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(S)SES-Kindern Eine Orientierungshilfe zur persönlichen ... - BSCW

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Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich<br />

Departement 2<br />

Pädagogisch-therapeutische Berufe<br />

Abteilung Logopädie<br />

Studiengang 2007 – 2010<br />

Bachelor-Arbeit<br />

Sprachliche Früherfassung von (S)<strong>SES</strong>-<strong>Kindern</strong><br />

<strong>Eine</strong> <strong>Orientierungshilfe</strong> <strong>zur</strong> <strong>persönlichen</strong> Meinungsbildung:<br />

Acht verschiedene theoretische Sichtweisen und<br />

die darauf basierenden neueren diagnostischen<br />

Verfahren<br />

Eingereicht von:<br />

Sabina Kühnis-Ferschin<br />

Regula Sutter<br />

Begleitung: Susanne Kempe Preti<br />

Zürich, 19. Februar 2010


Abstract<br />

Die logopädische Früherfassung ist sowohl bei angehenden, wie auch bereits<br />

praktizierenden Fachpersonen ein stets diskutiertes Thema. Die vorliegende<br />

Arbeit soll ihnen als <strong>Orientierungshilfe</strong> dienen. Es werden acht verschiedene<br />

theoretische Sichtweisen beschrieben, in denen der ungestörte wie auch der<br />

gestörte Spracherwerb aufgezeigt und die entsprechenden neueren Verfah-<br />

ren vorgestellt werden. <strong>Eine</strong> tabellarische Übersicht zu den Erfassungsinstru-<br />

menten, Hintergründen und Erfassung einer (S)<strong>SES</strong> soll dem Vergleich und ei-<br />

ner raschen Information dienen.<br />

- 2 - 33


- 3 - 43


- 4 - 53


1 Einleitung<br />

1.1 Themenwahl<br />

Eltern von <strong>Kindern</strong> mit einer Sprachentwicklungsstörung, welche eine logopädische Therapie<br />

besuchen und Logopädinnen haben uns erzählt, dass die Kinder oftmals erst im Kindergarten-<br />

oder Schulalter eine logopädische Therapie beginnen würden. Ihrer Ansicht nach wäre es<br />

sinnvoller, ein Kind während des Spracherwerbsprozesses zu einem früheren Zeitpunkt zu un-<br />

terstützen.<br />

Diese Aussagen haben unser Interesse geweckt. Wir fragten uns, wann denn der richtige Zeit-<br />

punkt für eine Früherfassung bzw. Intervention bei <strong>SES</strong> oder S<strong>SES</strong> wäre und wie wir uns als zu-<br />

künftige Logopädinnen eine fundierte Meinung zu diesem Thema aneignen könnten. Da der<br />

Frühbereich im Studium erst im letzten Semester vermittelt wird, wussten wir zum Zeitpunkt der<br />

Themenwahl wenig darüber. Wir hatten zwar vereinzelte Stimmen für eine frühe Intervention<br />

gehört, konnten jedoch nicht abschätzen, ob es auch andere Meinungen gibt bzw. ob sich<br />

die Argumentationsweise bei verschiedenen Autorinnen deckt. Daher kamen wir auf die<br />

Idee, mehrere Ansichten über den Spracherwerb und den Zeitpunkt einer Intervention sowie<br />

die dahinter liegenden Sichtweisen darzustellen. Bei unseren Literaturrecherchen haben wir<br />

keine vergleichbare Übersicht zu diesem Themenbereich gefunden. Den Bedarf einer Orien-<br />

tierungshilfe bei der Meinungsbildung schätzen wir jedoch zumindest bei angehenden Logo-<br />

pädinnen als gross ein. Mit unserer Arbeit möchten wir daher Studierenden der Logopädie<br />

und Logopädinnen, die sich wieder einmal mit der Thematik auseinandersetzen möchten,<br />

ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über die neueren diagnostischen Verfahren und<br />

den ihnen zu Grunde liegenden Spracherwerbstheorien, sowie Meinungen zu den Spracher-<br />

werbsstörungen zu verschaffen. Auf diese Weise sollen sie befähigt werden, sich mit wenig<br />

Zeitaufwand aufgrund von fundierten Informationen eine eigene Meinung zu diesem The-<br />

menbereich bilden zu können. Die Sichtweise sowohl des normalen wie des von der Norm<br />

abweichenden Spracherwerbs beeinflusst nicht nur den Zeitpunkt der Erfassung und der In-<br />

tervention, sondern auch die Art und Weise der Therapie. Sie hat daher Konsequenzen für das<br />

praktische Handeln jeder Logopädin. Aus Platzgründen konnten wir auf diesen Aspekt in der<br />

vorliegenden Arbeit leider nicht weiter eingehen. Er zeigt jedoch die Relevanz der persönli-<br />

chen Sichtweise.<br />

1.2 Fragestellungen<br />

Sind Kinder mit einer <strong>SES</strong> oder S<strong>SES</strong> durch Früherfassung zu erkennen?<br />

Zu welchem Zeitpunkt soll Früherfassung stattfinden, warum und in welcher Form?<br />

Wir fragen uns, ob eine <strong>SES</strong> oder S<strong>SES</strong> in einem bestimmten Alter klar diagnostizierbar ist und<br />

ob es zu früheren Zeitpunkten eventuell Anzeichen einer beginnenden (S)<strong>SES</strong> gibt. Wie soll mit<br />

den Risikofaktoren umgegangen werden und wann ist eine Intervention sinnvoll?<br />

- 5 - 63


Welche ab dem Jahr 2000 oder später verfassten bzw. revidierten Früherfassungsinstrumente<br />

gibt es und was bieten sie?<br />

Wir haben uns dabei auf Verfahren beschränkt, welche bei <strong>Kindern</strong> bis im Alter von 4 Jahren<br />

<strong>zur</strong> Anwendung kommen.<br />

Auf welchen Erwerbstheorien und Meinungen gründen diese Früherfassungsinstrumente?<br />

Uns ist es wichtig, die ausgewählten Verfahren in einen theoretischen Zusammenhang stellen<br />

zu können und die ihnen zu Grunde liegenden Sichtweisen darzustellen. Zum Teil sind in den<br />

Handanweisungen der Verfahren Hinweise auf die Ansichten der Autoren vorhanden, wohl<br />

aus Platzgründen jedoch nur in sehr verkürzter Form. Bei einigen Erfassungsinstrumenten fehlen<br />

die Hintergründe vollständig. Um den Einsatz eines Verfahrens begründen zu können, ist es<br />

unserer Ansicht nach elementar wichtig, die theoretischen Annahmen dahinter zu kennen.<br />

1.3 Methodische Vorgehensweise<br />

Unsere Arbeit besteht aus einer Literaturrecherche. Wir haben in Büchern, Zeitschriften und<br />

dem Internet Informationen zu unserem Thema gesucht und sie in kompakter und übersichtli-<br />

cher Form darzustellen versucht.<br />

Um der besseren Lesbarkeit willen, verwenden wir jeweils entweder die männliche oder weib-<br />

liche Form eines sprachlichen Ausdrucks. Es sind jedoch immer beide Geschlechter gemeint.<br />

Sprachentwicklung und Spracherwerb wird von uns meistens synonym verwendet. Nur wenn<br />

eine Autorin diese Wörter unterschiedlich einsetzt, übernehmen wir ihren Sprachgebrauch.<br />

Wir sind uns bewusst, dass unsere Arbeit keine umfassende Übersicht über alle relevanten<br />

Meinungen <strong>zur</strong> Früherfassung geben kann. Sie enthält jedoch einige der <strong>zur</strong>zeit prominent<br />

vertretenen Ansichten. Mit weiteren Ergebnissen der Sprachforschung werden sich auch die<br />

Meinungen verändern. Die vorliegende Übersicht kann daher nicht mehr als eine Moment-<br />

aufnahme der aktuell vorhandenen Argumentationen bieten. Wenn zukünftige Forschungsre-<br />

sultate verfolgt und in die Meinungsfindung einbezogen werden, kann sie jedoch bestimmt<br />

und hoffentlich einige Jahre lang als Informations- oder Diskussionsgrundlage dienen.<br />

1.4 Auswahlkriterien für die aufgeführten Autoren<br />

Aus Platzgründen können wir nur eine beschränkte Anzahl Autoren und Verfahren vorstellen.<br />

Wir mussten daher eine Auswahl treffen. Wir haben uns entschieden, nur diagnostische Erfas-<br />

sungsinstrumente vorzustellen, welche im Jahr 2000 oder später veröffentlicht bzw. revidiert<br />

wurden. Zudem mussten die Autoren auch Aussagen über die ungestörte bzw. von der Norm<br />

abweichende Sprachentwicklung vorweisen können. Wir haben uns erlaubt, zwei für die<br />

Schweiz relevante Namen aufzunehmen und dabei in einem Fall leicht von den Kriterien ab-<br />

zuweichen: Barbara Zollinger hat ihr Verfahren Entwicklungsprofil schon 1994 publiziert.<br />

- 6 - 73


2 Theoretische Grundlagen des Spracherwerbs<br />

2.1 Bedeutung der Sprache<br />

Die Ausbildung einer differenzierten Sprache gilt als eine wesentliche Voraussetzung für das Lernen.<br />

Sprache entsteht aus der Zusammenwirkung von Lern- und Reifungsprozessen. Durch den<br />

Gebrauch von Sprache wird Kommunikation, das Hineinwachsen in einen Kulturkreis realisiert.<br />

Im Alltagsleben wird häufig der uns begegnende Mensch in hohem Masse aufgrund seiner Verbalisation<br />

eingeschätzt. Über das Medium Sprache werden primär soziale Beziehungen aufgebaut<br />

und erweitert. (Bundschuh, 2005, S. 232)<br />

Begriffsdefinitionen<br />

Sprachentwicklung:<br />

Sich nach gewissen Gesetzmässigkeiten (zeitliche und inhaltliche) entwickelnde sprachliche<br />

und sprechtechnische Fertigkeit, welche durch die Interaktion mit anderen Personen initiiert<br />

wird (vgl. Franke, 2004, S. 204).<br />

Spracherwerb:<br />

Entscheidende, erste Reifungsphase des Kindes bezüglich der Kommunikations- und Symbol-<br />

kompetenz, welche in den Zeitraum zwischen der frühen nonverbalen Mutter-Kind-Interaktion<br />

und der Entdeckung der Sprachzeichen fällt (vgl. Franke, 2004, S. 205).<br />

Wer von Spracherwerb spricht, signalisiert damit, dass Sprache von <strong>Kindern</strong> nicht durch Nachahmung<br />

erlernt, sondern vielmehr aufgrund eines angeborenen Bioprogramms der Sprache<br />

(Spracherwerbsmechanismus) erworben wird….Zentral ist dabei das Konzept der Reifung. Sprache<br />

kann nur dann erworben werden, wenn sprachlicher Input vorhanden ist. Dieser Input setzt<br />

die Reifung einer angeborenen Kerngrammatik in Gang. Das erforderliche Ausmass dieses Inputs<br />

wird dabei als relativ geringfügig eingeschätzt, womit der Einflussfaktor der sprachlichen<br />

Umwelt extrem minimiert wurde. Inzwischen wird die Relevanz der sprachlichen Umwelt wieder<br />

stärker betont, …dem Faktor der Nachahmung wird erneut grössere Bedeutung zugeschrieben.<br />

(Grohnfeldt, 2007, S. 307; 315)<br />

Sprachentwicklung/Spracherwerb:<br />

„Teilweise werden beide Begriffe synonym verwendet, teilweise unter Akzentuierung des akti-<br />

ven Erwerbs bzw. der Akzentuierung der Teilfunktion der Sprachentwicklung innerhalb der<br />

Gesamtentwicklung“ (Grohnfeldt, 2007, S. 307).<br />

Sprachentwicklungsverzögerung (SEV):<br />

Durch sensorische oder somatische Beeinträchtigungen wird die normale Sprachentwicklung<br />

verzögert (vgl. Franke, 2004, S.204).<br />

- 7 - 83


Sprachentwicklungsstörung (<strong>SES</strong>):<br />

Alle Formen von Beeinträchtigungen der normalen kindlichen Sprachentwicklung durch Stö-<br />

rungen in der Organisation und Verarbeitung von sprachlichen Informationen, insbesondere<br />

der sprachspezifischen kognitiven Funktionen (vgl. Franke, 2004, S. 204).<br />

Spezifische Sprachentwicklungsstörung (S<strong>SES</strong>): (Fromm et al.)<br />

Bezeichnung für verspäteten Sprechbeginn und einen verzögerten inkonsistenten und desynchronisierten<br />

Verlauf bei durchschnittlicher nonverbaler Intelligenz. Es sollen keine sensorischen<br />

Beeinträchtigungen (z.B. Hör- oder Sehstörungen), neurologische Schädigungen oder pervasive<br />

Störungen (z.B. Autismus, geistige Behinderung) vorhanden sein. Ist Folge eines andersartigen<br />

gestörten Spracherwerbs. (Franke, 2004, S. 202; Zitat leicht abgeändert)<br />

2.2 Spracherwerbstheorie von Annette V. Fox<br />

2.2.1 Ungestörte Sprachentwicklung<br />

Damit ein Kind die Fähigkeit erwirbt, aus Lauten Sprache zu bilden, benötigt es nach Fox,<br />

Groos und Schauss-Golecki verschiedene Kompetenzen:<br />

• Das periphere Hören, damit es in der Lage ist, Schallereignisse zu differenzieren. Bereits<br />

eine geringe Einschränkung in diesem Bereich kann Ursache dafür sein, dass Kinder<br />

Lautunterscheidungen (z.B. zwischen k – t; g – d; f – sch,s,ch) nicht mehr vornehmen<br />

können.<br />

• Das zentrale Hören, damit die Informationen über den Hörnerv ans Gehirn weitergelei-<br />

tet werden. Einschränkungen in diesem Bereich führen dazu, dass Schwierigkeiten mit<br />

der korrekten Lautbildung und mit der verständlichen Aussprache auftreten.<br />

• Die Hörverarbeitung, damit differenziert werden kann, ob es sich um Sprache oder ein<br />

Geräusch handelt. Je nachdem laufen andere Verarbeitungsprozesse ab. Bei der<br />

Verarbeitung von Sprache wiederholt das phonologische Arbeitsgedächtnis den<br />

sprachlichen Input so lange, bis dieser in seine Einzelteile zerlegt wurde. Je nachdem,<br />

wie alt das Kind ist, wird der Input in Silben oder später in seinen Lauten analysiert. Im<br />

Gehirn wird nun verglichen, ob das Wort bereits gehört und abgespeichert wurde oder<br />

ob es sich um eine neues Wort handelt. Je genauer das Kind diese Analyse bewerkstel-<br />

ligen kann, desto korrekter werden die Wörter abgespeichert. Bei Defiziten in der<br />

Klangunterscheidung der Laute gelingt es ihm nicht, diese korrekt abzuspeichern. Es<br />

kommt zu ungenauen Wortabspeicherungen und damit auch zu einer fehlerhaften<br />

Aussprache.<br />

• Die Speicherfunktion des Gehirns ermöglicht zudem die Abspeicherung der Bedeutung<br />

von Dingen und deren Benennung. Dazu braucht es einen Plan, in welcher Reihenfol-<br />

ge die Aussprache der Laute erfolgen muss und welche Bewegungsabfolgen dafür<br />

nötig sind (vgl. Fox et al., 2009, S. 20-24).<br />

- 8 - 93


Übersichtsplan einer altersgerechten Sprachentwicklung<br />

Laut Fox und Dodd variiert das Tempo, mit dem Kinder die Sprache erwerben. Trotzdem las-<br />

sen sich Entwicklungsschritte aufzeigen, welche typisch für die Sprach- und Sprechentwick-<br />

lung sind.<br />

Die folgende Tabelle zeigt grob auf, was Kinder wann können sollten: (modifiziert von der<br />

