten sich selber verlieren.Substitution zu schließen. Nach meinerEinschätzung fehlen im Landkreismindestens 300 Substitutionsplätze. Soschleppen sich viele schwer kranke Drogenabhängigezu Ärzten in den benachbartenLandkreisen. Andere besorgensich auf der Straße auf eigene Faust dieErsatzdroge. Und viele bleiben dabei aufder Strecke. Ihre Lebenskraft ist aufgebraucht,ihr geschwächter Körper machtnicht mehr länger mit.So gilt Chris und Reinhard und allenanderen heute unser Gedenken. Dieüber 30 weißen Kreuze mit ihren Namenund die brennenden Kerzen sollen daranerinnern, dass sie einmal liebenswerteMenschen waren, für ihre Eltern,ihre Partnerrinnen und Partner und füruns. Jeder einzelne hatte ein unverwechselbaresGesicht und einen großen Lebenstraumim Herzen.Wir trauern um die Toten, wir sorgenuns aber um die Lebenden. Für siehoffen wir, dass in unserem Landkreisdie Substitutionsbehandlung bald füralle zugänglich wird, die sie brauchen,und dass auch in Baden-Württembergdie Substitution mit medizinischemHeroin bald eingeführt wird, nachdemder Bund das jetzt ermöglicht hat. Einegute Substitutionsbehandlung wird dasLeben vieler Drogenabhängiger retten.Aber nicht nur das, es wird ihnen ein Lebenin Würde ermöglichen, ohne Prostitution,ohne Kriminalität, ohne psychischeund soziale Verelendung.Hecken und Zäune, 22.07.2010duisburgHeroin für alledie es brauchenAm 21.07.2010 führten wir in der Fußgängerzonein Nähe der Platte einen Infostanddurch. Die MitarbeiterInnen derAids-Hilfe waren mit T-Shirts ausgestattet,die mit den Texten „Heroin, für alledie, es brauchen“ und „Insulin, für alle,die es brauchen“ versehen waren. Damitunterstützen wir die bundesweite Aktionvom Bundesverband der Eltern und Angehörigenfür akzeptierende Drogenarbeitund des JES-Bundesverbands, die dieseAktion initiiert haben. Mit dieser provokantenFormulierung sollte die Bevölkerungdarauf aufmerksam gemacht werden,dass nun Diamorphin als Arzneimittel zugelassenist und somit genauso wie Insulinzumindest all denjenigen Patienten zurVerfügung gestellt werden muss, die dieBedingungen erfüllen.Des Weiteren formten wir mit Grablichterndie Zahl 11, das ist die Zahl der imJahr 2009 in Duisburg verstorbenen DrogengebraucherInnen.Ralf Rünninger, AIDS-Hilfe DuisburgEs ist ein Glück für viele, dass es dasSubstitutionsprogramm gibt, das ihnenhelfen will, langsam einen Weg aus derSucht heraus zu finden. Aber für vielebleibt dieser Weg der Hoffnung verschlossen,weil nur ganz wenige Ärztebereit sind, diese Behandlung zu übernehmen.Und der Landkreis SchwäbischHall, der die Verantwortung für die Gesundheitsversorgunginne hat, war bisheute nicht in der Lage, die Lücke in derMenschenkette in Schwäbisch-Hall


DROGENKURIER19gedenktagsingenwuppertalJES Bodensee am InfostandJES-Debut amBodenseeNoch wenige Tage vor dem Gedenktagwar noch gar klar ob die neue JES-GruppeBodensee einen Kooperationspartnerfür ihre erste Aktion zum Gedenktag2010 finden würde. Ein Gesprächmit der AIDS-Hilfe Unterland/Heilbronnbrachte das gewünschte Ergebnis.In der Singener Innenstadt waren JESund Aidshilfe mit einem Infostand präsentund machten so auf die SituationDrogen gebrauchender Menschen im Bodenseekreisaufmerksam. Obwohl das Interesseder Bürgerinnen und Bürger nichtsehr ausgeprägt war, ist der Gedenktag2010 für die neu formierte JES-Gruppeein Erfolg. Wichtig war Ihnen „Flagge zuzeigen“ und deutlich zu machen, dass derKonsum psychoaktiver Substanzen nichtgeradlinig in die oft geschilderten Katastrophenenden muss.Das Ziel von JES ist es die Rahmenbedingungenfür Menschen zu veränderndie Drogen konsumieren. Für den Bodenseekreisgilt sich ein dichteres Netzvon Ärzten zu schaffen die bereit sindOpiatkonsumenten mit Methadon oderBuprenorphin zu behandeln.Heroin-Ersatz: Wanngibt es in WuppertalDiamorphin?Das Modell soll Schwerstabhängigeaus der Illegalitätin die Normalität bringen.Aber die Hürden sind hoch.Wuppertal. Die Zahl stimmt traurig: SiebenMänner starben in diesem Jahr inWuppertal an den Folgen ihrer Drogensucht.Zum Vergleich: Im gesamten Jahr2009 gab es zehn Drogentote. Alle Opfersind 30 Jahre oder älter. Altjunkies, werdensie in der Szene genannt.Am Mittwoch gab es auch für sie einenGottesdienst und Live-Musik aufder Alten Freiheit in Elberfeld. Wie jedesJahr hatte die Elterninitiative für akzeptierendeDrogenarbeit und humaneDrogenpolitik zum Gedenktag eingeladen.Doch die Veranstalter schauen indie Zukunft, und die trägt den NamenDiamorphin.Landeskriminalamt (LKA) legtSicherheitskonzept vorSchon im vergangenen Jahr hatte SozialdezernentStefan Kühn (SPD) gesagt,dass man sich für die Umsetzung desDiamorphin-Modells in Wuppertal bewerbenwerde. Mittlerweile gibt es einBundesgesetz, dass die im Kern von denKrankenkassen finanzierte Diamorphin-Abgabe regelt.Doch an die Umsetzung in Wuppertalist vor 2011 nicht zu denken. So hat dasLandeskriminalamt (LKA) im Mai den Sicherheitskatalogfür die Diamorphin-Abgabezusammengestellt. Kritiker nennendie Aufstellung ein Diamorphin-Verhinderungspapier.„Gleis-1“-Umbau würde etwa100.000 Euro kosten?Geschätzter Kostenpunkt für einen etwaigenGleis-1-Umbau à la LKA: 100.000Euro. Allerdings ist noch gar nicht klar,ob ein Umbau überhaupt Sinn machenwürde Das Gesetz sieht ebenfalls vor,dass Diamorphin-Konsumenten einepsychosoziale Betreuung erhalten müssen.Die Kosten – etwa 60.000 Euro proJahr – müsste in Teilen die Stadt bezahlen.„Das sind hohe Hürden“, konstatiertUwe Temme, Leiter des Wuppertaler Sozialressorts,gibt sich aber kämpferisch,zumal das Diamorphin-Modell von vielenSeiten gelobt wird.WZ, 21.07.2010 (gekürzter Beitrag)Eltern für Heroinbehandlung


