Jahresbericht Deutsches Museum 2002
Jahresbericht Deutsches Museum 2002
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Sonderausstellung »Das zweite<br />
Gesicht. Metamorphosen des fotografischen<br />
Porträts«<br />
Mit der großen Themenausstellung, die anlässlich des Jahrestages<br />
des Deutschen <strong>Museum</strong>s am 7. Mai eröffnet<br />
wurde, hat das Deutsche <strong>Museum</strong> den bereits in zahlreichen<br />
Veranstaltungen angeregten, ebenso notwendigen wie<br />
reizvollen Diskurs zwischen Kunst und Wissenschaft nun<br />
durch eine anspruchsvolle Bilderschau fortgesetzt. Das der<br />
Ausstellung zugrunde liegende Konzept richtete sich auf<br />
die Frage, wie die Künstler seit der zweiten Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts bis heute mit dem fotografischen Medium<br />
experimentieren, um die Porträtdarstellung variantenreich<br />
neu zu fassen. Der absichtsvolle Verstoß gegen das Reglement,<br />
die gewollte Bildstörung, wie sie durch bewusste<br />
Unschärfe, Zeit- und Mehrfachbelichtung, Fotogramm,<br />
Negativdruck und Solarisation, Montage und Collage und<br />
zuletzt auch durch die spielerische Manipulation in Video<br />
und den elektronischen Medien erzielt werden, verleihen<br />
dem Bildnis eine eigene Intensität, die zwischen symbolischer<br />
Überhöhung, hybrider Verfremdung und nahezu völliger<br />
Auslöschung oszilliert. Diese unterschiedlichen Strategien<br />
der Manipulation wurden in fünf Bereichen<br />
(Unschärfe/Defiguration; Reduktion/Abstraktion; Überblendung/Überlagerung;Fragmentierung/Rekombination;<br />
Animation) vorgestellt. Mit 84 Werken von 70 internationalen<br />
Künstlern und Künstlerpaaren konnte dabei ein<br />
breites Spektrum abgesteckt werden, das von den Porträts<br />
Julia Margaret Camerons in den 1860er Jahren über den<br />
Piktorialismus der Jahrhundertwende, die experimentelle<br />
Fotografie der klassischen Avantgarde, die subjektive Fotografie<br />
der Nachkriegszeit bis zu den aktuellen, synthetisierten<br />
Aufnahmen in Video, Digitaltechnik und interaktiven<br />
Computerinstallationen reichte.<br />
Durch Exkurse in die systematischen Bildmanipulationen<br />
der Gesichtswahrnehmung, das Phantombild der Kriminalistik<br />
und die computergesteuerte Simulation des<br />
Gesichts in der Schönheitschirurgie wurde außerdem eine<br />
Brücke zur wissenschaftlichen Modulation des fotografischen<br />
Bildnisses geschlagen und damit auch der primär<br />
naturwissenschaftlich-technischen Ausrichtung des Deutschen<br />
<strong>Museum</strong>s Rechnung getragen. Aus der Gegenüberstellung<br />
der künstlerischen Verfremdungsstrategien und<br />
den unterschiedlichen Bildmanipulationen im Dienste der<br />
Wissenschaft entspann sich ein lebendiger Dialog, der oftmals<br />
überraschende Parallelen zwischen den beiden Komplexen<br />
offenbarte.<br />
Das gemeinsam mit Susanne Witzgall als Co-Kuratorin<br />
erarbeitete Konzept erfuhr durch Tido Brussig und Christian<br />
Hölzl eine architektonisch wie graphisch anspruchsvol-<br />
le Umsetzung. Dank der hervorragenden Kooperation mit<br />
nationalen und internationalen Leihgebern, wie dem George<br />
Eastman House, Rochester, dem Centre Pompidou, Paris,<br />
dem Folkwang <strong>Museum</strong>, Essen, dem Hamburger <strong>Museum</strong><br />
für Kunst und Gewerbe, dem <strong>Museum</strong> Ludwig, Köln, und<br />
dem Münchner Fotomuseum sowie zahlreichen Galerien<br />
und Künstlern war es möglich, das Thema in einer vielschichtigen,<br />
repräsentativen Auswahl zu präsentieren. In<br />
dem schönen, bei Prestel in München verlegten, zweisprachigen<br />
Ausstellungskatalog mit elf Beiträgen zur wechsel-<br />
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