Verfasserin):<br />

Alter des Kindes Verstehen Sprechen<br />

0-3 Monate -dreht den Kopf <strong>zur</strong> sprechenden<br />

Person<br />

-merkt, wenn es angesprochen<br />

wird und lacht<br />

-unterbricht Aktivität, wenn es eine<br />

Stimme hört<br />

4-6 Monate -reagiert auf Geräusche und dreht<br />

sich <strong>zur</strong> Geräuschquelle<br />

-mag Geräusch-Spielzeug<br />

-nimmt Stimmen wahr, reagiert auf<br />

Stimmveränderungen und versteht<br />

Nein<br />

7-12 Monate -liebt Kuckuck-Spiele<br />

-erkennt seinen Namen und reagiert<br />

darauf<br />

-erkennt gängige Wörter aus seinem<br />

Alltag (z.B. Bett, Fläschchen..)<br />

-beginnende Reaktionen auf Aufforderungen<br />

-wenn angesprochen, hört es zu<br />

12-24 Monate -kann auf Bilder zeigen, die man<br />

benannt hat<br />

-befolgt einfache Anweisungen (gib<br />

mir den …; hol …)<br />

-hört einfachen Liedern zu<br />

24-36 Monate -kann verschiedene Geräusche<br />

differenzieren (Auto, Telefon …)<br />

-versteht einfache Gegensätze (grossklein,<br />

gehen-anhalten…)<br />

-unterschiedliche Schreilaute<br />

-gebraucht verschiedene Laute<br />

-lallen<br />

-produziert Sprachlaute wie m, b, p,<br />

ma, ba, pa<br />

-Lautketten werden gebildet<br />

(mamam, bababa …)<br />

-Sprachlaute werden nachgeahmt<br />

-Wortschatzerweiterung<br />

-Ein- und Zweiwortsätze werden<br />

verwendet<br />

-Ansätze von Fragestellungen (Papa<br />

weg? …)<br />

-erwirbt und verwendet weitere<br />

Konsonanten<br />

-verwendet Lautsprache und<br />

kommentiert damit sein Handeln;<br />

spricht auch mit anderen Personen<br />

auf diese Weise<br />

-kann fast alles benennen<br />

-lernt ICH zu sagen<br />

-Zwei- bis Dreiwortsätze<br />

-erwirbt die Verbzweitstellung<br />

- 9 - 103


-zwei Aufforderungen können befolgt<br />

werden (leg es <strong>zur</strong>ück und komm<br />

her…)<br />

36-48 Monate -versteht Fragewörter (wer?, wie?,<br />

was?)<br />

48-60 Monate -einfache Geschichten werden<br />

(vgl. Fox, 2001, S. 2-3)<br />

verstanden und einfache Fragen<br />

dazu können beantwortet werden<br />

-versteht, was um es herum gespro-<br />

chen wird<br />

Die Entwicklung der Aussprache<br />

-wird von engen Bezugspersonen<br />

verstanden<br />

-erwirbt und verwendet weitere<br />

Konsonanten (f, v, l, ch (wie in ach),<br />

h, s)<br />

-wird auch von fremden Personen<br />

verstanden<br />

-kann Ereignisse erzählen<br />

-Vier- bis Fünfwortäusserungen<br />

-erwirbt und verwendet alle Laute bis<br />

auf sch, ch (wie in ich), und<br />

verschiedene Lautverbindungen<br />

-Geschichten erzählen<br />

-alle Laute und Lautverbindungen<br />

sind erworben<br />

-kann sich ohne Probleme mit<br />

anderen <strong>Kindern</strong> und Erwachsenen<br />

unterhalten<br />

-verwendet komplexe Sätze<br />

-verwendet weitestgehend die<br />

korrekte Grammatik<br />

Nach Fox et al. (vgl. Fox et al., 2009, S. 25-31) entwickelt sich die Aussprache systematisch<br />

vom Zeitpunkt der Geburt an. Mit dem ersten Schrei beginnt die Lautentwicklung. Schreilaute<br />

und unwillkürliche Laute (z.B. Schmatzlaute beim Trinken) produziert das Kind bereits in den<br />

ersten Monaten. Bereits ab dem 2. bis 3. Lebensmonat beginnt das Kind zu lallen, was einzel-<br />

nen Sprachlauten entspricht, welche jedoch dem Zufallsprinzip entsprechen. Die Anzahl der<br />

produzierten Laute wächst ständig. „Alle Kinder weltweit verwenden in den ersten sechs Le-<br />

bensmonaten die gleichen Laute“ (Fox et al., 2009, S. 25). Diese Phase bezeichnet man als<br />

die 1. Lallphase.<br />

Mit zirka sechs Monaten beginnen die Kinder Laute gezielt zu produzieren. Das Lallen wird<br />

sprachspezifisch; Lallketten werden gebildet. Jene Laute, welche in der Muttersprache häufig<br />

vorkommen, werden vermehrt produziert. Laute, die wenig frequent in der Muttersprache<br />

vorkommen, werden immer mehr vernachlässigt. Diese Phase bezeichnet man als die<br />

2. Lallphase.<br />

Während den Lallphasen reagiert das Kind aktiv auf alles, was es von der Umwelt zu hören<br />

bekommt. Die Bezugspersonen sind massgebend an der Lallaktivität des Kindes beteiligt. Je-<br />

de Zuwendung bestärkt das Kind, zu reagieren. Durch das Lallen tritt das Baby mit seiner Um-<br />

welt in Interaktion.<br />

- 10 - 113


Während den beiden Lallphasen, in denen das Kind die Laute seiner Muttersprache produ-<br />

ziert, lernt es auch die Regeln der Muttersprache: die Sprachmelodie und wie die Wörter be-<br />

tont werden. „Daher muss das Lallen als ein wichtiger Meilenstein in der kindlichen Sprach-<br />

entwicklung gewertet werden“ (ebd.). Im Alter von zirka zwölf Monaten produziert das Kind<br />

Lautäusserungen nicht mehr nur spasseshalber, sondern es beginnt, ihnen Bedeutung zu ge-<br />

ben. Das Kind versteht nun, dass durch das Sprechen Dinge benannt werden können, man<br />

sich auf etwas beziehen kann und das Sprechen mehr bedeutet, als spielerisches Produzieren<br />

von Lauten. Vom Zeitpunkt der Entdeckung von Wörtern wird der Wortschatz zunächst nur<br />

langsam erweitert. Mit ca. 18 Monaten sollte ein Kind um die 50 Wörter können. Das Lautre-<br />

pertoire ist zu diesem Zeitpunkt jedoch noch eingeschränkt. Da das Kind in diesem Alter Wör-<br />

ter ganzheitlich aufnimmt, versucht es, das Gehörte so ähnlich wie möglich wiederzugeben.<br />

Dabei verwendet es zwei Techniken: Stetige Wiederholung des Wortes und Anpassung an die<br />

Reaktion des Zuhörers. Im zweiten Lebensjahr erweitert das Kind seinen aktiven und passiven<br />

Wortschatz immer mehr. Dabei ist es normal, dass die Produktion der Wörter noch inkonse-<br />

quent erfolgt. Gegen Ende des zweiten Lebensjahres legt sich diese Inkonsequenz und eine<br />

Phase der Ersetzungs- und Auslassungsmuster für Laute erfolgt. Die Umwelt versteht das Kind in<br />

der Regel jetzt besser, da es sich nun um systematische Fehler handelt, welche leicht zu über-<br />

setzen sind. „Diese phonologischen Prozesse treten zu unterschiedlichen Alterszeitpunkten auf<br />

und werden auch zu unterschiedlichen Zeiten überwunden“ (Fox et al., 2009, S.31). Mit dem<br />

fortschreitenden Lauterwerb eliminiert das Kind in der Regel diese phonologischen Prozesse,<br />

denn die entsprechenden Laute müssen dann nicht mehr ersetzt oder ausgelassen werden.<br />

„Im Alter von spätestens 4;5 Jahren sollte der Lauterwerb abgeschlossen sein“ (ebd.).<br />

2.2.2 Störungen der Sprachentwicklung<br />

Aufgrund verschiedener Studien kann davon ausgegangen werden, dass Kinder deutscher<br />

Muttersprache im Alter von fünf Jahren das phonologische System erworben haben. Es wird<br />

angenommen, dass bei den vier- bis sechsjährigen <strong>Kindern</strong> bis zu 20% Mühe haben mit der<br />

normalen Sprachentwicklung. Oft werden Kinder jedoch erst im Alter von zirka vier Jahren <strong>zur</strong><br />

logopädischen Behandlung angemeldet. Dann erst scheinen Eltern, Ärzte oder Bezugsperso-<br />

nen über den Sprachentwicklungsstand des Kindes beunruhigt zu sein (vgl. Fox, 2009, S.85).<br />

Ursachen<br />

Die alleinige Ursache für Aussprachestörungen kann nur selten ermittelt werden (vgl. Fox et<br />

al., 2009, S. 33). Fox teilt die Aussprachestörungen grob in zwei Untergruppen ein:<br />

• Organische Aussprachestörungen<br />

• Funktionelle Aussprachestörungen<br />

- 11 - 123


„Unter organischen Aussprachestörungen werden die Aussprachestörungen verstanden, de-<br />

ren Ursache in einem eindeutigen Zusammenhang mit einer organischen Störung gesehen<br />

werden kann“ (Fox, 2009, S.91).<br />

Organische Aussprachestörungen (vgl. Fox, 2009, S. 91 (vgl. Fox et al., 2009, S. 33):<br />

• kindliche Dysarthrophonien (z.B. Zerebralparese in Form einer kindlichen Dysarthrie,<br />

Muskeldystrophien …)<br />

• kraniofaziale Anomalien (z.B. Spaltbildung, Pierre-Robin-Syndrom …)<br />

• audiogene Aussprachestörungen (Hörstörung angeboren oder im ersten Lebensjahr<br />

erworben bis hin <strong>zur</strong> Gehörlosigkeit)<br />

• Aussprachestörungen als eine Symptomatik bei einer geistigen Behinderung<br />

• Syndrome (z.B. Down Syndrom)<br />

• verbale Entwicklungsdyspraxie<br />

„Unter einer funktionellen Aussprachestörung versteht man eine Aussprachestörung, für die<br />

vordergründig keine eindeutige organische Ursache erkennbar ist“ (Fox, 2009, S.94).<br />

Funktionelle Aussprachestörungen: (vgl. Fox, 2009, S. 93-96)<br />

• medizinisch-ätiologische Einteilung<br />

• Einteilung nach Schweregrad,<br />

• linguistisch-deskriptive Ansätze,<br />

• psycholinguistischer Ansatz<br />

Zur genaueren Unterteilung verweisen Fox et al. auf ein Modell von Dodd (1995) und un-<br />

terstreichen die Wichtigkeit einer Differenzialdiagnose. Nach Dodd (1995) lassen sich die kind-<br />

lichen Aussprachestörungen in vier Untergruppen einteilen:<br />

• Artikulations- / Phonetische Störungen (artikulatorische Fehlbildungen)<br />

• Phonologische Verzögerung (zeitlich verzögerte Ausspracheentwicklung)<br />

• Konsequente phonologische Störung (nicht regelrechte Ausspracheentwicklung)<br />

• Inkonsequente phonologische Störungen (verschiedene Aussprache für identische<br />

Wörter) (vgl. Fox et al., 2009, S. 38).<br />

„Jede Aussprachestörung aufgrund einer funktionellen Ursache kann isoliert oder im Rahmen<br />

einer Sprachentwicklungsstörung auftreten“ (Fox et al., 2009, S.41).<br />

Es wurde festgestellt, dass betroffene Kinder häufig männliche Familienmitglieder haben, die<br />

als Kinder und auch noch im Erwachsenenalter Sprach-, Sprech- oder Lese-Rechtschreib-<br />

Schwierigkeiten haben (vgl. Fox, 2001, S. 2). Wird bei einem Kind eine Verzögerung beobach-<br />

tet, sollte unbedingt die Hörfähigkeit überprüft werden.<br />

- 12 - 133


Ebenso kann eine ungewöhnliche oder stark belastende Situation zuhause die ganze Kraft<br />

des Kindes in Anspruch nehmen und somit zu einer Verzögerung der Entwicklung führen (vgl.<br />

Fox, 2001, S. 4).<br />

Auftretenshäufigkeit<br />

In der logopädischen/sprachtherapeutischen Praxis machen Kinder mit Aussprachestörungen<br />

den Grossteil der Klienten aus. „Ca. 5-10% aller Kinder – unabhängig von ihrer Muttersprache,<br />

mit der sie aufwachsen – zeigen Probleme mit ihrer Ausspracheentwicklung“ (Fox et al., 2009,<br />

S. 11).<br />

Circa 3-10% aller Kinder (National Institute on Deafness and other Communication Disorders,<br />

1994; Gierut, 1998) schaffen es allerdings nicht, dem regelrechten Verlauf der Sprechentwicklung<br />

zu folgen, weder in zeitlicher Hinsicht noch hinsichtlich der von ihnen verwendeten phonologischen<br />

Prozesse. Für das Deutsche wird sogar angenommen, dass bis zu 20% aller 4-6-jährigen<br />

Kinder betroffen sind, …(Fox, 2009, S.85)<br />

Risikofaktoren<br />

„Wenn man von Risikofaktoren spricht, meint man damit, dass ein Kind ein erhöhtes Risiko<br />

trägt, eine Aussprachestörung zu entwickeln“ (Fox et al., 2009, S. 34). Es gibt eine Reihe von<br />

Risikofaktoren, die eine Aussprachestörung <strong>zur</strong> Folge haben können:<br />

• Mittelohrentzündungen (vor allem im 1.-3. Lebensjahr)<br />

• Paukenergüsse (unerkannte oder unbehandelte)<br />

• Probleme innerhalb der Schwangerschaft oder bei der Geburt<br />

• Genetisch bedingte Faktoren<br />

• Auffälliges Saug- und Schluckverhalten<br />

Diese Risikofaktoren sind jedoch nur sekundär von Bedeutung. Wichtiger scheint das Wissen<br />

um die Lautsprachverarbeitung zu sein, wo Probleme hinsichtlich der Aussprache entstehen.<br />

Folgende Bereiche gehören dazu: das Hören; die Wahrnehmung; das Verarbeiten; das Spei-<br />

chern; der Abruf und die Produktion von Lauten.<br />

Das Wissen um diese Ebenen ermöglicht eine gezielte und erfolgreiche Therapie (vgl. Fox et<br />

al., 2009, S. 34-35).<br />

Kritische Phasen der Sprachentwicklung<br />

Das Tempo, in dem Kinder die Sprache erlernen variiert. Manchmal steht die Entwicklung im<br />

Bereich Sprache still. Dies kann der Fall sein, wenn andere wichtige Entwicklungsschritte an-<br />

stehen (z.B. die Bewegungsentwicklung). In diesem Fall braucht das Kind seine gesamte Kraft<br />

und Konzentration für ganz bestimmte Entwicklungsbereiche und vernachlässigt dann andere<br />

Entwicklungsbereiche.<br />

Neben der unterschiedlichen Sprech- und Sprachentwicklung, gibt es zwischen den <strong>Kindern</strong><br />

auch solche, die deutlich von der normalen Entwicklung abweichen.<br />

- 13 - 143


Von einer Verzögerung der Sprech- und Sprachentwicklung spricht man, wenn das Kind nicht<br />

im gewohnten Zeitfenster zum nächsten Entwicklungsschritt übergeht. Sollte dies auch nach<br />

sechs Monaten nicht der Fall sein, dann spricht man von einer reinen Verzögerung (vgl. Fox,<br />

2001, S. 3).<br />

Ausblick – Was wird aus <strong>Kindern</strong> mit Spracherwerbsstörungen?<br />

