27.11.2012 Aufrufe

Untergang eines Herzens - Stefan Zweig Centre Salzburg

Untergang eines Herzens - Stefan Zweig Centre Salzburg

Untergang eines Herzens - Stefan Zweig Centre Salzburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zorn und Ressentiment gegen die Seinen ihn erstarren lassen,<br />

er musste sich im Alter seiner Tochter abplacken!, wird nicht<br />

nur ausführlich und bilderreich ausgebreitet, es ist die Bestätigung<br />

und Auswälzung des seltsamsten Textteils: des Prologs.<br />

Als glaube er der Geschichte nicht, als wolle er sich doppelt<br />

und dreifach absichern, erklärt uns der Autor gleich zu Beginn,<br />

dass der <strong>Untergang</strong> <strong>eines</strong> <strong>Herzens</strong> bislang einen nichtigen<br />

Anlass haben könne, und wir vergleichen erstaunt sein winziges<br />

Maß mit der oft mächtig fortwirkenden Gewalt. Oder vertraut<br />

der Autor den Lesern nicht? Hält er sie für so dumm, dass<br />

er die Moral der Geschichte, das, was er als deren Essenz<br />

betrachtet, an den Anfang stellen und sie dann, als Salomonsohn<br />

im dunklen Zimmer liegt, auf mehreren Seiten exemplifizieren<br />

muss?<br />

Wie nichtig ist denn der Anlass? Wie belanglos das Spiel,<br />

das Erna mit dem italienischen Offizier zu spielen scheint<br />

oder mit sich spielen lässt? Die erotische Ökonomie der Erzählung,<br />

ihre innerste Triebfeder, getrennte Betten mit der Frau,<br />

Angst vor und Anziehung von der Sexualität der Tochter, die<br />

Übernahme des fremden männlichen Begehrens gegenüber<br />

Erna in die Zone des absolut Verbotenen, die Lust, mit der ein<br />

alter Mann seine Tochter betrachtet, die er nur als Eigentum<br />

sehen kann, offenbart nicht nur eine repressive Sexualmoral,<br />

sie verweist direkt auf die unheilvolle Allianz aus Kapitalismus,<br />

Verdinglichung und Besitzdenken mit tradierten Moralvorstellungen<br />

von Anstand, Ehre und Schicklichkeit. Von hier<br />

aus ist es eine rasante Talfahrt, an der wir teilhaben, kein Ausscheren,<br />

kein Verschnaufen, keine Unterbrechung, Mitleid mit<br />

dem Alten schlägt in Ärger über ihn um, und umgekehrt. Am<br />

stärksten ist <strong>Stefan</strong> <strong>Zweig</strong>, wenn er in Salomonsohn ist, aus<br />

ihm schreibt, diesen rau und schlicht denken und sprechen<br />

lässt. Da bekommt die Erzählung einen Sog, eine abgründige<br />

Kraft, und doch wird der alte Mann vorgeführt, unentwegt<br />

wollen wir ihm zurufen: So rede doch, so erkläre dich ihnen<br />

doch!, aber er ist zu versunken in sich und seinen Gram, er<br />

spricht das Entsetzliche nicht aus. Er kann es nicht einmal<br />

26

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!