Altes Hospiz, St. Gotthard - CAS Architekten
Altes Hospiz, St. Gotthard - CAS Architekten
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Holzbulletin<br />
98/2011<br />
Umbauen<br />
und Sanieren<br />
Nationales Zentrum Bewegung ATD ‹Vierte Welt›, Treyvaux<br />
<strong>Altes</strong> <strong>Hospiz</strong>, <strong>St</strong>. <strong>Gotthard</strong><br />
Haus Bregger und Restaurant Salzhaus, Solothurn<br />
Pfarrhaus <strong>St</strong>. Josef, Zürich<br />
Zunfthaus zur Zimmerleuten, Zürich<br />
Ein grosses Dach vereint die Gebäudeteile von Kapelle und <strong>Hospiz</strong> auf dem <strong>St</strong>. <strong>Gotthard</strong>,<br />
wodurch ein markanter Fixpunkt in der mythenbeladenen alpinen Landschaft entsteht.<br />
Architektur: Miller & Maranta, Basel
<strong>Altes</strong> <strong>Hospiz</strong>, <strong>St</strong>. <strong>Gotthard</strong><br />
Der <strong>Gotthard</strong>pass ist einer der symbolträchtigsten<br />
Alpenübergänge der Schweiz. Die<br />
Erneuerung des Alten <strong>Hospiz</strong>es – im August<br />
2010 wurde es als Dreisternhotel mit vierzehn<br />
Zimmern neu eröffnet – trägt der<br />
Bedeutung des Ortes umfassend Rechnung.<br />
Die ästhetisch schlüssige optische Neufassung<br />
und Zentrierung des Ensembles schafft<br />
mit ihrer ausdrucksstarken Dachkonstruktion<br />
einen markanten Fixpunkt in der mythenbeladenen<br />
alpinen Landschaft.<br />
Der <strong>Gotthard</strong> ist seit Jahrhunderten die<br />
wichtigste Verkehrsader zwischen der italienisch-<br />
und der deutschsprachigen Schweiz<br />
und gleichzeitig auch eine bedeutende Verbindung<br />
im innereuropäischen Verkehrsnetz.<br />
Die umfangreichen Festungsbauwerke der<br />
Schweizer Armee zeugen eindrücklich von<br />
der Bedeutung des <strong>Gotthard</strong>übergangs nicht<br />
nur in kultureller und politischer, sondern<br />
auch in militärischer Hinsicht.<br />
Die <strong>St</strong>rasse über den <strong>Gotthard</strong> war über<br />
die Jahrhunderte einem fortlaufenden baulichen<br />
Wandel unterworfen, der den jeweils<br />
aktuellen Reisebedürfnissen und technischen<br />
Möglichkeiten Rechnung zu tragen hatte.<br />
Die Vielzahl der über den Pass führenden Wege<br />
und <strong>St</strong>rassen belegt diese wechselvolle Geschichte<br />
ebenso wie die zahlreichen Zeitschichten,<br />
die das Gebäudeensemble zwischen<br />
den zwei Seen aufweist.<br />
Die Ankunft auf der Passhöhe wird baulich<br />
von der Alten Sust und dem Hotel <strong>St</strong>. <strong>Gotthard</strong><br />
geprägt. Das Alte <strong>Hospiz</strong> liegt etwas<br />
zurückversetzt hinter diesen Bauten und hat<br />
mit seiner hohen, nach Süden gerichteten<br />
2064<br />
Giebelfassade eine bedeutsame Fernwirkung.<br />
An der Nordseite umschliesst das Gebäude<br />
die kleine Kapelle aus dem 16. Jahrhundert.<br />
Ursprünglich als Haus des Priesters 1623 erbaut,<br />
wurde es im 18. Jahrhundert nach dem<br />
Niedergang der Lawine vom Monte Prosa als<br />
eigentliches Kapuzinerhospiz neu aufgebaut.<br />
Das Gebäude wurde nach und nach vergrössert<br />
und den Bedürfnissen angepasst. Nach<br />
