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Quantenmechanik II - II. Institute for Theoretical Physics

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<strong>Quantenmechanik</strong> <strong>II</strong>Wintersemester 2008/9Klaus Fredenhagen<strong>II</strong>. Institut für Theoretische PhysikUniversität Hamburg


InhaltsverzeichnisKapitel I. Struktur der <strong>Quantenmechanik</strong> 51. Observable und Zustände 52. Zeitentwicklung 8Kapitel <strong>II</strong>. Näherungsverfahren 111. Schrödingersche Störungstheorie 112. Rayleigh-Ritzsches Variationsverfahren 243. Zeitabhängige Störungstheorie 284. Plötzliche und adiabatische Änderungen 34Kapitel <strong>II</strong>I. Symmetrien in der <strong>Quantenmechanik</strong> 371. Symmetrieoperatoren 372. Symmetriegruppen 383. Infinitesimale Symmetrien 424. Tensorprodukte 455. Tensor-Operatoren und Wigner-Eckart-Theorem 486. Ununterscheidbare Teilchen 50Kapitel IV. Streutheorie 531. Zeitabhängige Streutheorie 532. Zeitunabhängige Streutheorie 563. Vielkanalstreuung 60Kapitel V. Relativistische <strong>Quantenmechanik</strong> 631. Die Klein-Gordon-Gleichung 632. Die Dirac-Gleichung 653


KAPITEL IStruktur der <strong>Quantenmechanik</strong>1. Observable und ZuständeDer auffälligste Unterschied zwischen der Quantenphysik und derklassischen Physik ist, dass auch bei optimaler Präparation eines Systemsund optimaler Messung die Messergebnisse statistisch schwanken.In der klassischen Mechanik hingegen ist bei Angabe eines Punktesim Phasenraum der Wert jeder Observable eindeutig bestimmt, sodassdiese als Funktionen auf dem Phasenraum aufgefasst werden können.Grundlegend für die Quantentheorie ist, dass reelle Observable durchselbstadjungierte Hilbertraumoperatoren beschrieben werden. Ein Hilbertraumist ein komplexer Vektorraum mit einem positiv definitemSkalarprodukt, der vollständig bezüglich der durch das Skalarproduktdefinierten Topologie ist. Operatoren sind lineare Abbildungen des Hilbertraumsin sich. Sie sind stetig, wenn sie auf der Einheitskugel beschränktsind. Obwohl das für die Anwendungen nicht ausreicht, wollenwir zunächst nur beschränkte Operatoren betrachten. Die Norm einesOperators ist definiert durch||A|| = sup ||Aψ|| .||ψ||=1Die Menge der selbstadjungierten beschränkten Operatoren eines Hilbertraumsist ein reeller Banachraum. Das Spektrum eines OperatorsA ist die Menge der komplexen Zahlen Λ, für die A − λ1 kein beschränktesInverses besitzt. Für selbstadjungierte Operatoren A liegtdas Spektrum auf der reellen Achse, und es gilt‖A‖ =sup |λ| .λ∈spectrum(A)(I.1)Dieser Sachverhalt ist die Grundlage für den Funktionalkalkül für selbstadjungierteOperatore. Zunächst betrachtet man Polynome eines Operators.Ist p(x) = ∑ Nn=0 a nx n mit a n ∈ C und a N ≠ 0 ein Polynom.Dann definiert man p(A) = ∑ Nn=0 a nA n . Man verifiziert dann, dass dasSpektrum von p(A) aus der Menge der komplexen Zahlen p(λ) mitλ ∈ spectrum(A) besteht (Übungsaufgabe 1). Ist A selbstadjungiertund p ein Polynom mit reellen Koeffizienten a n , dann ist p(A) selbstadjungiert.Daraus folgt, dass für zwei reelle Polynome p 1 , p 2 gilt||p 1 (A) − p 2 (A)|| ≤sup |p 1 (x) − p 2 (x)| . (I.2)|x|≤||A||5


6 I. STRUKTUR DER QUANTENMECHANIKNach dem Satz von Weierstrass lässt sich jede stetige Funktion aufeinem kompakten Intervall der reellen Achse gleichmäßig durch Polynomeapproximieren. Da der Raum der selbstadjungierten Operatorenbezüglich der Operatornorm vollständig ist, gibt es zu jeder stetigenreellen Funktion f einen eindeutig bestimmten selbstadjungierten Operatorf(A). Dieser wird definiert durchf(A) = lim p n (A) ,wobei (p n ) eine beliebige Folge von Polynomen ist, die auf dem Spektrumvon A gleichmäßig gegen f konvergiert.Physikalisch werden die Punkte des Spektrums als die möglichenMessergebnisse interpretiert. Der Übergang zu einer Funktion des Operatorsist daher nichts anderes als eine Umparametrisierung der Messergebnisse.Zustände lassen sich als Präparationsvorschriften am zu untersuchendenSystem auffassen. Bei gegebener Observable liefern sie einWahrscheinlichkeitsmaß µ. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf R ist eineAbbildung µ von der Menge der Intervalle in das Einheitsintervall [0, 1]mit der Normierungsbedingung µ(R) = 1, sodass für eine höchstensabzählbar unendliche disjunkte Zerlegung eines Intervalls I = ⋃ Ni=1 I i,N ∈ N ∪ ∞, I i ∩ I j = ∅ für i ≠ j die Additivitätsbedingung (σ-Additivität) giltN∑µ(I) = µ(I i ) .(I.3)i=1µ(I) wird als die Wahrscheinlichkeit interpretiert, dass das betrachteteEreignis im Intervall I liegt. Mit Hilfe eines Wahrscheinlichkeitsmaßeslassen sich Integrale stetiger beschränkter Funktionen f als Limitesvon Riemann-Summen erklären. Der Wert des Integrals wird als derErwartungwert der Zufallsvariablen f(x) interpretiert.Ein Wahrscheinlichkeitsmaß wird eindeutig durch die Erwartungswertealler stetigen Funktionen f charakterisiert,∫f(x)dµ(x) = 〈f〉(I.4)Die Wahrscheinlichkeit, dass der Messwert einer Observablen A im Intervall[a, b] liegt, ergibt sich alsµ([a, b]) = inf〈f(A)〉wobei das Infimum über alle nichtnegativen stetigen Funktionen f gebildetwird, die auf dem Intervall [a, b] gleich 1 sind.Für kommutierende Operatoren A, B gibt es dementsprechend einWahrscheinlichkeitsmaß auf R 2 , das durch die Erwartungswerte∫f(x, y)dµ(x, y) = 〈f(A, B)〉(I.5)charakterisiert wird.


1. OBSERVABLE UND ZUSTÄNDE 7Die wesentliche Struktur des Zustandsraums der Quantentheoriebesteht darin, dass dieses Erwartungswertfunktional zu einem linearenFunktional ω auf dem Raum aller Observablen ausgedehnt werdenkann. Dieses Funktional muss die beiden folgenden Bedingungenerfüllen:ω(1) = 1ω(A) ≥ 0 , falls A ≥ 0Hierbei heißt ein selbstadjungierter Operator positiv, falls sein Spektrumkeine negativen Zahlen enthält.Beispiele für Zustände sind die Vektorzuständeω ψ (A) = ( ψ, Aψ )mit einem Einheitsvektor ψ des Hilbertraums.Der Raum der Zustände ist konvex, daher erhält man weitere Zuständedurchω = ∑ iλ i ω ψimit λ i ≥ 0, ∑ λ i = 1 und Einheitsvektoren ψ i . Diese Zustände lassensich durch Dichtematrizen ρ beschreiben,ω ρ (A) = tr ρAwobei ρ ein positiver Operator mit Spur gleich 1 ist. In Dirac-Notationergibt sich der Zusammenhangρ = ∑ λ i |ψ i 〉〈ψ i | .Die Vektoren ψ i bilden hierbei nicht notwendig ein Orthonormalsystem.Die Spur eines positiven Operators T ist definiert durchtr T = ∑ (ψi , T ψ i)mit einer beliebigen Orthonormalbasis (ψ i ). Auf einem unendlich dimensionalenHilbertraum kann die Spur auch den Wert ∞ annehmen.Die positiven Operatoren mit endlicher Spur erzeugen einen komplexenUnterraum von B(H), den Raum der Spurklasseoperatoren. Auf dieseRaum kann die Spur eindeutig durch die obige Vorschrift ausgedehntworden. Die Spurklasseoperatoren bilden ein beidseitiges Ideal, daherist die angegebene Vorschrift zur Berechnung der Erwartungswerte fürbeliebige beschränkte Operatoren sinnvoll.Als ein Beispiel betrachten wir ein Spin- 1 -System. Der zugehörigeHilbertraum ist C 2 , die Observablen sind die hermiteschen 2 × 2-2Matrizen. Diese lassen sich in der Form A = α1 + β ⃗ · ⃗σ darstellen, mitα ∈ R, β ⃗ ∈ R 3 und den Paulimatrizen(( ) ( ) ( ))0 1 0 −i 1 0⃗σ =,,. (I.6)1 0 i 0 0 −1


8 I. STRUKTUR DER QUANTENMECHANIKZustände ω sind eindeutig durch ihre Werte auf den Paulimatrizenbestimmt,ω(A) = α + β ⃗ · ⃗n , ⃗n ∈ R 3 .(I.7)Das Spektrum von A besteht aus den beiden Eigenwerten α±| ⃗ β|. A istalso positiv, wenn | ⃗ β| ≤ α. Die Positivitätsbedingung an ω ist erfülltfür |⃗n| ≤ 1. Die Menge der Zustaände kann daher mit den Punkten derEinheitskugel im R 3 identifiziert werden.Die Menge der Zustände ist konvex, d.h. mit zwei Zuständen ω 1 , ω 2sind auch alle Punkte auf der Verbindungslinie,ω = λω 1 + (1 − λ)ω 2 , λ ∈ (0, 1) .Zustände, erfüllen also die Normierungs- und die Positivitätsbedingung.Zustände, die sich als konvexe Kombination zweier verschiedenerZustände darstellen lassen, nennt man gemischt, diejenigen, für die einesolche Zerlegung nicht existiert, rein. Die reinen Zustände sind die Extremalpunkteder konvexen Menge aller Zustände. Im Fall des Spin- 1-2Systems bilden die reinen Zustände die Oberfläche S 2 der Einheitskugel,die gemischten Zustände das Innere. Ein wesentliche Eigenschaft der<strong>Quantenmechanik</strong> ist, dass die gemischten Zustände viele verschiedeneDarstellungen als konvexe( Kombinationen ) reiner Zustände besitzen.z1Einheitsvektoren z = ∈ Cz 2 induzieren reine Zustände,2|(z, ⃗σz)| 2 = (|z 1 | 2 −|z 2 | 2 ) 2 +(z 1 z 2 +z 2 z 1 ) 2 −(z 1 z 2 −z 2 z 1 ) 2 = (|z 1 | 2 +|z 2 | 2 ) 2 = 1Dabei induzieren Einheitsvektoren, die sich nur um einen Faktor e iϕ ,ϕ ∈ [0, 2π) unterscheiden, denselben Zustand.2. ZeitentwicklungDie zeitliche Entwicklung der Observablen wird durch die HeisenberggleichungdA(t) = i[H, A(t)]dtbeschrieben. Hierbei ist H ein selbstadjungierte Operator. Mit Hilfedes Funktionalkalküls können wir die OperatorenU(t) = e iHtdefinieren. Diese Operatoren sind unitär und erfüllen die GleichungU(t)U(s) = U(t+s). Damit lautet die Lösung der HeisenberggleichungA(t) = U(t)A(0)U(−t)Wenn H unbeschränkt ist (dies ist in den meisten Anwendungen derFall), ist die Heisenberggleichung nicht immer wohldefiniert. Wenn Hjedoch selbstadjungiert ist, so ist U(t) wohldefiniert, erfüllt die Gruppenrelationund ist stark stetig, d.h. t ↦→ U(t)Ψ ist stetig für alle Ψ ∈ H.


KAPITEL <strong>II</strong>NäherungsverfahrenNur wenige quantenmechanische Probleme lassen sich geschlossenlösen. Man ist daher im allgemeinen auf Näherungsmethoden angewiesen.Es gibt eine ganze Reihe höchst unterschiedlicher Näherungsverfahren,deren Effektivität und Zuverlässigkeit oftmals schwer zu überblickensind. Wir wollen uns zunächst mit den Näherungsverfahren fürgebundene Zustände beschäftigen; hierbei gibt es die zeitunabhängigenVerfahren - Schrödingersche Störungstheorie und das Rayleigh-RitzscheVariationsverfahren - mit denen man In<strong>for</strong>mationen über die Eigenwerteund Eigenzustände erhält, und die zeitabhängigen Verfahren, mitderen Hilfe man die Übergänge zwischen stationären Zuständen untersucht.1. Schrödingersche StörungstheorieAusgangspunkt der Schrödingerschen Störungstheorie ist eine Aufspaltungdes HamiltonoperatorsH = H 0 + H 1 ,sodass Eigenwerte und Eigenfunktionen des selbstadjungierten OperatorsH 0 bekannt sind und der hermitesche Operator H 1 in einemgeeigneten Sinn als kleine Störung aufgefasst werden kann.In einem ersten Schritt betrachtet man die Familie der OperatorenH(λ) = H 0 + λH 1 , λ ∈ [0, 1], und nimmt an, dass es (unendlich oft)differenzierbare Funktionen E(λ) und Ψ(λ) ∈ H \ {0} gibt, sodass giltH(λ)Ψ(λ) = E(λ)Ψ(λ) .Die Funktion ( Ψ(0), Ψ(λ) ) ist nach Annahme differenzierbar und ungleichNull. Wir können daher die Hilbertraum-wertige Funktion Ψ(λ)so wählen, dass die Normierungsbedingung(Ψ(0), Ψ(λ))= 1erfüllt ist. Für die Taylorkoeffizienten der Funktionen E(λ) und Ψ(λ)folgen die GleichungenH 0 Ψ 0 = E 0 Ψ 0 (<strong>II</strong>.1)H 1 Ψ 0 + H 0 Ψ 1 = E 1 Ψ 0 + E 0 Ψ 1 (<strong>II</strong>.2)· · · · · · · · · (<strong>II</strong>.3)H 1 Ψ n−1 + H 0 Ψ n = E n Ψ 0 + · · · + E 0 Ψ n (<strong>II</strong>.4)11


12 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENaus der Eigenwertgleichung sowie(Ψ0 , Ψ n)= δn0 (<strong>II</strong>.5)aus der Normierungsbedingung. Aus der Gleichung (<strong>II</strong>.1) folgt, dass Ψ 0ein Eigenvektor von H 0 zum Eigenwert E 0 sein muss.Sei P 0 der Projektor auf den Raum der Eigenvektoren von H 0 zumEigenwert E 0 . Dann ergibt sich aus (<strong>II</strong>.2) wegen P 0 (H 0 − E 0 )Ψ 0 = 0P 0 H 1 P 0 Ψ 0 = E 1 Ψ 0 ,d.h. Ψ 0 ist ein Eigenvektor von P 0 H 1 P 0 zum Eigenwert E 1 . Ist E 0 nichtentartet, so istP 0 = |Ψ 0 〉〈Ψ 0 |und daherP 0 H 1 P 0 = ( Ψ 0 , H 1 Ψ 0)P0 ,also E 1 = ( )Ψ 0 , H 1 Ψ 0 . Die erste Korrektur zum Eigenwert E0 ergibtsich daher als der Erwartungswert des Störterms im ungestörten Zustand.Ist E 0 endlich entartet und ist {Φ 1 , . . . , Φ n } eine Orthonormalbasisdes Eigenraums, so istn∑P 0 = |Φ i 〉〈Φ i | .i=1E 1 ergibt sich dann als Eigenwert der (n × n)-Matrix( (Φi ) ), H 1 Φ k , (<strong>II</strong>.6)i,k=1,...,nund Ψ 0 ergibt sich zu Ψ 0 = ∑ c i Φ i , wobei der Spaltenvektor⎛ ⎞c 1c = ⎜ . . .⎟⎝ . . . ⎠c nder zugehörige Eigenvektor der Matrix in (<strong>II</strong>.6) ist.Wir wollen uns zunächst mit dem nichtentarteten Fall beschäftigen.In diesem Fall ist Ψ 1 durch (<strong>II</strong>.2) und (<strong>II</strong>.5) eindeutig bestimmt. Es giltΨ 1 = −(H 0 − E 0 ) −1 (H 1 − E 1 )Ψ 0 .(<strong>II</strong>.7)Hierbei ist der Operator (H 0 − E 0 ) −1 auf dem Unterraum (1 − P 0 )Hdas Inverse von H 0 − E 0 ; auf dem Unterraum P 0 H wird er gleich Nullgesetzt. Wir wollen auch annehmen, dass E 0 im Spektrum von H 0isoliert ist; dann ist (H 0 − E 0 ) −1 auf ganz H definiert.Die Koeffizienten E n und Ψ n findet man jetzt durch Rekursion. Esgilt für n ≥ 2E n = ( )Ψ 0 , (H 1 − E 1 )Ψ n−1 (<strong>II</strong>.8)undΨ n = (H 0 − E 0 ) −1( −(H 1 − E 1 )Ψ n−1 + E 2 Ψ n−2 + · · · + E n Ψ 0). (<strong>II</strong>.9)


1. SCHRÖDINGERSCHE STÖRUNGSTHEORIE 13Oft berechnet man die Korrektur zweiter Ordnung zur Energie. Sieergibt sich zuE 2 = − ( (H 1 − E 1 )Ψ 0 , (H 0 − E 0 ) −1 (H 1 − E 1 )Ψ 0).(<strong>II</strong>.10)Ist E 0 die Grundzustandsenergie von H 0 , so ist E 2 ≤ 0, d.h. die Grundzustandsenergieist eine konkave Funktion von λ.Als Beispiel für die Anwendung der Störungstheorie betrachten wirdas Heliumatom, der Einfachheit halber wird der Kern als unendlichschwer angenommen. Der Hilbertraum der Zustandsvektoren ist (beiVernachlässigung des Spins)∫H = L 2 (R 6 ) = {Φ : R 3 × R 3 → C, d 2 x 1 d 3 x 2 |Φ(x 1 , x 2 )| 2 < ∞} .Der Hamiltonoperator istH = − 12m (∆ x 1+ ∆ x2 ) + α(− Z|x 1 | − Z|x 2 | + 1|x 1 − x 2 | )mit der Elektronenmasse m, der Kernladungszahl Z (= 2 für Helium)und der Feinstrukturkonstanten α ≈ 1 . Es ist zweckmäßig, dimensionslose137Koordinateny i = Z a x ieinzuführen, mit dem Bohrschen Radius a = (mα) −1 . Man findetH = 2RZ 2 (H 0 + λH 1 )mit der Rydbergkonstanten R = 1 2 mα2 = 13, 6 eV und λ = 1 Z ,undH 0 = − 1 2 (∆ y 1+ ∆ y2 ) − 1|y 1 | − 1|y 2 |H 1 =1|y 1 − y 2 | .Die physikalisch realisierbaren Werte von λ sind 1 Z , Z ∈ N (H− , He,Li + , Be ++ , . . .).Die Grundzustandswellenfunktion des ungestörten HamiltonoperatorsH 0 ist das Produkt der Wellenfunktionen ϕ 100 des Grundzustandsder Einteilchen-Hamiltonoperatoren − 1 2 ∆ − 1|y| ,ϕ 100 (y) = Ne −r , r = |y|, N > 0 Normierungsfaktormit der Grundzustandsenergie − 1 , daher ist die Grundzustandsenergie2von H 0E 0 = −1 .Das kontinuierliche Spektrum beginnt, wenn ein Teilchen im Grundzustandist und das andere im Kontinuum, also bei − 1 . Für Helium2z.B. ist die Grundzustandsenergie −2 · R · 2 2 = −108, 8eV und dieIonisationsenergie −54, 4eV.


