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Rundbrief Nr. 111 - Arbeitskreis für Wirtschafts- und ...

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<strong>R<strong>und</strong>brief</strong>des <strong>Arbeitskreis</strong>es<strong>für</strong> <strong>Wirtschafts</strong><strong>und</strong>SozialgeschichteSchleswig-Holsteins<strong>Nr</strong>. <strong>111</strong> Oktober 2013MitteilungenProtokoll der Mitgliederversammlung des AK am 14. September 2013um 13 Uhr im Kreisarchiv Stormarn in Bad Oldesloe (D. Kraack) .................................. 1Fast 25 Jahre Sprecher: Vielen Dank! (K.-J. Lorenzen-Schmidt) ...................................... 12ProjektEinladung zur Offenen Tagung des <strong>Arbeitskreis</strong>es auf dem Koppelsbergam 8.-10. November 2013 (D. Kraack <strong>und</strong> K.-J. Lorenzen-Schmidt) ................................ 15Call for Papers: Die Elbe – Fluss ohne Grenzen (1815–2015) Symposium,Hamburg, 17.–19.9.2015 (G. Fackler, N. Fischer, A. Martin, M. Seifert) ......................... 16BeiträgeEin F<strong>und</strong>stück zur Acht<strong>und</strong>vierziger Bewegung:Nachlass Rudolf Schleiden (P. Wulf) ........................................................................................ 20Ertragsfältigkeit in vorindustrieller Zeit (1500-1850) (K.-J. Lorenzen-Schmidt) ......... 24Fischkonsum in einem Hamburger Großhaushalt 1504-1506(K.-J. Lorenzen-Schmidt) ........................................................................................................... 50„Archiv <strong>für</strong> Agrargeschichte der holsteinischen Elbmarschen“elektronisch lesbar (K.-J. Lorenzen-Schmidt) .................................................................... 52Der Strukturwandel der Landwirtschaft im Kreis Herzogtum Lauenburgzwischen 1870 <strong>und</strong> 2000 (K.-J. Lorenzen-Schmidt) ......................................................... 54Buchbesprechungen ................................................................................................................. 74Hg. v. Günther Bock, Ahrensfelder Weg 13, 22927 Großhansdorf


MitgliedernachrichtenNeue Mitglieder:Gerrit AustPostfach 130 10120101 HamburgTel. 040/4917936E-Mail: gerritaust21@yahoo.deKlaus-Dieter RedweikLehmweg 3225492 HeistTel. 04122/8999E-Mail: klaus-dieter.redweik@t-online.deDr. Martin J. SchröterBöge 3122359 HamburgTel: 040/50693723E-Mail: martin_schroeter@gmx.deMitgliederbeitrag/<strong>R<strong>und</strong>brief</strong>abonnement:jährlich 30 € (10 € <strong>für</strong> Studenten oder Interessierte ohne Einkommen).Internet: http://www.arbeitskreis-geschichte.dehttp://www.facebook.com/pages/<strong>Arbeitskreis</strong>-fur-<strong>Wirtschafts</strong><strong>und</strong>-Sozialgeschichte-Schleswig-Holsteins/300578877403?ref=tsBankverbindungen:Postbank Leipzig, Konto: 977 526 901 Peter Danker-Carstensen <strong>Arbeitskreis</strong>WISO SH, Bankleitzahl: 860 100 90.IBAN: DE 15 8601 0090 0977 5269 01BIC: PBNKDEFFMitglieder in Dänemark können wie bisher auf das dänische Konto der GSHGüberweisen: Sydbank Kruså, Reg.-<strong>Nr</strong>. 8065, Konto-<strong>Nr</strong>. <strong>111</strong>340-1 (Einzahlungenauf dieses Konto bitte unbedingt mit „Beitrag <strong>Arbeitskreis</strong>“ kennzeichnen).<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


MitteilungenProtokoll der Mitgliederversammlung des AKam 14. September 2013 um 13 Uhrim Kreisarchiv Stormarn in Bad Oldesloevon Detlev KraackAnwesend waren zwölf Mitglieder(Günther Bock, Norbert Fischer, BarbaraGünther, Detlev Kraack, Klaus-JoachimLorenzen-Schmidt, Martina Moede, IngwerMomsen, Ortwin Pelc, Stefan Wendt<strong>und</strong> Sylvina Zander), außerdem hattenwir vier Personen zu Gast, darunterFrank Omland von dem uns seit seinerGründung eng verb<strong>und</strong>enen AKENS.Besonders erfreulich war in diesem Zusammenhang,dass drei von den Gästennoch während der Versammlung unserem<strong>Arbeitskreis</strong> beitraten. Wir begrüßenneu in unseren Reihen Gerrit Aust,Klaus-Dieter Redweik <strong>und</strong> Martin Schröter.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Nachdem uns Stefan Watzlawzik, der Leiterdes Kreisarchivs Stormarn, begrüßt<strong>und</strong> dann gemeinsam mit Karin Gröwer<strong>und</strong> Barbara Günther die noch laufendenErschließungsarbeiten an dembeeindruckenden Photonachlass desPressephotographen Raim<strong>und</strong> Marfelsvorgestellt hatte, wurden wir von Seitender Gastgeber großzügig mit Suppe, belegtenBrötchen <strong>und</strong> Getränken verköstigt,wo<strong>für</strong> an dieser Stelle noch einmalherzlich gedankt sei.Von der Sache her hatten die StormarnerKollegen Beachtenswertes zu bieten:Der Nachlass des PhotographenRaim<strong>und</strong> Marfels (1917-1990) umfasstüber 47.000 Negative (klassische 6x6 cmSchwarz-Weiß-Negative), die Anfang der1990er Jahre auf Initiative von JohannesSpallek <strong>für</strong> das Archiv erworben werdenkonnten. Der Bestand, der in dichter Folgevon Serien <strong>für</strong> die Jahre 1949-1988den Strukturwandel im Raum Stormarnnach dem Zweiten Weltkrieg dokumentiert,ist in den vergangenen Jahren mitgroßem finanziellen <strong>und</strong> persönlichenEinsatz digitalisiert <strong>und</strong> inhaltlich erschlossenworden. Er soll interessiertenBenutzern bis Jahresende über die Homepagedes Kreisarchivs Stormarn alsDatenbank zugänglich sein (vgl. dazuauch schon bislang http://www.kreisarchiv-stormarn.de/benutzung/bestaende/gruppe_i/index.html)<strong>und</strong> steht alseinzigartige Quelle zur wissenschaftlichenErforschung des Kreises Stormarn1


Zwei Photos aus dem ebenso umfangreichenwie thematisch breitgefächertenF<strong>und</strong>us des mehrere Jahrzehnte wirkendenPressephotographen Raim<strong>und</strong> Marfels,der derzeit im Kreisarchiv Stormarn<strong>für</strong> die Benutzung erschlossen wird.2 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>3


in der Nachkriegszeit zur Verfügung. Esbleibt zu hoffen, dass die Vertreterinnen<strong>und</strong> Vertreter der historisch forschendenSozialwissenschaft dies zur Kenntnisnehmen <strong>und</strong> von diesem AngebotGebrauch machen.Auf der Mitgliederversammlung selbstwurden dann unter dem vertrautenVorsitz von Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt in Orientierung an der im Vorfeldversandten Tagesordnung folgendePunkte verhandelt, während der im weiterenVerlauf der Sitzung neu erkoreneSprecher die Feder zu schwingen begann<strong>und</strong> das Protokoll schrieb:1. Berichtea) Bericht des Sprechersb) Bericht des Sekretärs (Ole Fischer, entschuldigt)c) Bericht des Rechnungsführers (PeterDanker-Carstensen, entschuldigt)Diese Punkte wurden gebündelt durchLORI, der nach den dankenswerterweisedurch unseren Sekretär Ole Fischerübermittelten Informationen zunächstberichtete, dass der <strong>Arbeitskreis</strong> derzeit114 Mitglieder habe (zuzüglich der dreiwährend der Mitgliederversammlungneu beigetretenen).Während des Berichtszeitraums seiendie in bewährter Weise von GüntherBock betreuten <strong>R<strong>und</strong>brief</strong>e <strong>Nr</strong>. 108 (Juni2012), <strong>Nr</strong>. 109 (Dezember 2012) <strong>und</strong> <strong>Nr</strong>.110 (Mai 2013) erschienen. <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>Nr</strong>.<strong>111</strong> sei in Vorbereitung <strong>und</strong> werde nochin diesem Herbst erscheinen.In der Reihe der Studien sei Bd. <strong>Nr</strong>. 50(Flüsse in Norddeutschland), der aufeine 2011 im Museum <strong>für</strong> HamburgischeGeschichte durchgeführte Tagung zurückgehe<strong>und</strong> in Zusammenarbeit mitdem Landschaftsverband Stade herausgegebenwerde, im Druck <strong>und</strong> werdevoraussichtlich im November 2013 imMuseum <strong>für</strong> Hamburgische Geschichtevorgestellt. Außerdem sei ein weitererBand über „Aufklärung <strong>und</strong> Alltag“ inVorbereitung, der 2014 erscheinen solle<strong>und</strong> von Ole Fischer herausgegebenwerde.Nach schriftlicher Mitteilung von unseremRechnungsführer Peter Danker-Carstensen, dem an dieser Stelle nocheinmal <strong>für</strong> seine stets zuverlässige <strong>und</strong>akkurate Tätigkeit gedankt sei, beliefsich der Kassenstand am 1. September2014 auf 4.620,- Euro. Dies sollte ausreichen,um in naher Zukunft anstehende<strong>R<strong>und</strong>brief</strong>e <strong>und</strong> zumindest einen Bandder Studien auf den Weg zum Druck zubefördern <strong>und</strong> die in Vorbereitung befindlicheTagung auf dem Koppelsberg(8.-10. November 2013) zu finanzieren.Stichwort Koppelsberg 2014: Die <strong>für</strong> den8.-10. November 2013 geplante Tagungist als offene Tagung konzipiert. Forscher<strong>und</strong> Gäste sollen die Möglichkeit haben,über aktuelle Forschungsprojekte zuberichten <strong>und</strong> diese im Kreis der AK-Mitglieder<strong>und</strong> ihrer Gäste zu diskutieren.Außerdem fest im Programm: der Austauschüber die laufenden Arbeiten ander in Vorbereitung befindlichen „Neuen<strong>Wirtschafts</strong>- <strong>und</strong> SozialgeschichteSchleswig-Holsteins 1000-2000“ (NWSG)<strong>und</strong> das gemeinsame Nachdenken über4 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


zukünftige Perspektiven des <strong>Arbeitskreis</strong>es<strong>und</strong> der Geschichtswissenschaftüberhaupt – bei uns im Lande, aberdurchaus auch darüber hinaus. Hier istein offensichtliches Auseinanderklaffenzwischen den mediengängigen „Histotainment“-Angeboten<strong>und</strong> der nachhaltigwissenschaftlichen Erforschung desGegenstandes zu beobachten. Jenseitsvon Lamento <strong>und</strong> Selbstmitleid sollenProbleme benannt <strong>und</strong> Chancen <strong>für</strong>unsere zukünftige Tätigkeit ausgelotetwerden.Um über die vorliegenden Anmeldungen<strong>und</strong> Vortragsangebote 1 hinausnoch weitere Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer<strong>für</strong> die Tagung zu gewinnen,wird im kommenden <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> ein entsprechenderAufruf gestartet (vgl. weiterunten S. 11 f.).Generell, so das Fazit, sei die Lage des<strong>Arbeitskreis</strong>es stabil, doch müsse mansich weiter um qualifizierten Nachwuchsbemühen <strong>und</strong> entsprechend Interessierteals neue Mitglieder werben, umauch die wissenschaftliche Produktionauf dem bislang so erfreulich hohen Niveauzu halten. Dazu sollten öffentlichkeitswirksameBuchpräsentationen <strong>und</strong>Tagungen wie die auf dem Koppelsberggezielt genutzt werden.2. Neuwahl des LeitungsgremiumsUnser stellvertretender Sprecher MartinRheinheimer, unser Sekretär Ole Fischer<strong>und</strong> unser Rechnungsführer Peter Danker-Carstensenwurden in Abwesenheitohne Gegenstimme durch Abstimmungen Block in ihren Ämtern bestätigt. Siewerden dem <strong>Arbeitskreis</strong> auch hinfort<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>ebenso treue wie akkurate Dienste leisten.Weiterhin zum Leitungsgremiumzählen Günther Bock (<strong>R<strong>und</strong>brief</strong>) <strong>und</strong>Björn Hansen (Homepage <strong>und</strong> Internetauftritt)sowie als Projektleiter OrtwinPelc <strong>und</strong> Norbert Fischer (Flüsse in Norddeutschland);auch sie wollen sich weiter<strong>für</strong> unsere Sache engagieren.Nach langjähriger verdienstvoller Tätigkeittrat LORI, der bisherige Sprecher unseres<strong>Arbeitskreis</strong>es, angesichts seinerbevorstehenden Pensionierung nichtzur Wiederwahl an. In einer kleinen Laudatioverwies AK-GründungsmitgliedIngwer Momsen noch einmal auf diesegensreiche Tätigkeit unseres scheidendenSprechers, der dem <strong>Arbeitskreis</strong>durch seine ebenso anpackende wieherzliche Art während der letzten Jahrzehnteseinen ganz persönlichen Stempelaufgedrückt hat. Dass LORI Ende desJahres seinen angestammten Wohnortin den Elbmarschen (das in diesem Zusammenhangeigentlich sehr schön passendeWort „Heimat“ sei an dieser Stelleaus Rücksicht auf die ideologische Prägungdes scheidenden Sprechers ganzbewusst unterdrückt) <strong>und</strong> das Staatsarchivim Stromspaltungsgebiet verlassen<strong>und</strong> ganz nach Rostock ziehen wird,wird ihn, wie wir alle hoffen, nicht davonabhalten, die durch die Pensionierungfrei werdende Energie der umso intensiverenAuseinandersetzung mit der<strong>Wirtschafts</strong>- <strong>und</strong> Sozialgeschichte Norddeutschlandszu widmen. Auf dass eruns als Stütze, Vordenker <strong>und</strong> Mitgestalternoch lange erhalten bleiben möge!Neu ins Amt des Sprechers gewähltwurde Detlev Kraack, der dabei auf die5


Stefan Watzlawzik stellte gemeinsam mitBarbara Günther <strong>und</strong> Karin Gröwer in denRäumen des Kreisarchivs Stormarn diedort betriebene Erschließung des umfangreichenNachlasses des PressephotographenRaim<strong>und</strong> Marfels vor.6 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Impressionen vonder in den Räumendes StormarnerKreisarchivs abgehaltenenMitgliederversammlungdes<strong>Arbeitskreis</strong>es.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>7


tatkräftige Unterstützung aller anderen<strong>und</strong> natürlich auch LORIS rechnen darf.3. Projektea) „Flüsse in Norddeutschland“ (OrtwinPelc <strong>und</strong> Norbert Fischer): ist inhaltlich<strong>und</strong> redaktionell abgeschlossen;Tagungsband ist in enger Kooperationmit dem Landschaftsverband Stade imDruck (Präsentation am 13. November2013 im Museum <strong>für</strong> Hamburgische Geschichte).b) „Aufklärung <strong>und</strong> Alltag“ (Ole Fischer):die Beiträge liegen alle bis auf zwei zurEndredaktion vor; der Druck ist <strong>für</strong> dieerste Jahreshälfte 2014 ins Auge gefasst.c) „Stadt <strong>und</strong> Adel“ (Detlev Kraack): Beiträgesollen im ersten Halbjahr 2014 zuEndredaktion eingesammelt werden,damit der Band dann in der zweiten Jahreshälftein den Druck gehen kann.d) „Kriegsleiden in Norddeutschland“(Ortwin Pelc): eine entsprechende Tagungmit inhaltlich wie chronologischweit ausgreifenden Beiträgen vom Mittelalterbis ins 21. Jahrh<strong>und</strong>ert ist geplant<strong>für</strong> den 26./27. September 2014 imMuseum <strong>für</strong> Hamburgische Geschichte.Aus dem <strong>Arbeitskreis</strong> liegen bereits einigeAnmeldungen vor; ein offizieller Callfor Papers wird demnächst ergehen.e) „Neue <strong>Wirtschafts</strong>- <strong>und</strong> SozialgeschichteSchleswig-Holsteins 1000-2000“(Detlev Kraack, LORI, Martin Rheinheimer):ein aktueller Stand, was Themen,Bearbeiter <strong>und</strong> – vor allem – noch offeneThemen angeht, wird allen Interessiertenzeitnah in elektronischer Form zugehen(vgl. auch weiter unten S. 11-12).4. AK-digital: Die geplante neue Reihe,<strong>für</strong> die mit dem Sammelband (kannman hier eigentlich noch von „Band“sprechen?) von Gerrit Aust <strong>und</strong> GüntherBock zum „Hamburger Evangeliar“,einer interdisziplinär angelegtenUntersuchung zur Neukonzeption derhochmittelalterlichen Geschichte desnordelbischen Raumes, die erste Nummerin Vorbereitung ist, firmiert untereinem auf Anregung von Günther Bockaus der Diskussion im Leitungsgremiumentstandenen neuen Logo (vgl. beistehendeAbb.). Wie bei den Studien <strong>und</strong>den weiteren Veröffentlichungen des AKwird es jeweils ein Team von Fachleutengeben, das die Veröffentlichung begleitet<strong>und</strong> Qualitätsstandards sichern hilft.Jeder Band der Reihe wird eine eigeneISBN bekommen; die Zitierbarkeit istdadurch gewährleistet, dass die PDF-Downloads in Form von Buchseitenorganisiert sein werden; es handle sicheigentlich um eine Reihe traditionellerArt, aber eben „in neuer Darreichungsform“,wie es Günther Bock treffend aufden Punkt brachte. Generell werdendie Veröffentlichungen von AK-digitalin Form eines Downloads über unsereHomepage bzw. über diese verlinkt vonder Homepage der Staats- <strong>und</strong> UniversitätsbibliothekHamburg zugänglichsein. Gebühren werden <strong>für</strong> das Herunterladennicht erhoben werden, Spen-8 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


den der hoffentlich zahlreichen Lesersind dagegen hoch willkommen. DiesesVerfahren erhält uns die Gemeinnützigkeit<strong>und</strong> erspart uns das kleinteilige Ringenmit dem Finanzamt – <strong>und</strong> es spültvielleicht trotzdem ein wenig Geld indie Kasse, das wiederum <strong>für</strong> die Realisierunganderer Projekte genutzt werdenkann.Als Nummer 2 der Reihe sind die von KaiDetlev Sievers bearbeiteten Lebenserinnerungendes Rendsburger Autohändlers<strong>und</strong> norddeutschen Pioniers desAutomobilsports Timm Heinrich Sievers(1877-1958) in Vorbereitung (vgl. zu Sievers<strong>und</strong> seinen Lebenserinnerungenauch ZSHG 138 [2013], S. 114-152).<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Es sei an dieser Stelle darauf verwiesen,dass wir auf diese Weise zum einen auchsolche Projekte zur Veröffentlichungbringen können, deren herkömmlicherDruck unsere finanziellen Möglichkeitenum ein Vielfaches überschritte. Zum anderenwollen wir damit einer EntwicklungRechnung tragen, die vor allem unterSchülern <strong>und</strong> Studierenden Raum greift:Was nicht als digitalisierte Form im Internetzu recherchieren ist, wird schlicht<strong>und</strong> ergreifend nicht mehr zur Kenntnisgenommen <strong>und</strong> fällt aus dem Spektrumdessen, was auch wissenschaftlichenVeröffentlichungen zu Gr<strong>und</strong>e gelegtwird, heraus. Damit die Erträge unsererwissenschaftlichen Bemühungen auch<strong>für</strong>derhin von möglichst vielen Menschenzur Kenntnis genommen werden<strong>und</strong> der Wissenschaft zu neuen Erkenntnissenverhelfen, wollen wir uns auf dieseWeise im vielstimmigen Chor der neuene-Formate Gehör verschaffen oder zumindestnicht ins wahrnehmungstechnischeAbseits geraten.5. In der Reihe der Quellen zur <strong>Wirtschafts</strong>-<strong>und</strong> Sozialgeschichte befindetsich eine e-Form in Vorbereitung, dieLORIS vergriffenen „Klassiker“ über denPferdehändler Johann Ahsbahs ersetzenbzw. wieder zugänglich machensoll.Generell werden wir im Auge behalten,wie sich die augenblicklichen Trends hinzur e-Form weiter entwickeln <strong>und</strong> unsgegebenenfalls ebenfalls bewegen. Unteranderem davon <strong>und</strong> von der Entwicklungder Höhe der Druckkostenzuschüssewird es abhängen, ob <strong>und</strong> in welcherWeise wir uns neue Gedanken über diePlatzierung unserer Veröffentlichungen<strong>und</strong> Reihen in bestimmten Verlagen machen(müssen).Unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“wurde besprochen, dasswir uns im kommenden Jahr am 21. Juni2014 in Schleswig zur nächsten Mitgliederversammlungtreffen wollen.Gegen 15.45 Uhr bedankte sich der Sprecher<strong>für</strong> die während der Versammlunggezeigte Aufmerksamkeit <strong>und</strong> schlossdie Sitzung.15. September 2013 – pro protocolloProf. Dr. Detlev Kraack (Sprecher)1 Entsprechende Angebote liegen vonfolgenden Personen vor: von Jan Wieske,der uns über seine aktuellen Forschungen9


Noch einmal gibt Lori als Sprecher dem<strong>Arbeitskreis</strong> die Richtung vor.Der neue Sprecher des <strong>Arbeitskreis</strong>esDetlev Kraack mit seinem VorgängerKlaus-J. Lorenzen-Schmidt.10 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>11


zum frühneuzeitlichen Fehmarn berichtenmöchte, von Martin Rheinheimer zu sozialenNetzwerken <strong>und</strong> sozialer Mobilität aufAmrum, von Thomas Clausen (UniversitätKopenhagen), der über Industrialisierung imHerzogtum Schleswig zwischen 1850 <strong>und</strong>1875/80 arbeitet, Martin Göllnitz (CAU Kiel),der uns an ausgewählten Beispielen überTheologen der CAU während der NS-Zeitberichten möchte, <strong>und</strong> Detlev Kraack, deruns von Dänemark aus auf den Spuren eines1527 von dort vertriebenen Franziskanersüber Schwerin ins ferne Mexiko entführenmöchte – wer sich darauf einstimmen möchte,findet über das Schagwort „Bruder JacobusGottorpius“ („Jacobus de Dacia“) wenigSicheres, aber immerhin schon eine romanhafteVerarbeitung dieser faszinierendenLebensgeschichte, vgl. Henrik Stangerup:Bruder Jacob oder die Reise zum Paradies.Übersetzung von Wolfgang Butt, München1995 (dän. 1991, engl. 1997).Fast 25 Jahre Sprecher: Vielen Dank!von Klaus-J. Lorenzen-SchmidtBei der letzten Mitgliederversammlunghabe ich nicht wieder als Sprecher kandidiert.Damit endete ein fast 25jährigerZeitraum, in dem ich als Sprecher gemeinsammit den Mitgliedern des Leitungsgremiumsdie Arbeit unseres <strong>Arbeitskreis</strong>eskoordiniert <strong>und</strong> organisierthabe. Es war eine schöne Zeit, in der wirgemeinsam sehr viel geschafft haben.Ich kam 1989 von der Archivschule inMarburg nach 18monatigem Exil zurück,<strong>und</strong> Ulrich Lange (bis dahin Sprecher)war froh, mir das Amt möglichst umgehendzu übergeben. Ich gehöre zu denGründern des <strong>Arbeitskreis</strong>es <strong>und</strong> fühltemich immer mit seinen Zielen verb<strong>und</strong>en.Da ich Geschichtsforschung <strong>und</strong>-schreibung als meinen eigentlichenLebenszweck ansehe, fiel es mir nichtschwer, auch einen organisatorischenJob im Rahmen unseres Kreises zu über-nehmen. Natürlich gab es schmerzlicheEreignisse, etwa wenn Mitglieder starbenoder von der Fahne gingen – aberich wurde immer wieder darauf aufmerksamgemacht, dass nicht <strong>für</strong> alleMenschen in meinem Umfeld die Beschäftigungmit Geschichte, insbesondereRegionalgeschichte des Raumeszwischen Nord- <strong>und</strong> Ostsee/Jütland <strong>und</strong>Elbe, ein Lebenselexier ist <strong>und</strong> sein kann.Und ich war immer ein bisschen zu ungeduldig,wollte mehr erreichen als bisweilenmöglich war. Auch da musste ich immerwieder zurückgerufen werden, umanderen gegenüber nicht ungerecht zusein. Aber wenn man wie ich Geschichtenicht nur als äußerst spannend <strong>und</strong>vielfältig, grenzenlos <strong>und</strong> immer wiederneu herausfordernd findet, dann fällt eseinem leicht, viel zu tun – wobei mannicht immer im Auge hat, dass nicht alleMenschen gleich gestrickt sind. Dank an12 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


meine Fre<strong>und</strong>e (<strong>und</strong> auch immer wiedermeine Frau Angrit), dass sie mich zurückholten<strong>und</strong> einbanden, dass sie mir zumehr Realismus verhalfen!<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Ja: allein wäre nichts gegangen. Zuerstmit Ingwer Momsen, Jürgen Brockstedt,Kai Detlev Sievers <strong>und</strong> Jürgen Jensen(auch Dagmar Unverhau), als wir den AKgründen wollten; dann unter dem fröhlichenZulauf von KollegInnen, denenin der traditionellen Landesgeschichtezu wenig Anreiz lag. Mit zu den älterenSchichten unseres Zusammenschlussesgehört Ortwin Pelc, zuverlässigerKnabberkramlieferant <strong>für</strong> Koppelsberg-Tagungen, aber auch sonst langzeitigKopf der Redaktion unserer „Studien“<strong>und</strong> seit Jahrzehnten Projekt- <strong>und</strong> Tagungsorganisator.Günther Bock übernahmvon Lars Worgull den „<strong>R<strong>und</strong>brief</strong>“<strong>und</strong> machte ihn zu einer echten Vorzeigepublikation.Immer gab es auch Jüngere,die zu uns stießen: Martin Rheinheimer,der ebenfalls viele Tagungenorganisierte <strong>und</strong> Bände herausgab <strong>und</strong>von Ortwin die Redaktion der „Studien“übernahm; Björn Hansen, der zugunstenseines Familienprojektes aus derForschung ausstieg <strong>und</strong> heute etwasganz anderes macht, aber immer nochunseren Internet-Auftritt betreut; GerretSchlaber, langjähriger Rechnungsführer<strong>und</strong> vielfältiger Gedankenlieferant;Detlev Kraack als vitaler Ideengeber <strong>und</strong>Inspirator; schließlich auch Ole Fischer,der sich bereitfand, unseren Sekretär zumachen <strong>und</strong> auch gleich ein Projekt anleierte.Stets waren wir mehrere, die etwasmachen wollten <strong>und</strong> den bisweilenetwas schwer gängigen Karren weiterschoben,nachdem wir in einer Leitungsgremiumssitzungneuen Mut schöpften.Das alles ist dankbar vermerkt!Ebenso dankbar bin ich <strong>für</strong> den fre<strong>und</strong>schaftlichenKontakt zu den dänischenKollegInnen. Ich als Südholsteiner (mitStudium an der Universität Hamburg)hatte überhaupt keine Berührungsängste,sondern war neugierig auf dänischeSehweisen. Ich bin darin in jeder Hinsichtbestärkt worden: Nicht nur, dassLars Henningsen, Henrik Fangel, HansSchultz Hansen, Bjørn Poulsen enormfleißige Historiker sind (bzw. waren)– sie weiteten meinen Regionalhistorikerblick,nicht nur skandinavisch, sondernauch angelsächsisch. So haben wirdurch unsere Projekte auch ein wenigdazu beigetragen, die nationalistischenSpannungen früherer Zeiten zu überwinden<strong>und</strong> eine Zusammenarbeit aufkollegialer, wenn nicht fre<strong>und</strong>schaftlicherEbene im Rahmen der Landes- oderRegionalgeschichte zu schaffen.Nicht alles, was wir angefangen haben,ist etwas geworden. Ganz früh dachtenwir an eine Quellenk<strong>und</strong>e zur <strong>Wirtschafts</strong>-<strong>und</strong> Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins– versandet; vor gut 10Jahren wollten wir einen Bildband zur<strong>Wirtschafts</strong>- <strong>und</strong> Sozialgeschichte herausgeben– abgebrochen; unsere gutgemeinten Werbekampagnen – resultatlos.Anderes zeigt eine im Landebeispiellose Erfolgsgeschichte: zahlreicheTagungen <strong>und</strong> Colloquien, 50 Bände„Studien“, acht Bände „Quellen“, die„kleine Reihe“, über 100 Hefte unseres„<strong>R<strong>und</strong>brief</strong>es“!13


