24PhilharmonischeBlätterAuftaktKlassik für alleDie Kolumne von Elke HeidenreichIch habe gerade in einerneuen Übersetzung dasvor mehr als fünfzig Jahrengeschriebene Buch„Clockwork Orange“ vonAnthony Burgess gelesen,das 1971 spektakulär vonStanley Kubrick verfilmt wurde. Darin geht es um Alex,Mitglied einer grausamen Jugendgang, die raubt,vergewaltigt, mordet. Das Erschreckendste an allemist für mich: um sich in Stimmung dafür zu bringen,hört Alex klassische Musik, vor allem Beethoven undBach, und während er auf seinem Bett liegt und dieseMusik hört, stellt er sich vor, wie er jemanden zudiesen Klängen rhythmisch zusammenschlägt, unddas verschafft ihm Lust und Befriedigung.Ausgerechnet Musik, von der ich immer denke, dasssie den Menschen zum Menschen macht, ihn sozialisiert,seine Seele öffnet – bei Alex erreicht siedas Gegenteil. Und es kommt noch schlimmer: alsAlex ins Gefängnis kommt, wird er Teil eines brutalenUmerziehungsprogramms: man zwingt ihn, grauenhafteFolterfilme anzusehen, die alle mit schönsterklassischer Musik unterlegt sind. Am Ende istAlex von Gewaltphantasien geheilt, es wird ihmaber auch jedes Mal total schlecht, wenn er klassischeMusik hört. Das eine konditioniert das andere.„Musik, „ schreibt Burgess in einem Kommentarzu seinem Roman, „die ein neutrales Paradiessein sollte, ist für ihn zur Hölle geworden.“Was für eine infame Idee. Alex ist böse, aber einStaat, der einen Menschen so umerzieht, dass ernicht mehr die freie Wahl des Handels hat, istauch böse. Die Musik hat Alex ja nicht zu demgemacht, was er war – er selbst hat sie benutztals Ansporn zu seinen gewalttätigen Träumenund Taten. Es hätte ihn ja nichts daran gehindert,diese Musik einfach nur zu genießen. Das bedeutet:die Dinge – auch die der Kunst – sind nichtmehr und nicht weniger als das, was wir von ihnenzulassen. Wenn uns Musik leicht, weich,nachdenklich, melancholisch, durchlässig, sogarglücklich macht – was für ein schöner Effekt.Wenn wir jung sind, funktioniert das noch vielstärker als später, wenn wir über die Strukturender Werke oder die Komponisten schon so vielwissen. Die Nazis haben Wagners und LisztsMusik für ihre Propagandazwecke missbraucht.Sie haben die Musik benutzt, aber die Musik ansich ist unschuldig. Beethovens 9. ist unschuldig,auch wenn Alex dazu seine Mordphantasienaustobt. Das ist weniger schlimm, als einenMenschen so zu konditionieren, dass ihm schlechtwird und er von Gewaltphantasien gequält wird,wenn er Mozarts Jupitersymphonie hört.Das Buch hat mich sehr nachdenklich gemacht.Es hat mir die Musik natürlich nicht verleidet, aberes hat mir gezeigt, wie man das Schönste, dasder Mensch besitzt, missbrauchen und manipulierenkann. Alex ist ein dummer Schläger, aufgewachsenin armseliger Umgebung. Wir habenmehr Chancen als er. Wir, ob jung oder alt, könnendie Musik als das hören, was sie auch seinkann: das rettende Geländer.
PhilharmonischeBlätter6 Fragen an …25Manuel von der NahmerInstrument: CelloBei den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>nseit 1997Maria TeiwesInstrument: HornBei den <strong>Münchner</strong> <strong>Philharmoniker</strong>nseit 20111 Was würden Siedem <strong>Münchner</strong>Publikum gernemal sagen?Bleiben Sie unsweiterhin treu, dennes gibt für einenMusiker nichts Schöneres, als vor einem vollenSaal zu spielen!2 Welches Instrument dürften Ihre Kindernicht lernen?Meine Kinder dürfen alles lernen. JedesInstrument ist besser als kein Instrument.3 Nehmen Sie das reichhaltige KulturangebotMünchens auch selbst wahr?Oh ja. Museen, Oper, Kleinkunst und Fußball.4 Haben Sie einen Lieblingsplatz in München?Die Bar Centrale in der Ledererstraße.5 Gab es einen Auftritt, der Sie besondersbewegt hat?Mit 18 Jahren hatte ich das große Glück unterLeonard Bernstein in einem Jugendorchesterzu spielen. Das 1. Konzert mit ihm, Romeo undJulia von Berlioz, werde ich nie vergessen.6 Was macht man, wenn man einen Einsatzversäumt?Das restliche Orchester war einfach zu früh!1 Mal ehrlich, wieviel üben Sie proTag?Mindestens zweiStunden.2 Was sagt manLeuten nach, dieIhr Instrument spielen? Und stimmt das?Lebensfrohes,meist trinkfestes Völkchen undgut kochen können viele auch. Stimmt häufig.3 Üben Sie auch im Urlaub?Selbstverständlich. Maximal vierzehn Tagesind im Sommer ohne Üben möglich.4 Welches Buch lesen Sie gerade?Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmendenLichts.5 Haben Sie neben der Musik eine weiteregroße Leidenschaft?Das Leben, mit allem was dazu gehört.6 Was ist das Schwierigste an IhremInstrument?IMMER den richtigen Ton zu treffen.