14 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENZur Bestimmung der ersten Korrektur zur Grundzustandsenergieberechnen wir den Erwartungswert von H 1 im Grundzustand〈H 1 〉 = ( ∫)Ψ 0 , H 1 Ψ 0 = d 3 y 1 d 3 y2|ϕ 3 100 (y 1 )| 2 |ϕ 100 (y 2 )| 2 1|y 1 − y 2 | .Dieses Integral ist symmetrisch unter Vertauschung der beiden Ortsvektoren.Wir können es daher durch das Zweifache des Integrals überden Bereich |y 2 | > |y 1 | ersetzen. Für die y 2 -Integration führen wirKugelkoordinaten mit der z-Achse in Richtung von y 1 ein und setzenwie üblich w = cos θ. Das Ergebnis hängt nur noch von |y 1 | ab. Wirerhalten∫ ∞ ∫ ∞∫ +1〈H 1 〉 = N 4 16π 2 dr 1 r12 dr 2 r2e 2 −2(r 1+r 2 )dw(r1+r 2 2−2r 2 1 r 2 w) −1/2 .0r 1 −1Die Integration über w ergibt∫ +1Damit folgtEs giltEinsetzen ergibtMit−1dw(r 2 1 + r 2 2 − 2r 1 r 2 w) −1/2 = 2 r 2∫ ∞〈H 1 〉 = N 4 32π 2 dr 1 r1e 2 −2r 1∫ ∞s0∫ ∞drre −2r = ( s 2 + 1 4 )e−2s .〈H 1 〉 = N 4 32π 2 ∫ ∞∫ ∞00r 1dr 2 r 2 e −2r 2.dr( r32 + r24 )e−4rdr r k e −λr = λ −(k+1) k!für k ∈ N 0 und λ > 0 findet man den Normierungsfaktor N = π −1/2und damit〈H 1 〉 = 3! · 2 −4 + 2! · 2 −3 = 5 8 .Also beträgt die Korrektur erster Ordnung zur GrundzustandsenergieenergieE 1 = − 58Z E 0 .Für das Wasserstoff-Ion H − liegt die berechnete Energie dann bereits imKontinuum; tatsächlich besitzt das Waaserstoff-Ion aber einen stabilenGrundzustand mit einer Energie unterhalb der Ionisationsenergie. BeimHelium findet manE 0 + E 1 = (1 − 5 )(−108, 8eV) = −74, 8eV16


1. SCHRÖDINGERSCHE STÖRUNGSTHEORIE 15verglichen mit dem experimentellen WertE exp = −78, 975eV .Für Li + (Z = 3) und Be ++ (Z = 4) wird die Übereinstimmung besser. 1Als nächstes berechnen wir die Korrektur 1.Ordnung zum erstenangeregten Zustand. Die Energie des ersten angeregten Zustands vonH 0 istE 0 = − 1 2 (1 + 1 4 ) = −5 8 .Dieser Eigenwert ist 8-fach entartet, mit Eigenfunktionenϕ 100 (y 1 )ϕ 200 (y 2 ) , ϕ 100 (y 1 )ϕ 21m (y 2 ) , m = −1, 0, 1und den daraus durch Vertauschung von y 1 und y 2 entstehenden Funktionen.Hierbei ist ϕ nlm die normierte Eigenfunktion des Operators− 1∆ − 1 mit Quantenzahlen n = n2 |y| r + l + 1, n r radiale Quantenzahl,l Drehimpulsquantenzahl und m magnetische Quantenzahl.Da der Gesamtdrehimpuls L = L (1) + L (2) mit H 0 und H 1 vertauscht,kann das Eigenwertproblem für jeden Eigenwert von |L| 2 undL 3 getrennt gelöst werden. Der Eigenraum zu E 0 zerfällt daher in 4zweidimensionale Unterräume, die Eigenräume von |L| 2 und L 3 sind.Auf diesen Unterräumen berechnet man die Matrixelemente vonH 1 . Für l = 0 ergibt sich die 2 × 2-Matrix( )( ) J KH1 =K Jmit dem sogenannten Coulombintegral∫ ∫J = d 3 y 1 d 3 y 2 |ϕ 100 (y 1 )| 2 1|y 1 − y 2 | |ϕ 200(y 2 )| 2und dem sogenannten Austauschintegral∫ ∫K = d 3 y 1 d 3 1y 2 ϕ 100 (y 1 )ϕ 200 (y 2 )|y 1 − y 2 | ϕ 100(y 2 )ϕ 200 (y 1 ) .J beschreibt die Wechselwirkungsenergie der mit den Wellenfunktionenverbundenen Ladungsdichten. K hat dagegen kein klassisches Analogon.Die obige Matrix hat die Eigenwerte J ± K mit den Eigenvektoren(1, ±1). Die normierten Eigenfunktionen in 0.Ordnung sind alsoφ ± (y 1 , y 2 ) = 1 √2(ϕ100 (y 1 )ϕ 200 (y 2 ) ± ϕ 100 (y 2 )ϕ 200 (y 1 ) ) .Sie sind Eigenvektoren des Transpositionsoperators τ,(τΦ)(y 1 , y 2 ) = Φ(y 2 , y 1 ) ,der seinerseits mit H 0 , H 1 und L vertauscht. Die gemeinsamen Eigenfunktionenvon H 0 und P 0 H 1 P 0 können daher immer als Eigenvektorenvon τ gewählt werden.


16 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENJ und K lassen sich ähnlich wie bei der Berechnung der 1.Korrekturzur Grundzustandsenergie berechnen. Da K > 0 ist die antisymmetrischeWellenfunktion φ − der Zustand mit der kleineren Energie. Diesleuchtet ein, da die beiden Elektronen in diesem Zustand im Mittelweiter voneinander entfernt sind.Bei der obigen Überlegung haben wir den Spin und das Pauli-Prinzip nicht berücksichtigt. Die volle Wellenfunktion muss nach demPauli-Prinzip antisymmetrisch sein. Ist die Ortswellenfunktion symmetrisch,so muss die Spinwellenfunktion antisymmetrisch sein, undumgekehrt. Antisymmetrische Spinwellenfunktionen haben den Spin0, symmetrische den Spin 1. Die Positivität des Austauschintegralsbegünstigt also die Parallelstellung der Spins. Dies ist die von Heisenbergerkannte quantenmechanische Ursache des Ferromagnetismus.Magnetische Wechselwirkungen zwischen den Spins spielen meist nureine untergeordnete Rolle.Als ein weiteres Beispiel für Störungstheorie betrachten wir die Hyperfeinstrukturdes Wasserstoffs. Diese wird verursacht durch das vommagnetischen Moment des Kerns erzeugte Magnetfeld. Das magnetischeMoment des Protons ist⃗µ p = g pe2m pS p ,wobei e die Ladung des Protons, S p der Operator des Protonspins undg p ≈ 5, 56 der gyromagnetische Faktor des Protons ist.Das von einem punktförmigen magnetischen Moment ⃗µ am Ursprungerzeugte Vektorpotential in der Eichung div A = 0 istA(x) = − 1 1⃗µ × grad4π |x| ,das zugehörige Magnetfeld istB(x) = rot A(x) = − 11(⃗µ∆ − (⃗µ · ∇)∇)4π |x| .In einem Zustand mit l = 0 ist der Wechselwirkungsterm allein durchden Spin des Elektrons bestimmt (Ladung -e)H 1 = g e2m S · B .


1. SCHRÖDINGERSCHE STÖRUNGSTHEORIE 17Der Grundzustand ist bei Berücksichtigung von Elektron und Kernspin4-fach entartet. Der Erwartungswert von ∂ i ∂ j in einem Grund-1|y|zustand ist unabhängig vom Spin und ergibt sich zu∫b ij := d 3 y|ϕ 100 (y)| 2 1∂ i ∂ j|y|∫=N 2 d 3 1ye −2|y| ∂ i ∂ j|y|= 1 ∫3 δ ijN 2 d 3 ye −2|y| ∆ 1|y|wegen Rotationsinvarianz. Mit ∆ 1|y| = −4πδ(y) und N = π−1/2 folgtb ij = − 4 3 δ ij .Mit B(ay) = − 14π a−3 (⃗µ∆ − (⃗µ · ∇)∇) 1 findet man für den Erwartungswertdes vom Kernmoment erzeugten Magnetfeldes|y|〈B〉 = 1 84π a−3 ⃗µ p3 .Also erhält man für P 0 H 1 P 0 die folgende 4 × 4-Matrix, ausgedrücktdurch die Spinoperatoren S und S p(H 1 ) = 1e e 84π a−3 S · S p gg p2m 2m p 3 = 2 3 gg m 2p α 4 S · S p .m pEs bleibt, das Produkt der Spinoperatoren zu diagoalisieren. Eine analogeRechnung wurde bei der Berechnung der Spin-Bahn-Wechselwirkunggemacht. Es gilt(|S + Sp | 2 − |S| 2 − |S p | 2)S · S p = 1 2= 1 (j(j + 1) − 3 )24 · 2 ={ 14, j = 1− 3 4, j = 0Für die Energieaufspaltung zwischen Ortho- und Parawasserstoff ergibtsich also∆E = 2 3 gg mp α 4 · m .m pBerechnung des Vorfaktors mit m/m p = 1/1840 liefert∆E = 1, 14 · 10 −11 m .Mit der Elektronmasse m = 0, 511MeV ergibt sich ∆E zu 5, 8µeV.Die Wellenlänge der zugehörigen elektromagnetischen Welle ergibt sichaus der Comptonwellenlänge des Elektrons 2π m = 2, 4 · 10−12 m zu λ =21, 4cm.Elektromagnetische Strahlung dieser Wellenlänge wird im Kosmosbeobachtet. Aus der Intensität dieser Linie zieht man Rückschlüsse aufdie Dichte und Temperatur des Wasserstoffs im interstellaren Raum.


18 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHREN2(Dichte 1cm −3 , Temperatur 100K im Bereich der Milchstraße, in demunser Sonnensystem liegt).Als ein drittes Beispiel betrachten wir den Stark-Effekt. Damit bezeichnetman die Veränderung der Spektrallinien eines Atoms infolgeeines von außen angelegten homogenen elektrischen Feldes E. Für dasWasserstoffatom ergibt sich als StörtermH 1 = ex · E .In einem Zustand, dessen Wellenfunktion ein Eigenzustand der ParitätP ,(P ϕ)(x) = ϕ(−x) ,ist, verschwindet der Erwartungswert von H 1 . Ein solcher Zustand hatkein permanentes elektrisches Dipolmoment (= 〈−ex〉). Alle Drehimpulseigenzuständesind Eigenzustände der Parität (mit Parität (−1) l ).Da beim Wasserstoffatom aber die Energieniveaus zusätzlich entartetsind, gibt es auch Energieeigenzustände, die keine Eigenzustände derParität sindWir legen die z-Achse in Richtung des elektrischen Feldes und berechnenfür die Hauptquantenzahl n = 2 die Matrixelemente(ϕ200 , zϕ 21m), m = −1, 0, 1 .Da z und L z vertauschen, kann nur das Matrixelement mit m = 0 vonNull verschieden sein. Es gilt (mit x = ay, a Bohrscher Radius) inPolarkoordinaten für yϕ 200 (r, θ, φ) = (8π) − 1 2 (1 −r2 )e− r 2 ,ϕ 210 (r, θ, φ) = (32π) − 1 2 re− r 2 cos θ .Mit z = ar cos θ folgt∫( )ϕ200 , zϕ 210 =(16π)−1=a∫× 2π∫drr 2 r(1 − r 2 )are−rdθ sin θ cos 2 θdr(r 4 − r52 )e−r ·216 · 23=a · (4! − 1 2 5!) · 112 = −3a .Die Eigenwerte des Störterms H 1 auf dem Unterraum zur Hauptquantenzahln = 2 und zur magnetischen Quantenzahl m = 0 sind also±3aeE mit Eigenvektoren N(ϕ 200 ± ϕ 210 ).Eigenräume des Hamiltonoperators, die keine Eigenräume des Paritätsoperatorssind, können also Zustände mit permanentem Dipolmomententhalten und zeigen daher den linearen Stark-Effekt, d.h. einelineare Abhängigkeit der Energieeigenwerte vom elektrischen Feld.


1. SCHRÖDINGERSCHE STÖRUNGSTHEORIE 19Eigenzustände des Paritätsoperators können aber ein induziertes Dipolmomenthaben, das proportional zum angelegten Feld ist. Die Verschiebungder Energieeigenwerte ist dann für kleine Feldstärken proportionalzum Quadrat der angelegten Feldstärke. Dieser sogenanntequadratische Stark-Effekt wird durch die Korrektur 2. Ordnung derStörungstheorie beschrieben.Für den Grundzustand von Wasserstoff giltE 1 = eE · 〈x〉 = 0 .Da der Grundzustand nicht entartet ist (der Spin kann bei dieser Überlegungaußer Betracht bleiben), ist die erste Korrektur zur Grundzustandswellenfunktionψ 1 = −(H 0 − E 0 ) −1 H 1 ϕ 100 ,und die Korrektur zweiter Ordnung zur Grundzustandsenergie istE 2 = −e 2 |E| 2( zϕ 100 , (H 0 − E 0 ) −1 zϕ 100).Eine explizite Berchnung von E 2 ist etwas mühsam; wir beschränkenuns daher auf eine grobe Abschätzung. Ist (χ k ) eine verallgemeinerteOrthonormalbasis schwacher Eigenvektoren von H 0 mit EigenwertenE(k), so ist für E(k) ≠ E 0(H 0 − E 0 ) −1 χ k = (E(k) − E 0 ) −1 χ k .Auf ϕ 100 verschwindet der Operator definitionsgemäß. Da der niedrigsteEigenwert nach E 0 den Wert 1E 4 0 hat, gilt im Sinne von Erwartungswerten(H 0 − E 0 ) −1 ≤ ( ( 1 4 − 1)E ) −1 40 =3 |E 0| −1 .Der Betrag von E 2 wird daher abgeschätzt durchWir berechnen|E 2 | ≤ 4 e 2 |E| 2 〈z 2 〉3 |E 0 |〈r 2 cos 2 θ〉 =∫drr 4 e −2r ∫ dww 2∫drr2 e −2r ∫ dw= 2−5 · 4! · 232 −3 2! · 2 = 1 ,also gilt|E 2 | ≤ 4 e 2 |E| 2 a 2.3 |E 0 |Man erwartet nicht, dass die Störungstheorie gute Ergebnisse liefert,wenn die 1. Korrektur zum Eigenwert größer ist als der Abstandzum nächsten Punkt im Spektrum. Ist aber eine Menge von EigenwertenM dicht konzentriert und weit entfernt vom übrigen Spektrum, sokann man die Störung in der folgenden Weise behandeln: Sei P 0 der zu.


20 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENden Eigenwerten gehörige Spektralprojektor, und sei E 0 der Mittelwertder betrachteten Eigenwerte. Dann definiert man die OperatorenH(λ) = H 0 (1 − P 0 ) + E 0 P 0 + λ ( (H 0 − E 0 )P 0 + H 1)Die Eigenwerte von H 0 + H 1 , die den betrachteten Eigenwerten von H 0entsprechen, werden in erster Ordnung in λ durch die Eigenwerte vonP 0 (H 0 + H 1 )P 0 auf dem Unterraum P 0 H gegeben.Als Beispiel untersuchen wir den Stark-Effekt beim AmmoniakmolekülNH 3 . In einer halbklassischen Betrachtung hat das Molekül dieForm einer dreiseitigen Pyramide, wobei die 3 Wasserstoffatome eingleichseitiges Dreieck bilden und das Stickstoffatom sich entweder oberoderunterhalb der dadurch gebildeten Ebene befindet. Quantenmechanischkann man die Position des Stickstoffatoms auf der Mittelsenkrechtennäherungsweise durch die 1-dimensionale Schrödigergleichungund ein Doppelwall-Potential beschreiben, bei dem die Minima einenAbstand 2h haben. Die Wellenfunktion des Grundzustands ist symmetrisch,die des ersten angeregten Zustands antisymmetisch. Ihre Energiedifferenzist sehr klein (ca. 10 −4 eV). Sind ϕ 0 und ϕ 1 die normiertenEigenvektoren mit Eigenwerten E 0 ∓ ∆, so müssen wir die Matrix( )E0 − ∆ ppE 0 + ∆diagonalisieren, mit p = Q|E| ( ϕ 0 , xϕ 1)≈ Q|E|h. Hierbei ist Q diemittlere elektrische Ladung des Stickstoffatoms. Die Eigenwerte sind3E 0 ± √ ∆ 2 + p 2 ≈ E 0 ± p(1 + ∆22p 2 )für p ≫ ∆. In diesem Fall ergibt sich also ein effektives Dipolmomentfür das Ammoniakmolekül.Nach diesen Beispielen, aus denen man entnehmen kann. wie reichhaltigund vielfältig die Anwendungen der Störungstheorie sind, wollenwir uns kritisch mit der Rechtfertigung der Störungstheorie und mitihren Grenzen beschäftigen.Betrachten wir zunächst das endlichdimensionale Problem. SeienH 0 und H 1 hermitesche n × n-Matrizen. Die Eigenwerte von H 0 + λH 1sind dann Nullstellen des charakteristischen Polynomsp λ (z) = det(H 0 + λH 1 − z1) .Nach Sätzen der Funktionentheorie sind die Nullstellen z i (λ) algebraischeFunktionen in λ. Sie lassen sich in einer Umgebung von λ = 0 ineine Potenzreihe von λ 1/p entwickeln, wobei p ≤ n die Multiplizität derNullstelle bei λ = 0 ist. Hierbei darf λ auch komplexe Werte annehmen.Wir nutzen jetzt aus, dass H 0 + λH 1 für reelle λ hermitesch ist.Daher muss z i (λ) für relle λ selbst reell sein. Dies ist aber nur möglich,wenn in der Potenzreihenentwicklung ausschließlich Vielfache von p als


