Testbericht aus Modellwerft
Testbericht aus Modellwerft
Testbericht aus Modellwerft
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fahrmodelle<br />
Andrea und Jürgen Kalvari<br />
„Sydney Star”<br />
das Containerschiff von Graupner<br />
Gut zwei Jahre nach der Neuheiten-Präsentation<br />
auf der Nürnberger<br />
Spielwarenmesse 2004<br />
hat Graupner das Modell des<br />
Containerschiffes „Sydney Star“<br />
endlich auf den Markt gebracht.<br />
Die Wartezeit war recht lang für<br />
alle, die mit dem Baukasten liebäugelten.<br />
Enttäuschung machte<br />
sich hier und dort bemerkbar<br />
und das Modell geriet fast schon<br />
ein wenig in Vergessenheit. Doch<br />
das Warten hat sich gelohnt,<br />
denn das Modell ist nicht nur<br />
gut, es ist einfach Spitzenklasse.<br />
Mit der Konstruktion eines<br />
Containerschiffes dieser Art hat<br />
Graupner den Modellbaumarkt<br />
bereichert und bietet dem fortgeschrittenen<br />
Schiffsmodellbauer<br />
Bastel- und Fahrspaß auf höchstem<br />
Niveau.<br />
die „Sydney Star“ ist ein vorbildähnlicher<br />
Nachbau eines Langstrecken-<br />
Containerschiffes im Maßstab 1:200.<br />
Das Original hat eine Länge von ca. 227 m,<br />
im Modell sind dies immerhin 113,5 cm. Alle<br />
typischen Merkmale und Details wurden exakt<br />
nachgebildet, um so ein möglichst genaues<br />
Abbild eines dieser großen Transportschiffe zu<br />
erzielen. Der hohe Vorfertigungsgrad vieler<br />
Teile durch die CNC-Bearbeitung bzw. Ausstanzung<br />
sowie die vielen im Baukasten enthaltenen<br />
Beschlagteile, wie. z. B. die Winden, Niedergänge<br />
und die im Spritzgussverfahren hergestellte<br />
Reling vereinfachen den Bau des Modells erheblich.<br />
Trotzdem wird der Bau des Modells nur<br />
dem erfahrenen Modellbauer empfohlen. Genial<br />
sind die beiden Querstrahlruder an Bug und<br />
Heck, mit denen das Modell problemlos auf der<br />
Stelle drehen kann.<br />
Bau<br />
Wie definiert Graupner den Begriff „Schnellbaukasten“?<br />
Diese Frage stellten wir uns, als<br />
wir den Kasten öffneten und die detaillierte Ausstattung<br />
sowie den umfangreichen Bauplan mit<br />
Mit 6 V zeigt die<br />
„Sydney Star“ ein<br />
schönes Fahrbild<br />
Anleitung sichteten. Wir kannten Schnellbaukästen,<br />
die wesentlich übersichtlicher bestückt<br />
waren. Wir waren uns aber sicher, dass sich der<br />
Begriff „Schnellbau“ nicht auf den bevorstehenden<br />
Zeitaufwand, sondern eher auf die gute<br />
Vorarbeit seitens des Herstellers beziehen kann.<br />
Denn der Bau ist schon sehr aufwendig, wird<br />
aber durch sauber bearbeitete Bauteile und ein<br />
gut durchdachtes Konstruktionssystem enorm<br />
vereinfacht. Kurz gesagt: Der Blick auf die<br />
qualitativ hochwertigen Komponenten steigerte<br />
unsere Bastellaune und es kribbelte derart stark<br />
in den Fingern, dass wir umgehend mit dem Bau<br />
beginnen mussten – oder sollten wir lieber sagen<br />
durften? Denn vom ersten bis letzen B<strong>aus</strong>chritt<br />
war es ein reines Vergnügen. Es gab keine Sekunde<br />
Frust, keinen Ärger mit einer mangelhaften<br />
Bauanleitung oder nicht passgenauen Bauteilen<br />
und nur wenige, aber stets lösbare Probleme.<br />
Ganz toll fanden wir die Methode, dass einige<br />
Teile einfach zusammengesteckt werden konnten<br />
und die Standorte der Decksaufbauten auf dem<br />
<strong>aus</strong> ABS <strong>aus</strong>gelaserten Hauptdeck dezent markiert<br />
