Schule in ihrer Zeit â Stationen aus hundert Jahren Schulgeschichte
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7Militärische E<strong>in</strong>heiten wurden gegründet, sog. Jugendkompanien, unter dem Kommando vongedienten Lehrkräften. Am 21. Februar 1915 traten drei Kompanien auf dem Schulhof derSchillerstraße an, um e<strong>in</strong> Treuegelöbnis abzulegen. „Wir treten zum Beten vor Gott denGerechten“, sangen die Schüler zu Anfang der Feierstunde. E<strong>in</strong> Parademarsch und dasgeme<strong>in</strong>same Lied „Ich hab mich ergeben mit Herz und mit Hand“ schlossen die Feier ab. DreiLehrer der <strong>Schule</strong> sollten im Weltkrieg fallen. Über Kriegstote unter den Absolventen der<strong>Schule</strong> schweigt die Überlieferung. 1937 sollte e<strong>in</strong>e Orgel im Schulgebäude e<strong>in</strong>geweihtwerden, auf deren Orgelpfeifen die Namen der Gefallenen des Ersten Weltkrieges e<strong>in</strong>graviertwaren.1924: Der Weltkrieg war verloren, die Hyper<strong>in</strong>flation des Jahres 1923 hatte die Geldvermögennahezu vollständig vernichtet, Reparationen lasteten auf e<strong>in</strong>em Land, das sich 1924trotzdem <strong>in</strong> relativer politischer Stabilität zu entwickeln schien und zunehmend <strong>in</strong>ternationaleAnerkennung gewann. E<strong>in</strong> obskurer Parteiführer namens Adolf Hitler verzeichnete se<strong>in</strong>eersten Anfangserfolge. Nicht ernst zu nehmen, befand die politische Öffentlichkeit. Sie solltesich täuschen. Alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> das 1924 geschriebene Werk „Me<strong>in</strong> Kampf“ hätte geholfen,zu erkennen, wes Geistes K<strong>in</strong>d dieser Mann war. Aber wer las schon solche Bücher?Die Lehrer des Realgymnasiums führten seit 1918 die Amtsbezeichnung „Studienrat“. Ausden „Schuldienern“ der <strong>Zeit</strong> der Monarchie waren <strong>in</strong> der Weimarer Republik „H<strong>aus</strong>meister“geworden: Abschied vom Untertanengeist auch <strong>in</strong> den Amtsbezeichnungen. Die Sprachenfolgemit Englisch ab Klasse 5, Late<strong>in</strong> ab Klasse 8 und Französisch ab Klasse 10 war derheutigen schon recht ähnlich. Freilich war auch dies nur e<strong>in</strong>e Zwischenstation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kettenahezu endloser Schulreformen bis <strong>in</strong> unsere unmittelbare Gegenwart h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. 1925 schonwurde <strong>aus</strong> dem Realgymnasium e<strong>in</strong> Reform-Realgymnasium, <strong>in</strong> dem das Late<strong>in</strong> an Bedeutungverlor, die neuen Sprachen aufgewertet wurden, und <strong>in</strong> dessen Oberrealschule seit 1926e<strong>in</strong>e Vorform des mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweiges späterer Gymnasien entstand.Die preußische Schulreform der zwanziger Jahre war e<strong>in</strong>er der vielen Versuche, auf dieimmer wieder neuen Anforderungen der modernen Gesellschaft zu reagieren. Und schon <strong>in</strong>jenen <strong>Jahren</strong> merkte man, dass sich diese Anforderungen schneller veränderten, als dieReformen wirken konnten. Dieses Problem hat sich bis heute nicht lösen lassen: Schulreformens<strong>in</strong>d immer Reaktionen gewesen und oftmals überstürzt, hektisch, bisweilen auchunüberlegt vorgenommen worden oder ohne dass man die Auswirkungen der vorangegangenenReformschritte abgewartet hätte.