Der Fantasie der Zuschauer Flügel gebenInterview mit Monika Korn, Simon Schwering, Johannes Beyer, Ina Krüll, Paula Artkamp und Manfred Kerklau vomTheater Sycorax<strong>Klinke</strong>:Bitte schildern Sie uns, wie die TheatergruppeSycorax entstanden istSycorax:Am Anfang stand bei Paula Artkamp die Idee, einintegratives Theaterprojekt, zusammengesetzt auspsychisch kranken Menschen und Menschen ohnePsychiatrieerfahrung, zu gründen. Aus diesemGrund sind verschiedene psychiatrische Klinikenangefragt worden, ob grundsätzlich eine Zusammenarbeitvorstellbar wäre. Die Resonanz auf dieseAnfrage war sehr bescheiden. Schließlich ist dieIdee im Psycho-Sozialen-Zentrum positiv aufgenommenworden. Von dort wurde Interesse an einerZusammenarbeit signalisiert. Zu Anfang sollte unsvon Seiten des Psycho-Sozialen-Zentrums noch ein„Psychiatrie-Profi“ zur Seite gestellt werden. Dochnachdem eine Mitarbeiterin ein Mal an einer Probeteilgenommen hatte, wurde darauf verzichtet. Eswar wohl deutlich geworden, dass diese Idee auchohne „Psychiatrie-Profis“ umzusetzen ist.Dem Ensemble war es von Anfang an wichtig, dassnicht ständig die „psychiatrische Brille“ aufgesetztwird und alles und jedes in irgendeine psychiatrische(Krankheits-) Kategorie einzuordnen ist. Daherwar es wichtig, auf die Mitarbeit von „Psychiatrie-Profis“ zu verzichten.<strong>Klinke</strong>:Wie finanziert sich das Theater Sycorax?Sycorax:Für das Theater Sycorax gibt es keine Regelfinanzierung.Für jedes Projekt müssen neue Gelder beantragtwerden. Das Theater ist ein eingetragenerVerein und Mitglied im Paritätischen. Finanziell werdenwir u. a. von der Stadt Münster und dem FörderkreisSozialpsychiatrie e. V. unterstützt. Auch gibtes einen gemeinnützigen Förderverein „Sycorax“.<strong>Klinke</strong>:Wieviel Stücke habt Ihr bisher aufgeführt und wasbedeutet eigentlich Sycorax?Sycorax:Sycorax ist der Name einer Hexe aus William ShakespearesStück „Der Sturm“, welches wir auchaufgeführt haben. Sycorax klingt auch wie ein Medikament,von daher haben wir diesen Namen fürgut geeignet gehalten. Das Theater Sycorax hat seit1996 insgesamt 16 Stücke aufgeführt, die nächsteProduktion ist in Planung.<strong>Klinke</strong>:Wie setzt sich das Theater Sycorax zusammen?Sycorax:Der Anteil von Frauen und Männern ist ungefährgleich groß. Da immer auch Veränderungen im Ensemblestattfinden, schwankt es entsprechend. Die<strong>Klinke</strong> 22Altersstruktur ist weit gefächert, es können jungeund auch ältere Menschen mitmachen. Insgesamtdarf das Ensemble aber nicht mehr als 15 Menschenumfassen, da wir ansonsten einfach nichtmehr gut miteinander arbeiten können. Neben demEnsemble gibt es noch viele weitere Bereiche, dieSycorax ausmachen. Wir denken dabei an die Regiearbeit,die durch Paula Artkamp und ManfredKerklau gemacht wird, an das Bühnenbild, die Kostüme,die Öffentlichkeitsarbeit. Da wir einen hohenkünstlerischen Anspruch verfolgen, muss auch dasLicht und die Musik sehr professionell sein.<strong>Klinke</strong>:Welche Rolle spielt es bei Sycorax, ob jemand derMitspieler oder Mitspielerinnen eine psychische Erkrankunghat – ist dies vielleicht sogar eine Voraussetzung?Sycorax:Nein, eine Voraussetzung ist dies sicher nicht. Wirfragen nicht danach, ob jemand Psychiatrieerfahrunghat. Dies ist für unsere Theaterarbeit auch nichtwichtig. Wir wissen aber voneinander, dass einigeaus dem Ensemble betroffen sind.