Nach Fox/Brodbeck sollten Kinder nach Dringlichkeit behandelt werden. „So sollte ein Kind<br />

mit einer rezeptiven Sprachstörung, z.B. einer schweren Sprachverständnisstörung, immer Vor-<br />

rang haben vor einer Artikulationsstörung oder Phonologischen Verzögerung“ (Fox, 2009, S.<br />

214).<br />

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass je nach Störungsbild der Aussprachestörungen die<br />

Veränderungsmöglichkeiten unterschiedlich sind. Während im Bereich Artikulationsstö-<br />

rung/Phonetische Störung selten eine Besserung eintritt, kann man in den Bereichen der Kon-<br />

sequenten Phonologischen Störung und der Inkonsequenten Phonologischen Störung von<br />

keiner Besserung ohne Therapie ausgehen.<br />

Bei der Phonologischen Verzögerung reduziert sich die Chance auf Besserung ohne Therapie,<br />

je länger das Kind bereits die Verzögerung aufweist (vgl. Fox et al., S. 52).<br />

Mögliche Folgen von Aussprachestörungen<br />

Bei rechtzeitiger Behandlung von Aussprachestörungen sind normalerweise keine negativen<br />

Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung zu befürchten. Dabei ist es wichtig, über zwei<br />

Dinge Bescheid zu wissen:<br />

• Im Alter von 3;0 – 4;0 Jahren beobachten Kinder sehr genau, wie das Umfeld auf ihr<br />

Sprechen reagiert. Ist ein Kind sehr schwer verständlich, kann es in dieser Zeit zu einem<br />

Störungsbewusstsein kommen, welches sich in verschiedenen Reaktionen ausdrückt:<br />

Das Kind ist traurig, wütend, aggressiv oder es zieht sich <strong>zur</strong>ück, weil es nicht verstan-<br />

den oder ständig korrigiert wird. Wird die Therapie erst mit 5;0 Jahren begonnen, kön-<br />

nen die oben genannten Reaktionen verstärkt auftreten. Darum sollte so früh als mög-<br />

lich mit einer Therapie begonnen werden.<br />

• Bei <strong>Kindern</strong> mit einer Konsequenten oder Inkonsequenten Phonologischen Störung be-<br />

steht eine deutlich erhöhte Gefahr, dass sie eine Legasthenie/Lese-Rechtschreibe-<br />

Schwäche entwickeln. Darum sollte der Schriftspracherwerb überwacht werden und<br />

bei allfälligen Abweichungen unverzüglich wieder therapeutische Hilfe in Anspruch<br />

genommen werden<br />

(vgl. Fox et al., 2009, S. 53; vgl. Fox, 2001, S. 1-4).<br />

- 14 - 153


Wann sollte etwas unternommen werden?<br />

Bei folgenden Beobachtungen sollte eine professionelle Beratung in Anspruch genommen<br />

werden:<br />

• Kind spricht auffallend schlechter als Gleichaltrige<br />

• Kind wird selbst von engen Bezugspersonen nicht verstanden<br />

• Kind wird nur in der Familie verstanden<br />

• Kind spricht Wörter immer wieder anders aus<br />

• Kind hat Schwierigkeiten mit der Wortfindung<br />

• Kind leidet, weil es nicht verstanden wird<br />

• Kind verweigert das Sprechen<br />

• Kind zieht sich <strong>zur</strong>ück oder reagiert aggressiv<br />

• Kind wird wegen der Aussprache gehänselt<br />

• Kind wird von Erwachsenen dauernd verbessert und kritisiert<br />

• Umfeld reagiert auf die Aussprache oder das Sprechverhalten des Kindes (vgl. Fox et<br />

al., 2009, S.42)<br />

2.3 Spracherwerbstheorie von Hannelore Grimm<br />

Denken ohne Sprache ist nicht möglich. Unser ganzes Leben, angefangen bei unserem<br />

Verstand, der Bildung und unserer Kultur basiert auf unserer Sprachkompetenz. Durch den<br />

Spracherwerb wird das Kind ein Teil seiner Kultur und gelangt so zu seiner ganz eigenen per-<br />

sönlichen und gesellschaftlichen Identität. Sprache ermöglicht Kommunikation und erweitert<br />

die Gedächtnis- und Problemlösefähigkeit (vgl. Grimm, 2005, S. 24-40).<br />

2.3.1 Ungestörte Sprachentwicklung<br />

Wie erwerben Kinder Sprache?<br />

Bereits im Mutterleib kann der Fötus auf sprachliche Reize reagieren. „Neben dieser frühen<br />

Leistung der Sprachwahrnehmung sind die Säuglinge noch mit weiteren Fähigkeiten ausge-<br />

stattet, deren Zusammenwirken einen ungestörten Spracherwerbsprozess erst möglich<br />

macht“ (Grimm, 2003b, S.23). Die Vorausläuferfähigkeiten (soziale Kognition, Wahrnehmung,<br />

Kognition), der Input und die Motivation zu lernen, spielen für den Spracherwerb eine ent-<br />

scheidende Rolle. Von Beginn an bringen Kinder also die Fähigkeiten mit, Sprache zu erler-<br />

nen. Die Sprachwahrnehmungsfähigkeit ist angeboren. Die Mutter kann durch geeigneten<br />

Input den Spracherwerbsprozess des Kindes unterstützen. „Im interaktiven Austausch mit wich-<br />

tigen Personen seiner Umwelt erwirbt es die Regeln der Sprache auf implizite Weise“ (Grimm,<br />

2003b, S.20). Das Kind selbst jedoch muss motiviert sein, seine Aufmerksamkeit auf die Spra-<br />

che zu richten und seine angeborenen Fähigkeiten zu nutzen (vgl. Grimm, 2003b, S. 20-23;<br />

Grimm, 2005, S. 24-40).<br />

- 15 - 163


Übersichtsplan einer altergerechten Sprachentwicklung<br />

Der Spracherwerbsprozess verläuft „über eine feste Abfolge von Meilensteinen, die jeweils<br />

über biologisch vorgegebene Zeitfenster erreicht werden müssen“ (Grimm, 2003a, S. 75).<br />

Folgende Meilensteine der Sprachentwicklung durchläuft das Kind vom Säuglingsalter bis zum<br />

späten Vorschulalter:<br />

Alter Rezeptiver Sprachgebrauch Produktiver Sprachgebrauch<br />

1 Monat -Lautwahrnehmung<br />

-Kind bevorzugt die Muttersprache<br />

/ die mütterliche Sprache<br />

-Sensitivität für Rhythmus und<br />

Prosodie<br />

1 – 5 Monate -Kategoriale Wahrnehmung<br />

-Kind kann unterschiedliche<br />

Intonationsmuster erkennen<br />

-Bevorzugung von „baby talk“<br />

-Kind erkennt Silben<br />

5 – 9 Monate -Kind zeigt intermodale<br />

Wahrnehmung<br />

-Kind erkennt Phrasenstruktur<br />

-Bevorzugung von Wörtern der<br />

Muttersprache<br />

-erstes Wortverständnis<br />

9 – 12 Monate -Aufbau der phonologischen<br />

Struktur<br />

-Kind kann Wörter erkennen<br />

und verstehen<br />

12 – 16 Monate -Kind versteht ungefähr 100 bis<br />

150 Wörter und einfache<br />

Sätze/Aufforderungen<br />

16 – 20 Monate -Kind versteht ungefähr 200<br />

Wörter<br />

-Etablierung von<br />

Wortkategorien<br />

20 – 24 Monate -Verstehen von Relationen<br />

und Wortordnungen<br />

-Schreien<br />

-Kind zeigt erste reaktive<br />

Laute<br />

-Gurren<br />

-Lachen<br />

-Kind ahmt Vokale nach<br />

-Kind spielt mit Lauten<br />

-Kanonisches Lallen<br />

-Produktion<br />

muttersprachlicher Laute<br />

-Kind ahmt muttersprachliche<br />

Intonation nach<br />

-Lange Lallsequenzen<br />

-erste Wörter<br />

-Herstellen eines gemeinsamen<br />

Aufmerksamkeitsfokus („joint<br />

attention“)<br />

-Kind produziert ungefähr 20 bis<br />

30 Wörter<br />

-Kind wendet unterschiedliche<br />

Sprachstile an: nominaler vs.<br />

expressiver Sprachstil<br />

-Kind produziert ungefähr 50 bis<br />

200 Wörter<br />

-Wortschatzspurt mit 18 Mt.<br />

-Zunahme von Funktionswörtern<br />

-Starke Zunahme des<br />

Wortschatzes<br />

-Reorganisation der Aussprache<br />

-Kind produziert erste Mehrwortäusserungen<br />

- 16 - 173


24 – 36 Monate -Kind versteht zunehmend<br />

komplexe Sätze<br />

ab 48 Monate -Beginn der metasprachlichen<br />

Bewusstheit<br />

(vgl. Grimm, 2003b, S.43-44 / leicht modifiziert von der Verfasserin):<br />

Präverbale Kommunikation und frühe Sprachwahrnehmung<br />

-Kind dekomponiert<br />

prosodisch organisierte Formen<br />

und leitet grammatische Struk-<br />

turen und Regeln ab<br />

-Sprachgebrauch wird<br />

zunehmend korrekt<br />

-Ausbau von Syntax und<br />

Morphologie<br />

-Erfolgreiche sprachliche<br />

Kommunikation<br />

Babys sind von Geburt an in der Lage, sprachliche Kontraste wahrzunehmen. Sie können<br />

auch sprachliche von nichtsprachlichen Lauten unterscheiden. Zudem scheinen sie Musikstü-<br />

cke, welche die Mutter während der Schwangerschaft gehört hatte, zu bevorzugen.<br />

Der mütterlichen Sprache schenken Babys durch Hinwenden ihre Aufmerksamkeit (vgl.<br />

Grimm, 2003b, S. 28). Untersuchungen haben gezeigt, „dass Säuglinge die Muttersprache<br />

allein wegen ihrer besonderen Prosodie vorziehen“ (Grimm, 2003b, S.29). Hohe Tonlagen, zwi-<br />

schen 400 und 600 Hz entsprechen den Fähigkeiten des Babys. Diese werden besser wahrge-<br />

nommen als tiefe Töne (vgl. Grimm, 2003b, S. 31).<br />

Ausserdem bedient sich das Kind verschiedener Gesten, um sich mitzuteilen (Kopf schütteln,<br />

auf etwas zeigen etc.). Diese Gesten haben eine Brückenfunktion, denn sie bilden den Über-<br />

gang vom nichtsprachlichen zum sprachlichen Handeln (vgl. Grimm, 2003b, S.33). „Die sym-<br />

bolisch verwendete Geste steht für die Erreichung eines kognitiven Meilensteins, der den<br />

Gebrauch konventionalisierter sprachlicher Zeichen möglich macht. Kinder, die früh Gesten<br />

benutzen, werden so auch früher Sprecher, wohingegen späte Gestenbenutzer späte Spre-<br />

cher sind“ (Grimm, 2003b, S.33).<br />

Dem Gedächtnis kommt beim Spracherwerb eine bedeutende Rolle zu. Denn die gehörte<br />

Sprache muss im phonologischen Kurzspeicher analysiert, repräsentiert und erkannt werden,<br />

damit das Kind artikulieren kann. <strong>Eine</strong> gute phonologische Repräsentationsfähigkeit ist dem-<br />

nach die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Spracherwerbsprozess (vgl. Grimm,<br />

2003b, S. 29-34).<br />

Erwerb von Sprachkompetenzen<br />

Kinder erwerben folgende Kompetenzen (vgl. Grimm, 2003b, S.18-20):<br />

Prosodische Kompetenz: Erkennen und produzieren von rhythmischen Spracheinheiten (Ton-<br />

höhe, Lautheit, Länge der Sprachlaute, Pausengebung).<br />

- 17 - 183


Linguistische Kompetenz: Bestehend aus zwei Teilbereichen, einerseits die im Gedächtnis ab-<br />

gespeicherten Wörter, andererseits die Phonologie, die Morphologie und die Syntax, welche<br />

durch Regeln definiert sind. „Denn es kann keine Sätze ohne Wörter geben, so wie reine An-<br />

sammlung von Wörtern noch keine Sätze ausmachen“ (Grimm, 2003b, S. 18).<br />

Pragmatische Kompetenz: Bestehend aus der Sprechhandlung (soziale Regeln, wie zu bitten,<br />

zu befehlen …); den Konversationshandlungen (wie ich ein Gespräch führen kann); den Dis-<br />

kurs (Wissen, wie ich eine Geschichte erzähle, wann ich den definiten und wann den infiniten<br />

Artikel gebrauche etc.). „Kurz gesagt ist bei der pragmatischen Kompetenz der sprachliche<br />

Ausdruck mit der sozialen Kognition verbunden“ (Grimm, 2003b, S.20).<br />

Wortschatzentwicklung<br />

„Zwischen der Geburt und dem neunten Lebensmonat entwickelt sich die Fähigkeit, Begriffe<br />

und Kategorien zu bilden“ (Grimm, 2003b, S.33).<br />

Kinder, bei denen der Spracherwerb normal verläuft, können bereits mit 10 Monaten ihre ers-<br />

ten Wörter produzieren. Einige Monate später bilden sie bereits zwischen 20 bis 30 Wörtern<br />

und verstehen zirka deren 100 (vgl. Grimm, 2005, S. 24-40). „Innerhalb von 15 Jahren vergrös-<br />

sert das Kind seinen Wortschatz von anfänglich ganz wenigen Wörtern auf etwas 60000“<br />

(Grimm, 2003b, S.38). „Den Schwellenwert für diese imposante Leistung erreicht es mit unge-<br />

fähr 18 Monaten. Dieser Schwellenwert besteht aus 50 Wörtern“ (ebd.). Der genannte<br />

Schwellenwert ist der Beginn der so genannten Wortexplosion. Dies bedeutet, dass sich der<br />

Wortschatz der Kinder rasch vergrössert und sie bis zu neun Wörtern täglich dazulernen. „Die<br />

Kinder haben erkannt, dass alle Dinge einen Namen haben. Sie haben die symbolische Qua-<br />

lität von Wörtern verstanden“ (Grimm, 2005, S. 28). Durch die Verknüpfung des Neuen mit<br />

einem Namen können die Kinder die neuen Wörter ordnen. „Sie haben die abstrakt-kognitive<br />

Qualität von Wörtern erkannt“ (Grimm, 2003b, S. 38).<br />

Spielentwicklung und Sprachentwicklung<br />

Es gibt keine konkreten Hinweise, in welchem Alter das Kind welche Spielentwicklung durch-<br />

läuft, jedoch erfolgt der Spracherwerb laut Grimm unterstützend in drei Phasen, indem die<br />

Sprache konkret an das Kind gerichtet wird: Ammensprache (baby talk); Stützende Sprache<br />

(scaffolding); Lehrende Sprache (motherese)(vgl. Grimm, 2003b, S. 52).<br />

Ammensprache: Wird angewendet bis das Kind ca. 12 Monate alt ist. Folgende Merkmale<br />

zeichnen die Ammensprache aus (vgl. Grimm, 2003b, S. 53):<br />

• einfache Aussagesätze (S – V- O)<br />

• einfache, klare und deutlich betonte Sätze<br />

• häufiges Fragenstellen („Wo ist …?“)<br />

• wenige zusammengesetzte Verben<br />

• höherer Stimmton als normal<br />

- 18 - 193


Stützende Sprache: Wird angewendet, wenn das Kind 12-24 Monate alt ist.<br />

Welchen Zweck hat die stützende Sprache? (vgl. Grimm, 2003b, S. 56)<br />

• dient der Erweiterung des Wortschatzes<br />

• Sprechsituationen werden evoziert<br />

Lehrende Sprache: Wird angewendet, wenn das Kind 24-27 Monate alt ist.<br />

Welchen Zweck erfüllt die lehrende Sprache? (vgl. Grimm, 2003b, S. 57)<br />

• Wortschatzerweiterung<br />

• Erlernen der Grammatik der Sprache<br />

Morphologisch-syntaktische Entwicklung<br />

Die Wortexplosion ist die Voraussetzung für den Grammatikerwerb. „Denn erst durch eine<br />

zunehmende Quantität kann eine Differenzierung des Wortschatzes in Inhalts- und Funktions-<br />

wörter erfolgen, wodurch wiederum die Bildung von Sätzen ermöglicht wird“ (Grimm, 2003b,<br />