waren. So macht Modellbau richtig Spaß<br />
und ist dabei noch so herrlich entspannend. Es<br />
ModellWerft 9/ 006
„Sydney Star“ – Der Baukasten<br />
gibt so gut wie nichts zu meckern und daher werden<br />
wir nachfolgend die Highlights aufzeigen<br />
und einige Bautipps ergänzen.<br />
Etwas kniffelig ist das Anbringen der Bugwulst.<br />
Einfach nur angeklebt, sieht es optisch nicht<br />
gut <strong>aus</strong>. Wir haben die Naht insgesamt dreimal<br />
mit Prestolit Autospachtel überzogen und<br />
zwischendurch die Fläche immer fein geschliffen,<br />
bis Rumpf und Bugwulst eins wurden.<br />
Technische daten<br />
Länge.............................................................1.135.mm<br />
Breite................................................................140.mm<br />
Gesamtgewicht.mit.RC........................................ ca..6.kg<br />
Maßstab............................................................... 1:200<br />
Preis................................................................. 239,–.E<br />
ModellWerft 9/ 006<br />
Die sauber verspachtelte Bugwulst<br />
Ebenfalls verspachtelt haben wir die Rohre<br />
der Bugstrahlruder nach deren Einbau in den<br />
Rumpf des Modells. Somit erhielten wir eine<br />
glatte Rumpfaußenhaut, die später problemlos<br />
lackiert werden konnte. Der Lackiervorgang<br />
selbst wird <strong>aus</strong>führlich in der Bauanleitung<br />
beschrieben, was fehlt, sind die Angaben, zu<br />
welchem Zeitpunkt während der gesamten Bauphase<br />
die einzelnen Teile lackiert werden sollten.<br />
Die Strukturplatten und jede Menge Aufkleber zum Bau der Container<br />
Eine wirklich rundum gute Bauanleitung muss<br />
derartige Hinweise enthalten, denn wen ärgert<br />
es nicht, wenn ein bereits lackiertes Stück drei<br />
B<strong>aus</strong>chritte später weiter bearbeitet werden<br />
muss?<br />
Der Bau des Modells wird auf 4½ Seiten<br />
Bauanleitung in 70 Schritten angereichert mit<br />
Tipps und wichtigen Hinweisen sehr gut beschrieben.<br />
Einen kleinen Fehler haben wir aber
fahrmodelle<br />
Markierungen geben vor, wo die Decksaufbauten platziert werden<br />
müssen<br />
Ein Blick auf die Elektronik<br />
bei Schritt 30 entdeckt. Der Containerblock<br />
soll <strong>aus</strong> mehreren Teilen zusammengeklebt<br />
werden. Empfohlen wird zuerst ein Teil der<br />
Außenwand an die Grundplatte zu kleben, dann<br />
die Seitenteile und erst ganz zum Schluss die Innenwände<br />
zu fixieren. Wir sind nach Anleitung<br />
vorgegangen und hatten aufgrund des begrenz-<br />
Die Querstrahlruder in Aktion<br />
ten Platzes erhebliche Probleme beim Einkleben<br />
der Innenwände. Sinnvoller ist es, mit dem<br />
Platzieren der Innenwände zu beginnen. Aber<br />
wo wir gerade bei den Containerblöcken sind:<br />
Beim ersten Blick in den Baukasten blieb uns<br />
sozusagen die Luft weg. Denn ganz oben auf<br />
lagen Strukturplatten für den Bau unzähliger<br />
Viele Teile werden einfach zusammengesteckt. Damit ist alles passgenau<br />
Der Schornstein mit Rauchgenerator<br />
Container. „Na, das kann ja heiter werden“,<br />
war unser erster Gedanke, doch ein Blick in die<br />
Anleitung brachte erleichternde Klarheit. Man<br />
muss nicht, wie vermutet, in stundenlanger<br />
Kleinarbeit eine große Anzahl der im Maßstab<br />
1:200 doch eher kleinen Container zusammenkleben.<br />
Es gibt fünf Containerblöcke, die <strong>aus</strong><br />
