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Newsletter 23 / Juli 2012 - Buchalik Brömmekamp

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<strong>Juli</strong> <strong>2012</strong>N e w s l e t t e rEDITORIALINHALTEditorial 1Schutzschirmverfahren versusvorläufige Eigenverwaltung oder„Wie erkläre ich es meinenGläubigern?“ 2Sanierungshilfe durchSitzverlegung? – Forum Shoppingin Deutschland 5Praktische Erfahrungen mitder vorläufigen Eigenverwaltungnach § 270a InsO (Teil 1) 7Beteiligte bewertenESUG positiv 9Integrierte Finanzplanung 10Nachhaltig erfolgreich: Controllerals Business Partner – Ein Berichtvom 37. Controller Congressin München 11IDW ES 9 – AusreichenderStandard für die Bescheinigungnach § 270b InsO? 12Zum Steuererlass aus Billigkeitsgründenbei Sanierungsgewinnen –Anmerkung zum Beschlussdes BFH vom 28.2.<strong>2012</strong> –VIII R 2/08 14Aktuelles 16Sehr geehrte Geschäftsfreunde,Die neue Insolvenzordnung (ESUG) hat einenBlitzstart hinter sich. Vier Monate nachInkrafttreten der Reform hat die Anzahl derUnternehmen, die den Weg durch die Insolvenzüber ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltungnutzen, deutlich zugenommen.Diese Akzeptanz hat selbst Expertenüberrascht. Gleichwohl versuchen immernoch – wenn auch wenige – Gerichte, dieInsolvenzordnung nicht im Sinne einer eigenverantwortlichenUnternehmensfortführungauszulegen. Die unterschiedlicheRechtsauslegung der Insolvenzgerichteschafft manchmal wieder die alte Unsicherheit,die sich aber im Regelfall durch vorausschauendesHandeln bei der Vorbereitung,insbesondere einer Vorbesprechung mitdem Insolvenzgericht, vermeiden lässt.Unsere ersten praktischen Erfahrungenunterstreichen das. So führen wir derzeitzwei Planinsolvenzen nach § 270a InsO(vorläufige Eigenverwaltung) bei der Karlshüttein Bünde und bei einem Internetportalsowie zwei Schutzschirmverfahrennach § 270b InsO (ein Großhändler und einFilialist mit 400 Mitarbeitern) durch. Außerdembegleiten wir einen größeren Aluminiumproduzentenim vorläufigen Gläubigerausschuss.Die eindeutige Erkenntnisaus allen Verfahren ist: Die professionelleVorbereitung ist der Garant für eine erfolgreicheEinleitung des Verfahrens. Und dieInsolvenzantragstellung nach neuemRecht ist sehr komplex geworden. Schoneinfache Fehler können zur Ablehnung desAntrags oder zur Verfahrensverzögerungund damit zur Gefährdung des angestrebtenZieles führen.Obwohl der Fokus der Aufmerksamkeit derzeitauf dem neuen Rechtsrahmen liegt,darf nicht vergessen werden, dass das vorrangigeZiel der Insolvenz die betriebs- undleistungswirtschaftliche Sanierung einesmarktfähigen Unternehmens ist. Umso kritischersehen wir den Vorstoß der Musterbescheinigungnach IDW ES 9. WesentlichenGrundsätzen zur Beurteilung derWettbewerbsfähigkeit wird in diesem Entwurfnicht hinreichend Rechnung getragen,denn der Sanierungserfolg wird lediglichanhand einer „Pulsmessung“ prognostiziert.Es muss jedoch beurteilt werden, obein Unternehmen mit seinem Leistungsangebotnachhaltig Erfolg haben kann. Dieserfordert ein „Röntgenbild“. Eine integrierteSanierungsplanung muss darüber hinausrealistische Sanierungsmaßnahmen enthalten,die in sich schlüssig und konkret bewertetsind. Eine fundierte juristische Betrachtungdes Sanierungsszenarios rundetdas Bild ab. Die interdisziplinäre Zusammenarbeitder Unternehmensberatung mbb[consult] und der bb [sozietät] trägt diesemAnsinnen Rechnung.IhrBozidar RadnerGeschäftsführender Gesellschafter


Schutzschirmverfahren versus vorläufige Eigenverwaltung oder„Wie erkläre ich es meinen Gläubigern?“Das ESUG, das neue Gesetz zur weiteren Erleichterungder Sanierung von Unternehmen, findet die erwartethohe Akzeptanz. Zwar ist mangels Veröffentlichungendie Zahl der in Gang gesetzten Verfahrenunter der Geltung des neuen Rechts nicht statistischerfasst, gleichwohl ist allein aus den Presseveröffentlichungenablesbar, dass die Zahl der Planinsolvenzverfahrenin vorläufiger Eigenverwaltung deutlichangestiegen ist. Ablehnungen durch die Gerichtesind meist auf unprofessionelle Vorbereitung desVerfahrens zurückzuführen.Schuldnerseitig wird regelmäßig der Wunsch geäußert, ein„Schutzschirmverfahren“ einzuleiten. Das ESUG wird vomInsolvenzlaien sogar unmittelbar mit diesem Begriff identifiziert,die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270a InsOist dagegen kaum bekannt. Hintergrund des Wunschesnach einem Schutzschirmverfahren ist die Begrifflichkeit,denn damit wird nach außen suggeriert, dass man sicheben nicht in einem Insolvenzverfahren befindet. Wenigbeachtet wird dabei, dass die Vorteile gegenüber einemVerfahren nach § 270a InsO begrenzt, die Nachteile abernicht zu vernachlässigen sind.Das Schutzschirmverfahren ist ein SanierungsverfahrenDas Schutzschirmverfahren ist in erster Linie ein eigenständigesSanierungsverfahren unter Insolvenzschutz. Es istaber kein Insolvenzeröffnungsverfahren im klassischen Sinne,sondern ein Verfahren sui generis, auch wenn wie beimVerfahren nach § 270a InsO ein Antrag auf Eröffnung einesInsolvenzverfahrens gestellt wird. Dies ist aber schon deshalbzwingend, weil ansonsten der angestrebte Schutz desgerichtlichen Verfahrens nicht erreicht werden kann. Mitdem Schutzschirm nach § 270b InsO wird Personen undUnternehmen erstmals ein Verfahren zur Verfügung gestellt,bei dem der Schuldner unter dem Schutz der Insolvenzordnungeine Sanierung vorbereiten kann, in dem er aber sonstfrei von typischen insolvenzrechtlichen Beschränkungen ist,denn er soll ja gerade seiner laufenden Geschäftstätigkeitweiter nachgehen können.Unterschiede zwischen Schutzschirmverfahrenund vorläufiger EigenverwaltungMit der vorgezogenen Eigenverwaltung, bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren,führt das ESUG eine Neuerung ein.Auch das Schutzschirmverfahren ist zunächst eine vorläufigeEigenverwaltung, wie auch das Verfahren nach § 270a InsO.Letzteres wird aber häufig mit dem Schutzschirmverfahrengleichgesetzt. Zwischen beiden Verfahren bestehen jedochgravierende Unterschiede.Schon vor dem 1. März <strong>2012</strong> war es möglich, einen Antrag aufEigenverwaltung zu stellen. Auch danach war der Schuldner berechtigt,unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmassezu verwalten und über sie zu verfügen. Die Eigenverwaltungwurde jedoch erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens vomGericht angeordnet. Allerdings war die Anordnung durch dasInsolvenzgericht keineswegs sicher, vielmehr war dies bis zurEröffnung äußerst ungewiss und nicht selten eine Zitterpartie.Weil das Schutzschirmverfahren in erster Linie ein Sanierungsverfahrenund kein Insolvenzeröffnungsverfahren ist, istdas Ziel des Schutzschirmverfahrens deshalb auch nichtzwingend die gleichwohl beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens.Bis zur Eröffnung kann der Antrag zurückgenommenwerden, wenn innerhalb der maximal drei Monate bis zurVorlage eines Insolvenzplanes keine Antragspflicht eingetretenist. Das macht insbesondere dann Sinn, wenn es schonunter dem Schutzschirm gelingt, sich mit den Gläubigern aufein Sanierungskonzept zu einigen und z. B. das Insolvenzgeldkeine Rolle spielt. Hintergrund für ein Schutzschirmverfahrenkann auch die Disziplinierung von Gläubigern sein (insbesondereNachranggläubigern). Die Eintrittshürden in das Schutzschirmverfahrensind gegenüber einer vorläufigen Eigenverwaltungnach § 270a InsO deutlich höher, dafür ist dasSchutzschirmverfahren aber auch mit wesentlich weitergehendenRechten für den Insolvenzschuldner verbunden.In beiden Verfahren kommt es zur Bestellung eines vorläufigenSachwalters und in beiden Verfahren verbleibt die Verwaltungs-und Verfügungsbefugnis beim Insolvenzschuldner.Beim Schutzschirmverfahren muss das Gericht dem Schuldnerauf Antrag die Befugnis zur Eingehung von Masseverbind­2


