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Lorin MaazelLorenz Nasturica-HerschcowiciDaniel Müller-SchottMittwoch, 12. Februar 2014, 20 UhrDonnerstag, 13. Februar 2014, 20 Uhrmphil.de


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Johannes BrahmsVariationen über ein Thema von Joseph HaydnB-Dur op. 56 aJohannes BrahmsKonzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 1021. Allegro2. Andante3. Vivace non troppoJean SibeliusSymphonie Nr. 2 D-Dur op. 431. Allegretto | 2. Tempo andante, ma rubato3. Scherzo: Vivacissimo – Trio: Lento e suave4. Lento – Finale: Allegro moderatoLorin Maazel, DirigentLorenz Nasturica-Herschcowici, ViolineDaniel Müller-Schott, VioloncelloMittwoch, 12. Februar 2014, 20 Uhr5. Abonnementkonzert aDonnerstag, 13. Februar 2014, 20 Uhr6. Abonnementkonzert bSpielzeit 2013/2014116. Spielzeit seit der Gründung 1893Lorin Maazel, ChefdirigentPaul Müller, Intendant


2 Johannes Brahms: „Haydn-Variationen“ B-Dur„Jede einzelne ein Meisterwerk...“Thomas LeibnitzJohannes Brahms(1833–1897)Variationen über ein Themavon Joseph HaydnB-Dur op. 56 a1. Chorale St. Antonii: Andante2. Variation I: Poco più animato3. Variation II: Più vivace4. Variation III: Con moto5. Variation IV: Andante con moto6. Variation V: Vivace7. Variation VI: Vivace8. Variation VII: Grazioso9. Variation VIII: Presto non troppo10. Finale: AndanteLebensdaten des KomponistenGeboren am 7. Mai 1833 in Hamburg; gestorbenam 3. April 1897 in Wien.EntstehungDas Thema seiner im Sommer 1873 in Tutzingam Starnberger See vollendeten sog. „Haydn-Variationen“ hatte Brahms bereits im November1870 in einer sogenannten „Feldpartita“ im Archivder Gesellschaft der Musikfreunde in Wienentdeckt; aus diesem damals noch irrtümlicherweiseJoseph Haydn (1732–1809) zugeschriebenenManuskript exzerpierte er einen „ChoraleSt. Antonii“ für zwei Oboen, drei Fagotte, zweiHörner und ein Serpent – möglicherweise dieMelodie eines Pilgermarsches zu einer Antonius-Kapelle – und legte ihn seinem ersten größerenVariationswerk als Thema zugrunde.UraufführungAm 2. November 1873 in Wien im GroßenMusikvereins-Saal (Wiener <strong>Philharmoniker</strong>unter Leitung von Johannes Brahms); die vomKomponisten parallel zur Orchesterfassungerstellte (gleichberechtigte) Fassung für zweiKlaviere war erstmals am 10. Februar 1874 inWien zu hören.


Johannes Brahms: „Haydn-Variationen“ B-Dur3Verhängnisvolle VorschusslorbeerenDie 1873 entstandenen „Haydn-Variationen“,wie das Werk von Musikern in Kürze genanntwird, waren Brahms’ letzte Etappe auf seinemlangen Weg zur Symphonie: Erst 1876, im Altervon 44 Jahren, trat er erstmals als Komponistvon Symphonien an die Öffentlichkeit. SelbstkritischesAbwägen der eigenen Fähigkeitenmochte ihn zu solcher Zurückhaltung bewogenhaben, wohl aber auch die Vorschusslorbeeren,die ihm bereits 1853 sein Freund und MentorRobert Schumann gespendet hatte und die demjungen Komponisten einerseits die Wege ebneten,andererseits aber auch einen erheblichenErwartungsdruck auferlegten.Es würde und müsse, so schrieb Schumann,„einmal plötzlich einer erscheinen, der denhöchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weiseauszusprechen berufen wäre, einer, der uns dieMeisterschaft nicht in stufenweiser Entfaltungbrächte, sondern, wie Minerva, gleich vollkommengepanzert aus dem Haupte des Kronionspränge“. Und dieser eine, so Schumann, sei tatsächlichgekommen: „Er heißt Johannes Brahms.Wenn er seinen Zauberstab dahin senken wird,wo ihm die Mächte der Massen, im Chor undOrchester, ihre Kräfte leihen, so stehen uns nochwunderbarere Blicke in die Geheimnisse derGeisterwelt bevor.“Auf dem Weg zur SymphonieDie „Mächte der Massen“: Das waren für einenKomponisten des 19. Jahrhunderts die Möglichkeitendes großen Symphonieorchesters.Und die Disziplin, an der er gemessen wurde,war die Gattung der Symphonie, für die Beethovengeradezu unübersteigbare Wegmarkenund Vorbilder gesetzt hatte. So jedenfalls drücktees Johannes Brahms noch zu Anfang der70er Jahre Hermann Levi gegenüber durchausdeprimiert aus: „Ich werde nie eine Symphoniekomponieren ! Du hast keinen Begriff davon,wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immerso einen Riesen hinter sich marschieren hört.“So blieb es zunächst bei nicht ausgeführten Projekten,etwa dem (vergeblichen) Versuch, aus der1854 entstandenen Sonate für zwei Klaviereeine Symphonie zu entwickeln. Um sich auf symphonischemGebiet zu üben, wich Brahms aufandere Gattungen aus: Er schrieb zwei Orchesterserenaden,vor allem aber die schon durchaussymphonisch konzipierten „Variationen überein Thema von Joseph Haydn“. Variationen botendie Möglichkeit, dem Orchester ein Maximuman Schattierungen und Farben abzugewinnen,und die Handhabung dieser orchestralenFarbenpalette bedeutete für Brahms durchausdas Absolvieren eines notwendigen Lernprozesses.Das ihm vertraute und geläufige Instrumentwar das Klavier; es stand zunächst imZentrum seines kompositorischen Denkens. OrchestraleDisposition war eine Kunst, die Brahmsnicht einfach zufiel, sondern um die er sich mühenmusste, und noch in späten Jahren – immerhinwar bereits die 4. Symphonie vollendet – schrieber an Clara Schumann: „Es ist doch was anderes,für Instrumente zu schreiben, deren Artman nur so beiläufig im Kopf hat, die man nur imGeist hört – oder für ein Instrument zu schreiben,das man durch und durch kennt, wie ich


4Johannes Brahms: „Haydn-Variationen“ B-Durdas Klavier, wo ich durchaus weiß, was ichschreibe und warum ich so und so schreibe.“Meisterschaft der VariationWas allerdings Brahms’ innerstem Wesen alsKomponist entsprach, das waren die Prinzipiender Variation, der Umgestaltung, der Neubeleuchtungund Fortentwicklung des musikalischenMaterials. Nicht nur die große Zahl von Variationswerkenin seinem Gesamtwerk macht dies deutlich,sondern mehr noch der Umstand, dass dasvariative Prinzip auch diejenigen Werke strukturellprägt, die nicht ausdrücklich als „Variationen“bezeichnet wurden. Arnold Schönberg, derden von seinen Gegnern als „konservativ“ abgestempeltenBrahms hoch schätzte, würdigte inseiner Schrift „Brahms, der Fortschrittliche“(1933) die konstruktive Dichte des Brahms‘schenVariationsverfahrens und prägte den Begriffder sog. „entwickelnden Variation“ für diesesGrundprinzip seines Komponierens, das auchfür die Neue Musik von maßgeblicher Bedeutungsei.Brahms‘ Orchestervariationen op. 56 a basierenauf einem Thema, das lange Zeit JosephHaydn (1732–1809) zugeschrieben wurde; neuereForschungen haben jedoch ergeben, dasses gar nicht von Haydn stammt. Es handelt sich umden „Chorale St. Antonii“, ein einfaches melodischesGebilde von klar erkennbarer Dreiteiligkeit,wobei die Anfangsmelodie nach einem leichtkontrastierenden Mitteilteil wiederkehrt. Brahmshatte das Thema durch Carl Ferdinand Pohl, denArchivar der Gesellschaft der Musikfreunde,kennengelernt; die schlichte Melodie inspirierteihn zu einer Folge von acht höchst individuellenund freien Variationssätzen, die in einkontrapunktisch fundiertes, triumphales Finalemünden.Weitgespannter InterpretationsbogenDas Thema erscheint zunächst – exakt wie inBrahms‘ Vorlage – in den Bläsern. Aus der Originalhandschriftwird ersichtlich, dass Brahms– auch ein Meister wie er konnte einmal seineMeinung ändern – das Thema zunächst denStreichern zugeteilt hatte, dann aber doch aufdie ursprüngliche Bläserversion zurückgriff. Variation1 führt in der Grundtonart B-Dur Achtelund Triolen gegeneinander, denen die Bläser imHintergrund Tonrepetitionen entgegensetzen.Variation 2 wechselt das Tongeschlecht undgeht nach b-Moll; punktierte Bläserpassagenund Pizzicati der Streicher bestimmen ihren Charakter.Die fließende Melodielinie in Variation3 kehrt nach Dur zurück und lässt zahl reicheOrchesterfarben aufleuchten. Einen dynamischagogischenGegensatz bringt Variation 4; dasThema erscheint hier als schwer mütige Melodie,die von einer Sechzehntellinie kontrapunktiertwird.Vivace lautet die Tempo- und Charakterbezeichnungvon Variation 5, unruhige Akzente und dynamischeWechsel bestimmen das Geschehen.Einen machtvoll-optimistischen Kontrast dazusetzt Variation 6, die von einem marschartigenMotiv dominiert wird und vor allem die Blechbläserzum Einsatz kommen lässt. Das nun folgende,in wiegende Rhythmen und zarte Orchesterfarbengekleidete Siciliano der Varia tion7 ist gleichsam das lyrische Herzstück des