S. 38).<br />

2.3.2 Störungen der Sprachentwicklung<br />

„Es gibt keinen anderen Bereich der kognitiven Entwicklung, der häufiger gestört wäre als der<br />

sprachliche“ (Grimm, 2003b, S.67).<br />

Störungsformen der Sprache und des Sprechens treten häufig in Kombination auf. Mit Störun-<br />

gen der Sprachentwicklung wird ein breites Gebiet bezeichnet, welches von einfachen Aus-<br />

sprachefehlern bis <strong>zur</strong> totalen Stummheit geht (vgl. Grimm, 2003b, S. 67-69).<br />

Ein Kind mit Sprachdefiziten hat neben den linguistischen Auffälligkeiten auch immer Defizite<br />

im kognitiven und sozialen Bereich, in der Persönlichkeitsentwicklung und im Schulalltag (vgl.<br />

Grimm, 2003a, S. 75). Sprachdefizite können zu einer enormen Beeinträchtigung des Selbst-<br />

wertgefühls und damit zu psychischen Störungen führen, welche mitunter bis ins Erwachse-<br />

nenalter anhalten (vgl. Grimm, 2009).<br />

Es gibt eine grosse Variantenvielfalt bezüglich der Ausprägung der Störung. Deshalb ist eine<br />

genaue und detaillierte Diagnose enorm wichtig (vgl. Grimm, 2003b, S. 69-71).<br />

Dass nicht alle Kinder den Spracherwerb gleich gut bewältigen, zeigen zahlreiche nationale<br />

und internationale Studien. Laut diesen Studien haben 8% der Kinder, plus/minus 2, Mühe mit<br />

dem Aneignungsprozess des Spracherwerbs und benötigen professionelle Hilfe, um ihn leisten<br />

zu können. Diese Häufigkeit sollte Anlass genug sein, möglichst frühzeitig therapeutisch zu<br />

intervenieren. Die internationale wissenschaftliche Forschung unterstützt die Forderung nach<br />

frühzeitiger Intervention ebenfalls und weist deren Nutzen empirisch nach. Vor der Therapie<br />

muss jedoch unbedingt eine zuverlässige und valide Diagnostik stehen.<br />

Nur so sind exakt jene Sprachbereiche zu erkennen, die einer individuellen Therapie bedürfen<br />

(vgl. Grimm, 2005, S. 24-40).<br />

- 19 - 203


Einteilung von Sprachentwicklungsstörungen<br />

Primäre Störung der Sprachentwicklung (vgl. Grimm, 2003b, S.72):<br />

Nicht offenkundige Ursache • Kinder mit spezifischer Störung der Sprachentwick-<br />

lung (dysgrammatisch sprechende Kinder)<br />

Sekundäre Störungen des Erwerbs und der Entwicklung von Sprache (vgl. Grimm, 2003b,<br />

S.72):<br />

Sensorische Behinderung • Kinder mit Hörstörungen<br />

• blinder Kinder<br />

Neurologische Schädigungen • Kinder mit erworbenen Aphasien<br />

Mentale Retardierung • Down-Syndrom-Kinder<br />

• Williams-Beuren-Syndrom-Kinder<br />

Pervasive Störungen • Kinder mit frühkindlichem Autismus<br />

Die Sprachentwicklung verläuft in diesen Fällen nicht der Norm entsprechend. Die sekundäre<br />

Störung der Sprache ist eine Folge der Schädigungen der Kinder.<br />

Spezifische Sprachentwicklungsstörungen (S<strong>SES</strong>)<br />

Charakteristisch für eine spezifische Sprachentwicklungsstörung sind:<br />

• verspäteter Sprechbeginn<br />

• verlangsamter Spracherwerb mit eventueller Plateaubildung<br />

• Sprachverständnis ist grösser als die Sprachproduktion<br />

• Semantik/Pragmatik sind weniger stark betroffen als Syntax/Morphologie<br />

• Testergebnisse der nonverbalen Intelligenz liegen im Normbereich<br />

(vgl. Grimm, 2003b, S. 122).<br />

Ursachen<br />

„Die Ursachen für die spezifische Sprachentwicklungsstörung wurden und werden insbeson-<br />

dere in drei Bereichen gesucht: im äusseren Bereich der Umweltsprache, im inneren Bereich<br />

der Kognition und Informationsverarbeitung sowie im biologischen Bereich“ (Grimm, 2003b, S.<br />

142-143). Folgende Faktoren können ebenfalls zu einer S<strong>SES</strong> führen: Migrationshintergrund;<br />

soziale Vernachlässigung mit un<strong>zur</strong>eichender Spracherfahrung (vgl. Grimm, 2009).<br />

Auftretenshäufigkeit<br />

Grimm verweist auf verschiedene Studien, aufgrund derer 8 – 10% der Kinder von einer spezifi-<br />

schen Sprachentwicklungsstörung betroffen sind (vgl. Grimm, 2009).<br />

- 20 - 213


Kritische Phasen<br />

Die Vorausläuferfähigkeiten, welche unter Punkt 2.3.1 beschrieben wurden, bilden die Basis<br />

für den Spracherwerb. Sie sind die Voraussetzung für einen gelingenden Spracherwerb (vgl.<br />

Grimm, 2003b, S. 42).<br />

„Die für den Spracherwerb kritischen Fähigkeiten werden vorsprachlich ausgebildet und zwar<br />

vorherrschend innerhalb des Zeitfensters von 0-10 Monaten (Grimm, 2003b, S. 42).<br />

Ist der Wortschatz der Kinder im Alter von zwei Jahren kleiner als 50 Wörter, weist dies sowohl<br />

auf eine Verzögerung des Wortschatzerwerbs wie auch auf eine gefährdete Grammatikent-<br />

wicklung hin (vgl. Grimm, 2003a, S. 83).<br />

Bis ungefähr fünf Jahre verfügt das Kind über bestimmte Lernmechanismen, welche einen<br />

ungestörten Spracherwerb ermöglichen. Vollziehen sich Sprachverarbeitungsprozesse nicht in<br />

den vorgegebenen Zeitfenstern, kann es zu Problemen im Spracherwerb kommen (vgl.<br />

Grimm, 2003b, S. 46).<br />

„Denn Prozesse, die zu spät etabliert werden, finden das vorgesehene Hirnareal nicht mehr im<br />

Entwicklungsfokus, sodass eine ungestörte normale Entwicklung nicht länger vollzogen wer-<br />

den kann“ (Grimm, 2003b, S.46-47).<br />

Late talkers / Late bloomers<br />

Grimm bezeichnet die late talkers auch als späte Wortlerner oder langsame Wortlerner, wel-<br />

che normalerweise im Alter von 24 Monaten erkannt werden (vgl. Grimm, 2003b, S. 128).<br />

“Zu diesem Zeitpunkt sprechen sie noch keine 50 Wörter und bilden auch keine Mehrwortäus-<br />

serungen“ (Grimm, 2003b, S.128). Zwischen 14-19% der Zweijährigen scheinen diesen Schwel-<br />

lenwert von 50 Wörtern nicht zu erreichen.<br />

Etwa die Hälfte der Kinder holt den Sprachrückstand bis zum dritten Lebensjahr wieder auf.<br />

Diese Kinder werden dann als late bloomers (Spätzünder) bezeichnet. Wird bei einem ca. 24<br />

Monate alten Kind eine Sprachverzögerung diagnostiziert, ist eine sorgfältige Beobachtung<br />

angezeigt. Nur so lässt sich herausfinden, ob das Kind tatsächlich ein später Wortlerner ist und<br />

somit zu den late bloomers gehört oder nicht (vgl. Grimm, 2003b, S. 128-129). In diesem Fall<br />

kann eine frühzeitige Therapie verhindern, dass aus der Sprachverzögerung „ein kumulatives<br />

Defizit mit Plateaubildung entsteht“ (Grimm, 2003b, S.129).<br />

Risikokinder – Wann sollte etwas unternommen werden?<br />

Kinder, welche Verzögerungen im Wortschatzerwerb aufweisen, haben zwingend auch Ver-<br />

zögerungen bei der Entwicklung der Vorausläuferfähigkeiten. Grimm weist darauf hin, wie<br />

wichtig es ist, diese Vorausläuferfähigkeiten zu operationalisieren und zu messen. Auf diese<br />

Weise können Risikokinder im Bereich der Sprachentwicklung noch vor dem 24. Lebensmonat<br />

identifiziert werden. Für die Überprüfung der Vorausläuferfähigkeiten wurde der Elternfrage-<br />

bogen-1 (ELFRA-1) entwickelt (vgl. Grimm, 2003b, S. 213).<br />

- 21 - 223


Wie schon häufig betont, sind gerade bei entwicklungsgestörten <strong>Kindern</strong> grosse interindividuelle<br />

Unterschiede zu verzeichnen. So sind nicht bei allen Risikokindern gleichermassen alle Vorausläuferfähigkeiten<br />

verzögert. Es gibt u.a. Kinder, die bei den Gesten weniger auffällig sind als<br />

beim Spiel mit Gegenständen oder die häufig nachahmen, aber nur selten Gesten produzieren.<br />

Dies bedeutet, dass jedes Kind individuell zu diagnostizieren ist. (Grimm, 2003b, S.215)<br />

Kinder, welche im Alter von zwei Jahren weniger als 50 Wörter sprechen, haben einen verzö-<br />

gerten Wortschatzerwerb und eine gefährdete Grammatikentwicklung (vgl. Grimm, 2003a, S.<br />

83).<br />

Ausblick – Was wird aus <strong>Kindern</strong> mit Spracherwerbsstörungen?<br />

„Zahlreichen <strong>Kindern</strong>, die die Sprache nur defizitär erwerben … bleiben ganze symbolische<br />

Kontinente und Bildungsmöglichkeiten verschlossen“ (Grimm, 2003a, S. 75).<br />

„<strong>Eine</strong> frühzeitige Intervention vermittelt dem kindlichen Gehirn die entsprechenden Anstösse,<br />

bevor das Zeitfenster für die Möglichkeit der linguistischen Strukturanalyse verpasst ist. <strong>Eine</strong><br />

Inaktivierung des Gehirns verhält sich demgegenüber wie eine Schädigung“ (Dannenbauer<br />

zitiert nach Grimm, 2003a, S. 76). Der Spracherwerb erfolgt über das Erreichen von Meilenstei-<br />

nen, was wiederum innerhalb vorgegebener Zeitfenster während der Entwicklung in der frü-<br />

hen Kindheit und Vorschulzeit stattfinden muss. Sollte dies nicht so sein, ist mit negativen Fol-<br />

gen für die gesamte kindliche Persönlichkeitsentwicklung zu rechnen (vgl. Grimm, 2005, S. 24).<br />

„So zeigt ein Kind mit Sprachdefiziten immer sowohl Verständigungsprobleme als auch kogni-<br />

tive Defizite, Schulschwierigkeiten und sehr häufig damit verbundene Probleme im sozial-<br />

emotionalen Bereich“ (Grimm, 2005, S. 24).<br />

2.4 Spracherwerbstheorie von Christina Kauschke<br />

„Die menschliche Sprachfähigkeit lässt sich als Fähigkeit beschreiben, ein reiches kombinato-<br />

risches System kreativ zu benutzen….Dass Kinder dieses Kommunikationssystem übernehmen<br />

können, liegt sowohl an ihrer genetischen Ausstattung als auch an der Reichhaltigkeit des<br />

angebotenen Sprachmodells“ (Kauschke, 2007b, S.14).<br />

Aus patholinguistischem Blickwinkel „wird der Spracherwerb als eine eigenständige Er-<br />

werbsaufgabe des Kindes angesehen, wobei Interaktionen mit anderen Prozessen bestehen“<br />

(Kauschke & Siegmüller, 2000, S. 2).<br />

2.4.1 Ungestörte Sprachentwicklung<br />

Wie erwerben Kinder Sprache?<br />

Basale Wahrnehmungsfähigkeiten und Lernmechanismen sind dem Kind angeboren. Mit de-<br />

ren Hilfe erkennt es sprachliche Gesetzmässigkeiten und baut sich daraus Wissen auf (vgl.<br />

Kauschke, 2007b, S. 14).<br />

- 22 - 233


„Dieses beeinflusst und steuert die weitere Aufnahme des Sprachangebotes, so dass sich im<br />

Wechselspiel zwischen inside-out und outside-in ein dynamischer Aufbau sprachlichen Wis-<br />

sens vollziehen kann“ (ebd.).<br />

Übersichtsplan einer altersgerechten Sprachentwicklung<br />

Phase 1:<br />

1;0-1;6 Lj.<br />

Phase 2:<br />

1;7-2;5 Lj.<br />

Phase 3:<br />

2;6-3;0 Lj.<br />

Wortartenentwicklung<br />

Personal-soziale Wörter (ja, nein, hallo)<br />

Relationale Wörter (da, auf, auch, weg)<br />

Einige Lautmalereien<br />

Erste Nomen (meist Eigennamen)<br />

Abnahme von personal-sozialen u. relationalen Wörtern<br />

Deutlicher Nomenzuwachs<br />

Erste Verben<br />

Weitere Ausdifferenzierung des Lexikons<br />

Verbzuwachs<br />

Funktionswörter-Zuwachs<br />

(in Anlehnung an Kauschke, in Siegmüller & Bartels, 2010, S. 30)<br />

Wortschatzentwicklung<br />

In ihrer Studie (2000) kommt Kauschke <strong>zur</strong> Erkenntnis, dass Kinder deutscher Muttersprache mit<br />

etwa 13 Monaten erste Wörter produzieren. Bei einigen <strong>Kindern</strong> findet dieses Ereignis zu einem<br />

späteren Zeitpunkt statt (vgl. Kauschke, 1999, S. 151).<br />

Damit ein Kind Wörter in verschiedenen Situationen verwenden kann, benötigt es das Wissen,<br />

dass ein Wort auf etwas hinweisen bzw. für etwas stehen kann.<br />

Den Vokabelspurt durchlaufen Kinder meistens im zweiten Lebensjahr, wobei er vereinzelt erst<br />

im dritten Lebensjahr oder überhaupt nicht als solchen nachgewiesen werden kann. Es<br />

scheint hier eine individuelle Variabilität zu geben (vgl. Kauschke, 2000, S. 35, 188-189).<br />

Zur Entwicklung der Wortarten meint Kauschke:<br />

Der frühe Wortgebrauch von <strong>Kindern</strong> dient offensichtlich nicht vorrangig der Benennung von<br />

Objekten. Die ersten Wörter, die die meisten Kinder in der Interaktion verwenden, lassen sich<br />

eher charakterisieren als<br />

• deiktische Ausdrücke (z.B.: „da“), um auf die Inhalte der gemeinsamen Aufmerksamkeit hinzuweisen<br />

• relationale Wörter, die Handlungen von Personen mit oder ohne Objekte fordern oder kommentieren<br />

• personal-soziale Ausdrücke, mit denen das Kind seine Einstellung zum aktuellen Geschehen<br />

vermittelt oder <strong>zur</strong> Aufrechterhaltung der Kommunikation beiträgt.<br />

(Kauschke, 2000, S. 189-190)<br />

- 23 - 243


Bis im Alter von 21 Monaten verwenden die meisten Kinder auch Nomen. Verben werden<br />

zwischen 15 und 36 Monaten individuell zu unterschiedlichen Zeitpunkten erstmals produktiv<br />

verwendet. Dass ein Kind in einem bestimmten Alter vorwiegend Nomen produziert, wurde in<br />

