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Falsch verbunden - RZ User

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nem Interkorporations-Workshop<br />

veranstaltet von schlagenden<br />

Verbindungen in Frankfurt/Main<br />

im Oktober 1988 unter<br />

Beteiligung von Führungskräften<br />

aus Industrie und Politik,<br />

schätzten die Anwesenden,<br />

dass von den 160.000 Korporierten<br />

ca. 40.000 in leitenden<br />

Positionen zu finden seien. 9<br />

1981 waren von 1744 befragten<br />

Führungskräften 14,7 %<br />

korporiert, unter den akademischen<br />

Führungskräften waren<br />

es sogar 21,5%. 10 Dass es in<br />

Korporationen Seilschaften,<br />

Vetternwirtschaft und elitäre<br />

Standesdünkel gibt wird auch<br />

von diesen selbst kaum ernsthaft<br />

bestritten, oftmals sogar<br />

offensiv gerechtfertigt.<br />

Für den Politikwissenschaftler<br />

Robert Erlinghagen<br />

aus Siegen<br />

befriedigen die<br />

Studentenverbindungen<br />

den<br />

"Wunsch nach<br />

Eliten-Bildung. In<br />

anderen Ländern,<br />

etwa den<br />

USA oder Frankreich,übernehmen<br />

besondere<br />

Ausbildungsstätten<br />

diese Funktion."<br />

11<br />

Wie begründen<br />

die Studentenverbindungen<br />

nun Nepotismus<br />

und Elitedünkel?<br />

Mit der Öffnung<br />

der Hochschulen seit den 60er<br />

Jahren und damit wesentlich<br />

höheren Studierendenzahlen,<br />

wurde deutlich, dass ein akademischer<br />

Abschluss keine Garantie<br />

mehr für eine Führungsposition<br />

bedeutet. Hinzu kam<br />

oftmals aus den schon bestehenden<br />

Eliten die Kritik, dass<br />

eine akademische Qualifikation<br />

nicht ausreiche, vielmehr besondere<br />

Persönlichkeiten gesucht<br />

würden, idealisiert durch<br />

Begriffe wie Widerstandskraft<br />

und Charakterfestigkeit, bis hin<br />

zur Missachtung, gar Verachtung<br />

der Massen. Diese mas-<br />

senfeindliche Charakterbildung<br />

ist konsequent, wenn man davon<br />

ausgeht, dass ja nur eine<br />

kleine, exklusive Gruppe dazu<br />

berufen ist, die Gesellschaft zu<br />

führen. Die rot-grünen Eliteapologeten<br />

meinen durch Förderung<br />

von Sozialkompetenz und<br />

Verantwortungsbewusstsein in<br />

den Funktionseliten demokratisch-liberale<br />

Persönlichkeiten<br />

ausbilden zu können, welche<br />

sich der sozialen Ungleichheit<br />

in der Gesellschaft zumindest<br />

bewusst sind. Korporationen<br />

wie die Deutsche Burschenschaft<br />

propagierten dagegen in<br />

den 90er Jahren offen "Die<br />

Masse links liegen lassen" auf<br />

ihren Plakaten und marschieren<br />

weiter nach rechts außen. Das<br />

Gefühl der besonderen Auserwähltheit<br />

innerhalb der Gesellschaft<br />

und die Rechtfertigung<br />

elitärer Privilegien wurde von<br />

Korporationen auch nach 1945<br />

zuweilen sozialdarwinistisch<br />

begründet:<br />

"Die Masse ist nicht besonders<br />

klug. Die Masse ist noch weniger<br />

fleißig, und am allerwenigsten<br />

ist sie ausdauernd. Die<br />

Schwachen suchen das Kollektiv,<br />

um in der Addition der Masse<br />

sich stark zu fühlen […] Dieser<br />

Masse gegenüber steht jene<br />

'Elite', die - ich wiederhole es -<br />

in jeder Gesellschaft vorhanden<br />

sein muß, um eine Ordnung in<br />

Freiheit und Recht zu gewährleisten<br />

[…] Es gibt eine nobilitas naturalis,<br />

eine natürliche Nobelheit,<br />

eine natürliche Berufung und Eignung<br />

zur Führung." 12 , schrieb 1966<br />

in Academia der CVer Prof. Hettlage,<br />

damals Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.<br />

Qua natura, sprich durch die Geburt,<br />

sind von der korporierten Elite<br />

nicht nur "die Massen", sondern<br />

vor allem Frauen (und in geringerem<br />

Ausmaße Nichtdeutsche) ausgeschlossen,<br />

da sie in fast allen<br />

Verbindungen nicht Mitglied werden<br />

können, vor allem nicht in den<br />

großen waffenstudentischen und<br />

den konfessionellen Verbänden,<br />

welche den Pool für die Selektion in<br />

Politik und Kapital bilden. Auch<br />

Kriegsdienstverweigerer können in<br />

vielen Korporationen, welche das<br />

Bekenntnis zum Vaterland und die<br />

Verteidigung jenes mit der Waffe<br />

fordern, nicht Mitglied werden. So<br />

reduziert sich die selbsterklärte<br />

nobilitas naturalis schon mal auf<br />

deutlich weniger als 50 % der Studierenden.<br />

Neben dieser rein formalen Exklusion<br />

streben die meisten Korporationen<br />

die Vermittlung spezifischer<br />

Werte an, welche verinnerlicht und<br />

tradiert werden um eine Loyalitätsbildung<br />

nach innen sowie weiteren<br />

Abgrenzung nach Außen zu fördern.<br />

Es sei heute die Aufgabe der<br />

Reader des AStA Uni Hamburg zum Verbindungs(un)wesen<br />

9) Dr. Baulder (GermaniaeHohenheim)/H.<br />

Stöckl (Bavariae<br />

München)/G.<br />

Junkers (Frankoniae<br />

Darmstadt), Interkorporations-Workshop<br />

von Waffenstudenten<br />

aus der Industrie<br />

in Frankfurt,<br />

BBl. 2/1989, S. 17<br />

10) Ursula Hoffmann-Lange:<br />

Eliten,<br />

Macht und Konflikt in<br />

der Bundesrepublik,<br />

Opladen 1992<br />

11) Zit. nach: Darmstädter<br />

Echo am<br />

5.11.2001<br />

12) Zit. n. Linke Liste<br />

Aachen (Hg.), Die<br />

Elite der Nation bekennt<br />

Farbe, Aachen<br />

1986<br />

15

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