Johannes Brahms (1874)5


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Johannes Brahms: „Haydn-Variationen“ B-Dur7Werks. Bevor das großangelegte Finale erreichtwird, folgt noch die geisterhafte, in fahlen Farbendahinhuschende Variation 8, die den „Interpretationsbogen“der Ausgangsmelodie vielleichtam weitesten spannt. Die abschließende Chaconne– ein Formtyp, der auf einem ständigwiederkehrenden Bassthema beruht – gibt BrahmsGelegenheit, nochmals alle Register seiner kontrapunktischenMeisterschaft zu ziehen und dasWerk mit der triumphalen Wiederkehr des Choralthemaszu beenden.Begeisterung und ZurückhaltungDie „Haydn-Variationen“ wurden am 2. November1873 in Wien im Großen Saal des Musikvereinsuraufgeführt; Brahms selbst dirigierte.Durchaus begeistert äußerte sich der Rezensentder Tageszeitung „Die Presse“: „Auch für einewirkliche Neuigkeit war Sorge getragen; diezweite Nummer bildete eine Composition vonBrahms, nämlich Variationen über ein Themavon Joseph Haydn, welche jetzt zum erstenmaleunter der persönlichen Leitung des HerrnBrahms aufgeführt wurde. Diese Variationenentfalten eine Reihe von interessanten Genrestücken,jede einzelne ein Meisterwerk hinsichtlichdes instrumentalen Colorits, die sich sämmtlichaber zu einem einheitlichen Tonbilde zusammenschließen.Der Schlusssatz namentlich ist vonungemein imposanter Wirkung.“von Jos. Haydn und man muss sagen, er hatseine Sache ganz vortrefflich gemacht. In diesemGenre liegt ganz entschieden die starkeSeite dieses Componisten, denn er ist von Hauseaus eigentlich arm an Erfindung, aber er hatviel gelernt und hat eine edle, dem Gemeinenfernab liegende Richtung; er ist ein durchgebildeterGeist und verfügt über eine Technik,wie wenige der jüngeren Zeitgenossen.Wird sein Geist nun von dem Strahl eines anderen,höheren Geistes berührt, so scheint erdann sogar in eigenem Lichte zu glänzen...“ Wiesehr Brahms freilich zu „eigenem Lichte“ fähigwar, zeigte er ab 1876 mit seinen Symphonien,zu denen die „Haydn-Variationen“ als großangelegtesund meisterhaftes Präludium überleiten.Wesentlich verhaltener fiel die Reaktion desKritikers der Zeitung „Das Vaterland“ aus; Brahmserhielt eine Art von Lob, die eher als Herabwürdigungaufgefasst werden konnte: „AufMozart folgte Brahms mit einem Variationenwerk.Er schrieb Variationen über ein Thema


8 Johannes Brahms: Doppelkonzert a-Moll„Meine letzte Dummheit:ein Konzert für Geige und Cello !“Klaus DögeJohannes Brahms(1833–1897)Konzert für Violine, Violoncello und Orchestera-Moll op. 1021. Allegro2. Andante3. Vivace non troppoLebensdatenGeboren am 7. Mai 1833 in Hamburg; gestorbenam 3. April 1897 in Wien.EntstehungDas sogenannte „Doppelkonzert“ ist nicht nurBrahms’ letztes Instrumentalkonzert, sondernsein letztes Orchesterwerk überhaupt. Es entstand1887 während Brahms’ zweitem Sommeraufenthaltin Thun am Thuner See / Schweiz infolgeder beglückenden Erfahrungen der fünften(seiner insgesamt acht) Italienreisen, die er im Frühjahr1887 mit seinem Verleger Fritz Simrock unternommenhatte. Ursprünglich als Solokonzert fürden Cellisten Robert Hausmann (1852–1909)geplant, Mitglied des berühmten Joachim-Quartetts, wurde das Werk schließlich um einenbedeutenden Violinpart zum Doppelkonzert erweitert– eine bewusste Geste der Versöhnungmit dem Geigenvirtuosen, Quartett-Primarius,Komponisten, Professor und Direktor der BerlinerMusikhochschule Joseph Joachim (1831–1907),mit dem sich Brahms wegen seiner in allerÖffentlichkeit ausgetragenen Ehekrise zerstrittenhatte.WidmungAuf der Titelseite des Partitur-Erstdrucks, denBrahms seinem langjährigen Freund JosephJoachim schenkte: „An den / für den es geschrieben/ mit herzlichen Grüßen / J. Br.“ ImDruck und gegenüber der Öffentlichkeit vermiedder Komponist allerdings jegliche Anspielungauf eine Widmung.UraufführungAm 18. Oktober 1887 in Köln im Großen Gürzenich-Saal (Kölner Gürzenich-Orches ter unter Leitungvon Johannes Brahms; Solis ten: Joseph Joachim,Violine, und Robert Hausmann, Violoncello).Dieser ersten öf fentlichen Aufführung war am23. Septem ber 1887 in Baden-Baden vor einemkleinen Kreis geladener Gäste, darunter ClaraSchumann, eine interne Voraufführung vorausgegangen(Kur orchester Baden-Baden unterLeitung von Johannes Brahms; Solisten: JosephJoachim, Violine, und Robert Hausmann, Violoncello).


Johannes Brahms: Doppelkonzert a-Moll9Ein Cellokonzert vonJohannes Brahms ?Die Entstehungsgeschichte des Doppelkonzerts,jener letzten Konzert- und Orchesterkompositionvon Johannes Brahms überhaupt, ist nurspärlich dokumentiert. Feststeht, dass Brahmssein Opus 102 im Sommer 1887 am Thuner Seein der Schweiz niederschrieb, wo er seine damaligenSommerferien verbrachte. Mitte Juliwurde die Komposition abgeschlossen, AnfangAugust war die Partitur beendet. Dass er dabei,wie Brahms-Biograph Max Kalbeck behauptete,auf Material zurückgriff, das ursprünglich füreine „5. Symphonie“ gedacht war, lässt sichdurch keine Quelle belegen und muss als pureSpekulation angesehen werden.Die Anregung zum Opus 102 und zur Wahl derGattung „Konzert“ dürfte von Robert Hausmann(1852–1909) ausgegangen sein. Dieser mit demKomponisten befreundete Cellist wirkte seit1876 als Lehrer an der Königlichen Hochschulefür Musik in Berlin und wurde von 1879 an Mitglieddes berühmten Joachim-Quartetts. SeinSpiel, seine virtuose, stets aber musikalischeinfühlsame Art des Vortrags wurde von Brahmshoch geschätzt. Für Hausmann komponierteBrahms denn auch im Sommer 1886 – in dem ersich ein erstes Mal am Thuner See aufgehaltenhatte – seine 2. Violoncello-Sonate F-Dur op. 99,die er im November 1886 zusammen mit demBerliner Cellisten in Wien uraufführte. Auch musser – wohl veranlasst durch eine Bitte Hausmanns– damals schon seit einiger Zeit mit dem Gedankengespielt haw ben, ein Violoncello konzertzu schreiben.Zerreißproben einer FreundschaftSo wollte in ihrem Brief vom 4. Dezember 1884seine enge Freundin Elisabet von Her zogenbergvon Brahms wissen, ob es denn stimme, dasser an einem Cellokonzert arbeite. Und in seinemSchreiben an Robert Hausmann vom 10. August1887 hoffte der Komponist, Hausmann möge esihm nicht übel nehmen, dass er zu dem versprochenen„V’Cell-Conzert gar noch eine Solo-Violine nehme…“ Ursache für die Konzeptionsänderungvom ursprünglich geplanten Solokonzertfür Violoncello hin zum Doppelkonzert für Violineund Violoncello – eine in der Spätromantik kaumnoch geläufige Besetzung – war der Geigenvirtuose,Quartett-Primarius, Komponist, Professorund Direktor der Berliner Musikhochschule,Joseph Joachim (1831–1907).Kennengelernt hatte Brahms diesen aus Ungarnstammenden und nur um zwei Jahre älterenGeiger 1853 in Hannover, wo Joachim als Konzertmeisterwirkte. Von der kompositorischen Begabungvon Brahms überzeugt – „Brahms istein ganz ausnahmsweises Kompositionstalent,und seine Natur […] rein wie Demant, weich wieSchnee“ – , öffnete Joachim dem noch relativunbekannten Brahms die Türen zum Hause FranzLiszts und Robert Schumanns und damit letztendlichden Weg zum Durchbruch. Es war derBeginn einer tiefen Freundschaft, der manchesKammermusikwerk und natürlich auch das ViolinkonzertD-Dur op. 77 seine Entstehung verdankten.Doch 1880, in Zusammenhang mit Joachimsaus krankhafter Eifersucht entspringender Ehekrise,in der der Komponist Partei für die der Untreuebezichtigte Ehefrau, die Altistin AmalieJoachim, geb. Schneeweiß, ergriff – ein dies-