DROGENKURIER21gedenktagEs ist der 21. Juli, der „Nationale Gedenktagfür verstorbene Drogenabhängige“.Im letzten Jahr hatte die BochumerDrogenberatung Krisenhilfe, sie istes, die im Haus Viktoriastraße 67 residiert,zum ersten Mal mitgemacht beider von Eltern verstorbener Abhängigerinitiierten Aktion. „Wir möchtenFreunden und Angehörigen einen Ortgeben, um zu trauern“, sagt FriederikeSchönhals. Die Sozialarbeiterin arbeibochumOrt zum Trauern umdie DrogentotenBochum. Am 21. Juli ist der nationaleGedenktag für verstorbene Drogenabhängige.In Bochum lenkt die Krisenhilfemit einer Klagemauer die Aufmerksamkeitauf eine Minderheit. DieDrogenberatung setzt sich weiter für Heroinabgabeein.Ein wenig irritieren die rohen Ziegel– bei näherem Hin- sehen entpuppen siesich als Tapetendruck – vor den Schaufensterndes Hauses Viktoriastraße 67.Diese Klagemauer will erinnern helfen,erinnern an die Männer und Frauen,die in Bochum an den Folgen ihrer Drogensuchtstarben. 96 Namen stehen aufeiner Liste, die seit 2001 immer mehrwächst.Traurige Liste96 Namen stehen auf einer Liste,die die der Krisenhilfe bekanntenDrogentoten aus Bochum auflistet.Allein im vergangenen Jahrstarben 20 Menschen an den Folgenihrer Heroin-Sucht. Bislangmeldet die offizielle Statistik derPolizei für dieses Jahr fünf Drogentote.Die genaue Zahl der Abhängigenkennt niemand, geschätztliegt sie bei rund 2000Menschen, etwa zwei Drittel davonsind Frauen.tet im Café für Abhängige und ist auchdem Tod von Klienten oft näher als ihrlieb sein kann. Neulich starb wieder eineFrau, noch jung war sie in ihren 20ern.Die fachliche Leiterin der Krisenhilfe,Silvia Wilske, weiß, dass die Freundevon verstorbenen Abhängigen, die oftselbst süchtig sind, von den Familiender Verstorbenen meist nicht zur Beerdigunggeladen werden. Zu schmerzhaftist wohl die unmittelbare Konfrontationmit der Sucht, die dem Sohn, der Tochterden Tod gebracht hat.Schwerstabhängige solltenkontrolliert Heroin erhaltenIm vergangenen Jahr standen Dutzendevor der „Klagemauer“, kritzelten miteinem Edding Namen auf die ‘Steine’,schrieben „In der Hoffnung, Euch allewiederzusehen“, oder „Du hinterlässtein tiefes Loch“. Am heutigen Mittwochmöchte Friederike Schönhals zudemim Café Kollagen mit den Klientenerstellen unter dem Titel, „Was wirden Verstorbenen sagen möchten“ undGedanken zum diesjährigen Leitthemades Gedenktages: „Heroin für alle, diees brauchen“.Die Krisenhilfe hatte sich in der Vergangenheitimmer wieder dafür eingesetzt,Heroin kontrolliert an Schwerstabhängigeabgeben zu dürfen. Nach demerfolgreichen Abschluss der sogenanntenHeroinstudie rückt dies näher. In siebendeutschen Städten, darunter Hamburg,München Köln und Frankfurtwurde unter genau definierten BedingungenHeroin an Abhängige abgegeben.Der Bundestag beschloss im Mai2009 ein Gesetz, das diese Abgabe regeltund generell ermöglicht. Jetzt liegen dieRichtlinien des gemeinsamen Bundesausschussesvor. Sie sind die Grundlage,dass die Krankenkassen die Kosten derSubstitution erstatten.Bei rund 50 potenziellen Nutzern ausBochum kämen Kosten in Höhe vonmehr als einer halben Millionen Eurozusammen. Ein Teil würde von den Kassenerstattet. Doch noch sind die in denRichtlinien definierten Hürden offenbarzu hoch. So müsste die Krisenhilfe ihrenKonsumraum umbauen, etwa mit Panzerglasund gesicherten Räumen. Außerdemsind drei Ärzte vorzuhalten und dasHeroin wäre unter Bewachung der Bundespolizeizu liefern. Die Fachleute derKrisenhilfe setzen auf die neue Landesregierung.„Auch der Dealer-Szene würdedurch eine solche Regelung ein empfindlicherSchlag versetzt“, so Wilske.WAZ, 21.07.2010,Michael WeekeKOMMENTAR:Trauern und hinsehenGedenktage gibt es zu viele, vom Tag des Kusses bis zum Tag der Heimat. Sicherlichlässt sich auch darüber streiten, ob ein „Nationaler Gedenktag für verstorbeneDrogenabhängige“, den es seit 1998 in Deutschland gibt, Sinn macht.Für die Menschen, die den Partner, die Partnerin, einen Angehörigen oder einenFreund verloren haben, bietet dieser Tag jedenfalls die Möglichkeit, gemeinsammit Anderen zu trauern und dies öffentlich zu tun.Denn die Ausgrenzung oder selbst gewählte Isolation von Drogenabhängigenhört beim Tod nicht auf. Angehörige verheimlichen voll Scham die wahrenHintergründe, Freunde wenden sich ab oder bestimmte Leute werden einfachauf Beerdigungen zur unerwünschten Person erklärt.Hinsehen hilft jedenfalls auch Unbeteiligten, die eigene Unsicherheit zuüberwinden und ist allemal besser als die bloß abwehrende Reaktion, etwa,um sich mit dem Thema erst gar nicht zu befassen. Vielleicht ist es ja das, wasein solcher Gedenktag zu leisten imstande ist.


