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Bäume und Mauern<br />
Augen sehen<br />
PARKOUR n Der Berner Traceur Roger Widmer lernt beim Springen fürs Leben. Es sollte eine Reportage<br />
werden über die Trendsportart Parkour, die durch Filme wie den neusten James-Bond-Streifen<br />
immer mehr Anhänger findet. Es wurde eine Begegnung mit einem authentischen, jungen Mann<br />
und ein Gespräch über ängste, Herausforderungen und die Auseinandersetzung mit sich selber.<br />
sei. Während des Sprungs dann erlebe er eine Leere – «oder vielleicht<br />
ist es auch eine Fülle». Ein Flow-Gefühl, wo die Zeit keine<br />
Rolle spiele.<br />
Roger Widmer geht noch einen Schritt weiter und sagt:<br />
«Diese Auseinandersetzung mit dir hilft dir auch im Alltag weiter.»<br />
Zum Beispiel? «Bei einem Vorstellunsgespräch etwa», sagt<br />
Roger Widmer. Diese Situation sei ähnlich wie vor einem Sprung:<br />
Man weiss, was man kann, sei das Französisch sprechen oder den<br />
Katzensprung. Aber die Situation ist neu, man weiss nicht, wie sie<br />
ausgeht, hat Angst vor dem Versagen. Bei Parkour übe man ständig<br />
solche Situationen. «Die Teilerfolge und das Wissen um die<br />
eigenen Schwächen und Stärken machen selbstsicher.» Widmer<br />
fügt ein anderes Beispiel an: «Vor vier Jahren hätte ich mich kaum<br />
getraut, zu Aeschbacher in die Sendung zu gehen», sagt er. «Ich<br />
hätte mir Gedanken gemacht, was all die Zuschauer über mich<br />
denken werden.» Doch als vor einem halben Jahr die Anfrage<br />
kam, sagte Widmer zu. Herausforderungen anzunehmen, das<br />
gehöre auch zu Parkour. Parkour sei eben mehr als eine Sportart,<br />
sei eine Lebenseinstellung.<br />
Und mit welcher Einstellung gehen Traceure durchs<br />
Leben? «Die Grundregel ist Bescheidenheit», sagt Widmer. «Wir<br />
können nie jedes Hindernis überwinden, bleiben also immer<br />
Lehrlinge.» Weiter zählt er Respekt, Offenheit, Ehrlichkeit, Höflichkeit,<br />
Mut und Tapferkeit auf. Wenn Roger Widmer das sagt,<br />
wirkts nicht aufgesetzt. Er ist wirklich höflich – oder wer fragt im<br />
Handyzeitalter noch, ob er einen Anruf entgegennehmen könne,<br />
wenn das Handy mitten im Gespräch klingelt? Wie er offen über<br />
Ängste und Fehler spricht, imponiert. Er versucht nicht cool oder<br />
trendy zu sein, ist sich selber – ein 25-jähriger Berner, der täglich<br />
nach Zürich pendelt, weil ihm die Hochschule für Gestaltung<br />
und Kunst dort zusagt. Nebenbei arbeitet er als selbstständiger<br />
Goldschmied. Er wohnt im Weiler Tägertschi, weil ihm Münsingen<br />
zu hektisch war. Wenn man ihm zuhört, merkt man: Da<br />
Roger Widmer: «Wir können<br />
nie jedes Hindernis überwinden,<br />
bleiben also immer Lehrlinge.»<br />
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spricht einer von eigenen Erlebnissen und Erfahrungen. «Es ist<br />
schade, dass viele Leute ‹würde› und ‹hätte› sagen, statt umzusetzen»,<br />
sagt er.<br />
Durch Parkour hat er andere kennengelernt, die handeln<br />
statt reden. Einer davon ist Steven Käser. Die beiden sind die<br />
Aushängeschilder der Schweizer Traceure. Sie haben sich vor