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Neu aufgetauchte - Tschaikowsky-Gesellschaft.de

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<strong>Neu</strong> <strong>aufgetauchte</strong> Briefe Čajkovskijs an Raïssa Boulanger, Adèle Bohomoletz und Eugène d’EichthalHier lesen wir auch Anna Kar[enina]. Dieser L. Tolstoj ist ein erstaunlicher Mensch. Wie er sich in <strong>de</strong>rmenschlichen Seele auskennt, und wie er zu beschreiben weiß! Ich liebe ihn ungemein als Schriftsteller.Wir hatten seit langem gedacht, er wür<strong>de</strong> schließlich <strong>de</strong>n Verstand verlieren. Er hat ja in letzter Zeitbloß religiösen Krimskrams geschrieben. Man sagt, er habe seine früheren Werke verbrannt und damitangefangen, Schuhe herzustellen. Die Übersetzung von Anna Kar[enina] ist gut, nur hat er <strong>de</strong>n Romannicht selber übersetzt – das hat Mme Bohomoletz gemacht, eine gute Bekannte von uns, die Tochter <strong>de</strong>sMoskauer Weinhändlers Depret. 49Die Herausgeber dieses Briefes von „Tata“ Gercen haben darauf hingewiesen, dass dieRolle <strong>de</strong>r Frau Bohomoletz als Übersetzerin Tolstojs durch ein weiteres Dokument belegtwird – nämlich durch einen Brief <strong>de</strong>n sie, Frau Bohomoletz, am 24. Februar / 8. März 1895an <strong>de</strong>n großen Schriftsteller selbst richtete, in <strong>de</strong>m sie ihn fragte, welche an<strong>de</strong>re Werke vonihm sie übersetzen könnte. 50 Ob Tolstoj auf diesen Brief antwortete, ist ungewiss. 51 In <strong>de</strong>nAusgaben von Tolstojs Korrespon<strong>de</strong>nz, die bisher erschienen sind, kommt je<strong>de</strong>nfalls FrauBohomoletz nicht unter seinen Adressaten vor. Frau Dr. Natal’ja Generalova vom Puškinskijdom, mit <strong>de</strong>r wir dieses Thema besprochen haben, sagte uns, sie könne sich sehr gutvorstellen, Turgenev habe noch vor seinem To<strong>de</strong> Frau Bohomoletz dazu ermuntert, AnnaKarenina ins Französische zu übertragen, <strong>de</strong>nn das wür<strong>de</strong> gut zu seiner selbstlosen undtatkräftigen „Propaganda“ <strong>de</strong>r Werke Tolstojs in Frankreich passen – wie er es z. B. bei <strong>de</strong>rihn nicht ganz zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong>n Übersetzung von Krieg und Frie<strong>de</strong>n tat, in<strong>de</strong>m er seinenfranzösischen Kollegen Exemplare <strong>de</strong>r Hachette-Ausgabe mit <strong>de</strong>r Bitte zuschickte, siemöchten <strong>de</strong>n Roman rezensieren. Insgesamt verdient diese für die Rezeptionsgeschichte<strong>de</strong>r russischen Literatur in Frankreich be<strong>de</strong>utungsvolle Episo<strong>de</strong> noch eine eingehen<strong>de</strong>reUntersuchung, die aber <strong>de</strong>n hier gegebenen Rahmen sprengen wür<strong>de</strong>.Was nun Čajkovskij betrifft, so scheint er von <strong>de</strong>m Beitrag <strong>de</strong>r Frau Bohomoletz zurVerbreitung eines <strong>de</strong>r Hauptwerke <strong>de</strong>s von ihm neben Puškin am meisten verehrtenrussischen Schriftstellers in Frankreich nichts geahnt zu haben, <strong>de</strong>nn sonst hätte er diesenUmstand sicherlich in seinen Briefen an Mo<strong>de</strong>st, <strong>de</strong>r ebenfalls ein Bewun<strong>de</strong>rer Tolstojswar, o<strong>de</strong>r in seinem Tagebuch während <strong>de</strong>s Sommers 1886 erwähnt. Gleichwohl hatte erkurz vor seiner Anreise in Paris einen Artikel <strong>de</strong>s be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Kritikers Francisque Sarcey(1827–1899) über Tolstoj gelesen, <strong>de</strong>r einige diesbezügliche Hinweise enthielt. Hier zuerst<strong>de</strong>r Eintrag, <strong>de</strong>n er in Tiflis am 2. / 14. April 1886 in sein Tagebuch schrieb:49 „Мы тоже здесь читаем «Анну Кар[енину]» – удивительный человек этот Л. Толстой. Как он знаетчеловеческую душу, – и как описывает. Я его ужасно люблю как автора. – Мы давно уже думали, чтоон кончит тем, что с ума сойдет. Ведь он под конец только религиозную чепуху писал. – Сжигал своипрежние работы и стал сапоги шить, говорят. – Перевод «Анны Кар[ениной]» хорош, но только это неон сам переводил, а M-me Богомолец, хорошая наша знакомая, дочь виноторговца Dépret в Москве.“Brief vom 18. / 30. September 1885 an Marija Rejchel’ in: Pis’ma Taty Gercen M. K. Rejchel’, hrsg. vonS. D. Liščiner und I. G. Ptuškina, in: Literaturnoe nasledstvo, Moskau 1997, Bd. 99 ( Gercen i Ogarev vkrugu rodnych i druzej), 2. Teilband, S. 493–533 (500).50 Ebenda, S. 500.51 Es ist aber anzunehmen, dass Tolstoj auf diesen Brief doch nicht geantwortet hat, <strong>de</strong>nn auf <strong>de</strong>m Umschlagsteht folgen<strong>de</strong>r Vermerk: „unbeantwortet“ («Б[ез] О[твета]»), wie aus einer kurzen Beschreibung <strong>de</strong>sBriefes, die uns Ljudmila Gladkova vom Institut mirovoj literatury (IMLI) in Moskau freundlicherweisemitgeteilt hat, hervorgeht. Frau Gladkovas Zusammenfassung sei hier weiter zitiert: „Übersetzerin. ErinnertTolstoj daran, dass er ihr Arbeit versprochen hatte. Übersen<strong>de</strong>t ihm einen kleinen Band mit Übersetzungenaus <strong>de</strong>m Russischen und Schwedischen über Kovalevskaja [die be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> russische Mathematikerin Sof’jaKovalevskaja (1850 –1891), die 1884 nach Stockholm berufen wur<strong>de</strong>]. Sie habe vor, im Sommer nachRussland zu reisen. Da ihr Name Tolstoj vielleicht nichts sage, fügt sie hinzu, erinnere sie ihn daran, dass sieAnna Karenina übersetzt hatte.“142

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