Immer, wenn ich mich mit Mitgliedernunseres <strong>Arbeitskreis</strong>es zu Exkursionen,Tagungen, Sitzungen getroffen habe,ging ich bestätigt <strong>und</strong> bestärkt aus diesenZusammenkünften: Wir könnennoch mehr schaffen! Und unsere Arbeitwird gebraucht.Ich werde dem <strong>Arbeitskreis</strong> verb<strong>und</strong>enbleiben, auch wenn ich ab 2014 in Rostockwohnen werde (Peter Danker-Carstensenhat mir ja vorgemacht, dass esgeht!). Und ich danke jetzt schon allenVoll-, Halb- <strong>und</strong> Minderaktiven <strong>für</strong> diegute Zusammenarbeit, die konstruktiveKritik, die vielen Anregungen <strong>und</strong> gutenIdeen, das fre<strong>und</strong>liche, aufgeschlosseneMiteinander, die das Klima im <strong>Arbeitskreis</strong>ausmachen. Detlev als meinemNachfolger wünsche ich eine glücklicheHand <strong>und</strong> viel Langmut bei der gewissnicht leichten Aufgabe, den <strong>Arbeitskreis</strong>durch die vor uns liegenden Zeiten zumanövrieren. Wir alle sollten ihm dabeinach Kräften helfen!14 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


ProjekteEinladung zur Offenen Tagung des <strong>Arbeitskreis</strong>esauf dem Koppelsberg am 8.-10. November 2013Gleichzeitig Call for Papers<strong>für</strong> die geplanten Vortrags- <strong>und</strong> Diskussionsr<strong>und</strong>envon Detlev Kraack <strong>und</strong> Klaus-J. Lorenzen-SchmidtFür den Zusammenhalt des <strong>Arbeitskreis</strong>es,aber auch <strong>für</strong> seine Funktion als Diskussions-<strong>und</strong> Projektforum sind unsereTagungen sehr wichtig. Unsere OffenenTagungen, das heißt solche, die nichtder Zwischenbilanz oder dem Abschlusseines Projektes dienen (wenn man alsletzteres nicht die Publikation des Tagungsbandesverstehen will), bietendie Möglichkeit, eine ganze Fülle unterschiedlicherThemen anzusprechen <strong>und</strong>zu diskutieren.Für Anfang November haben wir die„Akademie am See“ auf dem Koppelsbergbei Plön wieder einmal buchenkönnen. Wir haben uns den Ablauf derTagung so vorgestellt:Freitag, 8. Nov., 18 Uhr Abendessen,danach ein erster Vortrag mit anschließenderDiskussion, <strong>und</strong> im Anschlussdaran gemütliches Beisammensein <strong>und</strong>Gespräche bei Getränken <strong>und</strong> Knabberkram.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Sonnabend, 9. Nov., nach dem Frühstückein erster Block mit Einzelvorträgen<strong>und</strong> deren Diskussion. Nach Mittagessen<strong>und</strong> Pause am Nachmittag:Herausgeber-/Autorentreffen <strong>für</strong> die„Neue <strong>Wirtschafts</strong>- <strong>und</strong> SozialgeschichteSchleswig-Holsteins 1000-2000“, ambesten unter Einbeziehung auch dernicht direkt involvierten Mitglieder desAK <strong>und</strong> der Gäste (Zuhören, Mitdenken<strong>und</strong> kritisches Hinterfragen sind hierausdrücklich erwünscht). Danach nocheinen oder zwei Vorträge. Abends wiedergemütliches Beisammensein.Sonntag, 10. Nov., nach dem Frühstückein Block mit (selbst-)kritischen Anmerkungenzum Thema „Regionalgeschichte– Landesgeschichte – <strong>Arbeitskreis</strong>.Welche Perspektiven gibt es <strong>für</strong> unsereArbeit?“ Dabei soll es um die krisenhafteEntwicklung (etwa der historischen Vereine)gehen, die Stagnation beim Nachwuchs,das offenk<strong>und</strong>ige Desinteressevon weiten Teilen der Landesöffentlichkeit,die fehlende Unterstützung durchdie öffentliche Hand <strong>und</strong> das wegbre-15


chende Sponsoring. Gibt es inhaltlichoder organisatorisch neue Orientierungen?Das gemeinsame Mittagessen beschließtdann die Tagung.Der <strong>Arbeitskreis</strong> übernimmt die Kosten<strong>für</strong> Übernachtung <strong>und</strong> Essen. MaßvolleReisekosten können (nach Maßgabe derMittel) auf Antrag erstattet werden, wobeiauf günstige Möglichkeiten abgehobenwerden sollte.Wer Lust hat, das ihn gerade besondersinteressierende Thema mit kompetenten,engagierten Fachkollegen zu diskutierenoder sich bei seinem Projekt denRat erfahrener Gleichgesinnter zu holen,ist herzlich eingeladen, sich möglichstbald bei unserem Sprecher (Detlev.Kraack@gmx.de) anzumelden, soferner/sie es bislang noch nicht getan hat.Call for Papers:Die Elbe – Fluss ohne Grenzen (1815–2015)Symposium, Hamburg, 17.–19.9.2015von Guido Fackler, Norbert Fischer, Andreas Martin, Manfred SeifertVom 17. bis 19. September 2015 wirdin Hamburg das Symposium „Die Elbe– Fluss ohne Grenzen (1815–2015)“ stattfinden.Veranstalter werden das Institut<strong>für</strong> Sächsische Geschichte <strong>und</strong> Volksk<strong>und</strong>ee.V. (Dresden) <strong>und</strong> der LandschaftsverbandStade e.V. sein in Zusammenarbeitmit dem HamburgMuseum <strong>und</strong>dem Altonaer Museum <strong>für</strong> Kunst <strong>und</strong>Kulturgeschichte.Anlass des interdisziplinären Symposiumsist der 200. Jahrestag der Abschlussaktedes Wiener Kongresses1815. Im Artikel 109 der Akte wurde dieSchifffahrt auf den mitteleuropäischenFlüssen hinsichtlich des Handels alsfreies Gewerbe definiert. Dies schuf dieVoraussetzungen, um im Verlauf des19. Jahrh<strong>und</strong>erts den politischen <strong>und</strong>rechtlichen Rahmen <strong>für</strong> die Freiheit derSchifffahrt auf der Elbe zu erreichen <strong>und</strong>beschreibt den Auftakt zur Entfaltung eines„Flusses ohne Grenzen“. In der Folgeder extremen Hochwässer im Juni 2013werden gegenwärtig weiter führende„Entgrenzungen“ diskutiert.Auf dem interdisziplinären Symposiumsoll die historische Entwicklung derElbe <strong>und</strong> deren beständiger, bis in dieGegenwart führender Wandel als wirtschaftlicher,gesellschaftlicher <strong>und</strong> kulturellerRaum herausgearbeitet werden.16 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Mit dem Ausbau der Elbe zu einer Wasserstraßewurden insbesondere im 19.Jahrh<strong>und</strong>ert neue Tätigkeitsfelder <strong>und</strong>Aktionsräume geschaffen. Aber auchdarüber hinaus zeigt sich die „Flusslandschaft“der Elbe sowohl in ihren einzelnenregionalen Abschnitten als auchinsgesamt als besonderer Schauplatzvon Geschichte. Auf der Erfahrung desFlusses, seiner Potenziale <strong>und</strong> Gefahrenbasieren spezielle, flussbezogene Wahrnehmungen,Praktiken <strong>und</strong> Rationalitäten.Eine zeitlich-historische Einschränkungmöglicher Vortragsthemen ergibtsich aus dem Anlass der Veranstaltungmit dem Zeitraum von 1815 bis zur Gegenwart.Unter diesen Voraussetzungen werdendie Vorträge auf dem Symposium in viergroße Themenbereiche gegliedert:Europäisierungsprozesse <strong>und</strong>regionale IdentitätenDie schiffbaren Flüsse waren ab 1815 dieersten europäischen Territorien, in denendie jeweiligen Potentaten einen Teilihrer Souveränität verloren. Sie entwikkelnsich zu frühen europäischen Räumen,in denen sich Erscheinungen einergeschlossenen kulturellen Orientierungausbilden. Am Flusslauf entlang existierenbis heute ausschnitthaft regional geprägteKulturen des Umgangs mit demFließgewässer.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>17


Natur <strong>und</strong> TechnikDer zu Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>ertsnoch nahezu natürliche Flusslauf erfährtdie Umgestaltung zu einer Wasserstraße.Immer neue Regulierungsbauten,die Anlage von Umschlagplätzen <strong>und</strong>Schutzhäfen sowie die Industrialisierungweiter Uferbereiche führen zu einer „Kanalisierung“des Flusslaufs. Bauten zumSchutz vor Hochwasser <strong>und</strong> Eisgang amMittel- <strong>und</strong> Oberlauf ebenso wie solchezum Schutz vor Sturmfluten am tideabhängigenUnterlauf verändern denFlussraum nachhaltig. Auch die heuteangestrebte Ausweitung der Retentionsflächenist eine wasserbautechnischeReaktion auf die Entwicklung derNaturwahrnehmung.Kulturelle FormierungenMit der Freiheit der Schifffahrt etabliertesich die Binnenschifffahrt als Gewerbe.Mit dem staatlichen Regelwerk zurNutzung von Wasserstraßen wurdenInstitutionen eingerichtet, die deren Einhaltungüberwachen. Vergleichbares ist<strong>für</strong> den Schiffbau festzustellen. Mit demRückgang der industriellen Nutzung der18 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Uferbereiche am Ende des 20. Jahrh<strong>und</strong>ertsist eine weitreichende alltagskulturelleHinwendung der Gesellschaftzu diesen „neuen Räumen“ verb<strong>und</strong>en.Sie werden im urbanen Bereich als neueSiedlungs- (Hafencities) oder Freizeitbereiche(Schutzgebiete) erschlossen.Visuelle Prägung <strong>und</strong> ästhetischeWahrnehmungAls in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh<strong>und</strong>ertsdie reale Landschaft in der BildendenKunst Einzug hielt, gewann auchdas Bild von Fließgewässern schnell anBedeutung. Erste Darstellungen, dieder topografischen Erfassung der Flüssefolgten, schufen Topoi, die wir zumTeil noch heute als Inbegriff speziellerRäume kennen. Diese Bilder blieben imkollektiven Gedächtnis erhalten <strong>und</strong>werden heute zur Basis einer neuenWahrnehmung, auch im künstlerischenBereich.Kontakt:Dr. Andreas MartinInstitut <strong>für</strong> Sächsische Geschichte <strong>und</strong>Volksk<strong>und</strong>e (ISGV)Zellescher Weg 1701069 Dresdenmartin@isgv.deProjektgruppe Symposium „Die Elbe– Fluss ohne Grenzen (1815–2015)“:Prof. Dr. Guido Fackler (Universität Würzburg)Prof. Dr. Norbert Fischer (UniversitätHamburg)Dr. Andreas Martin (Institut <strong>für</strong> SächsischeGeschichte <strong>und</strong> Volksk<strong>und</strong>e, Dresden)Prof. Dr. Manfred Seifert (UniversitätMarburg)Homepage zum Symposium:elbe.isgv.deErwünscht sind Vorträge von maximal30 Minuten mit anschließender DiskussionEine Publikation der Beiträge istgeplant.Bitte reichen Sie bis 30. Juni 2014 Arbeitstitel,ein einseitiges Abstract (max.2.500 Zeichen) <strong>und</strong> eine wissenschaftlicheKurzvita ein.Die Niederelbe im Winter auf der Höhedes Altes Landes.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>19


BeiträgeEin F<strong>und</strong>stück zur Acht<strong>und</strong>vierziger Bewegung:Nachlass Rudolf Schleidenvon Peter WulfNachlässe von handelnden Personender geschichtlichen Entwicklung sind <strong>für</strong>den Historiker ertragreiche F<strong>und</strong>gruben:Wichtige Einzelheiten <strong>und</strong> Zusammenhängewerden deutlich, Motive <strong>und</strong> Zieleder Personen lassen sich erschließen,<strong>und</strong> solche Nachlässe enthüllen Dinge,die in amtlichen Zeugnissen so nichtenthalten sind. Dass solche Nachlässemit Vorsicht zu benutzen sind, weiß jederHistoriker allzu gut.Sucht man nach Nachlässen zur Zeit der„Erhebung“, wird man zunächst an dasLandesarchiv Schleswig-Holstein denken.Dort sind die Nachlässe in der Abteilung399 zusammengefasst.Sucht man aus besonderem Interessenach Nachlässen aus der Zeit der „Erhebung“1848/49, so wird man ebenfallsin den Beständen der Abteilung 399des Landesarchivs fündig werden. Dortbefinden sich die Nachlässe oder Nachlassteilevon Repräsentanten der Acht<strong>und</strong>vierziger-Bewegungwie Lorentzen,Rathgen, Reventlou-Preetz, Samwer <strong>und</strong>Michelsen. Aber auch die Bestände derAbteilung 22 (Herzöge von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg/Prinz von Noer) kommen in Betracht.Daneben sind aber auch andere F<strong>und</strong>ortezu erwähnen. Nachlässe oder Nachlassteilevon Repräsentanten der Acht<strong>und</strong>vierziger-Bewegungfinden sich inder Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek(Wilhelm Ahlmann, WilhelmHartwig Beseler) <strong>und</strong> im Stadtarchiv Kiel(Theodor Olshausen).Ein F<strong>und</strong>ort <strong>für</strong> Nachlässe von Repräsentantender Acht<strong>und</strong>vierziger-Bewegung,auf den man nicht so ohne Weiteresaufmerksam würde, ist die UniversitätsbibliothekKiel. Dort befinden sich dieNachlässe von Peter Wilhelm Forchhammer<strong>und</strong> Rudolf Schleiden. Besondersder Nachlass von Rudolf Schleiden ist <strong>für</strong>die Geschichte der „Erhebung“ 1848/49von großer Bedeutung.Rudolf Schleiden, geb. 1815 auf GutAscheberg, gest. 1895 in Freiburg/B.,Jurist, zunächst Amtssekretär in Reinbek,dann stv. Abteilungsleiter („Committirter“)im Generalzollkammer- <strong>und</strong>Commerzcollegium in Kopenhagen.20 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Der jungeRudolf Schleiden um1835. ZeitgenössischeLithographie.Nach dem Regierungsantritt FriedrichsVII. <strong>und</strong> dem Verfassungsentwurf, vorallem aber nach der Bildung des „eiderdänischen“Ministeriums im März1848 entschloss sich Schleiden, seinAmt in dänischen Diensten aufzugeben<strong>und</strong> sich der schleswig-holsteinischenBewegung anzuschließen. Schleidenstellte sich sogleich der „ProvisorischenRegierung“ zur Verfügung. Er ging zunächstim Auftrage der „ProvisorischenRegierung“ nach Frankfurt, schloss sichdem Frankfurter Vorparlament als RepräsentantSchleswig-Holsteins an <strong>und</strong>wurde anschließend in den Fünfziger-Ausschuss gewählt.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Im Mai 1848 wurde Schleiden als NachfolgerFalcks Vertreter der „ProvisorischenRegierung“ bei Preußen in Berlin.Er war entscheidend beteiligt an den außenpolitischenAktivitäten der „ProvisorischenRegierung“ unter Graf Friedrichvon Reventlou-Preetz, vor allem aber anden Verhandlungen über die vorläufigeBeendigung der kriegerischen Handlungenzwischen dem Deutschen B<strong>und</strong> <strong>und</strong>Dänemark im Waffenstillstandsvertragvon Malmö im August 1848.Nach dem Ende der „Provisorischen Regierung“im Oktober 1848 war er seitMärz 1849 im Dienste der Statthalterschafterneut in außenpolitischen Angelegenheitentätig. Im Zuge der Wiedererrichtungder dänischen Herrschaft21


Rudolph Schleidenum 1890 nach einerPhotographie.wurde er im Frühjahr 1852 als „Aufrührer“von den Dänen aus Schleswig-Holsteinausgewiesen.Anschließend war Schleiden im diplomatischenDienst der Hansestädte Bremen<strong>und</strong> Hamburg tätig <strong>und</strong> wurdedann als Abgeordneter in den Reichstaggewählt. Schleiden starb am 15. Februar1895 in Freiburg/B.Schleiden hat einen umfangreichenNachlass hinterlassen, in dessen Materialdie Politik der Acht<strong>und</strong>vierziger-Bewegung sich deutlich abbildet. Eingroßer Teilbestand umfasst die Aktenaus der Zeit der „Provisorischen Regierung“(Berichte aus Frankfurt <strong>und</strong> Berlin,Materialien zu den Waffenstillstandsverhandlungenvon Malmö) sowie aus derZeit der Statthalterschaft. Ein weitererumfangreicher Teilbestand sind die Brie-22 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


fe an Schleiden ( u.a. Beseler, Reventlou-Preetz, Balemann, Lorentzen) <strong>und</strong> dieKonzepte <strong>und</strong> Abschriften von Briefen,die Schleiden selbst an Andere gerichtethat ( u.a. an Balemann). Eingeschlossenin den Nachlass Schleiden ist der Teilnachlassvon Balemann mit Briefen anBalemann (Reventlou-Preetz <strong>und</strong> Falck).Interessant ist auch eine AusarbeitungSchleidens aus seiner KopenhagenerZeit mit dem Titel: „Die commerciellenVerhältnisse der Herzogtümer Schleswig-Holstein1834/43“.Der gesamte Nachlass ist natürlich nurhandschriftlich erhalten; der Erhaltungszustand<strong>und</strong> die Erschließung sind gut.Zum großen Teil sind es jedoch ausgeprägteHandschriften, die nicht ohneWeiteres zu lesen sind <strong>und</strong> mühevollentziffert werden müssen. Dies ist wohlauch der Gr<strong>und</strong>, warum der NachlassSchleiden in der landesgeschichtlichenForschung bisher so wenig beachtetworden ist.Eine Hilfe sind die von Rudolf Schleidenselbst herausgegebenen „Aktenstückezur neuesten schleswig-holsteinischenGeschichte“, 3 Hefte, Leipzig 1851/52, indenen viele politische Berichte vor allemaus der Berliner Zeit abgedruckt sind.So wartet der Nachlass Rudolf Schleidennoch auf seine angemessene Beachtung.Zu Rudolph Schleiden vgl. auch:Detlef Siemen: Festungshaft <strong>für</strong> RudolphSchleiden. studentische Duelle im 19.Jahrh<strong>und</strong>ert. In: Mitteilungen der GSHG76, April 2009, S, 3-16.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>23


Ertragsfältigkeit in vorindustrieller Zeit (1500-1850)von Klaus-J. Lorenzen-Schmidt0. EinleitungIn der kaum noch existenten schleswig-holsteinischenAgrargeschichtsforschungwerden viele Fragen nicht gestellt.Obwohl sich ein erheblicher Teil derBevölkerung des Landes noch immer ineinem Agrarland wohnend wähnt, wozusicher auch die Selbstinszenierung derTourismusverbände <strong>und</strong> der im Landeagierenden Zeitungen mit ihren Rapsfelder-Bildernbeiträgt, ist die Bedeutungder Landwirtschaft aus volkswirtschaftlicherPerspektive fast verschwindendgering geworden. Seit 1945 sind mehrals 50 % der landwirtschaftlichen Betriebeaus der Produktion gegangen.Die heutigen Dörfer des Landes werdenmehrheitlich von Nicht-Landwirten <strong>und</strong>Menschen, die mit der Agrarproduktionüberhaupt nicht mehr verb<strong>und</strong>en sind,bewohnt. Gleichwohl befindet mansich in weiten Teilen des Landes in einerAgrarlandschaft – egal ob es sich umRaps-, Getreide- oder Kartoffeläcker, umWiesen <strong>und</strong> Weiden, um Nutzwald oderStilllegungsflächen handelt. Vor diesemzwiespältigen Hintergr<strong>und</strong> ist es nichtverw<strong>und</strong>erlich, dass Agrargeschichte aufder Landesebene kaum eine Rolle spielt.Gelegentlich kommt da mal eine Dissertationoder Habilitationsschrift zum Vorschein;kaum gibt es selbständige Publikationenzum Thema außer gefühligenBildbänden, mit denen das romantischeAlte verklärt 1 oder die fremde Welt dereinstigen Agrarproduktion (allerdingserst seit der Nutzung der Fotografie)scheinbar authentisch 2 vorgeführt wird.Eine Agrargeschichte, die etwa demStandard der dänischen Agrargeschichte<strong>für</strong> Schleswig 3 entspräche, fehlt <strong>und</strong>ist auch in Zukunft nicht zu erwarten,denn es scheint sich derzeit niemand<strong>für</strong> die Geschichte der Landwirtschaft zuinteressieren. Niemand? Das dann dochwohl nicht, denn die Ortsgeschichtsschreibermüssen sich notgedrungenmit der Agrargeschichte befassen, weilder längste Teil der erfassbaren Geschichteder Landgemeinden sich jaunter ökonomischer Dominanz desAgrarsektors abspielt. Aber die ländlicheOrtsgeschichte kann sich in ganz unterschiedlicherWeise der Agrargeschichtenähern – eher kursorisch <strong>und</strong> auf Überblickerekurrierend oder ins Einzelnegehend, nach den Quellen der Landes<strong>und</strong>Gr<strong>und</strong>herrschaft oder gar bis aufdie gemeindliche <strong>und</strong> noch tiefer aufdie einzelbetriebliche Ebene schauend.Eine Durchsicht der älteren <strong>und</strong> jüngeren„Dorfgeschichtsschreibung“ zeigtein nach Interessenlage, Fleiß, Durchdringungsvermögender Quellen völlig24 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


disparates Bild. Jedes Dorf wird selbst imeingeschränkten Bereich der Landwirtschaft(Wohnen, Ackerbau, Viehhaltung<strong>und</strong> Weidewirtschaft, Arbeitsvorgänge,Betriebswirtschaft, Brauchtum etc.) andersbeschrieben, <strong>und</strong> die Entwicklungenwerden zumeist ohne Einbettungin übergreifende Strukturen <strong>und</strong> derenWandlungen dargestellt. Die vielenDorfgeschichten stellen somit eher einenMaterialsteinbruch dar, aus demsich die Agrarhistoriker bedienen können.Selten nur gehen sie einer anderenFragestellung nach als der – um mitRanke zu sprechen – „wie es eigentlichgewesen“. 4Dabei sind die gr<strong>und</strong>legenden Wandlungender Landwirtschaft zwischen Hochmittelalter<strong>und</strong> Neuzeit in der GeschichteSchleswig-Holsteins an vielen Stellendurchaus unklar. Die meisten Impulse zurUntersuchung bestimmter Fragestellungenkamen überdies nicht aus dem Landeselbst, sondern von außerhalb. So istetwa die Frage nach der Bedeutung derWüstungen des Spätmittelalters (insbesondereab etwa 1350) nur aufgr<strong>und</strong>von Anregungen durch Wilhelm AbelsForschungen auch im Lande behandeltworden. 5 Auch die Frage nach derEntstehung der Leibeigenschaft in denostholsteinischen <strong>und</strong> -schleswigschenGutsbezirken stellten zunächst Forscherin anderen Regionen. 6 Andererseits legteW. Prange eine bahnbrechende (<strong>und</strong>leider in anderen Regionen zu wenigbeachtete) Studie über die Anfänge dergroßen Agrarreformen (Verkoppelung,Aufhebung der Leibeigenschaft) vor. 7Zu den gr<strong>und</strong>legenden Desideraten<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>der Landesgeschichte gehört also aucheine zusammenhängende Darstellungder agrarwirtschaftlichen Entwicklung.Und in diesen Themenkomplex gehörtwiederum eine Untersuchung eines derkitzligsten Themen selbst der nationalenoder mitteleuropäischen Agrargeschichte:die Ermittlung von Aussaat-Ernte-Relationen(die sog. Ertragsfältigkeit des Akkerbaus).Denn nur mit genauer Kenntnisdes Wandels dieser Relation lässt sich imWesentlichen der agrarische Fortschrittbis hin zur Überproduktion unserer Tageerkennen <strong>und</strong> exakt bestimmen. Es istaber klar, dass die Herzogtümer Schleswig<strong>und</strong> Holstein im mitteleuropäischenVergleich zu den bevorzugten Getreidebauzonengehörten, auch wenn esandernorts sehr gute Ackerböden (etwadie Hildesheimer, Braunschweiger <strong>und</strong>Magdeburger Lössbörden <strong>und</strong> die Lösszonendes Rheinlandes, die LehmbödenOstwestfalens, des Münsterlandes <strong>und</strong>des Niederrheingebietes sowie die See<strong>und</strong>Flussmarschen Niedersachsen) gibt.In den Herzogtümern war der Anteilfruchtbarer Böden relativ hoch; aus denFluss- <strong>und</strong> Seemarschen konnten bereitsseit dem Hochmittelalter, aus den östlichenLandesteilen seit dem SpätmittelalterAgrarprodukte in großem Umfangexportiert werden, darunter insbesondereGetreide.1. Was ist Ertragsfältigkeit?Als Ertragsfältigkeit wird der Ernteertragpro Aussaateinheit bei Feldfrüchten bezeichnet.Die meisten uns bekanntenFrüchte <strong>und</strong> Lebewesen weisen eineüber die schlichte Reproduktion ihrer25