10 Johannes Brahms: Doppelkonzert a-Mollbezüglicher Brahms-Brief vom Dezember 1880spielte beim Scheidungsprozess zugunsten AmalieJoachims eine wichtige Rolle – , kam es zumBruch der Freundschaft: Der jahrzehntelangeund sehr vertraut geführte Briefwechsel erloschfür längere Zeit, man ging sich – wie etwa beiBrahms’ Berlin-Besuch Anfang 1884 – aus demWege, und jede Kleinigkeit – wie etwa ein nichtangenommener Handschlag im Jahr 1883 – wurdeals kränkende Beleidigung angesehen.„Lustiger Einfall“ oder„Letzte Dummheit“ ?Angesichts dieser nicht geringen Spannungenmusste Brahms’ Situation im Jahr 1887 wie eine„Zwickmühle“ erscheinen: Denn hätte er wie versprochenein Cello-Konzert für Hausmann, denCellisten des Joachim-Quartetts (!), komponiert,hätte sich dessen Primarius übergangen, zurückgesetztund aufs Neue tief verletzt fühlen können.Es blieb, um beide Beteiligten gleichermaßenzufrieden und ruhig zu stellen, nur ein Ausweg.Der eines Doppelkonzerts für Violine und Violoncello.Als „lustigen Einfall“ hat Brahms dieseLösung in seiner mitunter humoristischen ArtClara Schumann gegenüber beschrieben; als„meine letzte Dummheit“ bezeichnete er sie ineinem Brief an seinen Verleger Simrock; und anJoseph Joachim schrieb er am 24. Juli 1887:„Aber mache Dich auf einen kleinen Schreckge fasst ! Ich konnte nämlich derzeit den Einfällenzu einem Konzert für Violine und Violoncellonicht widerstehen, sosehr ich es mir auchimmer wieder auszureden versuchte.“Trotz der auffälligen Tatsache, dass Brahmsin seinem Doppelkonzert das Solo-Cello, dassich als erstes im Kopfsatz musikalisch vorstelltund das im ganzen Konzert jeweils als erstesder beiden Solo-Instrumente die musikalischenThemen einführt, der Solo-Violine gegenüberetwas „bevorzugt“ behandelt, hatte Joachimdennoch keinen Grund, sich zu beklagen. Gabes doch in seinem Part eine Reihe von speziellen„Joachim-Andeutungen“: Etwa die auf seineigenes „Violinkonzert in ungarischer Weise“op. 11 anspielenden Ungarismen im 3. Satz; oderetwa Original und Varianten des „F-A-E-Motivs“– eine aus des jungen Joachim Devise „Frei,Aber Einsam“ gebildete Tonfolge – im Verlaufdes ganzen Werks; oder auch die zitat artige Anspielungim Hauptthema des 1. Satzes auf denBeginn des Violinkonzerts Nr. 22 a-Moll vonGiovanni Battista Viotti, eines erklärten Lieblingsstücksvon Joachim.Versöhnungstreffen in Baden-BadenDass Brahms beide Solisten bat, sich die Solostimmedurchzusehen und ihm – wo nötig – hinsichtlichder Streicherfiguren Änderungsvorschlägezu unterbreiten, muss nicht verwundern:Brahms war Pianist, und trotz aller Instrumentationserfahrungenwar ihm, wie er damals ClaraSchumann wissen ließ, bewusst, dass es etwasanderes sei, „für Instrumente zu schreiben,deren Art und Klang man nur so beiläufig imKopf hat, die man nur im Geist hört – oder fürein Instrument zu schreiben, das man durch unddurch kennt, wie ich das Klavier, wo ich durchausweiß, was ich schreibe und warum ich esso und so schreibe.“ Auch seine brieflich übermittelteIdee eines Durchspielens und Probensdes neuen Werks dürfte damit zusammengehangenhaben. Ihr wurde sowohl von Hausmanns


Johannes Brahms (1889)11


12Johannes Brahms: Doppelkonzert a-Mollals auch von Joachims Seite zugestimmt. Als gemeinsamerTreffpunkt ergab sich das Sommerhausvon Clara Schumann in Baden-Baden – die Besitzerinwar natürlich anwesend. Am 20. September1887 probte Brahms mit Hausmann am Klavier,einen Tag später kam Joachim hinzu. Manche Abänderungin der Partitur, die in den Druck von 1888einfloss, dürfte auf dieses Proben zurückgegangenund damals vor genommen worden sein.Am 23. September schließlich fand im Ballsaal„Louis XV.“ eine Versuchsaufführung mit demBaden-Badener Kurorchester statt. Ein Anwesendererinnert sich: „Die Musiker, zum Teil hervorragendeKünstler, empfanden es als Erquickungim gleichmäßigen Tagesdienst, einmalunter Brahms’ Leitung zu spielen. Joachim undHausmann waren als Solisten herbeigeeilt, und inder ersten Reihe der zwanglos sitzenden Hörer bemerkteman die ehrwürdige Gestalt einer Greisin,die der Schimmer ewiger Künstlerjugend umwebte– Frau Klara Schumann.“ Das Doppelkonzert,„das zweimal hintereinander unter Brahms’ energischerLeitung gespielt wurde“, brachte „demTondichter nebst dem rauschenden Freundesbeifalleinen Orchestertusch ein“. Und ClaraSchumann notierte damals in ihr Tagebuch: „Esist dies Concert gewissermaßen ein Versöhnungswerk– Joachim und Brahms haben sichseit Jahren zum ersten Mal wieder gesprochen.“Ihre Zeilen sollte man allerdings nicht, wie MaxKalbeck es tat, voreilig missverstehen: Dennanders, als Kalbeck ausführte, war Brahms’ Opus102 nicht eigens dafür komponiert worden, umeine Versöhnung mit Joachim herbeizuführen;die Versöhnung war nicht Zweck, sondern allseitsbegrüßte Folge des Werks.Schwierige RezeptionsgeschichteDie zeitgenössischen Stellungnahmen allerdingszeigten sich von dem Werk hin- und hergerissen:Auf der einen Seite Begeisterung über diehochartifizielle symphonische Konzeption, über die„dialoghafte Behandlung von Geige und Cello“,über die „Gefühlswelt voll duftiger Poesie“. Auf deranderen Seite aber das genaue Gegenteil: „Trostlos,langweilig, die reine Greisenproduktion.“Gründe für dieses Hin- und Hergerissensein lassensich in Opus 102 schnell finden. Formal begegnetVertrautes und durchaus Bekanntes, wieetwa das am 2. Klavierkonzert anknüpfende Verfahrender Solisten-Introduktion vor der Orchester-Exposition. Gleichzeitig aber erscheint formalUngewohntes, wie etwa die den melodischenFluss unmittelbar abbrechende Generalpause inder Solo-Exposition, oder auch formal Neues,wie etwa die wohl ökonomisch-kompositorischbedingte Auslassung der eigentlich erwartetendritten Exposition. Ähnliches gilt für die Behandlungder Solo instrumente: Sie kennen denkonzertanten Dia log und nutzen ihn in ihren instrumentalenMöglichkeiten in oft virtuoserWeise aus; gleichzeitig aber „spielen“ sie mitihm, kreuzen – wie etwa im Andante – ihreLagen, oder sie verbinden sich – wie vor allemin den Ecksätzen, ihre klanglichen Individualitätenaufgebend – zu jenem übergeordnetenEinzel-Instrument, das Max Kalbeck die „achtsaitigeRiesengeige“ nannte.