<strong>Newsletter</strong> 07/<strong>2012</strong>lichkeiten in unbegrenztem Umfang einräumen, beim Verfahrennach § 270a InsO ist dies nur bei ausdrücklicherEinzelermächtigung durch das Gericht zulässig. Die Praxisbehilft sich mit vom Gericht zu erteilenden Rahmenermächtigungen,innerhalb derer das Eingehen von Masseverbindlichkeitenerlaubt ist. Das Gericht wird diese Rahmenermächtigungregelmäßig erteilen, eine Verpflichtung dazu bestehtjedoch nicht. Die meisten Gerichte sind einem entsprechendenAntrag des Insolvenzschuldners, soweit erkennbar, bislanggefolgt. Lediglich das Amtsgericht Hamburg scheintsich dem zu verweigern (siehe hierzu den Beitrag von HerrnProf. Haarmeyer auf Seite 6). Während beim Schutzschirmverfahrendem Schuldner auf Antrag Vollstreckungsschutz zugewähren ist, wird das Gericht einem solchen Ansinnen im§ 270a InsO Verfahren im Regelfall (jedenfalls bei schlüssigerBegründung) folgen, denn Sinn und Zweck ist es im vorläufigenInsolvenzverfahren, dass Gläubiger nicht während desVerfahrens in die Insolvenzmasse vollstrecken. Eine Verpflichtungzur Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen seitensdes Gerichtes besteht allerdings ebenfalls nicht.Beim Schutzschirmverfahren hat der Insolvenzschuldner eineigenes Vorschlagsrecht im Hinblick auf die Person desSachwalters, nicht so beim Verfahren nach § 270a InsO.Allerdings kann er bei Vorlage eines einstimmigen Beschlussesdes vorläufigen Gläubigerausschusses das Gericht ingleicher Weise dazu „verpflichten“, den vom vorläufigenGläubigerausschuss und damit im Regelfall von ihm selbstgewünschten vorläufigen Sachwalter zu bestellen. Regelmäßigsollte der Schuldner nämlich das Verfahren so vorbereiten,dass er den vorläufigen Sachwalter mit aussucht, mitdiesem Vorgespräche führt und ihn dem vorläufigen Gläubigerausschussvorschlägt. Bei guter Argumentation ist dieZustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses und desInsolvenzgerichtes sehr wahrscheinlich.Hohe Anforderungen an die Anordnung einesSchutzschirmverfahrenswww.mbbconsult.de & www.bb-soz.deDie weitergehenden Rechte des Insolvenzschuldners im Schutzschirmverfahrenführen zu deutlich höheren Anforderungen andie Anordnung durch das Insolvenzgericht. So hängt die Anordnunginsbesondere von der Vorlage einer mit Gründen versehenenBescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenenRechtsanwaltes, Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters ab,aus der sich ergibt, dass zwar drohende Zahlungsunfähigkeit,aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebteSanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.Diese Bescheinigung kann im Einzelfall eine (zu) hohe Hürdesein, die bei einigen Verfahren schon zur Ablehnung der Anordnungdurch das Insolvenzgericht führte. Die Anforderungenan den Inhalt der Bescheinigung sind unklar und vomGesetzgeber nicht ausreichend definiert. Darüber hinauskann die Verpflichtung zur Vorlage der Bescheinigung zu erheblichenVerfahrensverzögerungen führen. So hat das AmtsgerichtMünchen (1507 IN 1125/12) die Anordnung desSchutzschirmverfahrens abgelehnt, weil Sanierungsberaterund Bescheiniger personenidentisch waren. Es hat den§ 270b Abs. 2 Satz 1 InsO analog angewandt, ohne kritischzu würdigen, dass sich diese Vorschrift auf die Personenidentitätvon vorläufigem Sachwalter und Aussteller bezieht unddabei lediglich auf eine Literaturstelle verwiesen, ohne sichmit der Gegenansicht zu befassen. Es ist deshalb hochriskant,wenn, wie vorstehend beschrieben, verfahren wird. Vielmehrsollte auf jeden Fall ein neutraler Bescheiniger eingeschaltetwerden, was zu erhöhten Kosten und einer nicht unerheblichenVerfahrensverzögerung führen kann. In gleicher Weisesteht zu erwarten, dass in Einzelfällen die Gerichte die Bescheinigungbei Insolvenzantragstellung von dritter Seiteprüfen lassen. Diese Prüfung kann sich lange hinziehen, wennder Bescheiniger seine Tätigkeit ernst nimmt, zumal die Anforderungennicht ausreichend definiert sind. Bis zur Vorlageder Bescheinigung kommt es nicht zur Anordnung des Schutzschirmverfahrensund damit zu erheblichen Störungen imgeplanten Ablauf. Einfacher ist es, von Beginn an den Wegüber die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270a InsO zuwählen, denn dieser Weg führt letztendlich – rechtssichererund im Regelfall schneller – zum gleichen Ziel.Schwierige Vorfinanzierung von InsolvenzgeldMit dem Schutzschirmverfahren können weitere Schwierigkeitenverbunden sein, wie z. B. eine erschwerte Insolvenz­3