1. SCHRÖDINGERSCHE STÖRUNGSTHEORIE 21Exponenten auftauchen. Das heißt aber, dass die Eigenwerte in einerUmgebung des Nullpunkts sogar analytische Funktionen von λ sind(Theorem von Rellich). So hatten wir bei der Diskussion des Stark-Effekts beim Ammoniak die Eigenwerte als algebraische Funktionen derelektrischen Feldstärke erhalten, die für reelle Feldstärken analytischsind und im Komplexen Verzweigungspunkte besitzen.Im unendlichdimensionalen Fall erweist sich der Begriff der Resolventeals günstig. Ist H selbstadjungiert und z nicht im Spektrum vonH, dann besitzt der Operator H − z1 ein Inverses R(z) = (H − z1) −1 .R(z) ist auf ganz H erklärt und ist ein beschränkter Operator, d.h.‖R(z)‖ := sup ‖R(z)Φ‖ < ∞‖Φ‖=1(es gilt ‖R(z)‖ = dist(z, spH) −1 , wie aus der Spektraldarstellung vonH leicht zu entnehmen ist).Man nennt die auf dem Komplement des Spektrums definierte operatorwertigeFunktion R(z) die Resolvente von H. R(z) erfüllt die folgendeGleichung (1.Resolventengleichung)R(z 1 ) − R(z 2 ) = (z 1 − z 2 )R(z 1 )R(z 2 ) .(<strong>II</strong>.11)Beweis: Es giltR(z 1 )(z 1 −z 2 )R(z 2 ) = R(z 1 ) ( (z 1 −H)−(z 2 −H) ) R(z 2 ) = R(z 1 )−R(z 2 ) .□Ist ein Teil des Spektrums von H isoliert, so kann man den zugehörigenSpektralprojektor P durch die Resovente ausdrücken. Man wähltdazu einen Weg γ, der den gewünschten Teil des Spektrums positivumrandet. Dann giltP = − 1 ∫dzR(z) .(<strong>II</strong>.12)2πi γZum Beweis geht man in die Spektraldarstellung von H. Sei Φ einEigenvektor von H zum Eigenwert E. Dann gilt− 1 ∫dzR(z)Φ = 1 ∫1dz2πi γ2πi γ z − E Φ{Φ , E wird von γ eingeschlossen,=0 , sonst .Für die Resolvente gibt es eine sehr einfache Störungstheorie. Dieseberuht auf der 2. Resolventengleichung. Seien H 1 und H 2 selbstadjungierteOperatoren mit demselben Definitionsbereich und mit ResolventenR 1 bzw. R 2 . Dann gilt:R 1 − R 2 = R 1 (H 2 − H 1 )R 2 .(<strong>II</strong>.13)


22 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENBeweis: Es giltR 1 (z)(H 2 − H 1 )R 2 (z) = R 1 (z)(H 2 − z1)R 2 (z) − R 1 (z)(H 1 − z1)R 2 (z)= R 1 (z) − R 2 (z) .Sei nun H(λ) = H 0 + λH 1 mit Resolvente R λ . Dann giltR λ = R 0 − λR 0 H 1 R λ .Durch Iteration erhält man die Lösung∞∑R λ = (−λ) n R 0 (H 1 R 0 ) n .n=0Diese Reihe konvergiert für alle z, für die ‖H 1 R 0 (z)‖|λ| ≤ c < 1 ist.Ist diese Bedingung auf der ganzen Kurve γ erfüllt, so erhält man eineReihenentwicklung für den Projektor P λ zu dem von γ eingeschlossenenTeil des Spektrums von H(λ). Insbesondere ist dann auch dieDimension des zugehörigen Eigenraums□4dimP λ H = tr P λanalytisch, also konstant.Im Fall, dass γ einen einzigen nichtentarteten Eigenwert E 0 vonH 0 umrandet, ist dimP λ H = 1. Sei Φ ein Eigenvektor von H 0 zumEigenwert E 0 . Die Abbildung λ → ( Φ, P λ Φ ) ist stetig und verschwindetnicht bei Null (Φ, P0 Φ ) = ‖Φ‖ 2 ≠ 0 .Also ist P λ Φ ≠ 0 für kleine λ und damit ein Eigenvektor von H(λ).Der zugehörige Eigenwert ergibt sich aus(Φ, H(λ)Pλ Φ )E(λ) =(Φ, Pλ Φ ) .Falls dimP λ H = n, konstruiert man unitäre Operatoren U λ mitU λ P 0 = P λ U λ . Differentiation liefertU ′ λP 0 = P ′ λU λ + P λ U ′ λ .Auflösen nach P ′ λ ergibt, unter Benutzung von P 0U −1λ= U −1λP λP ′ λ = [U ′ λU −1λ , P λ] .Um eine Lösung dieser Gleichung zu finden, differenzieren wir zunächstdie Projektorgleichung P 2 λ = P λ,P ′ λP λ + P λ P ′ λ = P ′ λ .Hieraus folgt insbesondere durch Multiplikation mit P λP λ P λP ′ λ = 0 .Aus diesen Gleichungen ergibt sichP λ ′ = [[P λ, ′ P λ ], P λ ] .


1. SCHRÖDINGERSCHE STÖRUNGSTHEORIE 23Wir setzen Q λ = [P λ ′ , P λ]. Eine Lösung für U λ ergibt sich also als Lösungder GleichungU λ ′ = Q λ U λ(<strong>II</strong>.14)mit der Anfangsbedingung U 0 = 1. Die Lösung kann durch einen Potenzreihenansatzgefunden werden:Q λ = Q 0 + λQ 1 + . . .mit U 0 = 1 undU λ = U 0 + λU 1 + . . .U k = k −1 (Q 0 U k−1 + Q 1 U k−2 + . . . + Q k−1 ) .Per Konstruktion besitzt jetzt der Operator˜H λ = U −1λH λU λden invarianten Unterraum P 0 H. Seien E λ,i die Eigenwerte und ˜Φ λ,i diezugehörigen Eigenvektoren von ˜H λ auf diesem Unterraum. Dann sindΦ λ,i = U λ ˜Φλ,i die Eigenvektoren von H λ auf P λ H mit Eigenwerten E λ,i .In erster Ordnung giltP λ = P 0 + λP 1 , P 1 = 1 ∫dzR 0 (z)H 1 R 0 (z) ,2πiund damitU λ = 1 + λQ 0 , Q 0 = [P 0 , P 1 ] ,˜H λ = H 0 + λ(H 1 + [H 0 , [P 1 , P 0 ]]) .Mit [H 0 , P 0 ] = 0 und P 0 P 1 P 0 = 0 folgtP 0 ˜Hλ P 0 = P 0 (H 0 + λH 1 )P 0 .Es ergibt sich also genau derjenige Operator, den wir bereits bei der<strong>for</strong>malen Störungstheorie erster Ordnung betrachtet haben.Die höheren Ordnungen der Störungstheorie führen in derselbenWeise auf endlich dimensionale Eigenwertprobleme.Aus den obigen Überlegungen entnimmt man, dass die Anwendungder Störungstheorie gerechtfertigt ist, wenn die folgenden Voraussetzungenerfüllt sind:(i) ‖H 1 R 0 (z)‖ < ∞ für alle z ∉ sp H 0 .(ii) Die untersuchte Menge von Eigenwerten von H 0 ist isoliertvom übrigen Spektrum.(iii) Der Störparameter λ ist genügend klein (in Abhängigkeit von‖H 1 R 0 (z)‖ und dem Abstand der zu untersuchenden Eigenwertevom restlichen Spektrum).Bei vielen erfolgreichen Anwendungen der Störungstheorie sind dieseVoraussetzungen nicht erfüllt. Ein besonders merkwürdiges Beispielbildet der Stark-Effekt. Man kann nämlich zeigen, dass der OperatorH λ = − 1 2 ∆ − 1|y| + λy 3γ


24 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHREN5für λ ≠ 0 überhaupt keine normierbaren stationären Zustände besitzt.Dies liegt daran, dass das Potential im Unendlichen nach unten unbeschränktist und dass es für jeden Zustand eine endliche Wahrscheinlichkeitgibt, in das Gebiet unendlich tiefen Potentials zu gelangen. Esstellt sich daher die Frage, ”wieso so viele Physiker erfolgreiche Karrierendurch Messung und Berechnung der Eigenwerte von H λ gemachthaben“(Thirring, Bd. 3).Die Antwort ist, dass dieser Operator langlebige Resonanzen besitzt,deren Energien man mit Hilfe der Störungstheorie approximativberechnen kann. Allerdings ist der Begriff der Resonanz mathematischschwer zu fassen. Ein einfaches Argument, warum die Störungstheorieoft bessere Antworten liefert, als nach der obigen Analyse zu erwartenist, kann wie folgt gegeben werden.Sei P 0 der Spektralprojektor von H 0 zum nicht entarteten EigenwertE 0 und sei Ψ 0 ∈ P 0 H ein Eigenvektor von P 0 H 1 P 0 zum Eigenwert E 1 .Der VektorΨ λ = Ψ 0 − λ(H 0 − E 0 ) −1 (H 1 − E 1 )Ψ 0erfüllt die Eigenwertgleichung bis auf Terme der Ordnung λ 2 ,(H(λ) − E(λ))Ψ λ = −λ 2 (H 1 − E 1 )(H 0 − E 0 ) −1 (H 1 − E 1 )Ψ 0 .Damit folgt‖ ( e itH(λ) − e itE(λ)) Ψ λ ‖ 2 =4 ( Ψ λ , sin 2 t 2 (H(λ) − E(λ))Ψ )λ≤ t 2( )Ψ λ , (H(λ) − E(λ)) 2 Ψ λ= t 2 λ 4 ‖(H 1 − E 1 )(H 0 − E 0 ) −1 (H 1 − E 1 )Ψ 0 ‖ 2 ,für Zeiten, die klein sind verglichen mitT = λ −2 ‖(H 1 − E 1 )(H 0 − E 0 ) −1 (H 1 − E 1 )Ψ 0 ‖ −1 ,verhält sich Ψ λ also wie ein stationärer Zustand der Energie E(λ).2. Rayleigh-Ritzsches VariationsverfahrenEin einfaches, aber sehr effektives Verfahren zur Abschätzung derGrundzustandsenergie E 0 beruht darauf, dass der Erwartungswert einesselbstadjungierten Operators H immer mindestens so groß ist wieder kleinste Spektralwert,(Φ,HΦ)≥ E0 ‖Φ‖ 2 .Man kann durch Variation von Φ versuchen, diese Schranke zu verbessern.Tatsächlich giltTheorem <strong>II</strong>.1.( )inf Φ, HΦ = E0Φ∈D(H),‖Φ‖=1


2. RAYLEIGH-RITZSCHES VARIATIONSVERFAHREN 25Beweis: Da E 0 ein verallgemeinerter Eigenwert von H ist, gibt eseine Folge Φ n ∈ D(H) mit ‖Φ n ‖ = 1 und (H − E 0 )Φ n → 0. Daher gilt( )Φn , HΦ n = E0 + ( )Φ n , (H − E 0 )Φ n → 0 .□Wir wollen dieses Verfahren zur Abschätzung der Grundzustandsenergiedes Heliums anwenden. Sei wie im vorigen AbschnittH = − 1 2 ∆ y 1− 1|y 1 | − 1 2 ∆ y 2− 1|y 2 | + 1 1Z |y 1 − y 2 | .Als Versuchsfunktion wählen wir ein Produkt von Einteilchenwellenfunktionen,die Grundzustände des Einteilchenhamiltonoperators h λmit teilweise abgeschirmtem Coulombpotential sind,h λ = − 1 2 ∆ − λ|y|, λ ∈ (0, 1) .Die Grundzustandswellenfunktion von h λ istϕ λ (y) = λ 3/2 π −1/2 e −λ|y|mit Eigenwert − 1 2 λ2 . Die Versuchsfunktion ist daherψ λ (y 1 , y 2 ) = ϕ λ (y 1 )ϕ λ (y 2 ) .Der Erwartungswert von H in diesem Zustand ist( ) ( ) (ψλ , Hψ λ = 2 ϕλ , h λ ϕ λ + 2 ϕλ , λ − 1 ) 1 ( 1ϕ λ + ψλ ,|y| Z |y 1 − y 2 | ψ )λ .Es gilt∫( 1ϕλ ,|y| ϕ )λ = λ 3 π −1 dr4πr 2 1 r e−2λr = λ ,sowie( 1ψλ ,|y 1 − y 2 | ψ ) ( 1λ = λ ψ1 ,|y 1 − y 2 | ψ )1 .Im vorigen Abschnitt haben wir das Skalarprodukt auf der rechten Seitezu 5 berechnet. Damit folgt8( )ψλ , Hψ λ = −λ 2 + 2(λ − 1)λ + 1 Z λ5 8 = λ2 − (2 − 58Z )λ .Das Minimum wird angenommen für λ = 1 − 5 und beträgt16Z( ) 5inf ψλ , Hψ λ = −(1 −λ16Z )2 .Für Helium ergibt sichE 0 ≤ −4mα 2( 27) 2= −77, 46eV .32Die Übereinstimmung mit dem experimentellen Wert (-78.975 eV) istalso wesentlich besser als bei der Störungstheorie 1. Ordnung (-74,8eV) bei vergleichbarem rechnerischen Aufwand.


Nach Annahme gilt für Ψ(Ψ,(H − Ê)Ψ ) < 0 .26 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENIm Rahmen der Störungstheorie hatten wir gefunden, dass die GrundzustandsenergieE 0 (λ) der Hamiltonoperatoren H 0 + λH 1 eine konkaveFunktion von λ ist (wegen d2 Edλ 2 0 (λ) ≤ 0). Mit Hilfe des Variationsverfahrenskönnen wir diesen Sachverhalt sehr allgemein beweisen:Theorem <strong>II</strong>.2. Sei H(λ) = H 0 + λH 1 , λ ∈ R selbstadjungiertmit D(H(λ)) = D(H 0 ). Dann ist die Grundzustandsenergie E 0 (λ) einekonkave Funktion von λ.Beweis: Für alle Ψ ∈ D(H 0 ) mit ‖Ψ‖ = 1 ist die FunktionE Ψ (λ) = ( Ψ, H(λ)Ψ ) = ( Ψ, H 0 Ψ ) + λ(Ψ, H 1 Ψ)linear inhomogen, also konkav. Daher ist E 0 (λ) als Infimum konkaverFunktionen selbst konkav.□Die Variationsmethode liefert exakte obere Schranken für die Grundzustandsenergie.Sie gibt aber keine In<strong>for</strong>mation über die Güte dieserSchranken.Eine untere Schranke für die Grundzustandsenergie erhält man ausder Templeschen Ungleichung:Theorem <strong>II</strong>.3. Sei H selbstadjungiert, sei E 0 die Grundzustandsenergieund δ der Abstand vom übrigen Spektrum von H. Sei Ψ ∈D(H) mit ‖Ψ‖ = 1 undDann gilt〈H〉 := ( Ψ, HΨ ) < Ê < E 0 + δ .E 0 ≥ 〈H〉 − (∆H)2Ê − 〈H〉mit der quadratischen Unschärfe (∆H) 2 = ( Ψ, (H − 〈H〉) 2 Ψ ) .Beweis: Für alle E ∈ sp H gilt(E − E 0 )(E − Ê) ≥ 0 .Also erfüllt der Vektor Ψ im Theorem die Ungleichung(Ψ, (H − Ê)HΨ ) ≥ E 0(Ψ, (H − Ê)Ψ ) .Daher folgt(Ψ, (H − Ê)HΨ )E 0 ≥ (Ψ, (H − Ê)Ψ ) = Ê〈H〉 − 〈H2 〉Ê − 〈H〉= 〈H〉 − (∆H)2Ê − 〈H〉 .□Um diese Ungleichung anwenden zu können, benötigt man In<strong>for</strong>mationenüber die Energie des ersten angeregten Zustands. Wenn der


2. RAYLEIGH-RITZSCHES VARIATIONSVERFAHREN 27Eigenvektor Ψ 0 zur Grundzustandsenergie E 0 bekannt ist, so gilt nachdem Variationsprinzip( )E 1 = inf Φ, HΦ .Φ⊥Ψ 0 ,‖Φ‖=1Ist Ψ 0 nicht bekannt, so betrachtet man für jedes Ψ ∈ H die Größe( )E 1 (Ψ) = Φ, HΦinfΦ⊥Ψ,‖Φ‖=1Offenbar gilt E 1 (Ψ) ≤ E 1 . Daraus folgt das sogenannte Minimax-Prinzip( )E 1 = sup inf Φ, HΦ .Ψ Φ⊥Ψ,‖Φ‖=1Allgemein gilt für den n-ten Eigenwert E n , von unten an mit Multiplizitätgezählt,( )E n = sup inf Φ, HΦ .Ψ 1 ,...,Ψ n∈H Φ⊥Ψ 1 , . . . , Ψ n ,‖Φ‖ = 1Aus dem Minimax-Prinzip ergibt sich so<strong>for</strong>t die plausible Aussage, dasspositive Störungen die Eigenwerte erhöhen: seien H 1 , H 2 selbstadjungiertmit demselben Definitionsbereich, und sei(Φ, H1 Φ ) ≥ ( Φ, H 2 Φ )für alle Φ ∈ D(H 1 ) = D(H 2 ). Dann ist der n-te Eigenwert von H 1größer oder gleich dem n-ten Eigenwert von H 2 .Zur praktischen Anwendung des Minimax-Prinzips dient das folgendeCorollar:Corollar 1. Sei V ein n-dimensionaler Teilraum von D(H), undsei P der Orthogonalprojektor auf V . Seien Ê1 ≤ . . . ≤ Ên die Eigenwertevon P HP , eingeschränkt auf V . Dann giltBeweis:Ê k =supΨ 1 ,...,Ψ k−1 ∈V= supΨ 1 ,...,Ψ k−1 ∈H≥supΨ 1 ,...,Ψ k−1 ∈H= E k .E k ≤ Êk , k = 1, . . . , n .infΦ⊥Ψ 1 , . . . , Ψ k−1 ,Φ ∈ V, ‖Φ‖ = 1infΦ⊥Ψ 1 , . . . , Ψ k−1 ,Φ ∈ V, ‖Φ‖ = 1infΦ⊥Ψ 1 , . . . , Ψ k−1 ,Φ ∈ D(H), ‖Φ‖ = 1(Φ, HΦ)(Φ, HΦ)(Φ, HΦ)□6 (Vertretungdurch M.Dütsch)


28 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHREN3. Zeitabhängige StörungstheorieWir wollen in diesem Abschnitt die zeitliche Entwicklung von Zuständenapproximativ berechnen. Hierbei sind wir vor allem an zeitabhängigenHamiltonoperatoren interessiert.Sei H(t) eine durch die Zeit t parametrisierte Familie selbstadjungierterOperatoren. Zur Lösung der Schrödingergleichungi ∂ ψ(t) = H(t)ψ(t)∂tsuchen wir eine Familie unitärer Operatoren U(t 1 , t 2 ) mit den Eigenschafteni ∂ ∂t U(t, t 0) = H(t)U(t, t 0 ) ,U(t 1 , t 2 )U(t 2 , t 3 ) = U(t 1 , t 3 ) ,U(t, t) = 1 .Dann istψ(t) = U(t, t 0 )ψ 0eine Lösung der Schrödingergleichung mit der Anfangsbedingungψ(t 0 ) = ψ 0 .Um U zu finden, <strong>for</strong>mt man die Differentialgleichung für U in eineIntegralgleichung um (t > t 0 ),U(t, t 0 ) = 1 − iund löst diese durch Iteration:U(t, t 0 ) =1 − i∫ t∫ tt 0dt 1 H(t 1 ) + (−i) 2 ∫ t+ · · · + (−i) n ∫ tt 0dt 1 · · ·t 0dt 1 H(t 1 )U(t 1 , t 0 ) ,∫ tn−1t 0dt 1∫ t1t 0dt 2 H(t 1 )H(t 2 )t 0dt n H(t 1 ) · · · H(t n ) + · · ·Die obige Reihe nennt man die Dyson-Reihe; sie spielt in der Quantenfeldtheorieeine große Rolle. Mit dem Begriff des zeitgeordneten Produktslässt sie sich in eine übersichtliche Form bringen:Definition <strong>II</strong>.1. Sei A(t) eine operatorwertige Funktion von t.Dann definiert man das zeitgeordnete ProduktT A(t 1 ) · · · A(t n )als die operatorwertige symmetrische Funktion der n reellen Variablent 1 , . . . , t n mit der EigenschaftT A(t 1 ) · · · A(t n ) = A(t 1 ) · · · A(t n ) ,falls die Argumente zeitgeordnet sind, t 1 ≥ t 2 ≥ · · · ≥ t n .