Autographe Partiturseite aus dem 3. Satz, in die Joseph Joachim im September 1887 mit BleistiftVerbesserungsvorschläge eingetragen hat13


14 Jean Sibelius: 2. Symphonie D-DurSinnlichkeit und KunstverstandJohann Peter VogelJean Sibelius(1865–1957)Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 431. Allegretto2. Tempo andante, ma rubato3. Scherzo: Vivacissimo –Trio: Lento e suave4. Lento – Finale: Allegro moderatoEntstehungKurz nach seiner Ankunft in Rapallo / Italien gegenEnde Januar 1901 skizzierte Sibelius zunächstmusikalisches Material für verschiedene, späternicht ausgeführte Werke, wie z. B. vier Tondichtungenfür Orchester unter dem Sammeltitel„Ein Fest“, und begann anschließend mitEntwürfen zu einer (zweiten) Symphonie. NachFinnland zurückgekehrt, setzte Sibelius die Kompositionin Helsinki, Lohja, Loviisa und Keravafort, um sich Anfang Dezember 1901, kurz vor Abschlussder Partitur im Januar 1902, zu einer umfassendenRevision zu entschließen.Widmung„An Axel Carpelan“ (Druckausgabe); der selbstnicht vermögende Baron Carpelan (1858–1919),den Sibelius um 1900 kennen gelernt hatte undfortan zu seinen Freunden und Gönnern zählte,schuf die finanziellen Voraussetzungen fürSibelius’ Italienreise.Lebensdaten des KomponistenGeboren am 8. Dezember 1865 in Hämeenlinnabei Tavastehus / Finnland; gestorben am 20. September1957 in Järvenpää bei Helsinki.UraufführungAm 8. März 1902 in Helsinki (Orchester der PhilharmonischenGesellschaft Helsinki unter Leitungvon Jean Sibelius). Die deutsche Erstaufführung(ebenfalls unter Leitung von Jean Sibelius) folgteam 12. Januar 1905 in Berlin im Rahmen einer vonFerruccio Busoni geleiteten Konzertreihe.


Jean Sibelius zur Entstehungszeit von „Finlandia“ (1899)15


16Jean Sibelius: 2. Symphonie D-DurHohe Sinnlichkeit: melodische Fülle, glänzenderOrchesterklang, epische Ausbreitung, schwingendeRhythmik – deutsche Musik kritiker tunsich schwer mit dem Verständnis für diese herrlicheKraft der Musik. Tschaikowskys Musik„stänke“, behauptete seinerzeit ein bekannterdeutscher Musikkritiker, und Puccinis Musik würdeman gern dem ungeistigen Unterhaltungsmusik-Sektorzuordnen. Sibelius’ Symphonik habeso viele Löcher wie Finnland Seen, kalauerteAdorno albern, aber ansteckend für eine ganzeGeneration von Musikkritikern. Immerhin: Sibeliuserobert mit seinen wirkungssicheren Symphonienund Tondichtungen unaufhaltsam unserKonzertrepertoire, ist freilich von der deutschenMusikwissenschaft kaum entdeckt und darf inFeuilletons selbst überregionaler Zeitungen nochimmer verrissen werden. In Deutschland kanneiner Musik, die nicht „gelehrt“ ist, aber unmittelbardie Sinne gefangen nimmt, die Bedeutsamkeitbestritten werden.„Musik ohne jedwede literarischeGrundlage“Der 2. Symphonie, alsbald nach „Finlandia“ entstanden,wurden in Finnland sofort ebenfallspatriotische Programme unterlegt; auch sie konntemit ihrem hymnischen Schlusssatz als der Wegaus der Unterdrückung in die Selbstständigkeitgedeutet werden. Sibelius dementierte stets,wenn auch vergeblich, irgendwelche politischenMotive: Dunkle Stimmungen und gemeinschaftsbildendeHymnik sind Grundbestandteile allerseiner Symphonien. Zudem sind die Symphoniennach Sibelius’ Worten „Musik, die als musi kalischerAusdruck ohne jedwede literarische Grundlageerdacht und ausgearbeitet worden ist. Ichbin kein literarischer Musiker. Für mich fängtdie Musik dort an, wo das Wort aufhört. EineSymphonie soll zuerst und zuletzt Musik sein.Natürlich habe ich es erlebt, dass im Zusammenhangmit einem musikalischen Satz, den ichschrieb, sich mir innerlich ganz unfreiwillig einBild aufdrängte, aber das Samenkorn und dieBefruchtung meiner Symphonien lagen im Rein-Musikalischen.“ Und er hebt die Symphonienvon seinen Symphonischen Dichtungen ab: diese„sind Ein gebungen aus unserer nationalenDichtung, aber ich erhebe keinen Anspruch darauf,dass sie als Symphonien zu betrachtenseien“.Epische Breite von landschaftlicherDimensionSibelius bildet in seiner 2. Symphonie seinenpersönlichen Kompositionsstil aus – eine gelasseneEpik mit Abenteuern, wie sie die altenkarelischen Sänger vorzutragen pflegten – , denman mit einem Begriff Busonis als „landschaftlich“bezeichnen könnte. Zwar bleibt hier diesymphonische Architektur russischer Prägung –der Zyklus der vier üblichen Sätze, der sonatenförmigeKopfsatz, der langsame Satz mit Beschleunigungsabschnitten,das Scherzo mit Trio,das krönende Finale – noch stehen, doch breitetsich die Musik gleichsam subversiv, die Formenunterlaufend, aus. Das führt in späteren Symphonienzum Überspielen der Satzgrenzen bishin zu völliger Verschmelzung in der einsätzigen7. Symphonie. Die traditionelle Architektur derSymphonie verliert den Boden unter den Füßen.In der 2. Sympho nie geht lediglich der „Scherzo“-Satz in den Schlusssatz über.


Albert Gustav Edelfelt: Jean Sibelius (1904)17


18Jean Sibelius: 2. Symphonie D-DurNehmen wir etwa die „Exposition“ des 1. Satzes:Wir hören zunächst dreimal ein pastoralesBläserthema über schreitenden Streichern. Danach,wo wir erwarten, dass der Satz symphonischin Bewegung geraten müsste, verliert ersich in eine längere Improvisation mit unterschiedlichenMotiven; der Fluss der Musik stagniert.Dann endlich, im 74. Takt, kommt dieMusik in Fahrt. Über den schreitenden Streichernvom Anfang erscheint endlich ein symphonischesThema mit großem Faltenwurf, das sich steigert,aber schon nach 30 Takten zu einem deutlichenSchluss kommt: Die Exposition ist nach 118 Taktenzu Ende. Das „Faltenwurf“-Thema beherrschtauch große Teile der Durchführung. Die Reprisewiederholt das pastorale Thema, allerdingsgleichsam zusammengeschoben mit den Motivendes improvisierenden Abschnitts. Dieserselbst fehlt; ein Teil davon taucht gestrafft alsfeierlicher Blechbläsersatz zum Abschluss derDurchführung auf, also noch vor Wiedereintrittdes pastoralen Themas. Ohne Verzögerung strebtnun der Satz dem Schluss zu.Oder der Anfang des langsamen Satzes: Be vorman ein konzises Thema hört, vernimmt maneinen längeren pizzicato-Abschnitt aus fortlaufendenAchteltriolen, gespielt im Wesentlichenvon den Kontrabässen, ein Abschnitt, der thematischamorph erscheint – ein spröder, „moderner“Anfang (der Busoni besonders gefiel).Erst wenn das eigentliche Thema in den Fagottenerklingt, verwandeln sich die pizzicati zurBegleitung und entpuppen sich rückblickend alsverkürzte Umspielung der Motive des Themas.Der Effekt: Das Thema erscheint in seiner epischenAusbreitung gleichsam vergrößert undzugleich wie schon einmal gehört. Der weitereVerlauf des Satzes wirkt unübersichtlich in seinenTemposchwankungen, besteht aber lediglichaus zwei Teilen, die sich entsprechen: Expositionmit zwei miteinander verwandten Themenund variierte Reprise mit durchführungsartigenEinlagen in der Tonartenfolge erst d-Moll/Fis-Durund dann fis-Moll/d-Moll. Die Musik überwuchertgleichsam dank der Entwicklungskraft, die denThemen innewohnt, ein einfaches Gerüst, dasaber aufgrund der Plastik der Themen erkennbarbleibt.Zielgerichtete SteigerungenBei aller scheinbaren Willkür des Verlaufs bestehtein Sog zum Satzende hin; wichtige Satzabschnitteund vor allem die Satzschlüsse selbstwerden mit einer deutlichen pathetischen Abschlusswirkungversehen. Motive, die vorherhintereinander erschienen, erklingen nun gleichzeitigund fassen das musika lische Geschehenzusammen. Die „Strategie“ des Kopfsatzes mitseiner improvisierenden Stagnation nach demersten Thema wird jetzt deutlich: Der musikalischeFluss wird zunächst bis zur Aufstellungdes Motivmaterials gebremst, bevor er bis zumEnde immer intensiver wird. Der „Scherzo“-Satzsteigert sich in den Finalsatz hinein, indem erdie Schlussformel des „Trios“ in die Motivik desSymphoniebeginns verwandelt, den Eintritt desan den Anfang anknüpfenden Final themas zumHöhepunkt macht und so der Symphonie eineüberzeugende Abrundung gibt. Ähnlich wie in„Finlandia“ tritt eine in sich ruhende Hymneauf, die allerdings sehr viel organischer in denGesamtverlauf ein gebettet ist.