gedenktag22 DROGENKURIERberlinClaudia Schieren, JES-BundesvorstandFoto: Camay SunguGroßes Interesse am 21. Juli am Oranienplatz in BerlinAufruf an dieGemeinschaftGedenken an Drogentote /Senat: Heroinvergabe auf Rezeptab OktoberAb dem 1. Oktober wird laut Berliner Gesundheitssenatdie Abgabe von Heroinauf Rezept möglich sein. Wie SenatorinKatrin Lompscher (Linkspartei) gesternmitteilte, werde die Ausgabe von Diamorphin,synthetisch hergestelltem Heroin,dann von den Krankenkassen vergütet.Die „Initiative 21 Juli“ gedachteam Mittwoch den verstorbenen DrogenabhängigenBerlins. Unter dem Motto„Gemeinsam gegen Ausgrenzung“ errichtetedie Initiative auf dem Oranienplatzim Stadtteil Kreuzberg eine symbolischeMauer, deren Steine mit Namenvon verstorbenen Freunden und Familienangehörigenbeschrieben wurden.„Conny“ und „Rainer“ steht auf denweißen Würfeln geschrieben, danebenumgeben die Initialen von zwei Personendas Wort „Verantwortung“.Schirmherrin und GesundheitssenatorinKatrin Lompscher bedankte sichanlässlich des zum 12. Mal stattfindendenGedenkens bei jenen Vereinen undEinrichtungen, die in Berlin beratendeund unterstützende Hilfe leisten. Mit157 Drogentoten im vergangenen Jahrhabe sich der Abwärtstrend seit 2005fortgesetzt, sagte Lompscher.Knut Mildner-Spindler (LINKE), Bezirksstadtratfür Gesundheit und Sozialesvon Friedrichshain-Kreuzberg, griffdas Motto des diesjährigen Gedenkensauf und betonte, das Engagement vonInstitutionen und Vereinen allein reichenicht aus. Vielmehr müssten deren Angeboteauch nachbarschaftlich und gemeinschaftlichetabliert werden. „Suchthilfeist gemeinschaftliche Arbeit“, soder Stadtrat am Mittwoch.Meine SichtGedenken an die Drogentoten an der Mauer gegengesellschaftliche AusgrenzungDoch mit derartigen Einsichtenscheint es nicht weit her zu sein. Mildner-Spindlerformulierte diplomatisch,dass auch bei der Einrichtung von Hilfsangebotenfür Drogenabhängige die Interessenaller gewahrt werden müssen.So hat auch die Diskussion um einenneuen Druckraum in Kreuzberg immernoch kein erfolgreiches Ende gefunden.Neues Deutschland, 22.07.2010Geopfert – Tobias Riegel will Bewegung in der DrogenpolitikAlle Jahre wieder wird Toter gedacht, deren Ableben mit ein bisschen wenigerIdeologie in den Köpfen der Entscheidungsträger wahrscheinlich hätte verhindertwerden können. Denn der gestern auch in Berlin wieder begangene bundesweiteGedenktag für verstorbene Drogenabhängige verdeutlicht das auf dem RückenSuchtkranker ausgetragene Versagen der autoritären Drogenpolitik immer wiederneu. Restriktionen verhindern seit Jahrzehnten weder den offenen Drogenverkauf,noch die öffentliche Verelendung, noch die Korrumpierung von Zoll, Polizeiund Justiz, ohne die der tägliche schwunghafte Drogenhandel auf unseren Straßenunmöglich wäre.Stattdessen stattet das Drogenverbot internationale Kartelle mitbeispielloser Macht aus, werden Leib und Leben der Süchtigen durch gestrecktesHeroin bedroht und Opfer von Verteilungskämpfen provoziert. Nicht auszudenken,welch großartige Therapien und Präventionskampagnen man mit den einer nutzlosenPolizeistrategie geopferten Milliarden finanzieren könnte.Zwei gute Nachrichten gibt es aber zum Thema: Erstens ist die Zahl der Drogentotenvon 2009 mit 157 weiterhin rückläufig. Zweitens hat Berlins GesundheitssenatorinKatrin Lompscher (LINKE) gestern mit dem 1. Oktober ein definitives Datumfür den Beginn der Heroinabgabe auf Rezept verkündet. Auch im Zusammenhangmit der Aufregung um Drogen verkaufende Kinder ist das eine wichtige Botschaft.Denn Eigentümer eines Rezeptes für reinen Stoff fallen als Kunden für die genötigtenNachwuchsdealer schon mal aus. 22.07.2010


DROGENKURIER23gedenktaghannoverInfostand von JES-HannoverA. Thorn, JES-Hannover„Passtaufeinander auf!“Immer wieder ruft Diakoniepastor Hans-Martin Joost in seiner Andacht auf: „Passtaufeinander auf.“ Anlässlich des bundesweitenGedenktags für verstorbene Drogenabhängigehat der „Arbeitskreis Drogenund AIDS“ gestern im Café Connectionin der Fernroder Straße der hannoverschenDrogentoten gedacht.Nach der Andacht gab es viel Lob vonden Angehörigen für Joost. Er ist zufrieden:„Mir ist es wichtig, für Menschen am Randeder Gesellschaft eine würdige Gedenkfeierzu machen.“In der Region Hannover gab es im Jahr2009 18 Drogentote, in ganz Niedersachsen82. In diesem Jahr starben bisher zehnMenschen in der Region am Drogenkonsumoder dessen Folgen. Die Zahl schwankeje nach Zählart, so Günter Hosbach (59)von der Hannoverschen Aids-Hilfe. Je nachdem,ob die Todesfälle als Folgeerscheinungender Drogensucht mitgezählt würden.„Insgesamt sind die Zahlen aber rückläufig“,sagt Hosbach. Das liege auch an der,trotz knapper Mittel, guten Betreuung.Neue Presse Hannover, 22.07.2010Ohnmächtiggegen die Sucht„Mussten wir sie verlieren? Das ist die Frage,die wir uns immer wieder stellen.“ Mitdiesen Worten hat Bürgermeisterin IngridLange (Grüne) am Mittwoch hannoverscheDrogenabhängige sowie deren Eltern undFreunde zum bundesweiten Gedenktag fürverstorbene Drogenabhängige begrüßt.In Hannover kamen etwa 60 Menschenim Café Connection hinter dem Hauptbahnhofzusammen. Das Café ist eine Anlaufstellefür Drogenabhängige, derenAngehörige und Ratsuchende. Keiner seigefeit gegen das, was Drogen anrichteten,sagte Lange. „Was bringt Menschen dazu,einfach nicht mehr zu wollen?