<strong>Newsletter</strong> 07/<strong>2012</strong>Sanierungshilfe durch Sitzverlegung?– Forum Shopping in DeutschlandDiese Überschrift mag Sie verwirren. Das ist verständlich,denn normalerweise kennen wir es nur so, dassin unserem Rechtsstaat alles klar geregelt ist. Ist zumBeispiel ein Unternehmen insolvent, richtet sich dieörtliche Zuständigkeit, wie bei allen juristischen Personengemäß § 17 ZPO nach ihrem Sitz, also dem imHandelsregister eingetragenen Ort. Es kommt allerdingsauch vor, dass eine Gesellschaft kurz vor einerInsolvenzantragstellung ihren Sitz verlegt und infolgedessennun ein anderes Gericht für die Insolvenz zuständigist. Dies geschieht zuweilen aus unlauterenMotiven (Stichwort „Firmenbestattung“). Manchmal habendie Gründe jedoch einen ganz seriösen und nachvollziehbarenHintergrund. Dieser Wechsel der Zuständigkeitenist das „Forum Shopping“.Der Begriff des Forum Shoppings ist in Deutschland im Rahmender Verbraucherinsolvenz und der Insolvenz von Selbständigenbekannt geworden: Einige Insolvenzschuldner versuchen,durch die Verlegung ihres Wohnsitzes oder Umsiedlungihrer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedsstaat der EU einefür sich günstigere Insolvenzordnung und einen schnellerenWeg zu einer Restschuldbefreiung zur Anwendung zu bringen.Dass sich das lohnen könnte, beweist unser NachbarlandFrankreich. Dort besteht die Möglichkeit, bereits nach acht bisachtzehn Monaten eine Restschuldbefreiung zu bekommen,während hierzulande die Restschuldbefreiungszeit sechs Jahrebeträgt. Der Begriff des Forum Shoppings ist vor diesemHintergrund allerdings weitgehend negativ geprägt, behandelter doch Konstellationen, in denen scheinbar manipulativ dieZuständigkeit eines Gerichtes „erschlichen“ wird.Krisenunternehmen gingen nach Delawarewww.mbbconsult.de & www.bb-soz.deEs gibt empirische Belege dafür, dass signifikant viele Unternehmenden kleinen Staat Delaware an der US-Ostküste alsInsolvenzstandort zur Durchführung größerer Sanierungsverfahrenausgewählt haben. Vor allem in den 90er-Jahren dominierteDelaware das Feld der großen amerikanischen Sanierungsverfahrenmit einem Anteil von 86 Prozent. DieErklärung ist einfach: Obwohl in allen US-Bundesstaatendasselbe Insolvenzrecht gilt, ist Delaware für seine außerordentlichsanierungsfreundliche Handhabung dieses Rechtsbekannt geworden. Delaware bestach durch die Schnelligkeitder Eröffnung, die Expertise des Gerichts und durch die kurzeDauer des Verfahrens. So hat das US-Insolvenzgerichtdarüber zu befinden, ob das amtierende Management auchwährend der Sanierung im Amt bleibt oder durch einen Insolvenzverwalterersetzt wird (§ 1104 Bankruptcy Code), obund inwieweit dem Schuldner während der Sanierung erlaubtwird, neue Kredite aufzunehmen (§ 365 Bankruptcy Code),inwieweit Ansprüche vorrangig als Verwaltungskosten befriedigtwerden dürfen (§ 503 Bankruptcy Code) oder unterwelchen Voraussetzungen ein Insolvenzplan bestätigt wird(§ 1129 Bankruptcy Code). Diese Parameter können für Management,Schuldner bzw. Gesellschafter und Gläubiger vonentscheidender Bedeutung sein.Auch in Deutschland gibt es trotz einheitlicher Insolvenzordnungdiese „kleinen“ Unterschiede. Sie sind mit dem Inkrafttretendes Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung vonUnternehmen (ESUG) gerade für Unternehmen in der Krisevon großer, ja fast von existenzieller Bedeutung geworden.Es gibt viele Gerichte, die diesem neuen Recht aufgeschlossenund positiv gegenüberstehen. Andere jedoch nehmenden Machtverlust nicht hin und versuchen, einem Einflussdes Schuldners und der Gläubiger entgegenzuwirken. Sieverhindern die sofortige Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses,setzen sich über das Mitbestimmungsrechtder Gläubiger bei der Auswahl des Insolvenzverwaltershinweg oder lassen schlicht wichtige Zeit durch Nichtstunverstreichen, was für jede Sanierung unter Insolvenzschutzein bedrohliches Szenario darstellt.Ein rechtsvergleichender Blick in die USA kann vor diesemHintergrund lohnenswert sein. Allerdings ist noch nicht geklärt,ob in Deutschland überhaupt die Möglichkeit und derAnreiz für ein rein innerstaatliches Forum Shopping bestehtund wo das deutsche Delaware liegt.Kann also z. B. der Insolvenzstandort Düsseldorf für ein Unternehmenin der Krise Vorzüge bringen? Oder allgemeiner:Was für ein Interesse haben die Beteiligten (Schuldner, Gläubiger,Insolvenzverwalter, Richter etc.) an der Eröffnung desInsolvenzverfahrens an einem bestimmten Insolvenzgericht?5


Die Antwort liegt im „gelebten“ Recht und da sind die Unterschiedegroß und machen vielfach auch die positive oder dienegative „Einstellung“ eines Gerichtes deutlich.So hat das AG München einem über Jahrzehnte erfahrenenInsolvenzverwalter die Qualifikation als sogenanntem Bescheinigerfür die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmensmit der Begründung versagt, er habe sich seit einigen Jahrenaus der Verwaltertätigkeit zurückgezogen und seither sei dasGesetz mehrfach geändert worden. Während das AG Kölnz. B. die für die Fortführung eines Unternehmens wichtigeFrage der Begründung von Masseverbindlichkeiten durchden eigenverwaltenden Schuldner im Sinne des Gesetzgebersunterstützt, verhält sich das AG Hamburg äußerst restriktivund lehnt dies fast rundweg ab. Das stellt die Fortführungeines Unternehmens durch den gesetzlich bestimmtenEigenverwalter vor fast unlösbare Aufgaben. Das AG Ludwigshafenverweigert die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschussesaufgrund eines Gutachtens, das der durchden Ausschuss zu überwachende vorläufige Verwalter erstellthat. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass der Ausschuss„zu teuer“ sei. Die naheliegende Frage, ob die Mitgliederdes Ausschusses vielleicht auf eine Vergütungverzichten würden oder sich mit einem Fahrtkostenersatzzufrieden geben könnten, wurde nicht in die Überlegungenmit einbezogen.zurückstellt und die Gläubigerinteressen stützt. Scheiterteine professionell geplante Sanierung an dieser Frage, einfachweil sie nicht bedacht worden ist, dann scheitert damitoftmals auch die Sanierung selbst. In einer solchen Konstellationist auch ein prozesstaktisches Verhalten der antragstellendenPartei nicht missbilligenswert, das daran ausgerichtetist, einen Gerichtsstand auszuwählen, an dem für daskonkrete Begehren einer vom Gesetzgeber gewollten undvon ihm ausdrücklich unterstützten Sanierung unter Insolvenzschutzüberwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Dersich dadurch ergebende Wettbewerb der Rechtsanwenderund der Insolvenzgerichte kann für den SanierungsstandortDeutschland nur von Vorteil sein. Die Grenzen hierfür undgegen einen möglichen Missbrauch bildet die InsO als Wettbewerbsordnung.Innerhalb dieser Ordnung ist jedoch weitausmehr möglich, als dies auf den ersten Blick erscheinenmag. Je besser man die Einstellungen der jeweiligen Gerichtekennt, desto schneller wird es auch in Deutschland Insolvenzgerichtegeben, bei denen sich die sanierungsorientiertenUnternehmen in guten Händen wissen.Sanierung braucht Planbarkeit undVerfahrenssicherheitFür eine professionell vorbereitete Sanierung unter demSchutz des Insolvenzrechts ist die zuverlässige Planbarkeitder Umsetzung, des Zeitpunktes der Information der wichtigstenGläubiger, der Öffentlichkeit, der Einreichung desAntrags bei Gericht, der Vorlage eines Plans, der Bestätigungdes Managements etc. von eminenter Bedeutung. DiesePlanbarkeit ist abhängig von der Handhabung des Rechtsdurch das jeweilige Gericht, manchmal sogar durch die desjeweiligen Richters. Dessen Einstellung zum neuen Recht giltes zu erkunden – und zwar so rechtzeitig, dass ggf. im Rahmeneiner kurzfristigen Sitzverlegung die Zuständigkeit einesGerichtes erreicht werden kann, das die EigeninteressenProf. Dr. jur. Hans HaarmeyerDipl.-Bw., Rechtsanwalt, AutorLeitender Direktor des Deutschen Institutsfür angewandtes Insolvenzrecht (DIAI), Direktordes Rheinland-Pfälzischen Zentrums fürInsolvenzrecht und Sanierungspraxis (ZEFIS),Vorstand der GläubigerschutzvereinigungDeutschland e. V. (GSV)Schwerpunkte:Insolvenzrecht und Sanierungsmanagementhans.haarmeyer@t-online.de6