glatten ABS-Platten gebaut werden. So entsteht<br />
der Kern. Die dort aufgeklebten Containerstrukturplatten<br />
bringen dann den gewünschten<br />
Effekt, dass jedermann denkt, das Schiff hätte<br />
ca. 400 einzelne Container geladen. Verstärkt<br />
wird die Optik, wenn man die abgesetzten<br />
Container in unterschiedlichen, aber dennoch<br />
üblichen Farben lackiert. Dies ist zwar auch<br />
eine Fleißarbeit, doch der Aufwand lohnt. Da es<br />
nicht gerade einfach ist, die Linien zwischen den<br />
Containern gerade zu ziehen und das Abkleben<br />
der filigranen Teile doch sehr mühsam gewesen<br />
wäre, haben wir mit einem wasserfesten Edding<br />
jeweils zwischen den Containern einen geraden<br />
Strich gezogen. Wir haben damit noch einen<br />
weiteren positiven Effekt erzielt, denn von weitem<br />
sieht der schwarze Strich wie ein Hohlraum<br />
zwischen den Containern <strong>aus</strong>. Das Ganze wirkt<br />
dadurch erheblich realistischer. Firmenaufkleber<br />
sind reichlich vorhanden, so dass man bei<br />
der Gestaltung der Container <strong>aus</strong> dem Vollen<br />
schöpfen kann.<br />
6 ModellWerft 9/ 006
Die Containerblöcke: Rechts ohne Strukturplatten, links mit<br />
Die durchdachte und stark vereinfachte Bauweise<br />
zieht sich durch die gesamte Bauphase. Man<br />
muss sich nicht mit nervraubenden Aktionen<br />
beschäftigen, die oftmals den Spaß an der Sache<br />
verderben oder deren Ergebnisse mangelhaft<br />
sind. So sind z. B. viele Teile soweit vorgelasert,<br />
dass man diese mit einem Fingerdruck <strong>aus</strong> dem<br />
Rahmen lösen kann. Speziell beim Bau der<br />
Brücke waren wir dankbar, dass das Anlegen der<br />
vielen kleinen Fenster so einfach von der Hand<br />
ging. Ein Klick für jedes Fenster und die sonst<br />
sehr aufwändige Fensterfront war fertig. Den<br />
Schornstein haben wir wie empfohlen mit einem<br />
Rauchgenerator <strong>aus</strong>gestattet, derartige Spielereien<br />
machen sich doch immer gut auf dem<br />
Wasser. Erwähnt wird auch, dass die Brücke<br />
mit einer Innenbeleuchtung <strong>aus</strong>gestattet werden<br />
kann. Wir haben den Rat befolgt und zusätzlich<br />
noch Positionslichter ordnungsgemäß auf den<br />
vorhandenen Positionslampenplatten platziert.<br />
Trotz des großen Fortschritts im Bereich<br />
Baukastenmodelle gibt es immer noch Dinge,<br />
die verbessert werden könnten. Wir ärgern<br />
uns z. B. immer wieder über die Dekorbögen.<br />
Oftmals wirken die Folien sehr aufgesetzt und<br />
im Maßstab 1:200 stören die scharfen Kanten<br />
doch erheblich. Ein sauber lackierter Rumpf<br />
gewinnt durch einen derart groben Schriftzug<br />
nicht gerade hinzu. Es muss doch möglich sein,<br />
ModellWerft 9/ 006<br />
Auch von oben<br />
kann man gut erkennen,<br />
dass die<br />
schwarzen Linien<br />
die Container optisch<br />
aufwerten<br />
� Die Positionslichter<br />
mit SMD-LEDs.<br />
Diese LEDs sind sehr<br />
klein und flach, geben<br />
aber besonders<br />
helles Licht und sind<br />
damit gut geeignet<br />
für diesen Maßstab<br />
feinere Folien zu verwenden oder den Schriftzug<br />
sogar <strong>aus</strong>zuplotten. Daran sollten die Hersteller<br />
allgemein noch arbeiten. Qualitätsunterschiede<br />
gibt es hingegen bei den Flaggen. Einige<br />
Kästen enthalten Flaggen <strong>aus</strong> Stoff, andere<br />
