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Porträt<br />
Die Platte Lebt<br />
Im Juni feiert der Dreesch sein 40-jähriges<br />
Bestehen: Vereinschefin Hanne Luhdo bringt das<br />
Mit- und Füreinander im Stadtgebiet voran<br />
Das Programm für die Festwoche<br />
steht. Wenn der Dreesch am 18.<br />
Juni sein 40jähriges Bestehen zu<br />
feiern beginnt, werden beim Sommerfest<br />
im Stadtteiltreff „Eiskristall“<br />
auch Miss und Mister Dreesch<br />
gekürt. Nicht körperliche Schönheit<br />
soll im Finale den Ausschlag geben.<br />
Stattdessen werden Dreesch-Bewohner<br />
gekürt, die mit Talent auf sich<br />
aufmerksam machen und gern in<br />
der Plattenbausiedlung leben. Hanne<br />
Luhdo, die Vereinsvorsitzende<br />
des Vereins „Die Platte lebt“, hatte<br />
die Idee für den Wettbewerb. Sie<br />
ist überzeugt davon, dass sie mit<br />
derartigen Aktionen das Image<br />
des <strong>Schwerin</strong>er Stadtteils aufpolieren<br />
kann. Mit einem hohen Migrantenanteil,<br />
vielen Arbeitslosen<br />
und Hartz-IV-Empfängern sei der<br />
Dreesch ein problematisches Stadtquartier.<br />
Doch es gibt auch viel Erfreuliches:<br />
Im Quartier Seeterrassen<br />
beginnt die Wohnumfeldverbesserung;<br />
die Promenade zwischen Berliner<br />
Platz und Plater Straße wird<br />
fertig gestellt; mit der Sanierung der<br />
Turnhalle in der Eulerstraße endet<br />
die Erneuerung der Grundschule<br />
am Mueßer Berg; eine neue Kita<br />
entsteht; Anfang des Jahres startete<br />
die Wohnumfeldgestaltung im<br />
Physikerquartier. Doch nicht allein<br />
bauliche Veränderungen lassen das<br />
Negativ-Image des Stadtgebietes<br />
schwinden. Auch im Mit- und Füreinander<br />
– so empfindet es Hanne<br />
Luhdo – passiert eine Menge. Sie<br />
selbst kennt zahlreiche Migranten-<br />
Familien, in denen sich Eltern sehr<br />
dafür stark machten, dass ihre Kinder<br />
hiesige Bildungsmöglichkeiten<br />
nutzen. Eine Lehrerin der Lindgren-<br />
Schule hat ihr erst jüngst bestätigt,<br />
dass Kinder aus solchen Familien<br />
bei Sport-, Musik- und Mathewettbewerben<br />
für vordere Plätze der<br />
Schule sorgen.<br />
Wir sind zum Kaffee bei Hanne<br />
Luhdo verabredet. Ihren Laptop<br />
Morgens schwingt sich Hanne Luhdo<br />
aufs Rad, fährt ins Stadtteilbüro von<br />
Neu Zippendorf und Mueßer Holz<br />
und schaut um die Mittagszeit meist<br />
im Eiskristall am Berliner Platz vorbei<br />
– dem Kommunikationstreff des Vereins<br />
„Die Platte lebt“<br />
auf dem Esstisch im Wohnzimmer<br />
schiebt die dunkelhaarige Frau mit<br />
roter Brille beiseite, wir wechseln<br />
auf das rote Sofa und zum roten<br />
Kaffeegeschirr. Ihre Lieblingsfarbe?<br />
Hanne Luhdo erklärt ihre Freude an<br />
kräftigen Tönen mit ihrem Sternbild<br />
Widder. Wenn sie etwas anpackt,<br />
dann richtig. Sie scheut sich nicht<br />
vor Verantwortung, liebt Herausforderungen.<br />
Ihre Arbeit als Stadtteilmanagerin<br />
im Mueßer Holz und<br />
ihr Engagement als Vorsitzendes des<br />
Vereins „Die Platte lebt“ versteht sie<br />
so. Als sie sich nach ihren Journalistenjahren<br />
beim Rundfunk in Leipzig,<br />
Neubrandenburg und Rostock<br />
und wechselnden Anstellungen in<br />
den Nachwendejahren 2005 für<br />
die Arbeit als Stadtteilmanagerin<br />
bewarb, habe sie durchaus Zweifel<br />
gehabt. Wird sie sich nach so vielen<br />
Jahren selbständiger Ideenumsetzung<br />
nicht eingeengt fühlen? Doch<br />
zum Glück arbeitet sie an einer „langen<br />
Leine“, zum Glück geht es um<br />
mehr als Häuser und Straßen. Die<br />
Menschen, die hier leben, wachsen<br />
ihr ans Herz. Für sie kann sie etwas<br />
bewegen. So engagiert sie sich<br />
über den Feierabend hinaus, tritt<br />
dem Verein „Die Platte lebt“ bei,<br />
übernimmt mit ihrer Stadtteilma-<br />
Seite 24<br />
April 2011<br />
AusgAbe 31<br />
Wenn auf dem Dreesch etwas los ist, dann ist die Stadtteilmaus MueZi oft mit<br />
von der Partie. Foto: Verein „Die Platte lebt“ e.V.<br />
nagerkollegin Ingrid Schersinski aus<br />
Neu Zippendorf dessen Vorstand.<br />
Ich die Buchstaben, du die Zahlen<br />
– mit dieser Aufgabenteilung fahren<br />
die beiden Frauen und der heute 55<br />
Mitglieder zählende Verein gut. Das<br />
Kommunikations- und Kulturzentrum<br />
„Eiskristall“, sozusagen das<br />
Vereinshaus, bietet tagtäglich Lebensberatung<br />
für alle „Schieflagen“<br />
an – wie Hanne Luhdo das nennt,<br />
lädt zu Bürgersprechstunden,<br />
Platten-Frühstück, Stammtisch,<br />
Politikergespräch, Talk-Runden, Samowarnachmittagen<br />
und Familienfeiern<br />
ein. Oft greift Hanne Luhdo<br />
in solchen Momenten zum Mikrofon.<br />
Sie übernimmt die Regie, moderiert<br />
oder trägt gar eigene Lieder<br />
und Gedichte vor. Fragen stellen,<br />
gut zuhören – diese Gabe aus Journalistenzeiten<br />
hat sie sich bewahrt.<br />
Nicht nur für heitere Stunden,<br />
sondern auch für ernste Probleme.<br />
2009 beispielsweise rief sie gemeinsam<br />
mit Heiko Lietz einen Runden<br />
Tisch „Soziales“ ins Leben. Einmal<br />
im Monat reden sie nun mit Vertretern<br />
von Politik, Kirchen und Vereinen<br />
über Themen wie Trinkerecken<br />
in den Stadtteilen, Hartz IV oder<br />
Kinderarmut.<br />
Schon vor dem Sofa-Gespräch in<br />
der <strong>Schwerin</strong>er Gartenstadt ist klar,<br />
dass bei dem vielfältigen sozialen<br />
Engagement von Hanne Luhdo<br />
manches nur an-, nicht aber ausführlich<br />
besprochen werden kann.<br />
Nach unserem Gespräch kommt<br />
vom „<strong>Schwerin</strong>er Turmblick“, dessen<br />
vierteljährliches Erscheinen<br />
Hanne Luhdo redaktionell leitet,<br />
eine E-Mail. „Ich lebe zwar nicht<br />
(mehr) in der Platte“, schreibt sie:<br />
„Aber ich verbringe dort mehr Zeit<br />
als zu Hause.“