“18 Menschen starben nach Angaben derDrogenhilfeeinrichtung STEP im Jahr 2009in der Region Hannover an den Folgen ihrerDrogensucht. In den ersten sechs Monatendieses Jahres gab es zehn Drogentotezu beklagen. „Wie in den vergangenenJahren sind es nicht die jungen Drogenabhängigen,die an einer Überdosis sterben.Es sind langjährig Abhängige, die an denFolgekrankheiten Aids und Hepatitis sterbenoder einfach zusammenbrechen“, sagteLina Möller von der Elterninitiative fürakzeptierende Drogenarbeit. Die zum Teiljahrzehntelange Abhängigkeit geht nichtspurlos an den Betroffenen vorbei. IhreKörper sind ausgezehrt, häufig ist plötzlichesOrganversagen die Todesursache.„Ich wünsche mir an diesem Tag, dassDrogenabhängige nicht weiter kriminalisiertwerden“, sagte Diakoniepastor Hans-Martin Joost in seiner Andacht. Ein Aufenthaltim Gefängnis müsse den Betroffenenunbedingt erspart bleiben. „Dort kommensie bestimmt nicht von den Drogen los“,mahnte der Pastor- und spielte damit aufdie von offiziellen Stellen oftmals unterden Teppich gekehrte Drogenproblematikin den Gefängnissen an.Unter den Teilnehmern der Andacht fandensich zahlreiche Eltern sowohl verstorbenerals auch lebender Drogenabhängiger.„Diese Ohnmacht, daneben zu stehen,nicht eingreifen zu können, die Not deseigenen Kindes ertragen zu müssen, dasist es, was es so schwer macht“, berichteteeine Mutter. Ihr Sohn hat seine Drogensuchtüberlebt, allerdings mit schwerenFolgeerscheinungen. Er lebt inzwischen ineinem Heim.Heroin wäre besser„Jeder Fall ist individuell“, sagte Lina Möller.Sie wies auf die Notwendigkeit der Methadonprogrammehin. „Viele Ärzte steigenaus. Dabei ist wissenschaftlich nachgewiesen,dass die überwiegende Mehrheit dersubstituierten Abhängigen deutlich gesünderdurchs Leben geht. Viele gehen einemganz normalen Beruf nach“, sagte Möller.So etwa eine 50-jährige Teilnehmerin derAndacht. „Seit 1989 werde ich substituiert,ich habe ein Kind und einen Job.“ Gut gehees ihr allerdings nicht, räumte die Frauohne Umschweife ein. „Ohne die Ersatzdrogenginge es nicht. Und ganz ehrlich:Heroin wäre besser.“Hannoversche Allgemeine, 22.07.2010,Vivien-Marie Drews


gedenktag24 DROGENKURIEReinige städte kurz notiertKatrin (JES-Bundesvorstand) wirbt fürMenschenwürde in HallehalleAuch in Halle fand am 21. Juli wiederumeine Veranstaltung zum Gedenken an verstorbeneDrogengebraucherInnen statt.Das gewährte Bündnis von Drogenberatung,JES-Gruppe und Aidshilfe wurde neuaufgelegt um Bürgern in Halle über Themenwie Drogensucht, HIV und Hepatitiszu informieren.braunschweigkasselWie bereits in den Vorjahren zeichnetesich die Kassler JES-Gruppe in Kooperationmit der AH Kassel für die Ausrichtungdes Gedenktages verantwortlich. Sie begingenden Gedenktag erstmals direkt aufder Kassler Szene. Über den Aushang vonPlakaten machten sie auf ihre Aktion aufmerksamund verteilten auf der Szene Infomaterial.Da sie sich nach eigener Einschätzungauf der Szene nicht unbedingtsehr willkommen waren, hielten sie sichetwas im Hintergrund.ahrensburgEltern in Ahrensburglübecktea and talk: Veranstaltungzum Tag der Drogentoten50 Drogenabhängige sind in den vergangenenzwei Jahren in Lübeck gestorben. DerKontaktladen „tea and talk“ machte zum„Nationalen Gedenktag für verstorbeneDrogenabhängige“ mit einer Ausstellungund einer Veranstaltung auf dieses Themaaufmerksam. Im Rahmen der laufendenAusstellung ist auch ein Baum zu sehen.Die 52 Kreuze symbolisieren die Drogentotender vergangenen Jahre.weitere städteaugsburgHeftig umstritten –Debatte umFixerstubenFixerstuben gibt es derzeit in16 Städten, verteilt auf sechsBundesländer. Süchtige könnendort kontrolliert Heroin spritzen.In Bayern gibt es bisher keineDrogenkonsumräume. Allerdingswill die Stadt Nürnberg nun einenVorstoß für die Einrichtungvon Fixerstuben unternehmen.Dort haben die Stadträte – gegendie CSU – einen entsprechendenBeschluss gefasst. Nürnberg willAugsburg und München mit insBoot holen.Über Konsumräume wird zum Teil kontroversgestritten. Befürworter betonen,dass die Zahl der Drogentoten gesenktwerden könne. Sie führen einen Berichtdes Bundesgesundheitsministeriums insFeld, der 2003 veröffentlicht wurde. Darinist von positiven Auswirkungen fürSüchtige die Rede. Gegner fürchten, dasssich das Umfeld von Konsumräumen zuKriminalitätsschwerpunkten entwickeltund auch Erst- und Gelegenheitskonsumentenangelockt werden. Für denBetrieb von Konsumräumen ist eineLandesverordnung nötig. Andere Bundesländerhaben so eine Verordnungerlassen, Bayern bislang nicht. Bisherlehnte die Bayerische Staatsregierung Fixerstubenals „rechtsfreie Räume“ ab.(jöh)Gedenktag: Heute wird bundesweitder Drogentoten gedacht. Von 11 bis16 Uhr gibt es im Annahof Informationenzum Thema, um 17 Uhr gibt eseine Andacht in der evangelischen Ulrichskirche.Augsburger Allgemeine, 20.07.2010Infostand von JES und AH BraunschweigIn folgenden Städten fandenebenfalls Veranstaltung anlässlichdes Gedenktages fürverstorbene Drogenabhängigestatt:Hagen KonstanzHamm GothaGladbeck Herne


DROGENKURIER25gedenktagheilbronnKerzen und Holzkreuzehalten dieErinnerung wachemmendingenessenDer Verein für Jugendhilfe hat gestern vordem Theater ein begehbares Labyrinth aufgebaut.Es soll an die Drogentoten erinnern.„Ich bin sehr traurig“, sagt Selatin,„ich habe im vergangenen Jahr innerhalbvon zwei Monaten zwei gute Freunde verloren.“Er selbst hat mitgeholfen, das Labyrinthzu errichten. Es besteht aus vielenBechern mit Kerzen und weißen Kreuzen.An jeden Verstorbenen erinnert ein Holzkreuzmit dem Namen. Mittendrin stehtein Baum. Bundesweit gab es in vielenStädten ähnliche Aktionen zum Gedenkenan Drogentote, in Heilbronn hat sichder Kontaktladen für ein Labyrinth entschieden.Es steht für das Durchschreitendes Lebens mit all seinen Kurven, es gibtaber keine Sackgasse. Die Biegungen zeigen,dass das Leben sehr schwer werdenkann und oft viel Kraft nötig ist.