Untergang eines Herzens - Stefan Zweig Centre Salzburg
Untergang eines Herzens - Stefan Zweig Centre Salzburg
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Zorn und Ressentiment gegen die Seinen ihn erstarren lassen,<br />
er musste sich im Alter seiner Tochter abplacken!, wird nicht<br />
nur ausführlich und bilderreich ausgebreitet, es ist die Bestätigung<br />
und Auswälzung des seltsamsten Textteils: des Prologs.<br />
Als glaube er der Geschichte nicht, als wolle er sich doppelt<br />
und dreifach absichern, erklärt uns der Autor gleich zu Beginn,<br />
dass der <strong>Untergang</strong> <strong>eines</strong> <strong>Herzens</strong> bislang einen nichtigen<br />
Anlass haben könne, und wir vergleichen erstaunt sein winziges<br />
Maß mit der oft mächtig fortwirkenden Gewalt. Oder vertraut<br />
der Autor den Lesern nicht? Hält er sie für so dumm, dass<br />
er die Moral der Geschichte, das, was er als deren Essenz<br />
betrachtet, an den Anfang stellen und sie dann, als Salomonsohn<br />
im dunklen Zimmer liegt, auf mehreren Seiten exemplifizieren<br />
muss?<br />
Wie nichtig ist denn der Anlass? Wie belanglos das Spiel,<br />
das Erna mit dem italienischen Offizier zu spielen scheint<br />
oder mit sich spielen lässt? Die erotische Ökonomie der Erzählung,<br />
ihre innerste Triebfeder, getrennte Betten mit der Frau,<br />
Angst vor und Anziehung von der Sexualität der Tochter, die<br />
Übernahme des fremden männlichen Begehrens gegenüber<br />
Erna in die Zone des absolut Verbotenen, die Lust, mit der ein<br />
alter Mann seine Tochter betrachtet, die er nur als Eigentum<br />
sehen kann, offenbart nicht nur eine repressive Sexualmoral,<br />
sie verweist direkt auf die unheilvolle Allianz aus Kapitalismus,<br />
Verdinglichung und Besitzdenken mit tradierten Moralvorstellungen<br />
von Anstand, Ehre und Schicklichkeit. Von hier<br />
aus ist es eine rasante Talfahrt, an der wir teilhaben, kein Ausscheren,<br />
kein Verschnaufen, keine Unterbrechung, Mitleid mit<br />
dem Alten schlägt in Ärger über ihn um, und umgekehrt. Am<br />
stärksten ist <strong>Stefan</strong> <strong>Zweig</strong>, wenn er in Salomonsohn ist, aus<br />
ihm schreibt, diesen rau und schlicht denken und sprechen<br />
lässt. Da bekommt die Erzählung einen Sog, eine abgründige<br />
Kraft, und doch wird der alte Mann vorgeführt, unentwegt<br />
wollen wir ihm zurufen: So rede doch, so erkläre dich ihnen<br />
doch!, aber er ist zu versunken in sich und seinen Gram, er<br />
spricht das Entsetzliche nicht aus. Er kann es nicht einmal<br />
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