selbst hinausgehende Vermehrung auf.Nur dieser Umstand macht überhauptLandwirtschaft möglich, denn das Zielvon Landwirtschaft ist Ernährungssicherungin der Zukunft. Wird mit einerReproduktionseinheit nur jeweils eineweitere Reproduktionseinheit geschaffen,dann würde jede Vernichtung durchVerwendung zu Lebensmitteln <strong>und</strong>Verdauung den vorhandenen Bestanddezimieren <strong>und</strong> schließlich zum Aussterbenbringen. Erst der Umstand, dassein Grashalm mehrere neue Grassamenträgt, aus denen wieder mehrere Grashalmewachsen können, macht es sinnvoll,beim Verzehr von zucker-, stärke<strong>und</strong> fetthaltigen Samen, die ihrerseitsdie Anlage eines Keimes in sich tragen,einige Samen aufzubewahren, um ausihnen wieder mehrere ernährungs- <strong>und</strong>aussaatrelevante Samen zu gewinnen. Inder jahrtausendelangen Geschichte derLandwirtschaft war es das Bestreben derMenschen, den Ertrag zu steigern. Damitsollte nicht nur der in der Ernte gewonneneVorrat <strong>für</strong> die Jahreszeiten ohneErnte vermehrt, sondern auch eine längerfristigeVorratshaltung, etwa <strong>für</strong> Jahremit ganz ausgefallenen oder schlechtenErnten ermöglicht werden.War über sehr lange Zeit nur eine ungesteuerte,zufällige Ertragssteigerungmöglich, so wurde in den letzten 500Jahren, insbesondere aber seit Einsetzender naturwissenschaftlichen Beschäftigungmit der Flora (Biologie, Chemie)in den letzten 180 Jahren eine gezielteSteigerung des Pflanzenertrags möglich.Dass Erkenntnisse aus der Genetik dabeieine besondere Rolle spielten <strong>und</strong> denImpuls <strong>für</strong> zielgerichtete Züchtungen gaben(Gregor Mendel seit 1866, rezipiertum 1900), bedeutete den Durchbruchder Pflanzengenetik <strong>und</strong> öffnete <strong>für</strong> dieVermehrung der Pflanzenproduktionenorme Möglichkeiten. Heute stellt diePflanzengenetik vor allem wegen derGenmanipulationen <strong>und</strong> Bereitstellunghybrider Sorten ein stark umstrittenesGebiet der Agrarforschung dar. Doch istnicht nur die Züchtung leistungsfähigererSorten <strong>für</strong> die Ertragssteigerung verantwortlich;es gibt eine Reihe weitererDeterminanten <strong>für</strong> erfolgreichen Ackerbau.2. Determinanten der Ertragsfältigkeit 82.1 Halme pro Pflanze <strong>und</strong> Körnerzahlpro Halm/ÄhreNormalerweise treibt ein Saatkorn derhier in Frage kommenden KulturpflanzenWeizen, Gerste, Roggen <strong>und</strong> Hafermehrere Ähren tragende Halme.Die heute im Gebrauch herkömmlichenGetreidesorten unterscheiden sich inFolge von Hochzüchtungen hinsichtlichder Körnerzahl pro Ähre erheblichvon den im Mittelalter <strong>und</strong> der FrühenNeuzeit eingesetzten Pflanzen. Siehatten zwar auch schon eine gewisseZuchtphase hinter sich, doch erstrecktedie sich über mehrere tausend Jahre.Ackerbau wird im Gebiet des heutigenSchleswig-Holstein seit etwa 6500 Jahrenbetrieben. Dem zunächst eingesetztenEmmer (eine Vorform des Weizens)stellte sich vor etwa 5000 Jahren Gerste<strong>und</strong> Hirse an die Seite; auch Hafer wurdeangebaut, erlebte seinen Durchbruch26 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


jedoch erst in der römischen Kaiserzeit(0-400 n.Chr.). Mit den in historischerZeit angebauten Getreidesorten hattedie Bevölkerung also schon lange Erfahrung.Die alten Sorten hatten keine sogroße Körnerzahl pro Ähre – allerdingsfehlen Erkenntnisse über die Varianzenim Mittelalter <strong>und</strong> in der frühen Neuzeit.Die Körnerzahl pro Ähre wird durch denErfolg der Selbstbefruchtung (Autogamie)bestimmt, der u.a. von klimatischenBedingungen abhängig ist. So kann esausschließlich durch biologische <strong>und</strong>klimatische Einflüsse zu einer beträchtlichenVarianz von Halmen <strong>und</strong> Körnernpro Ähre kommen. Beispielsweise weisenheutige Sortenversuche (2004-2012)in Nordrhein-Westfalen (vergleichbareAngaben fehlen <strong>für</strong> Schleswig-Holstein)trotz aller ackerbautechnischen Bemühungenimmer noch starke Varianzenauf:ner Humus. An sich sind alle vier Artenwenig fruchtbar – erst in ihrer Mischungergeben sie ackerbaufähige Böden. Diebeste Ackerbaukrume bietet der Lehmboden.Er besteht aus Ton (wenigstens20 %) <strong>und</strong> Sand <strong>und</strong> weist eine von Eisenoxidherrührende gelbe Farbe auf.Steigt der Tonanteil auf 40-50 %, sprichtman von schwerem Lehm; sinkt der Tonanteilauf 30-40 % nennt man ihn mildenLehm. – Tonböden enthalten 50 %oder mehr Ton, sind zähe <strong>und</strong> nehmenviel Wasser auf. – Reine Kalkböden bestehennur aus kohlensaurem Kalk. Mergelist ein Boden mit hohem Anteil anKalk. – Sandböden enthalten 80-100 %Quarzsand <strong>und</strong> sind die leichtesten Böden.– Humusböden bestehen aus verwesendenPflanzen <strong>und</strong> Tieren; in ihnengibt es reiche Bakterienkulturen. So wiesich der Lehm aus Ton <strong>und</strong> Sand zusammensetzt,sind auch die anderen BödenGemische mit verschieden großen Anteilen.So gibt es humosen oder kalkhaltigenSand, Sand- oder Tonmergel, 92.2 BodenqualitätDie Landwirtschaftslehre unterscheidetgrob vier Arten von Böden; es sind reinerTon, reiner Sand, reiner Kalk <strong>und</strong> rei-<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>kalkhaltigen <strong>und</strong> humosen Ton, tonigenoder sandigen Humus.Der schleswig-holsteinische Boden 10 istbekanntlich in den drei großen Land-27


schaftszonen Hügelland, Geest <strong>und</strong>Marsch unterschiedlich. Dominiert imöstlichen Hügelland kalkhaltiger Boden(oft in lehmiger Form als Geschiebemergel),so herrscht auf dem Geest-MittelrükkenGeschiebesand in unterschiedlichenKorngrößen vor. Die Marsch besteht ausmarinen <strong>und</strong> fluviatilen Sedimentenmit überwiegend feinen Korngrößen; jenach Anteilen kalkliefernder Tiere (z.B.von Muschelbänken) kann der Kalkanteilbeträchtlich sein. So ist es im Großen<strong>und</strong> Ganzen – doch weist jede derLandschaftszonen wieder beträchtlicheDifferenzierungen auf. So hat die Geestzwei verschiedene Entstehungszeiträume:Während der Hohe Geest (zumeistam Westrand des Mittelrückens) aus Moränender vorletzten Vereisung besteht,hat sich die Vorgeest oder Sandergeestaus den Sandausschwemmungen derabschmelzenden Gletscher gebildet.Beide Böden unterscheiden sich qualitativstark – die Hohe Geest hat stärkereKalkanteile <strong>und</strong> ist daher fruchtbarer.Die erheblichen Meliorationsanstrengungender Zeit nach 1870 haben dieBodenqualität zum Teil massiv verändert– zu denken ist etwa an die Inwertsetzungder Moore <strong>und</strong> Heiden auf demMittelrücken. Gleichwohl lässt sich anhandder Reichsbodenschätzung eindem Zustand um 1500 entsprechendesBild gewinnen. Deutlich sichtbar sinddie von der Natur bevorzugten Bödenim Westen <strong>und</strong> Osten des Landes, vondem sich der benachteiligte Mittelrükkenabsetzt. Verständlich wird damit diehistorisch gewachsene Vorherrschaftdes Adels in den im 12. Jahrh<strong>und</strong>erteroberten ostholsteinischen Gebieten(Gr<strong>und</strong>herrschaften, später Güter aufguten bis sehr guten Böden) wie auchim ostschleswigschen Gebiet. Und ingewisser Weise erklärt sich damit auchdie Marschenbesiedlung des 10. bis 13.Jahrh<strong>und</strong>erts, die wohl zunächst unterAdelsleitung von statten ging; erst späterwurde hier der Adel durch kräftigegenossenschaftliche Gemeindbildungver- oder zurückgedrängt.(vgl. Abb. 1 S. 26-27)2.3 BodenbearbeitungUm einen guten Aufgang der Saat zuerreichen, muss der Boden möglichstfeinkrümelig sein. Denn nur so könnendie Keime die löslichen Nährstoffe desBodens aufnehmen. Das bedeutet, dassdie Aussichten <strong>für</strong> die Anwurzelung einesGetreidekornes mit der Qualität derBodenbearbeitung – zumeist Pflügen<strong>und</strong> Eggen – steigen. Je besser das Saatbeetdem Korn die Nahrungsaufnahmegestattet, desto eher kann sich eineneue Pflanze entwickeln <strong>und</strong> wiederumFrucht tragen.Pflügen mit dem im späteren sächsischenAltsiedelland wohl schon in derrömischen Kaiserzeit (0-300 n. Chr.)verwendeten Wendepflug 12 schuf <strong>für</strong>die Mikrovegetation im Boden durchAuflockerung <strong>und</strong> Durchmischung guteVoraussetzungen. Der Wendepflug mitPferdebespannung hat deshalb den(von den Slawen noch längere Zeit verwendeten)Haken, der den Boden nuraufreißt, rasch verdrängen können. Auchdie Zinkenegge dürfte bereits am Endeder Antike eingesetzt worden sein.28 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Kleinere Parzellen lassen sich auch mitden bereits im 3. Jahrh<strong>und</strong>ert nachweisbarenHacken oder Spaten bearbeiten.Beide Bodenbearbeitungsgeräte dürftenaber vor allem in Gärten angewendetworden sein – <strong>und</strong> spätere Gartenkulturen(wie in den 1615 eingedeichtenWildnissen vor Glückstadt) haben dannauf sehr kleinen Stellen (1-3 ha) denSpaten zum wichtigsten Bodenbearbeitungsgerätgemacht, auch weil die sehrkleinen Stellen Zugpferdehaltung nichtzuließen.2.4 AussaatmethodeDie ursprüngliche Form der Saat ist dieBreitsaat, bei der mit der Hand die Saatkörnerim Schwung ausgestreut werden.Diese Methode hat sich in Schleswig-Holsteinsehr lange (bis weit in das20. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein) gehalten. Reihen-oder Drillsaat war erst nach Konstruktioneiner einsatzfähigen Drillmaschinedurch den Engländer Jethro Tull(1674-1741) im Jahre 1708 möglich. Dasgegenüber der Breitsaat etwa 30 % derSaatmenge einsparende Drillen wurdezwar in Schleswig-Holstein ganz vereinzeltbereits in der zweiten Hälfte des 19.Jahrh<strong>und</strong>erts angewendet, hat sich aber– insbesondere bei Feldbohnen <strong>und</strong> Erbsen– erst ab Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>ertsdurchgesetzt. Diese Art der Reihensaaterfordert eine ganz besonders sorgfältigeVorbereitung des Saatbeetes. Bei derBreitsaat, die zumeist Aufgabe des Bauernwar (<strong>und</strong> selbst bei herrenmäßigemsonstigen Verhalten etwa der Marschbauernauch bis zur Verbreitung derDrillmaschinen blieb), ist die Ablage deseinzelnen Saatkornes eher zufällig. Es<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>muss also damit gerechnet werden, dassnicht alle Samenkörner einen geeignetenOrt zum Wurzeln finden. Überdiesbieten die offen auf der Ackeroberflächeliegenden Saatkörner ein verlockendesNahrungsangebot <strong>für</strong> Vögel; beim Drillenwerden die Saatkörner hingegen inden Boden gebracht.2.5 Bodenverbesserung/DüngungNährstoffarme Böden bedürfen, wennsie ertragreich <strong>für</strong> Getreide- oder allgemeinenFeldfruchtbau verwendet werdensollen, der Düngung, d.h. vor allemder Zufuhr von Kalk <strong>und</strong> Stickstoffen.Die natürlichste Form der Bodenverbesserungdurch Düngung geschieht durchdie Einbringung von organischem Material.Die Abschälung von Grassoden <strong>und</strong>Heideplaggen <strong>und</strong> deren Verteilungbzw. Einarbeitung in die künftige Ackerkrumedürfte neben der Einbringungvon tierischen <strong>und</strong> menschlichen Fäkalien,durchmischt mit vegetabilischenElementen (also: Mist) die früheste Formder Ackerverbesserung gewesen sein.Allerdings ist bei eher geringer Viehhaltungpro Stelle der Dunganfall nichtbesonders groß, so dass bis um 1600wohl kein Hof auf dem Mittelrücken ausschließlichmit wirtschaftseigenem Düngereine Bodenverbesserung erreichthaben dürfte. Der Plaggenhau führteaber zu einer stärkeren Entblößung derdurch Heide überwachsenen Sanderflächen<strong>und</strong> langfristig zu Flugsandwüstenvon beträchtlichen Ausmaßen. 13Die in den Marschen <strong>für</strong> die Nutzung derFlächen notwendigen Entwässerungssystemefanden erst relativ spät im 18.29


Abb. 1:Bodenqualitäten in Schleswig-Holstein nach derReichsbodenschätzung 1130 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>31


Jahrh<strong>und</strong>ert auch Nachahmung in geringbis stark reliefierten Zonen des Landes.Denn hier konnte stauende Nässezu relativ starker Beeinträchtigung desAckerbaus führen. In Ostholstein ist dieAufstauung von Oberflächenwasser <strong>für</strong>mehrere Jahre zu (Fisch-)Teichen dannaber im 18. <strong>und</strong> beginnenden 19. Jahrh<strong>und</strong>ertsystematisch betrieben worden.Nach ein paar Jahren konnte dannin den Sedimenten der abgelassenenTeiche mit relativ großer Ertragssteigerungder sog. Falghafer (von Fallig = Brache)eingesät werden.Den Verlust von Ackerfläche durch Anlagevon Entwässerungsgräben (in denMarschen etwa 10 % der Betriebsflächen)konnte man durch Röhrendrainagenumgehen – doch sind die erstenDrainagen erst in den 1840er Jahreneingesetzt worden, so auf Seekamp imDänischen Wohld 1846.2.6 Klimatische Einflüsse(Regen, Frost, Dürre)Das Klima ist von entscheidender Bedeutung<strong>für</strong> den Pflanzenbau, denn nurgenügendes Licht lässt Photosynthese<strong>und</strong> damit Pflanzenwachstum zu. Undnur genügende Feuchtigkeit machtPflanzenbau möglich. Licht stammt vonder Sonne, die eben auch Wärme spendet– ebenfalls <strong>für</strong> Pflanzenwachstumbedeutungsvoll.Im heutigen Schleswig-Holstein habenwir ein Klima gemäßigter Ozeanität, 14das vor allem durch die Auswirkungendes Azorenhochs, des Russlandhochs<strong>und</strong> der subpolaren Tiefdruckrinne beeinflusstwird. Auch das relativ geringeRelief <strong>und</strong> die beiden Wassermassenvon Ost- <strong>und</strong> Nordsee wirken sich beträchtlichaus. Es fallen bei vorherrschendenWestwinden genügend <strong>und</strong> überdas ganze Jahr verteilte Niederschläge(durchschnittlich 750 mm jährlich), sodass ausgesprochene Trockenzeitenfehlen. Der Temperaturverlauf über dasJahr kennt keine extremen Werte <strong>und</strong> istdurch eine lange frostfreie Periode gekennzeichnet.Obwohl die Gr<strong>und</strong>bedingungen des Klimasdem Ackerbau in historischer Zeitimmer günstig waren, gab es doch Jahreoder Perioden, in denen sich einzelneKlimaelemente kurz- oder auch langfristigveränderten. Zu den längerfristigenVeränderungen zählen die Warmzeitdes Hochmittelalters <strong>und</strong> die Kaltzeitdes Spätmittelalters. Zu den kurzfristigenEreignissen zählen ausbleibendeNiederschläge (Dürre), zu starke <strong>und</strong> anhaltendeNiederschläge (Regen, Hagel)oder zu starker <strong>und</strong> anhaltender Frost.Alle diese klimatischen Ereignisse oderStrukturverschiebungen nehmen Einflussauf die Erträge des Ackerbaus. Sostellt, sobald Wintersaat verwendet wird,das Auswintern ein Problem dar; hierbeierfrieren die jungen Pflanzen nicht,sondern die Wurzeln werden durch denFrost aus dem Boden gedrückt, was zurVertrocknung der Pflanzen führt.Eine Klimageschichte Schleswig-Holsteinsist bislang nicht geschrieben worden.Schriftquellen dazu liegen allerdings<strong>für</strong> die vorindustrielle Zeit kaumin genügender Dichte vor. Hier sind vorallem naturwissenschaftliche Zugänge –32 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


in Zeiten des mutmaßlichen Klimawandelsunserer Tage breiter <strong>und</strong> mit immerdifferenzierteren Methoden entwickelt– gefragt.2.7 NahrungskonkurrentenNahrungskonkurrenten (vulgo „Schädlinge“)traten oft <strong>und</strong> zahlreich auf. In ersterLinie <strong>für</strong>chteten die Bauern vergangenerJahrh<strong>und</strong>erte die Feldmaus, diesich in manchen Jahren massenhaft vermehrte<strong>und</strong> ein echtes Problem darstellte.Auch Vögel stellen eine Bedrohungdes Saatguts <strong>und</strong> der Pflanzen dar; hiersind in erster Linie Spatzen <strong>und</strong> Feldkrähenzu nennen. Vor allem aber machenInsekten den Feldfrüchten zu schaffen.Dazu gehören verschiedene Fliegen,Motten <strong>und</strong> Käfer sowie Erdflöhe. Raupen<strong>und</strong> Larven von Schmetterlingensind ebenfalls zu den Schädlingen zurechnen. Die einst massiv auftretendenMaikäfer sind weniger schädlich als ihreVorstufe, die Engerlinge, die insbesondereWurzelschädigungen hervorrufen.Wildschweine <strong>und</strong> Hochwild (Rehe, Hirsche)stellen ebenfalls Nahrungskonkurrentendar. Während sie durch Bejagungbis zur Ausrottung zurückgedrängt werdenkönnen, 15 sind die eingangs genanntenSchädlinge in der Zeit vor derchemischen Bekämpfung (sprich: Vergiftung)kaum effektiv zu bekämpfen.2.8 Unkraut<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>In der Ackerbaulehre unterscheidet manSamen- <strong>und</strong> Wurzelunkräuter. Zu denSamenunkräutern gehören Klatschmohn,Hederich, Diestel, Vogelmiere,Feldkamille, Saatwucherblume, Kornblume,Löwenzahn, Ackerwinde, Melde,Knöterich, Wildhafer, Trespe, Franzosenkraut;zu den Wurzelunkräutern werdenQuecke, Ackerdiestel, Acker- <strong>und</strong> Sumpfschachtelhalm(Duwock), Herbstzeitlose,Huflattich, Gifthahnenfuß <strong>und</strong> Wasserschierlinggezählt. Die Unkräuter sindselbstverständlich Nährstoffkonkurrenten<strong>für</strong> die Feldfrüchte. Sie können durchihr Wachstum das der Nutzpflanzen beeinträchtigen<strong>und</strong> diese sogar „erdrükken“.Deshalb gilt der Kampf des Landwirtsden ungeliebten „unnützen“ Pflanzendes Ackers durch Hacken <strong>und</strong> Jäten. Insbesonderedas Diestelstechen ist nochbis weit in das 20. Jahrh<strong>und</strong>ert hineineine der ungeliebten Arbeiten in Ackerbaubetriebengewesen. Je mehr sichallerdings das Drillen durchsetzte, destoeher konnte man die mechanischeUnkrautbekämpfung auch maschinelldurchführen.Die Verbreitung von Unkräutern erfuhrBekämpfung durch das Aussieben derSaat, was seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrh<strong>und</strong>erts durch die Windfege, dieu.a. Unkrautsamen von Saatgut trennenließ, recht gut möglich war. So wurdedie ständige Wiederaussaat der Unkräuterbehindert, ließ sich aber nicht verhindern.Die noch heute gelegentlichsichtbaren (<strong>und</strong> von Nicht-Landwirtenals schön empf<strong>und</strong>enen) AckerunkräuterKlatschmohn, Kornblume <strong>und</strong> Feldkamillezeigen, dass es auch in Zeitenmassiven Herbizideinsatzes nicht überallgelingt, die Nährstoffkonkurrentenauszurotten.33


2.9 PilzeBei dem durchschnittlich feuchten <strong>und</strong>nicht besonders kalten Klima Schleswig-Holsteins ist die Verbreitung von Pilzenvöllig normal. Mehrere Pilzarten sind<strong>für</strong> die Feldfrüchte relevant; Getreidewird vom Brand, Mutterkorn, Mehltau<strong>und</strong> Rost befallen. Die erst nach 1750 imLande vereinzelt angebauten Kartoffelnkönnen die sog. Kartoffelfäule zeigen.Bei Kohl macht die Hernie dem Landwirtzu schaffen. Alle diese Pilze störendie Entwicklung der Pflanzen <strong>und</strong> vernichtensie ganz oder teilweise. Vor Entwicklungder modernen chemischenFungizide wurde das Beizen (schon imMittelalter mit Jauche, ab etwa 1660mit Glaubersalz <strong>und</strong> Kupfer sowie ab1750 mit Kupfervitriol <strong>und</strong> Arsen, späterQuecksilber) als vorbereitende Abwehrmaßnahmeangewandt, sonst kann dieAbwehr nur durch manuelles Absammelnbetroffener Früchte (z.B. bei Mutterkorn)oder Entfernen betroffenerPflanzen erfolgen, was allerdings kaumje die Pilzsporen <strong>und</strong> Mycele beseitigt<strong>und</strong> einen enormen Arbeitsaufwand bedeutet.Über lange Zeit wurde etwa dasgiftige Mutterkorn gar nicht als Auslöserdes sog. Antoniusfeuers oder Veitstanzeserkannt – <strong>und</strong> konnte so in Getreidemehl<strong>und</strong> in den verzehr geraten … mitden bekannten Folgen, denen sich imSpätmittelalter die Orden der Antoniter(in Schleswig in der Präzeptorei Mohrkirch)widmete.3. Bodenqualitäten <strong>und</strong> DüngungDass Schleswig-Holstein ein naturräumlichstark gegliedertes Gebiet ist,ist jedem landesk<strong>und</strong>lich Interessiertenklar. Die drei großen heutigen LandschaftszonenMarsch, Geest <strong>und</strong> ÖstlichesHügelland verdanken ihre Entstehungden Vorgängen der vorletzten<strong>und</strong> letzten Eiszeit sowie der holozänenMeeresschwankungen. Die Geest mussdabei nach hoher <strong>und</strong> Sandergeest unterschiedenwerden; erstere stellt dieüberformten Relikte der Moränen dervorletzten Eiszeit dar, während letzteredurch die Sandauswaschungen <strong>und</strong> -ablagerungendes Gletscherrückzugs, derdie Jungmoränen des östlichen Landesteilsschuf, hervorgerufen wurden.Alle drei Landschaftszonen weisen unterschiedlicheWachstumsbedingungen<strong>für</strong> die Vegetation auf. Das Östliche Hügellandist aufgr<strong>und</strong> seiner feinkörnigen<strong>und</strong> kalkhaltigen Bodenstruktur sehrfruchtbar; die Sandergeest des Mittelrükkensstellt den nährstoffärmsten Bodendar; die Fluss <strong>und</strong> Seemarschen, die ausfluviatilen <strong>und</strong> marinen Sedimenten bestehen,sind aufgr<strong>und</strong> ihres Kalkgehalts<strong>und</strong> ihrer organischen Bestandteile wiedersehr fruchtbar. Auf der nährstoffarmenSandergeest haben sich einerseitsbis um 1750 große Heideflächen gebildet(der Grad des anthropogenen Einflussesauf diesen Prozess ist umstritten), dieerst unter Bedingungen des dampfmaschinen-<strong>und</strong> explosionsmotorbestimmtenLandbaus der Kaiser- <strong>und</strong> Folgezeitin Kultur gebracht (Tiefpflügen) werdenkonnten. Andererseits entstanden hierdurch Stauwässer große Hoch- <strong>und</strong> Nie-34 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


derungsmoorgebiete, deren Kultivierungseit 1760 betrieben wurde.Die nährstoffarmen Böden des Mittelrückenskonnten nur durch Zufügungvon Dünger <strong>für</strong> den ausreichendenPflanzenertrag erschlossen werden. Derwirtschaftseigene Dünger (menschliche<strong>und</strong> tierische Exkremente vermengt mitorganischen Abfällen wie Streu, Laub,Späne etc.) reichte kaum aus, um mehrals geringe Nährstoffzufuhr zu gewährleisten;das Brennen von Stroh – nurangezeigt, solange das Stroh nicht <strong>für</strong>vermehrte Rindviehhaltung benötigtwurde – konnte den Nährstoffentzugdurch Pflanzenbau ebenfalls nur unzureichendersetzen. Die Mergelung, abetwa 1770 in Süderdithmarschen vonParren Drews, dann auch in der Probstei(Adam Schneekloth) zuerst angewandt,stellte eine natürliche Form von Kalkdüngungdar <strong>und</strong> wurde relativ raschin weiten Teilen der Herzogtümer rezipiert.Nicht überall war aber leicht anden Mergel zu kommen, so dass vielerortsder hohe Arbeitskraftaufwand gescheutwurde. Auf der schleswigschenGeest wurde erst in den 1920er Jahrenz. T. maschinell geförderter Mergel ausgebracht.Handels- <strong>und</strong> Kunstdüngerstanden erst nach 1850 zur Verfügung,waren aber teuer. 16In den Marschen wurde die natürlicheBodenfruchtbarkeit durch die in bestimmtemTurnus durchgeführte Reinigung(Kleien) der Entwässerungsläufegewährleistet; der feinmineralische<strong>und</strong> vegetabilische Aushub wurde aufden Ackerbeeten verteilt <strong>und</strong> nach derBrachzeit eingearbeitet.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Auch wenn die Bedeutung der Zufuhrvon Düngemitteln <strong>für</strong> die Ackernutzungbereits seit langem bekannt war, fielendoch in den zumeist nur mit geringenViehbeständen ausgestatteten Bauernstellendes Mittelalters <strong>und</strong> der FrühenNeuzeit im Verhältnis zur Ackerflächenur wenig Exkremente an, die die Gr<strong>und</strong>lage<strong>für</strong> Mist boten. Gleichwohl gehörtein historischen Zeiten der in Zeiten derStallhaltung des Viehs aufgehäufte Mistin Form des Misthaufens zum Erscheinungsbildnicht nur der Bauernstelle,sondern auch zahlreicher Stadthäuser,denn Viehhaltung war bis weit in dieNeuzeit hinein kein ausschließlich ländlichesPhänomen. Erst die Einrichtungvon Holländereien im Rahmen der Gutsbetriebedes östlichen Landesteils schufdann große Dungmengen. Diese konntenaber aufgr<strong>und</strong> fehlender Transportkapazitätenbzw. zu hoher Transportkostennicht dorthin gebracht werden,wo sie am ehesten gebraucht wurden:die Ackerflächen des Mittelrückens. EineDiskussion über Dung- oder Misthandelfand bis weit in das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert nichtstatt. Wohl aber wurde der Straßenkehricht(„Gassenkummer“) der größerenStädte Lübeck <strong>und</strong> Hamburg, da er ohnehinaus der Stadt geschafft wurde, inden stadtnahen Gemüseanbauzonenzur Stickstoff- <strong>und</strong> Mineralanreicherungder gärtnerischen Betriebe verwendet(wenn er nicht wie in Hamburg bis in das18. Jahrh<strong>und</strong>ert weitgehend ungenutztauf dem Messberg = Mistberg vor denStadtwällen im Südosten vor sich hinrottete).35