dem grossen Brand von 1905 wurde die innere<br />
<strong>St</strong>ruktur vollständig ersetzt und die Kapelle<br />
mit einer mehrgeschossigen Aufstockung<br />
überbaut.<br />
Das ortsbauliche und architektonische Potential<br />
des heutigen Alten <strong>Hospiz</strong>es liegt einerseits<br />
im trutzigen Ausdruck des Bauvolumens auf<br />
der dem harten Bergklima ausgesetzten Passhöhe<br />
und andererseits in der aufrechten,<br />
Richtung Süden zeigenden Hauptfassade mit<br />
ihren gedrungenen Fensteröffnungen. Diese<br />
Elemente prägen sich dem Reisenden als Erinnerung<br />
an den bedeutungsvollen Ort ein<br />
und transportieren mit dem Gestus des Gebäudes<br />
die Symbolik des Ortes.<br />
Der Eingriff will diesem prägenden Charakter<br />
gerecht werden und mit dem notwendigen<br />
Respekt vor dem kulturellen Denkmal eine<br />
neue Zeitschicht mit angemessenen Mitteln<br />
hinzufügen. Diese baulichen Massnahmen<br />
umfassen einerseits das Entfernen verunklärender<br />
Teile und andererseits eine gezielte<br />
<strong>St</strong>ärkung der ortsbaulichen und architektonischen<br />
Wirkung, ohne jedoch die historische<br />
Bedeutung und architektonische Form kompromittieren<br />
zu wollen.<br />
Die Aufstockung der Kapelle aus dem frühen<br />
20. Jahrhundert wurde volumetrisch reduziert,<br />
was dem Sakralbau seine Bedeutung zurückgibt.<br />
Die bislang getrennt wahrgenommenen<br />
Gebäudeteile von Kapelle und <strong>Hospiz</strong> werden<br />
nun unter einem grossen, mit Blechbahnen<br />
aus Blei belegten Dach vereint, wobei sich die<br />
neu eingefügte Nutzung als Hotel in den aufgesetzten<br />
Dachgauben manifestiert. An der<br />
um ein Geschoss erhöhten Hauptfassade lassen<br />
sich die verschiedenen Zeitschichten der<br />
letzten Jahrhunderte ablesen, indem den heute<br />
schon unterschiedlichen Fenstertypen ein<br />
zeitgenössischer hinzugefügt wurde.<br />
Die Einrichtung eines zeitgemässen Hotelbetriebes<br />
in der zu Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
eingebauten <strong>St</strong>ruktur hätte so tiefgreifende<br />
Umbaumassnahmen zur Folge gehabt, dass<br />
ihr Erhalt nicht sinnvoll erschien. Daher wurde<br />
die innere Raumstruktur bis auf das erste<br />
Obergeschoss zurückgebaut, wobei die Fassaden<br />
bestehen blieben. Die ersten zwei<br />
Geschosse sind massiv ausgeführt; darüber ist<br />
innerhalb der umfassenden Fassaden eine<br />
Holzkonstruktion in <strong>St</strong>änderbauweise mit Bohlenfüllung<br />
eingestellt, wie sie im Kanton Uri<br />
seit dem 15. Jahrhundert verwendet worden<br />
ist. Genauso wie die traditionelle Anwendung<br />
dieser Konstruktion nur für Innenwände galt,<br />
ist das neue Holztragwerk zwischen die umfassenden<br />
Fassaden eingefügt und mit liegenden<br />
Bohlen ausgefacht. Diese Trockenbauweise<br />
ermöglichte das Fabrizieren der Holz-<br />
konstruktion im Tal und eine verkürzte Bauzeit<br />
während der kurzen schneefreien Periode im<br />
Sommer. Zugleich erlaubt die gedämmte Holzkonstruktion<br />
eine energetische Optimierung<br />
des Gebäudes, so dass es heute mit Erdwärme<br />
beheizt werden kann.
