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Interdisziplinarität: Forschen in den Zwischenräumen

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18 varia scientia halensis 4/2012<br />

Kapriolen der Baugeschichte<br />

Im Heft 3/2012 begann Günter Kowa se<strong>in</strong>en Rundgang über <strong>den</strong> We<strong>in</strong>berg Campus. Im zweiten Teil se<strong>in</strong>er<br />

Architekturkritik schreibt er über das Biologicum, Biotechnikum und Biozentrum, über das Max-Planck-Institut<br />

und die We<strong>in</strong>berg Mensa. Zwischen stürzen<strong>den</strong> L<strong>in</strong>ien und Stahlblech f<strong>in</strong>det er Spuren von Bauhaus,<br />

DDR-Moderne und der „architecture brut“.<br />

Max-Planck-Institut für<br />

Mikrostrukturphysik<br />

(Foto: M. Deutsch)<br />

Im ersten Teil se<strong>in</strong>er Architekturkritik<br />

schreibt Günter<br />

Kowa über die Ursprünge des<br />

We<strong>in</strong>berg Campus und plädiert<br />

„wider das Symmetrie-<br />

Diktat“:<br />

WEBCODE MAG� 14465<br />

QR� CODE<br />

Das Biotechnikum und das Max-Planck-Institut für<br />

Mikrostrukturphysik s<strong>in</strong>d bei weitem die ehrgeizigsten<br />

der technoid auftrumpfen<strong>den</strong> Bauten der<br />

neunziger Jahre auf dem We<strong>in</strong>berg-Campus. Doch<br />

sie führen auch tief <strong>in</strong> die Anfänge von dessen Architekturgeschichte<br />

zurück.<br />

So knüpft Richard Pentlehner mit se<strong>in</strong>em Neubau<br />

von 1995 bis 1999 für das Max-Planck-Institut<br />

nicht nur an die dekonstruktivistische Ader se<strong>in</strong>es<br />

Stuttgarter Lehrers Günter Behnisch an, sondern<br />

er schlägt auch buchstäblich die Brücke zu e<strong>in</strong>em<br />

Gebäude, das mit dem Namen Franz Ehrlich (1907-<br />

1984) verbun<strong>den</strong> ist. Der <strong>in</strong> der DDR zu Ehren<br />

gekommene Bauhaus-Schüler gilt als Ideengeber<br />

für das Gebäude des vormaligen Instituts für Elektronenmikroskopie<br />

von 1961, an das Pentlehners<br />

Neubau nun andockt.<br />

E<strong>in</strong>ziger s<strong>in</strong>nlicher Reiz <strong>in</strong> Ehrlichs schlichtem Bau ist<br />

die leichtfüßig geschwungene Freitreppe im Foyer.<br />

Dieses <strong>in</strong> Ost wie West zeittypische Architekturelement<br />

zählt aber auch Treppenhäuser wie das von<br />

Sagebiel im Kas<strong>in</strong>obau zu se<strong>in</strong>en Ahnen (1937, siehe<br />

Teil I <strong>in</strong> Heft 3/2012), übertragen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e moderate<br />

Moderne. Pentlehner macht im Foyer se<strong>in</strong>es Max-<br />

Planck-Flügels daraus e<strong>in</strong>e im Raum schwebende<br />

Glas- und Stahlkonstruktion. Innen von konventioneller<br />

Bürostruktur, spielt der geschwungene Riegelbau<br />

außen <strong>in</strong> Behnisch-Manier mit stürzen<strong>den</strong><br />

L<strong>in</strong>ien und e<strong>in</strong>er auf „arm“ getrimmten Optik von<br />

Stahlblech und Sperrholz.<br />

Ehrlich brach mit der stal<strong>in</strong>istischen Phase der<br />

DDR-Nachkriegsarchitektur. Deren Kapriolen s<strong>in</strong>d<br />

am Chemischen Institut zu Ste<strong>in</strong> gewor<strong>den</strong>. An<br />

diesem Bau setzt der hallesche Architekt Wolfgang<br />

Fraustadt 1952 bis 1955 die Berl<strong>in</strong>er Vorgaben der<br />

„Nationalen Tradition“ um, verkörpert etwa von der<br />

Stal<strong>in</strong>-Allee oder dem Wiederaufbau Magdeburgs.<br />

Doch 1965 fügt Fraustadt das Pharmazeutische<br />

Institut als Querriegel an – nun <strong>in</strong> re<strong>in</strong>ster DDR-<br />

Moderne. Der Bruch geht auch durch die Kunst<br />

am Bau: historisierendes Mosaik im Foyer der Chemie,<br />

geometrische Abstraktion am Schaugiebel der<br />

Pharmazie, die im Foyer zeittypische Details wie die<br />

kelchförmigen, <strong>in</strong> Mess<strong>in</strong>g gefassten Deckenlampen<br />

wahrt.<br />

Von der Mensa gegenüber, e<strong>in</strong>em Flachbau des<br />

Dresdner Architekten Ulf Zimmermann von 1972<br />

bis 1974, haben hallesche Projektierungsbüros nach<br />

dem Umbau 1998 bis 2005 dagegen kaum mehr<br />

als die Form übrig gelassen. Wo Zimmermann <strong>den</strong><br />

aufgesockelten Quader <strong>in</strong> Waschbeton ausführte<br />

und mit e<strong>in</strong>em Fensterband sowie Stahlprofilen<br />

gliederte, lassen sie seltsamerweise Spiegel über die<br />

glatt weiß verputzte Fläche tanzen. Zimmermanns<br />

Mensa war baugleich mit fünf anderen, die er zwischen<br />

1968 und 1977 mit jeweils abgewandelter<br />

Ausstattung baute. Orig<strong>in</strong>al erhalten ist nur die <strong>in</strong><br />

Dres<strong>den</strong>. Letztlich an Mies van der Rohe und Le<br />

Corbusier geschult, bezeugten sie <strong>den</strong> Drang der<br />

DDR, zur Moderne aufzuschließen.<br />

In ihrer Endzeit baute die DDR unter anderem im<br />

Rückgriff auf die „Architecture brut“ der siebziger<br />

Jahre, so am Institutskomplex am Hohen Weg 8 und<br />

am Biotechnikum am We<strong>in</strong>bergweg. Horst Letzel<br />

und das „Wohnungsbaukomb<strong>in</strong>at Halle“ wer<strong>den</strong><br />

als Urheber dieser riegelförmigen, horizontal gegliederten<br />

Hochbauten genannt. Baugebun<strong>den</strong>e<br />

Kunst heftet ihnen e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Thematik<br />

an. Als Schlaglichter auf die Vorwendezeit s<strong>in</strong>d<br />

im Haus Hoher Weg 8 Uwe Pfeifers allegorisches<br />

Wandbild und im Foyer die Glaswand von „Burg“-<br />

Glasgestalter Rüdiger Re<strong>in</strong>er von Interesse. Am<br />

We<strong>in</strong>bergweg setzt Jürgen Kunz’ Umbau des straßenseitigen<br />

Laborflügels von 1998 „organismische

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