smz aktuell28<strong>SMZ</strong> INFO dezember 2010Heike Possert-Lachnit (<strong>SMZ</strong>) betonte denSetting-Ansatz in der Gesundheitsförderungund warf in diesem Zusammenhangdie Frage nach der österreichweiten Einführungder Ganztagsschule auf.Dr. Johanna Muckenhuber, Institut fürSozialmedizin, gab zu bedenken, dass dieEinführung einer Ganztagsschule nochnicht per se gesundheitsfördernd sei; diesemüsse auch entsprechend gut gestaltetsein. Wie am Beispiel Frankreich ersichtlich,könne die Schule soziale Ungleichheit auchverstärken: Während die Eliteschulen mitviel Grünraum schön und gemütlich gestaltetseien, wären die Schulen in den Vorortenreine Aufbewahrungsstätten.Man sollte auch darauf achten, welcheWerbungen in den Schulen präsentiert undwelche Getränke (Stichwort Colaautomat)angeboten würden. Die Grazer SozialstadträtinDr. Martina Schröck berichteteaus ihrem Zuständigkeitsbereich, dass dieEinführung biologischer Lebensmittel in denGrazer Zentralküchen für Kindergärten undSchulen zum Teil auf Widerstand bei denNutzerInnen stoße. Biologische Äpfel z.B.würden wegen ihrer unansehnlichen Schalenicht gerne gegessen. Dennoch wolle siedie Zutatenliste der Lebensmittel offenlegenund mehr biologische Produkte einfließenlassen. Schröck plädierte außerdem für einebessere Kennzeichnung von Lebensmitteln,z.B. durch die Einführung einer sogenanntenLebensmittelampel, wie in Großbritannienüblich.Streetworker Stefan Pree forderte in derDiskussion, den gesundheitlichen Fokusnicht zu stark auf „Esstraining“ zu richten,sondern auch herkömmliche gesellschaftlicheNormen zu überdenken, welche einerseitsKindern und Jugendlichen vorschreibenwollen, sich mehr zu bewegen undanderseits gerade deren Bewegungs- undAktionsdrang verurteilen. „Kinder von 6-18sind lästig, laut, unruhig; die Gesellschaftlehnt sie ab und hat Angst vor ihnen!“.Johanna Muckenhuber verwies noch einmalauf die Wichtigkeit von Verhältnispräventionim Gegensatz zur herkömmlichenGesundheitserziehung und plädierte indiesem Zusammenhang für eine stärkereBetonung sozialhygienischer Maßnahmen:schimmlige Wohnungen zu verhindern seiz.B. ein effizientes Mittel, um Gesundheitsgefahrenzu begegnen.Inge Zelinka-Roitner
smz aktuellWo wohnen wir eigentlich?Straßennamen sind in unserem Alltagslebenständig präsent: sie dienen uns als Orientierungshilfe,wenn wir nach dem Weg suchenund sie weisen auf mehr oder minder wichtigePersönlichkeiten und Idole unserer gemeinsamenGeschichte hin. Auch unsere Adresse,also ein Teil unserer Identität, ist untrennbarmit Straßennamen verbunden. Neben unseremNamen schreiben wir wohl kaum etwashäufiger im Leben als den Namen der Straße,in der wir wohnen.Daher wollten auch die Menschen, die im Gebiet„Grünanger“ wohnen, über den Teil ihrerIdentität, der mit den Straßennamen des Gebietesverknüpft ist, Bescheid wissen. Prof.Dr. Karl Kubinzky, Soziologe, Korrespondentder Historischen Landeskommission fürSteiermark und profunder Kenner der GrazerGeschichte, berichtete Anfang Oktober imStadtteilzentrum am Grünanger aus seinemErfahrungsschatz:Tradition der BarackensiedlungenSo hieß „<strong>Liebenau</strong>“ bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts„Vatersdorf“, später verwendete mandann den Namen „Zur lieben Au“, der sichgrößerer Beliebtheit erfreute und daher durchsetzte.