3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE 29Damit erhält die Dyson-Reihe die Form∞∑ (−i) n ∫U(t, t 0 ) =d n tT H(t 1 ) · · · H(t n )n! [t 0 ,t] nn=0=: T e −i R tt 0dt ′ H(t ′) ,wobei der Ausdruck in der letzten Zeile, das ”zeitgeordnete Exponential“,durch die angegebene Reihe definiert wird.Die Dyson-Reihe ist besonders dann nützlich, wenn man die zeitlicheEntwicklung für verschiedene Hamiltonoperatoren vergleicht. SeiU 0 (t, t 0 ) die Familie der Zeitentwicklungsoperatoren zu den HamiltonoperatorenH 0 (t) und seiH 1 (t) = U 0 (t, t 0 ) −1 (H(t) − H 0 (t))U 0 (t, t 0 ) .Wir betrachten die unitären OperatorenDann giltU 1 (t, t 0 ) = T e −i R tt 0dt ′ H 1 (t ′) .U(t, t 0 ) = U 0 (t, t 0 )U 1 (t, t 0 )Als Anwendung berechnen wir die Übergangswahrscheinlichkeit zwischenstationären Zuständen eines zeitunabhängigen HamiltonoperatorsH 0 unter dem Einfluss eines zeitabhängigen Störterms H(t) − H 0 .Seien Φ i und Φ f normierte Eigenvektoren von H 0 mit EnergeieigenwertenE i ≠ E f . Zur Zeit t 0 sei das System im Anfangszustand Φ i . Dannist die Wahrscheinlichkeit, das System zur Zeit t > t 0 im Zustand Φ fzu finden, gegeben durchW i→f (t, t 0 ) = | ( Φ f , U(t, t 0 )Φ i)|2= | ( Φ f , U 1 (t, t 0 )Φ i)| 2 .In unterster Ordnung in der Störung findet manW i→f (t, t 0 ) = |∫ tt 0dt ′( Φ f , H(t)Φ i)ei(t ′ −t 0 )(E f −E i ) | 2Weicht H(t) nur in einem endlichen Zeitintervall von H 0 ab, und istso giltW i→f =lim W i→f(t, t 0 ) ,t 0 →−∞,t→∞W i→f = 2π|ĥ i→f (ω if )| 2 , h i→f (t) = ( Φ f , H(t)Φ i), ωif = E i − E f .Sei z.B. H(t) = H 0 + Af(t) + A ∗ f(t) mit supp f kompakt. Dann istW i→f = 2π| ˆf(ω if ) ( Φ f , AΦ i)+ ˆf(−ωif ) ( Φ f , A ∗ Φ i)| 2 .


30 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENIst f(t) = e iωt für t ∈ [−T/2, T/2] und Null außerhalb, so ist ˆf(ω if ) =(2π) −1 2 sin(ω−ω if )T/2ω−ω if. Die Übergangswahrscheinlichkeit zeigt bei ω ≈ ω ifein Resonanzverhalten,W i→f ≈ | ( Φ f , AΦ i)|2 4 sin2 (ω − ω if )T/2(ω − ω if ) 2 ≈ T 2 | ( Φ f , AΦ i)| 2 .In vielen Fällen, z.B. bei der Bestrahlung eines Atoms mit inkohärentemLicht, kann f als eine Zufallsvariable angesehen werden, mit demstatistischen Mittelwert der 2-Punkkorrelationen∫〈f(t)f(t ′ )〉 = dωI(ω)e iω(t−t′ )7〈f(t)f(t ′ )〉 = 0 = 〈f(t)f(t ′ )〉 .Ist die Quelle eine Zeit T lang eingeschaltet, so gilt für die Übergangswahrscheinlichkeitim statistischen Mittel∫W i→f = dωI(ω) ( | ( )Φ f , AΦ i |2 4 sin2 (ω − ω if )T/2(ω − ω if ) 2+ | ( Φ f , A ∗ Φ i)|2 4 sin2 (ω + ω if )T/2(ω + ω if ) 2 ).Ist die Frequenzverteilung I konzentriert bei ω if , so kann der zweiteTerm vernachlässigt werden. Setzen wir ω ′ = (ω − ω if )T , so ergibt sich∫W i→f ≈ T dω ′ I(ω if + ω′T )4 sin2 ω ′ /2ω ′ 2Ist I stetig, so wächst die Übergangswahrscheinlichkeit linear an, undman erhält für die Übergangsrate w i→f (Übergangswahrscheinlichkeitpro Zeit) den Ausdruckw i→f = 2πI(ω if )| ( Φ f , AΦ i)|2Hierbei haben wir die Formel∫dω 4 sin2 ω/2ω 2= 2πausgenutzt.Als eine Anwendung betrachten wir das Wasserstoffatom im elektromagnetischenFeld . Wir beschreiben die Welle durch ein VektorpotentialA(x, t), das die Wellengleichung( ∂2− ∆)A(x, t) = 0∂t2 erfüllt und der Coulombeichbedingungdiv A = 0


3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE 31genügt. Der Hamiltonoperator istH(t) = 12m (p − eA)2 −e24π|x| − ge2m S · Bmit dem Magnetfeld B = rot A. Wir setzenund wie vorherH 0 = 12m |p|2 −e24π|x|H 1 (t) = e iH0t (− e2m p · A − ge2m S · B + e22m |A|2 )e −iH0t .Wir wollen voraussetzen, dass das magnetische Feld so klein ist, dassder quadratische Term in A vernachlässigt werden kann. Nach der vorangegangenenDiskussion kommt der Hauptbeitrag für die Übergangswahrscheinlichkeitvon den Frequenzen, die nahe bei ±ω if liegen. Diezugehörigen Wellenlängen sind groß verglichen mit dem Bohrschen Radiusλ = 2π ∼2πω if mα = a2π 2 αmit der Feinstrukturkonstante α = e2 ≈ 1/137. Wir können daher die4πOrtsabhängigkeit von A (und damit B) vernachlässigen. Wir erhaltenfür die Übergangswahrscheinlichkeit in 1. OrdnungW i→f = 2π e2m 2 |Â(ω if) · (Φf , pΦ i)| 2 .Nutzt man noch aus, dass wegen(Φf , x(t)Φ i)= e−iω if t ( Φ f , x(0)Φ i)gilt(Φf , pΦ i)= −iωif m ( Φ f , xΦ i),sowie dass das elektrische Feld E durch E = − ∂ A gegeben ist (für∂tdie Fouriertrans<strong>for</strong>mierten gilt also Ê(ω) = iωÂ(ω)), so findet man dieFormelW i→f = 2πe 2 |Ê(ω if) · (Φ )f , xΦ i | 2 .Übergänge, bei denen dieser Term dominiert, nennt man elektrischeDipolübergänge. Übergänge,bei denen das Matrixelelement ( Φ f , xΦ i)verschwindet, nennt man verboten. Tatsächlich können auch die verbotenenÜbergänge auftreten, aber ihre Intensität ist geringer. Manfindet als Auswahlregel für erlaubte Übergänge (falls das elektrischeFeld in z-Richtung zeigt) ∆m = 0, ∆l = ±1, wie sich leicht aus denEigenschaften der Kugelfunktionen ergibt,(Ylm , cos θY l ′ m ′ )= 0 für m ≠ m ′ oder |l − l ′ | ≠ 1 .Übergänge mit E f > E i nennt man Absorption; das Atom absorbiertein Quant der Größe ω = E f − E i aus dem Strahlungsfeld;


32 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENÜbergänge mit E f < E i nennt man induzierte Emission; das Atomemittiert ein Quant der Größe E i − E f . Dieser Prozess ist die Grundlagefür den Laser.Bei inkohärenter linear polarisierter Strahlung mit Polarisationsrichtungn findet man als Übergangsratew i→f = πe 2 I(ω if )| ( Φ i , n · xΦ i)|2wobei I(ω)dω die Intensität der elektromagnetischen Welle im Frequenzbereich[|ω|, |ω| + dω] ist.Als nächstes betrachten wir die Übergangswahrscheinlichkeit beieiner konstanten Störung. Dieser Fall ist besonders dann interessant,wenn ein Eigenwert des ungestörten Hamiltonoperators nicht isoliertliegt und daher bereits durch kleine Störungen instabil wird.Sei E 0 ein Eigenwert des ungestörten Hamiltonoperators H 0 mit(normierter) Eigenfunktion Ψ, und seien χ k , k ∈ Ω ⊂ R n schwacheEigenvektoren von H 0 mit Eigenwerten E(k), die eine verallgemeinerteOrthonormalbasis des orthogonalen Komplements von Ψ bilden, d.h.es gibt ein Maß µ auf Ω, sodass gilt( ) ∫Φ, Φ′= dµ(k) ( )(Φ, χ k χk , Φ ′) + ( Φ, Ψ )( Ψ, Φ ′)8(Vollständigkeit) und sodass für alle φ ∈ L 2 (Ω, µ) ein Φ ∈ H, Φ⊥Ψexistiert mit (χk , Φ ) = φ(k) .Für die Zerfallswahrscheinlichkeit des Zustands Ψ zur Zeit t nach Einschalteneiner zeitlich konstanten Störung H 1 gilt in 1. Ordnung∫W (t) =dµ(k)| ( χ k , H 1 Ψ ) | 2 4 sin2 (E(k) − E 0 )t/2(E(k) − E 0 ) 2 .Für große t kommt der Hauptbeitrag von den schwachen Eigenvektorenmit Energie E(k) ≈ E 0 . Wir nehmen an, dass∫g(E) = dµ(k)| ( χ k , H 1 Ψ ) | 2 δ(E(k) − E)in der Nähe von E 0 eine stetige Funktion ist (g(E)dE ist auf jedenFall ein wohldefiniertes Maß). Dann folgt wie vorher, dass die Wahrscheinlichkeitproportional zur Zeit anwächst, und man findet für dieZerfallsrate∫w = 2π dµ(k)| ( χ k , H 1 Ψ ) | 2 δ(E(k) − E 0 ) =: Γ(Fermis ”Goldene Regel“).−Γ/2 lässt sich im folgenden Sinn als Imaginärteil der Energie inzweiter Ordnung Störungstheorie interpretieren. Im Fall isolierter nichtentarteterEigenwerte hatten wir für die Korrektur zweiter OrdnunggefundenE 2 = − ( P H 1 Ψ, (H 0 − E 0 ) −1 P H 1 Ψ ) ,


3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE 33wobei P der Projektor auf das orthogonale Komplement von Ψ ist.Wenn E 0 nicht isoliert ist, dann ist (H 0 − E 0 ) −1 auf P H nicht beschränkt.Man betrachtet stattdessen für Im z > 0E 2 (z) = − ( P H 1 Ψ, (H 0 − z) −1 P H 1 Ψ )∫= − dµ(k)| ( χ k , H 1 Ψ ) | 2 (E(k) − z) −1Mit lim Im 1x−iε= πδ(x) ergibt sichlim Im E 2 (E 0 + iε) = −Γ/2 .Als eine Anwendung betrachten wir die spontane Emission. Dieseist im Rahmen der <strong>Quantenmechanik</strong> nicht ableitbar. Sie beruhtdarauf, dass ein quantisiertes elektromagnetisches Feld nicht identischverschwinden kann, weil die Operatoren der elektrischen und magnetischenFeldstärke kanonische Vertauschungsrelationen besitzen und daherUnschärferelationen erfüllen.Wir betrachten einen Hilbertraum, der ein Tensorprodukt des Hilbertraumsdes untersuchten atomaren System mit dem Hilbertraum derPhotonen ist. Anfangs ist das System im Zustand Φ i ⊗ |0〉, wobei |0〉den Vakuumzustand des elektromagnetischen Feldes bezeichnet. Dasgekoppelte System besitzt aber, wenn Φ i nicht der Grundzustand ist,kontinuierliches Spektrum nahe bei E i , namlich die schwachen EigenvektorenΦ f ⊗ |k, λ〉 mit |k| ≈ E i − E f . Hierbei bezeichnet |k, λ〉 den1-Photonzustand mit Impuls k und Polarisation λ. Wir normieren dieuneigentlichen 1-Photonzustände mit scharfem Impuls durch〈k, λ|k ′ , λ ′ 〉 = 2|k|δ(k − k ′ )δ λλ ′(Diese Normierung hat den Vorteil, dass sie lorentzinvariant ist.) UmFermis goldene Regel anwenden zu können, berechnen wir die Matrixelementedes Wechselwirkungsterms −eA · p/m. Hierbei ist A(x) einOperator im Fockraum der Photonen, der aus dem Vakuum einen 1-Photonzustand erzeugt. Es gilt〈k, λ|A(x)|0〉 = (2π) −3/2 e −ik·x e λDie Polarisationsvektoren e λ , λ = 1, 2 sind dabei eine orthonormaleBasis des Orthogonalraums von k. Die Wellenlänge, die den atomarenÜbergängen entspricht, ist sehr viel größer als der Radius der Atome,daher kann e −ik·x bei der Berechnung der Matrixelemente zwischen Φ fund Φ i gleich 1 gesetzt werden. Wir finden für die Zerfallsrate nach der


34 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENgoldenen Regel∫w = 2π e2 d 3 k ∑δ(|k| − ωm 2 if )| ( )Φ f , 〈k, λ|A(x)|0〉 · pΦ i |22|k|λ= 2πe 2 ωif| ( ∫) 2 Φ f , xΦ i | 2 (2π) −3 dk k ∫2 δ(k − ω if)2π dθ sin θ(1 − cos 2 θ)= 4 3 αω3 if| ( Φ f , xΦ i)| 2 .4. Plötzliche und adiabatische ÄnderungenWir wollen jetzt zwei Extremfälle zeitlich veränderlicher Hamiltonoperatorenuntersuchen. Sei H(s), s ∈ [0, 1] eine Familie selbstadjungierterOperatoren. Wir skalieren die Zeitabhängigkeit von H und setzenH τ (t) = H(t/τ), t ∈ [0, τ]. Wir untersuchen die τ-Abhängigkeit derzugehörigen Zeitentwicklungsoperatoren U τ (t, 0). Zunächst beschäftigenwir uns mit der plötzlichen Änderung (τ → 0). Es gilt die IntegralgleichungU τ (sτ, 0) = 1 − iτ∫ s0ds ′ H(s ′ )U τ (s ′ τ, t) .Ist H(s) gleichmäßig beschränkt, ‖H(s)‖ < c, so folgt‖U τ (sτ, 0) − 1‖ ≤ τc ,d.h. U τ (sτ) → 1 im Limes τ → 0. Bei sprungartiger Änderung desHamiltonoperators9H(t) = H i , i ∈ [t i , t i+1 ] , t 0 < t 1 < . . . < t ntragen also die Sprungstellen nichts zum Zeitentwicklungsoperator bei,und wir erhaltenU(t, t ′ ) = e −iH j(t−t j ) e −iH j−1(t j −t j−1) · · · e −iH k−1(t k −t ′) ,falls t k−1 ≤ t ′ ≤ · · · ≤ t j ≤ t ≤ t j+1 .Ein Beispiel für eine plötzliche Änderung ist die Änderung des Coulombfeldseines Kerns infolge eines β-Zerfalls.Der andere Extremfall ist der adiabatische (unendlich langsame)Übergang. Hierbei betrachtet man den Limes τ → ∞. Sei E(s) einisolierter Eigenwert von H(s), s ∈ [0, 1], mit Spektralprojektor P (s),sodass die operatorwertigen Funktionen H(s), E(s) und P (s) (in einemzu präzisierenden Sinn) genügend glatt sind. Im Rahmen der Störungstheoriehaben wir eine Familie unitärer Operatoren V s gefunden, die denSpektralprojektor P (s) in P (0) überführen,V s P (0) = P (s)V s ,und durch die Differentialgleichungdds V s = [ d ds P (s), P (s)]V s


4. PLÖTZLICHE UND ADIABATISCHE ÄNDERUNGEN 35und die Anfangsbedingung V 0 = 1 bestimmt sind. Insbesondere giltP (s)V ′sP(0) = P (s)[P ′ (s), P (s)]V s P (0) = P (s)[P ′ (s), P (s)]P (s)V s = 0 .Es gilt nun, dass der Zeitentwicklungsoperator U τ (sτ, 0) bis auf einenoszillierenden Faktor gegen V s strebt. Die adiabatische Zeitentwicklungführt also Eigenzustände in Eigenzustände über. Es gilt das AdiabatentheoremTheorem <strong>II</strong>.4.‖ ( U τ (sτ, 0) − e −iτ R s0 ds′ E(s ′) V s)P (0)‖ ≤ constτ −1 .Beweis: Sei W τ (s) = U τ (sτ, 0)e iτ R s0 ds′ E(s ′) . Wir wollen zeigen, dassdie Norm von (W τ (s) ∗ V s − 1)P (0) wie τ −1 gegen Null konvergiert. Wirbetrachten die Ableitung dieses Operators nach s,dds W τ(s) ∗ V s P (0) = ( dds W τ(s) ∗) V s P (0) + W τ (s) ∗ d ds V sP (0) .Es gelten die Beziehungendds W τ(s) ∗ = iτW τ (s) ∗( H(s) − E(s) ) ,V s P (0) = P (s)V s ,und ( )H(s) − E(s) P (s) = 0 .Daher verschwindet der erste Term in der Ableitung. Im zweiten Termkönnen wir wegen P (s)V sP(0) ′ = 0 einen Faktor (1 − P (s)) vor V s′einfügen.Nach Voraussetzung ist E(s) im Spektrum von H(s) isoliert. Daherexistiert das Inverse von H(s) − E(s) auf (1 − P (s))H, und wir könnendie BeziehungW τ (s) ∗ (1 − P (s)) = 1iτbenutzen. Wir findendmitds W τ(s) ∗ V s P (0) = 1iτdds W τ(s) ∗ (H(s) − E(s)) −1 (1 − P (s))dds W τ(s) ∗ A(s)A(s) = (H(s) − E(s)) −1 (1 − P (s)) d ds V sP (0) .Durch partielle Integration erhalten wir schließlich(W τ (s) ∗ V s −1)P (0) = 1 (∫W τ (s) ∗ A(s) − A(0) − ds ′ W τ (s ′ ) ∗ d )iτds ′ A(s′ )Unter der Voraussetzung, dass A und seine Ableitung gleichmäßig beschränktsind (hierfür ist die Isoliertheit von E(s) wesentlich), erhältman die gewünschte Abschätzung.Bei langsamen Änderungen bleibt ein System also in einem Eigenzustand.Bei periodischen Änderungen kehrt es daher zum Grundzustand.


36 <strong>II</strong>. NÄHERUNGSVERFAHRENdes ursprünglichen Hamiltonoperators zurück, wenn es zu Beginn imGrundzustand war; der Operator V s kann aber selbst im nichtentartetenFall verschieden von 1 sein. ( ”Berry-Phase“).