4. Die Quellen <strong>und</strong> ihre ZuverlässigkeitDie zuverlässigste Angabe <strong>für</strong> die Ertragsfältigkeitentstünde, wenn ein Landwirt<strong>für</strong> ein bestimmtes <strong>und</strong> bezeichnetesAckerstück in vieljähriger Folge Notizenüber die genauen Aussaat- <strong>und</strong>Erntemengen niederlegte. Solche ArtAufzeichnungen sind aber angesichtseiner in die zehntausende gehendenMenge von Hofstellen die äußerst rareAusnahme. Viele Bauern werden solcheAufzeichnungen <strong>für</strong> ihre Betriebswirtschaftnicht benötigt haben, dennin einer weitgehend von Traditionenbestimmten Landwirtschaft, wie sie imgutswirtschaftlichen Gebiet <strong>und</strong> in denMarschen bis um 1850 vorherrschte <strong>und</strong>auf dem Mittelrücken vereinzelt sogardie Kaiserzeit überdauerte, ist vor allemdie Weitergabe von Kenntnissen vomVater auf den Sohn Garant <strong>für</strong> erfolgreicheFührung des Hofes. Insbesondere inmarktorientierten Regionen finden wirdaher bäuerliche Schreibebücher, 17 indenen unter anderem auch Aussaat-Ernte-Relationenzu finden sind.Am ehesten finden sich betriebswirtschaftlicheAufzeichnungen da, wo derEigentümer eines Betriebes nicht der Bewirtschafterist, sondern den Betrieb einemVerwalter anvertraut. Das ist in derRegel in den Gutswirtschaften des 17.bis 20. Jahrh<strong>und</strong>erts der Fall. Von Güterndürften wir die besten <strong>und</strong> zuverlässigstenErtragsfältigkeitsdaten erhaltenkönnen, wenn sich die <strong>Wirtschafts</strong>büchererhalten haben. 18Andere Angaben, zumeist aus im 19.Jahrh<strong>und</strong>ert einsetzenden Erhebungender staatlichen Verwaltung, von denendie von Rosensche Erhebung aus den1820er Jahren die erste flächendeckendedarstellt, müssen mit einer gewissenVorsicht betrachtet werden. 19 Denn dieLandwirte des 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ertsverbanden zumeist mit Erhebungen zuihrer Produktion die Vorstellung vonSteuer- oder Abgabenerhöhungen. Siekannten staatliche Neugier nur in kameralistischerAbsicht – <strong>und</strong> deshalbdürften die von ihnen gemachten Angabenimmer zu niedrig gewesen sein.Ihre Selbstdarstellung in nahezu allenSuppliken rekurriert auf das suggestiveSelbstbild der „armen“ Untertanen, dieallzu sehr von (gr<strong>und</strong>- oder gutsherrlichen)Lasten bedrückt nur mit Mühe ihrDasein fristen können.Problematisch sind die meisten der inder heimatgeschichtlichen Literaturmitgeteilten Werte, da sie nur zu einemgeringen Teil auf autochthonen Quellenauswertungenberuhen. Zum größerenTeil bedienen sich die Verfasser vonOrts- oder Mikroregionalgeschichtender Angaben, die sie in allgemeinerenWerken angetroffen haben <strong>und</strong> übertragendiese dann umstandslos aufihr Untersuchungsgebiet. Sie sind alsonicht quellenbasiert, sondern nur übernommen<strong>und</strong> verzerren damit das Bilderheblich. 205. Aussaat-Ernte-Relationen/ErträgeNach diesen allgemeinen Bemerkungenkönnen wir nun zum Bef<strong>und</strong> kommen:Wie verhielt sich die Ernte zur Aussaat?Es dürfte klar geworden sein, dass sehr36 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


viele Faktoren auf die Ernten einwirkten.Nicht alle waren selbstverständlichin allen Jahren gleich wirksam. Tratendie erntebegünstigenden Faktoren verstärkt<strong>und</strong> die erntereduzierenden abgeschwächtauf, sprach man von gutenoder sehr guten Ernten; war es umgekehrt,von schlechten bis sehr schlechten.Von „Katastrophen“ oder „katastrophalenErnteausfällen“ spricht man erstin der zweiten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts.In der vorindustriellen Zeit mussteman mit allen Varianten rechnen <strong>und</strong> tatdas auch – die Bandbreite der Möglichkeitenwar allen Landwirten bewusst.Gleichwohl wurden besonders gute Erntejahreebenso im Gedächtnis gespeichertwie besonders schlechte – <strong>und</strong> imletzten Fall zumeist der Versuch einerErklärung (unentwegter oder gar keinRegen, später Frost, Mäuseplage etc.)mit abgespeichert.Wenn wir also Einzelnachrichten aus bestimmtenOrten finden, dann dürfen wiruns über die Varianz der Angaben nichtw<strong>und</strong>ern. Und schon gar nicht dürfenwir diese Angaben auf ein ganzes Territoriumverallgemeinern, sondern allerhöchstensauf den relativ gleichenNaturraum.Im Folgenden werden einige Text- <strong>und</strong>Zahlenmaterialien zum Thema vorgestellt;zunächst <strong>für</strong> Holstein, dann <strong>für</strong>Schleswig. Sie können, wie gesagt, nichtflächendeckend sein <strong>und</strong> gemacht werden,sondern müssen so stehen bleiben.Aus ihnen wird deutlich, was manbereits erwarten konnte: Die Varianzensind schon aufgr<strong>und</strong> der landschaftlichenUnterschiede beträchtlich. Sie weisenaber auch <strong>für</strong> dieselbe <strong>Wirtschafts</strong>einheitsehr unterschiedliche Resultateauf, ohne dass im Einzelnen zu erfahrenist, welches da<strong>für</strong> die Ursachen sind.5.1 HolsteinAls frühes Beispiel vom Ende des 16.Jahrh<strong>und</strong>erts mag hier der <strong>Wirtschafts</strong>hofder Burg Barmstedt (heute Krs. Pinneberg)dienen (vgl. Tab. 2).Die Varianzen zwischen der niedrigsten<strong>und</strong> höchsten Ertragsfältigkeit bewegensich hier zwischen 1 <strong>und</strong> 1,25 (Hafer) bis1 <strong>und</strong> 3,6 (Buchweizen). Aber immerhin:die genannten Werte <strong>für</strong> Weizen <strong>und</strong>Gerste liegen deutlich über dem, wasin Deutschland <strong>für</strong> diese Zeit als Durchschnittswert(3- bis 4fach) angenommenwird.21 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>37


Im Kirchspiel Nortorf (Krs. Rendsburg-Eckernförde) wird <strong>für</strong> 1687 berichtet:“Eine mittelgute Hufe habe von Roggendas 4. bis 5. Korn, von Buchweizen das 5.bis 6., von Hafer das 2. bis 3., alles ohnedie Aussaat.“ 22 Auch hier macht sich dergeringe Ertrag des Hafers bemerkbar; daer spät geerntet wird, ist seine Gefährdungdurch Schlechtwetter (Regen) besondershoch.Der Kornertrag im Kirchspiel Westensee(Krs. Rendsburg-Eckernförde) ist nur aufden Gutshöfen bekannt, weil hier dieRechnungsbücher erhalten sind: „Roggenoder Gersten <strong>und</strong> Weizen brachtenauf Nienhof im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert meist das6. Korn, Buchweizen etwas weniger, denHafer drosch man nicht ab, sondern nuran, bis er etwa das 3. Korn ergab; dannwarf man die halbvollen Garben, um dieArbeit zu vermindern, den Kühen vor,jede bekam täglich eine. Der Roggenbrachte an Fudern, auf heutige Fuderumgerechnet, damals 1 ¼, 2 ¼ höchstens3 ¼ von der Tonne, der Falghaferkonnte vier Fuder erreichen, war abersehr unsicher, der Hartlandhafer brachtees auch in den besten Jahren nicht über2 Fuder hinaus.“ 23 Im ostholsteinischenGut Schönweide (Krs. Plön) konntenaufgr<strong>und</strong> der Rechnungsbücher <strong>für</strong> daszweite Drittel des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts diein Tab. 2 <strong>und</strong> 3 angegebenen Werte ermitteltwerden.Dass Schönweide auf besserem Bodenliegt als das Kirchspiel Westensee <strong>und</strong> 2438 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


auf deutlich besserem Boden als dasVorwerk Barmstedt, ist an den insgesamtbesseren Ertragszahlen zu erkennen.Allerdings sind die Varianzen auchhier wieder ganz enorm. Nimmt man<strong>für</strong> das Gesamtgut nur das Jahr 1726/7,dann fragt man sich, wie mit einem solchenResultat erfolgreich gewirtschaftetwerden konnte. Bei Weizen <strong>und</strong> Roggenblieb nicht einmal genug zum Verzehr,wollte man die Aussaat des kommendenJahres aus den eigenen Erträgensicherstellen. Hingegen zeigen die Jahreab 1750 doch beträchtliche Überschüsse,die sicher auch vermarktet werdenkonnten (vgl. Tab. 4).Aus dem Dorf Bissee (Krs. Rendsburg-Ekkernförde)am Jungmoränenrand heißtes: um „1765 erntete man zum Beispiel… in guten Jahren das 5. Korn, in mittlerendas 3. <strong>und</strong> in schlechten Jahren garnur das 1 1/2fache“. 26 Es ist die gleicheVarianz zu erkennen.Im gesamten, allerdings recht großenAmt Rendsburg (heute im Krs. Rendsburg-Eckernförde),der als typisches holsteinischesGeestland gelten kann, stellteman <strong>für</strong> 1809 diese Ertragsfältigkeit25 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>fest: „Roggen, Hafer <strong>und</strong> Gerste gebendas 4., 5. bis 10. Korn, Buchweizen das6. bis 10. <strong>und</strong> mehr, gewöhnlich das 8.Korn.“ 27Ein Überblick lässt sich aus den von RosenschenErhebungen aus den 1820erJahren gewinnen – allerdings mit demgebotenen Respekt. Ich vermute nachwie vor, dass die Zahlen in der Realitätleicht höher lagen als sie angegebenwurden, weil sich die Bauern aus Angstvor Steuererhöhungen scheuten, realeAngaben zu machen. Von Rosen erhieltdarüberhinaus höchstwahrscheinlichnicht die aktuellen Werte, sondern nurgemittelte Werte aus der bäuerlichenRetrospektive, wobei zu bedenken ist,dass die Zeit ab 1817 durch extrem guteErnten gekennzeichnet ist. 28 Beideskönnte die Angaben verzerrt haben – imersten Fall nach unten, im zweiten nachoben (vgl. Tab. 5).5.2 SchleswigAuf der Insel Alsen lagen die Vorwerksländereiender Burg Sonderburg/ Sønderborg.Alsen hat überwiegend lehmigeBöden. Die frühesten Ertragsangabenstammen aus den Amtsrechnungen, dieBjørn Poulsen ausgewertet hat. Immerhinkonnte man hier <strong>für</strong> Roggen dochbeträchtliche Ernten (sieben- bis neunfach)erzielen, während Gerste stärkereErtragsschwankungen aufweist, aberdoch auch häufiger mehr als vierfachenErtrag aufweist (vgl. Tab. 6).Die Ertragsfältigkeit im Angelner GutR<strong>und</strong>hof (Krs. Schleswig-Flensburg) ander Geltinger Bucht auf ertragreichem39


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30 Jungmoränenboden hat der Altmeisterder schleswig-holsteinischen Agrargeschichte,Georg Hanssen, <strong>für</strong> die Zeit um1600 nach den Rechnungsbüchern desGutes zu ermitteln gesucht: „Die Erntenmögen sich inzwischen etwa vom 4. Kornauf das 5. Korn im Durchschnitt aller Getreideartengehoben haben. Es fällt diesauf Gerste <strong>und</strong> Roggen; als reichliche,aber nur seltene Ernten im Laufe desJahrh<strong>und</strong>erts habe ich mir das 8. bis 9.Korn von beiden notirt, aber in manchenJahren wurde noch nicht das 5. Korn erreicht.Buchweizen variirte vom 10. bis11. Korn (selten so viel) bis zu dem 1- bis2fachen der Aussaat herab. Der Haferertragwechselte am wenigsten, meist das3. bis 4. Korn, zuweilen nur das 2 ½facheals Durchschnitt aller 3 Hafer-Schläge.Der erste Schlag wird natürlich mehrgegeben haben, desto weniger aber derletzte, <strong>und</strong> gedüngt wurden die Haferschlägeüberhaupt nicht.“ 31Auf Vorwerken adliger Güter in Schleswigermittelte Carsten Porskrog Rasmussenin seiner hervorragenden Habilitationsschrift<strong>für</strong> die Zeit zwischen dem<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Ende des 16. <strong>und</strong> der Mitte des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts,die in Tab. 7 wiedergegebenenErtragsfältigkeiten. Es fällt auf, dassWeizen hier offenbar nicht (oder nur insehr geringem Umfang) gebaut wurde.Erträge in Höhe des sechs- bis siebenfachender Aussaat sind selten (vgl. Tab.7).Im Rahmen seiner Untersuchung dergottorfischen Domänenwirtschaft um1600 konnte Werner Buchholz einigeAngaben <strong>für</strong> den Meierhof Börm (Krs.Schleswig-Flensburg) auf der Vorgeest 41ermitteln. Es zeigt sich, dass hier – aufschlechten Böden – durchschnittlich nurdas doppelte der Aussaat geerntet wurde;dabei konnte in seltenen Fällen derErtrag auf das fast vierfache bei Roggen<strong>und</strong> das viereinhalbfache bei Buchweizensteigen, aber in einigen Jahren nichteinmal die Aussaatmenge wieder einbringen.Im Durchschnitt wurde nur dasDoppelte der Aussaat geerntet. Weizen,Hafer <strong>und</strong> Gerste spielten im Ackerbaudieser Gegend keine besondere Rolle(vgl. Tab. 8).Das Gut Hemmelmark nahe der EckernförderBucht (Krs. Rendsburg-Eckernförde)hatte um 1750 folgende Ertragsfältigkeit:„An Roggen wurde das 3., 5., 7., 9.Korn, an Buchweizen 3. bis 9., an Gerstedas 3. bis 10. Korn mit dem verschiedenstenWechsel gedroschen. Weizen brachtemeist das 5. bis 7., mitunter aber auchdas 3. oder 10. Korn. Der Hafer lohntegewöhnlich etwa mit dem 3., höchstensmit dem 5. Korn, brachte aber mitunternicht einmal die doppelte Aussaat wiederein; allerdings wurde er niemals reinausgedroschen, um das Stroh <strong>für</strong> die41


32 33 34 35 36 37 38 39 40 Kühe schmackhafter <strong>und</strong> wertvoller zuerhalten. Aus dem Fuder Weizen wurden1/3 – 2 Tonnen, aus Roggen ½ bis 1½ , aus Gerste 1 – 1 ½ gedroschen, ausBuchweizen 1 Tonne oder weniger <strong>und</strong>aus Hafer etwas mehr. Der Hartlandhaferaber brachte oft nicht halb so viel Fuderals der Falghafer.“ 43Das Angelner Gut Buckhagen (Krs.Schleswig-Flensburg) liegt im fruchtbarenJungmoränenland norwestlich vonKappeln. Hier finden sich in der zweitenHälfte des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts bei starkenSchwankungen (Weizen 1-8, Roggen 1-3, Gerste, 1-6, Hafer 1-4, Buchweizen 1-5)doch beträchtliche Erträge, wobei 1644als ein <strong>für</strong> Gerste völlig außergewöhnlichesJahr herausragt.42 42 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


44 Mehrere Orte in Angeln werden vondem Zeitgenossen Friedrich WilhelmOtte 1791 in den Blick genommen. AuchAngeln weist bei seiner generellen Zugehörigkeitzum ostschleswigschenJungmoränengebiet selbstverständlichDifferenzierungen der Bodengüte auf.Das „reiche“ Angeln kennt auch benachteiligteGegenden (vgl. Tab. 9).Im Überblick über alle territorialen Bestandteiledes Herzogtums Schleswig,deren Werte der Segeberger Amtmannvon Rosen zusammentrug, gelten dieselbenEinschränkungen wie die zu Tab.5 <strong>für</strong> Holstein vorgebrachten. Lassen wiraber die Werte wenigstens als Näherungenan die Wirklichkeit gelten, dann bemerkenwir auch hier das Abbild der vonder Bodenqualität vorgezeichneten Um-risse. Die Verwaltungseinheiten an derWestküste mit Marschanteilen liefertenbei Getreide die höchsten Erträge proSaatguteinheit; die Landschaft Pellwormragt heraus. Bei Buchweizen, der in denMarschen (mit Ausnahme von Randmoorgebieten)nicht angebaut wurde,stehen die Regionen des Hügellandesvorn; Hülsenfrüchte werden sehr ertragreichfast nur im Hügelland, ertragreichaber auch in den Marschen angebaut.Die Geest- (so das Amt Lügumkloster)oder Geest-Hügelland-Übergangszonen(so das Amt Hütten) weisen am ehesten„alte“ Werte (geringe Ertragsfältigkeitbei schmaler Sortenvielfalt) auf (vgl. Tab.10).Zwei Jahrzehnte später erfahren wir ausdänischer Statistik ungefähre Ertrags-45 46 47 48 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>43


systems. They were also asked about challenges they faced in developing these efforts and thelessons that they had learned. Where possible, HFRP staff also attended planning meetingsaro<strong>und</strong> RBA work. For each case study, HFRP interviewed at least 30 individuals with a varietyofaffiliations to obtain a comprehensive and varied view ofthe state’s efforts.Given the variety of RBA efforts in states, the multiple entities and actors involved, and themany components of these efforts, HFRP staff developed a multi-level analytic framework toexamine the data. This framework enabled HFRP to code interview data by four categories: thesystem (for example, strategic planning, performance budgeting, performance contracting); thegovernance level (for example, statewide, inter-agency, agency, local entity); the aspect of thesystem (for example, history, design and implementation, uses, barriers and opportunities,sustainability); and the actor (for example, governor’s staff; legislators/staff agency staff;advocacy groups). In some cases, these dimensions were further refined. This multiple codingenabled HFRP staff to compile comprehensive descriptions of efforts in each state based on avariety of perspectives. This framework also enabled staff to examine a variety of cross-casethemes (for example, the use ofbudgeting systems by legislatures across states and the processesagencies in different states have used to choose goals and indicators). A qualitative softwarepackage, NUD*IST~,facilitated analysis of the data.We recognize that RBA systems are evolving and will continue to evolve in response to bothimplementation challenges and state and national policy changes. Therefore, we stress that theinformation contained in these case studies describes these states’ RBA initiatives as ofNovember 1997.40


Adels) in den Marschen, aber auch einerwenigstens 200 Jahre (1500-1700) prosperierendenGutswirtschaft im Ostensowie der Lösung etwa weiter Teile Angelnsaus gutsherrschaftlicher Bindungist auch auf diese Marktchancen zurückzuführen.Dass neben die Feldfruchtproduktionauch erfolgreiche Weide-, Milch- <strong>und</strong>Butterwirtschaft trat, braucht hier nichtbesonders betont zu werden. Es gingum Annäherungen an die Ertragsfältigkeit<strong>und</strong> sollte auch dazu anregen, mehrDaten zu Tage zu fördern, um möglicherweisedeutschlandweit näher zubestimmen, warum einige Agrarzonenbeim Ergreifen historischer Chancen bevorteiltsind, also den Weg in die moderneAgrarproduktion leichter finden – da<strong>für</strong>aber im Industrialisierungsprozesseher hinterherhinken: Gute Erträge beivorteilhafter Ertragsfältigkeit <strong>und</strong> guteMarktchancen verleiten nämlich zumVerharren in agrarischen Strukturen,während benachteiligte Zonen sich vielstärker ökonomisch innovativ entwikkelnmüssen. 52 Das trifft <strong>für</strong> Schleswig-Holstein zu.1 Hans Hermann Storm, So war es damals– das Leben auf dem Lande. Erinnerungenin Wort <strong>und</strong> Bild, 4 Bände, Rendsburg 1985-1990.2 Horst Schübeler, Landwirtschaft in Schleswig-Holstein.Bilddokumente zur Agrargeschichte,Bd. 1: Acker- <strong>und</strong> Grünlandwirtschaft,Böelschuby 1993; Bd. 2: Haus- <strong>und</strong>Hofwirtschaft. 1995; Bd. 3, 1999.3 Det Sønderjyske Landbrugs Historie,hrsg. v. Historisk Samf<strong>und</strong> for Sønderjylland<strong>und</strong> Fælleslandboforeningen for Nordslesvig,nun komplett mit den Bänden Vorgeschichte(2000), Eisenzeit <strong>und</strong> Mittelalter(2003), Frühe Neuzeit (2013) <strong>und</strong> Neuzeit(1994).4 Leopold von Ranke, Sämtliche Werke,Band 33/34. Leipzig 1885, S.7.5 Hans Joachim Kuhlmann, MittelalterlicheWüstungen der Landschaft Angeln, in: ZSHG81 (1957), S. 63-78; Wilhelm Koppe, Rodung<strong>und</strong> Wüstung an <strong>und</strong> auf den Bungsbergen.Die Wüstungszeit, in: ZSHG 81 (1957), S. 31-62; Karl-Heinz Looft, Die mittelalterlichenWüstungen zwischen Eider <strong>und</strong> Schwentine,in: ZSHG 99 (1974), S. 197-2546 Michael North, Die frühneuzeitlicheGutswirtschaft in Schleswig-Holstein. Forschungsüberblick<strong>und</strong> Entwicklungsfaktoren,in: BlldtLG 126 (1990), S. 223-242; ErnstMünch, Artikel Gutsbildung, in: Enzyklopädieder Neuzeit, Bd. 4, Stuttgart-Weimar 2006,Sp. 1184-1188; ders., Artikel Gutsbetrieb, in:46 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


ebda., Sp. 1188-1191; ders., Artikel Gutsherrschaft,in: ebda., Sp. 1198-1204.7 Wolfgang Prange, Die Anfänge der großenAgrarreformen in Schleswig-Holstein,Neumünster 1971.8 Für den Abschnitt 2. stütze ich mich zumTeil auf: Schlipf. Praktisches Handbuch derLandwirtschaft, neu bearbeitet von MartinZimmermann, Hamburg-Berlin 32. neubearb.Aufl. 1958.9 w w w. l a n d w i r t s c h a f t s k a m m e r. d e /landwir tschaf t /ackerbau/pdf/tabelle -winterroggen-sv-2011.pdf <strong>und</strong> www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/ackerbau/pdf/tabelle-wintergerste (bzw.-weizen)-sv-2012.pdf.10 Für die Beschreibung der Böden <strong>und</strong>des Klimas stütze ich mich auf Reinhard Stewig,Landesk<strong>und</strong>e Schleswig-Holstein, Kiel1978.11 Landesplanung in Schleswig-Holstein.Raumordnungsplan <strong>und</strong> Planungsgr<strong>und</strong>lagen,Kiel 2. erweiterte Aufl. 1951, Karte 17 a:Gemeindeweise Mittelwerte der Ackerzahlennach der Reichsbodenschätzung.12 Siehe Artikel Landwirtschaft in: Schleswig-HolsteinLexikon, hrsg. v. Klaus-J. Lorenzen-Schmidt<strong>und</strong> Ortwin Pelc, Neumünster2000, S. 305-309, hier: S. 305.13 Die dänischen Verhältnisse gleichendenen auf dem Mittelrücken des heutigenSchleswig-Holstein sehr: Thorkild Kjærgaard,Den danske revolution 1500-1800. En økohistorisktolkning, København 1991; Peter Henningsen,Das finseter Jütland. Eine dänischeLandschaft im Umbruch, in: Dünger <strong>und</strong>Dynamit. Beiträge zur UmweltgeschichteSchleswig-Holsteins <strong>und</strong> Dänemarks, hrsg.v. Manfred Jakubowski-Tiessen <strong>und</strong> Klaus-J.Lorenzen-Schmidt, Neumünster 1999, S. 107-120; ders., Hedens hemmeligheder. Livsvilkåri Vestjylland 1750-1950, Århus 1995.14 R. Stewig, Landesk<strong>und</strong>e (wie Anm. 9), S.23-24.15 Da das Jagdrecht ein gr<strong>und</strong>herrlicheswar, kommt es bei der Ausübung der Jagd<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>zu mannigfaltigen Konflikten. Denn demGr<strong>und</strong>herren war an einem reichen Wildbestandgelegen, während der Agrarproduzentihn eher klein halten wollte – vgl. HubertusHiller, Untertanen <strong>und</strong> obrigkeitlicheJagd. Zu einem konfliktträchtigen Verhältnisin Schleswig-Holstein zwischen 1600 <strong>und</strong>1848, Neumünster 1992.16 Hinrich Hansen, Guano ist alle! Dünger<strong>und</strong> Kunstdünger in Schleswig-Holstein im19. Jhdt. <strong>und</strong> einige ökologische Fragen, in:Dünger <strong>und</strong> Dynamit. Beiträge zur UmweltgeschichteSchleswig-Holsteins <strong>und</strong> Dänemarks,hrsg. v. Manfred Jakubowski-Tiessen<strong>und</strong> Klaus-J. Lorenzen-Schmidt, Neumünster1999, S. 155-199.17 Vgl. Klaus-J. Lorenzen-Schmidt, Anschreibebücherals Quellen zur <strong>Wirtschafts</strong>geschichtebäuerlicher Betriebe in Schleswig-Holstein, in: ZSHG 109 (1984), S. 151-165;Bäuerliche Anschreibebücher als Quellenzur <strong>Wirtschafts</strong>geschichte, hrsg. v. Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt <strong>und</strong> Bjørn Poulsen,Neumünster 1992.18 Auswertungen bei Karl Sigism<strong>und</strong> Kramer<strong>und</strong> Ulrich Wilkens, Volksleben in einemholsteinischen Gutsbezirk, Neumünster1979, S. 184 ff.19 Zur Statistik der schleswig-holsteinischenLandwirtschaft um 1825. Die vomSegeberger Amtmann von Rosen gesammeltenDaten aus den Jahren um 1825/1828,mitgeteilt von Klaus-J. Lorenzen-Schmidt, in:<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> 34 (1985), S. 13-21. Siehe dazu diekleine Debatte: Rolf Gehrmann, Wer sich aufRosen bettet, in: <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> 32 (1985). S. 10-12; Klaus-J. Lorenzen-Schmidt, Rosen ohneDornen, in: <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> 33 (1985), S. 3-7.20 In ähnlicher Weise verfährt die nationaleAgrargeschichtsschreibung, die einzelneWerte aus Spezialstudien oder zumeist unzulässigenVerallgemeinerungen von Regionalstudienin Ermangelung anderer, zuverlässigererDaten auf das ganze Deutschlandüberträgt. Siehe: Friedrich-Wilhelm Henning,Landwirtschaft <strong>und</strong> ländliche Gesellschaft47