Kauschkes Studie (2000) nicht bestätigt. Am meisten Nomen konnten im Alter von 21 Mona-<br />

ten registriert werden. Sie machten weniger als einen Viertel des Lexikons aus. Bei einem drei-<br />

jährigen Kind sind die Wortarten gleichmässig vertreten. Jede hat am Gesamtvokabular<br />

höchstens einen Anteil von 25%. Einige Wortarten weisen charakteristische Entwicklungsver-<br />

läufe auf:<br />

Der Nomenanteil vergrössert sich bis im Alter von 21 Monaten. Danach schrumpft er zuguns-<br />

ten anderer Wortarten wieder. Das Verbwachstum erfolgt gleichmässig. Die Abnahme der<br />

relationalen Wörter geht anfangs rasch, dann langsamer vor sich. Der Anteil an Funktionswör-<br />

tern nimmt relativ spät, aber dann sprunghaft zu. Kauschke vermutet einen zeitlichen Zusam-<br />

menhang mit dem Übergang von Einwort- zu Mehrwortäusserungen. Verbpartikel und Präpo-<br />

sitionen ersetzen teilweise, was bisher mit relationalen Wörtern ausgedrückt wurde.<br />

Lautmalereien erhalten erst im zweiten Lebensjahr Wichtigkeit. Dann beginnen Kinder, Tätig-<br />

keiten oder Lebewesen bzw. Gegenstände damit zu versprachlichen. Im Alter von drei Jah-<br />

ren treten dann Nomen oder Verben an deren Stelle (vgl. Kauschke, 2000, S. 139-140). Die<br />

Wortschatzentwicklung im zweiten Lebensjahr hat besondere Relevanz für das Kind:<br />

<strong>Eine</strong>rseits erwirbt es sich ein Vokabular, mit dem es sich sprachlich mitteilen kann. Andererseits<br />

sammelt es die kritische Menge an Informationen, die es benötigt, damit weitere Entwick-<br />

lungsprozesse in Gang gebracht werden können (vgl. Kauschke, 2000, S. 200). Die individuelle<br />

Variabilität der Grösse und der Differenzierung des Lexikons im zweiten Lebensjahr ist be-<br />

trächtlich.<br />

Die Anzahl der unterschiedlichen Wörter bei jedem Kind steht in enger Verbindung zu deren<br />

Verwendungshäufigkeit. Kinder, die viele Wörter verwenden, produzieren dabei auch mehr unterschiedliche<br />

Wörter, haben also ein vielfältigeres Lexikon. Kinder mit geringen Wortschatzkapazitäten<br />

neigen nicht dazu, die ihnen <strong>zur</strong> Verfügung stehenden Wörter besonders häufig zu<br />

realisieren (Kauschke, 2000, S. 138).<br />

Die erwähnten Unterschiede haben prognostischen Wert für die Einschätzung der weiteren<br />

Sprachentwicklung im lexikalisch-semantischen und morphologisch-syntaktischen Bereich bis<br />

im Alter von 3 Jahren (vgl. Kauschke, 1999, S. 153; Kauschke 2000, S. 140).<br />

- 24 - 253


2.4.2 Störungen der Sprachentwicklung<br />

Definition<br />

Untergruppe<br />

Untergruppen<br />

Sprachentwicklungsstörungen Spezifische Sprachentwicklungsim<br />

Rahmen von primären störungen ohne organische, men-<br />

Störungsbildern tale oder emotionale Schädigungen<br />

(In Anlehnung an Kauschke & Siegmüller 2002, in Siegmüller & Bartels, 2010, S. 53)<br />

Ursachen und Symptomatik<br />

Kauschke glaubt nicht, dass mangelnder Input für die Verursachung einer Spracherwerbsstö-<br />

rung verantwortlich ist. Die Entstehung der Schwierigkeiten sieht sie darin begründet, dass <strong>SES</strong>-<br />

Kinder den ihnen angebotenen sprachlichen Input ineffizient nutzen (vgl. Kauschke, 2003, S.<br />

162). Sie vermutet, „dass sich leichtere Inputmängel weniger bei ungestörten <strong>Kindern</strong> auswir-<br />

ken, aber durchaus negative Konsequenzen für ein Kind mit einer Prädisposition für Sprachstö-<br />

rungen haben. Umgekehrt kann eine günstige und anregende Sprachumwelt das Auftreten<br />

einer genetisch (familiär) bedingten Sprachstörung nicht gänzlich verhindern“ (Kauschke,<br />

2007b, S. 13).<br />

<strong>Eine</strong> <strong>SES</strong> kann isoliert auf nur einer sprachlichen Ebene vorkommen, wenn sich ein bestimmter<br />

Entwicklungsbereich besonders störanfällig oder eine Schwierigkeit speziell resistent verhält.<br />

Meistens sind jedoch mehrere Sprachebenen von einer <strong>SES</strong> betroffen, „so dass das Problem<br />

der <strong>SES</strong>-Kinder vorrangig in einer mangelnden oder ineffektiven Integration der Informationen<br />

aus verschiedenen sprachlichen Ebenen zu sehen ist“ (Kauschke, 2000, S. 220).<br />

Als <strong>SES</strong>-Symptom ist ein verspäteter bzw. verlangsamter Sprach- oder Lexikonerwerb zu beo-<br />

bachten. Vor Schuleintritt verschiebt sich die Problematik in formale Bereiche wie die Phono-<br />

logie oder die Grammatik (vgl. Kauschke, bezieht sich auf Paul, 2000). Die Sprachproduktion<br />

ist stärker gestört als die Rezeption (vgl. Kauschke, bezieht sich auf Grimm 1999).<br />

(vgl. Siegmüller & Bartels, 2010, S. 52)<br />

Sprachauffälligkeiten im Kindesalter<br />

Störungen der Sprachentwicklung<br />

Störungen der Störungen der Störungen der<br />

Aussprache Semantik u. des Grammatik<br />

Wortschatzes<br />

Umstritten ist bisher, welche Rolle der Aufbau des Verblexikons für die Grammatikentwicklung<br />

spielt und ob <strong>SES</strong>-Kinder besondere Schwierigkeiten beim Aufbau des Verblexikons zeigen.<br />

- 25 - 263


Letzteres verneint Kauschke aufgrund jüngerer Studien, räumt aber ein, dass in Einzelfällen<br />

gravierende Verbprobleme vorkommen könnten. Da <strong>SES</strong>-Kinder generell lexikalische Ein-<br />

schränkungen zeigen und Verbdefizite eine fehlerhafte Sprachanwendung auf Satzebene<br />

nach sich ziehen, empfiehlt Kauschke trotzdem, ein unterentwickeltes Verblexikon besonders<br />

zu beachten und zu therapieren (vgl. Kauschke, 2007a, S. 100-101, 219-220).<br />

Kritische Phasen der Sprachentwicklung<br />

„Für jede Phase gibt es einen kritischen Zeitpunkt, eine Art Zeitfenster, in dem die Lernschritte<br />

optimal verlaufen können“ (Kauschke, 2003, S. 156). Mit dieser Aussage orientiert sich Kausch-<br />

ke an der Theorie von Locke, die späteres Lernen für möglich hält, es aber als schwerfälliger<br />

beurteilt. Weil der Wissenserwerb durch Kompensationsmechanismen gesteuert wird, ist er<br />

weniger schnell und effizient. Das Kind hat weiterhin Schwierigkeiten, sich Sprache anzueig-<br />

nen, da es den Input nicht genügend nutzen kann (vgl. Kauschke, 2003, S. 182).<br />

Entscheidend für einen ungestörten Spracherwerb ist nach Locke das Aufbauen von genü-<br />

gend Sprachmaterial, damit das Kind von der ganzheitlicheren rechtshemisphärischen Ver-<br />

arbeitungsweise zum analytischeren linkshemisphärischen System wechseln kann. Dieser Um-<br />

schwung erfolgt im Alter von 20-36 Monaten (vgl. Kauschke, 2003, S. 157-158).<br />

Late Talkers<br />

Gemäss Kauschke sind folgende Merkmale für Late Talkers charakteristisch:<br />

• Meilensteine werden nicht im erwarteten Altersrahmen erreicht<br />

• Rückstand in der produktiven Lexikonentwicklung im Alter von 24 Mon. auffällig (unter<br />

Berücksichtigung der individuellen Variation)<br />

• Beeinträchtigungen des Wortverständnisses<br />

• eingeschränkte phonologische und prosodische Fähigkeiten<br />

• Verzögerungen im Symbolspiel und der Kategorisierungsfähigkeiten<br />

(Siegmüller & Bartels, 2010, S. 69)<br />

An der Universität Potsdam wurden 2005 und 2006 Sprachentwicklungen von 15 Late Talkern<br />

im dritten Lebensjahr erfasst und ausgewertet. Die Ergebnisse (vgl. Kauschke, 2008) zeigen,<br />

dass LT sich signifikant seltener sprachlich äussern als normal entwickelte Kinder. Ausserdem<br />

besitzen sie ein kleineres und weniger differenziertes Vokabular, produzieren seltener Mehr-<br />

wortäusserungen, Verben und Funktionswörter und „haben ein geringeres Vokal- und Konso-<br />

nanteninventar, einen geringeren Anteil korrekter Konsonanten und eine einfachere Silben-<br />

struktur. Stattdessen produzieren sie signifikant mehr Babbling, mehr Einwortäusserungen und<br />

mehr Gesten“ (Kauschke, 2008, S. 26). Wie Kauschke meint, lässt sich der Sprachstand eines<br />

Late Talkers mit demjenigen eines jüngeren sprachlich normal entwickelten Kindes verglei-<br />

chen (vgl. Kauschke, 2008, S. 27).<br />

- 26 - 273


Die folgende Darstellung (Kauschke, 2003, S. 153), zeigt die mögliche Entwicklung und die<br />

Häufigkeitsverteilung von Late Talkern:<br />

Late Bloomer<br />

Aufholen bis 36 Monate ca.<br />

35-50% der Late Talker<br />

weiterhin<br />

unauffällige<br />

Entwicklung<br />

illusory<br />

recovery<br />

Probleme ab<br />

Schulalter<br />

Die Fachwelt ist sich uneinig darüber, wie viele Late Talker ihre Rückstände in der Sprachent-<br />

wicklung restlos, unvollständig oder kaum aufholen. Kauschke weist auf eine Studie von Sach-<br />

se (2007, in Kauschke, 2008) hin, die besagt, „dass ein Drittel der 50 untersuchten LT aufholte,<br />

während ein Drittel leichtere sprachliche Auffälligkeiten (1 bis 1,5 Standardabweichungen<br />

unter dem Durchschnitt) und ein weiteres Drittel die Kriterien einer manifesten Sprachentwick-<br />

lungsstörung zeigte“ (Kauschke, 2008, S. 20). Es stellt sich die Frage, ob es beobachtbare Fak-<br />

toren gibt, die vorhersagen können, ob ein Late Talker aufholen wird oder nicht. In der Unter-<br />

suchung von Sachse (2007, in Kauschke, 2008) werden Sprachverständnisschwierigkeiten und<br />

ein bildungsferner familiärer Hintergrund als Risikofaktoren genannt. „Kommen noch Verhal-<br />

tensprobleme oder im unteren Normbereich liegende non-verbale Fähigkeiten hinzu, ver-<br />

schlechtert sich die Prognose. Bei LT-<strong>Kindern</strong> können darüber hinaus neurologische und neu-<br />

rophysiologische Auffälligkeiten vorliegen“ (Kauschke, 2008, S. 22).<br />

Wann sollte etwas unternommen werden?<br />

Late Talker<br />

24 Monate: produktiver Wortschatz < 50 Wörter<br />

und/oder keine Wortkombinationen<br />

ca. 18% der Gesamtpopulation<br />

(Risiko für)<br />

spezifische Sprachentwicklungsstörung<br />

Kein Aufholen bis 36 Monate<br />

spezifische <strong>SES</strong><br />

persistierende Probleme<br />

- sprachliche Leistungen<br />

- Lesen, Schreiben<br />

„Lockes Theorie folgend sollte eine Intervention in einer Phase ansetzen, in der die neuronalen<br />

Bedingungen möglichst günstig sind“ (Kauschke, 2003, S. 160). In einer neueren Studie stellte<br />

Kauschke (2008) fest, dass sich eine „Aufholtendenz entweder bereits bis 2;6 abzeichnete<br />

oder auch in der zweiten Hälfte des dritten Lebensjahres nicht mehr stattfand (S. 34).“<br />

Kauschke empfiehlt daher bei <strong>Kindern</strong>, die als Late Talker identifiziert worden sind, eine re-<br />

gelmässige und aufmerksame Beobachtung ihrer Entwicklung im dritten Lebensjahr. Ihr Wort-<br />

schatz sollte auf Grösse, Qualität und Zusammensetzung hin untersucht werden.<br />

- 27 - 283


Die phonologischen Fähigkeiten, ihre prosodischen Kompetenzen, der Grammatikentwick-<br />

lungsstand und das Sprachverständnis auf Wort- und Satzebene sowie das Frageverstehen<br />

sollten u.a. genauer erfasst werden (vgl. Kauschke, 2000, S. 201).<br />

Aus der nachfolgenden Tabelle ist abzuleiten, dass bei <strong>Kindern</strong> mit auffälligem Diagnostikpro-<br />

fil ein Therapiebeginn mit 3 Jahren, in schwereren Fällen bereits mit 2.5 Jahren erfolgen sollte.<br />

Altersabhängiges Vorgehen bei Late Talkern:<br />

Alter Klinisches Vorgehen<br />

24 Mon. Anamnese<br />

Einschätzung des produktiven Vokabulars (Lexikonumfang), z.B. mittels Tagebuchaufzeichnungen<br />

der Eltern und/oder Fragebögen/ Checklisten<br />

Transkription der Spontansprache: Wortschatzumfang < 50 Wörter?<br />

Auftreten von Wortkombinationen?<br />

Diagnostik: Wort- und Satzverständnis, Symbolfähigkeiten<br />

30 Mon. Vokabular < 100 Wörter?<br />

Wortkombinationen?<br />

Weitere sprachliche Diagnostik: z.B. Verständnis von W-Fragen, Wortproduktion, Begriffsklassifikation<br />

Einschätzung nicht sprachlicher Fähigkeiten<br />

bei gravierendem Rückstand Therapiebeginn, sonst weitere Beobachtung<br />

36 Mon. Vollständige Profildiagnostik auf allen sprachlichen Ebenen<br />

Ist weiterhin Rückstand zu beobachten: Fortsetzung bzw. Beginn der Therapie<br />

fortlaufend Aufklärung und Beratung der Eltern<br />

Abklärung nicht sprachlicher Entwicklungsbereiche: bei Auffälligkeiten Einholen entsprechender<br />

Diagnostikbefunde und ggf. parallel Einleitung nicht sprachlicher Therapieverfahren<br />

(Kauschke, in Siegmüller & Bartels, 2010, S. 72)<br />

Ausblick – Was wird aus <strong>Kindern</strong> mit Spracherwerbsstörungen?<br />

<strong>SES</strong>-Kinder werden von ihren Peers oftmals nicht als ebenbürtige Gesprächspartner behan-<br />

delt. Ein sinkendes Selbstwertgefühl und sozialer Rückzug können die Folgen sein. Die seltener<br />

werdenden Interaktionen mit anderen <strong>Kindern</strong> verringern die Lernmöglichkeiten, was zu einer<br />

negativen Spirale mit weiteren sozialen Schwierigkeiten führen kann. Da Sprache in den meis-<br />

ten Lebensbereichen und Berufen eine grosse Rolle spielt, kann eine <strong>SES</strong> einschränkend auf<br />

den Schulerfolg und die Berufswahl wirken (vgl. Kauschke, 2003, S. 155-156).<br />