KAPITEL <strong>II</strong>ISymmetrien in der <strong>Quantenmechanik</strong>1. SymmetrieoperatorenSymmetrien spielen in der Physik eine große Rolle. In der klassischenMechanik sind die allgemeinsten Symmetrien die kanonischenTrans<strong>for</strong>mationen. In der <strong>Quantenmechanik</strong> definiert man Symmetrienals bijektive Abbildungen des Zustandsraums, die alle Übergangswahrscheinlichkeiteninvariant lassen. Hierbei ist zu beachten, dass einreiner Zustand durch einen eindimensionalen Teilraum (einen Strahl)des Hilbertraumes beschrieben wird. Die Menge der 1-dimensionalenTeilräume eines Hilbertraums H ist der sogenannte projektive RaumPH. Ist [Φ] der vom Einheitsvektor Φ ∈ H erzeugte Teilraum, so ist dieÜbergangswahrscheinlichkeit durchT ([Φ], [Ψ]) = | ( Φ, Ψ ) | 2gegeben. Sie ist unabhängig von der Wahl der Basisvektoren in deneindimensionalen Teilräumen.Sei nun V eine bijektive Abbildung von PH mitT (V[Φ], V[Ψ]) = T ([Φ], [Ψ]) .Dann gilt der folgende Satz von Wigner:Theorem <strong>II</strong>I.1. Es gibt einen bis auf eine Phase eindeutig bestimmtenOperator V in H mit V[Φ] = [V Φ] für alle Φ ∈ H, sodass Ventweder unitär oder antiunitär ist.Hierbei heißt ein Operator antiunitär, wenn er antilinear ist,und die BedingungenV (λΦ + µΨ) = λΦ + µΨ ,V ∗ V = 1 = V V ∗erfüllt. Zu beachten ist, dass für einen antilinearen Operator der adjungiertedurch die Relation(Ψ, V ∗ Φ ) = ( Φ, V Ψ )definiert wird.Einen Beweis findet man in Messiah <strong>II</strong>,15.1.1 sowie in V. Bargmann,Journal of Mathematical <strong>Physics</strong> 5, 862 (1964).Beispiele für unitäre Symmetrien:37


38 <strong>II</strong>I. SYMMETRIEN IN DER QUANTENMECHANIK(i) Translationen in L 2 (R n ):(ii) Dilationen in L 2 (R n ):(U(a)Ψ)(x) = Ψ(x − a) .(U(λ)Ψ)(x) = λ −n/2 Ψ(λ −1 x) , λ > 0 .(iii) Rotationen L 2 (R 3 ): Sei R eine Rotation im R 3 . Dann definiertman den zugehörigen unitären Operator in L 2 (R 3 ) durch(U(R)Ψ)(x) = Ψ(R −1 x) .(iv) Diffeomorphismen: Sei α : R n → R n ein Diffeomorphismus,d.h. eine bijektive Abbildung, die zusammen mit ihrer Umkehrabbildungunendlich oft differenzierbar ist. Dann definierenwir(U(α)Ψ)(x) = |det ∂α| −1/2 Ψ(α −1 (x))mit der Jacobi-Matrix(∂α) ij = ∂α j.∂x iDie Beispiele (i)-(iii) sind Spezialfälle von Beispiel (iv).Ein Beispiel für eine antiunitäre Symmetrie ist die komplexe Konjugation(KΦ)(x) = Φ(x) .K vertauscht mit Funktionen des Ortsoperators und antivertauscht mitdem Impulsoperator,Kp j = K 1 ∂= − 1 i ∂x j i K ∂ = − 1 ∂K = −p j K .∂x j i ∂x jK wird als Bewegungsumkehr interpretiert. Ist der Hamiltonoperatorvon der Form H = −c∆ + V mit c und V reell, so vertauscht H mitK. Für den Zeitentwicklungsoperator gilt dannKU(t) = Ke −itH = e itH K = U(−t)K ,K kehrt also die Zeitrichtung um und wird daher auch Zeitinversiongenannt.2. SymmetriegruppenSymmetrietrans<strong>for</strong>mationen bilden eine Gruppe. Hierbei ist das Gruppenproduktdurch Hintereinanderausführung der Abbildungen erklärt;das Produkt ist daher automatisch assoziativ. Die Gruppeneins ist dieidentische Abbildung, und das Inverse ist die inverse Abbildung.Sei nun G eine Gruppe, und sei V eine projektive Darstellung vonG, d.h. zu jedem Gruppenelement g gibt es eine Strahltrans<strong>for</strong>mationV g , die die Übergangswahrscheinlichkeiten erhält, sodass das Gruppenproduktder Komposition der Abbildungen entspricht,V g1 g 2= V g1 V g2 .


2. SYMMETRIEGRUPPEN 39Nach dem Theorem von Wigner gibt es dann zu jedem g ∈ G einenunitären oder antiunitären Operator V 0 (g), der bis auf eine Phase eindeutigbestimmt ist. Also giltV 0 (g 1 g 2 ) = ω(g 1 , g 2 )V 0 (g 1 )V 0 (g 2 )mit einem Phasenfaktor ω(g 1 , g 2 ). Ist ω = 1, so nennt man V 0 eine Darstellungvon G. Da V 0 (g) nur bis auf eine Phase bestimmt ist, kann manversuchen, den Faktor ω durch eine geeignete Wahl des Phasenfaktorszu vereinfachen. Setzt manV (g) = α(g)V 0 (g)mit einem Phasenfaktor α(g) ∈ C, |α(g)| = 1, so ergibt sichV (g 1 )V (g 2 ) = ω ′ (g 1 , g 2 )V (g 1 g 2 )mitω ′ (g 1 , g 2 ) = α(g 1 )α(g 2 )α(g 1 g 2 ) −1 ω(g 1 , g 2 ) .Es hängt von der Gruppe ab, ob es immer eine Wahl von α gibt,sodass ω ′ = 1 erreicht werden kann. Betrachten wir einige Beispiele:(i) Die Abbildung a → U(a), a ∈ R n , mit (U(a)Ψ)(x) = Ψ(x−a),Ψ ∈ L 2 (R n ), ist eine unitäre Darstellung der Translationsgruppe.Die Translationsgruppe besitzt aber auch echte projektiveDarstellungen, die sich nicht auf Darstellungen zurückführen lassen. So wird die Translationssymmetrie in einemkonstanten Magnetfeld B nicht durch die oben angegebenenOperatoren beschrieben, sondern durch die sogenannten magnetischenTranslationen(U B (a)Ψ)(x) = e i e 2 B·(a×x) Ψ(x − a) .Diese sind gerade so gewählt, dass sie mit den kinetischenImpulsen⃗π = p + e 2 a × Bvertauschen:(U B (a)⃗πΨ)(x) = e i e 2 B·(a×x) ⃗πΨ(x − a)= e i e 2 B·(a×x) ( 1 i ∇ + e (x − a) × B)Ψ(x − a)2(⃗πU B (a)Ψ)(x) = ( 1 i ∇ + e 2 x × B)ei e 2 B·(a×x) Ψ(x − a)= e i e 2 B·(a×x) ( 1 i ∇ − e 2 a × B + e x × B)Ψ(x − a) .2Daher vertauschen sie auch mit dem HamiltonoperatorH = |⃗π|22m .Sie vertauschen aber nicht untereinander. Stattdessen giltU B (a)U B (b) = e i e 2 B·(a×b) U B (a + b) .


40 <strong>II</strong>I. SYMMETRIEN IN DER QUANTENMECHANIKWegen der Antisymmetrie des Vektorprodukts ist das Produktnicht kommutativ. Es ist nicht möglich, den Phasenfaktorim Multiplikationsgesetz zu eliminieren.(ii) Durch R → U(R), (U(R)Ψ)(x) = Ψ(R −1 x) wird eine Darstellungder Rotationsgruppe definiert:(U(R 1 )U(R 2 )Ψ)(x) = (U(R 2 )Ψ(R −11 x) = Ψ(R −12 R −11 x)= Ψ((R 1 R 2 ) −1 x) = (U(R 1 R 2 )Ψ)(x) .(iii) Sei C 2 der Hilbertraum, der einen Spin- 1 -Freiheitsgrad beschreibt.Wir suchen eine projektive Darstellung der Rotati-2onsgruppe, sodass sich die Spinoperatoren S i = 1σ 2 i, σ i , i =1, 2, 3 Pauli-Matrizen, wie Drehimpulsoperatoren unter Rotationenverhalten,V (R)(n · S)V (R) −1 = (Rn) · S , n ∈ R 3 , |n| = 1 .Zunächst betrachten wir die Rotationen um die z-Achse. SeiR(e 3 , φ) die Rotation um die z-Achse mit Drehwinkel φ. DieseRotation lässt die z-Komponente des Spins unverändert. Mit( )1 0σ 3 =0 −1folgt, dass V (R(e 3 , φ)) diagonal sein muss,( )α(φ) 0V (R(e 3 , φ)) =,0 β(φ)mit Phasenfaktoren α(φ) und β(φ). Der Einheitsvektor e 1trans<strong>for</strong>miert sich unter den Rotationen um die z-Achse nachMitergibt sichR(e 3 , φ)e 1 = e 1 cos φ + ie 2 sin φ .σ 1 =(0 11 0), σ 2 =α(φ)β(φ) −1 = e −iφ .V (R(e 3 , φ)) hat also die Form(0 −ii 0V (R(e 3 , φ)) = γ(1 cos φ 2 − σ 3i sin φ 2 ))15mit einem Phasenfaktor γ. Drehoperatoren um andere Achsenerhält man durchV (R(Re 3 , φ)) = γ(R)V (R)(1 cos φ 2 − σ 3i sin φ )V (R)−12= γ(R)(1 cos φ 2 − Re 3 · ⃗σi sin φ 2 ) .


2. SYMMETRIEGRUPPEN 41Die einfachste Wahl ist γ = 1. Dann ist die Determinante vonV gleich 1, also gilt ω = ±1. Z.B. gilt für das Produkt zweierDrehungen um dieselbe Achse mit Drehwinkel π 2V 2 = −1 .Es ist nicht möglich, dieses Vorzeichen durch eine andere Wahlvon V zu eliminieren. Dies kann man in der folgenden Weiseeinsehen.Sei V ′ = αV eine andere Wahl mitV ′ (R)V ′ (R(e, φ)V ′ (R) −1 = V ′ (R(Re, φ)) .(Eine Darstellung müsste diese Relation erfüllen). Dann folgt,dass α unabhängig von der Drehachse ist. Insbesondere istα(R) = α(R −1 ), da R −1 die Drehung mit demselben Winkelund der entgegengesetzten Drehachse ist.Wenn V ′ eine Darstellung ist, dann muss auch geltenV ′ (R)V ′ (R −1 ) = 1 .Da auch V diese Gleichunng erfüllt, folgt α(R) 2 = 1. Damitbleibt aber die Relation (V ′ ) 2 = −1 für Halbdrehungenerhalten.Für φ ∈ [0, 2π] und e beliebig durchläuft V (R(e, φ)) alleunitären (2 × 2)-Matrizen mit Determinante 1. Diese bildendie sogenannte spezielle unitäre Gruppe SU(2). Umgekehrtdefiniert jedes U ∈ SU(2) eine Drehung R(U) durchU(n · ⃗σ)U −1 = (R(U)n) · ⃗σ ,da jede hermitesche (2 × 2)-Matrix mit Spur 0 und Determinante-1 sich in der Form n · ⃗σ schreiben lässt, mit einemEinheitsvektor n ∈ R 3 . Offenbar ist die Abbildung{SU(2) → SO(3)U ↦→ R(U)eine Grupenhomomorphismus mit Kern {±1}.Tatsächlich ist jede irreduzible projektive Darstellung Vder Drehgruppe von der FormV (R(U)) = α(U)V 0 (U)mit einem Phasenfaktor α und einer irreduziblen DarstellungV 0 der SU(2). Hierbei heißt eine Darstellung irreduzibel, wennes keinen nichttrivialen invarianten Unterraum gibt. Äquivalentdazu ist nach dem Schurschen Lemma, dass nur die Vielfachender Eins mit den Darstellungsoperatoren vertauschen.


42 <strong>II</strong>I. SYMMETRIEN IN DER QUANTENMECHANIK3. Infinitesimale SymmetrienViele der betrachteten Symmetrien sind kontinuierlich, wie z.B.die Translationen und die Rotationen. Diese Symmetrien bilden sogenanntetopologische Gruppen, d.h. Gruppen, die zugleich topologischeRäume sind, sodass Produkt und Inversenbildung stetige Abbildungensind. Besonders wichtig sind die Lie-Gruppen. Diese besitzen zusätzlichnoch eine Differenzierbarkeitsstruktur, sodass die erwähnten Abbildungenunendlich oft differenzierbar sind.Sei G eine Lie-Gruppe. Sei H = {h(t), t ∈ R} eine 1-parametrigeUntergruppe mit h(t)h(s) = h(t + s). Sei U eine unitäre Darstellungvon G. Wir definieren den infinitesimalen Generator von H in der DarstellungU durchA h := i d dt U(h(t)) t=0definiert auf allen Vektoren Φ, für die die vektorwertige Funktion t ↦→U(h(t))Φ differenzierbar ist. Wenn die Abbildung t ↦→ U(h(t))Φ füralle Φ stetig ist, dann ist nach dem Satz von Stone A h dicht definiertund selbstadjungiert, und es giltU(h(t)) = e −itA h.Man nennt A h den Generator der 1-parametrigen Untergruppe U(H).Wir wollen einige Beispiele diskutieren:(i) Einparametrige Untergruppen der Translationsgruppe in R nsind von der Form h(t) = ta, a ∈ R n . Bei der Standarddarstellungder Translationsgruppe in L 2 (R n ) ergibt sichi d dt (U(ta)Φ)(x) t=0 = i d dt Φ(x − ta) t=0 = −ia · ∇Φ(x) ,d.h. A h = a · p mit dem Impulsoperator p = −i∇. Der Impulsist also der infinitesimale Generator der Translationen, analogwie, aber viel einfacher als in der klassischen Mechanik.(ii) Sei h(t) = R(n, ωt), t ∈ R eine 1-parametrige Untergruppeder Rotationsgruppe, und sei U die übliche Darstellung inL 2 (R 3 ). Dann ergibt sich für den infinitesimalen Generatori d dt (U(R(n, ωt))Φ)(x) t=0 = i d dt Φ(R(n, −ωt)x) t=0=i d dt Φ(n(n · x) + cos ωt(x − n(x · n)) − sin ωt(n × x)) t=0= − iω(n × x) · ∇Φ(x) = ωn · LΦ(x)mit dem Drehimpulsoperator L. Der Drehimpuls ist also derGenerator der Rotationen.(iii) Die Dilatationen x ↦→ e t x im R n bilden eine einparametrigeGruppe. Wir berechnen ihren Generator in der Darstellung(U(e t )Ψ)(x) = e − n 2 t Ψ(e −t x) .


3. INFINITESIMALE SYMMETRIEN 43Es gilti d dt (U(et )Ψ)(x) = − d dt (e− n 2 t Ψ(e −t x)= (−i n 2 − ix · ∇)Ψ(x) = 1 (x · p + p · x) .21(x · p + p · x) ist also der Generator der Dilatationen. 2 16Wir wollen jetzt studieren, wie sich die Eigenschaften der Gruppedurch Eigenschaften der Generatoren ausdrücken lassen. Ist G abelsch,so bilden die Generatoren offenbar einen Vektorraum, dessen Elementemiteinander kommutieren. Auch im nichtabelschen Fall bilden dieGeneratoren einen Vektoraum. Es gilt(λA + µB)Ψ = i d dt (e−iλAt e −iµBt Ψ) t=0 .Die Generatoren vertauschen i.a. nicht. Ihr Kommutator ist auch einGenerator. Man erhält ihn z.B. aus[A, B] = − d dt (e−i√ tA e −i√ tB e i√ tA e i√ tB ) t=0 .Die Generatoren einer Lie-Gruppe bilden eine sogenannte Lie-Algebra,d.i. ein Vektorraum g mit einem i.a. nichtassoziativen Produkt, derLie-Klammer [·, ·]. Die Lie-Klammer ist bilinear, antisymmetrisch underfüllt die Jacobi-Identität.Eine Darstellung einer Lie-Algebra ist ein Homomorphismus derLie-Algebra in die Lie-Algebra der Operatoren eines Vektorraums, wobeidort als Lie-Klammer der Kommutator definiert ist.Jede stetige Darstellung einer Lie-Gruppe führt zu einer Darstellungihrer Lie-Algebra. Die Umkehrung gilt nicht, da verschiedene Lie-Gruppen gleiche Lie-Algebren besitzen können. Z.B. stimmt die Lie-Algebra von SU(2) mit der von SO(3) überein,so(3) = {x ∈ R 3 , [x, y] := x × y}∼ ={A ∈ Mat2 (C), A = −A ∗ , tr A = 0} = su(2) .Es gilt aber, dass jede endlichdimensionale Darstellung einer Lie-Algebradurch die Exponentialabbildung zu einer Darstellung einer Umgebungder Eins führt. Dies liegt an der sogenannten Baker-Campbell-Hausdorff-Formel, die es gestattet, das Produkt h 1 (t)h 2 (t) für zwei einparametrigeHalbgruppen für kleine t durch die Generatoren und ihre Mehrfachkommutatorenauszudrücken.Durch Produkte erhält man alle Gruppenelemente in der ZusammenhangskomponenteG 0 der Eins ; allerdings ist die Darstellung alsProdukt von Elementen der ursprünglichen Umgebung der Eins nichteindeutig, sodass man nicht notwendig eine Darstellung der Gruppeerhält. Stattdessen erhält man eine Darstellung der sogenanntenuniversellen Überlagerungsgruppe ˜G 0 von G 0 . Dies ist die Menge derHomotopieklassen [γ] von Wegen γ in der Gruppe mit Anfangspunkt


44 <strong>II</strong>I. SYMMETRIEN IN DER QUANTENMECHANIK( ”source“) s(γ) = e. (Zwei Wege liegen in derselben Homotopieklasse,wenn sie stetig, bei festgehaltenen Endpunkten, ineinander überführtwerden können.) Mit r(γ) ( ”range“) wird der Endpunkt von γ bezeichnet.Dieser hängt natürlich nur von der Homotopieklasse ab und definiertdurch π([γ]) = r(γ) eine Abbildung von ˜G 0 auf G 0 . Ist γ ein Wegin G 0 und g ∈ G 0 , so sei gγ der Weg, den man erhält, wenn man jedenPunkt des Weges von links mit g multipliziert. Wir definieren jetzt dasProdukt zweier Homotopieklassen durch[γ 1 ][γ 2 ] := [γ 1 ◦ r(γ 1 )γ 2 ]Durch diese Definition erhält ˜G 0 die Struktur einer Gruppe, und π wirdein surjektiver Homomorphismus, die sogenannte Überlagerungsabbildung.Z. B. ist SU(2) die universelle Überlagerungsgruppe von SO(3); Darstellungender Lie-Algebra su(2) mit halbzahligem Spin können nichtzu Darstellungen der SO(3) integriert werden. Die Überlagerungsgruppeder SO(2) (der Drehgruppe in 2 Dimensionen) ist R. R besitzt dieirreduziblen Darstellungen φ ↦→ e isφ mit s ∈ R. Daher ist der Spin in 2Dimensionen nicht quantisiert ( ”Anyonen“).Projektiven Darstellungen einer Lie-Gruppe entsprechen projektiveDarstellungen der Lie-Algebra[T (a), T (b)] = T ([a, b]) + c(a, b)1mit c(a, b) ∈ iR. Zum Beispiel ist der Generator der magnetischenTranslationenp B = p − e 2 x × B .a ↦→ a · p B ist eine projektive Darstellung der zugehörigen Liealgebra(mit Lie-Produkt [a, b] = 0) und erfüllt[a · p B , b · p B ] = −ie(a × b) · B .Die infinitesimalen magnetischen Translationen in der Ebene senkrechtzum Magnetfeld erfüllen also ebenso wie die zugehörigen kinetischenImpulse kanonische Vertauschungsrelationen, wobei die Rolle von durch die Flächendichte |eB| übernommen wird.In der klassischen Mechanik beschreibt ein geladenes Teilchen ineinem homogenen Magnetfeld eine Spiralbahn um die Richtung desMagnetfelds. Die Koordinaten des Mittelpunkts der zugehörigen Kreisbahnin der Ebene senkrecht zum Magnetfeld sind proportional zu denmagnetischen Impulsen. Quantenmechanisch ist dieser Mittelpunkt offenbarnicht mehr scharf bestimmt, sondern seine Koordinaten unterliegenden Heisenbergschen Unschärferelationen.Ein weiteres Beispiel sind die Galilei-Trans<strong>for</strong>mationen (t, x) ↦→(t, x+tv). Für ein Teilchen mit Masse m wird die Galilei-Trans<strong>for</strong>mationauf ein Bezugssytem mit Geschwindigkeit v definiert durch(G(v)Ψ)(x) = e imv·x Ψ(x) .