„Für die Menschen, denen wir die Kreuzegewidmet haben, war der Weg zu lang,ihnen ist die Kraft ausgegangen“, sagt UteMüller-Dieterle, Pastoralreferentin der KatholischenKirche. „In diesem Jahr gab esin Heilbronn bisher sechs Tote, die amDrogenkonsum und seinen Langzeitschädengestorben sind“, sagt sie. Die Rauschgiftszenesei sehr gemischt, sie erstreckesich über alle Altersgruppen und sozialeSchichten.Die Seelsorgerin liest ein Gedicht vor,das Frank, einer der Toten und Mitinitiatordes Gedenktages, vor seinem Tod geschriebenhatte. Sabrina Bäuerle, Diplom-Sozialpädagoginin der Jugend- undSuchtberatung, erklärt: „Man durchläuftdas Labyrinth mit dem Ziel, anzukommen.Aber der Weg ist nichtleicht. Auf geradem Weg istdas Ziel nicht zu erreichenund man benötigt oft mehrereAnläufe.“Einige Betroffene sindgestern gekommen, weilsie Bekannte verloren haben.Sie gehen nachdenklichdurch das Labyrinth,schreiben ihre Gedankenund Gefühle auf Zettel, diesie an die Kreuze hängen.MonDie Stimme, 22.07.2010Schwimmkerzen für VerstorbeneGedenkfeierim EmmendingerStadtgartenDie Jugend- und Drogenberatungsstelle„emma“ aus Emmendingen beteiligtesich erstmalig am Gedenktag und lud zueinem Gedenk-, Besinnungs- und Austauschnachmittagzwischen 12 und 15Uhr im Emmendinger Stadtgarten ein.Es wurde allen verstorbenen Drogenabhängigengedacht, insbesondere denen,die „emma“ begleitet hat und dieaufgrund von Drogenkonsum, Folgekrankheitenoder Ausgrenzung in denletzten Jahren starben. Nach einer Andacht,wurden Gedichte vorgetragenund gemeinsam Lieder gesungen. Dierund 20 TeilnehmerInnen fanden besondersGefallen am Anzünden vonSchwimmkerzen, auf die Fähnchen mitden Namen von Verstorbenen geschriebenwurden.Tobias Kamps spielt Saxophon und verleiht dem Holzkreuz-Labyrinth mitseiner Musik eine besondere nachdenkliche Atmosphäre.Foto: Guido SawatzkiTrauer in derHoffnungsstrasseAm 21.07.2010 richtete die Suchthilfe direktin Kooperation mit dem Elternkreis und derAids-Hilfe Essen eine Gedenk- und Trauerfeierim niedrigschwelligen Kontaktcafé inder Hoffnungstraße aus. Betroffenen undihren Angehörigen wurde in angemessenerAtmosphäre die Möglichkeit gegeben gemeinsamvon den Verstorbenen Abschiedzu nehmen.Es wurde ein schwarzes Tuch auf demBoden ausgebreitet, auf dem Teelichter proVerstorbenen aufgestellt wurden. Nach derBegrüßung durch Frank langer wurden diverseMusikstücke, die zur Stimmung passten,abgespielt.Die Rede von Daniel Maly (AH Essen) fokussierteauf ein Kondolenzbuch, das beider Suchthilfe direkt im Café ausliegt unddie Klienten die Möglichkeit bietet, ihre Gedanken,Erinnerungen und Wünsche an/fürverstorbene Person niederzuschreiben.Anschließend wurden Karten verteilt,auf denen die Namen, Geburts- und Sterbedatender Verstorbenen standen. Diesewurden laut vorgelesen und auf demTuch, neben einem Teelicht und einer weißenRose, platziert. Die Gedenkzeremoniewurde gut besucht, neben den Klientenwar noch eine Elterninitiative vor Ort,die T-Shirt mit dem Aufdruck des bundesweitenMottos „Heroin für alle die es brauchen“verteilten.Schlussendlich kann man sagen, dass eseine sehr schöne und stimmige Gedenkzeremoniewar. Die Kooperation zwischender Suchthilfe direkt und der AIDS-HilfeEssen funktioniert hervorragend, so dasswir auch in Zukunft den 21. Juli gemeinsamveranstalten werden. Beiden Organisationen,die sich mit dem Thema Drogen auseinandersetzen,war es wichtig öffentlichgemeinsam aufzutreten.Daniel Maly, Frank Langer


gedenktag26 DROGENKURIERkölnviersenFoto: Franz-Heinrich BuschAuf den marmornen Gedenktafeln an der Wand stehtVorname, Alter und Todesjahr von drei Menschen.Hans-Josef Kampe begrüßte die Teilnehmer derGedenkstunde in Dülken.Die Kölner VisionistenMahnwache auf demKölner Neumarkt“Vision e. V., Verein für innovative Drogenhilfe,nahm den Gedenktag für verstorbeneDrogengebraucher zum Anlass, gegendie geplanten Kürzungen der Stadt von 12,5Prozent zu protestieren. Viele soziale Einrichtungenmüssen um ihre Existenz bangen.Darunter fällt auch Vision e. V.Konsumenten landen wiederauf der StraßeDer internationale Gedenktag gilt den imJahr 2009 bundesweit 1.331 und 49 verstorbenenDrogenkonsumenten in Köln.Eine alarmierende Zahl. Vision e. V. bietetBetroffenen neben sozialer Betreuungdie Möglichkeit günstig zu Essen, zu Waschenund sich auszutauschen. „Viele habenAngst vor der Bürokratie vieler Einrichtungenund brauchen einfach jemandem,der ihnen zu Seite steht. Wir überfallensie nicht, sondern bieten ihnen bei BedarfHilfe an“, so Hartmut Organiska. „Bei unssteht Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund.Wir möchten Betroffene aufbauen und ihnenhelfen, ihr Leben selbst zu organisieren“,so Ute Zimmermann.Durch die geplanten Kürzungen sei dieArbeit von Vision e. V. nun bedroht. Solltendie Kürzungen im Rat beschlossen werden,müsste Vision e. V. Stellen abbauen, erklärtHartmut Organiska. Zur Zeit fasst die Einrichtung11 Mitarbeiter, darunter Sozialarbeiter,Mini-Jobber und Ehrenamtliche.