Überhaupt verleiht die Auenlandschaftim Süden von Graz einigen Straßennamenihre Prägung, wie etwa die Benennung der„schönen Au“ (Schönaugasse) oder der Neuholdaugassezeigt. In der NS-Zeit wurde <strong>Liebenau</strong>kurzzeitig in „Graz-Süd“ umbenannt undbeherbergte auch einen großen Rüstungsbetrieb,dessen Arbeiter in den Baracken am südlichenGrünanger lebten. Barackensiedlungenhaben in <strong>Liebenau</strong> Tradition: so stammten z.B.die „Väter“ der nördlichen Grünangersiedlungaus der Bukowina und waren „heim ins Reich“geholt worden. Die Bedingungen, die sie dortvorfanden, waren jedoch alles andere als einladend,wurden sie doch in Barackenlagernmit Lagerwachen untergebracht.Wachstum durch Eingemeindungen<strong>Liebenau</strong> hatte ebenso wie z.B. Andritz seineeigene Mautstation, wo bis zum Jahr 1938 vonden nach Graz Einreisenden Steuern kassiertwurden. 1938 wurden dann im politischen Bezirk<strong>Liebenau</strong> einige Gemeinden zusammengefasst,so z.B. die Gemeinde Engelsdorf unddas Murfeld, welches vor allem sehr arme, arbeitsloseMenschen beherbergte. Auch insgesamthatte sich das Grazer Stadtgebiet durchdie Eingemeindung der Vororte in dieser Zeitverfünffacht. Das Fehlen eines Zentrums bzw.Hauptplatzes in <strong>Liebenau</strong> kann zum Teil durchdiese Zusammenfassung bisher unabhängigerkleiner Gemeinden erklärt werden.Lokale Prominenz für die RandbezirkeRund um den Grünanger, so erzählte Kubinzky,wurden kaum Straßen nach internationalerProminenz benannt. Eine Ausnahme stelltda die Andersengasse dar, die vormals Adalbert-Stifter-Weghieß. Der Österreicher wurdedann aber in die Innenstadt verlegt, wasman für passender hielt, während man sich imRandbereich mit dem dänischen, jedoch weltbekanntenMärchendichter und RomanschriftstellerHans-Christian Andersen begnügenmusste.Die Theyergasse ist nach dem Architekten undMaler Leopold Theyer, einem Baumeister desspäten Historismus, benannt. Die Fiziastraßeverdankt ihren Namen dem deutschnationalenPharmazeuten Mag. Adolf Fizia, der von 1917bis 1919 als Bürgermeister von Graz amtierte.Als Apotheker in der Hirschenapotheke war erauch Mitbegründer der pharmazeutischen Gehaltskassa.Die Kaserne, welche der Kasernstraßeals Namenspatin diente, war zunächsteine Textilfabrik, bevor sie 1870 als Schönaukaserneund nach dem 2. Weltkrieg als Kirchnerkaserne(benannt nach Hauptmann Kirchner)in die Grazer Stadtgeschichte einging.„Entnazifizierung“Etwas ungewöhnlicher war zunächst die Benennungeiner Straße nach einem Schauspieler,wie bei der Willi-Thaller-Straße geschehen.Man brauchte jedoch in den Jahren 1947und 1948 plötzlich eine Reihe von Straßennamen,die nicht an Persönlichkeiten der NS-Zeiterinnerten. So stand also der 1854 in Grazgeborene Burgschauspieler Willi Thaller Patefür oben genannte Straße. Der Name Eduard-Keilgasse war bereits vor 1938 vergebenworden und geht zurück auf den in Troppau(Schlesien) geborenen Schwiegersohn vonJohann Peter von Reininghaus. Als Vizepräsidentder Brauerei kaufte Eduard Keil alle kleinenGrazer Brauerein auf, woraus sich späterdie steirische Brauunion entwickelte.Inge Zelinka-Roitner<strong>SMZ</strong> INFO dezember 201029