Der zugehörige Generator ist4. TENSORPRODUKTE 45i d dt G(ta) t=0 = −ma · x .In der Galilei-Gruppe kommutieren Beschleunigungen und Translationen.Für die zugehörigen Generatoren in der <strong>Quantenmechanik</strong> abergilt[−ma · x, b · p] = −ima · b ,sie bilden daher eine projektive Darstellung der Lie-Algebra der Galilei-Gruppe, die durch den Wert der Masse m charakterisiert wird. Tatsächlichlässt sich die Schrödingergleichung für ein freies Teilchen aus derForderung der Galilei-Invarianz ableiten.4. TensorprodukteIn der Physik steht man oft vor der Aufgabe, komplexe Systeme alsZusammensetzung einfacher Systeme zu beschreiben. Der einfachsteWeg zur Zusammensetzung quantenmechanischer Systeme benutzt diemathematische Methode des Tensorprodukts (auch Kronecker-Produktoder direktes Produkt genannt; die letztere Bezeichnung wird aber inder Mathematik für eine andere Konstruktion verwendet und solltedaher vermieden werden).Seien H 1 und H 2 zwei Hilberträume. Das Tensorprodukt H = H 1 ⊗H 2 ist der durch die folgenden Eigenschaften eindeutig charakterisierteHilbertraum:(i) Es gibt eine bilineare Abbildung{H1 × H⊗ :2 → HΦ 1 , Φ 2 ↦→ Φ 1 ⊗ Φ 2(ii) Das Skalarprodukt in H erfüllt die Bedingung(Φ1 ⊗ Φ 2 , Ψ 1 ⊗ Ψ 2)=(Φ1 , Ψ 1)(Φ2 , Ψ 2).(iii) Die Vektoren ∑ ni=1 Φ(i) 1 ⊗ Φ (i)2 , n ∈ N 0 , Φ (i)j ∈ H j , j = 1, 2,liegen dicht in H.Z. B. ist L 2 (R 2 ) = L 2 (R) ⊗ L 2 (R) mit(φ ⊗ ψ)(x, y) = φ(x)ψ(x) .Eine Methode zur Konstruktion des Tensorprodukts geht von derWahl von Orthonormalbasen {Φ (n)j , n ∈ N} von H j , j = 1, 2 aus.Sei l 2 (N × N) der Raum der quadratisch summierbaren Doppelfolgen(c nm ) n,m∈N , ∑ n,m |c nm| 2 < ∞. Dann wird durchΨ 1 ⊗ Ψ 2 := (c nm )mit c nm = ( Φ (n) )((m))1 , Ψ 1 Φ 2 , Ψ 2 eine Abbildung mit den ge<strong>for</strong>dertenEigenschaften definiert. Man erkennt, dass {Φ (n)1 ⊗ Φ (m)2 , n, m ∈ N}eine Orthonormalbasis von H 1 ⊗ H 2 bildet.17


46 <strong>II</strong>I. SYMMETRIEN IN DER QUANTENMECHANIKObservable der Teilsysteme werden mit Observablen des zusammengesetztenSystems in der folgenden Weise identifiziert. Seien A j Operatorenin H j , j = 1, 2. Dann definiert man einen Operator A 1 ⊗ A 2 inH 1 ⊗ H 2 durch(A 1 ⊗ A 2 )(Φ 1 ⊗ Φ 2 ) = A 1 Φ 1 ⊗ A 2 Φ 2 .Insbesondere gilt, dass die Identifikationen A 1 ↦→ A 1 ⊗ 1 und A 2 ↦→1 ⊗ A 2 alle Eigenschaften der Observablen eines Teilsystems erhält(Spektren, Vertauschungsrelationen) bis auf die Vielfachheit der Eigenwerte.Ist z.B. Φ 1 ein Eigenvektor von A 1 zum Eigenwert a 1 , sosind alle Vektoren der Form Φ 1 ⊗ Ψ, Ψ ∈ H 2 , Ψ ≠ 0 Eigenvektorenvon A 1 ⊗ 1 zum selben Eigenwert; der Entartungsgrad ist gerade dieDimension von H 2 .Wir betrachten jetzt projektive Darstellungen U 1 , U 2 einer SymmetriegruppeG auf den Zustandsräumen H 1 bzw. H 2 . Dann erhält mandurch(U 1 ⊗ U 2 )(g) := U 1 (g) ⊗ U 2 (g)eine projektive Darstellung von G auf H 1 ⊗ H 2 .Für projektive Darstellungen T 1 und T 2 einer Lie-Algebra g setztman entsprechendT (a) = T 1 (a) ⊗ 1 + 1 ⊗ T 2 (a)und findet eine projektive Darstellung der Lie-Algebra in H 1 ⊗ H 2 .Auf diese Weise erhält man z.B. eine projektive Darstellung derGalileigruppe in einem Zweiteilchensystem mit Massenparameter m =m 1 + m 2 .Typischer Weise sind die Darstellungen auf dem Produktraum nichtirreduzibel. Durch Zerlegung in irreduzible Bestandteile erhält man i.a.neue Darstellungen. In vielen Fällen kann man durch wiederholte Tensorprodukteund Ausreduktionen alle irreduzible Darstellungen finden.Wir wollen diese Zusammenhänge am Beispiel der Drehgruppe studieren.Wir haben gesehen, dass projektive Darstellungen der SO(3)durch Darstellungen der SU(2) gegeben sind, die wiederum durch Darstellungenihrer Lie-Algebra erzeugt werden.Sei T eine Darstellung der su(2),[T (a), T (b)] = T (a × b) .Dann erfüllen die Operatoren L k = iT (e k ) die Drehimpulsvertauschungsrelationen.Deren Darstellungen haben wir bereits in <strong>Quantenmechanik</strong>I bestimmt. Es gibt daher zu jeder natürlichen Zahl d genau eine irreduzibleDarstellung der Dimension d, die üblicher Weise durch dieDrehimpulsquantenzahl j, 2j + 1 = d bezeichnet wird. Der Operator3∑|L| 2 = − T (e k ) 2k=1


4. TENSORPRODUKTE 47(der sogenannte Casimir-Operator der SU(2)) hat in dieser Darstellungden Wert j(j + 1), die Komponenten von L haben die Eigenwerte−j, −j + 1, . . . , j − 1, j. Man wählt jetzt eine Komponente von L aus,z.B. L 3 , und bezeichnet den Eigenvektor |j〉 zum höchsten Eigenwertvon L 3 als den höchsten Gewichtsvektor. Er ist bis auf einen Faktoreindeutig durch die BedingungL + |j〉 = 0 , L + = L 1 + iL 2ausgezeichnet. Durch wiederholte Anwendung von L − = L 1 − L 2 auf|j〉 erhält man die anderen Eigenvektoren von L 3 ,|m〉 = c m L j−m− |j〉 , m = −j, −j + 1, . . . , j − 1, j .Wir wählen die Koeffizienten c m > 0 so, dass die Eigenvektoren normiertsind. Es giltL ± |m〉 = √ j(j + 1) − m(m ± 1)|m ± 1〉 .Explizite Formeln für die Darstellungen der SU(2) findet man z.B. imMessiah, Bd. <strong>II</strong>, Anhang C.Bildet man das Tensorprodukt zweier Darstellungen mit Quantenzahlenj 1 und j 2 , so findet man zwei kommutierende DrehimpulsoperatorenL (1) , L (2) , deren Summe L = L (1) + L (2) daher wieder die Drehimpulsvertauschungsrelationenerfüllt. Die Zerlegung der Produktdarstellungnach irreduziblen Darstellungen entspricht der Zerlegung nachEigenwerten von |L| 2 . Diese haben wir in <strong>Quantenmechanik</strong> I bei derBesprechung der Feinstruktur durchgeführt. Die möglichen Eigenwertevon |L| 2 sind danach j(j + 1) mit j ∈ {|j 1 − j 2 |, |j 1 − j 2 | + 1, . . . , j 1 +j 2 − 1, j 1 + j 2 }. Für die Dimensionen der Darstellungsräume ergibt sichentsprechendd = |d 1 − d 2 | + 1, . . . , d 1 + d 2 − 1mit ∑ d = d 1 d 2 . Insbesondere tritt jede erlaubte Darstellung genaueinmal auf. Wir erhalten die Zerlegung des DarstellungsraumsH j1 ⊗ H j2 = ⊕ jH j .Hierbei bedeutet ⊕ die Summe paarweise orthogonaler Hilberträume(direkte Summe). Zur Bestimmung der Unterräume H j verwenden wirzwei verschiedene Orthonormalbasen. Die eine, dem Tensorprodukt angepassteBasis besteht aus gemeinsamen Eigenvektoren von L (1)3 undL (2)3 ,{|m 1 〉 ⊗ |m 2 〉, m i ∈ {−j i , . . . , j i }, i = 1, 2} ,die andere aus den gemeinsamen Eigenvektoren von |L| 2 und L 3 ,{|j, m〉, j ∈ {|j 1 − j 2 |, . . . , j 1 + j 2 }, m ∈ {−j, . . . , j}} .Entwickelt man die zweite Basis nach der ersten, so erhält man|j, m〉 = ∑ C j j 1 j 2(m 1 , m 2 ; m)|m 1 〉 ⊗ |m 2 〉


48 <strong>II</strong>I. SYMMETRIEN IN DER QUANTENMECHANIK18mit den Clebsch-Gordon-KoeffizientenC j j 1 j 2(m 1 , m 2 ; m) = 〈m 1 | ⊗ 〈m 2 |j, m〉 .Zur Fixierung der Phasen setzen wir |j 1 + j 2 , j 1 + j 2 〉 = |j 1 〉 ⊗ |j 2 〉und erhalten dann durch Anwendung von L − alle Basisvektoren mitQuantenzahl j 1 + j 2 . Z.B. ist|j 1 + j 2 , j 1 + j 2 − 1〉 = L − |j 1 〉 ⊗ |j 2 〉(2(j 1 + j 2 )) −1/2=(L (1)− + L (2)− )|j 1 〉 ⊗ |j 2 〉(2(j 1 + j 2 )) −1/2√√j 1j 2= |j 1 − 1〉 ⊗ |j 2 〉 + |j 1 〉 ⊗ |j 2 − 1〉 .j 1 + j 2 j 1 + j 2Der höchste Gewichtsvektor der Darstellung mit Quantenzahl j 1 +j 2 −1ist orthogonal zu |j 1 + j 2 , j 1 + j 2 − 1〉 und ist wie dieser eine Linearkombinationvon |j 1 − 1〉 ⊗ |j 2 〉 und |j 1 〉 ⊗ |j 2 − 1〉. Er ist bis auf einePhase eindeutig. Wir wählen diese Phase so, dass der Koeffizient von|j 1 〉 ⊗ |j 2 − 1〉 positiv ist.Allgemein wählen wir die Phasen so, dass〈j, m − 1|L − |j, m〉 > 0 ,〈j 1 | ⊗ 〈j − j 1 |j, j〉 > 0gilt. Hierdurch sind die Clebsch-Gordon-Koeffizienten eindeutig festgelegt.In der Literatur findet man manchmal auch andere Konventionen.Als Elemente einer unitären Matrix erfüllen die Clebsch-Gordon-Koeffizienten Orthogonalitäts- und Vollständigkeitsrelationen. Diese lassensich übersichtlich schreiben, wenn man die (2j 1 +1)(2j 2 +1)×(2j +1)-Matrizen C j j 1 j 2= (C j j 1 j 2(m 1 , m 2 ; m)) als lineare Operatoren von H jnach H j1 ⊗H j2 auffasst. Diese Operatoren erfüllen die Verkettungs ( Intertwiner“)-Relation”(U j1 ⊗ U j2 )(g)C j j 1 j 2= C j j 1 j 2U j (g) , g ∈ SU(2) .Die Orthogonalitäts-und Vollständigkeitsrelationen lauten nun(C j j 1 j 2) ∗ C j′j 1 j 2= δ jj ′1 Hj, ∑ jC j j 1 j 2(C j j 1 j 2) ∗ = 1 Hj1 ⊗H j2.5. Tensor-Operatoren und Wigner-Eckart-TheoremIst U eine unitäre Darstellung einer Gruppe G in einem HilbertraumH und A ein Operator in H, dessen Definitionsbereich invariantunter U(g) ist, so spannen die Operatoren A g = U(g)AU(g) −1 einenUnterraum in der Menge der Operatoren auf D(A) auf, auf dem dieGruppe durch g ↦→ A g dargestellt wird. Dies ist besonders interessant,wenn die Darstellung irreduzibel ist. Ein Beispiel für eine solche irreduzibleDarstellung in einem Vektorraum von Operatoren sind die


5. TENSOR-OPERATOREN UND WIGNER-ECKART-THEOREM 49Trans<strong>for</strong>mationseigenschaften des Ortsoperators unter Drehungen. EsgiltU(R)(a · x)U(R) −1 = (Ra) · x ,auf dem Raum der Operatoren {a·x, a ∈ R 3 } wirkt die Drehgruppe alsoin ihrer definierenden Darstellung (l = 1). Ist V ein irreduzibler Darstellungsraumvon Operatoren, und ist {A 1 , . . . , A n } eine Basis von V ,so nennt man das n-Tupel (A 1 , . . . , A n ) einen irreduziblen Tensoroperator.Beispiele für irreduzible Tensoroperatoren bezüglich der Drehgruppesind Impuls, Drehimpuls, Spin,. . . . Multipliziert man einen irreduziblenTensoroperator komponentenweise mit den Vektoren einesHilbertraums, auf dem die Gruppe dargestellt ist, so erhält man alsDarstellungsraum einen Quotientenraum des Tensorprodukts. Im Fallder Drehgruppe kann dieser mit einem Unterraum des Tensorproduktsidentifiziert werden.Seien E k : H jk → H, k = 1, 2 Verkettungsoperatoren,E k U jk (g) = U(g)E k ,und sei F : H j → L(D, H) eine lineare Abbildung von H j in den Raumder Operatoren mit invariantem Definitionsbereich D, sodass giltF (U j (g)χ) = U(g)F (χ)U(g) −1 .Dann gilt das Wigner-Eckart-Theorem:Theorem <strong>II</strong>I.2. Die Matrixelemente der Operatoren F (χ) zwischenVektoren der Form E 1 Φ und E 2 Ψ sind von der Form(E1 Φ, F (χ)E 2 Ψ ) = ( C j 1jj 2Φ, χ ⊗ Ψ ) 〈E 1 ||F ||E 2 〉(2j 1 + 1) −1/2mit einem von Φ, χ und Ψ unabhängigem Faktor 〈E 1 ||F ||E 2 〉 (demreduzierten Matrixelement“)”Beweis: Die lineare Abbildung{Hj ⊗ HK :j2 → Hχ ⊗ Ψ ↦→ F (χ)E 2 Ψerfüllt die VerkettungsrelationU(g)K = KU j (g) ⊗ U j2 (g) .Es gilt (E1 Φ, F (χ)E 2 Ψ ) = ( Φ, E1K(χ ∗ ⊗ Ψ ) .Wir schieben zwischen K und χ ⊗ Ψ eine Zerlegung der Eins mithilfeder Clebsch-Gordonoperatoren ein,∑C j′jj 2(C j′jj 2) ∗ = 1 Hj ⊗H j2.j ′Der Operator E ∗ 1KC j′jj 2:= T j ′ verkettet die Darstellung j ′ mit der Darstellungj 1 ,U j1 (g)T j ′ = T j ′U j ′(g) , g ∈ SU(2) .


50 <strong>II</strong>I. SYMMETRIEN IN DER QUANTENMECHANIKDa die Darstellungen U j ′ irreduzibel und paarweise inäquivalent sind,verschwindet T j ′ für j ′ ≠ j 1 , und T j1 ist nach dem Schurschen Lemmaein Vielfaches der Eins . Sei Φ ′ = (C j 1jj 2) ∗ (χ ⊗ Φ). Dann gilt(E1 Φ, F (χ)E 2 Ψ ) = λ ( Φ, Φ ′) = λ ( C j 1jj 2Φ, χ ⊗ Ψ )mit λ ∈ C unabhängig von Φ, χ und Ψ.□Als Beispiel betrachten wir elektromagnetische Strahlungsübergänge.Hierbei entwickelt man den Wechselwirkungsterm nach Multipolen.Der 2 l -Pol-Term ist von der FormF (c) = ∑ mc m Y lm (θ, φ)f l (r) .Diese Operatoren bilden einen irreduziblen Tensoroperator. Bei der Berechnungvon Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen Zuständen mitDrehimpulsquantenzahlen l 1 , m 1 und l 2 , m 2 findet man〈l 1 , m 1 |F (c)|l 2 , m 2 〉 = ∑ mC l 1ll2(m, m 2 ; m 1 )c m · constmit einer Konstanten, die nicht von m 1 und m 2 abhängt. Dies liefertAuswahlregeln |l 2 − l| ≤ l 1 ≤ l 2 + l und Intensitätsregeln.6. Ununterscheidbare TeilchenBei der Beschreibung eines n-Teilchensystems durch ein n-fachesTensorprodukt der Einteilchen-HilberträumeH n = H 1 ⊗ · · · ⊗ H 1} {{ }nbereitet die Ununterscheidbarkeit der Teilchen Probleme. Wir betrachtenauf H n die unitäre Darstellung der symmetrischen Gruppe S n ,U(σ)Φ 1 ⊗ · · · ⊗ Φ n = Φ σ −1 (1) ⊗ · · · ⊗ Φ σ −1 (n) .Sei A eine Observable des n-Teilchensystems. Die Ununterscheidbarkeitder Teilchen bedeutet, dass A mit allen Permutationsoperatoren U(σ)vertauschen muss,[A, U(σ)] = 0 , σ ∈ S n .Daher ist nicht jeder selbstadjungierte Operator auf H n eine Observable.Tatsächlich zerfällt H n in orthogonale Teilräume, zwischen denenkeine Übergänge durch Observable möglich sind,H n = ⊕ rH r n(Φ, AΨ)= 0 , Φ ∈ Hrn , Ψ ∈ H r′n , r ≠ r ′ .