Der Beginn der Symphonie in der erst kurz vor der Uraufführung verworfenen Erstfassung,die von Sibelius bis auf wenige Überreste verbrannt wurde19


20Jean Sibelius: 2. Symphonie D-DurMit „landschaftlich“ ist also nicht der finnischeDialekt dieser Musik mit seinen Dehnungen undRaffungen, dem langen Nachhall der Phrasenund diatonisch-modalen harmonischen Wendungengemeint, sondern im Sinne Busonis diefreie Verfügung über Form und Verlauf, die epischen,lyrischen Ausweitungen und jähen dramatischenStei gerungen, das Fließen der Musik undihr Stocken in Generalpausen, die kaleidoskopartige,immer neue Mischung der Motive – imGegensatz zur „architektonischen“, also von derForm bestimmten Musik. Mag uns dies den Eindruckder Landschaft Finnlands vermitteln –entscheidend ist, dass alles aus den musikalischenEinfällen heraus entwickelt ist. Nicht nurPfitzner, auch Sibelius hat sich nachdrücklichzum musikalischen Einfall als Wurzel aller Musikausgesprochen. Das diesem Bekenntnis innewohnendeirra tionale Moment ist wohl das,was für Menschen, die Musik rational aufklärenwollen, so irritierend ist.Dreitonleiter und DreiertaktGleichwohl sind wir nicht nur auf reinen Sinnengenussverwiesen. Sibelius hat mit großemKunstverstand plastische Motive eingesetzt,deren Entwicklung wir verfolgen können. Gleichzu Beginn der Symphonie erklingen im Schrei -ten der Streicher drei aufsteigende Töne, beantwortetvon drei absteigenden Tönen im pastoralenBläserthema. Diese Tonfolge von drei Tönen,auf- oder absteigend, durchzieht die ganze Symphoniein sich steigernden Varianten bis hin zumhymnischen Schlusssatz-Thema in seiner vollenEntfaltung. Als „Gegenmotiv“ figuriert ein Gebildemit einem Abwärtssprung, später mit mehreren;wir hören es im „improvisierenden“ Abschnittund im weiteren Verlauf des 1. Satzes,als Seitenthema des 2. Satzes, als Gegenmotivdes 3. Satzes. Alle diese Tonbildungen werdenimmer wieder neu gemischt und kombiniert;Sibelius schöpft das entstandene Motivmaterialimmer wieder für Weiterentwicklungenaus. In der 2. Symphonie erscheint auch derDreiertakt in der Melodiebildung konstitutiv,wenn auch die langen epischen Taktarten 6/4,3/2, 12/4 (im berückenden Ges-Dur-Gesang derOboe im „Trio“ des 3. Satzes) absichtlich zurAufhebung der Metrik benutzt werden und einSchweben des Verlaufs suggerieren. So hörtman nicht, dass im „improvisatorischen“ Abschnittdes 1. Satzes 4/4- neben 6/4-Taktenstehen. Mit all diesen Mitteln wird die Vielfalt derTongestalten eingebunden und in eine epischeForm gebracht, die mit traditionellen Kategoriennicht mehr adäquat erklärbar ist, ihre eigenen,nach vollziehbaren Gesetze hat und wie selbstverständlichorganisch wirkt.Es zeigt sich also bei näherem Hinhören undPartiturlesen, dass die Sinnlichkeit dieser Musikmit hohem Kunstverstand inszeniert wird,der seinerseits von einer neuen Organik fastgänzlich aufgesogen ist. Die Sinnlichkeit trifftdas Herz, das Verfolgen von Ablauf, Wiederkehr,Verwandlung und Kombination der Motive,des Baus des Symphoniegebäudes, erfreutdas musikalische Mit denken, fördert den Mitvollzugder sym phonischen Erzählung und führtbei er neutem Hören zu immer neuen Funden.Wir haben es mit großer Musik zu tun.


22 Die KünstlerLorin MaazelDirigent


Die Künstler23Lorenz Nasturica-HerschcowiciViolineDaniel Müller-SchottVioloncelloDer 1962 in Bukarest / Rumänien geboreneViolinvirtuose begann im Alter von 16 Jahren seinGeigenstudium bei Stefan Gheorghiu. Schon nacheinem halben Jahr gewann Lorenz Nasturica-Herschcowici den 1. Preis beim Violinwettbewerbin Timisoara (Temeschwar), an den sich 1980 der1. Preis beim „Concours national de musiqueHariclea Darclée“ in Pitest anschloss. 1983 wurdeer Konzertmeister des rumänischen Kammerorchesters„Camerata“, mit dem er im gleichenJahr den 1. Preis beim Internationalen MusikwettbewerbLublin / Polen gewann. Bevor LorenzNasturica-Herschcowici im Jahr 1992 Erster Konzertmeisterbei den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>nwurde, war er in gleicher Position im Orchesterder Finnischen Staatsoper Helsinki tätig. Nebenseinen zahlreichen weltweiten Auftritten als Solistund Kammermusikpartner ist Lorenz Nasturica-Herschcowici Künstlerischer Leiter und Konzertmeisterdes Philharmonischen KammerorchestersMünchen. Er spielt die Stradivari-Geige „Ex Hegedus“von 1692, zur Verfügung gestellt vonHamberger Fine Stringed Instruments.Der gebürtige <strong>Münchner</strong> studierte bei WalterNothas, Heinrich Schiff und Steven Isserlis; darüberhinaus genoss er die persönliche Förderungund Unterstützung von Anne-Sophie Mutter alsStipendiat ihrer Stiftung. International Furoremachte Daniel Müller-Schott, als er 15-jährigden 1. Preis beim Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau gewann. Mittlerweilekonzertiert er weltweit unter namhaften Dirigentenwie Vladimir Ashkenazy, Dmitrij Kitajenko,Michael Gielen oder Bernard Haitink und arbeitetmit den bedeutendsten Orchestern in Europaund Übersee. Junge Menschen an die Musikheranzuführen ist für Daniel Müller-Schott eineSelbstverständlichkeit, die er mit großem Engagementin das Projekt „Rhapsody in School“ einbringt.Die Erweiterung des Cello-Repertoires– etwa durch Entdeckung bisher unbekannterWerke – sowie die Zusammenarbeit mit lebendenKomponisten und die Aufführung von zeitgenössischerMusik sind ihm ein besonderes Anliegen.Daniel Müller-Schott spielt das MatteoGoffriller-Cello „Ex Shapiro“ von 1727.


24PhilharmonischeBlätterAuftaktKlassik für alleDie Kolumne von Elke HeidenreichIch habe gerade in einerneuen Übersetzung dasvor mehr als fünfzig Jahrengeschriebene Buch„Clockwork Orange“ vonAnthony Burgess gelesen,das 1971 spektakulär vonStanley Kubrick verfilmt wurde. Darin geht es um Alex,Mitglied einer grausamen Jugendgang, die raubt,vergewaltigt, mordet. Das Erschreckendste an allemist für mich: um sich in Stimmung dafür zu bringen,hört Alex klassische Musik, vor allem Beethoven undBach, und während er auf seinem Bett liegt und dieseMusik hört, stellt er sich vor, wie er jemanden zudiesen Klängen rhythmisch zusammenschlägt, unddas verschafft ihm Lust und Befriedigung.Ausgerechnet Musik, von der ich immer denke, dasssie den Menschen zum Menschen macht, ihn sozialisiert,seine Seele öffnet – bei Alex erreicht siedas Gegenteil. Und es kommt noch schlimmer: alsAlex ins Gefängnis kommt, wird er Teil eines brutalenUmerziehungsprogramms: man zwingt ihn, grauenhafteFolterfilme anzusehen, die alle mit schönsterklassischer Musik unterlegt sind. Am Ende istAlex von Gewaltphantasien geheilt, es wird ihmaber auch jedes Mal total schlecht, wenn er klassischeMusik hört. Das eine konditioniert das andere.„Musik, „ schreibt Burgess in einem Kommentarzu seinem Roman, „die ein neutrales Paradiessein sollte, ist für ihn zur Hölle geworden.“Was für eine infame Idee. Alex ist böse, aber einStaat, der einen Menschen so umerzieht, dass ernicht mehr die freie Wahl des Handels hat, istauch böse. Die Musik hat Alex ja nicht zu demgemacht, was er war – er selbst hat sie benutztals Ansporn zu seinen gewalttätigen Träumenund Taten. Es hätte ihn ja nichts daran gehindert,diese Musik einfach nur zu genießen. Das bedeutet:die Dinge – auch die der Kunst – sind nichtmehr und nicht weniger als das, was wir von ihnenzulassen. Wenn uns Musik leicht, weich,nachdenklich, melancholisch, durchlässig, sogarglücklich macht – was für ein schöner Effekt.Wenn wir jung sind, funktioniert das noch vielstärker als später, wenn wir über die Strukturender Werke oder die Komponisten schon so vielwissen. Die Nazis haben Wagners und LisztsMusik für ihre Propagandazwecke missbraucht.Sie haben die Musik benutzt, aber die Musik ansich ist unschuldig. Beethovens 9. ist unschuldig,auch wenn Alex dazu seine Mordphantasienaustobt. Das ist weniger schlimm, als einenMenschen so zu konditionieren, dass ihm schlechtwird und er von Gewaltphantasien gequält wird,wenn er Mozarts Jupitersymphonie hört.Das Buch hat mich sehr nachdenklich gemacht.Es hat mir die Musik natürlich nicht verleidet, aberes hat mir gezeigt, wie man das Schönste, dasder Mensch besitzt, missbrauchen und manipulierenkann. Alex ist ein dummer Schläger, aufgewachsenin armseliger Umgebung. Wir habenmehr Chancen als er. Wir, ob jung oder alt, könnendie Musik als das hören, was sie auch seinkann: das rettende Geländer.