„Dann landen Drogengebraucher wiederauf der Straße, finden keine Anlaufpunkteund können ihren persönlichen Teufelskreisnicht alleine durchbrechen“, fasst UteZimmermann, Sozialarbeiterin in der EinrichtungVision e. V., die Konsequenzen zusammen.Prävention an SchulenNeben Hilfeleistungen für Betroffene, setztVision e. V. auch auf Prävention. Der Vereinleistet kostenlose Prävention an KölnerSchulen. Simon Kleimeyer hat früherselbst Partydrogen konsumiert und sieht inder Prävention eine große Chance. „Hätteich diese Hilfe früher an meiner Schule bekommen,hätte es mir vielleicht geholfen“,meint Kleimeyer. Schüler und Lehrer, überwiegenddes achten Jahrgangs, reagiertendurchweg positiv und zeigten großes Interessean diesem Thema. „Wir setzen aufehrliche Aufklärung – der erhobene Zeigefingerhat mir damals nicht geholfen undzeigt auch bei den Jugendlichen heutekaum Wirkung“, so Simon Kleimeyer.report-k/Kölns Internetzeitung,Henriette HohmGedenktafelnfür DrogentoteZum nationalen Gedenktag für verstorbeneDrogenabhängige überraschtedie Suchtberatung für den Kreis Viersen„Kontakt-Rat-Hilfe“ mit der Wandder Erinnerung. Kleine Tafeln erinnernin der Dülkener Einrichtung an die Toten.Ein Tisch mit einer weißen Tischdecke,ein grüner Stoffläufer darüber, zweibrennende Kerzen und eine Vase vollerBlumen. Ein weiterer grüner Stoffstreifen,der an der Mauer des Innenhofesder Suchtberatung für den Kreis Viersen„Kontakt-Rat-Hilfe“ angebracht ist. Dazufüllen Stuhlreihen den gesamten Innenhof.Ein fast jeder Stuhl ist besetzt, dennviele wollen an der kleinen Gedenkfeierfür die im Kreis Viersen verstorbenenDrogentoten teilnehmen.Ursache Überdosis„Ich danke Ihnen, dass Sie heute hiersind, kurz innehalten und dass wir unsan die Menschen erinnern, die uns nahestanden als Kinder, Partner oder Klienten“,mit diesen Worten begrüßt Hans-Josef Kampe die Gäste, bevor er mit Fallzahlen,die allesamt Einzelschicksalewiederspiegeln, auf die Problematik derillegalen Drogen aufmerksam macht.1.331 Tote starben im vergangenen Jahrdurch illegale Suchtmittel. Dabei war bei571 Menschen eine Überdosis der ursächlicheGrund für den Tod. Kampespricht von einer stetigen Abnahme derToten durch illegale Suchtmittel, machtaber deutlich, dass trotz dieses Rückgangesdie Bereitschaft zum Erstkonsumsteigt. Ein Beginn mit scheinbar weichenDrogen, einschließlich der legalenDrogen: Alkohol und Nikotin.Rheinische Post 24.07.2010,Natascha Becker


DROGENKURIER27gedenktagoffenburgGedenkfeierfür Drogentotein OffenburgKeine Tränen im HimmelRund 70 Ballons steigen zum Himmel:Eine rund 30-köpfige Trauergemeindeversammelte sich im Offenburger Drogencafé,um ihrer verstorbenen drogenkrankenFreunde und Verwandten zugedenken. Erstmals ist gestern der bundesweiteGedenktag für verstorbeneDrogenabhängige in Offenburg gefeiertworden. Der Kontaktladen sowie die Jugend-und Drogenberatung DROBS hattenzu einem Gedenkritual ins Domizildes Kontaktladens zwischen alter Stadthalleund nördlicher Hauptstraße eingeladen.Eine Trauergemeinde von rund 30Menschen gedachte in einer bewegendenFeier ihrer Verstorbenen.Viele nehmen sich ein, zwei Gasballonsund schreiben die Namen einesschmerzlich vermissten Verstorbenen aufden Zettel am Ende der Ballonschnur. Etlichehaben sich vier Ballons geschnappt,eine junge Frau fünf, eine andere sogarsechs. Der evangelische Pfarrer und NotfallseelsorgerUlrich Henze aus Kehl erklärt:„Die Ballons sind ein Symbol dafür,dass die Namen unserer Verstorbenen imHimmel geschrieben sind, wie es in derBibel heißt, und dafür, dass wir ein Stückunserer Trauer loslassen wollen.“Als Kommando für das gemeinsameLoslassen hat Henze mit der Trauergemeindedas Wort „Amen“ verabredet,Foto: Peter HeckKlaus Rieger, Leiter des Kontaktladens, hielt einebewegende Rede.zu Deutsch: „So sei es“. Musiker AlexanderLenz singt noch „Über den Wolken“zur Gitarre und auf Henzes „Amen“ hinsteigen bis zu 70 Ballons in den blauenSommerhimmel über Offenburg. Undtatsächlich macht sich so etwas wie Trostbreit im Empfinden der Leute, die vordem Kontaktladen den Ballons nachschauenund nachtrauern. Die Premieredieser ersten Gedenkfeier kann man nurals geglückt bezeichnen. Wer Anfangdieses Jahres die öffentliche Diskussionum den neuen Standort des Kontaktladens,der 2011 umziehen muss, verfolgthatte, konnte in einigen Diskussionsbeiträgenden Eindruck gewinnen, dassdort nur furchterregende Gestalten verkehrenmüssen. Diese Trauerfeier zeigteeine andere Realität.Hier sah man Menschen voller Sensibilitätund Zerbrechlichkeit, gezeichnetvom Leben und manche auch vonharten Drogen, denen es offenbar einBedürfnis ist, als Ausdruck ihrer Trauerund als Bitte um Vergebung eventuel-ler persönlicher Schuld mit Helmut Ellensohnund Ulrich Henze das „Vater unser“zu beten. In vorbildlich-seelsorgerischerWeise haben der katholische Pastoralreferentaus Offenburg und der evangelischePfarrer aus Kehl mit dieser Feier einenRaum für die Trauer geschaffen, dendie betroffenen Menschen dankbar angenommenhaben.In den vergangenen Jahren pendeltedie Zahl der von offizieller Seite als Drogentotegeführten Verstorbenen in derOrtenau immer zwischen vier und siebenpro Jahr. Im laufenden Jahr, Stand Mittwoch,21. Juli, sind es bereits vier. Wobeijemand, der zum Beispiel an Leberzirrhose,einer Folgekrankheit des Drogenmissbrauchs,stirbt, nicht als Drogentotergilt.Schon vier Drogentote imlaufenden Jahr in der OrtenauKlaus Rieger, Leiter des Kontaktladens,wo sich täglich bis zu 80, teilweise schwerdrogenabhängige Menschen einfinden,um sich praktische Lebenshilfe abzuholenoder einfach gebrauchte gegen saubereSpritzen zu tauschen, hielt zu Beginnder Veranstaltung eine bewegendeRede. Er erinnerte an verstorbene Klientendes Kontaktladens, an die auf einerGedenktafel im Aufenthaltsraum erinnertwird. „Hoffentlich ist es uns gelungen,dass sie wenigstens für ein paarMinuten ihre Scheißdrogenproblemevergessen haben“, sagte Rieger. „WirDrogenberater machen manchmal denFehler, die Klienten auf das Drogenproblemzu reduzieren.“ Dabei hätten sichzu etlichen der Verstorbenen im Lauf derJahre eine persönliche Freundschaft entwickelt.„Wenn wir manchmal über ihrenVerlust weinen oder manchmal über dasgemeinsam Erlebte zusammen lachen,dann sind Maria, Monia oder Christophnicht vergessen“, sagte Klaus Rieger. Zuvorerklang Eric Claptons „Tears in Heaven“mit der trostreichen Hoffnung dasses im Himmel keine Tränen gibt.Badische Zeitung, 21.07.2010