<strong>Newsletter</strong> 07/<strong>2012</strong>Praktische Erfahrungen mit der vorläufigen Eigenverwaltungnach § 270a InsO (Teil 1)Seit dem 1. März <strong>2012</strong> sind die Gestaltungsmöglichkeitenvon Unternehmen zu einer Sanierung im Rahmeneines Insolvenzverfahrens deutlich erweitert worden.So lassen die Regelungen der §§ 270a und 270b InsOdas neu eingeführte Instrumentarium der vorläufigenEigenverwaltung zu. Dabei verantwortet das schuldnerischeUnternehmen selbst sowohl die operative alsauch die insolvenzrechtliche Sanierung. Somit bleibt inder Außendarstellung die Handlungsfähigkeit der Organeregelmäßig erhalten. Erste Erfahrungen aus der Praxiszeigen bereits, dass bei der praktischen Durchführungbei zahlreichen Einzelfragen noch erheblicherKlärungsbedarf für alle Phasen des Verfahrens besteht.Praktische Erfahrungen aus einem Verfahrennach § 270a InsOEinerseits kommt dem vorläufigen Gläubigerausschuss inVerfahren mit einer vorläufigen Eigenverwaltung bekanntermaßeneine Schlüsselrolle zu. Die unverzügliche (mit Antragstellung)und gesetzeskonforme Einrichtung eines vorläufigenGläubigerausschusses ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.Andererseits kollidieren bei den Beteiligten eines vorläufigenGläubigerausschusses divergierende Interessenlagen.So hat zwar das Organ des schuldnerischen Unternehmenserhebliches Interesse an der Einrichtung. Auf der anderenSeite ist jedoch das Organ bei Wissen und/oder Kenntnisvon der Einrichtung eines vorläufigen Gläubigerausschussesgehindert, weitere Bestellungen für den laufenden Geschäftsbetriebauszulösen. Ohne deren Auslösung drohtaber häufig der Stillstand des Geschäftsbetriebs.Ebenso wird ein Lieferant als geeignetes Mitglied für dieGruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger (§ 21Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO verweist auf § 67 Abs. 2 InsO und§§ 69 bis 73 InsO) bei Informationen über den Status desschuldnerischen Unternehmens üblicherweise zunächst einmalsein eigenes Lieferverhalten entsprechend anpassen.Die zuvor genannten Herausforderungen werden in der Praxisim Interesse aller Beteiligten aufgelöst, indem das Kommunikationskonzeptals integrierter Bestandteil einer „Pre­www.mbbconsult.de & www.bb-soz.dePackage-Lösung“ gleichwertig neben betriebswirtschaftliche,insolvenzrechtliche und operative Aspekte tritt.Im Rahmen der verschiedenen vorzubereitenden Anträgedient insbesondere die sogenannte „Einzelermächtigung zurBegründung von Masseverbindlichkeiten“ der Schaffung einesunternehmerischen Gestaltungsspielraums. So kann dieGeschäftsführung im üblichen Geschäftsverkehr weiterhinBestellungen bei Lieferanten durchführen und so den Produktionsbetriebreibungslos aufrechterhalten.Unterschiedliche Auffassungenzur EinzelermächtigungIn der bisherigen Praxis wurde eine „Einzelermächtigung zurBegründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren“bereits regelmäßig für Schuldnererteilt (so AG Köln, Beschl. vom 26.03.<strong>2012</strong>–73 IN 125/12,ZIP <strong>2012</strong>, 788; AG Bielefeld, Beschl. vom 02.04.<strong>2012</strong>–43 IN370/12).Allerdings vertritt das AG Hamburg hier derzeit eine andereAuffassung (AG Hamburg, Beschluss vom Beschluss vom04.04.<strong>2012</strong> – 67g IN 74/12, ZIP <strong>2012</strong>, 787). Danach soll eineEinzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeitenim vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren allein fürden vorläufigen Sachwalter möglich sein. Das AG Hamburgbejaht eine derartige Einzelermächtigung für den Schuldnerallein bei sogenannten „Schutzschirmverfahren“.Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Fragestellungist noch nicht abzusehen. Daher ist es in der Praxis entscheidend,frühzeitig mit dem zuständigen Gericht Kontakt aufzunehmen,um die grundsätzliche Frage und deren Bedeutungfür den reibungslosen Geschäftsfortgang sowie die Frage derangemessenen Höhe der Einzelermächtigung zu besprechen.Zu letzterem Punkt (angemessene Höhe der Einzelermächtigung)sollten dem Gericht Dokumente beigebracht werden,aus denen sich neben dem Bestellobligo der letzten Monatevor Antragstellung auch der nach Antragstellung zu erwartendeUmsatz und die damit verbundenen Kosten ergeben.7


Auch in Fällen, in denen (im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren)dem Schuldner eine Einzelermächtigung zur Begründungvon Masseverbindlichkeiten eingeräumt wird, ist eineproaktive Kommunikation mit den Lieferanten unverzichtbar.Tatsächlich hat sich im Risikomanagement einiger Lieferantendie (irrige) Vorstellung festgesetzt, dass die Unterschrifteines „vorläufigen Insolvenzverwalters oder Sachwalters“unter der Bestellung des schuldnerischen Unternehmensunverzichtbar zur Absicherung der Forderung sei.Faktisch tritt durch die oben genannte Unterschrift neben derHaftung der Masse nur eine weitere persönliche Haftung desvorläufigen Insolvenzverwalters oder Sachwalters ein. DieUnterschrift des Geschäftsführers oder Vorstands einer eigenverwaltendenSchuldnerin gibt praktisch dieselbe Sicherheit.Sofern mit Antragstellung Einzelvertretungsbefugnisse derOrgane durch eine gemeinschaftliche Vertretungsberechtigung(insbesondere des neuen Restrukturierungsorgans)ersetzt werden, kann dies – bei entsprechender Kommunikationgegenüber den Lieferanten – eine zusätzliche vertrauensbildendeMaßnahme sein.D&O-VersicherungSchließlich sollte, rein vorsorglich, ein interner Abstimmungsprozessetabliert werden, bei dem zusätzlich noch dieUnterschrift des vorläufigen Sachwalters für Bestellungeneingeholt wird.Ferner wird regelmäßig vor Antragstellung ein Restrukturierungsorganbestellt. Mit diesem wird üblicherweise eineHaftungsbeschränkung durch Abschluss einer entsprechendenD&O (Directors-and-Officers-Versicherung) vereinbart.Es ist weiterhin üblich, dass die Prämie der D&O-Versicherungdurch das schuldnerische Unternehmen gezahlt wird.Es stellt sich aber die Frage, wann und wie die Prämie bezahltwerden sollte.Der BGH hat in einer ähnlich gelagerten vergleichbaren Fragestellungfestgestellt, dass eine vor Antragstellung (beidrohender Zahlungsunfähigkeit) für den Geschäftsführer aufBasis der Regelungen seines Anstellungsvertrages – gezahlteVersicherungsprämie trotz der als Gegenleistung erhaltenenDienste eine Gläubigerbenachteiligung darstellen kann(BGH Urt. v. 12.01.<strong>2012</strong> – IX ZR 95/11).Insofern erscheint es angebracht, sich für eine derartigePrämienzahlung die Zustimmung des (vorläufigen) Gläubigerausschusseseinzuholen.Dies lässt sich in der Praxis angemessen damit verbinden,dass auch die D&O-Versicherung für die Mitglieder des vorläufigenGläubigerausschusses selbst mit Beschluss desselbenüber eine Masseverbindlichkeit begründet werden sollte.Die zuvor genannten Ausführungen verdeutlichen, wie wichtigdie professionelle Vorbereitung und Begleitung eines schuldnerischenUnternehmens vor einer Antragstellung bzw. imVerfahren sind. Da zahlreiche Fragestellungen noch nicht abschließendrechtlich geklärt sind, muss allein der Haftungsrisikenwegen die aktuelle Rechtsprechung kontinuierlich – inlaufenden sowie neuen Verfahren durch den Berater – beachtetund bei der Gestaltung der Praxis mitberücksichtigt werden.Daneben gilt es, die praktische Durchführung im Rahmen dergesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Insolvenzordnungbestmöglich und fallbezogen auszuüben.Dr. jur. Jochen VogelRechtsanwalt, Associate PartnerSchwerpunkte:Interimsmanagement,Implementierungsmanagement,Restrukturierungsberatung, Insolvenzberatung,Aufsichts- und BeiratstätigkeitProzessanalyse und –optimierungChange ManagementTel. 0211 – 82 89 77 113jochen.vogel@mbbgmbh.de8