Unter der mächtigen Fassade betritt der Gast<br />
durch die alte Holztüre das Gebäude und gelangt<br />
über die historische Treppe in das Obergeschoss,<br />
in welchem gemeinschaftliche Räume<br />
angeordnet sind. Eine grössere <strong>St</strong>ube mit<br />
dem alten, wieder instand gesetzten Ofen<br />
sowie zwei kleinere Seitenkammern mit Lesezimmer<br />
und Teeküche werden zu einem Ort<br />
der Begegnung in dem auch zur Sommerzeit<br />
eher unwirtlichen Klima auf der Passhöhe.<br />
In den darüber liegenden Geschossen sind auf<br />
beiden Seiten des langgezogenen, verputzten<br />
Korridors die Gästezimmer angeordnet.<br />
Der Gast betritt aus dem Flur – wie in einem<br />
Wohnhaus – direkt sein Zimmer, welches über<br />
ein kleines Fenster belichtet wird. Dem mit<br />
einem Sessel und einer Kommode für die Kleider<br />
des Reisenden möblierten Zimmer sind<br />
in einer alkovenartigen Erweiterung eine Bettnische<br />
und als abgeschlossene Einheit der<br />
Nassraum angefügt. Die massive Holzkonstruktion<br />
fasst die intimen Gästezimmer ein<br />
und verleiht ihnen einen urtümlichen Charakter.<br />
Die Zimmer sind mit wenigen Möbeln<br />
zurückhaltend möbliert und erinnern so an<br />
die Geschichte des Hauses als einfaches Gasthaus.<br />
Die giebelständige Südfassade aus<br />
Bruchsteinmauerwerk wurde um ein Geschoss<br />
erhöht. Ein auf das Mauerwerk aufgesetztes,<br />
umlaufendes Betonband bildet den Abschluss<br />
der Fassaden rings um das Gebäude. Es<br />
sichert die Mauerkrone und dient der Aufnahme<br />
der Schubkräfte des neuen Dachstuhls.<br />
Die neuen Fassadenbereiche wurden mit einem<br />
neuen, rauhen Putz überzogen, welcher<br />
sich in seiner <strong>St</strong>ruktur am bestehenden<br />
Charakter orientiert.<br />
Die Baustruktur bis und mit erstes Obergeschoss<br />
ist als Massivbau erstellt. Die betonierte<br />
Decke über dem ersten Obergeschoss trennt<br />
die Gemeinschaftsräume der ersten beiden<br />
Geschosse von den darüber liegenden Hotelzimmern.<br />
Diese wurden in der schon beschriebenen<br />
<strong>St</strong>änderbauweise mit Bohlenfüllung<br />
errichtet. Die <strong>St</strong>änder bilden die Tragstruktur<br />
für die neuen Holzdecken der Hotelzimmer<br />
und werden im Dachgeschoss zum Auflager<br />
für die hölzerne Dachkonstruktion. Die Raumtrennung<br />
erfolgt durch die in die <strong>St</strong>änder eingelegten<br />
Bohlen. Der Zwischenraum zwischen<br />
der neuen, innenliegenden Holzkonstruktion<br />
und dem bestehenden Mauerwerk ist gedämmt,<br />
was das Gebäude wärmetechnisch<br />
aufwertet. Die Korridorwände sind aufgrund<br />
der feuerpolizeilichen Vorschriften in Ortbeton<br />
erstellt und mit einem Naturputz belegt.<br />
Die Kapelle blieb nahezu unberührt. Einzig<br />
die Wandoberflächen wurden von Feuchteschäden<br />
