Handy! Handy! - GEW Landesverband Bayern
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Von PISA lernen<br />
Bessere Bildung für MigrantInnen = Chancen für uns alle<br />
Anfang April fand an der Willy-Brandt-Gesamtschule<br />
in München eine von der IG (Initiativgruppe interkulturelle<br />
Begegnung und Bildung e.V.) und weiteren Mitveranstaltern<br />
(u.a. <strong>GEW</strong> München) getragene Veranstaltung zu oben<br />
genanntem Thema statt.<br />
Eingeleitet wurde der Abend durch eine kurze Vorstellung<br />
der Städtischen Willy-Brandt-Gesamtschule, seit Jahrzehnten<br />
die einzige echte Ganztagsschule in München. Diese<br />
Schule am nördlichen Rand Münchens, besuchen ca. 950<br />
SchülerInnen, davon ca. 40% mit Migrationshintergrund.<br />
Die Gesamtschule hat<br />
sich das Thema Integration immer schon<br />
mit Erfolg zur Aufgabe gemacht.<br />
Anschließend gaben Schülerinnen<br />
und Schüler einer 10. Klasse der gastgebenden<br />
Schule und eine Schülerin der 9.<br />
Jahrgangsstufe einer Hauptschule – alles Jugendliche aus Familien<br />
von MigrantInnen – in kurzen Interviews Auskunft<br />
über ihre Schullaufbahn, ihr Erlernen der deutschen Sprache,<br />
den Stellenwert der Muttersprache und über Benachteiligungen<br />
bzw. Diskriminierung in ihren Schulen. Dabei<br />
stellte sich heraus, dass neben dem Engagement der Schule<br />
die positive Einstellung und moralische Unterstützung der<br />
Eltern zu einem guten Bildungsabschluss ihrer Kinder ein<br />
wesentlicher Impuls für den schulischen Erfolg sind. Auch<br />
betonten sie, dass sie sich in ihren Schulen nicht spürbar<br />
benachteiligt oder diskriminiert fühlten. Die lebendige, aber<br />
auch authentische Vorstellung der Schülerinnen und Schüler<br />
aus Russland, Ungarn, der Ukraine und der Türkei zeigte,<br />
wie wichtig es ist, auch die Betroffenen zu Wort kommen<br />
zu lassen.<br />
Den Hauptvortrag hielt der Bundesvorsitzende der türkischen<br />
Elternvereine Dr. Ertekin Özcan aus Berlin. Er<br />
wandte sich gegen das Vorurteil, türkische Eltern interessierten<br />
sich kaum für den Bildungsweg ihrer Kinder. Seiner<br />
Erfahrung nach belegten viele Beispiele aus der Praxis das<br />
Gegenteil. Die meistgestellte Frage am Beratungstelefon des<br />
türkischen Elternvereins in Berlin-Brandenburg sei »Wo<br />
21 DDS Juni 2006<br />
Unser Autor<br />
Stefan Dehne<br />
kann mein Kind Deutsch lernen?«<br />
Auch wenn etwa die Hälfte der<br />
Eltern türkischer Herkunft nicht<br />
in der Lage seien, ihren Kindern<br />
bei den Hausaufgaben zu helfen,<br />
heiße dies nicht, dass diese Eltern<br />
kein Interesse am Bildungserfolg<br />
ihrer Kinder hätten. Viele sind<br />
bereit, wenn man auf sie zugeht, an der schulischen<br />
Entwicklung ihrer Kinder teilzuhaben. Der<br />
durch die soziale Schicht bedingte geringe Bildungserfolg<br />
gelte doch wohl auch für deutsche<br />
Kinder.<br />
Er stellte in seinem sehr persönlichen Vortrag<br />
folgende Forderungen für die Bildungspolitik heraus:<br />
� frühe Förderung der deutschen Sprachkenntnisse von<br />
Kindern ab dem 3. Lebensjahr in kostenlosen Ganztagskindergärten<br />
� Qualifizierung der ErzieherInnen für Sprachvermittlung<br />
und Erziehung von Kindern aus unterschiedlichen Kulturen<br />
� Anerkennung der Migrationssprachen als gleichberechtigte<br />
Fremdsprachen bei allen Abschlüssen<br />
� Verbesserung des muttersprachlichen Unterrichts<br />
� Ausbau von Ganztagsschulen zur Schaffung von Begegnungs-<br />
und Kommunikationsgelegenheiten<br />
� Intensivierung der Elternarbeit zur Stärkung der Sprachund<br />
Erziehungskompetenz der Eltern<br />
� Einstellung von mehr Lehrkräften mit Migrationshintergrund<br />
Seinen eher von einem optimistischen Grundton geprägten<br />
Vortrag schloss Dr. Özcan mit einem eigenen, auf<br />
türkisch und deutsch vorgetragenen Gedicht ab.<br />
In der anschließenden Diskussion der gut besuchten<br />
Veranstaltung wurde auch die Forderung nach »Einer Schule<br />
für Alle« erhoben. Vom Ausländerbeirat, der <strong>GEW</strong>, dem<br />
GEB und VertreterInnen der zahlreich erschienenen türkischen<br />
Vereine wurde der zunehmende Abbau finanzieller<br />
Unterstützung in diesem Bereich vehement kritisiert.<br />
Unverständlich war bei der Aktualität des Themas das<br />
Nichterscheinen deutscher Medienvertreter (obwohl in der<br />
SZ im Veranstaltungskalender angekündigt). Im Gegensatz<br />
dazu waren drei türkische Zeitungen mit ihren Pressefotografen<br />
bis zum Ende der Veranstaltung dabei.<br />
von Stefan Dehne<br />
bis zu seiner Pensionierung Schulleiter der Willy-Brandt-Gesamtschule