PhilharmonischeBlätter6 Fragen an …25Manuel von der NahmerInstrument: CelloBei den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>nseit 1997Maria TeiwesInstrument: HornBei den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>nseit 20111 Was würden Siedem <strong>Münchner</strong>Publikum gernemal sagen?Bleiben Sie unsweiterhin treu, dennes gibt für einenMusiker nichts Schöneres, als vor einem vollenSaal zu spielen!2 Welches Instrument dürften Ihre Kindernicht lernen?Meine Kinder dürfen alles lernen. JedesInstrument ist besser als kein Instrument.3 Nehmen Sie das reichhaltige KulturangebotMünchens auch selbst wahr?Oh ja. Museen, Oper, Kleinkunst und Fußball.4 Haben Sie einen Lieblingsplatz in München?Die Bar Centrale in der Ledererstraße.5 Gab es einen Auftritt, der Sie besondersbewegt hat?Mit 18 Jahren hatte ich das große Glück unterLeonard Bernstein in einem Jugendorchesterzu spielen. Das 1. Konzert mit ihm, Romeo undJulia von Berlioz, werde ich nie vergessen.6 Was macht man, wenn man einen Einsatzversäumt?Das restliche Orchester war einfach zu früh!1 Mal ehrlich, wieviel üben Sie proTag?Mindestens zweiStunden.2 Was sagt manLeuten nach, dieIhr Instrument spielen? Und stimmt das?Lebensfrohes,meist trinkfestes Völkchen undgut kochen können viele auch. Stimmt häufig.3 Üben Sie auch im Urlaub?Selbstverständlich. Maximal vierzehn Tagesind im Sommer ohne Üben möglich.4 Welches Buch lesen Sie gerade?Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmendenLichts.5 Haben Sie neben der Musik eine weiteregroße Leidenschaft?Das Leben, mit allem was dazu gehört.6 Was ist das Schwierigste an IhremInstrument?IMMER den richtigen Ton zu treffen.


26PhilharmonischeBlätterÜber die Schulter geschaut„Musik ist Kommunikation in reinster Form“Der <strong>Philharmoniker</strong> Gunter Pretzel über das Symposium„Musik ist Kommunikation“ vom 2. bis 5. JanuarWarum ist Musik Kommunikation?Weil Musik sich in einem Raum entfaltet,in dem sich mehrere Menschenaufhalten, und diese durch Musik ineine Wahrnehmungssphäre gehobenwerden, in der der Einzelne als abgegrenztesIndividuum zurücktritt. Sowie Musiker sich im gelingenden Zusammenspielin einer höheren Identität wiederfindenkönnen, so kann sich das Publikum dort oben indieser Sphäre auch mit den Musikern verbinden.Wie kann man sich das genau vorstellen?Musikalische Kommunikation ist inhaltlich nichtfestgelegt und sie geschieht wechselseitig undgleichzeitig, in ihr fallen Tun und „Verstehen“zusammen. In meinen Augen finden wir in derMusik die Kommunikation in ihrer reinsten undunmittelbarsten Form. Diese Kommunikationkann überaus dicht sein. Zwischen den Musikern– und darüber sprechen wir ja in dem Symposium– kann Kommunikation zu so etwas wie einemFluidum werden, in welchem man sich gemeinsamin großer Sicherheit und Selbstverständlichkeitbewegt. Von außen gesehen siehtdas aber so aus, als würde man sich da aufextrem schmalen Grat bewegen. Das Symposiumwill die Hörer in dieses Fluidum hineinnehmen, ich halte dies für eine sehr spannendeAufgabe.Gibt es mal mehr und malweniger Kommunikation?Es gibt Kommunikation auf sehr verschiedenenEbenen. Das fängt anbeim orchestralen Alltag, wenn esdarum geht, zusammen zu spielen,zum Beispiel bei den Streichern dieselbenStriche zur selben Zeit zu machen. Nennenwir es mal das grundlegende Räderwerk derorchesterinternen Kommunikation. Kommunikationgeht aber noch weiter, verfeinert sich immermehr und berührt schließlich den Identitätskerndes Orchesters. Musikalische Kommunikationin ihrer höchsten Form lässt die bloßeSynchronisation weit hinter sich. Sie gibt jedemMusiker das Gefühl von Freiheit und Spontaneität,in welcher man sich dennoch gegenseitiggar nicht verlieren kann.Haben Sie ein konkretes Beispiel vorAugen?Es war für uns alle ein unglaubliches Erlebnis, alsZubin Mehta einmal bei einem Konzert in Wienkurzfristig für den erkrankten Sergiu Celibidacheeingesprungen war, es wurde Bruckner gespielt.Ich kann es hier in der gebotenen Kürze gar nichtangemessen erzählen, aber sowohl er als auchwir selbst erlebten in einem hochemotionalenKonzert, welch überwältigende geistige Kraftein Orchester aus sich selbst heraus entwickelnkann – ein Erlebnis, das uns mit ihm bis heutein besonderer Weise verbindet.


PhilharmonischeBlätterÜber die Schulter geschaut27Mit welcher Fragestellung wollen Siesich im Symposium beschäftigen?Ich möchte den Teilnehmern das Phänomen internerKommunikation im Orchester so nahe bringenwie möglich, sie gleichsam mit hinein nehmen.Diese Kommunikation ist überaus reichhaltigund vielfältig. Bei der Konzeption der Veranstaltungmöchte ich dem hohen Anspruch dieserAufgabe gerecht werden, dies aber auf unterhaltsame,ansprechende und vielfältige Weise.Welche Gäste wird es geben?Es gibt „kommentierte Proben“, das heißt, der Musiker„klappt seinen Kopf auf“ und spricht sozusagenlaut mit, was er beim proben denkt. Dadurchsoll es den Besuchern möglich sein, sich mit demMusiker und seinem Denken zu verbinden. Zu Gastist das Streichquartett unseres KonzertmeistersSreten Krstic; mit meiner Partnerin Charlotte Walterspielstelle ich das Projekt „Pult 3“ vor, welchesdie musikalische Kommunikation sozusagen untersMikroskop legt. Dann kommt, worüber ich michsehr freue, der Jazztrompeter Matthias Schrieflmit seiner Band, auch er will sich auf eine kommentierteProbe einlassen. Daneben gibt es Referateund Vorträge, u.a. vom prominenten MusikwissenschaftlerProf. Dr. Peter Gülke, der ja auchDirigent ist, was ihn besonders spannend für unsmacht. Der Manager Dr. Thomas Girst von BMWist mit dabei, er spricht über Zusammenspiel imManagement. In der Wirtschaft gilt ja ein Teamdann als besonders kreativ, wenn es sich aus möglichstunterschiedlichen Menschen zusammensetzt,die sich gegenseitig ergänzen. Das fi nde ich für einOrchester mit seinen Stimmgruppen einen überausanregenden Gedanken. Schließlich kommt nochProf. Denis Rouger aus Stuttgart, er wird das Phänomen„Zusammenspiel“ den Teilnehmern als eigeneErfahrung erschließen.An wen richten Sie sich und setzen SieVorkenntnisse voraus?Nein, gar nicht! Das ist die spannende Aufgabe:Mit Menschen, die Offenheit und Neugierdebesitzen, aber keine besonderen Kenntnissemitbringen müssen, tief einzudringen in die Phänomeneinterner Kommunikation im Orchester.Natürlich wünschen wir uns besonders, dasssich die Abonnenten und das Publikum unseresOrchesters dafür interessieren. Aber ebensowillkommen sind uns die Hörer der <strong>Münchner</strong>Volkshochschule.Wir möchten den Blick auf das Orchester nachhaltigbeeinflussen, wir möchten aber vor allemauch zukünftige Konzerterlebnisse intensivierenund vertiefen.Das Symposium fi ndet statt vom 2. bis 5.Januar 2014 im Haus Buchenried am StarnbergerSee als Kooperation mit der <strong>Münchner</strong> Volkshochschuleund Kulturreferat mit Spielfeld Klassik.