<strong>Newsletter</strong> 07/<strong>2012</strong>Beteiligte bewerten ESUG positivDie neue Insolvenzordnung habe gute Aussichten, dieSanierungschancen für Unternehmen zu verbessern,sagen betroffene Unternehmer, Gläubiger und Insolvenzverwalter.Die Gerichte allerdings erwarten steigendeAnforderungen. Das ist das Ergebnis einer aktuellenStudie.Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung vonUnternehmen (ESUG) ist da. Doch was heißt das für dieBeteiligten? Die bb [sozietät] <strong>Buchalik</strong> Brömmekamp undMarkt und Mittelstand-Research haben die Betroffenen imRahmen einer Studie befragt: Während Gerichte steigendeAnforderungen befürchten, erwarten die Gläubiger einedeutliche Veränderung der Sanierungskultur. Die befragtenInsolvenzverwalter sehen bessere Chancen, das Unternehmenzu erhalten.Reaktionen auf die neue GesetzesordnungDas Echo ist überwiegend positiv: Die Sanierung im Schutzdes Insolvenzverfahrens wird durch die gesetzlichen Änderungenfür alle Beteiligten plan- und berechenbarer, lobendie Insolvenzverwalter. Die Gläubiger sehen ihre Positiongestärkt und wollen die ihnen nun zugewiesene aktive Rolleauch annehmen. Aber auch die Schuldner profitieren vonden Neuregelungen: Zum ersten Mal bezieht der Gesetzgeberdie betrieblichen Probleme eines Unternehmens in seineÜberlegungen mit ein und hat mit dem Schutzschirmverfahreneinen starken Anreiz zu einer frühen Insolvenzantragstellunggeschaffen. Leise Kritik äußern einzig die Insolvenzgerichte.Sie befürchten durch die erweiterten Gestaltungs ­möglichkeiten Probleme bei der praktischen Umsetzung derRegelung.Der stärkere Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwaltersund ein erleichterter und bereits in dasEröffnungsverfahren vorverlagerter Zugang zur Eigenverwaltungsind die wichtigsten Bestandteile der Insolvenzrechtsreform.Mehr Flexibilität im Insolvenzverfahren bieten darüberhinaus die stark eingeschränkten Möglichkeiten zurVerhinderung des Insolvenzplans und die Umwandlungenvon Forderungen in Unternehmensanteile (Debt-Equity-www.mbbconsult.de & www.bb-soz.deSwap). Für das Management einer Gesellschaft wird es planbarer,eine Sanierung im Insolvenzverfahren weitgehendselbst zu steuern.Richtige UmsetzungDie Sorgen der Gerichte sind berechtigt, aber bewältigbar:Die praktische Umsetzung der gesetzlichen Neuregelungenerfordert viel Know-how, Fingerspitzengefühl und eine Entscheidungsfindungzum richtigen Zeitpunkt. Die frühzeitigeVorbereitung der Ansprache der wichtigsten Stakeholder istfür eine erfolgreiche Bewältigung des Verfahrens deshalbentscheidend. Wenn dies aber berücksichtigt wird, eröffnetdas neue Insolvenzrecht eine echte zweite Chance, stärktden Wirtschaftsstandort Deutschland und entzieht dem vereinzeltaufgetretenen Ausweichen in andere Rechtssystemedie Grundlage.Die komplette Studie können Sie unter:www.marktundmittelstand.de/studienzum Preis von 38 Euro bestellen.Markus HaaseDipl.-Ing., Leiter PR/MarketingSchwerpunkte: Unternehmenskommunikation,Print und Online Medien, Personalentwicklung,Führungskräfte CoachingTel. 0211 – 82 89 77 168markus.haase@mbbgmbh.de9


Integrierte FinanzplanungTrotz aktuell guter Konjunkturlage herrscht bei vielenmittelständischen Unternehmen eine große Unsicherheithinsichtlich ihrer zukünftigen Geschäftserwartungen.Diese Unsicherheit zwingt die Unternehmen, ihrePlanungen in verstärktem Maße in Szenarien abzubilden.Die zunehmende Komplexität des eigenen Geschäftesund die Unsicherheiten der Konjunkturentwicklungmachen es notwendig, auch die Planung diesen Komplexitätsanforderungenanzupassen und eine IntegrierteFinanzplanung, d.h. eine miteinander eng verzahnte Planungvon GuV, Bilanz und Liquidität durchzuführen.Vorgehensweise in der PlanungDie Integrierte Finanzplanung erfordert einerseits klassischeControlling-Kenntnisse über Planungsprozesse und –inhalte,andererseits auch ein grundlegendes Verständnis der Bilanzierung,um die Auswirkungen der GuV-Planung auf die Bilanzeinschätzen zu können. Traditionell wird zunächst die GuV-Planung durchgeführt. Aus den IST-Zahlen der Bilanz und denPlandaten der GuV-Rechnung ergibt sich eine neue Plan-Bilanz.Dabei sind folgende Interdependenzen zwischen GuVund Bilanz zu beachten:• Einfluss der Abschreibungen auf den Buchwertdes Anlagevermögens,• Auswirkungen einer Umsatzveränderungauf den Forderungsbestand,• Veränderung des Lagerbestandesbei wechselndem Material-/Wareneinsatz,• Veränderung von Verbindlichkeiten aus Lieferungund Leistung durch Schwankungen im Einkauf,• Finanzierungsbedarf bei einer Veränderungdes Geschäftsumfangs.Gleichzeitig gibt es Rückwirkungen der Bilanzplanung auf dieGuV-Rechnung. Beispiele hierfür sind die Auswirkungen einesdurch Investitionstätigkeit erhöhten Anlagevermögens auf dieAbschreibungen oder der Einfluss der Fremdfinanzierung aufden geplanten Zinsaufwand. Die Ergebnisse der GuV-Planungund der Plan-Bilanz müssen dazu in eine Finanzplanung umgesetztwerden. Hierbei ist besonders beachtenswert, dassdie Erlös- und Aufwandsgrößen aus der GuV-Rechnung häufigerst zeitversetzt zahlungswirksam werden. Für eine verlässlicheFinanzplanung müssen daher die durchschnittlichen Zahlungszielefür Debitoren und Kreditoren bekannt sein. Dies giltin gleicher Weise für die Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen,Lohnsteuer und Umsatzsteuer. Neben den aus derGuV-Rechnung generierten Zahlungsströmen sind auch bilanzveränderndeZahlungsströme einzuplanen, also z. B. dieInanspruchnahme von Rückstellungen durch Auszahlungen,Aufnahme bzw. Tilgung von Darlehen oder Veränderungendes Working Capitals. Wurden all diese Hürden erfolgreichüberwunden, so stellt sich als nächstes die Frage, wie diePlanungen bei verschiedenen Szenarien der Geschäftsentwicklungaussehen würden. Spätestens an dieser Stelle stoßendie klassischen Planungsmodelle oft an ihre Grenzen.Rollenbild der PlanerIn der Praxis der Unternehmen scheitert die Integrierte Finanzplanungnicht selten am unterschiedlichen Ausbildungsstand derPlanungsbeteiligten. Der klassische Controller denkt vorwiegendin der GuV-Perspektive und beschäftigt sich nur selten mit derBilanzierung. Im Gegensatz dazu fällt es dem Bilanzbuchhalterhäufig schwer, den zukünftigen Geschäftsverlauf planerisch abzubilden.Diese Unzulänglichkeiten führen oft dazu, dass auf eineBilanzplanung gänzlich verzichtet wird und die Finanzplanung nurauf Basis der GuV-Daten erfolgt und dies mit entsprechend reduzierterAussagekraft. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll,das unternehmenseigene Know-how durch Fortbildung entsprechendauszubauen oder externes Know-how hinzuzuziehen.Die mbb [consult] kann Sie hierbei unterstützen. Mithilfeunserer qualifizierten Berater und einer individuell abgestimmtenSoftware können wir solche integrierten Planungen unddarüber hinaus auch verschiedene Szenarien abbilden. Fürweitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.Rüdiger OymannsDipl.-Kfm.Manager Finance in den CompetenceCentern Restrukturierung und ControllingSchwerpunkte: Integrierte Finanzplanung, auch imRahmen von Sanierungskonzepten nach IDW S 6Tel. 0211 – 82 89 77 129ruediger.oymanns@mbbgmbh.de10