- 28 - 293


2.5 Spracherwerbstheorie von Christiane Kiese-Himmel<br />

Kiese-Himmel betont die Wichtigkeit der kindlichen Interaktionen mit der Umwelt für die<br />

Sprachentwicklung. Damit ein Kind eine Sprache erwerben kann, „muss das Kind über eine<br />

durchschnittliche Intelligenz verfügen sowie in einem natürlichen, liebevoll-responsiven Le-<br />

bensumfeld mit sprechenden Bezugspersonen aufwachsen, denn Sprachkompetenz erwirbt<br />

das junge Kind durch Hören und Sprechen“ (Kiese-Himmel, 2004, S. 45).<br />

2.5.1 Ungestörte Sprachentwicklung<br />

Wie erwerben Kinder Sprache?<br />

Jedes Kind besitzt angeborene Lernmechanismen, die ihm beim Spracherwerb behilflich sind.<br />

Wie sich seine Sprache entwickelt, hängt unter anderem davon ab, welche Erfahrungen und<br />

Handlungsfelder ihm im Zusammenhang mit Sprache begegnen. Viele familiäre Faktoren<br />

spielen ebenfalls eine Rolle, so zum Beispiel der Geschwisterstatus, die Geschwisterposition,<br />

der Bildungshintergrund der Eltern, die externe Kinderbetreuung, der Medienkonsum oder die<br />

Sprachanregung durch Bücher. Damit ein Kind Wörter lernt, ist eine Bezugsperson wichtig, die<br />

einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus herstellt und die Objekte, Handlungen, Eigen-<br />

schaften etc. benennt bzw. beschreibt. Zusätzlich scheint für die Sprachentwicklung von Be-<br />

deutung zu sein, dass das Kind mit Fragen angeregt wird (vgl. Kiese-Himmel, 2004, S. 46; Kiese-<br />

Himmel, 2005 S. 15-16). Kiese-Himmel (2004) bezieht sich auf Tomasello und Todd (1983), um<br />

die Bedeutung der elterlichen Interaktion zu unterstreichen: „Ein aufmerksamkeitsförderndes<br />

Sprachangebot durch die Mutter im ersten Lebensjahr des Kindes korreliert mit dessen Wort-<br />

schatz im zweiten Lebensjahr (S. 46).“ Es gibt jedoch auch Studien, die belegen, dass Kinder<br />

durch das Mithören von Gesprächen Wörter ebenso gut lernen können, ohne dass sie direkt<br />

angesprochen werden (vgl. Kiese-Himmel 2005, S. 16, bezieht sich auf Akhtar, Jipson & Calla-<br />

nan 2001).<br />

Übersichtsplan einer altersgerechten Sprachentwicklung<br />

Alter Wortschatzentwicklung Grammatikentwicklung<br />

6 Monate Nimmt Lautketten im Input wahr<br />

beginnt selber Sprachlaute zu produzieren<br />

10 Monate Kanonisches Lallen (abwechselnd: Vokal-Konsonant,<br />

z.B. bada, mama)<br />

ca. 1 Jahr Erstes Wort<br />

15 Monate Erste Verben<br />

ab 18-24 Monaten<br />

50 Wörter erreicht<br />

Wort wird referentiell eingesetzt<br />

Erste Adjektive<br />

Beginn Zwei-Wort-Sätze<br />

Verneinung<br />

Quantifikatoren: kein, mehr, viele alle<br />

unbestimmter Artikel: ein<br />

- 29 - 303


2;6-3 Jahre Erstes Fragealter: Was? Wo? Wer?<br />

Ab 3 Jahren 2000-3000 Wörter aktiv<br />

Verben für mentale/innerpsychische<br />

Zustände (denken, lachen,…)<br />

3;6 Jahre Alle Wortarten, insbesondere Funktions-<br />

wörter<br />

Erste Hilfsverben: haben u.a.<br />

Erste Flexionen<br />

Zweites Fragealter: Warum? Weshalb?<br />

Wieso? Wofür? Wozu?<br />

NS mit weil<br />

Satzlänge nimmt zu<br />

Äusserungen mit mehreren Teilsätzen<br />

(vgl. Kiese-Himmel, 2004, S. 50-53; Kiese-Himmel, 2005, S. 14-16; Bockmann & Kiese-Himmel,<br />

2006, S. 11-15)<br />

Wortschatzentwicklung<br />

Wörter sind grundlegende Elemente der Sprache. Die Sprachentwicklung baut auf dem Wort<br />

auf. Durch das Lernen eines Wortes erfährt das Kind seine Bedeutung, die semantische Kate-<br />

gorisierung, seine Aussprache und in welchen Wortformen es vorkommt. Es lernt, wo im Satz es<br />

stehen kann und wie es sich mit weiteren Wörtern kombinieren lässt.<br />

Wenn ein neues Wort abgespeichert werden soll, wird es mit bisherigen Lexikoneinträgen ver-<br />

glichen und mit vorhandenen Informationen verknüpft. Der Lernvorgang trägt dazu bei, dass<br />

das Lexikon erweitert und umstrukturiert wird. Ein enger Zusammenhang <strong>zur</strong> kognitiven Ent-<br />

wicklung besteht, denn „Wortbedeutungen sind vernetzte Strukturen von Begriffssystemen,<br />

die aktiv geschaffen werden. Somit verändern sie sich auf dem Hintergrund der kognitiven<br />

Entwicklung eines Individuums, seiner Auseinandersetzung mit der Welt und seines erworbe-<br />

nen Wissens, insbesondere kulturabhängigen Wissens“ (Kiese-Himmel, 2005, S. 18).<br />

Der Wortschatz nimmt folglich Einfluss auf die Lernprozesse und das Lernverhalten, die sprach-<br />

lichen Fähigkeiten und auf die gesamte Entwicklung eines Kindes (vgl. Kiese-Himmel, 2004, S.<br />

48-49; Bockmann & Kiese-Himmel, 2006, S. 7).<br />

Wie geht nun dieser so imminent wichtige Wortschatzerwerb vor sich?<br />

Für Kiese-Himmel beginnt die Wortschatzentwicklung schon einige Monate vor der Produktion<br />

des ersten Wortes, etwa im Alter von einem halben Jahr. Dann nimmt das Kind Lautketten im<br />

Sprachinput wahr und kann sie wiedererkennen. Wenig später fängt das Baby an, vermehrt<br />

selber Sprachlaute zu produzieren. Ab etwa 10 Monaten setzt die kanonische Lallphase ein.<br />

Der Säugling verwendet Lallwörter, in denen sich Konsonanten und Vokale abwechseln.<br />

Bockmann und Kiese-Himmel (2006) nennen die Beispiele „bada, mama, baba, papa“ (S.<br />

11). Durchschnittlich mit etwa einem Jahr spricht das Kind sein erstes muttersprachliches Wort.<br />

Individuell gibt es grosse Unterschiede, was den Zeitpunkt des Auftretens betrifft.<br />

- 30 - 313


Frühe Lexikoneinträge bestehen aus bedeutungstragenden Lautmalereien wie brrr oder muh,<br />

aus eigenen Namenskreationen oder kindersprachlichen Objektbezeichnungen wie Ticktack<br />

oder Wauwau, aus Einschüben wie ah, he, ui, aus Floskeln wie ja, nein, bitte, hallo, aus Verb-<br />

partikeln wie weg, an oder aus hinweisenden Ausdrücken wie da. Häufig verwendet das Kind<br />

auch Silbenverdoppelungen, die Personen wie Mama oder Papa bezeichnen, für spezifische<br />

Gegenstände wie Bonbon stehen oder Situationen kindersprachlich beschreiben wie bimbim<br />

für die Türklingel oder bumbum für ein zu Boden fallendes Objekt.<br />

Es ist möglich, dass das Kind frühe Wörter nicht jedes Mal gleich ausspricht. Dies ist unter an-<br />

derem damit zu begründen, dass es noch nicht alle Laute erworben hat. Zudem überdehnt<br />

es die Bedeutung anfangs. Erst mit zunehmenden Erfahrungen lernt es, ein Wort nur auf ein<br />

spezifisches Objekt anzuwenden. Da die ersten Worte anfänglich häufig eine ganze Aussage<br />

repräsentieren und verschieden verstanden werden können, müssen die Bezugspersonen<br />

den Kontext, die Prosodie und die Gestik bzw. Mimik des Kindes einbeziehen, um es zu verste-<br />

hen. Mit etwa 24 Monaten gelingt es dem Kleinkind, ein Wort kontextunabhängig bzw. refe-<br />

rentiell einzusetzen. Vor dem zweiten Lebensjahr bezieht sich die Wortproduktion auf die<br />

sichtbare Umgebung. Welche Wörter ein Kind in sein Vokabular integriert, ist mit seinen erleb-<br />

ten Sinneserfahrungen gekoppelt und hängt auch von seinen Interessen ab. Die frühen Lexi-<br />

koneinträge enthalten Wahrnehmbares aus der Lebenswelt des Kindes. „Meistens dominieren<br />

Substantive <strong>zur</strong> Benennung von Personen, Tieren, Pflanzen, Körperteilen, Fahrzeugen, Nah-<br />

rungsmitteln, Kleidung, Spielzeugen sowie Objekten aus Haushalt und Wohnung“ (Kiese-<br />

Himmel, 2004, S. 51). Zunehmend finden auch andere Wortarten Eingang ins Lexikon und der<br />

Nomenanteil sinkt. Unter den ersten 50 erworbenen Wörtern befinden sich verhältnismässig<br />

viele Nomen und Verben. Der Anteil der Nomen übersteigt dabei jedoch nie 50%.<br />

Damit ein Kind Tätigkeitswörter in sein Vokabular aufnehmen kann, muss es die Symbolfunkti-<br />

on eines Wortes entdeckt haben. Es muss wissen, dass ein Wort ein Name für Gegenstände<br />

und Personen sowie auch für Handlungen sein kann. Verben werden daher später als No-<br />

men, und anfangs nur langsam erworben. Sie können etwa ab dem 15. Lebensmonat pro-<br />

duktiv in Erscheinung treten (vgl. Kiese-Himmel, 2004, S. 50-52; Kiese-Himmel, 2005, S. 14-15;<br />

Bockmann & Kiese-Himmel, 2006, S. 11-12). Kiese-Himmel (2004) beschreibt die Verbentwick-<br />

lung wie folgt:<br />

Die ersten Verben beziehen sich auf einfache motorische Tätigkeiten oder Handlungen, die das<br />

Kind selbst ausführen kann (sog. Aktionsverben wie essen, trinken, baden). Erst später werden<br />

Zustandsverben erworben, also Verben ohne offen fassbare Handlung, die eher ein Beharren in<br />

der Welt bezeichnen (z.B. schlafen, liegen, bleiben) wie auch Vorgangsverben; das sind Verben,<br />

die Prozesse bezeichnen, die sich an etwas bzw. jemandem vollziehen (z.B. rosten, erfrieren).<br />

Ab dem 3. Lebensjahr folgen Referenzen auf mentale oder innerpsychische Zustände (z.B.<br />

lachen, weinen). <strong>Eine</strong> weitere Lernherausforderung ist die Unterscheidung von ingressiven Verben<br />

(sie bezeichnen den Beginn eines Geschehens) und resultativen Verben (sie bezeichnen<br />

den Endzustand eines Geschehens). (S. 51-52)<br />

- 31 - 323


Der Erwerb von Verben hat für den Einstieg in die Grammatikentwicklung eine grosse Bedeu-<br />

tung (vgl. Kiese-Himmel, 2004, S. 57). Allerdings besitzen laut Kiese-Himmel (1995) nicht nur die<br />

Verben, sondern die Wortschatzentwicklung allgemein einen hohen Wert für die Diagnostik:<br />

„Da sich Laut- wie auch morphologische Entwicklung am Wort vollziehen, der Syntaxerwerb<br />

sich der Einheit Wort bedient, kann die Wortschatzmessung sozusagen als Leitwährung in der<br />

Sprachentwicklungsdiagnostik fungieren“ (S. 191).<br />

Zum prognostischen Potenzial schreibt Kiese-Himmel (2004): „Ein Kind, das zwischen zwei und<br />

drei Jahren schnell im Wortschatzerwerb ist, wird es auch im Erwerb von Grammatik sein.<br />

Grammatik ist ein inhärenter Bestandteil des Lexikons. Erste grammatische Strukturen sind eher<br />

semantischer Natur (S. 57).“ Der Wortschatz kann nach Zusammensetzung, Umfang und Er-<br />

werbszeitpunkten analysiert werden. Er vermag gemäss Toppelberg und Shapiro (2000) Schul-<br />

leistungen zu prognostizieren (vgl. Kiese-Himmel, 2004, S. 57).<br />

Morphologisch-syntaktische Entwicklung<br />

„Ein-Wort-Äusserungen gelten als Vorläufer der Syntax. Die Stufe der Ein-Wort-Äusserung wird<br />

fast gleichzeitig mit dem Beginn des Fragens verlassen“ (Kiese-Himmel, 2005, S.16).<br />

Wenn ein Kind die Grenze von etwa 50 Wörtern mit 18-24 Monaten erreicht hat, beginnt es<br />

zwei Wörter zu verbinden. Diese Wortkombinationen werden als Beginn der Grammatikent-<br />

wicklung angesehen. Das Kind kann nun zwei Konzepte miteinander verknüpfen und damit<br />

„Lokalisationen, Wünsche, Ereignisbeschreibungen, Verneinungen, Qualitäten oder Besitzver-<br />

hältnisse ausdrücken“ (Bockmann & Kiese-Himmel, 2006, S.15).<br />

Zur Verbalisierung von Zeitformen muss es Tätigkeitswörter erworben haben. Wo ein Wort in<br />

einem Satz positioniert sein kann und andere grammatische Regeln entdeckt das Kind im<br />

Sprachangebot, das ihm seine Umgebung präsentiert (vgl. Kiese-Himmel, 2005, S. 16; Bock-<br />

mann & Kiese-Himmel, 2006, S. 15). Verben fungieren als Schnittstelle zwischen Semantik/Lexik<br />

und Mophologie/Syntax. Ihnen kommt daher eine besondere Bedeutung zu.<br />

Adjektive weisen auf ein anderes Wort hin und beschreiben es näher. Sie werden ab etwa 18<br />

Monaten produziert. Im Alter von etwa 20 Monaten können Kinder den unbestimmten Artikel<br />

verwenden und beginnen mit dem Wort alle auch Mengenangaben zu geben. Erst nach<br />

dem Erreichen von 24 Monaten sind erste Flexionen zu beobachten. Mit etwa 3 Jahren ver-<br />

mag ein Kind allmählich längere Sätze zu produzieren. Ein halbes Jahr später enthalten seine<br />

Äusserungen alle Wortarten, auch die spät erworbenen grammatischen Funktionswörter. Es<br />

kann sich in mehreren Teilsätzen ausdrücken und erste Konjunktionen wie weil verwenden<br />

(vgl. Kiese-Himmel, 2005, S. 16).<br />

Fragen, die mit was, wo, wer eingeleitet werden, stellt das Kind erstmals im Alter von 2,6 bis 3<br />

Jahren. Diese Phase wird als erstes Fragealter bezeichnet. Zur gleichen Zeit wird das Reper-<br />

toire an Hilfsverben erweitert. Das zweite Fragealter wird mit gut 3 Jahren erreicht. Nun ver-<br />

wendet das Kind u.a. die Fragepartikel warum, wieso, weshalb, wofür.<br />

- 32 - 333


Wortschatz- und Grammatikentwicklung müssen ineinander übergreifen, damit korrekte Sätze<br />

produziert werden können: „Unregelmässige Verbformen wie auch der Komparativ oder der<br />

