Demoskopie und Demokratie
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Obwohl keine gesellschaftliche Ordnungsstruktur den idealen Gehalt der<br />
Gerechtigkeit verwirklichen kann 7 , muss man sich von diesem Ideal leiten lassen,<br />
sonst würde die Ordnungsstruktur zusammenbrechen 8 .<br />
Das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen verändert sich mit der Zeit sowie<br />
aufgr<strong>und</strong> von Erfahrungen 9 . Besagte individuelle Veränderungen verursachen<br />
gesellschaftliche Veränderungen 10 . Immanuel Kant geht von der moralischen<br />
Autonomie des einzelnen Individuums aus 11 <strong>und</strong> leitet eine Regelung des<br />
Zusammenlebens über die Universalisierung von Handlungsmaximen in Form des<br />
Kategorischen Imperativs ab 12 . Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Gesellschaft<br />
mehr ist als nur die Summe ihrer Teile, denn die Gesellschaft konstituiert sich erst<br />
durch die Verbindung ihrer subjektiven Teile 13 . In ihr befindet sich eine dialektische<br />
Spannung zwischen Individuum <strong>und</strong> Gesellschaft sowie Sein <strong>und</strong> Sollen 14 .<br />
7 Vgl. Ellscheid, Recht <strong>und</strong> Moral, in: Kaufmann / Hassemer /Neumann (Hrsg.): Einführung in<br />
Rechtsphilosophie <strong>und</strong> Rechtstheorie der Gegenwart, S. 235.<br />
8 Gerichtsprozesse sind ein gutes Beispiel dafür, dass die Menschen nach der idealen<br />
Verwirklichung der Gerechtigkeit suchen.<br />
9 Der Vizepräsident des BVerfG Hassemer spricht in diesem Zusammenhang von der<br />
schwindenden Bindungskraft von Rechtsnormen <strong>und</strong> der Entsolidarisierung der Gesellschaft,<br />
die sich nicht ohne weiteres aufhalten lassen. Eine Stärkung der normativen Parameter<br />
bestimmt den Bestand, die Einheit, Gleichheit <strong>und</strong> Gerechtigkeit einer Gesellschaft. Die<br />
Bürgerrechte in der Verfassung <strong>und</strong> in der europäischen Tradition könnten vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> der Geschichte gerade für Deutsche ein Ferment sein, über das sich<br />
Gemeinschaftlichkeit <strong>und</strong> solidarisches Selbstbewusstsein entwickelt. Die selbstverständliche<br />
Achtung der Rechte anderer ist, so gesehen, auch eine wirksame Barriere gegenüber dem<br />
Zerfall der Gesellschaft, Vgl.: Hassemer, Gefahr heiligt nicht alle Mittel; Weitere Literatur zu<br />
dem Komplex der demokratisch organisierten Herrschaftsmodelle aufgr<strong>und</strong> der sittlichpolitisch-wirtschaftlichen<br />
Änderungen ist zu lesen bei: Höffe, <strong>Demokratie</strong> im Zeitalter der<br />
Globalisierung; Jäger / Hoffmann, <strong>Demokratie</strong> in der Krise? Zukunft der <strong>Demokratie</strong>;<br />
Klingemann /Neidhardt, Zur Zukunft der <strong>Demokratie</strong>; Lüeße, Bürgerverantwortung <strong>und</strong><br />
abnehmende Wahlbeteiligung, S. 83. ff; Iranbomy, Einwanderbares Deutschland, 2. Aufl. S.<br />
110 ff; Jugend <strong>und</strong> Gewalt, 1993, Normenzerfall in der Industriegesellschaft, Das Parlament<br />
vom 07.01.1994, Panorama.<br />
10 In diesem Sinn argumentiert auch Edgar Wolfrum wenn er die demokratische Geschichte der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland beschreibt <strong>und</strong> feststellt: Wer bestehen will, darf sich einem<br />
Wandel nicht verschließen, Tradition ohne Reform verkommt schnell zu einem verwalteten<br />
Irrtum, S. 505; Kleinhenz, Die Nichtwähler: Ursachen der sinkenden Wahlbeteiligung in<br />
Deutschland, S. 67.<br />
11 Hennis / Meier, Politica- Der Herrschaftsvertrag, S. 241 ff.<br />
12 Vgl. Kant, Gr<strong>und</strong>legung zur Metaphysik der Sitten, 1785, 1. Abschnitt. „Ich soll niemals<br />
anders verfahren, als so, dass ich auch wollen könne, meine Maxime solle ein allgemeines<br />
Gesetz werden.“<br />
13 Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 1981 (Gr<strong>und</strong>legung der Intersubjektivität<br />
bei Jürgen Habermas) .<br />
14 Vgl. Keller, In Taumel der Freiheit: <strong>Demokratie</strong> <strong>und</strong> Repräsentation,<br />
S. 189.