gedenktag28 DROGENKURIERrecklinghausenTrauern um verstorbene DrogenabhängigeGedenktag: Trauerum DrogentoteSieben Menschen sind innerhalbeines Jahres im Kreis an einerÜberdosis gestorben. Etliche mehrsind wohl den Folgen der Drogenabhängigkeitzum Opfer gefallen.Ihnen ist der nationale Gedenktagfür Drogentote gewidmet.Ein Mann mit nacktem, tätowiertemOberkörper stützt einen Weinenden imschwarzen T-Shirt. Irgendwo klirrt eineBierflasche, Menschen singen traurigeMelodien. In gleißendem Sonnenscheinnehmen sie Abschied und erinnern sichan Frauen und Männer, die hier vor einigerZeit noch regelmäßig zu sehen waren.Drogenhilfe vor OrtAuf die „Platte“, gleich neben demHauptbahnhof kamen sie. Menschen, diesich täglich mit harten Drogen wie Heroinzudröhnten. Sieben von ihnen sind alleinletztes Jahr im Kreis Recklinghausenan einer Überdosis verstorben.Der 21. Juli ist der nationaleGedenktag für DrogentoteAm nationalen Gedenktag für Drogentote,hatte am Mittwoch auch die DrogenhilfeRecklinghausen und Ostvest(DROB) eine Aktion organisiert. Mit dabeiwar viele Abhängige und DROB-Mitarbeiter wie Isabel Niewelt (19). DieTochter des langjährigen DrogenberatersFranz Niewelt beendet in wenigenTagen ihr Jahrespraktikum bei DROB.Nach der Arbeit im Streetworker-Teamwill sie ihr Fachabi machen und späterDROB berät und betreutBereits seit Anfang der 1970er Jahre ist die Drogenhilfe Recklinghausen undOstvest e.V. aktiv. Im Bereich von illegalen Drogen kümmert DROBS sichum Beratung und Betreuung von Abhängigen, sowie Menschen, die Hilfe imUmgang mit Süchtigen brauchen. Das Team von DROB ist in Recklinghausen,Herten, Castrop-Rauxel, Waltrop, Datteln und Oer-Erkenschwick unterwegs.In der Drogenhilfe sind Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Psychologenund Pädagogen tätig. Sie helfen in Krisensituationen, helfen bei der Suchenach Therapieplätzen, vermitteln in die Subsitutionsbehandlung, verteilenEinwegspritzen oder beraten im gesundheitlichen Bereich. Mehr Infos gibt esim Internet auf www.drob-re.de„Aber es erschreckt, wie viele junge Klienten wir momentan haben“, erzähltIsabel Niewelt im Bus der Streetworker. Der jüngste Heroinabhängige sei 19,so alt wie sie selbst. Andere seien seit 30 Jahren in der Szene bekannt und vonder Abhängigkeit gezeichnet. Dabei gebe es keine Klischee-Junkies. „Manchehaben keine Wohnung und den Winter bei Minus 15 Grad am Bahnhof verbracht.Andere sind im Anzug und mit Aktenkoffer unterwegs, wieder andereleben in Familien, die von der Sucht nichts mitbekommen.“Foto: Lutz von Staegmann / WAZSozialarbeit studieren. Schon durch dieBerufserfahrung ihres Vaters habe Einblickein die Drogenszene gehabt.Öffentliche Kritik an frühererAktionDen Gedenktag für Drogentote hatteman schon letztes Jahr auf der RecklinghäuserPlatte zelebriert. Mit einemRockkonzert. Die Resonanz der Öffentlichkeitallerdings war kritisch. „Gedenkensollte man der Drogentoten zwar,aber nicht so“, erinnert sich Isabel Niewelt.Das sei vielen zu sehr Besäufnis gewesenund der „Schandfleck“ am Bahnhofrückte zu sehr in den Blickpunkt.„Aber die Drogenszene ist da. Sie lässtsich höchstens verlagern, verschwindetaber nicht“, ist Niewelt überzeugt. Derzentrale Treffpunkt habe Vorteile. Hiererreichten die Drogenberater die Abhängigenam besten.In diesem Sommer war die Veranstaltungauf der Platte nun stiller. Für Außenstehendervielleicht angemessener.Bernhard Lübbering, der ehemalige Pfarrerder Gastkirche, hielt eine Andacht,gemeinsam mit der evangelischen PfarrerinSilke Niemeyer. Ein Infostand fürSuchtprävention war aufgebaut. „VieleKlienten haben sich wieder eine Bandgewünscht“, sagt Niewelt. Über die fehlendeMusik konnte höchstens das vorhandeneEssen – Gegrilltes und Suppe –hinwegtrösten.„Manche hier sind völlig fertig, habenauch privat Gedenkfeiern organisiert“,sagt Niewelt. Betäubt von Drogenund Alkohol trauern sie. „Einige merkendurchaus: Wenn ich so weitermache,wird hier auch mal mein Name aufgerufen“,sagt Niewelt mit Blick auf dieAndacht. Andere seien kaum zu Emotionenfähig, für sie sei nur einer mehrweg. „Oft“, sagt Niewelt, „sei für echteFreundschaft eben kein Platz zwischenProstitution, Beschaffungskriminalität,Entzugserscheinungen und dem nächstenSchuss.“WAZ, 21.07.2010,Oyindamola Alashe


DROGENKURIER29gedenktagosnabrückFoto: Elvira PartonDen Drogengedenktag im Café Kommunitas unterstützte der Gitarrenworkshop Café Connection„Drogenkonsum istein Selbstheilungsversuch“„Selbst Schuld“ lautet häufig die Stigmatisierung,wenn es um das ThemaDrogentod geht. Das Osnabrücker Drogennetzwerk,dem die Aids-Hilfe, dasAmeos-Klinikum (Abteilung Sucht), derCaritasverband, das Diakonische Werk,Elternkreise und der HIV-Seelsorger angehören,setzt da an einem anderenPunkt an: Sensibilisierung und Begegnungstanden am gestrigen Gedenktagfür Drogenkonsumenten im Café Kommunitasim Vordergrund.In 40 weiteren deutschen Städtenwurde der Drogentoten mit Gottesdienstenund Begegnungen gedacht. Allein2009 starben laut offiziellen Statistiken1300 Menschen am Drogengebrauch. InOsnabrück sind es in diesem Jahr sechsOpfer: „Doch die Dunkelziffer liegt weitdarüber“, gibt Dr. Uwe Schwichtenberg,leitender Arzt der Suchtmedizin amAmeos-Klinikum, zu bedenken.Kai (Name geändert) hat selbst Freundeund auch Familie an die Drogen verloren.Er selbst, heroin- und tablettensüchtig,macht zurzeit seine 21. Entgiftung.Das falsche Umfeld und seine eigeneSchwäche, Nein zu sagen, hätten ihn indie Sucht getrieben: „Eigentlich will dochjeder Mensch das Gleiche. Einen Beruf,ein Haus und Familie. Dann schafft manaber nicht, was man erreichen wollte,und flüchtet in die Drogen“, erklärt er. Erversuche weiter, von den Drogen wegzukommen.Der ausschlaggebende Punktsei sein Sohn.