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Klinke 36_Layout 1

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ich habe keine Zeit für so’n Scheiß“. Kleine sagt erzu ihr. Ja doch, sie hat richtig gehört. Kleine sagt erund er erdreistet sich auch noch, sie am Jackenärmelzu tatschen. Jetzt nur nicht ausflippen sagt sichLene. Jetzt um Himmels Willen bloß cool bleiben.Aber sie ist eh viel zu schwach, um jetzt noch großWiderstand zu leisten. Sie fühlt sich wehrlos undhilflos ausgeliefert. So wie immer. So wie damals ....bei Vater!Niedergeschlagen verläßt Lene die Wohnung. Siesieht noch wie ihr eine junge Wohnungsinteressentinhämisch hinterher grinst, während sie in der tiefs -ten Verzweiflung das Haus verläßt. Das fängt ja gutan, denkt sich Lene. Deprimiert und frustiert tritt sieschließlich den Heimweg an. Am Kiosk an derEcke kauft sie sich auf den Schock erst mal Alk,Felskrone Bier, fünfFlaschen für 3,35Euro. An der Kassevor ihr erblickt sieplötzlich Timo, denhübschesten Jungender gesamten Psycho-Szene. Lene spürt, wiesie nervös wird. Unauffälligschielt sie dieganze Zeit zu ihmhinüber. Wie intuitivdreht er sich plötzlichzu ihr um. Er schautihr tief in die Augenund grüßt sie freundlichmit dem schönstenLächeln. Lene schaut verlegen zur Seite, spieltihm vor, als sehe sie ihn nicht. Dabei ist Timo so süß!Er hat kakaobraune Augen und eine Stimme süß wieEspresso mit Schokolade, findet Lene. Doch sie erwidertseine Blicke nicht, sie ignoriert ihn einfachund zeigt ihm die kalte Schulter. Sie hat keine Erfahrungin diesen Dingen, mit der Liebe und zu tiefenGefühlen. Zu große Nähe macht ihr Angst. DieseDinge sind nicht für mich bestimmt. Anderen bereitensie Freude und Glück, mir brächten sie dochnoch nur Leiden und Schmerzen. Ich würde dich ehnur unglücklich machen, liebster Timo, resümiert sietraurig. Timo wendet sich schließlich betroffen vonihr ab. Sie sieht noch, wie er niedergeschlagen denKiosk verläßt. Noch einmal dreht er sich zu ihr um.Ein letztes mal sieht er sie an. Ganz kurz mit demverzweifelsten Blick in den Augen. Lange nochschaut sie ihm nach, wie er die Straße hinuntergeht,bis er schließlich an der nächsten Straßenbiegungverschwunden ist.Zu Hause angekommen trinkt sie erst mal eine DoseBier. Auf EX. Nach dem vierten Bier wird sie endlichetwas ruhiger. Sie fällt in einen dumpfen, unruhigenSchlaf.In der Nacht schläft sie unruhig. Sie hat schrecklicheAlpträume. Immer wieder erscheint ihr Timo imTraum. Mit schmerzverzerrtem Gesicht starrt er siean. Wie ein Ertrinkender. Er ruft sie um Hilfe. Dochsie rettet ihn nicht. Sie kann ihm nicht helfen. Siekann sich nicht bewegen. Sie möchte um Hilfeschreien. Doch sie kann nicht. Sie ist wie gelähmt, ineiserne Ketten gelegt. Hilflos muß sie mitansehen,wie er vor ihren Augen versinkt. Noch einmal erscheintsein todtrauriges Gesicht vor ihren Augen.Dann ist er plötzlich verschwunden.Am nächsten Morgen erwacht Lene mit einem tierischenKater. Sie hat schreckliche Kopfschmerzen.Höllentief schluchzend zu neuem Leben erwacht, sofühlt sich Lene. Sie liebt solche sarkastischen Wortspiele.Es hilft ihr, die Verzweiflung zu ertragen. Esist heute Samstag, der 17. September. Ein trüberSpätsommertag. Nach dem Aufstehen raucht sieerst mal zwei Zigaretten,trinkt eine halbeKanne Kaffee.Schwarz, auf nüchternenMagen. Sie hatkeinen Appetit. Ihr istkotzübel. Sie hat keineLust. Zu rein garnichts. Sie zieht sichdann trotzdem an.Beim Bäcker kauft siesich die neueste Zeitung.Auf Seite Zweiliest sie von demneuen Antidiskriminierungsgesetz.Niemanddarf auf Grund seinerBehinderung diskriminiert werden. Eigentlich einegute Sache, denkt Lene. Sie blättert dann weiter.Zielstrebig sucht sie nach den Wohnungsanzeigen.Sie will es jetzt wissen. Jetzt erst recht! Sie telefoniertden ganzen Morgen. Zwischendurch muß sieimmer wieder an Timo denken. Die meisten Vermieterfragen sie gleich nach ihrem Beruf und verlangeneine Einkommensbescheinigung. Lene ist dannjedesmal ganz verlegen, legt einmal vor Schreckgleich wieder auf. Beim siebten Anruf hat sie endlichGlück. Frau Tischbein, so heißt die Vermieterin, istsehr freundlich zu ihr am Telefon. Das mit der Sozialhilfesei auch kein Problem für sie. Gleich amMontag solle sie doch bei ihr vorbeischauen. AmMontag ist Lene schon ganz früh auf den Beinen.Die Sonne lacht freundlich zum Fenster herein, alssie die Vorhänge ihrer Mansarden aufzieht. Gut gelauntzieht sie sich an, macht sich im Bad frisch undfrühstückt dann gemütlich und ausgiebig. Schon umfünf vor zehn ist sie bei Frau Tischbein. Frau Tischbeinist eine ältere Dame mit einem altmodischenKnoten im ergrauten Haar. Der Sohn von Frau Tischbeinist auch da. Er nennt sie Mütterlein, sie sagtmütterlich Wölfi zu ihm. Etwas sonderbar findetLene das schon. Doch die beiden machen einengutmütigen Eindruck auf sie. Etwas skurril zwar,aber auf eine merkwürdig vertrauenswürdige Artund Weise. Sie solle doch erst mal mit dem Sozial-<strong>Klinke</strong> 31

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