6. UNUNTERSCHEIDBARE TEILCHEN 51Die Projektoren auf diese Teilräume sind Linearkombinationen der Permutationsoperatoren.Z.B. istP symm = 1 ∑U(σ)n!der Projektor auf den total symmetrischen Unterraum, undP anti = 1 ∑sign(σ)U(σ)n!σder Projektor auf den total antisymmetrischen Unterraum. Allgemeinfindet man die Unterräume H r n mit Hilfe der sogenannten Young-Rahmen.Ein Young-Rahmen r ist eine Anordnung von n Kästchen in Zeilenund Spalten, sodass die Spaltenlänge von links nach rechts und dieZeilenlänge von oben nach unten nicht zunimmt. Er wird festgelegtdurch die Angabe der Spaltenlängen n 1 ≥ . . . ≥ n r , ∑ i n i = 1. Aufdiese Kästchen werden die Ziffern 1 bis n verteilt. Die so erhaltene Anordnungder Zahlen 1, . . . , n nennt man ein Young-Tableau. Sei t einsolches Tableau, sei S t Z die Untergruppe der symmetrischen Gruppe,tbei der nur die Ziffern in derselben Zeile vertauscht werden, und sei S Sdie Untergruppe, bei der nur die Ziffern in derselben Spalte vertauschtwerden. Dann istH t n = ∑ ∑sign(σ 1 )U(σ 1 σ 2 )H nσ 1 ∈S t S σ 2 ∈S t Zein Unterraum, der invariant unter der Wirkung der Observablen ist.Die Summe über alle Tableaux mit Rahmen r ist ein Unterraum, derauch unter Permutationen invariant ist. Dies ist der Unterraum H r n DieRestriktion der Observablen auf einen Teilraum H t n liefert eine Darstellungπ t der Algebra aller Observablen. Wenn zwei Tableaux durch eineUmnumerierung σ ∈ S n auseinander hervorgehen, so sind die zugehörigenDarstellungen äquivalent,π t (A) = U(σ)π t ′(A)U(σ) −1 ,anderenfalls inäquivalent. Relative Phasen zwischen Zustandsvektoren,die zu verschiedenen Räumen H r n gehören, sind unbeobachtbar, manspricht von einer Superauswahlregel.Die bekannten Elementarteilchen sind entweder Bosonen oder Fermionen,d.h. sie gehören zur total symmetrischen bzw. total antisymmetrischenDarstellung. Dies gilt allerdings nur, wenn alle Freiheitsgradeberücksichtigt werden. Vernachlässigt man z.B. in der Atomphysik denSpin der Elektronen, so muss die Ortswellenfunktion keineswegs totalantisymmetrisch sein. Es giltH n = H OrtnDaraus folgt für die Darstellung der S nσ⊗ H Spinn .U = U Ort ⊗ U Spin .


52 <strong>II</strong>I. SYMMETRIEN IN DER QUANTENMECHANIKDie möglichen Ortswellenfunktionen und Spinwellenfunktionen habenSymmetrietypen r Ort bzw. r Spin , sodass das Tensorprodukt die total antisymmetrischeDarstellung besitzt. Dies ist nur möglich, wenn die Rahmendurch Spiegelung ineinander übergehen. Da der Elektronenspinaber auf einem 2-dimensionalen Hilbertraum dargestellt wird, könnennichttriviale Darstellungen der Permutationsgrupppe auf den Spinwellenfunktionennur zu Rahmen mit höchstens 2 Zeilen existieren. Dieseentsprechen Werten des Spins s = (l 1 − l 2 )/2, wenn l 1 und l 2 dieZeilenlängen des Rahmens sind. Daher treten für die Symmetrietypender Ortswellenfunktion nur Rahmen mit Spaltenlängen l 1 = s + n/2,l 2 = −s + n/2 auf, wobei s die Spinquantenzahl des n-Teilchensystemsist. Die verschiedenen Symmetrietypen der Ortswellenfunktion könnenalso durch den Wert des Spins gekennzeichnet werden. Auf diese Weisekönnen die Energie-Niveaus spinabhängig werden, auch wenn spinabhängigeWechselwirkungen ignoriert werden. Ein Beispiel bilden dieangeregten Zustände des Helium-Atoms.


KAPITEL IVStreutheorie1. Zeitabhängige StreutheorieBindungszustände von Teilchen, die sich unter dem Einfluss eineskurzreichweitigen Potentials bewegen, können geometrisch dadurchcharakterisiert werden, dass sie nie einen endlich ausgedehnten Bereichverlassen, d.h., für alle ε > 0 gibt es ein endlich ausgedehntes Gebiet,außerhalb dessen sich das Teilchen zu keiner Zeit mit einer Wahrscheinlichkeit> ε aufhält. Superpositionen von Eigenzuständen des Hamiltonoperatorsbesitzen diese Eigenschaft, und man kann zeigen, dassfür Potentiale, die sich als Summe einer beschränkten stetigen Funktionund einer quadratisch integrierbaren Funktion schreiben lassen,alle gebundenen Zustände im Unterraum H P (H) liegen, der von denEigenvektoren von H aufgespannt wird.Die Vektoren im orthogonalen Komplement von H P (H) beschreibenin diesem Fall Zustände, bei denen das Teilchen im zeitlichen Mitteljedes endlich ausgedehnte Gebiet G verläßt,12T∫ T−T∫dtGd 3 x|Φ(t, x)| 2 → 0 .(IV.1)Wegen der angenommenen Kurzreichweitigkeit des Potentials verhältes sich in großem Abstand vom Ursprung wie ein freies Teilchen. Wirerwarten daher, dass es Wellenfunktionen Φ ein,aus gibt mit‖e −itH Φ − e −itH 0Φ ein,aus ‖ → 0für t → ±∞. Dies ist äquivalent zuΦ = limt→±∞ eitH e −itH 0Φ ein,aus .Wir definieren die Mølleroperatoren (auch Wellenoperatoren genannt)Ω ein,aus = limt→±∞ eitH e −itH 0.Die Mølleroperatoren sind isometrisch, aber i.a. nicht unitär, da dieBindungszustände nicht in ihrem Bild liegen können.Für die Existenz der Mølleroperatoren gibt es ein einfaches Kriterium(Cook-Kriterium):Theorem IV.1. Seien H und H 0 selbstadjungierte Operatoren mitD(H) = D(H 0 ). Ihre Differenz V = H − H 0 erfülle die Bedingung53


54 IV. STREUTHEORIE∫‖V e−itH 0 t Φ‖dt < ∞ für alle Φ aus einem dichten Teilraum D, D ⊂D(H 0 ). Dann existieren die Mølleroperatoren.Beweis: Wir wollen zeigen, dass für alle Ψ ∈ H die vektorwertigeFunktiont ↦→ e itH e −itH 0Ψdas Cauchy-Kriterium für t → ±∞ erfüllt.Sei Φ ∈ D. Dann gilt‖e itH e −itH 0Ψ − e itH e −itH 0Φ‖ = ‖Ψ − Φ‖ .Für Φ ∈ D gilt nach Differentiation und anschließender Integratione itH e −itH 0Φ − e isH e −isH 0Φ =∫ tDie Norm der rechten Seite ist beschränkt durch∫ tsdt ′ ‖V e −it′ H 0Φ‖ .sdt ′ e it′H iV e −it′ H 0Φ .Nach Vorausetzung existiert dieses Integral auch im Limes s → −∞,t → +∞.Sei nun ε > 0. Dann wählen wir ein Φ ∈ D mit ‖Ψ − Φ‖ < ε/3 undT > 0 mit∫ ∞Dann gilt für alle t, s > TTdt ′ ‖V e −it′ H 0Φ‖ < ε/3 .‖e itH e −itH 0Ψ − e isH e −isH 0Ψ‖ < ε .Damit folgt die Existenz der auslaufenden Mølleroperatoren. Die Existenzder einlaufenden Mølleroperatoren folgt entsprechend. □Theorem IV.2. Das Cook-Kriterium ist erfüllt, wenn H 0 der freieHamiltonoperator auf R n ist und V = V (x) die Abschätzungc|V (x)| ≤(1 + |x|) 1+εmit ε > 0 erfüllt.Beweis: Der Beweis beruht auf den Eigenschaften der Zeitentwicklungfreier Wellenpakete, wie sie in <strong>Quantenmechanik</strong> I diskutiert wordenist. Als Bereich D wählen wirD = {Φ ∈ L 2 (R n , ˆΦ ∈ C ∞ (R n ), supp ˆΦ kompakt , 0 ∉ supp ˆΦ} .Sei Φ ∈ D, ‖Φ‖ = 1, und seiv = inf{ |p| , p ∈ supp ˆΦ}mdie kleinste im Zustand Φ auftretende Geschwindigkeit. Dann verschwindetdie WellenfunktionΦ(t, x) = (e −itH 0Φ)(x)


innerhalb des Kegelsschneller als jede Potenz,Bei der Berechnung von∫‖V e −itH 0Φ‖ 2 =1. ZEITABHÄNGIGE STREUTHEORIE 55C = {(t, x), |x| < v|t|/2}|Φ(t, x)| < c N |t| −N , N ∈ N .d n x|V (x)| 2 |Φ(t, x| 2teilen wir den Integrationsbereich in die Teile |x| < v|t|/2 und |x| ≥v|t|/2 auf. Im ersten Term nutzen wir den schnellen Abfall von Φ in Caus und finden, dass er durchcc N v n 2 −n C n |t| n−Nbeschränkt ist, mit dem Volumen C n der Einheitskugel in n Dimensionen.Im zweiten Term nutzen wir aus, dass V für große Argumenteverschwindet, und erhalten die Schrankec(1 + v|t|/2) 1+εDer erste Term ist integrabel (wir wählen N > n + 1) ebenso wie derzweite, damit ist die Behauptung gezeigt.□Die Mølleroperatoren sind isometrische Abbildungen des HilbertraumsH auf Teilräume H ein bzw. H aus . Die Vektoren in diesen Teilräumenbeschreiben Zustände, deren Zeitentwicklung zu sehr frühen, bzw.sehr späten Zeiten durch den freien Hamiltonoperator beschrieben werdenkann,sup‖(e −isH − e −isH 0)e −itH Ω aus Φ‖ → 0, t → ∞ .s>0und entsprechend für den einlaufenden Fall. Die obige Abschätzung isteine direkte Konsequenz der Existenz der Mølleroperatoren. Denn fürjedes ε > 0 gibt es ein t > 0, sodass für alle t ′ > t giltWir schreiben‖(Ω aus − e it′H e −it′ H 0)Φ‖ < ε/2 .(e −isH − e −isH 0)e −itH Ω aus Φ =(e −i(s+t)H Ω aus − e −i(s+t)H 0)Φ+e −isH 0(e −itH 0− e −itH Ω aus )ΦBeide Terme auf der rechten Seite lassen sich durch ε/2 abschätzen.Damit folgt die Behauptung.Die Mølleroperatoren erfüllen die folgenden Verkettungsrelationene −itH Ω ein,aus = lims→±∞ ei(s−t)H e −isH 0= Ω ein,aus e −itH 0.


56 IV. STREUTHEORIEDer Hamiltonoperator H auf den Teilräumen H ein,aus ist also unitäräquivalent zu H 0 . Dies werden wir im nächsten Abschnitt ausnutzen,um eine verallgemeinerte Eigenbasis von H zu finden.Eine wichtige und schwierige Frage ist, ob jeder Zustand im orthogonalenKomplement des Raums der Bindungszustände zu asymptotischenZeiten der freien Zeitentwicklung genügt, d.h. ob giltH ein = H aus = H ⊥ P ?(Asymptotische Vollständigkeit.) Aus der klassischen Mechanik ist bekannt,dass es Zustände gibt, die aus dem Unendlichen kommen unddann für alle Zeiten im Endlichen bleiben. Dieser Fall tritt z.B. beiZentralpotentialen ein, wenn die Energie gerade gleich einem Maximumdes effektiven Potentials ist. Auch in der <strong>Quantenmechanik</strong> kannman für sehr spezielle Potentiale eine solche Situation finden. Es istaber vor etwa 20 Jahren vor allem durch die Arbeiten von Enss gelungen,zu zeigen, dass für genügend reguläre Potentiale asymptotischeVollständigkeit gilt. Einen Beweis findet man im Reed-Simon.Im folgenden wollen wir annehmen, dass die asymptotische Vollständigkeiterfüllt ist. In diesem Fall kann man die S-Matrix durchS = Ω ∗ ausΩ einals unitären Operator in H definieren. Wegen der Verkettungsrelationender Mølleroperatoren vertauscht die S-Matrix mit H 0 . Die Matrixelementeder S-Matrix,(Ψ, SΦ)=(Ωaus Ψ, Ω ein Φ )interpretiert man als die Wahrscheinlichkeitsamplitude dafür, dass einZustand, der zu frühen Zeiten wie der sich frei entwickelnde ZustandΦ aussieht, zu späten Zeiten wie der sich frei entwickelnde Zustand Ψaussieht.2. Zeitunabhängige StreutheorieIn der zeitunabhängigen Streutheorie, wie wir sie in <strong>Quantenmechanik</strong>I behandelt haben, betrachtet man Lösungen χ k der zeitunabhängigenSchrödingergleichung zum Energieeigenwert E(k) = |k| 2 /(2m), derenasymptotisches Verhalten für |x| → ∞ von der Formχ k (x) ≈ e ik·x + f(k, x r )eikrrist, mit r = |x| und k = |k|. Wir wollen diese Lösungen mit Hilfe dereinlaufenden Mølleroperatoren konstruieren. Sei χ (0)k= eik·x eine ebeneWelle, die einem schwachen Eigenvektor von H 0 zum Eigenwert E(k)entspricht. χ (0)kkann als lineares Funktional auf dem dichten TeilraumD 0 = {Φ ∈ L 2 (R 3 ), ˆΦ stetig}


2. ZEITUNABHÄNGIGE STREUTHEORIE 57durch ((0) χk, Φ) = (2π) 3/2 ˆΦ(k)definiert werden. Wir setzen D = H P + Ω ein D 0 . Dann gilt Ω ∗ einD = D 0 .Wir definieren den Streuzustand, der zu frühen Zeiten wie die ebeneWelle χ (0)kaussieht, als lineares Funktional auf D durch(χeink , Φ ) = ( χ (0)k , Ω∗ einΦ ) .Offenbar bilden die Funktionale χ eink , k ∈ R3 eine verallgemeinerteOrthonormalbasis von H ein , die aus schwachen Eigenvektoren von Hbesteht.Wir wollen jetzt annehmen, dass D ⊂ D 0 ist (dies sollte für genügendkurzreichweitige Potentiale erfüllt sein). Die folgenden Rechnungen sindnur heuristisch.Zur Berechnung von χ einkmachen wir vom sogenannten abelschen LimesGebrauch. Sei f(t) eine beschränkte stetige Funktion mit lim t→0 f(t) =a. Dann gilt∫ ∞lim ε dte −εt f(t) = a .ε→00Denn sei δ > 0 beliebig. Dann existiert nach Voraussetzung ein T > 0mit |f(t) − a| < δ für alle t > T . Also gilt|ε∫ ∞Wir schreiben daherχ eink0dte −εt f(t) − a| = |≤∫ εT0∫ ∞dte −t sup|f − a| +0dte −t (f( t ε ) − a)|∫ ∞εTdte −t δ≤ εT sup|f − a| + δ → δ für ε → 0 .= limt→−∞ eitH e −itH 0χ (0)k∫= lim ε dte −it(H−E(k)−iε) χ (0)ε→0k= −i lim εR H(E(k) + iε)χ (0)ε→0kmit der Resolvente R H von H. Mit der zweiten ResolventengleichungR H (z) − R H0 (z) = −R H (z)V R H0 (z)und mitR H0 (E(k) + iε)χ (0)k = (−iε)−1 χ (0)kfolgtχ eink = χ (0)k− lim R H(E(k) + iε)V χ (0)ε→0k.Entsprechend findet manχ (0)k= Ω∗ einχ eink= χ eink+ lim R H0 (E(k) + iε)V χ einkε→0und damit die Lippmann-Schwinger-Gleichungχ eink = χ (0)k− lim R H 0(E(k) + iε)V χ eink .ε→0


58 IV. STREUTHEORIEDer Integralkern von lim ε→0 R H0 (E(k)+iε) im Ortsraum ist gerade dieaus der <strong>Quantenmechanik</strong> I bekannte Greensche Funktionm e i|k||x−y|2π |x − y|die Lippmann-Schwinger-Gleichung ist die dort gefundene Integralgleichungfür eine Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung mitEigenwert E(k) und dem für einlaufende Wellen asymptotischen Verhaltenbei unendlich. Die durch Iteration gewonnene Lösung der Integralgleichung(Bornsche Reihe) ist gerade die Reihe, die sich ergibt,wenn man für die Resolvente die Neumannsche Reihe einsetzt.Eine entsprechende Formel für die auslaufenden Streulösungen erhältman, wenn man ε durch −ε ersetzt.Da die S-Matrix mit H 0 vertauscht, kann ihr Impulsraum-Integralkernin der FormS(k, k ′ ) = δ(k − k ′ ) − 2πiδ(E(k) − E(k ′ ))T (k, k ′ )geschrieben werden, wobei die sogenannte Übergangsmatrix T zunächstnur für |k| = |k ′ | ( on shell“) definiert ist. Es gilt( ”(0)) (χk, (S − 1)χ(0)k = ′ (Ωaus − Ω ein )χ (0)k , Ω einχ (0) )k( ′= lim (RH (E(k) + iε) − R H (E(k) − iε)V χ (0)ε→0k, )χein k ′= limε→0,−2iε ((0) χ(E − E ′ ) 2 + ε 2 k, V )χein k ′= −2πiδ(E − E ′ ) ( χ (0)k, V ) χein k . ′Wir definieren daher die T-Matrix für alle k, k ′ durchT (k, k ′ ) = ( χ (0)k, V ) χein k . ′Aus der Lippmann-Schwinger-Gleichung erhält man die Integralgleichungfür TT (k, k ′ ) = ( ∫χ (0)k, V ) χ(0) k − lim′ ε→0((0) χd 3 k ′′ k, V )χ(0) k ′′E ′′ − E − iε T (k′′ , k ′ ) .Diese Gleichung kann man wieder durch Iteration lösen. Die ÜbergangsmatrixT entspricht für |k| = |k ′ | bis auf einen Faktor der Streuamplitudef. Es giltf(k, n) = − m ∫d 3 xe −in·x|k| V (x)χ eink (x)2π= − m ( )χn|k| , V χ ein mk = − T (n|k|, k) .2π2πInsbesondere ergibt sich für den differentiellen WirkungsquerschnittdσdΩ = |f|2 = m24π 2 |T |2 .


2. ZEITUNABHÄNGIGE STREUTHEORIE 59Wir definieren jetzt die operatorwertige FunktionT (z) = V − V R H (z)V .Sie hängt mit der T-Matrix zusammen durchT (k, k ′ ) = limε→0(χ(0)k , T (E(k′ ) + iε)χ (0)k ′ ).Diese Funktion ist auf der längs der positiven reellen Achse aufgeschnittenenkomplexen Ebene meromorph mit Polen an den Eigenwerten vonH auf der negativen reellen Achse. Für genügend schnell abfallende PotentialeV lässt sie sich über den Schnitt ins zweite Blatt <strong>for</strong>tsetzen.Dort auftretende Pole lassen sich als Resonanzen deuten. Ist E − i 2 Γeine solche Resonanz, E > 0, Γ > 0 genügend klein, so gilt für E ′ nahebei ET (E ′ ) = (E − i 2 Γ − E′ ) −1 A + Q(E ′ )mit Q analytisch. Daher folgt für die ÜbergangsamplitudeT (k, k ′ ) = (E − i 2 Γ − E(k′ )) −1( χ (0)k, ) ( Aχ(0) (0)k + χ ′ k , Q(E(k′ ))χ (0) )k ′und damit für den totalen Wirkungsquerschnittσ(E ′ ) = m 2π Im T (k′ , k ′ ) = ((E − E ′ ) 2 + Γ24 )−1 const + D(E ′ ) .D hängt typischer Weise nur wenig von E ′ ab. Der Wirkungsquerschnitthat daher in der Nähe einer Resonanz ein ausgeprägtes Maximum mitHalbwertsbreite Γ.Wir wollen die Größen der Streutheorie für ein einfaches, etwaskünstliches Beispiel bestimmen. Sei V ein sogenanntes separables Potential,d.h. V = |Φ〉〈Φ| mit einem Φ ∈ L 2 (R 3 ), z.B. Φ(x) = e −µ|x| ,µ > 0.Für die Resolvente ergibt sich∞∑R H (z) − R H0 (z) = (−1) n (R H0 (z)V ) n R H0 (z)und damit=n=1∞∑(−1) n (R H0 (z)|Φ〉(〈Φ|R H0 (z)|Φ〉) n−1 〈Φ|n=1= −(1 + ( Φ, R H0 (z)Φ ) ) −1 R H0 (z)|Φ〉〈Φ|R H0 (z) .T (E) = V − V R H (E)V =Damit ergibt sich für den Wirkungsquerschnitt|Φ〉〈Φ|1 + ( Φ, R H0 (E)Φ ) .∣ ∣dσ ∣∣∣∣dΩ = m2 (2π) 3 ˆΦ(k)ˆΦ(k ′ ) ∣∣∣∣24π 2 1 + ( Φ, R H0 (E)Φ ).