28PhilharmonischeBlätterAus dem GasteigDer BISS-VerkäuferWolfgang RäuschlSeit drei Jahren verkauft der gebürtigeSalzburger Wolfgang Räuschl dieMonatszeitung BISS am Gasteig. DieZeitung hat ihm geholfen, von der Straßewegzukommen und der Kontakt mitden Menschen gab ihm sein Selbstwertgefühlzurück. Wolfgang Räuschlwirkt zufrieden, er hat einen Job, eine Wohnungund Ziele im Leben. Der 54-jährige sagt: „Ichhätte nie gedacht, wie gigantisch schnell dasgeht, diese Grundpfeiler im Leben zu verlieren.“BISS steht für „Bürger in sozialen Schwierigkeiten“.Und in denen befand sich Wolfgang Räuschl,als er seinen Job als Kellner verlor und nach „privatemDesaster abrutschte“. Fast drei Jahreverbrachte er auf der Straße, er lebte vom Pfandflaschen-Sammeln.An einem Prinzip hielt erfest: Kein Alkohol, keine Drogen!Als er auf BISS aufmerksam wurde, bot sich ihmwieder eine Perspektive. Seit Dezember 2011ist er dort als Verkäufer angestellt. Bei mindestens400 verkauften Exemplaren im Monat bekommter ein Gehalt, das sich an Hartz IV orientiert.Er ist krankenversichert und bekommtein Monatsticket für die MVV. Kurz nach seinerEinstellung verhalf ihm BISS zu einer Wohnung.Seitdem ist Wolfgang Räuschl Biss-Verkäuferam Gasteig. „Zu meinen Stammkunden gehörensowohl Studenten als auch Abonnenten. Es kommenauch viele aus dem Chor.“ Um seiner Kundschaftgerecht zu werden, fing er an zu lesenund sich dafür zu interessieren, was im Gasteigläuft. Eine Abonnentin schwärmtebeim Kauf einer BISS vom 1. Satzeiner Beethoven Sinfonie. „Den 1.Satz kannte ich bis dahin nur vomTennis“. Mittlererweile kennt er nichtnur das aktuelle Programmangebot,sondern auch viele kleine Geschichtenrund um den Gasteig.Zum Abschluss sagt er: „BISS hat mir eine Arbeitgegeben und mir zu einer Wohnung verholfen.Welches Geschenk mir die Konzertbesucherinmacht, wenn sie ein paar Worte mit mirwechselt, weiß die gar nicht.“ Wolfgang Räuschlfühlt sich „wahrgenommen“. Und er hat auchetwas mitgenommen vom Standort Gasteig. Imnächsten Jahr fährt er nach Verona, und in derArena dort will er eine Oper sehen. „Darauf arbeiteich hin.“Die ZeitschriftDas BISS-Magazin ist die älteste StraßenzeitungDeutschlands. Im Oktober feierte sie ihr20-jähriges Jubiläum. Vom Verkaufspreis, derzeit2,20 Euro, behält der Verkäufer 1,10 Euro.BISS-Verkäufer kann nur werden, wer bedürftigim Sinne des Sozialgesetzbuches ist, derzeitsind es mehr als 100 Verkäufer. Neben demArbeitsangebot kümmert sich BISS auch umdie Entschuldung des Verkäufers und unterstütztfinanziell bei der Wohnungsausstattung.


PhilharmonischePhil harmonischeZahl:71.137Beim Heimspiel des FC Bayern München am19. Oktober wurde das Trikot, das Lorin Maazelbei der Aufnahme des Champions-League-Hymneder <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong> trug, feierlichübergeben. Live vor 71.137 Zuschauern.Zu sehen ist das Trikot jetzt in derFC Bayern Erlebniswelt.Philharmonische Notizen29BlätterSonderkonzert der Freunde und FördererAm 24.10. fand das diesjährige Sonderkonzertder Freunde und Förderer statt. Gustavo Dudameldirigierte Mahlers 7. Sinfonie in der ausverkauftenPhilharmonie. Im prominent besetztenAuditorium befanden sich neben Matthias Sammerauch Herzog Franz von Bayern und AlexandraPrinzessin von Hohenzollern. Auf dem Empfangnach dem Konzert überreichte der HornistUlrich Haider dem Vorstand der Freunde undFörderer einen Scheck über 8000 €. Der bisherigeErlös aus dem Verkauf der Blasmusik CD„Ehrensache“ geht zugunsten der Orchesterakademieder <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>.Im NebelStephan Graf (Kontrabass) und Jürgen Popp(Fagott) organisieren seit Jahren die Orchesterfeste.Diesmal ging es mit Bergschuhen ausgerüstetzum Brauneck. Der Großteil der Gästenutze zwar die Kabinenbahn, für eine Wanderungam Gipfel war aber noch ausreichend Zeit. Leiderlagen die Berge im dichten Nebel. Der Abendim Panoramarestaurant war dennoch ein gelungenesFest.Neue KollegenDie Geigerin und Akademistin Florentine Lenzhat eine Stelle in den 1. Geigen bei den <strong>Münchner</strong><strong>Philharmoniker</strong>n gewonnen. Ihre Probezeitbeginnt im Januar 2014. Im selben Probespielgewann auch der griechische Geiger Iason Keramidiseine Stelle in unserem Orchester.Kammerkonzerte4 Konzerte der Kammermusikreihe der <strong>Münchner</strong><strong>Philharmoniker</strong> werden seit dieser Saisonauch im vor ca. einem Jahr eröffneten Festspielhausin Erl zu Gehör gebracht. Das 1. Konzertzu Ehren Benjamin Brittens 100. Geburtstag warbereits ausverkauft. Nächstes Konzert am 15.Februar 2014.Ein Höhepunkt der diesjährigen Kammermusikreihe:Bereits am 15. Dezember ist der Tenor„Mark Padmore zu Gast“ im Künstlerhaus amLenbachplatz.OrchesterakademieUnser Akademist, Gergely Csikota, hat das Probespielum einen Zeitvertrag für die Solo-Trompetebei den <strong>Münchner</strong> Symphonikern gewonnen.


30PhilharmonischeBlätterOrchestergeschichteAnton von Weberndirigiert „österreichische Meister“Gabriele E. MeyerSeine erste internationale Konzertreise als Dirigentführte „Dr. Anton von Webern aus Wien“ imHerbst 1929 auch nach München. Hier sollte erden 2. Abend der von der Theatergemeinde Münchenveranstalteten Reihe „Meister der Bühneund des Konzertsaales“ leiten. Auch wenn Weberndie Beschränkung auf österreichische Komponistennicht sonderlich behagte, stürzte er sich dochmit Feuereifer auf die ihm gestellte Aufgabe. Innur zwei Proben, am 16. November und am Vormittagdes Konzerts am 19. November, erarbeiteteer mit den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>n Mozarts„Jupiter“-Symphonie, Arnold Schönbergs„Verklärte Nacht“ (in der Bearbeitung für Streichorchester),Hugo Wolfs „Italienische Serenade“und Johann Strauß’ „Gschichten aus dem Wienerwald“.– Webern muss ein auch pädagogischaußerordentlich befähigter Orchestererzieher gewesensein, sonst wäre der Abend angesichts derknapp bemessenen Probenzeit nicht so erfolgreichverlaufen. Die schon 1922 anlässlich eines DüsseldorferKonzerts beschriebene „peinlichste musikalischeSauberkeit“ begeisterte Musiker wieZuhörer und Kritiker gleichermaßen. Selbst derDirigent war mit sich zufrieden: „Keine Spur von,Nervosität‘, Bangigkeit, sicherer als zuhause(Wien). Viel Freude, Behagen. […] Mit dem Orchestersehr gut ausgekommen.“ Und Schönberg,seinen überaus verehrten Lehrer, ließ er sogleichwissen, welche Freude es ihm gemacht habe, zumersten Mal „Verklärte Nacht“ zu dirigieren unddass er den größten Teil seiner Probenarbeit diesemStück gewidmet habe. – Akribische Genauigkeitwar wohl schon immer ein Kennzeichendes vielleicht radikalsten Vertreters der SchönbergschenZwölftontheorie gewesen, gemäß derMaxime seines Lehrers, dass Kunst nicht von„Können“, sondern von „Müssen“ komme. Diesekristalline Klarheit im Komponieren spiegelte sichnach übereinstimmenden Berichten auch in WebernsWiedergabe von fremden Werken. – Die<strong>Münchner</strong> Presse jedenfalls war voll des Lobesüber das Gehörte. „Mozart’s Jupitersymphonieerklang in selten idealer Vollendung. Das Finale,äußerst lebhaft genommen, machte im Orchesterdie letzten Kräfte mobil“. Wolfs „ItalienischeSerenade“ erklang „mit liebevollem Auskostenihrer stilleren, intimeren Schönheiten“. SchönbergsFrühwerk „Verklärte Nacht“, ein Höhepunktdes schönen Abends, deutete Webern „mit einersolch außerordentlichen Intensivierung des Ausdrucksund solch prächtigem Klangempfi nden(geradezu wunderbar gelang der mählich im leisestenpianissimo verlöschende und verklärteAusklang des Werkes), daß die Leistung des Dirigentenwie des Orchesters gleich imponierendund eindrucksvoll war“. Am Ende dieses „genußreichen“Konzerts erklangen noch die „Gschichtenaus dem Wienerwald. „Wer verübelt es bei solchzündender Musik dem Dirigenten“, meinte ein namentlichnicht bekannter Rezensent zwei Tagespäter, „wenn er einige Male in Ueber-Begeisterungnahe daran war, mit der Partitur und demTaktstock ins Orchester zu tanzen?“


