tersen und Pastor Jan Teichmann am H<strong>in</strong>richtungsort während e<strong>in</strong>er Gedenkstunde. Unter vielen Ehrengästen waren der Bischofsbevollmächtigte des Sprengels Schleswig und Holste<strong>in</strong> Gothart Magaard, der Konsul des polnischen Generalkonsulats Hamburg Andrzej Kuzma, der <strong>in</strong> Polen gebürtige Haddebyer Pastor Witold Chwastek, Kreispräsident Eckhard Schröder, Amtsvorsteher Herbert Jensen und die Vorsitzende des Sieverstedter Kirchenvorstandes Katr<strong>in</strong> Mordhorst anwesend. Der Historiker Claus Olsen aus Flensburg und der ehemalige Bürgermeister Hartwig Wilckens hatten diesen Vorgang historisch aufgearbeitet. Der frühere Sieverstedter Pastor Johannes Ahrens hatte die Setzung e<strong>in</strong>es Stolperste<strong>in</strong>s nach e<strong>in</strong>em Vortrag von Hartwig Wilckens und der anschließenden Diskussion mit den Konfirmanden vorgeschlagen. Auch sie wohnten als Ehrengäste der feierlichen Gedenkstunde bei. „Nur wer die Geschichte kennt, wird die Zukunft friedlich und zu unser aller Wohl verantwortungsvoll gestalten können“, me<strong>in</strong>te Bürgermeister F<strong>in</strong>n Petersen am Schluss se<strong>in</strong>er Gedenkrede, bevor er vor der ergriffenen und schweigsamen Versammlung mit dem Pastor Jan Teichmann den Gedenkste<strong>in</strong> im Fußweg zwischen der alten Schule und dem Schwimmbad setzte: „Jan Lewkowiec – H<strong>in</strong>richtung – 12. März 1941“. Der polnische Konsul, der Bischofbevollmächtigte und der Bürgermeister legten anschließend Rosen am Gedenkste<strong>in</strong> nieder. Nach e<strong>in</strong>em Moment stillen Gedenkens sprachen die beiden Pastoren Teichmann und Ahrens und die Kirchenvorstandsvorsitzende Mordhorst Friedensgebete. „Verleih uns Frieden ewiglich“, dieses von Pastor Teichmann a cappella vorgetragene Lied leitete über <strong>in</strong> das Gebet Vaterunser, zuerst <strong>in</strong> polnischer Sprache von Pastor Chwastek vorgetragen und dann von allen versammelten Gästen auf Deutsch gesprochen. Mit dem Segen des Bischofsbevollmächtigten Magaard endete die feierliche Gedenkstunde für Jan Lewkowiec am Ort der H<strong>in</strong>richtung. Man begab sich <strong>in</strong> die Altentagesstätte. Der Historiker Claus Olsen schlug <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gedenkrede das schwierige Kapitel der deutsch-polnischen Beziehungen auf. Viele polnische Kriegsgefangene waren schon gleich <strong>in</strong> der ersten Kriegszeit nach Schleswig-Holste<strong>in</strong> gekommen. Auf der Kleidung mit der Aufschrift „P“ gekennzeichnet, mussten sie ihre Arbeitskraft hergeben unter Vorenthaltung jeglicher Rechte. Selbst mit dem Fahrrad zu fahren, war ihnen strengstens untersagt. Schon das kle<strong>in</strong>ste Vergehen wurde drakonisch bestraft. In den Polenerlassen und der Polenstrafrechtsordnung äußerte sich der Terror des Regimes mit der beliebigen Verhängung von Strafen. Das Delikt „Rassenschande“, nämlich der Umgang e<strong>in</strong>es Zwangsarbeiters mit e<strong>in</strong>er Deutschen, führte zu e<strong>in</strong>er Sonderbehandlung, die Mord bedeutete. In Sieverstedt führte die Gestapo aus Kiel die Vollstreckung durch. Die Gendarmerie sperrte die Straße ab. Die Bevölkerung wurde vom Geschehen ferngehalten. Aber Sieverstedt war nicht nur die e<strong>in</strong>zige H<strong>in</strong>richtungsstätte, <strong>in</strong>sgesamt s<strong>in</strong>d 14 Vollstreckungen im Raum um Flensburg/ Schleswig bekannt. Claus Olsen g<strong>in</strong>g dann auf die Verantwortlichen e<strong>in</strong> und wies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er erschreckenden Auflistung nach, dass alle Beteiligten niemals