in Deutschland, Bd. 1: 800-1750, Paderborn1979, passim; Werner Rösener, Agrarwirtschaft;Agrarverfassung <strong>und</strong> ländliche Gesellschaftim Mittelalter, München 1992, S.74 f.; Walter Achilles, Landwirtschaft in derFrühen Neuzeit, München 1991, S. 17-23,101-103; Friedrich-Wilhelm Henning, DeutscheAgrargeschichte des Mittelalters (9.-15.Jhdt.), Stuttgart 1994, passim.21 Nach Hans Dössel, Stadt <strong>und</strong> KirchspielBarmstedt, Barmstedt 1937, S. 66.22 Georg Reimer, Geschichtliches [aus demKirchspiel Nortorf], in: Heimatbuch des KreisesRendsburg, hrsg. v. Jürgen Kleen, GeorgReimer <strong>und</strong> Paul von Hedemann-Heespen,Rendsburg 1922, S. 440-459, hier: S. 448.,Hemmelmarck. Eine Gutswirtschaft des vorigenJahrh<strong>und</strong>erts, in: ZSHG 30 (1900), S.169-208.23 Paul von Hedemann-Heespen, Das KirchspielWestensee, in: Heimatbuch (wie Anm.21), S. 367-436, hier S. 379.24 K. S. Kramer u. U. Wilkens, Volksleben(wie Anm. 16), S. 192.25 Ebda., S. 184.26 Hermann Marxen, Chronik des DorfesBissee, Bissee 1977, S. 28.27 C. M. B. Langheim, Nachricht über dasAmt Rendsburg, hier zitiert nach: Heimatbuch<strong>für</strong> den Kreis Rendsburg (wie Anm.22). Ursprünglich: Langheims Beschreibungdes Amts Rendsburg aus dem Jahre 1803, in:JbbLK 2 (1859).28 Diese mitteleuropaweite Überproduktionhat dann wesentlich zum Entstehender großen Agrarkrise von 1819-1829 beigetragen– vgl. Klaus-J. Lorenzen-Schmidt,Die große Agrarkrise in den Herzogtümern1819-1829, in: Wirtschaftliche Wechsellagenin Schleswig-Holstein vom Mittelalter bis zurGegenwart, hrsg. v. Jürgen Brockstedt, Neumünster1991, S. 175-197.29 Zur Statistik (wie Anm. 18).30 Bjørn Poulsen, Den sene middelalder- tiden 1430-1544, in: Det sønderjyske landbrugshistorie. Jernalder, Vikingetid og middelalder,udg. af Haderslev Museum et al.,Haderslev 2003, S. 538-712, hier: S. 675.31 Georg Hanssen, Zur Geschichte norddeutscherGutswirtschaft, in: ders. AgrarhistorischeAbhandlungen, Leipzig 1880, S.388-483, hier: S. 415.32 Carsten P. Rasmussen, Rentegods oghovedgørdsdrift. Godsstrukturer og godsøkonomii hertugdømmet Slesvig 1524-1770,Band 1, Haderslev 2003, S. 406.33 Bollingstedt (Krs. Schleswig-Flensburg)liegt am Ostrand der schleswigschen Geest<strong>und</strong> hat lehmige Sandböden.34 Lindewitt (Krs. Schleswig-Flensburg)liegt mitten auf der schleswigschen Geest<strong>und</strong> hat Sandböden.35 Drült in der Gemeinde Stoltebüll (Krs.Schleswig-Flensburg) liegt im Südosten Angelnsauf lehmigem Boden.36 Das ehemalige Gut Gram liegt auf derGeest im Amt Sønderjylland auf sandigemBoden.37 Nybøl liegt auf dem S<strong>und</strong>ewitt/S<strong>und</strong>ved(Amt Sønderjylland) auf lehmigem Boden.38 Langstedt (Krsg. Schleswig-Flensburg)liegt auf der östlichen schleswigschen Geestan der Treene <strong>und</strong> hat sandige Böden.39 Das Gut Satrupholm in der GemeindeSatrup (Krs. Schleswig-Flensburg) liegt imHerzen Angelns auf lehmigen Böden.40 In der Gemeinde Dollrottfeld (Krs. Schleswig-Flensburg)im Süden Angelns auf lehmigenBöden liegendes Gut.41 Die heutige Gemeinde Börm (Krs. Schleswig-Flensburg)enthält auch den erst im17./18. Jhdt. gewonnenen Börmer Koog, derdurch Trockenlegungen in der Treeneniederungentstanden ist.42 Werner Buchholz, Die Domänenwirtschaftim Amt Gottorf unter Johann Adolf(1590-1616), in: ZSHG 110 (1985), S. 53-107,hier: S. 76.43 Paul von Heedemann(-Heespen), Hemmelmark– eine Gutswirtschaft des vorigenJahrh<strong>und</strong>erts, in: ZSHG 30 (1900), S. 169-208.44 Carsten P. Rasmussen, Rentegods og48 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


hovedgårdsdrift. Godsstrukturer og godsøkonomii hertugdømmet Slesvig 1524-1770,Band 1, Haderslev 2003, S. 459.45 F. W. Otte, Bemerkungen über Angeln,Schleswig 1791, S. 40f., 100.46 Das Gut Mehlby liegt im südöstlichen Angeln<strong>und</strong> ist heute Ortsteil von Kappeln (Krs.Schleswig-Flensburg).47 Das Gut Loitmark liegt im südöstlichenAngeln (Krs. Schleswig-Flensburg).48 Das Gut Düttebüll liegt direkt an derOstsee im östlichsten Teil Angelns (Gem.Kronsgaard, Krs. Schleswig-Flensburg).49 Zur Statistik (wie Anm. 18).50 Hans S. Hansen, Den sønderjyske landbrugshistorie, 1830-1993, Haderslev 1994,S. 68-69. Er stützt sich hier auf A. F. Bergsøe,Den danske stats statistik II (1847).51 Hier wirken besonders die beidenMarschinseln Pellworm <strong>und</strong> Nordstrand.52 Dies ist keine nur agrarwirtschaftlicheGesetzmäßigkeit: Funktionierende Industriestandorteoder staatssubventionierteFossilenergieförderungsstandorte tun sichmit Umstrukturierungen äußerst schwer. DasRuhrgebiet ist ein subrezentes Beispiel – <strong>und</strong>die Kämpfe um die deutschen Stahlwerkewie gegenwärtig um einige deutschen Automobilproduktionsstandortezeigen dasselbeBild.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>49


Fischkonsum in einem Hamburger Großhaushalt 1504-1506von Klaus-J. Lorenzen-SchmidtVon den Rechnungen des Hamburger Beginenkonventeshabe ich im „<strong>R<strong>und</strong>brief</strong>“schon berichtet. 1 Diese Semireligiosenlebten gemeinschaftlich in einem Hof inder Steinstraße nahe der St. Jakobikirchemit einem Vorder- <strong>und</strong> einem Hintergebäude.Es waren zeitgleich etwa 20-27Beginen anwesend; hinzu kamen die zurUnterrichtung gegen Kostgeld seitensder Eltern aufgenommenen weiblichenZöglinge (8 bis 20). Die Versorgung derKonventualen <strong>und</strong> ihrer Kostgängerinnenerfolgte einheitlich <strong>und</strong> zentral: Eswurde <strong>für</strong> alle eingekauft <strong>und</strong> zubereitet;die Mahlzeiten wurden gemeinsameingenommen. Neben viel Gemüse, dasaufgr<strong>und</strong> des Markteinkaufs („vam markede“)überwiegend nicht differenzierterfasst werden kann, gab es Schaf- <strong>und</strong>Ochsenfleisch, selbstgebackenes Brot<strong>und</strong> selbstgebrautes Schwachbier. Danebenwurden aber auch Fische konsumiert,die mich besonders interessierten.In Hamburg gab es verschiedene Fischangebote.Zunächst den Frischfisch, derin Alster <strong>und</strong> Elbe gefangen werdenkonnte <strong>und</strong> auf dem Fischmarkt von Fischernoder Fischhändlern feilgehaltenwurde. Daneben wurde eingesalzenerFisch von Fängen aus der Nordsee <strong>und</strong>dem Nordatlantik angeboten, der inFässern angelandet wurde. Schließlichgehört Hamburg zu den bedeutendenTrockenfisch-Importhäfen von Island<strong>und</strong> den Färöern: Stockfisch, Flachfisch,R<strong>und</strong>fisch, Klippfisch kamen zur Versorgungder Stadt <strong>und</strong> eines weiten Umlandesherein. Der Trockenfisch konntesowohl in Tonnen (Rotscher) wie auchlose <strong>und</strong> dann stückweise gehandeltwerden.Für die Jahre 1504 bis 1506 habe ichdie Ausgaben des Beginenkonventes<strong>für</strong> Fisch einmal zusammengefasst. DieMengenangaben beziehen sich auf Stükke;Tonnen sind durch t gekennzeichnet.Die Preise sind in Mark/Schilling/Pfennigangegeben.Wenn man die Beginenrechnungen derJahre ab 1482 durchgeht, stellt man fest,dass meistens pro Jahr wenigstens einebis fünf Tonnen Hering <strong>und</strong> eine bis 8Tonnen Rotscher gekauft wurden. Auchder Ankauf einzelner Kabeljaus kommtvor. Ansonsten sind aber die oben genanntenAngaben durchaus repräsentativ<strong>für</strong> die Zeit bis 1522.1 Klaus-J. Lorenzen-Schmidt, Beginennachlässedes frühen 16. Jahrh<strong>und</strong>erts in Hamburg(1535-1537), in: <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> des <strong>Arbeitskreis</strong>es<strong>für</strong> <strong>Wirtschafts</strong>- <strong>und</strong> SozialgeschichteSchleswig-Holsteins 102 (2010), S. 32-35.2 Frischer (ungesalzener, ungeräucherter,ungetrockneter) Fisch.50 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


23567893 Die Angabe ist mit der <strong>für</strong> ½ StübchenWein kombiniert: 2/11/-.4 Lachsforelle.5 Auch Quappaal, ein Knochenfisch aus derFamilie der Dorsche (Gadidae).6 Eine Stockfischart, bei der die Rückengräteentfernt ist.7 Schnäpel, auch als Reinanken, Renken, Felchen,Coregonen, oder Maränen bekannt.8 Kleiner lachsartiger Fisch.9 Fischart aus der Familie der Dorsche (Gadidae),auch Merlan, Weißling oder Gaddengenannt. (Gadidae).<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>51


„Archiv <strong>für</strong> Agrargeschichte der holsteinischen Elbmarschen“elektronisch lesbarvon Klaus-J. Lorenzen-SchmidtIn den Jahren von 1979 <strong>und</strong> 1989 gab ichin Form eines Ein-Mann-Unternehmenseine kleine Zeitschrift heraus, die sichmit der <strong>Wirtschafts</strong>- <strong>und</strong> Sozialgeschichteder holsteinischen Elbmarschen (HaseldorferMarsch, Seestermüher Marsch,Kollmar Marsch, Krempermarsch <strong>und</strong>Wilstermarsch) beschäftigte. Ich arbeitetemich damals in die Landwirtschaftsgeschichteein <strong>und</strong> wollte das von mirgef<strong>und</strong>ene Material, das zu einem erheblichenTeil aus Privatarchiven stammte,schon vor Erarbeitung einer größerenMonographie zur <strong>Wirtschafts</strong>- <strong>und</strong> Sozialgeschichtedieses Gebietes, den interessiertenBewohnern des Landstriches<strong>und</strong> den darüber hinaus Interessiertenzugänglich machen. Pro Jahr erschienen6 Hefte, alle zwei Jahre ein Indexheft. Esfanden sich etwa 250 zahlende Abonnenten,die den Druck <strong>und</strong> Versand derHefte finanzierten. Bald schon konntenauch drei Beihefte herausgegebenwerden. Als ich 1989 nach 1 1/2jähriger52 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Abwesenheit zur Archivarsausbildungnach Holstein zurückkehrte, merkte ichschnell, dass das Projekt so nicht weiterzuführenwar, denn es fehlte mir nun nebenmeiner Berufstätigkeit in Hamburgan Zeit, um zum Kaffeetrinken Bauernaufzusuchen, die mir ihre archivalischenSchätze zugänglich machen sollten. Undes fehlte auch an Zeit, um aufwendigeAuswertungsarbeiten (etwa an bäuerlichenSchreibebüchern) vorzunehmen.Deshalb habe ich das Projekt beendet.Obwohl die Ausgaben in einer Reiheüberregionaler Bibliotheken vorhandensind, wurde doch immer wieder derWunsch an mich herangetragen, das eineoder andere Heft zu besorgen. Da meineBestände aber erschöpft waren, konnteich dem nicht nachkommen. Nun hatdie Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> das OrtsarchivHorst/Holstein in einer großartigenAktion die Druckvorlagen, die sich nochbei mir befanden, eingescannt <strong>und</strong> soeine Reihe von pdf–Dateien hergestellt.Diese hat zu meiner Freude unser KollegeBjörn Hansen auf die homepageunseres <strong>Arbeitskreis</strong>es gesetzt, wo sienun jederzeit benutzt werden können(http://arbeitskreis-geschichte.de/archiv-fur-agrargeschichte-der-holsteinischen-elbmarschen/).Vielleicht hilft daseine oder andere, das ich schrieb oderabschrieb einer/m Kollegi/en weiter.Das Projekt einer Zusammenfassungmeiner Forschungen zu den holsteinischenElbmarschen mit Schwerpunktauf dem Gebiet zwischen Elbe, Stör <strong>und</strong>Krückau ist noch nicht beerdigt. Es stehtan vorderer Stelle meiner Planungen <strong>für</strong>meinen am 1. Januar 2014 beginnendenRuhestand <strong>und</strong> soll zu einer Darstellungder <strong>Wirtschafts</strong>-, Sozial- <strong>und</strong> Mentalitätsgeschichtedieser Kleinregion führen,die hoffentlich Platz in unseren „Studien“finden wird.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>53


Der Strukturwandel der Landwirtschaftim Kreis Herzogtum Lauenburg zwischen 1870 <strong>und</strong> 2000von Klaus-J. Lorenzen-SchmidtMikroregion <strong>und</strong> RegionSelbstverständlich ließe sich eine Landwirtschaftsgeschichtedes Kreises HerzogtumLauenburg schreiben – siemüßte aber, um überhaupt verständlichzu sein, auf die Entwicklungen in dergesamten Provinz Schleswig-Holstein<strong>und</strong> auch auf Veränderungen im preußischenStaat bzw. Deutschen Reich eingehen.Denn die formierende Kraft dermodernen Staatsgebilde durch Regulierungen,Förderungen, Restriktionen etc.ist gerade auf wirtschaftlichem Gebietso stark, daß kleinregionale Besonderheiten,die noch um die Mitte des 19.Jahrh<strong>und</strong>erts eine große Rolle spielen,immer stärker zurücktreten. An die Stelledes Kleinregionalen ist die moderneVereinheitlichung getreten. Deshalbmuß stets die Entwicklung auf der übergeordnetenEbene im Blick bleiben, vorderen Hintergr<strong>und</strong> die kleinräumigenÜbereinstimmungen oder Abweichungenskizziert werden können.Boomphase 1867-1914 1Für die Landwirtschaft ging es nachder Annexion der Herzogtümer durchPreußen <strong>und</strong> der bald folgenden Integrationin das Kleindeutsche Kaiserreichdarum, ihre Stellung zu halten <strong>und</strong> womöglichauszubauen, <strong>und</strong> das nicht nurangesichts einer größeren nationalenKonkurrenz, sondern vor allem – <strong>und</strong>in steigendem Maße – gegenüber deminternationalen Wettbewerb. Insgesamtspielten sich diese Anpassungsanstrengungenaber vor dem Hintergr<strong>und</strong> hoher<strong>und</strong> höchster Erzeugerpreise <strong>für</strong>Feldfrüchte ab, die nur zweimal (1885-87 <strong>und</strong> 1892-95) erheblich nachgaben.Auf hohem Niveau blieben in der ganzenZeit die Preise <strong>für</strong> Fleisch, Butter <strong>und</strong>Milch. Das Nachgeben der Getreidepreisehing wesentlich mit internationalenEntwicklungen zusammen:1. dehnten die USA nach dem Ende desBürgerkrieges (1865) die Produktionsflächenin den Mittelwesten aus <strong>und</strong> schufendadurch ein Mehrangebot von etwa3 Mio t Getreide auf dem europäischenMarkt,2. zwang die 1861 in Russland durchgeführteAgrarreform die Bauern zu verstärkterMarktproduktion <strong>und</strong>3. führte die Verbesserung der Schiffahrtstechnikzu einer wesentlichenVerringerung der Frachttarife, so daßder Überseeimport lohnender wurde.Konnte aber in den USA der Preisverfallaufgr<strong>und</strong> des Überangebots mit Senkungder Produktionskosten (Mechanisierung)aufgefangen werden, so standwegen der andersartigen klimatischen54 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


<strong>und</strong> Betriebsverhältnissen den schleswig-holsteinischenLandwirten dieserWeg nicht offen.Um sie (<strong>und</strong> die anderen Agrarproduzentendes Deutschen Reiches) wirtschaftlichzu schützen, wurden 1880 wurdenSchutzzölle <strong>für</strong> Getreide eingeführt.Diese sicherten das Einkommen derLandwirte auch in Schleswig-Holstein.Sie konnten nun ihre hochwertigen Produkteauf den innerdeutschen Marktwerfen, der aufgr<strong>und</strong> der explosionsartigenIndustrialisierung <strong>und</strong> der dadurchausgelösten Urbanisierung erheblichgesteigerten Bedarf an Lebensmittelnhatte. Da auch die Provinz selbst einenstarken Industrialisierungsschub erhielt<strong>und</strong> die Industrieorte ihre Bevölkerungstark vergrößerten war ein großer Anteilder hiesigen Erzeugnisse auch im Landeoder in unmittelbarer Umgebung (Hamburg)abzusetzen.Die auf hohem Niveau verharrenden <strong>und</strong>weiter anziehenden Fleisch- <strong>und</strong> Milchproduktpreiseließen bei vielen Landwirtenden Wunsch nach Verlagerungauf diese Produktionszweige wachsen.Aber nicht überall waren die Voraussetzungen<strong>für</strong> den Wandel gegeben;jedenfalls wurde in dieser Zeit selbst inden traditionell Fleisch <strong>und</strong> Milch nur<strong>für</strong> den Hausbedarf erzeugenden Bauernwirtschaftenein erheblicher Drangzur Vermarktung dieser Güter geweckt.Auch als 1889 England wegen des Auftretensder Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche inDeutschland den Viehimport von hierbeendete, führte das wegen der hohenInlandspreise nicht zu einem Preisverfall– im Gegenteil: Fleischknappheit war in<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>den 1880er <strong>und</strong> 1890er Jahren häufigerein Thema der Innenpolitik. Die ungeheureExpansion der Schweinehaltungnach 1904, vor allem auf der Basis dergeringerwertigen <strong>und</strong> deshalb billigenukrainischen Futtergerste, die nahezujeden Hof <strong>und</strong> jede Katenstelle einbezog,war auch eine Reaktion auf die permanenteHochpreislage bei Rindfleisch.In der Provinz nahm der Schweinebestandzwischen 1892 <strong>und</strong> 1906 um über700.000 Stück (d.h. um 213 %) zu.Die Phase der Intensivierung der schleswig-holsteinischenLandwirtschaft istdurch folgende Elemente gekennzeichnet:Steigerung der Ackerproduktiondurch Verwendung von Handels- <strong>und</strong>Kunstdünger, Ausweitung der Anbauflächen<strong>und</strong> Änderung der Fruchtfolgen,Mechanisierung, Aufstockung desViehbestandes bei Intensivierung derAusbeute an tierischen Produkten, paralleldazu Verstärkung des ländlichenBildungs- <strong>und</strong> Beratungswesens <strong>und</strong> Organisierunglandwirtschaftlicher ‚pressuregroups‘.Die Steigerung der Ackerproduktion<strong>und</strong> der Viehhaltung hatte zunächst zurVoraussetzung, daß die Menge der bisherigenungenutzten oder nur höchstextensiv genutzten Flächen in Kultur genommenwerden musste. Da sich einerNutzung bis dahin natürliche Hemmnissein den Weg stellten (geringe Bodenfruchtbarkeit,Vernässung, Versauerung),waren diese auszuschalten. Vongroßer Bedeutung <strong>für</strong> die einsetzendeMeliorationsbewegung waren vor allemdie Heidekultivierung, die Entwässerungvon Mooren, die Regulierung von55


Gewässern, die Bedeichung von überschwemmungsgefährdetemLand <strong>und</strong>die Mergelung. Alle diese Maßnahmenerfolgten im Rahmen von Genossenschaftenoder Vereinen, die sich einerfinanziellen Stützung durch die Provinzialregierungerfreuten; denn die Kostenda<strong>für</strong> waren oft erheblich: <strong>für</strong> einen hakultiviertes Land mußten um 350 MkKosten gerechnet werden – <strong>und</strong> nochum 1905 schätzte man das Ödland auf100.000 ha (was allerdings nur etwa 6 %der Nutzfläche entsprach). Für die Förderungder Urbarmachung der Heideengagierte sich der 1874 gegründete„Heidekulturverein“, der bis 1906 2.004ha in Kultur brachte. Die Mergelverbändewaren ebenfalls sehr rege; allein 1906werden 11 Verbände genannt, die ca.15.000 ha mit 404.000 m 3 Mergel befahrenwollten. Die Kosten da<strong>für</strong> sollten sichauf ca. 1.5 Mio Mk belaufen. Gegen großflächigeMaßnahmen wie diese nahmensich die Deichbauten zur Überschwemmungssicherung<strong>und</strong> zur Gewinnungvon Neuland, obwohl sie immer vielstärker im Bewußtsein der Öffentlichkeitverankert waren, eher bescheiden aus.Da auch die Holzwirtschaft lohnenderzu werden versprach, wurde in dieserZeit die Aufforstung längst gerodeter<strong>und</strong> verödeter Flächen entschiedenpropagiert <strong>und</strong> so die waldärmste ProvinzPreußens ein wenig stärker bewaldet.Zwischen 1883 <strong>und</strong> 1913 wuchs dieHolzbodenfläche um 15 %. Besondersalte Heidestrecken eigneten sich <strong>für</strong>Kiefern- <strong>und</strong> Fichtenanpflanzungen, dieeine relativ rasche Verwertung als Bauholzerwarten ließen. Hier nimmt Lauenburgals waldreichster Landkreis (ca. ¼der Fläche) eine Sonderstellung ein, dieselbstverständlich durch den ForstgutsbezirkSchwarzenbek (Friedrichsruhe =Sachsenwald) wesentlich bedingt ist.Neben diesen Kultivierungsmaßnahmensetzte sich – vor allem im östlichenHügelland – die Drainung mit Tonröhrenfort. Diese zumeist individuell betriebeneMelioration hatte in den Marschen ihreEntsprechung in der genossenschaftlichdurchgeführten <strong>und</strong> staatlich gestütztenUmstellung der Entwässerung vonnatürlicher auf maschinelle Basis. Nachdembereits in den 1840er Jahren dieReste des seit 1619/20 trockengelegten<strong>und</strong> in einen Koog verwandelten Meggerseesdurch den Inspektor Tiedemannvermittels einer dampfgetriebenenPumpe eine befriedigende Regelungdes Wasserstandes erhielten, wurde inNeuenbrook 1882-84 ein Dampfschöpfwerk– in seiner Art das erste der Provinz– mit einem Kostenaufwand von ca.190.000 M erbaut. Diesem folgten baldandere ähnliche Einrichtungen: bis 1914errichteten die Entwässerungsgenossenschaftenin den Elbmarschen 7 weitereDampfschöpfwerke.Parallel zu der Durchsetzung dieserVorhaben ist eine starke Zunahmeder Verwendung von Handels- <strong>und</strong>Kunstdüngern zu beobachten. Dieneu geschaffenen Eisenbahnlinien ermöglichteneine in die Tiefe gehendeFlächenversorgung mit Stickstoff, Phosphat<strong>und</strong> Kali, die teils aus dem fernenSüdamerika, teils aus den industriellenBallungszentren herangeschafft wurden.Zwischen 1880 <strong>und</strong> 1910 vervierfachtesich der pro-ha-Verbrauch an Handels-56 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


