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Film nach dem Film - Syberberg

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Das gebrOChene WOrT<br />

31<br />

filmte, spielte schubert die rolle eines studenten, der bei Faust Unterricht in sa-<br />

chen gut und böse nahm. Der „Weise“ verwirrte ihn aber nur, denn für brecht<br />

war Faust nur ein schar latan. 25 jahre später ist der exstudent in Hitler nicht mehr<br />

verwirrt, und syberberg lässt den schauspieler, der sich von brechts Faust eine lek-<br />

tion in Mani chäismus erteilen lässt, die spielregeln bestim men, in<strong>dem</strong> er gut und<br />

böse um kehrt und der historischen bühne einen Zirkus vorzieht. Die verschiede-<br />

nen Koberwitz-gestalten zersplittern, vervielfachen den begriff der <strong>Film</strong>figur durch<br />

ihre Polyphonie (auf der bühne und als Off-stimme) und spielen weiterhin die<br />

rolle, die sie in den früheren <strong>Film</strong>en syberbergs verkörperten, als ob die stimmun-<br />

gen von einem schauspieler zum anderen, von einer Figur zur anderen über gingen.<br />

als ob das Werk syberbergs mit seinem erscheinen und Verschwinden der Zustände,<br />

der gefühle gleichzeitig verbindend und porös wäre.<br />

Das Verfremdungsprinzip brechts, der eine einzige rolle von mehreren Darstellern<br />

spielen ließ, hat syberberg schon in Ludwig angewandt: Wagner wird von einer<br />

androgyn anmutenden Frau und einem Zwerg verkörpert. In Parsifal setzte er die-<br />

se Polymorphie und Polyphonie fort, in<strong>dem</strong> er den jungen ritter von einer Frau<br />

und einem jungen Mann spielen ließ. Durch die Musik Wagners wurden die rollen<br />

neu verteilt. Mit Hitler erreicht diese Technik der multiplen Verkörperung der<br />

Figuren ihren höhepunkt. als „<strong>Film</strong>musik“ eine unreine Mischung aus Wagners<br />

Musik, radioarchivaufnahmen, Varietéliedern der 1930er-jahre und jodlern und<br />

<strong>dem</strong> immer wiederkehrenden verstörenden leitmotiv der Totenfeier des 9. November<br />

in einer aufnahme aus den Dreißigerjahren von einem der aufmärsche, welche die<br />

nazis <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> misslungenen hitler-Putsch mit hingabe zelebrierten. jedes jahr<br />

gedachten sie der Opfer mit einer Feier, die von <strong>dem</strong> bierlokal ihren ausgang<br />

nahm, wo hitler seine reden gehalten hatte, und zu einem Platz führte, auf <strong>dem</strong><br />

die namen der verstorbenen anhänger verlesen wurden. Dieses Dokument trifft<br />

die bedeutung von nazi-Inszenierungen besser als riefenstahls Triumph des Willens<br />

(1935). es zieht einen durch seine leidvolle Melodie in den bann, skandiert<br />

den wilden schmerz und die Klage, und die namensliste, die in Trommelschläge<br />

übergeht wie in einen langsamer werdenden Militärmarsch, in eine morbide jahr-<br />

marktsmelodie, scheint jede Möglichkeit auszuschließen, die nazis, die dazu aufgerufen<br />

waren, alles Materielle abzulegen, durch Personen und bilder darzustellen.<br />

sie lässt sie schweben, wie im Zweifel … sind diese gespenster ohne leichentuch,<br />

an <strong>dem</strong> man sie erkennen könnte, also wirklich tot? Der refrain, der die namen

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