Die Entstehungsgeschichte von DEGWVorwort von Frank DuffyDrei frühe Erfahrungen z<strong>um</strong> Thema Office Designprägten nicht nur meine eigene Karriere als Architektund „workplace strategist“, sondern auch <strong>die</strong> von mirmitbegründete Firma DEGW, <strong>die</strong> heute eines der führendenBeratungsunternehmen im Bereich Architektur undDesign ist.Die erste Erfahrung machte ich im Jahr 1962. Ich warnoch Student an der Architectural Association School inLondon. In jenen Tagen war in Großbritannien das ThemaOffice Design, anders als der Wohnungsbau, alles andereals in Mode. Als wir mit dem Entwurf für ein Bürogebäudebeauftragt wurden, war ich zutiefst erstaunt darüber, dasswir, abgesehen von der Vorgabe eine 15.000 m 2 großeBürofläche in hervorragender Londoner Lage zu gestalten,weder Nutzerdaten noch sonstige Briefing-Informationenzu dem Gebäude erhielten. Doch wie soll man ohne einenutzerbasierte Zielsetzung vorgehen?Glücklicherweise fiel mir ein Artikel von Reyner Banhamin der Oktoberausgabe von The Architectural Reviewaus dem Jahr 1962 in <strong>die</strong> Hände, der sich mit eineminnovativen deutschen Phänomen im Bereich OfficeDesign, der „Bürolandschaft“ (von Banham ins Englischemit „office landscape“ übersetzt), beschäftigte. <strong>Der</strong> demArtikel beigefügte, auf den ersten Blick unscheinbareGrundriss zog meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich:Ein tiefer, nicht-rechteckiger Grundriss, in dem Arbeitsplätzein völlig freier, gleichsam fließender Weise angeordnetwaren, und so, einem kybernetischen Netzwerkgleich, Knoten- und Verbindungspunkte bildeten. Diegroße Idee dahinter war, wenn das Bürogebäude alsWerkzeug für den Informationsaustausch betrachtetwird, dann muss <strong>die</strong> Form des Gebäudes notwendigerweisefrei und durchgehend sein, also „open plan“, undso untereinander verbunden sein, dass <strong>die</strong>s den Datenflussentscheidend verbessert.2
Natürlich war ich zu <strong>die</strong>ser Zeit noch völlig unbedarft imHinblick auf Bürogestaltung und Organisationsstrukturen.Im Sommer 1963 erhielt ich jedoch – ermöglicht durchein Empfehlungsschreiben des Bauhaus ArchitektenArthur Korn – ein Stipendi<strong>um</strong>, das mir einen Stu<strong>die</strong>naufenthaltin Deutschland ermöglichte. Ziel meines Aufenthaltswar <strong>die</strong> Besichtigung und Bewertung einer Reihevon Bürogebäuden, errichtet nach den Konzepten „openplan“ und „Bürolandschaft“. Diese Gebäude wurdenalso von innen nach außen entwickelt, auf der Basis vonAnalysen der Kommunikations- und Interaktionsmusterder Benutzer, anders also, als <strong>die</strong> von Grundstücksentwicklernerarbeiteten Konzepte, <strong>die</strong> damals in Großbritanniendominierten: Fokussiert auf das Äußere undorientiert an finanziellen Kriterien.Meine zweite Erfahrung mit dem Thema erfolgte 1968,als ich als Promotionsstudent an der Princeton Universityin den USA war. Ich wurde eingeladen, über meine Forschungsarbeitim Bereich Office Design vor Mitarbeiternder New Yorker Firma JFN Associates, Ra<strong>um</strong>planern undInnenarchitekten, zu sprechen. Damals hatte ich nochkeine Ahnung, wie hoch entwickelt das Thema „SpacePlanning“ in den USA bereits war. Mir wurde schnell eineTeilzeitstelle als Berater angeboten. Dort lernte ich denWert einer guten Arbeitsbeziehung zwischen den beidengleichermaßen starken wie unabhängigen Polen desRingens <strong>um</strong> den Entwurf zu schätzen. <strong>Der</strong> erste ist <strong>die</strong>starke Beziehung zwischen Grundstücksentwicklern undArchitekten, und der zweite das ebenso kräftige Bandzwischen den gewerblichen Nutzern und den Ra<strong>um</strong>planernund Innenarchitekten. Während der erste Pol dazu<strong>die</strong>nte, <strong>die</strong> langfristige Investition zu schützen, war derzweite auf <strong>die</strong> kürzerfristigen mieterseitigen Interessenausgerichtet. In typischem „Yankee“ Einfallsreicht<strong>um</strong>erlaubte <strong>die</strong>ses System aufgrund der unterschiedlichenLebensdauer der jeweiligen Entwurfsentscheidungenbeiden Richtungen, einander zu ergänzen und dennochunabhängig voneinander zu agieren, noch dazu, ohnein der Praxis viel miteinander sprechen zu müssen. Einesolche Arbeitsteilung in der Bürora<strong>um</strong>gestaltung gab eszu <strong>die</strong>ser Zeit in Europa noch ka<strong>um</strong>.Eine dritte Erfahrung sammelte ich 1971, als ich vonPrinceton nach Europa zurückkehrte. Meine Dissertationwar bereits in fortgeschrittenem Stadi<strong>um</strong>. Darin wollte ichversuchen, unterschiedliche Bürogrundrisse im Hinblickauf unterschiedliche Organisationsstrukturen zu erklären.Dabei war mein Forschungsprojekt tatsächlich alsGegenreaktion auf <strong>die</strong> konventionelle „Bürolandschaft“gedacht. Ziel der zugrunde liegenden Frage war, zu verstehen,wie eine angeblich empirische Entwurfsmethodezu einem Einheitsentwurf hatte führen können, der dannüberall angewendet wurde. Zunächst war ich weiter beiJFN beschäftigt, <strong>die</strong> kurz vorher eine europäische Niederlassungeröffnet hatten. In der Finanzkrise des Jahres1973 entstand daraus das heute bekannte Büro DEGW.Europäischer Hauptkunde von JFN war IBM, das zu<strong>die</strong>ser Zeit gerade sehr schnell in Europa expan<strong>die</strong>rte.Die ersten Projekte einer neuen Generation von „openplan“ Büroprojekten wurden in Helsinki, Mailand undAmsterdam realisiert. Diese Projekte für <strong>die</strong>sen Kunden,zu <strong>die</strong>ser Zeit und in <strong>die</strong>sen Städten boten das perfekteUmfeld, <strong>um</strong> den enormen Einfluss organisatorischerund kultureller Unterschiede auf das Office Design inEuropa zu untersuchen. Meine New Yorker Erfahrungeneines eher homogenen Office Design Prozesses, <strong>die</strong> ichin Princeton in ein <strong>the</strong>oretisches Regelwerk zu fassenversucht hatte, wurden so in idealer Weise ergänzt. Auf<strong>die</strong>se Erfahrungen blicke ich mit Respekt zurück. DEGWhatte das unglaubliche Glück, mehr als einmal zur richtigenZeit am richtigen Ort vertreten gewesen zu sein.3