<strong>und</strong> Kunstdüngern in der Provinz von2,5 auf 10 kg. Zum Teil wurden <strong>für</strong> dieVersorgung der Höfe eigens Düngereinkaufsgenossenschaftengegründet, umin den Genuss vorteilhafter Großhandelspreisezu gelangen. Doch konntendie Genossenschaften nicht allzulangedem sich auf diesem Sektor behauptendenLandhandel widerstehen <strong>und</strong> löstensich zumeist schon vor 1900 auf.Der Einsatz von Düngern ließ nun auchdie Änderung des Anbaus von Feldfruchtsorten<strong>und</strong> damit eine Verbesserungder Fruchtfolgen zu. Damit <strong>und</strong> mitdem Aufbau von Sonderkulturen (Gemüse,Obst) wurde die Produktpaletteerheblich verbreitert. Zu- bzw. Abnahmeder Anbauflächen werden aus Tab. 1ersichtlich.Auf Neuentwicklungen wie Zuckerrüben-<strong>und</strong> Kohlanbau sowie die Versandbaumschulkulturwill ich wegen dermangelnden Bedeutung <strong>für</strong> das LauenburgerGebiet ebensowenig eingehenwie auf die Zunahme des Obstbaues.Die Mechanisierung der Landwirtschaftnahm erheblich zu. Gründe da<strong>für</strong> lagenvor allem in der Intensivierung<strong>und</strong> der da<strong>für</strong> fehlenden saisonalen Arbeitskräfte;letzteres konnte nur zumTeil durch Wanderarbeiter aufgefangenwerden. Dem stetigen Anstieg deslandwirtschaftlichen Lohnniveaus warausschließlich durch verstärkten Ersatzmenschlicher durch Maschinenkraft zubegegnen. Die weiteste Verbreitung fandenvor allem die Radsä-(Drill-)maschinen<strong>für</strong> verschiedene Saaten, die Mähmaschinen<strong>und</strong> – besonders imposant<strong>und</strong> quasi zum Symbol <strong>für</strong> die Mechanisierungder Landwirtschaft geworden– die Dreschmaschinen, die – zunächstganz überwiegend von Pferdegöpelngetrieben, schon bald mehr <strong>und</strong> mehrvon Dampflokomobilen („Döschdamper“)unermüdlich <strong>und</strong> höchstintensivihre Kraftzufuhr erhielten. 1907 gab es <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>57


zwar nur 377 Dampfdreschsätze (Lokomobilenmit Dreschkästen) gegen11.648 Göpel, aber die Maschinendrescherbefanden sich überwiegend inden Händen von Lohnunternehmern,die mit ihren kompletten Besatzungenvon Hof zu Hof zogen <strong>und</strong> entweder„vom Felde“ oder „aus der Scheune“ droschen.Damit wurde eine Arbeit, die sichfrüher über die Wintermonate hinzog, inwenigen Tagen erledigt. Während einerKampagne, die von der Ernte bis zumWinterende dauerte, konnte ein Dreschsatzauf 60 bis 70 Höfen tätig sein. NurGüter <strong>und</strong> sehr große Höfe leisteten sichvor dem 1.Weltkrieg eigene Lokomobilen,die dann natürlich auch <strong>für</strong> andereKraftarbeiten gebraucht werden konnten(Zentrifuge, Schnitzelwerk, Entwässerungetc.).In enger Wechselwirkung mit der Intensivierungdes Landbaues stand dieZunahme der Viehhaltung, denn mehrVieh bedeutete mehr Dünger (Mist),mehr Futtermittel bedeuteten mehrVieh. Mehrere Hauptlinien der Entwicklunglassen sich feststellen. Einmal bliebdie Marktproduktion von Fleisch Kennzeichen<strong>für</strong> die Westküsten-Viehhaltung.Die Ochsenfettgräsung nahm zu.Daneben wurde aber die Milchproduktionimmer bedeutsamer; dies vor allemvor dem Hintergr<strong>und</strong> der technischenMöglichkeiten zur Verarbeitung <strong>und</strong>Haltbarmachung der Milch in Meiereien.Nachdem die Idee der fabrikmäßigenMilchverarbeitung – ausgelöst durchdie Verbindung von Dampfkraft mitder neu erf<strong>und</strong>enen Zentrifuge – Fußgefaßt hatte, wurde es nun ein leichtes,immer mehr Milch zu Sahne, Butter,Quark, Magermilch <strong>und</strong> Käse zu verarbeiten.Begünstigt durch die Einbrücheder Getreideerlöse Mitte der 1880er <strong>und</strong>zu Beginn der 1890er Jahre entstandenschnell die neuen Meiereien – entwederals Einzelfirmen (Sammelmeierei) oderals Genossenschaftsanlagen. Schon1862 gab es eine Genossenschaftsmeiereiin Cismar. In Kiel wurde 1877 die ersteDampfmeierei gegründet, in Heidefolgte eine solche 1880. Die Idee breitetesich rasch aus. 1900 gab es etwa 550genossenschaftliche neben 450-550 privatenMeiereien in der Provinz.Diese Entwicklung mußte Auswirkungenauf die Rinderhaltung haben. Siewurde jetzt intensiviert <strong>und</strong> ihr galt vermehrtdie Aufmerksamkeit der Züchter.Zwischen 1873 <strong>und</strong> 1912 vergrößertesich der Kuhbestand der Provinz von421.000 auf 503.000 Stück (+ 20%). Unddie Milchleistung der Tiere stieg durchwegan: Waren es in Angeln (einemfrühen Zentrum der Milchkuhzucht)1875 noch etwa 2.500 kg Milch (85 kgButter) pro Kuh, so stieg die Milchmengebis 1911 auf 3.500 kg (140 kg Butter).Zuchtvereine sorgten <strong>für</strong> eine strengeZuchtwahl. Milchkontrollvereine führtenUntersuchungen der Leistungeneinzelnen Kühe durch <strong>und</strong> wählten sobesonders leistungsstarke Vererber aus.Natürlich mußte nun auch die Fütterungverbessert werden; neben dem Weideganggab es Hafer, Gerste, Leinkuchen,Rüben, Bohnenschrot <strong>und</strong> Erdnußkuchen.Der Absatz der Meiereiprodukteerfolgte zumeist auf dem Eisenbahnwegein die Zentren des Verbrauchs, dieurbanen Verdichtungszonen inner- <strong>und</strong>außerhalb der Provinz. Vor allem in der58 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Nähe von urbanen Zentren wie demGroßraum Hamburg war Frischmilchvermarktungein lohnendes Geschäft.Eine erhebliche Steigerung erfuhr auchder Pferdebesatz (1873-1912: + 44%),wobei hier in Rechnung zu stellen ist,daß der städtische Personen- <strong>und</strong> Warenverkehrganz überwiegend auf dasPferd als Zugtier angewiesen war. Auchdie Industrie hatte einen erheblichenTransportbedarf, der auf kurzen Streckenüberwiegend von Pferdefuhrwerken bewältigtwurde. Der Schweinebesatz explodierteförmlich im ersten Jahrzehntunseres Jahrh<strong>und</strong>erts (1873-1897: + 160%, 1873-1912: + 657%); überall entstandendie mit Teerpappe gedeckten neuenStallgebäude, die heute noch bei denmeisten Bauernhöfen zu sehen sind.Gleichfalls ist eine Zunahme in der Geflügelhaltungzu beobachten, währenddie Schafhaltung – vor allem wegen desRückganges der nichturbaren Flächen,aber auch wegen billigerer Angeboteaus Südafrika <strong>und</strong> Südamerika – starkrückläufig war (1873-1913: - 75%).Die Veränderungen der Landwirtschaftwurden von einem starken Aufblühendes ländlichen Vereinswesens begleitet:Vieh-, Pferde-, Geflügel-, Bienen-,Ziegen-, Schweinezucht- <strong>und</strong> Obstbauvereineentstanden neben den allgemeinenlandwirtschaftlichen Vereinen,die im Generalverein zusammengefaßtblieben. In den Vereinen wurden vor allemdie neuen Entwicklungen diskutiert<strong>und</strong> Erfahrungen ausgetauscht. Mitteder 1890er Jahre gab es 171 landwirtschaftlicheVereine in der Provinz. Alsdann 1896 die Landwirtschaftskammer<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>als Nachfolgerin der Generalvereins geschaffenwurde, konnte sie schnell dieStellung als Spitzenorgan der Land- <strong>und</strong>Forstwirtschaft des Landes erringen. Mitdiesem zu Beginn nicht unumstrittenenInstitut wurde die Beratung <strong>und</strong> Berufsvertretungder Landwirte umfassendneu organisiert. Die Kammer nahm sogleichin effizienter Weise Einfluss auf dieHauptproblembereiche der ländlichenWirtschaft: Haftpflichtversicherung, Berufsschulwesen,Tierzucht, Tierschauen,Milchwirtschaft, daneben Agrarpolitik.Dank staatlicher Förderung <strong>und</strong> derdurch die Zwangsbeiträge zur Landwirtschaftskammerermöglichten Hilfenerlebte das ländliche Bildungswesen einenstarken Aufschwung. Gab es 1896noch 50 landwirtschaftliche Fortbildungsschulenmit 386 Schülern, so warenes 1913 bereits 249 Schulen mit 2.371Schülern. Die Beeinflussung der Bauernvon seiten dieser Schulen, vor allem hinsichtlichder Durchsetzung ‚moderner‘,zumeist industrieorientierter Methodender <strong>Wirtschafts</strong>führung ist nicht zu unterschätzen.Die Organisierung der schleswig-holsteinischenBauern in zahlreichen Fachverbänden<strong>und</strong> die Wahrnehmung auchagrarpolitischer Interessen durch dieKammer reichten aber in Zeiten gesamtwirtschaftlicherTurbulenzen manchenBauern nicht aus. Während besonnenereVertreter des Generalvereins alle Hoffnungenauf die neue Institution richteten,waren andere der Meinung, daß einselbständiger, auch oppositionelle Optionenverfolgender Interessenverbandnotwendig sei. 1893 hatte sich in Berlin59


der „B<strong>und</strong> der Landwirte“ (BdL) gebildet,dem in der Provinz bald zahlreicheGroßgr<strong>und</strong>besitzer <strong>und</strong> eine Reihe politischkonservativ denkender Großbauernbeitraten – allerdings im Westen <strong>und</strong>Norden deutlich weniger als im Osten<strong>und</strong> auf der holsteinischen Geest. DerBdL gehört <strong>für</strong> die Provinz trotz seinerkonservativen Ausrichtung als ein bestimmterTyp von Interessenvertretungzu den fortschrittlichen Entwicklungen,weil er am deutlichsten die Möglichkeitendes ‚Politikmachens‘ unter den neuen(parlamentarischen) Bedingungenwiderspiegelt.Die Gesamtentwicklung der Landwirtschaftin der Zeit zwischen preußischerAnnexion <strong>und</strong> Ausbruch der erstenWeltkrieges muss als positiv betrachtetwerden. Trotz des massiveren Einwirkensvon Weltmarkteinflüssen, trotzErtragseinbrüchen <strong>und</strong> politischenKämpfen um den Erhalt der hohen Einkommenkann diese Phase als Fortsetzungder ‚goldenen Zeiten‘ zwischen1830 <strong>und</strong> 1864 angesehen werden. DieGeest machte ihren entscheidendenAufschwung durch <strong>und</strong> fand nun an diefortschrittlichsten Regionen Anschluss.All das gilt auch <strong>für</strong> das Gebiet des KreisesHerzogtum Lauenburg. Das Gebietdes Herzogtums Lauenburg (seit 1876Kreis Herzogtum Lauenburg) liegt etwazu gleichen Teilen auf Geestgebiet(Schwarzenbeker Geest <strong>und</strong> BüchenerSandplatte) <strong>und</strong> im Östlichen Hügelland(Stormarner Moränengebiet z.T. <strong>und</strong>Ratzeburger Seenplatte). Die Ackerzahlennach der Reichsbodenschätzung betragenhier überwiegend zwischen 36<strong>und</strong> 45 Bodenpunkte, wobei es auch Gebietemit höheren Punktzahlen (östlich<strong>und</strong> westlich der Linie Ratzeburg-Mölln)<strong>und</strong> mit deutlich niedrigeren Punktzahlengibt (v.a. östlich der Linie Lauenburg-Mölln <strong>und</strong> am Elbufer bei Geesthacht). ImGegensatz zu den meisten auf der Geestoder am östlichen Geestrand liegendenKreisen hat Lauenburg damit gute natürlicheVoraussetzungen <strong>für</strong> einen ertragreichenAckerbau. Die Waldfläche isthier im Verhältnis zu den anderen Kreisendes Landes Schleswig-Holstein amwenigsten dezimiert, so dass die Waldwirtschafteine Rolle spielt.Die ländlichen Betriebsgrößen entsprachendem Landesdurchschnitt, d.h. etwa45 % aller Stellen hatten Größen von 0,5-10 ha, etwa 40 % Größen von 10-50 ha.Größere <strong>und</strong> Großbetriebe (v.a. Gutsbetriebe)spielten eine bedeutende Rolle.Von der gesamten landwirtschaftlichenFläche wurden 1900 50 % <strong>für</strong> Getreidebau,jeweils 7 % <strong>für</strong> Hackfrucht- <strong>und</strong>Futterbau, 12 % <strong>für</strong> Weiden (vorwiegendAckerweiden) <strong>und</strong> 12 % <strong>für</strong> Wiesen verwendet.Beim Getreide dominierte derHafer (45 % der Getreidefläche), gefolgtvon Roggen (43 %), Weizen (9 %), Gerste(1 %) <strong>und</strong> Menggetreide (2 %). DieErträge hatten sich zwischen 1878 <strong>und</strong>1903 durchweg gesteigert. So wurdebei Hafer ein Zuwachs von 10 %, beiRoggen von 15 %, bei Weizen von 3 %<strong>und</strong> bei Gerste von 20 % erreicht. Lauenburglag bei seinen Roggen-, Raps- <strong>und</strong>Kartoffelerträgen über dem Provinzialdurchschnitt,erreichte aber in keinemErzeugungsgebiet eine Spitzenstellung.– Bei der Entwicklung der Viehhaltungzeigen sich ähnliche Tendenzen wie in60 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


der Provinz. Pferde <strong>und</strong> Rinder nahmenzwischen 1873 <strong>und</strong> 1900 um ca. 7 % zu,Milchkühe hingegen um 3 % ab, währendSchweine gar um 170 % zunahmen.Anders als im Landesdurchschnitt hieltsich der Rückgang der Schafe mit 30 %in moderaten Grenzen – er lag sonst bei50-60 %. Mit der Zunahme der Pferde<strong>und</strong> Rinder musste sich auch der Anteilder Dauerweide vergrößern <strong>und</strong> die rotationsgeb<strong>und</strong>eneAckerweide zurückdrängen.Der Einzug der Mechanisierung war eherzögerlich. 1883 hatten nur 6,6 % allerlandwirtschaftlichen Betriebe Maschinenim Einsatz (zum Vergleich: der Maschinenbesatzlag in den Provinz bei 7 %,in den Kreisen Norder- <strong>und</strong> Süder-Dithmarschen,Steinburg <strong>und</strong> Sonderburgbei 10 bis 14 %). 2 Hingegen machte dasKreisgebiet die Entwicklung im Meiereiwesenvoll mit. Durch die EisenbahnlinieHamburg-Berlin (1846) wurde der Kreisder Breite nach <strong>für</strong> den schnellen Transportvon Frischprodukten aber auch <strong>für</strong>den ländlichen Absatz- <strong>und</strong> Bedarfsgüterverkehrerschlossen. Weitere Linienbrachten Anschlüsse an die Hauptlinien(Lübeck-Büchen 1851, Büchen-Lauenburg1851, Schwarzenbek-Oldesloe1887, Ratzeburg-Oldesloe 1897).decken. Das hatte vor allem fünf Gründe:1. Viele Männer wurden zum Kriegsdiensteingezogen <strong>und</strong> fehlten daher alsArbeitskräfte. 2. Viele Zugtiere, vor allemPferde, wurden <strong>für</strong> den Bewegungsbedarfdes Heeres (Artillerie, Train) abgezogen.3. Die Schließung der Grenzenbeendete den Nachschub an billigemFuttergetreide <strong>für</strong> die Mast. 4. Militärischgeb<strong>und</strong>ene Transportkapazitäten machtenAnlieferung von Düngern <strong>und</strong> Zusatzfuttermitteln<strong>und</strong> Abtransport vonErzeugnissen schwierig. 5. Mangel anKohle ließ viele energieabhängige Bereiche(Meiereien, Schöpfwerke u.s.w.) nureingeschränkt arbeiten. Für die Landwirtschaftder Provinz bedeutete derenorme Bedarf an Erzeugnissen zwareinen warmen Einnahmeregen – dochkonnte das so gewonnene Geld kauminvestiert werden, weil es an Rohstoffen<strong>für</strong> den Ersatz von Geräten, Maschinen<strong>und</strong> Gebäuden fehlte. An den Hofgebäuden<strong>und</strong> den Betriebsmitteln merkteman immer stärker den Verfall. Damitwaren die Probleme der Landwirtschaftin der Zeit der Weimarer Republik vorgezeichnet.Immerhin hatte die Landbevölkerungnicht das schwere Los derStädter in der Lebensmittelversorgungzu tragen, weil sie auf eigenproduzierteNahrungsmittel zurückgreifen konnte.Ambivalenz: Einkommensboom <strong>und</strong>Reinvestitionsmängel 1914-1918Der 1.Weltkrieg hingegen stellte einenmassiven Einbruch dar. Zwar wurden indieser Zeit Lebensmittel gebraucht wiekaum je zuvor, doch war die Landwirtschaftnicht in der Lage, den Bedarf zu<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Krisenzeit 1919-1933 3Nach dem Krieg gelang es der Landwirtschaftrecht bald, die alte Produktionskapazitätwiederzuerlangen. Dazu trugbei, daß die ausländische Konkurrenzdurch die rasch fortschreitende Geldentwertungausblieb. Von wesentlicher61


Bedeutung war die nahezu vollständigeEntschuldung der landwirtschaftlichenBetriebe durch Kriegskonjunktur <strong>und</strong>Inflation. Vor allem letztere war zweischneidig:ließ sie einerseits die billigeEntschuldung auf der Basis der nominalenGeldwerte zu, so vernichtete sieandererseits viele bäuerliche Geldvermögen– eine Entwicklung, die besondersvon bäuerlichen Rentiers als außerordentlichschmerzlich wahrgenommenwurde. Die Stabilisierung der Markbrachte der Landwirtschaft dann dieMöglichkeit, Kredite leicht <strong>und</strong> reichlichin Anspruch zu nehmen <strong>und</strong> ließ damitauch Ausweitung <strong>und</strong> Intensivierungder Produktion zu. Die Inlandsnachfragewurde durch den industriellen Aufschwungim Reich stimuliert. Bevor dieLandwirtschaft im nationalen Maßstab1928 wieder Vorkriegsniveau erreichenkonnte, hatten sich die schleswig-holsteinischenlandwirtschaftlichen Betriebebereits erholt.Die Erholung war allerdings in starkemMaße fremdfinanziert. Da die Aufnahmevon Krediten <strong>für</strong> die Betriebsführungein traditionelles Finanzierungsmusterdarstellte, nahmen die Landwirte bedenkenlosGeld auf, wobei sie nicht inRechnung stellten, daß dessen Zinsfußerheblich über dem Vorkriegsniveau lag<strong>und</strong> infolgedessen auch zu stärkerer Belastungdes Ertrages führte. Im Falle vonPreisrückgängen <strong>und</strong> Missernten bliebso sehr viel weniger finanzieller Spielraum<strong>für</strong> den belasteten Betrieb.Die Krise in der Landwirtschaft wurdevor allem durch das Nachlassen der Inlandnachfrageausgelöst, das sich inheftigem Preisverfall äußerte. Hieltensich 1929 die Schweinefleischpreisenoch bei über 80 Pfennig pro Pf<strong>und</strong>, sosanken sie bis Anfang 1932 auf unter 40Pfennig; bei den Rindfleischpreisen sahes ähnlich aus. Auch die Milchpreisestürzten ab. Der Rückgang der Getreidepreisewar ebenfalls stark (- 20 bis 35 %).Da die gesunkenen Erträge nicht durchKreditaufnahmen ausgeglichen werdenkonnten, befanden sich viele Betriebeschon bald vor massiven Liquiditätsproblemen:Rechnungen von Futtermittellieferanten,Viehhändlern <strong>und</strong> Handwerkernkonnten nicht bezahlt werden,Gemeindesteuerzahlungen unterblieben<strong>und</strong> Sozialabgaben <strong>für</strong> Beschäftigtewurden zurückgehalten. Konkurse <strong>und</strong>Zwangsversteigerungen waren in steigendemMaße festzustellen. Ging noch1924 nur 1 kleiner landwirtschaftlicherBetrieb mit 8 ha Fläche in Konkurs, sowaren es 1929 schon 89 (mit 2 913 ha)<strong>und</strong> 1932 gar 190 (mit 4 145 ha). Dabeiist festzuhalten, daß in Gegenden mitgleichmäßiger Produktionsrisikenverteilung(östliches Hügelland, innere Geest)die Gefährdung weniger groß war als inZonen mit spekulativen Investitionen(Nordsee- <strong>und</strong> Flußmarschen <strong>und</strong> ihreGeestränder).Die Antwort der Landwirte auf diese Entwicklungwar einerseits resignativ, andererseitsradikal (Landvolkbewegung). Inder Hoffnung, die Politik zu einer protektionistischenHaltung zu bringen, wurdevon Demonstrationen bis zu Bombenanschlägenauf öffentliche Gebäudevieles versucht. Nutznießer der Verunsicherungder Landbevölkerung warenauf dem Lande die Nationalsozialisten,62 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


denen es zunächst gelang, die radikalerenBauernsöhne <strong>und</strong> Jungbauern zugewinnen. Ihr eher unklares agrarpolitischesProgramm, mit dem sie die Landvolkbewegungbeerbten, sprach vieleLandbewohner an.In Lauenburg 4 trafen manche der Bedingungen,die zur zunehmenden Empörungder Landbevölkerung führten,nicht zu. So hatte das Kreisgebiet keineherausragende Stellung im spekulativenZucht- <strong>und</strong> Mastgeschäft bei Schweinen;es lag 1927 gerade im Durchschnittder 17 Landkreise der Provinz <strong>und</strong> bautebis 1928 den Bestand schon um 20 %, bis1929 um weitere 20 % ab. Hingegen wardie milchwirtschaftliche Orientierungder Landwirte des Kreises beachtlich,was sicher durch die Nähe Hamburgsbedingt ist. – Hinsichtlich des Anteilsder Getreideproduktionsflächen nahmder Kreis bei Roggen <strong>und</strong> Hafer eineSpitzenstellung ein (jeweils 14 % derNutzfläche). – Die Schuldenbelastungder landwirtschaftlichen Betriebe laghier 1928 bei den Betriebsgrößen 5 - 20ha um 300 RM unter dem Landesdurchschnittvon 620 RM – wohingegen er inEiderstedt, Pinneberg <strong>und</strong> Steinburg um200 RM darüber lag. Infolgedessen bliebendie Zwangsversteigerungen in Lauenburgdeutlich hinter der Entwicklungin der Provinz zurück ... wohl der deutlichsteHinweis auf die Gründe <strong>für</strong> dieAbstinenz der Lauenburger Landwirtein der Landvolkbewegung.Stabilisierung auf niedrigem Niveau1933-1945 7Die Ziele der Landwirtschaftspolitik derNSDAP wurde erst 1930 programmatischformuliert. Im einzelnen ging esum: Wiederherstellung der Rentabilitätdurch Senkung der Produktionskosten(Zinssenkung, Preissenkung <strong>für</strong> Kunstdünger<strong>und</strong> Elektrizität), Minderung derZwischenhandelsgewinne, Schutzzölle,Vereinfachung <strong>und</strong> Minderung der Steuerlasten,Senkung der Bodenpreise. DieLösung der Lohnfrage sollte durch festeEingliederung der Landarbeiter in diebäuerliche Berufsgemeinschaft mittelssozial gerechter Arbeitsverträge (alsoohne Tarifverträge nach industriellemVorbild) erreicht werden. Ein ges<strong>und</strong>esVerhältnis zwischen Groß-, Mittel- <strong>und</strong>Kleinbetrieben wurde gefordert. KonkreteMaßnahmen nach Übernahme derMacht durch die NSDAP waren also: Zah-5 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>63


6 lungsmoratorium bis zur Einleitung derEntschuldung, Zusammenfassung derzersplitterten Standesorganisationenzum Reichsnährstand, Durchsetzungdes Reichserbhofgesetzes, Produktionslenkung<strong>und</strong> Marktregulierung sowieLandarbeiterwohnungsbau <strong>und</strong> Neusiedlungstätigkeit.Die Landesbauernschaft des Reichsnährstandeswurde nach dem Gesetzvom 13.9.1933 gebildet. Sie umfasste Erzeuger,Be- <strong>und</strong> Verarbeiter <strong>und</strong> Handelin 3 Hauptabteilungen (Der Mensch, DerHof, Der Markt). – Das Reichserbhofgesetzerfasste bis 1939 in Schleswig-Holstein30.321 Betriebe (44,9 % aller ldw.Betriebe), davon das Gros solche von 20-50 ha. – Die Entschuldung der Höfe gingnur langsam voran; sie wurde durchUmwandlung kurzfristiger Verbindlichkeitenin langfristige Kredite mit niedrigenZinsen betrieben. Die Zinslast sankvon 1932 etwa 14 % der Verkaufserlöseauf 1938 6 %. Für die schleswig-holsteinischeLandwirtschaft war die Entschuldungskampagneein wirkungsvollerFaktor, v.a. wenn man die systemstabilisierendeWirkung betrachtet. – DieAutarkiebestrebungen der nationalsozialistischen<strong>Wirtschafts</strong>politik führtenzur Produktionslenkung mit folgendenSchwerpunkten: Getreidebau vornehmlich<strong>für</strong> Brotversorgung, Intensivierungdes Hackfruchtbaus <strong>und</strong> Ersetzung vonFuttergetreide durch Rüben <strong>und</strong> Kartoffeln,Ausdehnung des Gemüsebaus,Förderung von Ölfrucht- <strong>und</strong> Faserpflanzenbau,Reduzierung des Ackerfutterbausim Interesse der Milchproduktion,64 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Veredelung ausschließlich auf heimischerFutterbasis (keine Ausweitung vonSchweine- <strong>und</strong> Geflügelhaltung), Vermehrungder Schafhaltung zur Wollgewinnung,Steigerung der Eiererzeugung.In Erzeugungsschlachten sollten speziellvorgegebene Ziele erreicht werden; siewaren eingeb<strong>und</strong>en in die beiden Vierjahrespläne(1933-1937, 1936-1940). DieLeistungskontrolle des Einzelbetriebessollte durch die 1937 erfolgte Einführungder Hofkarten bei der Kreisbauernschaftgewährleistet werden. – DieMarktregulierung erfolgte durch Preisfestsetzungen,die dem Erzeuger einen„gerechten Preis“ sichern sollten. Danebenstanden Kontingentierungen inVerarbeitung <strong>und</strong> Absatz von Agrarprodukten.– Schließlich wurde mit erheblichempropagandistischen Aufwand dieNeusiedlerbewegung vorangetrieben.Verb<strong>und</strong>en mit allen diesen Maßnahmenwar eine starke ideologische Beeinflussungder Landwirte, die als wichtigsterStand im Gesellschaftsaufbau hofiertwurden. Dazu dienten etwa Aktionenwie die „Ehrung alteingesessener Bauernfamilien“1937, wo sich 230 Hofbesitzermeldeten, die nachweisen konnten,daß ihr Hof 200 Jahre oder länger in Familienbesitzwar.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Faktisch gelang es der nationalsozialistischenLandwirtschaftspolitik in denFriedensjahren bis 1939 die Preise <strong>für</strong>landwirtschaftliche Erzeugnisse zu stabilisieren– allerdings auf niedrigeremNiveau als es aus Kaiserzeit <strong>und</strong> z.T. derZeit der Weimarer Republik gewohntwar. Die Rinderhaltung nahm leicht zu,die Schweinehaltung hingegen wurdereduziert; besonderes Wachstumverzeichneten die Schafbestände. DieGetreideproduktion nahm leicht zu. BesondereSteigerungen waren beim Anbauvon Raps, Flachs <strong>und</strong> Zuckerrübenfestzustellen. Die Neusiedlung erreichte1935 mit 457 Stellen einen Höhepunkt.Hinsichtlich der Mechanisierung ist dieZeit des NS die der ersten Welle der Motorisierung;bis 1939 waren in SH gut2000 Schlepper vorhanden. Die starkeAufrüstung verhinderte aber zum TeilProduktion <strong>für</strong> die Landwirtschaft.Mit dem Tag der Mobilmachung(27.8.1939) wurde die Zwangsbewirtschaftungder wichtigeren Agrarprodukteeingerichtet. Anfang September 1939wurden neun Erzeugnisgruppen <strong>für</strong> dasReich beschlagnahmt. Den Bauern wurdenbestimmte Produktmengen <strong>für</strong> denEigenbedarf zugestanden. Die Regelungder Güterverteilung erfolgte durch einZuteilungskartensystem. Die „Kriegserzeugungsschlachten“dienten vor allemder Fett- <strong>und</strong> Eiweißversorgung. Durchdas Fehlen von Kunstdünger wurden dieProduktionsleistungen gedrosselt. DieBeschlagnahme von 20.000 Pferden zuKriegsbeginn <strong>für</strong> Wehrmachtszweckemachte sich störend bemerkbar, auchwenn nach <strong>und</strong> nach Beutepferde zurückgeschicktwurden. Die prekäre Lageauf dem Arbeitssektor, die durch Einziehungder Männer entstanden war, wurdedurch Einsatz von Kriegsgefangenen,später Zwangsarbeitern teilweise ausgeglichen.In Lauenburg 8 machten sich die Auswirkungender NS-Landwirtschaftspolitikwie auch der strukturellen Verschiebun-65