Superlativ von bestimmten Adjektiven werden als eigenständiges Wort in das Lexikon einge-<br />

speist, wohingegen die Kenntnis über regelmässige Flexionsbildungen als Regelwissen abge-<br />

speichert wird“ (Kiese-Himmel, 2004, S. 52-53).<br />

2.5.2 Störungen der Sprachentwicklung<br />

Ursachen<br />

Kiese-Himmel (2005) äussert sich bezüglich Ursachen nur zu Defiziten in der Wortschatzent-<br />

wicklung, welche Teil einer <strong>SES</strong> sein können: „Un<strong>zur</strong>eichende sprachliche Anregung bei in-<br />

adäquatem Kommunikations-/ und Freizeitverhalten in der Familie (z.T. mehrstündiges tägli-<br />

ches Fernsehen oder Computerspiele; geringes Vorleseangebot von adäquaten Kinderbü-<br />

chern in der Familie sowie wenig sprachbegleitende Bilderbuchbetrachtung mit primären<br />

Bezugspersonen) lösen mitunter einen Bedarf an Wortschatzförderung aus“ (S. 9).<br />

Auftretenshäufigkeit<br />

13 bis 20% der Kinder beginnen verspätet mit dem Wortschatzerwerb. Davon holen 35 bis 50%<br />

als sogenannte Late Bloomers den Rückstand wieder auf. Somit muss damit gerechnet wer-<br />

den, dass bei ca. 7 bis 14% der Kinder eine Sprachentwicklungsstörung auftritt.<br />

Immer noch werden viele <strong>SES</strong>-Kinder erst spät – manchmal erst im Schulalter - entdeckt. Ge-<br />

sundheitspolitische Massnahmen sind zu treffen, um die gefährdeten Kinder früher erfassen zu<br />

können (vgl. Bockmann & Kiese-Himmel, 2006, S. 8).<br />

Kritische Phasen der Sprachentwicklung<br />

Es gibt ein Zeitfenster, in dem die Sprachentwicklung optimal verlaufen kann. Es öffnet sich im<br />

frühen Alter, wenn „die postnatale Hirnentwicklung funktionsspezifisch angeregt und erfah-<br />

rungs- und aktivitätsabhängig neuronal konsolidiert wird. Dieses Zeitfenster schliesst sich mit<br />

zunehmendem Lebensalter des Kindes und ist nach der Grundschulzeit, spätestens mit dem<br />

Erreichen der Pubertät irreversibel geschlossen“ (Kiese-Himmel, 2004, S. 59).<br />

Wann sollte etwas unternommen werden?<br />

Im Alter von 2 Jahren kann bei einem Kind anhand einer Erhebung des Wortschatzes die wei-<br />

tere Sprachentwicklung prognostisch eingeschätzt werden. Gemäss Kiese-Himmel (2004) ist es<br />

daher nicht angebracht, „bei sprachentwicklungsverzögerten <strong>Kindern</strong> oder <strong>Kindern</strong> mit Wort-<br />

schatzarmut abzuwarten und auf spezifische Diagnostik, Elternberatung und –anleitung sowie<br />

(therapeutische) Förderung zu verzichten“ (S. 59-60).<br />

<strong>Eine</strong> Intervention, die erst nach dem 3. Geburtstag einsetzt, ist laut Kiese-Himmel weniger<br />

effektiv und benötigt von allen Beteiligten einen grösseren Aufwand.<br />

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<strong>Eine</strong> frühe Diagnostik und Therapie bei <strong>SES</strong> ist auch deshalb zwingend, weil dadurch negative<br />

Auswirkungen auf Kommunikation, Kognition, soziale Beziehungen, eigene Befindlichkeit und<br />

Schulleistungen verhindert werden können. Da die erwähnten möglichen Folgeerscheinun-<br />

gen ein Kind in seiner gesamten Entwicklung hemmen, ist eine frühzeitige standardisierte<br />

Sprachdiagnostik notwendig. Kiese-Himmel betont, dass es nicht ausreicht, nur das Kind zu<br />

behandeln.<br />

Für sie ist ein möglichst frühes Einbeziehen und Anleiten der Eltern zentral, um Fortschritte in<br />

der Sprachentwicklung zu erzielen. Sie äussert sich <strong>zur</strong> Rolle der Eltern beim Spracherwerb des<br />

Kindes folgendermassen:<br />

Sprachentwicklung beginnt am ersten Lebenstag, und Erwachsene haben diesbezüglich eine<br />

verantwortungsvolle Aufgabe in der kindgemässen Sprachkommunikation im Alltag, die Anregungs-,<br />

Steuerungs- und Korrekturfunktion für den Erwerb der Muttersprache besitzt. Damit ein<br />

Kind Sprache zu einem leistungsfähigen Kommunikations- und Kognitionssystem ausbilden kann,<br />

so dass es schliesslich über ein universelles Instrument verfügt, ist der Dialog, später die Mitteilung<br />

von Erlebnissen oder das Gespräch über gemeinsame Erlebnisse unerlässlich.<br />

Wortschatzerwerb – eine Fassette der kulturgebundenen Muttersprache – ist ein persönlicher Erfahrungsprozess.<br />

Relevante Erfahrungen sind in der frühen Kindheit hauptsächlich durch Sensomotorik,<br />

Konversation, unterstützt durch Rollenspiele und didaktische Sprachspiele, zu machen,<br />

später ergänzt durch vorbildliche Modelle in den Medien (Radio, Fernsehen). Wortschatzerwerb<br />

ist auch eine Funktion der Verwendungshäufigkeit von Wörtern durch andere Menschen. So<br />

verbessert das Vorlesen von Bilderbüchern den passiven und aktiven Wortschatz.<br />

(Kiese-Himmel, 2004, S. 59)<br />

Durch die Zusammenarbeit mit den Eltern können die Bedingungen für einen gelingenden<br />

Spracherwerb wesentlich verbessert werden (vgl. Kiese-Himmel 2004, S. 59-60; Bockmann &<br />

Kiese-Himmel, 2006, S. 8).<br />

Ausblick – Was wird aus <strong>Kindern</strong> mit Spracherwerbsstörungen?<br />

Frühe Sprachprobleme können Schulschwierigkeiten nach sich ziehen. So wiesen viele LRS-<br />

Kinder schon vor Schuleintritt eine nicht optimal verlaufende Sprachentwicklung auf. Unter-<br />

durchschnittliche sprachliche Fähigkeiten schmälern die Bildungsmöglichkeiten (vgl. Kiese-<br />

Himmel, 2004, S. 47, 58).<br />

2.6 Spracherwerbstheorie von Zvi Penner<br />

„Unser sprachliches Wissen gilt als der Hauptschlüssel für unsere soziale und kognitive Entwick-<br />

lung. Aus der Sicht des lernenden Kindes stellt die Sprache ein hochkomplexes Lernobjekt dar,<br />

dem ein nicht leicht zu entdeckendes Regelwerk zugrunde liegt“ (Penner, 2004, S. 6). Die<br />

Schwierigkeit, Gesetzmässigkeiten aus dem Input abzuleiten, besteht für das Kind laut Penner<br />

darin, dass es aus komplexen Informationen die relevanten herausfiltern muss.<br />

- 34 - 353


Die Mehrheit der Kinder schafft dies problemlos, da der Spracherwerb zu einem grossen Teil<br />

automatisiert, einheitlich und störungsresistent abläuft (vgl. Penner, 2004, S. 6-7).<br />

2.6.1 Ungestörte Sprachentwicklung<br />

Wie erwerben Kinder Sprache?<br />

Damit ein Kind eine Sprache erwerben kann, muss es zu allererst den Sprachrhythmus und die<br />

Prosodie einer Sprache wahrnehmen und die Höreindrücke verarbeiten können. Silben, Wör-<br />

ter und Satzglieder sind die einer Sprache zu Grunde liegenden Bauelemente. Das Kind muss<br />

sie im Sprachfluss erkennen und muttersprachliche Regeln daraus ableiten. Die entdeckten<br />

prosodischen Muster bilden eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen<br />

Wortschatz- und Grammatikerwerb (vgl. Penner, 2004, S. 8).<br />

<strong>Eine</strong> weitere wesentliche Komponente eines störungsfreien Spracherwerbs ist das sogenannte<br />

Bootstrapping, ein mehrmodulares Lernverfahren, welches das Kind verwendet, um aus dem<br />

Input abstrakte Regeln abzuleiten (vgl. Penner, 2003, S. 114).<br />

Übersichtsplan einer altersgerechten Sprachentwicklung<br />

Alter Prosodie Präpositionen<br />

9-18<br />

Monate<br />

18-24<br />

Monate<br />

24-30<br />

Monate<br />

ab 30<br />

Monaten<br />

Subminimales Wort<br />

1 Silbe, 2 Laute nach Anlaut (Bus)<br />

Minimales Wort (Trochäus)<br />

2 Silben, anfangsbetont (Nase, baden)<br />

Komposita<br />

zusammengesetzte Wörter, anfangsbe-<br />

tont (Kinderwagen)<br />

Supra-minimales Wort<br />

Alle Betonungen. 3 Laute in betonter<br />

Silbe nach Anlaut möglich.<br />

(Mund, Elefant, Schokolade)<br />

36 Monate auf, in, unter werden unterschieden.<br />

(in Anlehnung an: Kölliker Funk, 2008; Penner, 2006a, S. 80; Penner 2006b, S. 154-155)<br />

Präverbale Kommunikation und frühe Sprachwahrnehmung<br />

Folgende Elemente der vorsprachlichen Entwicklung hält Penner für die Sprachentwicklung<br />

für besonders relevant:<br />

• „das frühe (nichtsprachliche) Regellernen<br />

• der Übergang von reinen Perzepten (Wahrnehmungskategorien) zu Konzepten (Denkkate-<br />

gorien)“ (Penner, 2006a, S. 37)<br />

- 35 - 363


Um festzustellen, ob ein Säugling abstrakte Regelunterschiede wahrnimmt, wurden verschie-<br />

dene experimentelle Untersuche vorgenommen. In einem der Versuche bekam ein 7 Monate<br />

altes Kind zwei unterschiedliche Satzstrukturen präsentiert. Es schenkte derjenigen mehr Auf-<br />

merksamkeit, die ihm bisher noch unbekannt war.<br />

Die Forscher werten dieses Ergebnis als positive Evidenz dafür, dass ein Kind mit sieben Mona-<br />

ten abstrakte Regeln rezeptiv erkennen kann (vgl. Penner, 2006a, S. 38-39). Gemäss Penner<br />

bilden bereits Babys Konzepte. Wenn sie ein Objekt sehen, ergänzen sie ihre innere Vorstel-<br />

lung des Objekts durch Informationen aus früheren Sinneseindrücken. Sie wissen, dass das<br />

aktuell Sichtbare nicht zwingend mit dem realen Objekt übereinstimmt. Viele wichtige Infor-<br />

mationen scheinen Kinder durch Erfahrungen mit Bewegungen im Raum zu sammeln (vgl.<br />

Penner, 2006a, S. 45). Dabei erleben sie Objekte als teilweise oder ganz verdeckt. Dies ermög-<br />

licht das Erkennen von Objektganzheit und Objektpermanenz, welche für das Wortlernen<br />

bzw. die Verwendung von Sprache als Symbol wesentlich sind (vgl. Penner, 2006a, S. 61, 64).<br />

Penner (2006a) meint dazu auch: „Die Fähigkeit, Symbole zu benutzen und zu verstehen, ist<br />

eine grundlegende Voraussetzung für die kognitive Entwicklung. Ohne Symbole wären weder<br />

die Mathematik noch die Schrift oder Kunst möglich“ (S. 61).<br />

Prosodie<br />

Bereits vor der Geburt nimmt ein Baby die mütterliche Sprache und Stimme wahr. Mit 6 Mona-<br />

ten kann ein Säugling zwei Sprachen unterscheiden, betonte und unbetonte sowie lange<br />

und kurze Silben erkennen und verschiedene Einzellaute differenzieren. Ausserdem ist das<br />

Kind in der Lage, den Schwa-Laut und seine Sonderstellung im Deutschen zu beachten, und<br />

es kann die Grenzen zwischen einzelnen Satzgliedern bzw. zwischen Haupt- und Nebensatz<br />

wahrnehmen (vgl. Penner, 2006a, S. 26).<br />

Die Wortprosodie erklärt Penner anhand seines Modells Wortfabrik, das aus drei nummerierten<br />

Fabrikhallen besteht:<br />

1 2 3<br />

Hund<br />

Mas ke<br />

Kar tof fel<br />

Fabrikhalle 1: • keine Betonung (wenige Ausnahmen)<br />

(in Anlehnung an Penner, 2006a, S. 20)<br />

• Silben mit , , oder und nicht mit Murmel- gebildet<br />

• selten findet hier Regelbildung statt<br />

• mehrere Silben erlaubt (z.B. Ele-fant)<br />

- 36 - 373


Fabrikhalle 2: • starke Betonung (wenige Ausnahmen)<br />

• Silbe nicht kurz (mindestens zwei Lauteinheiten nach dem Anlaut (fett))<br />

• keine Regeln<br />

Fabrikhalle 3: • unbetont<br />

• mit Murmel- gefüllt, wenn keine anderen Laute eingefügt werden<br />

• Regelbildung fast ausschliesslich hier (vgl. Penner, 2006a, S. 20)<br />

Die verschiedenen Stufen des Prosodieerwerbs erfolgen folgendermassen:<br />

Minimales Wort<br />

Trochäus<br />

Deutsch wird vom trochäischen Betonungsmuster dominiert.<br />

ca. 12 Monate<br />

16.-24. Monat<br />

Nun beginnt das Kind, Wortbildungsregeln zu entdecken, wie u.a. die Pluralbildung. Es ver-<br />

sucht, die Regeln anzuwenden und produziert dabei auch inkorrekte Formen. Wenn das Kind<br />

Wörter wie Tomate oder Schokolade bilden möchte, verkürzt es sie auf Trochäen und sagt<br />

dann mate bzw. lade. Mit ungefähr 2 Jahren findet ein erstes Zusammenzufügen von zwei<br />

Wortfabriken statt. Die Kinder bilden zusammengesetzte Wörter wie z.B. Kinderwagen:<br />

Komposita<br />

Etwas später bildet das Kind grössere, sogenannte Supraminimale Wörter, wie zum Beispiel<br />

Salami. Die zu Trochäen verkürzten Wörter wie mate für Tomate oder lade für Schokolade sind<br />

nicht mehr zu beobachten:<br />

Supraminimales Wort<br />

ab 2 Jahren<br />

Zwischen dem 24. und dem 30. Lebensmonat entdeckt das Kind eine weitere Unterart von<br />

Supraminimalen Wörtern. Deren Halle 2 ist komplexer und enthält dementsprechend drei Lau-<br />

te nach dem Anlaut:<br />

Bus<br />

Mas ke<br />

Kin der wa<br />

To ma te<br />

Ele fant Mund<br />

oder<br />

gen<br />

(vgl. Penner, 2006a, S. 28-30)<br />

- 37 - 383


„Aus Sicht des deutschlernenden Kindes besteht die primäre Lernaufgabe im Bereich der<br />

Wortprosodie im Erwerb von drei sprachrhythmischen Parametern:<br />

a. Die Grundbetonungsregel des zweisilbigen, minimalen Wortes<br />

b. Die Zeitstruktur des zweisilbigen, minimalen Wortes<br />

c. Die Mechanismen der Wortrandmarkierung“ (Penner, 2002, S. 124).<br />

Im Deutschen bildet häufig das Schwa – weiter oben als Murmel- bezeichnet – den Wort-<br />

rand. Seine Entdeckung ist für das Kind <strong>zur</strong> Erkennung von Wörtern im Redefluss besonders<br />

wichtig. Betonung und Zeitstruktur bilden die prosodischen Muster der Wörter. Die Beherr-<br />

schung des für das Deutsche charakteristischen Trochäus bildet die Voraussetzung dafür, dass<br />

das Kind Wörter mit Bedeutungen füllen und das phonemische System erfolgreich erwerben<br />

kann (vgl. Penner, 2002, S. 125).<br />

Morphologisch-syntaktische Entwicklung<br />

Penner erklärt den Erwerb der Satzstruktur mit der Satzfabrik. Wie bei der Prosodieentwicklung<br />

besteht das Modell aus 3 Hallen:<br />

1 2 3<br />

Der Bäcker will<br />

in der Nacht / ein Brot / backen<br />

Halle 1: Ein Satzglied – egal welches – am Satzanfang<br />

Halle 2: das konjugierte Verb<br />

Halle 3: alle übrigen Satzglieder<br />

Die Kinder beginnen mit dem Füllen von Halle 3. Halle 1 und 2 bleiben anfänglich leer:<br />