e<strong>in</strong>e Strafe erhielten, sondern <strong>in</strong> den ersten Jahrzehnten der jungen Bundesrepublik sogar Mitarbeiter demokratischer Parteien wurden, ihren Beruf unbehelligt ausüben konnten und als geachtete Bürger starben. E<strong>in</strong> weiteres Kapitel widmete der Historiker dem Verhalten der e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung auf dem Lande und zeigte hier e<strong>in</strong> versöhnliches Bild. Die <strong>in</strong> der Heimat Verbliebenen begegneten den Zwangsarbeitern überwiegend als Mitmenschen. Sie ließen die Gefangenen am geme<strong>in</strong>samen Küchentisch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Mahlzeit mitessen, wie auch auf dem Hof <strong>in</strong> Sieverstedt, auf dem Jan Lewkowiec arbeitete. E<strong>in</strong> gesonderter Tisch, an dem man eigentlich e<strong>in</strong>e Mahlzeit m<strong>in</strong>derer Qualität e<strong>in</strong>nehmen sollte, wurde allerd<strong>in</strong>gs bereitgehalten für den Fall e<strong>in</strong>er plötzlichen Überprüfung. Jan Lewkowiec durfte als tief gläubiger Katholik sogar manchmal <strong>in</strong> der Sieverstedter Kirche beten, was den Zwangsarbeitern eigentlich verboten war. Manch heimliche Paare überlebten das Kriegsende und blieben zusammen. Mit dem im März 1945 geschriebenen Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ des von der Gestapo e<strong>in</strong>gesperrten und zu Tode verurteilten Pastors Dietrich Bonhoeffer beendete Claus Olsen se<strong>in</strong>e Gedenkrede. Mit der Schilderung se<strong>in</strong>er Motivation „Tatenloses Zusehen und stumpfes Zuschauen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e christlichen Handlungen“ eröffnete Hartwig Wilckens se<strong>in</strong>en Bildervortrag „Gegen das Vergessen – Mord vor der Haustür“. Er begann mit dem Foto der alten, noch heute mit Reet gedeckten Schule von Sieverstedt, deren Klassenräume seit 1939 durch den Umzug <strong>in</strong> die neu erbaute Schule am westlichen Ortsrand frei geworden waren und nun als Lager für 25-30 Kriegsgefangene dienten, auch für Jan Lewkowiec. Von hier wurde er morgens zur Arbeit auf den Bauernhof unter Bewachung e<strong>in</strong>es Wehrmachtsangehörigen geführt und hierh<strong>in</strong> kehrte er abends wieder unter Bewachung zurück. Auf weiteren Bildern waren Verhaltensregeln für die Gefangenen, e<strong>in</strong> Arbeitsbuch für Ausländer, Lagergeld, das Merkblatt über die sexuelle Vere<strong>in</strong>igung Gefangener mit deutschen Frauen, die Aufnäher „P“ und „OST“ für die Kleidung der Zwangsarbeiter zu sehen. Hartwig Wilckens zeigte aber auch Bilder von der geme<strong>in</strong>samen Feldarbeit der E<strong>in</strong>heimischen und der Gefangenen. Dabei praktizierter mitmenschlicher Umgang wurde vom Staat argwöhnisch beobachtet. Noch e<strong>in</strong>mal g<strong>in</strong>g er auf den Vorfall <strong>in</strong> Sieverstedt e<strong>in</strong>. Am 5. September 1940 wurde das verliebte Paar <strong>in</strong> der Toilette entdeckt, herausgeholt und lautstark zurechtgewiesen. E<strong>in</strong> abholender Gefreiter wurde Zeuge und meldete es sogleich dem Lagerleiter. Schon am nächsten Tag brachte man Jan Lewkowiec nach Schleswig <strong>in</strong> das Stammlager am Heesterberg, die junge Frau wurde <strong>in</strong> der Nacht von der Gestapo abgeholt und kam <strong>in</strong>s Gefängnis nach Flensburg. Am H<strong>in</strong>richtungstag ungefähr fünf Monate später wurden Gefangene aus Boll<strong>in</strong>gstedt, Gammellund, Brekl<strong>in</strong>g, Berend, Schuby, Lürschau, Arenholz, Schaalby und Moldenit herangefahren. 