„Drogenkonsum ist ein Selbstheilungsversuchdes Menschen“, untermauertConrad Tönsing vom Caritasverbandwissenschaftlich. „Heute interessierennur die Börsenkurse, der süchtigeMensch bleibt auf der Strecke“, kritisiertDr. Schwichtenberg Teile der Gesellschaft.Doris Kroniger von der Aids-Hilfe bleibt optimistisch: „Mit dem Gedenktagerreichen wir viele Leute, vorallem medial, und können weiter sensibilisieren.“Neue OZ online, 22.07.2010Gedenkplatte in FreiburgfreiburgDreisamufer: Nelken inErinnerung an DrogentoteFreiburg (kaz) Eigentlich hätte an der Dreisam,nahe dem Dreisamufercafé, ein Gedenksteinaufgestellt werden sollen. Dochfür den reichte das Geld nicht.Nun hat der Selbsthilfeverein für Drogenabhängige„Sprungbrett“ wenigstenseine Gedenkplatte mit der Aufschrift „ZumGedenken an die verstorbenen DrogengebraucherInnen“einweihen können.Dazu trafen sich rund 40 Menschen,die „letzten Überlebenden“, wie sie sichselbst nennen, an der Messingplatte undlegten rote Nelken nieder. Als Offiziellerder Stadt nahm Sozialbürgermeister Ulrichvon Kirchbach an der Zeremonie zumnationalen Gedenktag für Drogentote teil.Er überreichte einen Scheck über 150 Euro,verbunden mit dem Versprechen, sich fürden Verein einzusetzen.Südkurier, 23.07.2010„Die letzten Überlebenden“„Wir wollten ja einen Gedenkstein, aberdafür war die Kasse zu leer“, sagt WolfgangSchneider vom Selbsthilfeverein „Sprungbrett“.Frauen und Männer legen rote Nelkenan die neue Messingplatte mit der Inschrift„Zum Gedenken an die verstorbenenDrogengebraucherInnen“. Viele tragen Tätowierungenund Sonnenbrillen. Gesternist die Platte eingeweiht worden, etwa 40Menschen trafen sich anlässlich des nationalenGedenktags für Drogentote in derMittagshitze an der Dreisam in der Nähedes Ufercafés. Viele sind ehemalige Drogenabhängige.Sozialbürgermeister Ulrichvon Kirchbach kommt als einziger mit Krawattesowie einem Scheck über 150 Euround meint: „Ich werde mich für Sie einsetzen.“Jeanette Piram, Leiterin der DrogenhilfeFreiburg, sagt: „Mit Drogen kann manleben, das ist kulturhistorische Realität.“Neun Drogentote habe esdieses Jahr bislang in Freiburg gegeben.„Unseres Wissens kam vorkurzem eine Person dazu“, sagtMichael, Vorstandsmitglied von„Sprungbrett“ und im Methadonprogramm.Die meisten stürbenan mittelbaren Folgen des Konsums,wie Hepatitis oder Aids. „DieÄlteren sind entweder tot oderclean. Wir sind die letzten Überlebenden.“Badische Zeitung, 22.07.2010


gedenktag30 DROGENKURIERinternationalVon Wuppertal nachWien – von Köln nachKopenhagenDen Eltern und Angehörigen für akzeptierendeDrogenarbeit ist es mit viel Liebe,Ehrgeiz und Engagement gelungen, dass inanderen Ländern ebenfalls am 21. Juli anverstorbene DrogengebraucherInnen gedachtwird und die Missstände der nationalenund internationalen Drogenkontrollpolitikaufgezeigt werden.Dies ist ein großer Erfolg der nicht hochgenug gewürdigt werden kann. Denn andersals in Deutschland gab es in vielen Ländernvor 1998 einen Gedenktag am 1. November.Dieses Datum zu verändern war ein großesWagnis, wie Aktivisten aus anderen Ländernberichteten. Sie mussten sich davor schützen,dass dieses Datum nicht beliebig wurde.Die Vielfalt und die Vielzahl der Veranstaltungen,Aktionen und Demonstrationenin Deutschland überzeugte sie schließlich.Seit einigen Jahren hat der Gedenktag nunauch internationalen Charakter.In diesem Jahr wurden uns Veranstaltungenaus Dänemark, Schweden, Spanien,Österreich und den Niederlanden bekannt.Dirk SchäfferdänemarkDie „Gebrauchervereinigung“ (Bruger Foreningen)in Kopenhagen beteiligt sich seitvielen Jahren mit großartigen Aktionen am21. Juli. In diesem Jahr gedachten sie denan einer Überdosis verstorbenen Usern mit239 schwarzen Luftballons. Joergen KjaerGedenkstein in Kopenhagender Vorsitzende hielt nach der Kranzniederlegungam „Memorial Stone“ eine beeindruckendeRede. Wir freuen uns sehr, dass sichmit Bruger Foreningen eine der internationalanerkanntesten Drogenselbsthilfegruppeam Gedenktag beteiligten.schwedenAuch die Gebrauchervereinigung in Schweden(Svenska Brukarforeningen) richteteeine Veranstaltung zum Gedenktag inStockholm aus. Auf dem Plattan wurde denmehr als 300 verstorbenen Drogengebrauchernin Schweden gedachtniederlandeDie Belangenvereniging Druggebruikers(MDHG) in Amsterdam gedachte mit einemgemeinsamen Gottesdienst ihrer verstorbenenFreundinnen und Freunden.Die Organisatoren in BarcelonaspanienOrganisiert von der „plataforma drogológica“wurde der Gedenktag für verstorbeneDrogengebraucher auch in Barcelona veranstaltet.österreichIm Rahmen der Internationalen Aids Konferenzin Wien organisierte INPUD (internationalNetwork people who use drugs)eine kleine Gedenkfeier in der Harm ReductionZone. Delegierte aus Russland,Thailand und Amerika gaben Einblicke indie Situation von Drogengebrauchern inihren Heimatländern. Mit einer Gedenkminuteendete der Remembrance Day inWien.Gedenken in WienJoergen Kjaer


Einstieg zum Ausstieg20 Jahre Erfahrung in derSuchttherapieKompetent in der TherapieEngagiert für Betro≈eneEinzigartiger ServiceSanofi-Aventis Deutschland GmbHPotsdamer Str. 8 · 10785 Berlinwww.substitutionstherapie.dewww.sanofi-aventis.deAVS 506 06 061a-013872


Junkies – Ehemalige – SubstituierteBundesweites DrogenselbsthilfenetzwerkJES-Bundesverband e. V.c/o Deutsche AIDS-Hilfe e. V.Wilhelmstr. 13810963 BerlinTel.: 030/69 00 87-56Fax: 030/69 00 87-42Mail: vorstand@jes-bundesverband.dewww.jes-netzwerk.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!