<strong>Klinke</strong>:Wie gelangt man in das Ensemble und was sind dieVoraussetzungen, mitzuspielen?Sycorax:Wenn wir ein neues Projekt planen, dann sind auchimmer Interessierte eingeladen, sich bei uns vorzustellen.Dies machen wir z. T. auch öffentlich bekannt.Natürlich ist es auch möglich, sich bei uns zubewerben. In den anstehenden Übungen und Probenschauen wir dann, ob eine Zusammenarbeitmöglich ist. Jede(r) geht unterschiedlich mit der Erfahrungum, auf der Bühne zu stehen. Dies ist nichtfür jeden etwas. Das Wichtigste ist natürlich, Spaßund Freude an der Theaterarbeit mitzubringen. Aberdas ist natürlich nicht alles. Der oder diejenige mussauch in das Ensemble passen, menschlich gesehen.Grundvoraussetzungen sind Zuverlässigkeit undauch Kontinuität und die Bereitschaft, sich auf diesespezielle Situation einzulassen. Natürlich ist es beimTheaterspielen wichtig, sich Abläufe merken zu können.Textsicherheit kommt dann noch dazu. Vorerfahrungenin der Theaterarbeit sind aber keineVoraussetzung.<strong>Klinke</strong>:Wie groß ist der „Aufwand“ der Mitarbeit? DieStücke sind immer sehr gut gespielt und inszeniert –überhaupt macht das Theater einen sehr professionellenEindruck.Sycorax:Das ist richtig. Wir arbeiten sehr intensiv und auchprofessionell. In der „heißen Phase“, d. h. beim Entsteheneines neuen Stückes, proben wir 1 – 2 x in
<strong>Klinke</strong> 23der Woche, meistens an den Wochenenden. DasLernen der Texte muss noch dazu gerechnet werden.Für einige Rollen ist Gesang wichtig. Dassmuss dann noch extra geübt werden. Da kommt einigeZeit zusammen. Es ist gut sich das vorher bewusstzu machen.<strong>Klinke</strong>:Hilft das Theaterspielen bei der Bewältigung einerpsychischen Krankheit oder einer Krise? Gibt esvielleicht auch einen therapeutischen Ansatz in derTheaterarbeit?Sycorax:Zum therapeutischen Anspruch gibt es ein klaresNein. Den verfolgen wir mit unserer Theaterarbeit sichernicht. Wir haben einen künstlerischen Anspruch.Zu Beginn des Theaterprojektes wurde vonPsychiatrie-Profis die Befürchtung geäußert, dassdie Arbeit sogar schädlich sein könnte. Die Erfahrungenzeigen aber klar, dass dies nicht zutrifft. ImGegenteil. Mit der Theaterarbeit ist bei fast allen ein„Wachsen“ verbunden. Die Arbeit gibt Selbstbewusstsein.Jede(r) wird so genommen, wie sie oderer ist. Das Entstehen eines Stückes ist auch eingroßer persönlicher Erfolg, ein persönlich sehr schönesEreignis. Hier kann entsprechend Selbstbewusst -sein wachsen. Alle sind stolz auf das Ergebnis, überden sehr positiven Zuspruch des Publikums.<strong>Klinke</strong>:Welche Themen werden bei Eurer Theaterarbeit aufgegriffen?Versteht Ihr Eure Arbeit auch politisch?Sycorax:Das Theater und die gespielten Stücke haben unterschiedlicheThemen. Es geht dabei z. B. um Arbeitslosigkeit,also auch um soziale Themen. Wirverstehen unsere Theaterarbeit als Spiegelbild unsererGesellschaft. All das, was in unserer Gesellschaftein Thema ist, kann auch bei Sycorax zumThema gemacht werden. Ein politischer Anspruchsteht nicht im Vordergrund. Wenn wir uns aber mitder Gesellschaft beschäftigen, dann bedeutet diessicherlich auch mit der Politik. Der Reichtum unsererTheaterarbeit ist es, die Fantasie des Zuschauersbeflügeln zu können. Dabei wollen wir sicherlichauch unterhalten, dies aber mit einem klaren künstlerischenAnspruch. Die Regie achtet darauf, dasssich die Zuschauer auch in dem Stück wieder findenkönnen.<strong>Klinke</strong>:Sycorax spielt vor allen Dingen im Theater Pumpenhaus.Wie ist das zu erklären?Sycorax:Das Theater Pumpenhaus ist der langjährige Kooperationspartnerunseres Theaters. Die Zusammenarbeitist sehr erfreulich, die Bühne gut fürunsere Vorstellungen geeignet. Dies wollen wir auchin der Zukunft weiter fortsetzen.<strong>Klinke</strong>:Kennt Ihr auch das Bühnenprogramm der <strong>Klinke</strong>,die „Irrlichter“?Sycorax:Ja, die Irrlichter sind uns bekannt. Wir haben einigeAufführungen gesehen. Auch Ihr arbeitet sehr professionellund überzeugend. Die Irrlichter sind sicherlicheine gute Ergänzung zu EurerZeitungsarbeit.<strong>Klinke</strong>:Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Euchweiterhin viel Erfolg mit Eurer Theaterarbeit!!!