22 Die Gefangenen aus den umliegenden Dörfern erreichten zu Fuß unter Bewachung den H<strong>in</strong>richtungsort <strong>in</strong> Sieverstedt. „Vergegenwärtigungen“ nannte der Bischofsbevollmächtigte Magaard se<strong>in</strong> Thema, <strong>in</strong> denen er auf Bezugspunkte zwischen den damaligen Ereignissen und heutigen Herausforderungen e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g. Er dankte im Namen des Sprengels den Sieverstedter Bürgern für ihr Engagement: „Was passiert ist, darf nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Nebel entschw<strong>in</strong>den.“ In Sieverstedt sei e<strong>in</strong> bemerkenswertes Beispiel dafür gegeben worden, wie Menschen solch grauenvollen Ereignissen nachgehen können. Tief berührt habe ihn das von se<strong>in</strong>em Kollegen Jan Teichmann am Gedenkste<strong>in</strong> gesprochene Wort: „Wenn man nach unten schaut, bedeutet dies auch e<strong>in</strong>e Verbeugung vor den Opfern.“ Gerade weil es nie leicht sei, sich den dunklen Seiten der Geschichte zu stellen, könne man dankbar dafür se<strong>in</strong>, was hier <strong>in</strong> Sieverstedt aufgearbeitet worden sei. Er g<strong>in</strong>g auf die Gedenkstätte Ladelund e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der aktive Versöhnungsarbeit mit den holländischen Nachbarn geleistet werde. Die Anwesenheit des polnischen Konsuls Kuzma werte er nicht als selbstverständlich, sondern als Zeichen der Versöhnung. Die Neulandhalle <strong>in</strong> Dithmarschen, deren Architektur Ausdruck der Blut- und Boden-Ideologie sei, solle e<strong>in</strong> Ort des Begegnens und Lernens werden. Die Nordelbische Kirche sei noch lange nicht mit der Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit fertig. Man müsse zu e<strong>in</strong>er Kultur der Vorsicht, Umsicht und Rücksicht gelangen, zu e<strong>in</strong>er Kultur des langen und nicht kurzen Prozesses. Die Summe e<strong>in</strong>zelner kle<strong>in</strong>er Taten sei auch verhängnisvoll. „Die H<strong>in</strong>richtung wollte wohl ke<strong>in</strong>er, und ke<strong>in</strong>er konnte sie verh<strong>in</strong>dern“, me<strong>in</strong>te der Bischofsbevollmächtigte zum Schluss. „Geben Sie uns noch zehn M<strong>in</strong>uten“, baten die Pastoren Jan Teichmann und Johannes Ahrens und bewegten die Gäste an den Tischen zu e<strong>in</strong>em Austausch zu den Fragen „Wo sehe ich die Gefahrenherde von heute oder von morgen?“ und „Wie kann ich am besten tatenloses Zusehen verh<strong>in</strong>dern?“. Die Kirchenvorstandsvorsitzende Katr<strong>in</strong> Mordhorst hatte zu Beg<strong>in</strong>n die Ehrengäste begrüßt. In der langen Liste hieß sie sie nun ebenfalls herzlich willkommen die Pröpst<strong>in</strong> Carmen Rahlf, den Vorsitzenden der Deutsch-polnischen Gesellschaft Horst Röper, den Leitenden Verwaltungsbeamten Stefan Ploog, Ulrike Skehr und Claudia Koch von der Kulturstiftung des Kreises Schleswig-Flensburg sowie Vertreter der Geme<strong>in</strong>de, der Schule und der Feuerwehr. Am Morgen des Volkstrauertages hatte es <strong>in</strong> der St.-Petri-Kirche e<strong>in</strong>en Gottesdienst gegeben, <strong>in</strong> dem sich Pastor Jan Teichmann mit der Problematik Gewalt und friedliches Zusammenleben ause<strong>in</strong>andersetzte. Im Anschluss an den Gottesdienst g<strong>in</strong>gen Bürgermeister F<strong>in</strong>n Petersen und Pastor Jan Teichmann an den Ehrenmälern <strong>in</strong> Sieverstedt und Süderschmedeby erneut auf dieses Thema e<strong>in</strong>. Kränze der Kirchengeme<strong>in</strong>de, der politischen Geme<strong>in</strong>de und des Sozialverbandes wurden niedergelegt. Conta<strong>in</strong>ergestellung kostenlos · Schrottabbrüche
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