<strong>Newsletter</strong> 07/<strong>2012</strong>Nachhaltig erfolgreich: Controller als Business Partner –Ein Bericht vom 37. Controller Congress in MünchenController müssen ihre Rolle überdenken. Anstatt reinerZahlenverwerter werden sie als strategische Berater undkritische Sparringspartner die Veränderungsprozesse imUnternehmen begleiten. Auf dem 37. Congress der Controllerwurde das neue Controllerbild vorgestellt.Unternehmenssteuerung von morgenProf. Dr. Losbichler (stv. Vorsitzender des ICV) zeigte auf, dassbereits vor 30 Jahren auf eine zunehmende Dynamik und Komplexitätin der Wirtschaft hingewiesen wurde. Allerdings ist imletzten Jahrzehnt die Volatilität an den Aktien- und Rohstoffmärkten,aber auch an den etablierten Produktmärkten, deutlichangestiegen. Produktzyklen verkürzen sich. Marktanteileund -positionen verändern sich deutlich. Strategische Versäumnissesind kaum zu korrigieren. Wie können Unternehmenangesichts der gestiegenen Volatilität erfolgreich sein?Wie kann das Controlling bei komplexen Entscheidungen unterstützen?Das Controlling muss frühzeitig Entwicklungenerkennen und das Unternehmen auf diese vorbereiten (sieheauch <strong>Newsletter</strong> 04/April <strong>2012</strong>).Beschaffungsprozesse steuernDurch ein integriertes Risikomanagement kann frühzeitig einAusfall von Lieferanten vermieden und die Verfügbarkeit vonRohstoffen sichergestellt werden. Mit Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit,Schadenshöhe und Reparaturdauer werdendie Risiken identifiziert, die angegangen werden müssen. Dieaufgrund des Wachstums der Weltbevölkerung auch weiterhinsteigenden Rohstoffpreise fordern die Unternehmen heraus. MitWeitergabe der Preissteigerungen an die Kunden, Steigerungder Produktivität und Innovationen können negative Effekteabgefangen werden. Indes erhöhen anziehende Rohstoffpreisedie Nachfrage nach innovativen, rohstoffsparenden Produkten.Wettbewerbsfähigkeit steuernUm die Wettbewerbsfähigkeit zumindest zu erhalten, müssenUnternehmen immer wieder Wettbewerbsvorteile aufbauen,www.mbbconsult.de & www.bb-soz.dehalten und weiterentwickeln. Voraussetzungen sind eineentsprechende Unternehmens-/Innovationskultur und dieregelmäßige Weiterentwicklung der Strategie. Zunächst wirdfestgelegt, welche Märkte und Kunden für das Unternehmenattraktiv sind. Es wird analysiert, welcher Wettbewerb zuerwarten ist und wie sich die Wettbewerber entwickeln. Danacherfolgt die Analyse des eigenen Unternehmens. Hieraufaufbauend werden Handlungsoptionen für das Unternehmenentwickelt und bewertet.Controller als Business PartnerIn mehreren Vorträgen wurde zudem die sich ändernde Rolleder Controller als Business Partner des Managements thematisiert.Die Beschäftigung mit Finanzen reicht nicht aus. Controllermüssen bereichsübergreifend optimiertes Handeln fördern.Der Fokus der Controller verlagert sich von Daten-Reportingund Analyse auf Entscheidungsunterstützung. Controller erfolgreicherUnternehmen arbeiten verstärkt in den Rollen strategischerBerater, proaktiver Steuerer und Maßnahmen-/Veränderungsmanager.Controller sind Teil des Managementteams, aberauch kritischer Sparringspartner. Sie betrachten nicht nur daseigene Unternehmen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette(vor- und nachgelagerte Produktionsstufen).Manager Finance der mbb [consult] sind aktive Mitgliederdes Controllervereins und unterstützen Sie gerne in der Weiterentwicklungder Unternehmenssteuerung. Um zielgerichtetdas Controlling in einem Unternehmen weiterzuentwickeln,bietet die mbb [consult] einen Controlling-Workshopan, mit dem zunächst der aktuelle Status des Controllingsermittelt und anschließend unternehmensindividuell Handlungsmöglichkeitenaufgezeigt werden.Hartmut IbershoffDipl.-Kfm., Dipl.-Volksw.Manager Finance in den CompetenceCentern Wertemanagement und ControllingSchwerpunkte: Planung, Projekt-Controlling,Reportings, KonzepteTel. 0211 – 82 89 77 167hartmut.ibershoff@mbbgmbh.de11


IDW ES 9 – Ausreichender Standard für die Bescheinigungnach § 270b InsO?Die „Eintrittskarte“ in das neue Schutzschirmverfahrenist die Bescheinigung nach § 270b InsO. Der FachausschussSanierung und Insolvenz (FAS) des IDW hat am21.02.<strong>2012</strong> den Entwurf „Bescheinigung nach § 270bInsO (IDW ES 9)“ verabschiedet. Dieser Standard wirdden hohen Anforderungen an den mit der Bescheinigungbeauftragten Berater, an den Umfang der durchzuführendenTätigkeiten sowie an den Inhalt der Bescheinigungnicht gerecht.1. Anforderungen an die Person des BescheinigersIn fachlicher Hinsicht verlangt § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO, dassdie Person des Bescheinigers „in Insolvenzsachen erfahren“sein muss. Bei diesem Tatbestandsmerkmal handelt es sichentgegen den Ausführungen des IDW nicht um einen lapidaren„Zusatz“, vielmehr ist die Insolvenzerfahrenheit das zentraleKriterium. Seine insolvenzrechtliche Erfahrung sollte derAussteller der Bescheinigung durch folgende Kriterien demGericht gegenüber nachweisen: Auflistung entsprechenderMandate, Listung bei Insolvenzgerichten, Mitgliedschaften inFachgremien, Fortbildungen im insolvenzrechtlichen Bereich,einschlägige Veröffentlichungen etc..Da nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO in der Bescheinigung auchdie Sanierungschancen beurteilt werden müssen, hat diePerson des Bescheinigers darüber hinaus über fundierte betriebswirtschaftlicheSanierungskompetenz zu verfügen. DenNachweis seiner Sanierungskompetenz kann der Berufsträgeram besten durch eine Auflistung einer angemessenen Zahleinschlägiger Mandate (insbesondere verfasste Insolvenzpläne,erstellte Sanierungsgutachten nach IDW S 6) erbringen.Nur natürliche Personen können Aussteller der Bescheinigungsein, was vom IDW verkannt wird.2. Anforderungen an den Inhalt der BescheinigungInhaltlich muss sich aus der mit Gründen versehenen Bescheinigungergeben, dass drohende Zahlungsunfähigkeitoder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegtund die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.a) InsolvenzgrundNeben der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) kanndie Bescheinigung auch auf den Insolvenzgrund der Überschuldung(§ 19 InsO) gestützt werden.Die im Rahmen der vorgelegten Musterbescheinigung desIDW gemachten Ausführungen zur Überschuldungsprüfungerscheinen wie eine ergebnisorientierte Feststellung, dievom Gericht bzw. einem beauftragten Sachverständigennicht auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden kann. DieMöglichkeit einer Nachprüfung muss aber gewährleistet sein,damit sich das Gericht selbst ein Bild von der Situation verschaffenkann.b) Nicht offensichtliche Aussichtslosigkeitder SanierungDie Bescheinigung der nicht offensichtlichen Aussichtslosigkeitder Sanierung ist von elementarer Bedeutung für denErfolg oder Nichterfolg des Schutzschirmverfahrens. Nachder Gesetzesbegründung wird kein umfassendes Sanierungsgutachtenentsprechend formalisierten Standards verlangt.Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass überhauptkeine Standards einzuhalten sind. Um dem gerecht zuwerden, muss der Bescheinigung eine betriebswirtschaftlichfundierte Untersuchung vorausgehen, die die Sanierungsfähigkeitdes Schuldners zumindest in Ansätzen bestätigt.IDW ES 9 fordert nur die Schlüssigkeit eines Grobkonzeptes– dies reicht definitiv nicht aus.Die Betriebswirtschaft kennt den Begriff der Wettbewerbsfähigkeit.Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass ein Unternehmenin der Lage ist, sein Leistungsangebot im relevantenMarkt nachhaltig mit Gewinn abzusetzen.Richtigerweise ist die Wettbewerbsfähigkeit neben der Fortführungs-und Renditefähigkeit auch eines der drei wesentlichenPrüfkriterien im Rahmen des SanierungsstandardsIDW S 6. Für die Bescheinigung der „nicht offensichtlichaussichtslosen Sanierung“ bedeutet das konkret, dass „Pulsmessen“ nicht ausreicht. Der Bescheiniger muss sich vielmehrein objektives Bild über die zukünftige Wettbewerbsfähigkeitdes durch einen Schirm zu schützenden Unternehmensmachen.12