gen ebenfalls bemerkbar. Deutlich istdie Stabilisierung <strong>und</strong> Zunahme der mittelbäuerlichenlandwirtschaftlichen Betriebe,während die Kleinbetriebe (2-10ha) zurückgingen. Hier griff das Reichserbhofgesetz.Zwischen 1933 <strong>und</strong> 1938verringerte sich der Anbau von Getreideleicht. Die gesamte landwirtschaftlicheNutzfläche wurde 1938 zu fast 60% <strong>für</strong> Getreidebau genutzt <strong>und</strong> zu 17 %<strong>für</strong> Hackfruchtbau, worin sich auch dieForderung nach Futterversorgung aufwirtschaftseigener Gr<strong>und</strong>lage (Dämpfkartoffeln!)ausdrückt. Die Erträge warenauch in Lauenburg gegenüber demBeginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts mächtiggestiegen: Bei Hafer erntete man 1936pro ha 40 % mehr als 1903, bei Roggennahezu 30 %, bei Gerste immerhin fast10 %.Der Viehbesatz musste den Anforderungengerecht werden. Der Pferdebesatzwar wegen der zunehmenden Motorisierungrückläufig <strong>und</strong> wurde erst durchsteigenden Militärbedarf wieder interessant.1938 gab es etwa 1/5 weniger Pferdeals 1904, die Zahl der Rinder hatte hingegenum 1/5 zugenommen (wobei dieZahl der Milchkühe ggü. 1900 fast gleichgeblieben war). Die Zahl der Meiereienwar bis Mitte 1933 auf 35 zurückgegangen– eine Reihe von Privatmeiereienhatte die Krisenjahre nicht überstanden.Die Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche des Jahres1938 traf Lauenburg weit unterdurchschnittlich(1,5 % der Milchkuhbestände,provinzweit: 4,5 %). Der Schweinebestandim Kreis Herzogtum Lauenburgnahm zwischen dem Dezember 1937<strong>und</strong> dem Dezember 1938 von 67 400 auf68 100, also um 700 (ca. 1 %) zu. 9 Damit10 verhielten sich die Betriebe hier weiterhinantizyklisch: Denn während in derProvinz die hohen Schweinebeständeder Weimarer Republik konsequent abgebautwurden, nahmen sie im Kreis zu(Tab. 4).Dabei muss man allerdings bedenken,dass die Ausgangslage hier eher unterdurchschnittlichwar, was durch dieSchweinehaltungshochburgen (Pinneberg<strong>und</strong> Steinburg hatten 1929 um 250Schweine pro 100 ha ldw.NF, aber auchin Süderdithmarschen, Rendsburg <strong>und</strong>Schleswig war die Schweinehaltungstark) verursacht wurde.Die Zahl der Schafe nahm im Kreis HerzogtumLauenburg zwischen Dezember1933 <strong>und</strong> Dezember 1937 um 67 % von7249 auf 12107 zu <strong>und</strong> stand in beidenErhebungsjahren an 4. Stelle aller Landkreise(mehr Schafe hatten nur die traditionellenSchafhaltungsgebiete ander Nordwestküste der Provinz: Husum,Südtondern <strong>und</strong> Eiderstedt). 1166 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Nachkriegszeit:stärkster StrukturwandelDas Ende des Zweiten Weltkrieges stelltedie Landwirtschaft in Schleswig-Holsteinvor erhebliche Probleme. Einerseitsfehlte es an Betriebsmitteln <strong>und</strong>Betriebsführern, da sehr viele Männergetötet oder noch in Kriegsgefangenschaftwaren; andererseits musste dasLand etwa 1,1 Mio Flüchtlinge aufnehmen,die vorwiegend aus den Reichsteilenam Südrand der Ostsee hierhergeströmt waren – das bedeutete einenBevölkerungszuwachs von 65 %, derganz überwiegend auf dem Lande untergebrachtwerden musste, weil insbesonderedie größeren Städte aufgr<strong>und</strong>des Bombenkrieges schon große Wohnraumproblememit der eigenen Bevölkerunghatten. Für die Landwirtschaftbedeutete dies eine enge Orientierungan der Versorgungslage, die auch durchdie britische Militärverwaltung, danndurch das landeseigene Ministerium <strong>für</strong>Ernährung, Landwirtschaft <strong>und</strong> Forsten,gefordert <strong>und</strong> gefördert wurde. Der Zustromvon Menschen bewirkte ein Überangebotan Arbeitskräften, so dass inder Erholungsphase der Landwirtschaftein verzögernder Effekt <strong>für</strong> die weitereMechanisierung <strong>und</strong> Motorisierung eintrat.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Im einzelnen zeichneten sich folgendeEntwicklungen ab. 12 Die Zahl derlandwirtschaftlichen Betriebe sankinsgesamt erheblich; sie beträgt heutegegenüber 1939 nur noch gut 50 %.Insbesondere zahlreiche Kleinbauernhaben aufgegeben. In den letzten 20Jahren gaben dank Anreizen der B<strong>und</strong>esregierung<strong>und</strong> der EuropäischenUnion immer mehr Mittelbetriebe denlandwirtschaftlichen Betrieb auf. Flächenverpachtungenführten zur Bildungeiner vergrößerten Zahl von Betriebenzwischen 50 <strong>und</strong> 100 ha landwirtschaftlicherBetriebsfläche. Die eigentlichenGroßbetriebe über 100 ha nahmen erheblichab (um fast 1/6). Das hat insbesonderemit der nach der gescheitertenBodenreform, die so gr<strong>und</strong>sätzlich, wievon der SPD-Landesregierung angedacht,nicht durchgeführt werden konnte,13 eingeleiteten Siedlungsbewegungzu tun, in deren Verlauf bis 1960 2 275neue bäuerliche Siedlungsstellen geschaffenwurden. Im diesem Rahmenwurden im Kreis Herzogtum Lauenburgfünf Gutsbetriebe zur Besiedlung freigegeben.Es waren dies: Kehrsen mit 467ha, Sophienthal mit 362 ha, Neu-Horstmit 490 ha, Hakendorf mit 214 ha <strong>und</strong>Neu-Güster mit 181 ha; hinzu kamen ca.30 ha aus dem früheren Gut Lanken. „Insgesamtwurden etwa 73 Siedlungen von10 ha an aufwärts neu geschaffen, davon21 auf Kehrsen, 15 auf Sophienthal,21 auf Neu-Horst, 8 auf Hakendorf <strong>und</strong> 8auf Neu-Güster ... Daneben wurde einegrößere Zahl von Nebenerwerbsstellenin einer Größe von 2-3 ha geschaffen. ...Insgesamt konnten ... am 1.4.1950 rd. 170Stellen übertragen werden.“ 14Die durchschnittliche landwirtschaftlicheBetriebsfläche hat sich in Schleswig-Holstein bis zur Gegenwart auf gut 45 haentwickelt. Dass nach wie vor Nachfragenach landwirtschaftlichen Flächen besteht,wird aus der Entwicklung der Kauf<strong>und</strong>Pachtpreise <strong>für</strong> landwirtschaftlicheGr<strong>und</strong>stücke deutlich. Während die67


Pachtpreise seit 1953 kontinuierlich vonknapp 200 DM/ha auf 1990 gut 500 DM/ha gestiegen sind, haben sich die Kaufpreiseim selben Zeitraum von 3.000DM/ha auf 23.000 DM/ha entwickelt.Wenn auch das Bodenreformprogrammmit seiner Forderung nach entschädigterEnteignung des Großgr<strong>und</strong>besitzesüber 100 ha an politischen Widerständen<strong>und</strong> an fehlenden Geldmittelnscheiterte <strong>und</strong> als Ersatz nur ein 30.000ha-Siedlungsprogramm nach <strong>und</strong> nachumgesetzt werden konnte, wurde ab1951 – unter einer CDU-geführten Regierung– das Programm Nord, ein umfänglichesMeliorationsprogramm, inGang gesetzt. Es hatte seinen Schwerpunktzunächst im grenznahen Bereichdes Landesteils Schleswig, wurde dannaber auf den Nordseeküstenbereich<strong>und</strong> andere Landesteile ausgeweitet.Im Rahmen dieses Programms wurdenauf Flächen von über 100.000 haMaßnahmen der Flurbereinigung, derEntwässerung <strong>und</strong> Wasserregulierung,des Küstenschutzes, des Wegebaus, derElektrifizierung u.a.m. durchgeführt. Dadurchwurde nicht nur eine wesentlicheVerbesserung der Agrarstruktur erreicht,es entstanden auch etwa 10.000 neueSiedlerstellen, davon jedoch nur ein kleinerTeil landwirtschaftlichen Charakters,durch öffentliche Förderung. 15Hinsichtlich des Anbaus von Feldfrüchtenist ein deutlicher Anstieg des Anteilsvon Getreide zu ungunsten des Hackfrucht-,insbesondere Kartoffelanbausfestzustellen. Beim Getreide trat derHafer mit der nachlassenden Pferdehaltungin den Hintergr<strong>und</strong>, währendWeizen dominierend wurde (1979: 26 %Weizen, 21 % Gerste, 12 % Roggen <strong>und</strong>7 % Hafer). Futterpflanzenbau nahmaufgr<strong>und</strong> gesteigerter Viehhaltung zu;Raps konnte seinen Anteil erheblich ausweiten– seine Blüte gilt heutzutage alslandschaftstypisch <strong>für</strong> das nördlichsteB<strong>und</strong>esland – <strong>und</strong> liegt ggw. bei 15 %der Ackerfläche (en passant: in Schleswig-Holsteinliegen 34 % der gesamtenRapsanbaufläche der B<strong>und</strong>esrepublik).Insgesamt waren aufgr<strong>und</strong> intensivererAnbaumethoden (bessere Bodenerschließung,Kunstdüngung, Pflanzenschutz)Ertragssteigerungen möglich.Allein zwischen 1970 <strong>und</strong> 1985 nahmdas dt/ha-Ergebnis bei Wintergerstevon 34,8 auf 62,5 zu, was nahezu eineVerdoppelung bedeutet.Sonderkulturen waren eher rückläufig.Die Öffnung des deutschen Marktes <strong>für</strong>südeuropäische <strong>und</strong> niederländischeImporte übte vor allem Druck auf dieObst- <strong>und</strong> Gemüseerzeuger aus; Kohlaus Dithmarschen wurde einerseitsdurch den Wandel der Verbrauchergewohnheiten(Sauerkraut!), andererseitsdurch die Konkurrenz innerdeutscherAnbaugebiete (Braunschweiger Börde,Niederrheingebiet) zunächst fastverdrängt. In allen Bereichen hat inzwischeneine Erholung durch starke Qualitätsverbesserungeneingesetzt. ImKreis Herzogtum Lauenburg haben sichin den letzten Jahren Spargel- <strong>und</strong> Erdbeerkultureneinen festen Platz in derlandwirtschaftlichen Produktionspaletteerobert.Die Viehhaltung machte einen gravierendenWandel durch. Insbesondere die68 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Rinderhaltung, darunter ganz besondersdie Milchkuhhaltung nahm gegenüberdem Vorkriegsstand erheblich zu; bis1965 wurden ca. 300.000 Rinder mehrgehalten als 1939. Die Zahl der Milchküheging aufgr<strong>und</strong> der Subventionierungder Milchproduktion stetig weiter nachoben: Waren es 1950 noch 459.000, so1965 schon 504.000 <strong>und</strong> 1982 541.000.Die Milchleistung der Kühe insgesamtnahm von 1950 3.600 kg auf 1982 4.800kg zu (+ 33 %). Die Schweinehaltungerreichte erst 1960 wieder den Standvon 1913 (1,4 Mio) <strong>und</strong> entwickeltesich dann weiter aufwärts. Rückgängigist die Schafhaltung aufgr<strong>und</strong> geringerVermarktungschancen (Wolle wieFleisch, obwohl gerade letzteres in denletzten 15 Jahren insbesondere wegender wachsenden Kritik an Schweine<strong>und</strong>Rindfleisch eine kräftige Renaissanceerlebt). Und völlig rückgängig istdie Pferdehaltung. Waren 1945/46 dieBestände aufgr<strong>und</strong> des Zustroms vonostdeutschen Pferden noch einmal kräftigangestiegen (1944: 168.000, 1945:187.000), so wird insbesondere seit demBeginn der 1950er Jahre ein Rückgangbemerkbar: 1955 war die 100.000er Markeunterschritten, 1960 die 50.000er,1965 die 20.000er. Pferde erleben heuteunter Vorzeichen der Entwicklung einersich verbreiternden Schicht von Bezieherngroßer <strong>und</strong> größer werdendenEinkommen als Luxusartikel (Reittiere)einen erneuten Bedeutungszuwachs<strong>für</strong> die schleswig-holsteinische Landwirtschaft(Zucht <strong>und</strong> Vermarktung derHolsteiner).Die Mechanisierung <strong>und</strong> Motorisierungder Landwirtschaft machte – vor allem<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>vor dem Hintergr<strong>und</strong> anhaltender Arbeitskraftverluste(immer weniger durchAbwanderung oder Landflucht, sonderndurch Arbeitsplatzwechsel bei Beibehaltungdes Wohnsitzes) aufgr<strong>und</strong> derrelativ schlechten landwirtschaftlichenArbeitslöhne – enorme Fortschritte. Dieeigentliche Durchsetzung des Ackerschleppersin Schleswig-Holstein liegt inden Jahren 1955-1965. In dieser Zahl verzehnfachtesich die Zahl der Traktoren,so dass nahezu jeder Betrieb über 5 haldw. Nutzfläche mit einer Zugmaschineversehen war. 1981 gab es bereits 58.000Schlepper. In der Folgezeit wurde derSchlepper/Traktor immer stärker zumzentralen mobilen Krafterzeugungsgerät<strong>und</strong> zum Geräteträger, also zum Kerneiner Multifunktionsmaschine. Zahlreicheandere Maschinen, die menschlicheArbeitskraft in immer höherem Maßeersetzten, kamen hinzu, darunter vorallem die Mähdrescher, bei denen sichheute allerdings eine Abkehr von derbetrieblichen Eigenversorgung ergebenhat; die Lohnunternehmen stehenheute mit genügender Maschinenzahlzur Verfügung (1981: gut 7 200 Stück).Heute stützen sich nur noch wenige Betriebe(insbesondere Großbetriebe) aufLohnarbeit; der überwiegende Teil derBetriebe kommt bei Ausrichtung auf Akkerbau<strong>und</strong> Milchwirtschaft mit 1 bis 1 ½Arbeitskräften im Betrieb aus – die stelltdas bäuerliche Ehepaar.Nur Sonderkulturen, die sich der Mechanisierungdes Pflanz- bzw. Erntevorgangesentziehen (insbesondere Gemüse-,Kohl- <strong>und</strong> Obstbau) verlangen saisonalhohes Arbeitskraftaufkommen; dieserwurde in den 1960er bis 1980er Jahren69


vor allem durch südeuropäische <strong>und</strong>türkische Arbeitskräfte gestellt, seit Falldes Eisernen Vorhanges durch solcheaus Polen.Die Nachkriegszeit brachte <strong>für</strong> die Landwirteeine völlige Umstellung ihrer Buchführung.Da es jetzt eine Umsatz- <strong>und</strong>Ertragsbesteuerung gab, waren fast allelandwirtschaftlichen Betriebe zur Führungprüfbarer betriebswirtschaftlicherUnterlagen gezwungen. An die Stelleder freiwilligen Buchführung zum Zwekkeexakter betriebswirtschaftlicher Beratungdurch die Landwirtschaftskammertrat nun die zwangsweise Buchführung.Damit können nun auch erstmals landwirtschaftlicheEinkommen nach Betriebsgrößenklassendifferenziert erfasst<strong>und</strong> bewertet werden (LandwirtschaftlicherBuchführungsverband). Insgesamtlässt sich ein Rückgang der Roheinkommen,insbesondere aber ein Rückgangder Privatentnahmen feststellen; dieEinkommensentwicklung war stagnativbis rückläufig – das besonders im Vergleichzu gewerblichen Einkommen; diepro-ha-Verschuldung nimmt aufgr<strong>und</strong>stagnierender <strong>und</strong> fallender Agrarpreisebei gleichzeitig hohem Modernisierungsdruckin der Betriebstechnik zu(z.B. zwischen 1977 <strong>und</strong> 1982 von 2.500DM auf 3.900 DM). Zahlreiche Protesteder Bauern, insbesondere in den letzten20 Jahren, wandten sich gegen dieVerschlechterung ihrer wirtschaftlichenLage – gerade jetzt erlebten wir aktuelleBeispiele.Unter diesen Umständen nimmt das Interesseinsbesondere älterer schleswigholsteinischerLandwirte an der Fortführungihrer Betriebe ab, zumal, wenn sichkeine Möglichkeit zur Berufsvererbungparallel zur Vererbung der Flächen <strong>und</strong>Betriebsmittel ergibt. Denn zahlreicheLandwirtssöhne <strong>und</strong> –töchter ziehenes vor, außerhalb der Agrarwirtschaftihre berufliche Zukunft zu suchen, sodass die im Verlauf der letzten 100 Jahreherausgebildete Ideologie des „jahrh<strong>und</strong>ertealtenFamilienbesitzes“, einevom damals schon aussterbenden Adelübernommene Traditionsbildung, nunabreißt bzw. obsolet wird.1770 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Die lauenburgischen Betriebe standen1983 von allen landwirtschaftlichenBetrieben in Schleswig-Holstein hinsichtlichihrer Größe nicht schlecht da:die durchschnittliche Betriebsgröße laghier bei 1840 Betrieben bei 39 ha (Land:35 ha) <strong>und</strong> damit an 3. Stelle im Land.Durchschnittlich größere Betriebe gabes nur in den Kreisen Plön (40 ha) <strong>und</strong>Ostholstein (50 ha), wozu hier allerdingsdie Großbetriebe (Güter) beitrugen. 16Was <strong>für</strong> den Kreis Pinneberg in der Einschätzungeines Landwirtschaftspraktikers<strong>für</strong> Rinderhaltungsbetriebe festgestelltwurde, dürfte auch <strong>für</strong> andereKreise Geltung haben: „Die Anwendungindustrieller Produktionsmethoden mithohem Energie- <strong>und</strong> Chemieeinsatz hatbäuerliche <strong>Wirtschafts</strong>weise weitgehendan den Rand gedrängt. Der heutewettbewerbsfähige Betrieb hält sechzigKühe, körperlich deformierte, krankheitsanfälligeHochleistungsrinder miteiner durchschnittlichen Milchleistungvon 7.000 kg, in einem Boxenlaufstallauf Betonspaltenboden <strong>und</strong> füttertsie mit Gras- oder Maissilage sowie mitzugekauftem fertiggemischtem Kraftfutter.Seine Nutzfläche liegt bei 50 ha,auf dem Grünland werden mit intensivermineralischer Düngung bis zu fünfSchnitte gemacht, auf dem Acker wirdMais in Monokultur angebaut. Alle anderenBetriebszweige sind schrittweiseweggefallen ... Die jungen, dynamischenLandwirte haben das Unternehmeridealvoll akzeptiert <strong>und</strong> setzen auf Wachstum,obwohl durchaus denkbar ist, dasszwischen fortgesetztem Preisdruck einerseits<strong>und</strong> zunehmenden Umweltauflagenandererseits demnächst in weiten<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Teilen des Kreisgebietes überhaupt keineForm von Landwirtschaft mehr rentabelsein wird.“ 18PerspektivenÜber die Zukunft der Landwirtschaftin Schleswig-Holstein, die heute nochimmer ca. 60 % der Katasterfläche desLandes <strong>für</strong> sich in Anspruch nimmt, gibtes unterschiedliche Auffassungen. Allengemeinsam ist, dass eine Vergrößerungder Einzelbetriebe zum Zweck einerrentablen Balance von Fläche <strong>und</strong> eingesetztenBetriebsmitteln unabdingbarist. Der Trend bestätigt diese Annahme.Gleichzeitig muss wohl ein steigenderAnteil von ehemaligen Grenzbödenwieder aus der Produktion genommenwerden, weil hier die Aufwendungen<strong>für</strong> eine gewinnbringende Agrarproduktionzu hoch sind. Da diese Flächengleichwohl nicht frei auswildern dürfen,um die Nutzflächen nicht zu gefährden,denken heute schon nicht mehr allzuwenige Agrarplaner an eine Zukunft vonLandwirten als Landschaftsgärtner. Wasdas <strong>für</strong> einen erheblichen Teil auch desindustriellen Umsatzes des Landes bedeutet,ist angesicht eines Anteils vonknapp einem Drittel der Nahrungs- <strong>und</strong>Genussmittelindustrie, die weitgehenddie landwirtschaftlichen Produkte desLandes selbst verarbeitet, nicht abzusehen.Immerhin ist bei heute weitgehenderTrennung von Rohstofferzeugungs<strong>und</strong>Veredelungsstandort vorstellbar,daß solche Industriebetriebe auch ohneeinheimische Agrarproduktion sehr gutweiterexistieren.71


ResuméeDie schleswig-holsteinische Landwirtschafterreichte zwischen 1870 <strong>und</strong> 1914eine zuvor nie in dieser Breite geseheneEinkommensexplosion; der LauenburgerRaum macht hier keine Ausnahme.Leichte Rückgänge aufgr<strong>und</strong> konjunkturellerEinbrüche <strong>und</strong> nachlassenderstaatlicher Subventionen lösten heftigeKlagen der Landwirte aus. Der Erfahrungshintergr<strong>und</strong>der Kaiserzeit prägtedie Beurteilung der krisenhaften, wenigstensvon starken konjunkturellenSchwankungen geprägten Zeit derWeimarer Republik. Modernisierunghatte ihre Kehrseite – sie war mit relativhohem Kapitalaufwand verb<strong>und</strong>en.Viele Landwirte reagierten auf erhöhtesRisiko <strong>und</strong> vermehrtes Scheitern vonBerufskollen mit Angst <strong>und</strong> Aggressivität– <strong>und</strong> waren um so erleichterter, alsihnen mit Festpreisen <strong>und</strong> Marktregulierungenschwierige Entscheidungen abgenommenwurden. Nur die alten Landwirtebeklagten den Umstand, dass daskaiserzeitliche Einkommensniveau nichtwieder erreicht wurde.In Lauenburg wirkte sich die Nähe zurMetropole Hamburg auf die landwirtschaftlicheEntwicklung auch deshalb– verglichen mit dem Provinzdurchschnitt– nicht sonderlich aus, weil derAnschluss an das Eisenbahnnetz bereitsvor 1900 erhebliche Teile der schleswig-holsteinischenLandwirtschaft zumunmittelbaren agraren Hinterland nichtnur Hamburgs, sondern auch andererurbaner Ballungen machte. Dass Nähezu großstädtischen Märkten nicht in jedemFall innovationsfreudiger macht,sondern dass manche alten eingeschliffenenAbsatzwege lange überdauern,wurde auch in Lauenburg deutlich.Die Nachkriegssituation führte nachkurzer Phase der massiv verstärktenNachfrage nach Lebensmitteln zu einerSituation, in der sich die Landwirte auchin Lauenburg der wachsenden ausländischenKonkurrenz stellen mussten. Motorisierung<strong>und</strong> weitere Zurückdrängungder landwirtschaftlichen Lohnarbeitstellen eine markante Entwicklungsliniedar. Die Produktionsstruktur verändertesich weg von den traditionellenAnbaufrüchten hin zu den gefördertenGetreidesorten <strong>und</strong> Marktfrüchten. DieViehhaltung unterlag ebenfalls starkenRegulierungen (Milchquote). Der hoheInvestitions- <strong>und</strong> Konkurrenzdruck hatzahlreiche Landwirte veranlasst, ihreBetriebe stillzulegen bzw. aufzugeben.Diese Tendenz wird sich angesichts deragrarischen Überproduktion im Rahmender Europäischen Union fortsetzen.Die Landwirtschaft ist nicht nur inSchleswig-Holstein, sondern auch inLauenburg ein vom Aussterben bedrohter<strong>Wirtschafts</strong>zweig.1 Die nachfolgenden Ausführungen basierenwesentlich auf meinen Beiträgen:Zwischen Krise <strong>und</strong> Boom – WirtschaftlicheEntwicklung 1830-1864; Neuorientierungauf den deutschen <strong>Wirtschafts</strong>raum– Wirtschaftliche Entwicklung 1864-1918,in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von denAnfängen bis zur Gegenwart, hrsg. v. UlrichLange, Neumünster 1996, S.341-345, 368-425.72 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


2 O. v. Wobeser, Statistik der Provinz Schleswig-Holstein,Altona 1887.3 Die folgenden Ausführungen beruhenauf meinen Beiträgen: Landwirtschaftspolitik<strong>und</strong> landwirtschaftliche Entwicklungin Schleswig-Holstein 1933-1945, in: E. Hoffmannu. P. Wulf (Hrsg.), „Wir bauen das Reich“.Aufstieg <strong>und</strong> erste Herrschaftsjahre desNationalsozialismus in Schleswig-Holstein,Neumünster 1983, S.273-308; Kehrseite derModernisierung. Die Krise in Landwirtschaft<strong>und</strong> Industrie, in: Geschichtsumschlungen.Sozial- <strong>und</strong> Kulturgeschichtliches LesebuchSchleswig-Holstein 1848-1948, hrsg. v. GerhardPaul, Uwe Danker u. Peter Wulf, Bonn1996, S.185-191.4 Die Aussagen über Lauenburg beruhenauf verschiedenen Artikeln im LandwirtschaftlichenWochenblatt <strong>für</strong> Schleswig-Holstein, insbesondere 1928, S. 777 <strong>und</strong> 836,1929, S. 693, 707 <strong>und</strong> 900; 1931, S. 105 <strong>und</strong>759, sowie auf: Die Ergebnisse der Bodenbenutzungserhebungim Jahre 1927. Statistikdes Deutschen Reiches, Bd. 374, Berlin 1930,S. 70.5 LWSH 1928, S. 777-778.6 R. Heberle, Landbevölkerung <strong>und</strong> Nationalsozialismus,Stuttgart 1963, S. 125.7 Die nachstehenden Ausführungen beruhenim Wesentlichen auf meinem Beitrag:Landwirtschaftspolitik <strong>und</strong> landwirtschaftlicheEntwicklung in Schleswig-Holstein1933-1945, in: E.Hoffmann u. P.Wulf (Hrsg.),„Wir bauen das Reich“. Aufstieg <strong>und</strong> ersteHerrschaftsjahre des Nationalsozialismusin Schleswig-Holstein, Neumünster 1983,S.273-308.8 Die Angaben <strong>für</strong> Lauenburg nach Nachrichtenaus dem LandwirtschaftlichenWochenblatt Schleswig-Holstein, 1933, S.210-212, 224-227 <strong>und</strong> Wochenblatt der LandesbauernschaftSchleswig-Holstein, insbesondere1935, S. 745-748, S. 1234-1235, 1937,S. 846-847, 1938, S. 847-848, S. 921, 1939, S.572-573, S. 648-649, sowie Handbuch derProvinz Schleswig-Holstein 1936, Kiel 1936,S. 412-415.9 Vieth, Der Schweinebestand in Schleswig-Holsteinam 3. Dezember 1938, in: WBLB1939, S. 504.10 K. Wittern, Die Schweinehaltung inSchleswig-Holstein, in: WBLB 1938, S. 697-698.11 WBLB 1938, S. 921.12 Neben dem in Anm. 8 genannten Werkwurden hier auch Angaben aus dem Bauernblatt1982 ff. <strong>und</strong> aus den StatistischenTaschenbüchern Schleswig-Holstein 1965 ff.,Kiel 1966 ff. verarbeitet. Vgl. auch: G. Stüber,Der Kampf gegen den Hunger 1945-1950.Die Ernährungslage in der britischen ZoneDeutschlands, insbesondere in Schleswig-Holstein <strong>und</strong> Hamburg, Neumünster 1984(SWSG 6).13 J.V. Volquardsen, Zur Agrarreform inSchleswig-Holstein nach 1945, in: ZSHG102/103 (1977/1978), S. 187-344; J. Rosenfeldt,Nicht einer ... viele sollen leben! Landreformin Schleswig-Holstein 1945-1950, Kiel1991; K.-J. Lorenzen-Schmidt, GescheiterteBodenreform in Schleswig-Holstein, in: Zeitgeschichteregional 3 (1999), S. 13-17.14 R. Ehrich, Landwirtschaftliche Organisation<strong>und</strong> Verwaltung im Kreis HerzogtumLauenburg seit dem Ende des 1. Weltkrieges,Ratzeburg 1984, S. 89 f.15 25 Jahre Programm Nord: gezielte Landentwicklung,red. v. A. v. Reinersdorff, Kiel1979.16 NR vom 1.11.1983.17 Statistisches Jahrbuch Schleswig-Holstein,Kiel 1985, 1993, 1997.18 R. Jung, Bauer oder Unternehmer? Landwirtschaftim Kreis Pinneberg 1949-1964,Dauenhof 1991, S. 184 f.<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>73