60 IV. STREUTHEORIEFalls die asymptotische Vollständigkeit erfüllt ist, ist die S-Matrixunitär. Für die T-Matrix folgt daraus die Relation∫T (k, k ′ ) − T (k ′ , k) = −2πmk d 2 nT (kn, k)T (kn, k ′ ) ,S 2mit k = |k| = |k ′ |. Für k = k ′ ergibt sich gerade das optische Theorem.Wenn das Potential rotationssymmetrisch ist, vertauscht die S-Matrixmit den Rotationen, also auch mit den Drehimpulsoperatoren. Zerlegenwir den Hilbertraum H = L 2 (R 3 ) nach Drehimpulsquantenzahlen, soerhalten wir eine entsprechende Zerlegung der S-Matrix. Die S-Matrixvertauscht auch mit H 0 . Man kann zeigen, dass bei vorgegebener Drehimpulsquantenzahll alle Operatoren, die rotationsinvariant sind undmit H 0 vertauschen, Funktionen von H 0 sind. In der Energiedarstellungwirkt S daher als Multiplikationsoperator mit einer Funktion S l (E). EsgiltS l (E) = e 2iδ l(E)mit der in <strong>Quantenmechanik</strong> I definierten Streuphase.3. VielkanalstreuungBei Mehrteilchenproblemen ist das asymptotische Verhalten sehrkompliziert. Zwar hat der Hamiltonoperator dieselbe Form wie im Einteilchenproblem,n∑ 1H = − ∆ xi + ∑ V ij (x i − x j ) ,2mi=1 ii 2 kann der Hamiltonoperatorin Schwerpunkt- und Relativanteil geteilt werden. Im Gegensatzzum 2-Teilchensystem gibt es aber kein ausgezeichnetes System unabhängigerRelativkoordinaten. n-Teilchen-Bindungszustände können


3. VIELKANALSTREUUNG 61aber einfach als Eigenzustände des Operators H − |p|2 definiert werden.2mWir betrachten jetzt zu jedem Cluster C ⊂ {1, . . . , n} den Raumder BindungszuständeH C ⊂ ⊗ H ii∈Cmit dem Zustandsraum H i des i-ten Teilchens. Sei I C , C = {C 1 , . . . , C k }die natürliche Einbettungn⊗I C : H C = H C1 ⊗ · · · ⊗ H Ck → H := H i .Wir definieren den zum Kanal C gehörigen Hamiltonoperator H C dadurch,dass alle Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Clusternweggelassen werden. Dann sind die zu diesem Kanal gehörigen MølleroperatorendurchΩ (C)aus,ein = limt→±∞ eitH e −itH CI CFür verschiedene Kanäle sind die Bilder der Mølleroperatoren orthogonal.Daher können die vollen Mølleroperatoren als isometrische Abbildungeni=1Ω aus,ein : H 0 → H , H 0 = ⊕ CH CdurchΩ aus,ein ↾ HC = Ω (C)aus,einerklärt werden. Die S-Matrix wird dann durch S = Ω ∗ ausΩ ein . Sie istunitär, wenn die Bilder der beiden Mølleroperatoorn übereinstimmen.Wenn jeder Zustand asymptotisch eine Superposition von Kanalzuständenist,H = Ω ein H 0 = Ω aus H 0 ,spricht man von asymptotischer Vollständigkeit. Man beachte, dass dabeiauch die n-Teilchen-Bindungszustände im Bild der Mølleroperatorenliegen. Auf ihnen ist der Kanal-Hamiltonoperator gleich dem vollen Hamiltonoperator,daher ist die S-Matrix dort gleich 1.Die asymptotische Vollständigkeit von n-Teilchensystemen wurdefür genügend schnell abfallende 2-Körperpotentiale von Sigal und Soffergezeigt.


KAPITEL VRelativistische <strong>Quantenmechanik</strong>1. Die Klein-Gordon-GleichungDie relativistische Energie-Impuls-BeziehungE = √ |p| 2 + m 2führt auf die folgende Zeitabhängigkeit für Wellenfunktionen∫ψ(t, x) = (2π) −3/2 d 3 kϕ(k)e −i(ω(k)t−k·x)mit ω(k) = √ |k| 2 + m 2 . ψ erfüllt die folgende Differentialgleichung(Klein-Gordon-Gleichung):− ∂2 ψ∂t 2 = −∆ψ + m2 ψ .Diese Gleichung besitzt aber noch weitere Lösungen, bei denen ω durch−ω ersetzt wird. Diese Lösungen würden in einer quantenmechanischenInterpretation Teilchen mit negativer Energie entsprechen; dadiese nicht beobachtet werden, lassen sich nur die positiven Frequenz-Lösungen als Teilchen interpretieren.Die Klein-Gordon-Gleichung besitzt ebenso wie die Schrödingergleichungeinen erhaltenen Strom. Sei ψ eine Lösung der Klein-Gordon-Gleichung, seiund seiρ =i ∂ψ(ψ2m ∂t − ∂ψ∂t ψ) ,j = 1 (ψ∇ψ − ψ∇ψ) .2imDann gilt die Kontinuitätsgleichung∂∂t ρ + div j = 0 .ρ ist aber i.a. nicht positiv, sodass eine Interpretation als Wahrscheinlichkeitsdichtenicht möglich ist. Das Normierungsintegral aber ist fürpositive Frequenzlösungen positiv,∫d 3 xρ(t, x) = 1 ∫d 3 kω(k)|ϕ(k)| 2 > 0 .m63


64 V. RELATIVISTISCHE QUANTENMECHANIKDen nichtrelativistischen Grenzwert der Klein-Gordon-Gleichung erhältman in der folgenden Weise: Wir setzen in der Klein-Gordon-Gleichungψ(t, x) = e −imt ϕ(t, x)(V.1)und finden(i ∂ ∂t − 1 ∂ 22m ∂t )ϕ = − ∆2 2m ϕ .(V.2)Falls die in der Lösung vorkommenden Frequenzen gegenüber der Massevernachlässigt werden können, ist ϕ eine Lösung der Schrödingergleichung.Die Kopplung an ein elektromagnetisches Potential (φ, A) liefertfür ein klassisches Teilchen mit Ladung e die Gleichung(E − eφ) 2 = |p − eA| 2 + m 2 .Für die Klein-Gordon-Gleichung im äußeren elektromagnetischen Feldsetzen wir daher an(i ∂ ∂t − eφ)2 ψ = ( | 1 i ∇ − eA|2 + m 2) ψ .Zur Untersuchung des nichtrelativistischen Grenzfalls betrachten wirwieder ϕ(t, x) = e imt ψ(t, x). Sind alle Frequenzen klein gegenüber m,so erhalten wir die Schrödingergleichung im elektromagnetischen Feldfür ein Teilchen mit elektrischer Ladung e und mit verschwindendemmagnetischen Moment.Wir wollen die Klein-Gordon-Gleichung für den Fall lösen, dass A =0 und eφ = − Zα.Dies beschreibt ein π r −-Meson im Feld eines Kernsmit Kernladungszahl Z. Wie im nichtrelativistischen Fall absorbierenwir Zeit und Winkelabhängigkeit durch den Ansatzψ(t, r, θ, ϕ) = e −itE Y lm (θ, ϕ) χ r .Die Radialwellenfunktion χ erfüllt dann die Gleichung( d 2 l(l + 1)− + + m 2) χ = (E + Zαdr2 r 2r )2 χ .Diese Gleichung stimmt <strong>for</strong>mal mit der Radialgleichung der nichtrelativistischenSchrödingergleichung überein, wobei der Koeffizient desCoulombterms jetzt A = EZα ist, im Zentrifugalterm l durch ml′ mitl ′ (l ′ + 1) = l(l + 1) − Z 2 α 2 ersetzt werden muss und der Eigenwert E ′des nichtrelativistischen Problems durch die FormelE ′ = E22m − m 2gegeben ist.Aus <strong>Quantenmechanik</strong> I wissen wir, dass die Eigenwerte E ′ gegebensind durchE ′ A 2 m= −2(n r + 1 + l ′ ) , n 2 r = 0, 1, . . .


2. DIE DIRAC-GLEICHUNG 65Hierbei muss vorausgesetzt werden, dass l ′ reell ist,d.h. es muss geltenl ′ = − 1 2 + √(l + 1 2 )2 − Z 2 α 2Zα < l + 1 2 .Bei l = 0 ist diese Bedingung für schwere Kerne verletzt; bei einempunktförmigen Kern würde das Teilchen in den Ursprung stürzen, dieAbweichungen von der Punktförmigkeit werden dann wichtig.Durch Auflösung nach E erhalten wir die LösungenmitE = ±m(1 + Z2 α 2λ = n r + 1 + l ′λ 2 ) − 1 2Entwicklung nach Potenzen von Zα bis zur 4. Ordnung ergibt für diepositiven LösungenE = m(1 − Z2 α 2+ Z4 α 4( 3 2n 2 n 4 8 − n2l + 1 )) .mit n = n r +1+l. Hierbei ist der erste Term die relativistische Ruhmasse,der zweite die Bindungsenergie des nichtrelativistischen Systems.Der dritte Term ist der Erwartungswert der ersten relativistischen Korrekturzur kinetischen Energie, − |p|4 , im entsprechenden Zustand des8m 3nichtrelativistischen Systems. Der Beitrag der Spin-Bahn-Kopplung,der von derselben Größenordnung ist, fehlt, daher beschreibt die Klein-Gordon-Gleichung Teilchen mit Spin 0. Die Tatsache, dass die Feinstrukturdes Wasserstoffatoms durch die Klein-Gordon-Gleichung nichtrichtig beschrieben wird, veranlasste Schrödinger dazu, diese Gleichungzu verwerfen, und war einer der Ausgangspunkte für die Aufstellungder Dirac-Gleichung.2. Die Dirac-GleichungDer Hamiltonoperator für positive Energie-Lösungen der freien Klein-Gordon-Gleichung istH = √ |p| 2 + m 2Dirac’s Idee war es, die Quadratwurzel durch einen Term zu ersetzen,der linear in p ist,H = ⃗α · p + βmmit ⃗α = (α 1 , α 2 , α 3 ) und β Elementen einer nichtkommutativen Algebra,die mit p und x vertauschen. Dabei soll H eine Quadratwurzelvon |p| 2 + m 2 sein. Daraus folgen die Relationenα i α j + α j α i = δ ij , α i β + βα i = 0 , β 2 = 1


66 V. RELATIVISTISCHE QUANTENMECHANIKDie Elemente α 1 , α 2 , α 3 , β erzeugen eine sogenannte Clif<strong>for</strong>dalgebra.Diese ist durch die angegebenen Relationen eindeutig bestimmt. Eineexplizite Darstellung dieser Algebren durch 4 × 4-Matrizen istα i =(0 σiσ i 0), β =(1 00 −1mit den Paulimatrizen σ i (als Blockmatrizen mit 2 × 2-Matrizen alsEinträgen). Bis auf Äquivalenz ist dies die einzige irreduzible Darstellung.Die Kopplung an ein elektromagnetisches Feld erfolgt durchi ∂ ψ = (eφ + ⃗α · (p − eA) + βm)ψ∂tmit 4-komponentigen Wellenfunktionen ψ. Ebenso wie die Klein-Gordon-Gleichung besitzt die Diracgleichung einen erhaltenen Strom,j 0 (t, x) = ρ(t, x) = ( ψ(t, x), ψ(t, x) ) = ψ(t, x) ∗ ψ(t, x)j i (t, x) = ( ψ(t, x), α i ψ(t, x) ) = ψ(t, x) ∗ α i ψ(t, x)Hierbei wird ψ(t, x) als Spaltenmatrix aufgefasst. ψ(t, x) ∗ ist die dazuadjungierte Zeilenmatrix. Auf den ersten Blick sieht es so aus, alskönne man ρ als Wahrscheinlichkeitsdichte interpretieren und so einesder Probleme der Klein-Gordon-Gleichung vermeiden. Wir werden aberspäter sehen, dass dies nicht zutrifft.Um die Lorentz-Invarianz der Diracgleichung zu untersuchen, schreibenwir sie in der äquivalenten Form(γ µ (∂ µ − ieA µ ) − im)ψ = 0mit t = x 0 , γ 0 = β, γ i = βα i und A 0 = φ. Wir verwenden immer dieSummationskonvention, dass über Indizes, die oben und unten vorkommen,summiert wird. Die γ-Matrizen sind bis auf Äquivalenz eindeutigdurch die Antivertauschungsrelationen{γ µ , γ ν } = 2g µνbestimmt.Die obige Gleichung ist offenbar lorentzinvariant, wenn sich die γ-Matrizen wie ein Lorentz-Vektor trans<strong>for</strong>mieren. Hierzu benötigen wireine projektive Darstellung S der Lorentzgruppe auf C 4 mit der EigenschaftS(Λ) −1 γ µ S(Λ) = Λ µ νγ νHierzu ist es bequem, zu einer anderen Darstellung der γ-Matrizenüberzugehen. Wir wählen( ) ( )0 10 σiγ 0 = , γ1 0 i =−σ i 0)


Dann giltmit den 2 × 2-Matrizen2. DIE DIRAC-GLEICHUNG 67x µ γ µ =(0 x∼∼x 0)x∼= x 0 + x · ⃗σ, ∼ x = x 0 − x · ⃗σDies sind hermitesche Matrizen mit der Determinante x µ x µ . Lorentztrans<strong>for</strong>mationensind lineare Abbildungen x ↦→ Λx auf dem Minkowskiraum,die das Lorentzquadrat invariant lassen. Entsprechend suchenwir lineare Abbildungen auf dem Raum der hermiteschen 2 × 2-Matrizen, die die Determinante invariant lassen. Solche Abbildungenerhält man z.B. durchh ↦→ AhA ∗mit A ∈ SL(2, C). Wir finden auf diese Weise einen HomomorphismusA ↦→ Λ(A),Ax∼A ∗ = Λ(A)x∼Schränkt man diesen auf die SU(2) ein, so erhält man die schon besprocheneÜberlagerungsabbildung auf die Drehgruppe. Im Fall derLorentzgruppe erhält man als Bild die eigentlich orthochrone Lorentzgruppe.Dies sind Lorentztrans<strong>for</strong>mationen mit Determinante 1, dieden Vorwärtslichtkegel in sich abbilden.Es gilt x∼∼x = x µ x µ Für nicht lichtartige x ist also ∼ x ein Vielfachesdes Inversen von x∼. Daher trans<strong>for</strong>miert sich ∼ x nach∼Λ(A)x = (A ∗ ) −1∼ xA −1 .Die gesuchte projektive Darstellung der Lorentzgruppe ist daherdurch die folgende Darstellung der SL(2, C) gegeben,( )A 0S(A) =0 (A ∗ ) −1Wir wollen zurckkehren zur Hamiltonschen Form der Diracgleichungmit dem Hamiltonoperatori ∂ ∂t ψ = HψH = eφ + ⃗α · (p − eA) + βmund wollen sie in Analogie zur Schrödingergleichung als Zeitentwicklungsgleichungauf dem Hilbertraum H = L 2 (R 3 , C 4 ) deuten.Die Rotationen werden auf diesem Raum durch eine Darstellungder SU(2) realisiert( )V 0(U(V )ψ)(x) =ψ(R(V )0 V−1 x) .


68 V. RELATIVISTISCHE QUANTENMECHANIKUnter dieser Trans<strong>for</strong>mation ist der Hamiltonoperator invariant, fallsA = 0 und φ rotationsinvariant ist.Die infinitesimalen Erzeuger sindJ i = L i + S i ,wobei L i die übliche Form des Bahndrehimpulses hat und die SpinoperatorenS i durch die MatrizenS i = 1 ( )σi 02 0 σ igegeben sind. Die Diracgleichung beschreibt also Teilchen mit Spin 1 2 .Bei der Interpretation von H als Hamiltonoperator tritt allerdingsdas Problem auf, dass dieser Operator auch negatives Spektrum hat.Nur das positive Spektrum kann als Energiespektrum eines physikalischenTeilchens interpretiert werden. Im Fall eines verschwindendenelektromagnetischen Feldes kann der Projektor P + auf den positivenTeil des Spektrums leicht in der Impulsdarstellung angegeben werden,P + = ⃗α · p + βm + √ |p| 2 + m 22 √ |p| 2 + m 2 .Im nichtrelativistischen Limes kann |p| gegenüber m vernachlässigtwerden, und man findet P + = 1 (β + 1), die Diracgleichung für positiveEnergien geht dann in die Schrödingergleichung für 2-komponentige2Wellenfunktionen über.Wir wollen das Eigenwertproblem für H im Fall der Ankopplung anein zeitunabhängiges elektromagnetisches Potential für Eigenwerte Enahe bei der relativistischen Ruhenergie m betrachten. Sei E ′ = E −m.Wir nehmen an, dass |E ′ |, |eφ| ≪ m. Wir schreiben die Wellenfunktionψ in der Form eines Spaltenvektors( )χψ =ϕmit zweikomponentigen Wellenfunktionen χ und ϕ. Für die Matrizenα i und β wählen wir die anfangs angegebene Darstellung. Die zeitunabhaängigeDiracgleichung kann dann als das folgende Gleichungssystemgeschrieben werden(E ′ − eφ)χ = ⃗σ · (p − eA)φ(E ′ − eφ + 2m)ϕ = ⃗σ · (p − eA)χ .Wegen der Annahmen an E ′ und φ kann die zweite Gleichung nach ϕaufgelöst werden. Einsetzen in die erste Gleichung ergibt die folgendeGleichung für χE ′ χ = H ′ χmitH ′ = eφ + 12m ⃗σ · (p − eA)(1 + E′ − eφ2m )−1 ⃗σ · (p − eA) .


Wir entwickeln(1 + E′ − eφ2m2. DIE DIRAC-GLEICHUNG 69( (E ) ))−1 = (1 + E′ − eφ′ 22m) + O − eφ2mvernachlässigen den Term 2. Ordnung und erhalten, (V.3)H ′ = eφ + 12m (⃗σ · (p − eA))2 + 14m 2⃗σ · (p − eA)(E′ − eφ)⃗σ · (p − eA) .(V.4)Die ersten beiden Terme stellen wegen σ i σ j = δ ij + iɛ ijk σ k gerade denHamiltonoperator der Pauli-Gleichung dar,H Pauli = eφ + 12m (p − eA)2 −e2m ⃗σ · B .(V.5)

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