<strong>Newsletter</strong> 07/<strong>2012</strong>Für die Betrachtung der Marktposition – und damit für dieFrage, ob ein Unternehmen schützenswert ist – ist es zwingenderforderlich zu verstehen, auf welchem Markt, mit welchenProdukten und mit welchem Erfolg das Unternehmennachhaltig tätig ist. In einem nächsten Schritt gilt es zu erarbeiten,welche Erfolgsfaktoren beherrscht werden müssen.Dies muss sich nicht immer nur auf Qualität und Preisbeschränken, sondern kann auch Servicegrad, Innovationfähigkeitoder ähnliche Attribute betreffen. Gute Hinweiseliefern hier regelmäßig die Lieferantenbewertungen von Kunden,da diese naturgemäß die aus ihrer Sicht relevantenKriterien zur Bewertungsgrundlage machen.Auf der Basis der so ermittelten Anforderungen an die Leistungs-und Betriebswirtschaft des Unternehmens, müssendiese mit dem Ist-Zustand abgeglichen werden, um die Fragenach der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit zu beantworten.Unter Berücksichtigung der Stärken und Schwächen einerseitssowie der Chancen und Risiken andererseits gilt esletztlich ein realistisches Maßnahmenbündel zu schnürenund zu bewerten, ob es in der Sanierungsplanung aufgeht.Das Aufzeigen der wesentlichen Krisenursachen sowie realistischerMaßnahmen zu deren Beseitigung ist selbstverständlich.Ergänzend sei hinzugefügt, dass fehlendes Controllingnach wie vor als Hauptursache für Insolvenzen gilt.Neben der Darstellung, mit welchen Produkten auf welchenMärkten zukünftig Geld verdient werden soll, rundet die Umsetzungsorganisationein „aussichtsreiches“ Sanierungskonzeptab. Zumal die aktuellen Organe des Unternehmens inder Regel dasselbe in die Krise geführt haben, gilt es ferneraufzuzeigen, dass man mit einer klaren Maßnahmenorganisation,Sanierungstransparenz und Managementkompetenzdie Umsetzung des Konzeptes betreibt. In vielen Fällen wirddaher der Einsatz eines CRO, ein toolgestütztes Maßnahmencontrollingsowie eine für alle Stakeholder transparente Sanierungsorganisation(beispielsweise durch Lenkungsausschüsse)das „credere“ deutlich erhöhen.Nicht gefolgt werden kann auch der pauschalen Aussage desIDW, dass eine Befragung der Gläubiger per se nicht erforderlichsei. Ein Gespräch mit den wesentlichen Gläubigernwird insbesondere dann notwendig sein, wenn bereits vorwww.mbbconsult.de & www.bb-soz.deAusstellung der Bescheinigung zu erkennen ist, dass diewichtigsten Stakeholder ein wie auch immer geartetes Sanierungskonzeptprinzipiell nicht mittragen wollen. Lässt sichdieser Widerstand etwaiger Hauptgläubiger im Vorfeld derAntragstellung nicht ausräumen, ist in diesem Fall eine angestrebteSanierung von vornherein offensichtlich aussichtslos,auch wenn dem Bescheiniger vom Schuldner ein ansonstenin sich schlüssiges Sanierungskonzept vorgelegt wird.3. FazitDer vorgelegte Entwurf des IDW Standards „Bescheinigungnach § 270b InsO (IDW ES 9)“ enthält, wie gezeigt, eine Vielzahlvon Defiziten und Ungereimtheiten.Die Darlegung der Krisenursachen, deren Beseitigung, diemaßnahmenunterlegte Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeitsowie die daraus resultierende Sanierungsplanungnebst Umsetzungsorganisation sollten zwingende Muss-Bestandteile der Bescheinigungsprüfung sein.Die vom IDW vorgelegte Musterbescheinigung ähnelt einemergebnisorientierten Testat und enthält nicht einmal „Gründe“,wie sie der Wortlaut des § 270b Abs. 1 Satz 3 InsOzwingend vorschreibt. In der Bescheinigung wird auch nichtdeutlich, dass sich der Aussteller der Bescheinigung fundiertund tiefgehend mit dem schuldnerischen Unternehmen befassthat.Alfred KrausRechtsanwaltSchwerpunkte: Insolvenzrecht (insbesondereInsolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung),Handels- und GesellschaftsrechtTel. 0211 – 82 89 77 217alfred.kraus@bb-soz.de13


Zum Steuererlass aus Billigkeitsgründen bei Sanierungsgewinnen –Anmerkung zum Beschluss des BFH vom 28.2.<strong>2012</strong> – VIII R 2/08Der BFH hat entschieden, dass zumindest im Rahmeneiner summarischen Prüfung zweifelhaft ist, ob auf derGrundlage des BMF-Schreibens vom 27. März 2003(IV A6 – S 2140-8/03) der Gewinn aus der Sanierungvon Unternehmen im Ergebnis weiterhin unter den materiellenVoraussetzungen des § 3 Nr. 66 EStG a.F. nachMaßgabe der dazu ergangenen Rechtsprechung steuerfreizu stellen ist. Die Streitfrage ist aber weiterhin offen.1. SachverhaltDie Beteiligten stritten darüber, ob die Kläger aus BilligkeitsgründenAnspruch auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuermit der Folge haben, dass ein erzielter Ertrag– aus der Sanierung einer Arztpraxis des Klägers durch Erlassvon Schulden – steuerfrei zu behandeln ist.Nachdem das Finanzamt den Gewinnfeststellungsbescheid2000 für die Praxis des Klägers unter Ansatz eines höherenGewinns im Zusammenhang mit dem Forderungsverzichteines Gläubigers geändert hatte, beantragten die Kläger unterBezugnahme auf den Sanierungserlass (BMF-Schreiben vom27.03.2003, IV A 6 – S 2140-8/03), die auf die erlasseneForderung entfallende Einkommensteuer aus Billigkeitsgründenzu erlassen. Dem Ansinnen trat das Finanzamt im Wesentlichenmit der Begründung entgegen, dass der begehrteErlass schon wegen der Abschaffung der Steuerbegünstigungdes Sanierungsgewinns in § 3 Nr. 66 EStG a. F. durch denGesetzgeber mangels Rechtsgrundlage nicht in Betrachtkommt. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsachefür erledigt erklärt. Es war daher nur noch über dieKosten zu entscheiden (§ 138 Finanzgerichtsordnung [FGO]).2. EntscheidungsgründeDer Senat hat entschieden, dass die Kosten den Beteiligtenje zur Hälfte aufzuerlegen sind. Nach der Abgabenordnung(AO) können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnisganz oder zum Teil erlassen, wenn derenEinziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.Dabei kann eine sachliche Unbilligkeit durch den Steuerpflichtigennur geltend gemacht werden, wenn die streitigeSteuererhebung zwar dem Gesetz entspricht, aber den Wertungendes Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass nachdem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebersdavon ausgegangen werden kann, er hätte die im Billigkeitswegezu entscheidende Frage im Sinne der beabsichtigtenBilligkeitsmaßnahme entschieden. Nach diesen Grundsätzensei nach Auffassung des Gerichts im Rahmen der gebotenensummarischen Prüfung zweifelhaft, ob die Kläger Anspruchauf die begehrte Billigkeitsmaßnahme auf der Grundlage desBMF-Schreibens vom 27. März 2003 gehabt hätten, weil derErlass den Gewinn aus der Sanierung von Unternehmen imErgebnis weiterhin unter den materiellen Voraussetzungendes § 3 Nr. 66 EStG a.F. nach Maßgabe der dazu ergangenenRechtsprechung steuerfrei stellt, obwohl der Gesetzgeberdiese Steuerbefreiung aufgehoben hat und diese Befreiungnach § 52 Abs. 2i EStG „letztmals auf Erhöhung des Betriebsvermögensanzuwenden war, die in dem Wirtschaftsjahrentstehen, das vor dem 1. Januar 1997 endet“. Diese Fristist durch das Gesetz zur Finanzierung eines Bundeszuschusseszur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember1997 (BGBl I 1997, 3121) bis zum 31. Dezember 1997verlängert worden.Ob der Wortlaut des Gesetzes und die Gesetzesbegründunges ausschließen, die Besteuerung eines Sanierungsgewinnsim Sinne der aufgehobenen Vorschrift weiterhin als sachlichunbillig anzusehen und von der Besteuerung auszunehmen,ist streitig.Jedenfalls sei die Auffassung der Vorinstanz (FG München),ein entsprechender Wille des Gesetzgebers (zur generellenSteuerfreiheit von Sanierungsgewinnen) könne angesichtsder Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht angenommenwerden, nicht von vornherein abzulehnen. Denn der Gesetzgeberhat bislang eine generelle Ersatzregelung für § 3 Nr. 66EStG a.F. nicht geschaffen. Nur in Teilbereichen des Steuerrechts(z. B. § 8c Abs. 1a KStG) sei eine partielle Sanierungsgewinnbegünstigungeingeführt worden.Da die Erfolgsaussichten der Revision mithin offen waren,hielt der Senat es für sachgerecht, die Verfahrenskostenhälftig zu teilen.14