BuchbesprechungenHans Peter Stamp, … <strong>und</strong> weiß wieAlabaster. Eine Kulturgeschichte derKartoffel, Neumünster 2013, 256 S.,zahlr. Abb.Ein neues Buch erscheint in Schleswig-Holstein (bei Wachholtz) <strong>und</strong> handeltvon der „Kulturgeschichte der Kartoffel“.Der Autor ist mir unbekannt. Das ist was<strong>für</strong> den <strong>R<strong>und</strong>brief</strong>, denke ich, <strong>und</strong> lassemir ein Besprechungsexemplar zusenden.„Schön bunt“, finde ich, als ich esauspacke. Und tatsächlich: Schön buntist es nicht nur außen, sondern auch innen.Herr Stamp, promovierter Agrarwissenschaftleraus Norderdithmarschen,arbeitete 32 Jahre <strong>für</strong> den Bauernverband<strong>und</strong> war dort u. a. <strong>für</strong> die Kartoffelzuständig. Im Ruhestand fand er Muße,alles das, was er über die Kartoffel inErfahrung bringen konnte, zusammenzuschreiben.Quellenarbeit darf manbei einer „weltweiten Kulturgeschichte“vielleicht nicht erwarten – wohl aber einwenig Systematik <strong>und</strong> vor allem keinenreißerischen Stil. Ich weiß nicht, ob HerrStamp durch seine Arbeit im Bauernverbanddazu verleitet wurde, im allzulegeren Plauderton scheinbares historischesWissen auszubreiten – hier tut eres. Und man kann wohl sagen, dass ihmsein Thema so nahe geht, dass er ein kartoffelzentriertesWeltbild entwickelt. DieRevolution von 1848, mit deren UrsacheHerr Stamp sein Buch beginnen lässt,geht natürlich auf Kartoffelmangel (=Hunger) zurück. Er räumt ein, dass es imUntergr<strong>und</strong> auch noch drei Strömungen(„eine allgemeine liberale, eine nationale<strong>und</strong> eine sozialistische“ S. 24) gab.Aber eigentlich war doch der Kartoffelmangelschuld. Die Kartoffel kommtseiner Meinung nach aus den Anden(S.25) <strong>und</strong> ist eigentlich das ideale Mittelgegen Hunger (S. 31-38). Überdies ist siegut <strong>für</strong> die Bildung (S. 39-43). Wie aberkam die Kartoffel nach Schleswig-Holstein?In einer quasi Weltschau verw<strong>und</strong>ertdiese Frage ein wenig, aber es lässtsich erklären, wie Herr Stamp jetzt dieVerengung auf sein Heimatland schafft:Seine Vorfahren waren Pfälzer, die inden 1760er Jahren unter Vorspiegelungfalscher Tatsachen zur Einwanderungnach Schleswig verführt worden waren.Diesem Kolonisationsversuch <strong>und</strong>seiner bahnbrechenden Wirkung <strong>für</strong>die Verbreitung der Kartoffel widmetsich ein ganzes Kapitel (S. 44-63). Schonvorher aber gab es Kartoffeln, nicht nurin Fürstengärten, sondern in Spanien,Irland <strong>und</strong> den Niederlanden, wie HerrStamp aus dem Netz erfahren hat. NachDeutschland brachten die Feldfruchtaber hessische Söldner (er meint sichervon den Briten gemietete hessischeTruppen) <strong>und</strong> dann kamen sie auch nachNiedersachsen. Dass die Kartoffel an derfranzösischen Revolution beteiligt war,schließt der Autor aus (S. 82f.). Die große74 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Bedeutung der Knolle <strong>für</strong> die Ernährungin Irland – mit den furchtbaren Folgenbei erstem flächenhaften Auftreten derKrautfäule <strong>und</strong> dem Ausfall der Ernten(S. 86 ff.); die irische Massenauswanderungist eine direkte Folge dieser Ernährungskatastrophe,die sich allerdings alsletzte Hungerkatastrophe vom Typ ancienrégime durch die 1840er Jahre zieht<strong>und</strong> auch hierzulande die Unterschichthart traf. Natürlich kann Herr Stampauch den Krieg von 1848-51 direkt aufdie Kartoffel beziehen (S. 118-122). Zuvoraber macht er einen Ausflug in die Weltder Kartoffelschädlinge (S. 108-117), umanschließend noch über die deutscheErnährungslage im Ersten Weltkrieg zuerzählen. Wie immer bei konservativgestimmten Dampfplauderern fällt dieZeit von 1918-1945 unter den Tisch – da<strong>für</strong>kommt das Ende des Hungers nachdem letzten Hungerwinter 1946/7 ausführlichzur Sprache. Die Bewertung derNachkriegszeit geschieht ganz aus derSicht des ländlich geb<strong>und</strong>enen konservativenStammwählers der CDU <strong>und</strong> hatmit Kartoffeln so gut wie nichts zu tun.(S. 136-150). Es folgen Anekdoten <strong>und</strong>Geschichten um die Kartoffel (ab S. 154)– Dichter, die sie besangen, Künstler, diesie malten … Ein anti-englischer Zungenschlag(„die Briten“) durchzieht dasBuch.Es fällt schwer, aus diesem Wust vonDichtung <strong>und</strong> Wahrheit, aus eklektischerFarbtupferei <strong>und</strong> halbgarer Rezeptionwissenschaftlicher Resultate,ideologischer Voreingenommenheit<strong>und</strong> persönlicher Betroffenheit einenGewinn zu ziehen. Herr Stamp meint <strong>für</strong>seine Klientel plaudern zu können, also<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>Leute zu belehren, denen man allerhandHalbgares vorsetzen kann. Vielleicht hater das in seinem Berufsleben gelernt<strong>und</strong> angewendet. Eine Bereicherungunserer geschichtlichen Kenntnis überdie Kartoffel als Gr<strong>und</strong>nahrungsmittellässt sich mit diesem Buch, das zu einemerheblichen Teil aus Internetzitatenbesteht (44 % aller Fußnoten) <strong>und</strong> voneiner gründlichen Auseinandersetzungmit der ernstzunehmenden agrar- <strong>und</strong>ernährungsgeschichtlichen Literatur sowieeiner ernstzunehmenden Recherche(auch <strong>und</strong> gerade unter Einbeziehungder Quellen!) weit entfernt ist, nicht erreichen.Dass der Verlag wieder einmal ein unlektoriertesBuch präsentiert, machtdas Vertrauen in seine Absichten nichtgerade höher <strong>und</strong> verweist auf das Problemder Programmgestaltung, das sichin den letzten Jahren verdeutlicht: DerQualitätsstandard, der früher einmalvorhanden war, wurde offenbar zugunstenvon Vollfinanzierung von außenaufgegeben. Es fehlt hier ein Literaturverzeichnis.Zahlreiche Bilder habenkeine Unterschriften <strong>und</strong> keinen Autorennachweis.Und es gibt zahlreicheWiederholungen. Kurzum: Ich empfehledieses Buch niemandem.Klaus-J. Lorenzen-Schmidt75


Klaus Lemke-Paetznick, Kirche in revolutionärerZeit. Die Staatskirchein Schleswig <strong>und</strong> Holstein 1789-1851(Arbeiten zur Kirchengeschichte, 117 /zugl. Diss. Theol. Universität Hamburg2010), Berlin/Boston: Walter de Gruyter,2012 (VIII, 766 S.).Bei der vorliegenden Veröffentlichunghandelt es sich um die leicht überarbeiteteFassung einer Dissertation, die derVerf. über lange Jahre neben seinemWirken als Pastor geschrieben <strong>und</strong> 2010bei der Theologischen Fakultät der UniversitätHamburg eingereicht hat. ImKern geht es um die Stellung der protestantischenKirche <strong>und</strong> ihrer Vertreter indem durch Aufklärung <strong>und</strong> FranzösischeRevolution neu ausgerichteten Kräftefeldzwischen Obrigkeit <strong>und</strong> Gemeinde.Wer die Position der Kirche <strong>und</strong> die vonGottes Gnaden herrschende weltlicheObrigkeit in Frage stellte, brachte dieGr<strong>und</strong>festen der Ordnung des Ancienrégime ins Wanken <strong>und</strong> stürzte die aufdiese verpflichteten evangelischen Pastorenin arge Gewissens- <strong>und</strong> Loyalitätskonflikte.Dies hatte seine Ursache inder engen Verschränkung von Welt <strong>und</strong>Kirche, die im evangelisch-lutherischenKontext mit dem Landesherrn als SummusEpiscopus eine neue Dimensionerhalten hatte <strong>und</strong> die kirchlichen Führungskräftegleichsam als Staatsbeamteauf Loyalität <strong>und</strong> Gehorsam diesem gegenüberverpflichtete.Hatte man der Revolution zunächst ausder Ferne zugesehen, bis zur HinrichtungLudwigs XVI. durchaus Sympathie <strong>für</strong>ihre Akteure empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bisweilengeradezu euphorisch in den Jubelchorder Freiheit eingestimmt, so stellten sichdie nach 1815 aus dem Ringen von Restauration<strong>und</strong> Revolution resultierendenKonflikte auch im nordelbischenRaum schon sehr bald als ebenso konkretewie gr<strong>und</strong>legende Probleme <strong>für</strong>jeden einzelnen Geistlichen dar. Wie sichdie entsprechenden Konflikte im Alltagmanifestierten, wie sie ausgetragen <strong>und</strong>jeweils individuellen Lösungen zugeführtwurden, hing davon ab, welch Verhältnissendie jeweiligen Protagonistenentstammten, welchen intellektuellen<strong>und</strong> sozialen Prägungen sie währendSchul-, Ausbildungs- <strong>und</strong> aktiver Schaffenszeitunterworfen waren <strong>und</strong> werin ihrem unmittelbaren Umfeld wirkte.Hieraus ergibt sich eine weite Matrix vonHandlungsoptionen <strong>und</strong> Spielräumen.So wurden die einen als charismatischeFührungspersönlichkeiten sogar zu politischenMeinungsführern, während sichandere wegduckten. Von daher betrachteterscheint die Arbeit nicht zuletzt alsein interdisziplinär <strong>und</strong> innovativ angelegterBeitrag zur Bildungs- <strong>und</strong> Sozialgeschichtedes Aufklärungszeitalters.In einer Einleitung erläutert der Verf.zunächst die Fragestellung seiner Studie,umreißt den Forschungsstand <strong>und</strong>legt Ziele <strong>und</strong> Vorgehensweise dar. ImAnschluss daran erfolgt die sehr ausführliche,stets sehr quellennah durchgeführteAuseinandersetzung mit demGegenstand. Diese vollzieht sich insieben übergeordneten Kapiteln. AlsAusgangspunkt <strong>für</strong> die Auseinandersetzungmit der Problematik wird imersten Kapitel zunächst noch einmal dieFranzösische Revolution von 1789 in denBlick genommen. Besonderes Augen-76 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>merk wird dabei auf die Rezeption derRevolution <strong>und</strong> auf ihre weltanschaulichenAuswirkungen gelegt, um sodannspeziell die Verhältnisse im dänischenGesamtstaat <strong>und</strong> seinen nordelbischenProvinzen Schleswig <strong>und</strong> Holstein sowieim Fürstbistum Lübeck näher in denBlick zu nehmen. Im zweiten Kapitelgeht es um das Ringen zwischen Revolution<strong>und</strong> Restauration. Dabei werdendie Be<strong>für</strong>worter der Revolution ebensoin den Blick genommen wie die französischenEmigranten als deren Gegner.Auch wird dem Wirken der Aufklärung<strong>und</strong> den Widerständen gegen deren Errungenschaftenbreiter Raum gegeben.Dies geschieht etwa bei der näheren Beschäftigungmit den radikal-aufklärerischenKreisen um den Plöner AmtmannAugust von Hennings <strong>und</strong> mit Blick aufdas diesem entgegenstehende Umfelddes Emkendorfer Kreises <strong>und</strong> gipfelt indem – bewusst zugespitzten – Antagonismuszwischen reaktionärem Adel<strong>und</strong> aufgeklärtem Bürgertum am BeispielEutins. Während sich das Verhältniszwischen diesen Polen im Laufe des 19.Jahrh<strong>und</strong>erts immer weiter zugunstendes Bürgertums verschiebt, treten zweineue Elemente hinzu, denen sich diefolgenden Kapitel ausführlich widmen.So erwarteten die bürgerlichen Kreise,denen die Geistlichen größtenteils entstammten,die Einlösung des in Artikel13 der Wiener Schlussakte von 1815gegebenen Verfassungsversprechensdurch den Landesherrn, während dieGeistlichen gerade dessen Autoritätnicht in Frage stellten. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong>wirkten das Wartburgfest <strong>und</strong>die Burschenschaftsbewegung über dieStudentenschaft in die Herzogtümer zurück<strong>und</strong> ließen anlässlich des Reformationsjubiläums1817 ein Hochkochen derSituation erwarten. Doch wurde all diesvon der Geistlichkeit etwa in Predigtennur selten thematisiert <strong>und</strong> meist ganzbewusst unterdrückt, während es im öffentlichenDiskurs Wirkung entfaltete.Weiter angeheizt wurde die Stimmungin den Herzogtümern bekanntlich durchdie Juli-Revolution 1830 <strong>und</strong> vor allemdurch Uwe Jens Lornsens Schrift „Überdas Verfassungswerk in Schleswigholstein“.Von hieraus erstreckt sich die intensiveAuseinandersetzung mit dem zeitgenössischenDiskurs über Freiheit, Volkssouveränität,das Problem des aufkommendenPauperismus, über Nation <strong>und</strong>Vaterland bis hin zur Revolution von1848. Die im siebten Kapitel folgendeBehandlung der aus dem deutsch-dänischenNationalitätenkonflikt erwachsendenSchleswig-Holsteinischen Erhebung<strong>und</strong> des während dieser gezeigtenVerhaltens der Geistlichkeit nimmt einenGedanken der Kieler Erklärung derselbsternannten Provisorischen Regierungvom 24. März 1848 zum Ausgangspunkt:Das in gewisser Weise anti-revolutionäreEintreten <strong>für</strong> den seiner Freiheitberaubten Landesherrn, das den KielerProtagonisten der Erhebung zur Legitimationdiente, lässt Lemke-Paetznickdie Frage stellen, ob man hier nicht einan sich revolutionäres Verhalten an denTag legte, ohne dabei ein revolutionäresBewusstsein zu entwickeln. Dem Gedankenvon der Unfreiheit des Landesherrnkonnte sich auch die an sich eher konservative,Gesamtstaat <strong>und</strong> Absolutismusstützende Geistlichkeit öffnen. Vor77


dem Hintergr<strong>und</strong> dieser an sich paradoxenDichotomie, in der die Frage nachder Loyalität sich mit dem aufgeklärtenRingen um Volkssouveränität <strong>und</strong> mitpatriotischen Gedanken überlagerte,versuchte die Geistlichkeit den Kontaktzu ihren Gemeinden zu wahren, die inder Regel eher bereit waren, sich der Erhebunganzuschließen. Immerhin gab eswährend der Erhebungszeit auch einigewenige Geistliche, die Vorstellungen voneiner demokratischen, geistgeleiteten<strong>und</strong> vom Staat getrennten Kirche entwickelten<strong>und</strong> damit auf Entwicklungendes 20. Jahrh<strong>und</strong>erts vorauswiesen. Diesgalt etwa <strong>für</strong> den aus Haseldorf gebürtigenMichael Baumgarten (1812-1889),der 1846 Pastor in Schleswig gewordenwar, sich 1848 der Erhebung anschloss<strong>und</strong> 1850 nach deren Scheitern das Landverlassen musste, um zunächst Professoran der Rostocker Universität <strong>und</strong> späterReichstagsabgeordneter zu werden.Darf der Ansatz, mit der vorliegendenUntersuchung den Spagat zwischenklassischen historischen <strong>und</strong> theologischenBetrachtungsweisen zu wagen, alsdurchaus gelungen bewertet werden,zumal er in beiden Bereichen zu interessantenErgebnissen <strong>und</strong> neuen Erkenntnissenführt, so hätte man sich etwa beider Schreibweise einiger zentraler Begriffenoch mehr Problembewusstseingewünscht. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> deszeitgenössischen Diskurses war es nämlichdurchaus von Bedeutung, dass dieProvisorische (nicht provisorische) Regierungwie schon Lornsen von „Schleswigholstein“(S. 606) sprach <strong>und</strong> dabeiden trennenden Bindestrich ganz bewusstunterschlug.Am Ende der anregenden Auseinandersetzungmit diesem äußerst interessantenGegenstand steht eine Zusammenfassungder Ergebnisse in Thesenform,was der Rezeption der vom Verf. vorgelegtenErgebnisse sicher sehr förderlichsein wird. Ein umfangreicher Anhangmit Quellen- <strong>und</strong> Literaturverzeichnis,jeweils gesonderten Registern <strong>für</strong> Personen,Sachen <strong>und</strong> Orte sowie einemVerzeichnis der verwendeten Bibelstellenbeschließen die trotz ihres Umfangssehr lesenswerte Arbeit.Detlev KraackCarsten Porskrog Rasmussen, DetSønderjyske Landbrugs Historie 1544-1830, Aabenraa 2013 (Skrifter udgivetaf Historisk Samf<strong>und</strong> for Sønderjylland,<strong>Nr</strong>. 106), 621 S., zahlr. Karten <strong>und</strong> Abb.Er ist da: der letzte <strong>und</strong> schon langesehnsüchtig erwartete Band der Landwirtschaftsgeschichtevon Schleswig,den ich schon verloren glaubte, nachdemseit Erscheinen von Band IV (HansSchultz Hansen 1830-1993) im Jahre1994 nun doch fast 20 Jahre vergangensind. Bei Laune gehalten wurdedas neugierige Publikum durch das Erscheinender Bände Vorgeschichte 2000<strong>und</strong> Eisenzeit/Mittelalter 2003, die dashohe Niveau dieses Gr<strong>und</strong>lagenwerkesbestätigten. Nun war es auch möglich,Carsten Porskrog Rasmussen – gewisskein Faulpelz! – zur Abgabe seines umfänglichenManuskriptes zu bewegen.Ich muss es gleich loswerden: Das ist einLesevergnügen <strong>und</strong> Augenschmaus.78 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Die Landwirtschaftsgeschichte Schleswig-Holsteinsist durch den Bedeutungsrückgangder Landwirtschaft imLande <strong>und</strong> das nachlassende Interesseder Historiker von einem einst zentralenFeld der Forschung (Prange) zu einemNebenkriegsschauplatz geworden. Nurnoch wenige Historiker beschäftigensich, bei anhaltender lokaler Detailforschungvon Seiten der Heimathistoriker(man sehe nur in die zahlreichen Ortsgeschichten)mit der Agrarentwicklungdes ganzen Landes. Auch die Volksk<strong>und</strong>ler,die beizeiten Wichtiges beigesteuerthaben (u.a. Kramer, Bredahl, Göttsch),haben ihre Forschungsschwerpunkteverschoben. Eine zusammenfassendeLandwirtschaftsgeschichte fehlt <strong>und</strong>wird wohl in absehbarer Zeit nicht alsgesondertes Handbuch erscheinen. Dasist umso bedauerlicher, als der agrarischeSektor über lange Zeit das Lebender weitaus meisten Bewohner des Landeszwischen den Meeren bestimmthat <strong>und</strong> es hier eine große Vielfalt vonLandwirtschaftssystemen gab. Werden Modernisierungs-Aufbruch des 19.Jahrh<strong>und</strong>erts verstehen will, kann ohnegenaue Kenntnis der Urproduktion <strong>und</strong>der sie betreibenden Bevölkerung nurscheitern.Wagemutig ging man in Nordschleswig/Sønderjylland an die Herstellung eineskomplexen Werkes <strong>für</strong> das ganze Schleswig.Der hier vorgelegte Band zeigt nocheinmal in aller Deutlichkeit, wie eine moderneLandwirtschaftsgeschichte aussehenmuss <strong>und</strong> welche Themenfelderzu berücksichtigen sind. Der Autor hatsich seit Jahrzehnten mit der LandwirtschaftsgeschichteSchleswigs befasst<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>– seine beeindruckende Habilitationsschriftüber Gutsstrukturen <strong>und</strong> Gutswirtschaftvon 2003 (leider bisher nurauf Dänisch zu lesen) zeigte bereits, wasgründliche Quellenauswertung ermöglichenkann. Diese Vorarbeiten kommendem vorliegenden Werk zugute. DasWerk ist in vier Periodenabschnitte gegliedert(goldene Zeit 1544-1625 S. 13-110, Kriege <strong>und</strong> Katastrophen 1625-1700S. <strong>111</strong>-190, das friedliche 18. Jahrh<strong>und</strong>ert1700-1770 S. 191-364 <strong>und</strong> die Reformzeit1770-1830 S. 405-522); eingeschoben istein kulturgeschichtliches Kapitel überländliche Bauten <strong>und</strong> landwirtschaftlichesGerät vor 1800 (S. 365-404). EineZusammenfassung beschließt neben einerÜbersicht über die Forschungs- <strong>und</strong>Quellenlage die Sachdarstellung (S. 523-539). Wie es sich gehört, finden sich amSchluss des Bandes Quellen- <strong>und</strong> Literaturverzeichnissowie Register; die Notensind hier (wie bei den Anderen Bänden)als Endnoten angebracht worden – <strong>für</strong>das Seitenlayout schön, <strong>für</strong> die Benutzunghinderlich.Carsten Porskrog Rasmussen weiß, wovoner spricht. Sein Buch lässt keineFrage der landwirtschaftlichen Entwicklungoffen. Er thematisiert die Strukturder Landbevölkerung in ihrer sozialenDifferenzierung ebenso wie die Landgemeindeverfassung;Ackerproduktion<strong>und</strong> Viehhaltung, Vermarktung <strong>und</strong> Eigenverbrauch,gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> landesherrlicheBelastung sowie die Möglichkeit zurVermögensbildung werden beschrieben<strong>und</strong> analysiert. Dabei werden nicht nurdie Quellen der Obrigkeit zum Sprudelngebracht, sondern auch das individuelleSchreibwerk von Bauern. Selbstverständ-79


lich ist die ins Auge springende geomorphologischeVielfalt Schleswigs thematisiert:Auf den sandigen nordfriesischenGeestinseln war anders zu wirtschaftenals in den Marschgebieten; im östlichenHügelland finden sich Gutskomplexelandesherrlicher <strong>und</strong> adliger Art; auf derGeest sah es vergleichsweise ärmlich aus– dennoch schufen auch hier die Bauernein System der intelligenten Nutzungder begrenzten Ressourcen. Fehmarnals Teil des Herzogtums Schleswig ist alsreiche Landschaft mitberücksichtigt. DieVerbindung von Karte, Tabelle <strong>und</strong> Graphiklässt gut nachvollziehen, wie dieArgumentation verläuft <strong>und</strong> vor allem:worauf sie sich stützt.Und dann das Bildmaterial. Würde manmich vorher gefragt haben, ob es historischeBilder zur Landwirtschaft aus dembehandelten Zeitraum geben, hätte ichbedenklich dreingeschaut. Hier findenwir zahlreiche Abbildungen – oft Detailsaus in ganz anderen Zusammenhängenstehenden Bildern. W<strong>und</strong>erbare Einsichtengibt es in frühere Zustände, wennman etwa eine säugende Sau mit dreiFerkeln in einer Backform von 1778 sieht– oder eine Schlachterkoppel schloss mitder Darstellung einer Ochsenschlachtung.Der Autor nimmt die MejerschenKartenvignetten aus dem Danckwerthmit ihren Gerätedarstellungen aus derMitte des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts ernst: tatsächlichgeben sie viel her. Gekoppeltmit modernen (<strong>und</strong> älteren) Fotografienentsteht ein kompaktes Bild der Agrarproduktion<strong>und</strong> -gesellschaft der FrühenNeuzeit.Dass gegen Schluss der Sachdarstellungdie Erhebungen der Zeit um 1825des Segeberger Amtmannes von Rosenkartographisch <strong>und</strong> tabellarisch ausgewertetwerden, erfreut mich. Trotz allerBedenken, die schon der Amtmann gegenüberseinem Material äußerte: Es ist<strong>und</strong> bleibt die erste flächendeckendeBestandsaufnahme der Landwirtschaft(<strong>und</strong> landwirtschaftsverb<strong>und</strong>enen Gewerbe)<strong>für</strong> die Herzogtümer. Und siedürften dann doch einen ungefährenAnhalt über Ackerbau <strong>und</strong> Viehhaltunggeben – auch <strong>und</strong> gerade im Vergleichzu quantitativen Einzelüberlieferungen.Mit dem Abschluss ihres ambitioniertenUnternehmens ist den dänischenKollegen ein großer Wurf gelungen. Ichwüsste kein vergleichbares deutschesProjekt zu nennen, das auf so hohem Niveaueine regionale Landwirtschaftsgeschichtehervorgebracht hätte. Und <strong>für</strong>Schleswig-Holstein müsste es doch nunmöglich sein, eine Landwirtschaftsgeschichte(<strong>und</strong> sei es nur von 1000-2000,also unter Weglassung der Vor- <strong>und</strong>Frühgeschichte) herzustellen. Vieles hatin Dithmarschen, Holstein, Stormarn,Wagrien <strong>und</strong> Lauenburg, aber auch imheutigen Hamburger Staatsgebiet großeÄhnlichkeit mit den schleswigschenVerhältnissen – manches ist anders <strong>und</strong>auch gr<strong>und</strong>legend anders. Diese Vergleichsmöglichkeithat nicht zuletztauch Carsten Porskrog Rasmussen geschaffen.Ein großer Wurf!Klaus-J. Lorenzen-Schmidt80 <strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong>


Bildnachweise:Kreisarchiv Stormarn, S. 2, 3Institut <strong>für</strong> Sächsische Geschichte <strong>und</strong> Volksk<strong>und</strong>e, S. 17Norbert Fischer, S. 18Ortwin Pelc, S. 6-7, 10-11Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, S. 21, 22Statistisches Landesamt, S. 30-31<strong>R<strong>und</strong>brief</strong> <strong>111</strong> xxx


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