<strong>aus</strong> Papier oder, so wie bei der „Sydney Star“,<br />
gar keine Flagge. Der dazugehörige Tipp <strong>aus</strong><br />
der Bauanleitung scheint <strong>aus</strong> den Anfängen des<br />
Schiffsmodellb<strong>aus</strong> zu stammen: „Fertigen Sie<br />
<strong>aus</strong> Papier die Flagge an und malen Sie diese<br />
mit Buntstiften <strong>aus</strong>. Dies stellt die typischen<br />
<strong>aus</strong>geblichenen und verwaschenen Farben der<br />
Schiffsflaggen optimal dar.“ Das kann es doch<br />
nun wirklich nicht sein. Zumal die Flagge im<br />
Maßstab 1:200 gerade einmal 5 mm hoch und<br />
8 mm breit ist. Wir fragen uns, warum Graupner<br />
nicht, wie bei anderen Modellen, dem sonst<br />
qualitativ hochwertigen Baukasten eine Stoff-<br />
oder mindestens eine professionell bedruckte<br />
Papierflagge beifügt.<br />
fahrtest<br />
Nach dem wirklich entspannenden Bau stand<br />
die spannende Jungfernfahrt bevor. Bestückt<br />
mit den vorgeschriebenen Elektronik-Komponenten,<br />
also auch mit zwei 6-V/10-Ah-Bleiakkus,<br />
setzten wir das Schiff erstmals ins Wasser<br />
und stellten umgehend fest, dass es eindeutig<br />
zu viel Gewicht mit sich trug. Die Wasserlinie<br />
war gut einen Zentimeter unterhalb der Wasseroberfläche<br />
und das Ganze sah nicht wirklich<br />
gut <strong>aus</strong>. Laut Anleitung darf das Modell insgesamt<br />
6 kg wiegen. Mit den beiden schweren<br />
Bleiakkus wiegt es aber 6,8 kg. Wir haben kurzerhand<br />
einen der Akkus gegen einen leichteren<br />
mit nur 3,4 Ah <strong>aus</strong>get<strong>aus</strong>cht (die Fahrzeit ist<br />
immer noch <strong>aus</strong>reichend) und lagen damit dann<br />
exakt bei 6 kg Gesamtgewicht. Wir fanden<br />
dabei sehr interessant, dass die Konstrukteure<br />
wohl schon das zulässige Gewicht korrekt<br />
berechnet haben, doch die Umsetzung später<br />
nicht ordnungsgemäß erfolgte. Auf dem Baukasten-Foto<br />
kann man dies sehr gut erkennen,<br />
denn selbst der Hersteller hatte Probleme mit<br />
der Wasserlinie.<br />
Die erste Fahrt verlief sofort störungsfrei.<br />
Wir haben die Akkus parallel geschaltet. Mit<br />
6 V war das Fahrbild ideal und mit insgesamt<br />
13,4 Ah der Fahrspaß geradezu unerschöpflich.<br />
Wer mit 12 V fahren möchte, kann den 5-Blattpropeller<br />
nicht verwenden. Aber wie gesagt,<br />
mit 6 V fährt das Modell mit vorbildgetreuer<br />
Fahrgeschwindigkeit und sieht spitze <strong>aus</strong>. Die<br />
Farben, die vielen Container, die Rauchfunktion<br />
und der schlanke Rumpf der „Sydney<br />
Star“ machen einen guten Eindruck auf den<br />
heimischen Gewässern. Modelle dieser Art sieht<br />
man doch eher selten. Die beiden Querstrahlruder<br />
ermöglichen das Drehen und Manövrieren<br />
auf engstem Raum. Bei einer Modelllänge von<br />
1,13 m ist dies auf eher kleinen Gewässern eine<br />
nützliche Sonderfunktion, die gleichzeitig noch<br />
etwas Abwechslung in den Fahrbetrieb bringt.<br />
Etwas störend ist der lange Bremsweg. Etwa<br />
5 m benötigt die „Sydney Star“, um <strong>aus</strong> voller<br />
Fahrt zu stoppen. Beim Ansteuern des Ufers<br />
sollte daher rechtzeitig der Rückwärtsgang<br />
eingelegt oder beigedreht werden. Ansonsten<br />
gibt es auch bei den Fahreigenschaften nichts<br />
zu beanstanden. Die „Sydney Star“ macht eine<br />
gute Figur auf dem Wasser und ist somit ein<br />
rundherum gelungenes Modell. Es ist wirklich<br />
empfehlenswert.