<strong>Newsletter</strong> 07/201<strong>23</strong>. AnmerkungNach Auffassung des VIII. Senats des BFH kann bei einersummarischen Prüfung nicht von vornherein ausgeschlossenwerden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mit derAufhebung des § 3 Nr. 66 EStG 1977 eine generelle Steuerfreiheitvon Sanierungsgewinnen nicht in Betracht kommt.In der Pressemitteilung Nr. 32/12 vom 09.05.<strong>2012</strong> heißt es(auszugsweise):„Zu der weithin mit Spannung erwarteten Entscheidung desBundesfinanzhofs (BFH), ob die Steuerbarkeit eines Sanierungsgewinnseine sachlich unbillige Härte i. S. der §§ 163, 227der Abgabenordnung darstellen kann, obwohl der Gesetzgeberdie Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen (§ 3 Nr. 66EStG a. F.) mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreformvom 29. Oktober 1997 (BGBl. I. S. 2590, BStBl IS. 928) aufgehoben hat, ist es nicht mehr gekommen[…].“Die Entscheidung selbst ist nach unserer Auffassung aberwenig überzeugend und – in Ansehung der Entscheidung desX. Senats des BFH vom 14.07.2010 (X R 34/08) – auch missverständlich.Denn der X. Senat des BFH hat bereits in ausführlicher undüberzeugender Weise ausgeführt, dass der Sanierungserlassnicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungverletzt. Deshalb, so der BFH, könne der Auffassung des FGMünchen, die Finanzverwaltung habe mit dem Sanierungserlasseine Verwaltungspraxis contra legem eingeführt, „indieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden”.Die Auffassung des VIII. Senats des BFH, bei einer summarischenPrüfung könne nach der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStGein Wille des Gesetzgebers zur generellen Steuerfreiheit vonSanierungsgewinnen nicht angenommen werden, ist ebenfallsnicht nachvollziehbar. Denn der X. Senat des BFH hat in seinemUrteil vom 14.7.2010 im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt,dass der Gesetzgeber bereits in verschiedenen Gesetzesbegründungenauf den Sanierungserlass Bezug genommen hat.Ein Erlass aus sachlichen Gründen komme daher immer inBetracht, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem Gesetzwww.mbbconsult.de & www.bb-soz.deentspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungendes Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbilligerscheint. Billigkeit ist immer die Gerechtigkeit desEinzelfalls. Dies setzt natürlich voraus, dass der Gesetzgeberdie mit der Einziehung der Steuer verbundene Härte nichtbewusst in Kauf genommen hat. Ein Erlass wegen sachlicherUnbilligkeit ist insoweit durch § 227 AO gedeckt, wie angenommenwerden kann, der Gesetzgeber würde die im Billigkeitswegezu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt –im Sinne des Sanierungserlasses entscheiden.4. FazitDer Sanierungserlass ist weiterhin in Kraft. Darüber hinausist das Urteil des X. Senats des BFH vom 14.07.2011 durchdie Finanzverwaltung in BStBl II 2010, S. 916 veröffentlicht.Für die Finanzverwaltung ist es daher verbindlich und somitzu beachten.Daraus folgt, dass für die Beratung im insolvenznahen Bereich– insbesondere bei der Erstellung von Insolvenzplänen– nach wie vor eine Unsicherheit besteht. Man wird nichtumhin kommen, verbindliche Auskünfte zu den Fragestellungeneinzuholen, um zumindest für den konkreten Einzelfalleine Rechtssicherheit zu erlangen.Die Entscheidung zeigt aber auch die Notwendigkeit gesetzlicherRegelungen für ein einheitliches und interessengerechtesSanierungs- und Insolvenzsteuerrecht.Norman LengerRechtsanwalt, StrafverteidigerFachanwalt für SteuerrechtSchwerpunkte: Insolvenzrecht(insbesondere Anfechtungsrecht, Insolvenzplanverfahren)einschl. der Schnittstellenzum Insolvenz-, Steuer- und WirtschaftsstrafrechtTel. 0211 – 82 89 77 273norman.lenger@bb-soz.de15


AktuellesPrivate Equity TagDas ESUG bietet neue Wege einer operativen und bilanziellenSanierung. Dazu beleuchtet die bb [sozietät] beim PrivateEquity Tag die noch kaum bekannten Möglichkeiten desInvestoreneinstiegs in insolvente Unternehmen im Wegeeines Debt-Equity-Swaps. Gleichzeitig werden die Mechanismenauf gezeigt, um einen Unfriendly Takeover zu verhindern.Redner wird der erfahrene New Yorker InsolvenzrichterArthur J. Gonzalez sein, der die Insolvenzen von Chrysler,Enron, WorldCom und Lehman Brothers als Richter begleitete.Veranstaltungstag: Veranstaltungsort:1. Oktober <strong>2012</strong> FrankfurtNähere Informationen finden Sie unter:www.bb-soz.de/aktuelles/veranstaltungen/Management Circle: Der zertifizierteRestrukturierungsmanagerBozidar Radner referiert über das Restrukturierungskonzeptaus Unternehmer- und Beratersicht. Er definiert unter anderemoperative Restrukturierungsmaßnahmen sowie denAufbau und Inhalt des Restrukturierungskonzeptes.Veranstaltungstag: Veranstaltungsort:27. – 29. August <strong>2012</strong> BerlinNähere Informationen finden Sie unter:www.mbbconsult.de/aktuelles/veranstaltung/1. Deutscher Gläubigerkongress <strong>2012</strong>ESUG in der Praxis – Eine Erfolgsgeschichte der Sanierungunter dem Schutzschirm des Insolvenzrechts.Robert <strong>Buchalik</strong> berichtet aus der Praxis und zeigt –aus Beratersicht – einen Ausblick am lebenden Objekt.Veranstaltungstag: Veranstaltungsort:20. September <strong>2012</strong> KölnNähere Informationen finden Sie unter:www.bb-soz.de/aktuelles/veranstaltungen/www.glaeubigerkongress.comZInsO-Jahrestagung <strong>2012</strong>Mit dem neuen Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO), daseine weitere Form der vorläufigen Eigenverwaltung darstellt,wird dem Schuldner ein eigenständiges Sanierungsverfahrenzur Verfügung gestellt.Robert <strong>Buchalik</strong> referiert auf dieser Tagung unter anderemüber Theorie und Praxis der Eigenverwaltung im Schutzschirmverfahren.Veranstaltungstag: Veranstaltungsort:28. – 29. September <strong>2012</strong> KölnNähere Informationen finden Sie unter:www.bb-soz.de/aktuelles/veranstaltungen/Der <strong>Newsletter</strong> auf Ihrem SmartphoneImpressummbb [consult] GmbHPrinzenallee 15, 40549 DüsseldorfTel. 0211 82 89 77-0www.mbbconsult.deWestendstraße 16–2260325 Frankfurt/MainTel. 069 24 75 215-0bb [sozietät] <strong>Buchalik</strong> · BrömmekampPrinzenallee 15, 40549 DüsseldorfTel. 0211 82 89 77-200www.bb-soz.deWestendstraße 16–2260325 Frankfurt/MainTel. 069 24 75 215-0HaftungsausschlussDie Beiträge wurden mit Sorgfalt recherchiert.Gleichwohl wird keine Haftung für die Richtigkeitund Vollständigkeit der Inhalte übernommen. Der<strong>Newsletter</strong> stellt keine abschließenden Informationenbereit und ersetzt nicht eine Beratung imEinzelfall. Hierfür steht Ihnen auf Wunsch die [mbbconsult] oder die [bb sozietät] gern zur Verfügung.RedaktionMarkus HaaseBettina Fey16

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