befreit und mit einer etwas abgetönten<br />
Keimfarbe neu gestrichen, und die bestehenden<br />
Sockelleisten des Granitbodens<br />
wurden entfernt, um die massive Erscheinung<br />
des Bodens zu verstärken.<br />
Situation
Ort <strong>St</strong>.-<strong>Gotthard</strong>-Pass, 6780 Airolo<br />
Bauherrschaft Fondazione Pro San Gottardo, Airolo<br />
Bauherrenvertretung/Projektkoordination Architekt Franco Poretti, Lugano<br />
Architektur Miller & Maranta, dipl. <strong>Architekten</strong> ETH BSA SIA, Basel;<br />
Mitarbeit: Quintus Miller, Paola Maranta, Jean-Luc von Aarburg<br />
Bauleitung <strong>CAS</strong> <strong>Architekten</strong>, Altdorf<br />
Bauingenieur Conzett Bronzini Gartmann AG, Chur<br />
Bauphysik BWS Bauphysik AG, Winterthur<br />
Ingenieur HLKS Visani Rusconi Talleri SA, Lugano<br />
Holzbauingenieur Conzett Bronzini Gartmann AG, Chur<br />
Holzbau ARGE URI: Gebr. Bissig Holzbau, Altdorf, Herger & Co. GmbH,<br />
Spiringen, und Paul <strong>St</strong>adler Zimmerei, Flüelen<br />
Materialien Bauholz: <strong>St</strong>änderholz 30 m 3 , Brettschichtholz<br />
und Bodendielen 90 m 3 ; Bohlenbretter 40 mm 35 m 3 ,<br />
Schalung 30 mm 25 m 3 ; OSB 15 mm 600 m 2<br />
Baukosten BKP 1–9 CHF 5,4 Mio.<br />
Baukosten BKP 2 CHF 4,2 Mio.<br />
davon BKP 214 CHF 600 000.– (inkl. Mwst.)<br />
Bruttogeschossfläche 1020 m 2<br />
Gebäudevolumen SIA 416 3285 m 3<br />
Kubikmeterpreis SIA 416 (BKP 2) CHF 1278.–<br />
Bauzeit 1. Bauetappe: Mai–Oktober 2008;<br />
2. Bauetappe: Mai–Oktober 2009; 3. Bauetappe: Mai–Juni 2010;<br />
Fertigstellung: 1. Juli 2010; Eröffnung: 1. August 2010<br />
Fotograf Ruedi Walti, Basel<br />
2066<br />
Erdgeschoss<br />
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1. Obergeschoss<br />
2. Obergeschoss<br />
3. Obergeschoss<br />
4. Obergeschoss<br />
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5. Obergeschoss 10 m
Schnitt 10 m<br />
Dachaufbau von aussen:<br />
Bleiblechbedachung 2–2,5 mm<br />
Trennlage<br />
Holzschalung 30 mm<br />
Entspannungsebene 40 mm<br />
Bituminöse Abdichtung beschiefert<br />
Holzschalung 30 mm<br />
Sparren 260–320 mm/Dämmung<br />
Dichtungsfolie<br />
Installationsebene 40 mm<br />
Holzbohlen 30 mm<br />
Aufbau Aussenwand von innen:<br />
Holzbohlen 40 mm<br />
Lattung 80 mm /Dämmung<br />
OSB 15 mm<br />
Hohlraum 220 mm<br />
Dämmung 160 mm<br />
Betonwand 300 mm<br />
Aussenputz 20 mm<br />
Deckenaufbau von oben:<br />
Massivholzdielen Langriemen 25 mm<br />
Holzfaserdämmung 60 mm<br />
Gartenplatten 50 mm<br />
Kokosfasermatte 5 mm<br />
Massivholzdielen-Decke 100 mm<br />
Deckenaufbau von oben:<br />
Holzdielen Lärche 20 mm<br />
Unterlagsboden 60 mm<br />
<strong>St</strong>ahlbetondecke 160 mm<br />
Deckenaufbau von oben:<br />
Massivholzdielen Langriemen 25 mm<br />
Holzfaserdämmung 60 mm<br />
<strong>St</strong>ahlbetondecke 280 mm