PhilharmonischeBlätterDas letzte Wort hat …31„Lackschuh oder Barfuss“Paul Müller,Intendant der <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>Seit einigen Wochen treffe ich mich im14-tägigen Abstand zu Gesprächen mitunseren Abonnenten. In kleinen Gruppenvon 10 Personen diskutieren wir 90Minuten über die Zukunft der KlassischenMusik, die Zukunft des Orchestersund über die Zukunft der MusikstadtMünchen. Es ist eine schöne Bestätigung zu erfahren,dass der eingeschlagene Weg der Intensivierungunserer Aktivitäten im Spielfeld Klassik vonIhnen als richtig und wichtig eingeschätzt wird.Im März dieses Jahres hat sich eine Erfahrungtief in meinem Bewusstsein verankert. Der Auftrittder <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong> in der Postgarage,als 2.000 junge Menschen zwischen 20 und35 dem Orchester zujubelten, als sich Griegs „Inder Halle des Bergkönigs“ und Brahms „UngarischerTanz Nr. 5“ stimmig einfügten in die besondereAtmosphäre an diesem ungewöhnlichen Ort.Dieser Abend hat mir eindrücklich gezeigt, dass dieMusik und die Art, wie wir sie spielen, auch überden Konzertsaal hinaus Leute begeistert. Die Reihedieser Konzerte werden wir unbedingt fortsetzen:zum Beispiel in der Reithalle im Novemberoder im Deutschen Theater im Januar.Auf ein Projekt freue ich mich ganz besonders,denn mit „Lackschuh oder Barfuss“ betretenwir im März 2014 gewissermaßen konzertantesNeuland in der Philharmonie. Ich habe den TubistenAndreas Martin Hofmeir, den Protagonistenunseres gemeinsamen Projektes,kürzlich in einem seiner Konzertevon LaBrassBanda im CircusKrone besucht. Mein Wunsch ist es,einen Teil der Intensität und Energiedieser Konzerte auch in die Philharmoniezu tragen.Dies sind nur zwei Beispiele, die uns zeigen, wiewichtig für uns die Verbreiterung unserer Aktivitätenist. Mit Blick auf die demografi sche Entwicklungüberrascht es nicht, dass wir uns an jüngere Menschenrichten. Wobei, was genau heißt eigentlichjung? Wann fängt jung an, wo hört jung auf? „Jung“ist vor allem wohl ein relativer Begriff. Vor 15 Jahrenlag das Augenmerk der Musikvermittlung mehroder weniger ausschließlich auf den Kindergärtenund Schulen. Mit Spielfeld Klassik wollen wir mehrsein. Ein Programm für alle. Für Kindergartenkindergenau wie für Schüler, für Studenten und junge Erwachsenegenau wie für Rentner, für <strong>Münchner</strong> genauwie für Menschen mit Migrationshintergrund,für Klassikneugierige genau wie für langjährigeAbonnenten. Für uns bedeutet das, jedes Jahr einvielfältiges und breites Angebot zu entwickeln.Mehr als 150 Veranstaltungen sind das pro Jahr,Bekanntes und Bewährtes gepaart mit neuen Produktionenund Experimenten. Entwickelt von einemTeam, das aus Mitarbeitern und Orchestermusikernbesteht, die gemeinsam ein Ziel antreibt:eine nachhhaltige Neugierde. Ich lade Sie herzlichein, lassen Sie sich anstecken.


32 VorschauFr. 14.02.2014, 19:00 3. JuKoJean Sibelius„Valse triste“ op. 44 Nr. 1Johannes BrahmsKonzert für Violine,Violoncello und Orchestera-Moll op. 102Robert SchumannSymphonie Nr. 4 d-Moll op. 120Lorin Maazel, DirigentLorenz Nasturica-Herschcowici,ViolineDaniel Müller-Schott,VioloncelloSo. 23.02.2014, 11:00 Sonderkammerkonzert„Ganz nah! Anja Harteros imKammerkonzert“Erno“ von DohnányiKlavierquintett Nr. 1 c-Moll op. 1Gabriel Fauré„La Bonne Chanson“ für Sopran,Streichquartett und Klavier op. 61Ernest Chausson„Chanson perpétuelle“ für Sopran,Streichquartett und Klavierop. 37Anja Harteros, SopranSreten Krstič, ViolineAna Vladanovic-Lebedinski,ViolineWolfgang Berg, ViolaStephan Haack, VioloncelloMichaela Pühn, KlavierMi. 26.02.2014, 20:00 4. Abo h5Jean Sibelius„Valse triste“ op. 44 Nr. 1Sergej ProkofjewKonzert für Klavier undOrchester Nr. 3 C-Dur op. 26Robert SchumannSymphonie Nr. 4 d-Moll op. 120Lorin Maazel, DirigentAlessandro Taverna, KlavierImpressumHerausgeberDirektion der <strong>Münchner</strong><strong>Philharmoniker</strong>Lorin Maazel, ChefdirigentPaul Müller, IntendantKellerstraße 4,81667 MünchenLektorat: Stephan KohlerCorporate Design:Graphik: dm druckmediengmbh, MünchenDruck: Color Offset GmbH,Geretsrieder Str. 10,81379 MünchenGedruckt auf holzfreiem und FSC-Mixzertifiziertem Papier der SorteLuxoArt Samt.TextnachweiseThomas Leibnitz, Klaus Döge, JohannPeter Vogel, Elke Heidenreich, GunterPretzel, Alexander Preuß, GabrieleE. Meyer und Paul Müller schriebenihre Texte als Originalbeiträge fürdie <strong>Programmheft</strong>e der <strong>Münchner</strong><strong>Philharmoniker</strong>. Die lexikalischenAngaben und Kurzkommentare verfassteStephan Kohler; die Künstlerbiographienwurden Agenturtextenentnommen. Alle Rechte bei denAutorinnen und Autoren; jederNachdruck ist seitens der Urhebergenehmigungs- und kostenpflichtig.BildnachweiseAbbildungen zu Johannes Brahms:Christian Martin Schmidt, JohannesBrahms und seine Zeit, Laaber1998; Christiane Jacobsen (Hrsg.),Johannes Brahms – Leben undWerk, Wiesbaden / Hamburg 1983.Abbildungen zu Jean Sibelius:Michael Raeburn and Alan Kendall(Hrsg.), Heritage of Music, VolumeIV: Music in the Twentieth Century,Oxford / New York 1989; Nils-EricRingbom, Jean Sibelius – Ein Meisterund sein Werk, Olten 1951.Künstlerphotographien: wildundleise(Maazel, Nasturica-Herschcowici,Von der Nahmer, Teiwes,Pretzel, Müller); Uwe Arens (Müller-Schott); Leonie von Kleist (Heidenreich);Archiv der <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>.


Lorin MaazelDirigentAlessandro TavernaKlavierJean Sibelius„Valse triste“ op. 44 Nr. 1Sergej ProkofjewKonzert für Klavier und Orchester Nr. 3C-Dur op. 26Robert SchumannSymphonie Nr. 4 d-Moll op. 120Mittwoch, 26.02.2014, 20 UhrPhilharmonie im GasteigKarten € 85,50 / 71,50 / 62,70 / 51,50 / 45,10 / 26,20 / 17,40Informationen und Karten über München TicketKlassikLine 089 / 54 81 81 400 und unter mphil.demphil.de


mphil.de116. Spielzeit seit der Gründung 1893Lorin Maazel, ChefdirigentPaul Müller, Intendant

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