Als nächstes wird die Struktur mit „auch“ und dem Satzsubjekt ergänzt:<br />

Die Negation „nicht“ wird wenig später eingesetzt:<br />

Dann wird auch das konjugierte Verb verwendet:<br />

Mit etwa 30 Monaten beginnen die Kinder mit dem Füllen von Hallen 1 und 2. Gleichzeitig<br />

erwerben die Kinder die Nebensatzstruktur. Sie stellen vor Halle 3 eine Konjunktion:<br />

ob<br />

/ / Brot / backen /<br />

Anna / auch / Brot / backen /<br />

Anna / nicht / Brot / backen /<br />

Anna / nicht / Brot / backen / will<br />

Der Bäcker / in der Nacht / ein Brot / backen / will<br />

(vgl. Penner, 2006a, S. 30-32)<br />

- 38 - 393


2.6.2 Störungen der Sprachentwicklung<br />

Ursachen<br />

Multifaktorielle Ursachen sind nach Ansicht von Penner für eine Spracherwerbsstörung ver-<br />

antwortlich:<br />

Aussersprachliche Risikofaktoren:<br />

• männliches Geschlecht<br />

• verzögerte Hörbahnreifung + • familiäre genetische Vorbelastung<br />

Zum Faktor der verzögerten Hörbahnreifung meint Penner:<br />

• niedriger Reifegrad bei der Geburt<br />

• verlangsamte kognitive Entwicklung<br />

• niedriger Entwicklungsquotient (Griffiths)<br />

„Da die Verarbeitung sprachlich-akustischer Reize eine sehr hohe Geschwindigkeit und Auflö-<br />

sung voraussetzt, kann ein Kind mit weniger reifen Hörbahnen in den ersten nachgeburtlichen<br />

Lebensmonaten nur einen Teil der für die Bildung der sprachlichen Regeln notwendigen In-<br />

formationen aufnehmen“ (Penner, 2006a, S. 85).<br />

Meistens liegen bei <strong>SES</strong>-<strong>Kindern</strong> zusätzlich einige aussersprachliche Risikofaktoren vor. Mehrere<br />

Faktoren zusammen können beim Erwerb der prosodischen Muster Schwierigkeiten verursa-<br />

chen. Einschränkungen der Worterkennung und Wortbildung und damit eine verlangsamte<br />

Wortschatzerweiterung sind als Folge zu erwarten. Ebenso ist das Regellernen eingeschränkt.<br />

<strong>SES</strong>-Kinder haben aufgrund einer verminderten Filterfunktion Mühe, wesentliche Merkmale zu<br />

erkennen und sie für das Bootstrapping zu nutzen. Dies äussert sich u.a. in Schwierigkeiten<br />

beim Erwerb von spezifischen Wortarten wie zum Beispiel Präpositionen und in Stagnationen<br />

im Grammatik-, Phonologie- und Lexikonerwerb. Abweichende Strategien werden entwickelt<br />

(vgl. Penner, 2002, S. 109; 2004, S. 7, 11; 2006a, S. 85-87, 93).<br />

Auftretenshäufigkeit<br />

„Bei ca. 15-20% der Kinder eines Jahrgangs stellen wir fest, dass sich der Sprachlernprozess<br />

eher stockend und extrem langsam entwickelt. Die betroffenen Kinder weisen einen erheb-<br />

lich verzögerten Sprechbeginn und später Auffälligkeiten im Sprachgebrauch und – verste-<br />

hen auf“ (Penner, 2006a, S. 83).<br />

Kritische Phasen der Sprachentwicklung<br />

Die Theorie von Locke, auf die sich auch Penner stützt, besagt, dass bei einem <strong>SES</strong>-Kind eine<br />

langsamere Hirnreifung stattfindet. Diese ist dafür verantwortlich, dass das Kleinkind nicht ge-<br />

nügend Wortmaterial aufbauen kann, damit das analytische System der linken Hemisphäre in<br />

Gang gesetzt wird. Das Kind bleibt bei seiner ganzheitlichen Erfassungsweise der rechten He-<br />

misphäre und entwickelt Ersatzstrategien, um den erweiterten kommunikativen Anforderun-<br />

gen gerecht zu werden.<br />

- 39 - 403


Das höhere Tempo und die effektivere Sprachverarbeitung der linken Hemisphäre kann da-<br />

durch jedoch nicht genügend kompensiert werden (vgl. Kauschke, 2003, S. 156-158). Penner<br />

geht davon aus, dass Regeln im Verlaufe des Spracherwerbs erweitert, aber kaum revidiert<br />

werden können. Er erachtet daher die relativ spät einsetzende traditionelle logopädische<br />

Therapie als wenig wirksam, um die früh erworbenen, abweichenden sprachlichen Regel-<br />

Repräsentationen zu verändern (vgl. Penner, 2002 S. 111-113; 2003, S. 116).<br />

Late Talkers/Late Bloomers<br />

Die aus dem US-amerikanischen Raum kommende Hypothese, dass rund 50% der Late Talker<br />

den anfänglichen Rückstand in der Sprachentwicklung aufholen können, teilt Penner nicht. Er<br />

vermutet, dass ein grosser Teil der sogenannten Spätzünder nur oberflächlich aufholt. Um ihre<br />

persistierenden Defizite feststellen zu können, wäre eine Testung der Prosodieentwicklung, der<br />

komplexeren Verbsemantik und des Erwerbs von Präpositionen wichtig. Diese bleiben in den<br />

üblicherweise verwendeten Erfassungsinstrumenten jedoch weitgehend unberücksichtigt<br />

(vgl. Penner, 2002, S. 116, 129-130; Penner, Krügel & Nonn, 2005, S. 7).<br />

Penner vertritt die Meinung, dass die illusorischen Aufholer ihre sprachlichen Schwierigkeiten<br />

bis zu einem gewissen Grad mit ihren Ersatzstrategien überdecken können, ohne die relevan-<br />

ten Regeln entdeckt zu haben (vgl. Penner, 2005, S. 8).<br />

Zum Schulalter schreibt er:<br />

Die Grundproblematik der <strong>SES</strong> verlagert sich in einen anderen Bereich und manifestiert sich in<br />

einer anderen Modalität (beispielsweise LRS). Das Kind bleibt mit seinen sprachlichen Leistungen<br />

im untersten Normbereich. Es tritt sogar mit zunehmendem Alter eine Verschlechterung seiner<br />

Leistung ein. (Penner, 2005, S. 11)<br />

Wann sollte etwas unternommen werden?<br />

In eigenen Studien hat Penner festgestellt, dass eine Verzögerung der Hörbahnreifung - einer<br />

der Risikofaktoren für <strong>SES</strong> - bei Kleinkindern im Alter von 6 Monaten am deutlichsten in Erschei-<br />

nung tritt. <strong>Eine</strong> entsprechende klinische Untersuchung sollte bei Risikokindern daher in diesem<br />

Alter durchgeführt werden. Bisher ist dies in den Vorsorgeuntersuchungen jedoch nicht vorge-<br />

sehen. Mit Hilfe der Erfassung von weiteren Risikofaktoren wie u.a. dem Geschlecht und dem<br />

Entwicklungsquotienten nach Griffiths, könnten <strong>SES</strong> gefährdete Kinder ermittelt werden (vgl.<br />

Penner, 2006a, S. 84-85; Penner, Krügel, Gross & Hesse, 2006, S. 47). <strong>Eine</strong> präventive Frühinter-<br />

vention vor dem 12.-18. Lebensmonat wäre möglich und sinnvoll. Damit könnte während der<br />

sensiblen Phase des Spracherwerbs eingegriffen und verhindert werden, dass das Kind ab-<br />

weichende Lernstrategien entwickelt, die weitgehend irreversibel sind. Für Penner sinken die<br />

Chancen einer Therapie drastisch, wenn sie nach 18 Monaten einsetzt (vgl. Penner, 2002, S.<br />

107, 138). Wird noch länger zugewartet und eine Intervention erst nach 3 Jahren eingeleitet,<br />

dann „läuft die Spättherapie Gefahr, zu einem Angebot einer zweiten Schicht von Ersatzstra-<br />

tegien zu werden“ (Penner, 2002, S. 115).<br />

- 40 - 413


<strong>Eine</strong> weiterführende Diagnostik ist auf jeden Fall angezeigt, wenn folgende sprachlichen<br />

Merkmale auf eine Spracherwerbsstörung hinweisen:<br />

• Wortschatz: 18 Monate < 5 Wörter<br />

24 Monate < 50 Wörter<br />

Bis 22. Monat keine resultativen Verben vorhanden (z.B. aufmachen)<br />

• Lautstruktur: Murmelwörter: überwiegend nicht vorhanden<br />

Wortbildungsregeln: werden nicht angewendet<br />

• Grammatik: auch nicht verwendet<br />

(vgl. Penner, 2006a, S. 94-99)<br />

nicht nicht verwendet<br />

Besitz nicht vorhanden<br />

Ausblick – Was wird aus <strong>Kindern</strong> mit Spracherwerbsstörungen?<br />

<strong>SES</strong> kann weitreichende Folgen in verschiedenen Bereichen nach sich ziehen:<br />

• Kognitive Entwicklung und Intelligenz: IQ sinkt mit der Zeit<br />

• Schulische Lerndefizite beim Lesen und Schreiben: hohes Risiko für Legasthenie/Dyslexie<br />

• Schulische Lerndefizite im Bereich Mathematik<br />

• Negative soziale Spirale: Kommunikative und Sprachverstehensprobleme � Defizite in sozia-<br />

len Interaktionen � Negative Erfahrungen in Schule und psycho-soziales Leiden<br />

• Emotionale Störungen (vgl. Penner, 2006a, S. 87-88)<br />

2.7 Spracherwerbstheorie von Waldemar von Suchodoletz<br />

Der Mensch kommuniziert hauptsächlich mit Hilfe der Sprache. Er gewinnt neue Erkenntnisse<br />

durch Sprache, und auch Emotionen werden oft verbal ausgedrückt. Der Einfluss der Sprache<br />

auf den Menschen ist lebensdurchdringend. Sprache besitzt eine elementare Funktion für die<br />

kognitive, emotionale und soziale Entwicklung (vgl. Suchodoletz, 2008a, S. 2).<br />

Ebenso ist sie ein „hoch komplexes System, das aus einzelnen Funktionseinheiten besteht, die<br />

nach vielfältigen Regeln miteinander zu verbinden sind“ (Suchodoletz, 2008a, S. 3).<br />

2.7.1 Ungestörte Sprachentwicklung<br />

Wie erwerben Kinder Sprache?<br />

„Genetische Faktoren entscheiden über die Sprachbegabung und sind insbesondere für den<br />

Erfolg beim Erwerb des Lautsystems und grundlegender grammatischer Fähigkeiten von aus-<br />

schlaggebender Bedeutung. Wortschatz und Sprachkompetenz hingegen werden stärker<br />

durch die Umwelt geprägt“ (Suchodoletz, 2008b, S. 51).<br />

- 41 - 423


In Zwillingsstudien wurde festgestellt, dass für den Wortschatzstand eines zweijährigen Kindes<br />

zu drei Vierteln Umweltfaktoren und zu einem Viertel genetische Anlagen verantwortlich sind.<br />

Für die Grammatikentwicklung ergab die Untersuchung 61% erblichen und 39% umweltbe-<br />

dingten Einfluss (vgl. Suchodoletz, 2007, S. 49, bezieht sich auf Plomin & Dale, 2001).<br />

Übersichtsplan einer altersgerechten Sprachentwicklung<br />

Sprachverständnisentwicklung<br />

Von Geburt an Unterscheiden sprachliche und nichtsprachliche Laute<br />

Erkennen Muttersprache<br />

Erste Monate Unterscheiden verschiedene Betonungsmuster<br />

6 Monate Erkennen einzelne Wörter und können sie etwas später auch<br />

zuordnen<br />

12-16 Monate Verstehen 100-150 Wörter<br />

Verstehen einfache Aufforderungen<br />

Ab 2 Jahren Verstehen Relationen und etwas später auch komplexere<br />

Sätze<br />

(vgl. Sachse, 2005, in Suchodoletz, S. 157)<br />

Frühe Sprachverständnisentwicklung<br />

„Parallel <strong>zur</strong> Sprachproduktion und dieser immer etwas voran, entwickelt sich das Sprachver-<br />

ständnis von <strong>Kindern</strong>“ (Sachse, 2005, in Suchodoletz, S. 157).<br />

Ein neugeborener Säugling kann sprachliche von anderen Lauten differenzieren sowie die<br />

Muttersprache, die Stimme der eigenen Mutter und vorgeburtlich oft gehörte Wörter identifi-<br />

zieren. Bald nach der Geburt unterscheidet er zwischen verschiedenen Betonungsmustern.<br />

Unabhängig von der verwendeten Tonlage bzw. Prosodie erkennt das Baby mit sechs Mona-<br />

ten Laute und Silben und kann Einzelworte verstehen. Zudem legt es seinen Fokus auf das<br />

Verständnis von muttersprachlichen Lauten. Nach dem Erreichen des ersten Geburtstages<br />

enthält sein passiver Wortschatz bis zu 150 Wörter. Einfache verbale Anweisungen kann es<br />

rezeptiv richtig erfassen. Mit gut zwei Jahren beginnt das Kleinkind ein Verständnis für längere<br />

Aussagen zu entwickeln (vgl. Suchodoletz, 2004, S. 156; Sachse, 2005, in Suchodoletz, S. 157).<br />

Wortschatzentwicklung<br />

Die Forschung hat in den vergangenen Jahren Hinweise gesammelt, dass das Schreien eines<br />

Säuglings ein erster Schritt <strong>zur</strong> Lautproduktion darstellt. Das Schreien verändert sich mit zu-<br />

nehmendem Alter von einfachen zu variantenreicheren Mustern mit verschiedenen Tonhö-<br />

hen und Rhythmen. Bald darauf beginnt das Baby Vokale zu imitieren, Gurrlaute zu produzie-<br />

ren und zu lachen. Die nächste Entwicklungsstufe erreicht der Säugling mit etwa 6 Monaten,<br />

wenn er von silbenähnlichen Lautproduktionen zum Lallen übergeht.<br />

- 42 - 433


<strong>Eine</strong> für die Sprachentwicklung speziell wichtige Form des Lallens scheint das kanonische Lal-<br />

len zu sein, welches ein Kind mit etwa 10 Monaten beherrscht. Diese Lautketten sind dadurch<br />

gekennzeichnet, dass sich Vokal und Konsonant abwechseln. Aus ihnen entstehen am Ende<br />

des ersten Lebensjahres die ersten Protowörter und Wörter. Durchschnittlich mit etwa 18 Mo-<br />

naten erreicht ein Kind die Produktionsmarke von 50 Wörtern. Bis dahin verwendet es einzelne<br />

Wörter, um ganze Sätze zu repräsentieren.<br />

Danach findet aufgrund der Erkenntnis, dass ein Wort referentiell verwendet wird, ein rasantes<br />

Wortwachstum statt. Bald darauf beginnt das Kind Mehrwortaussagen zu produzieren. In der<br />

Folge erweitert sich der Wortschatz, und die Grammatik wird aufgebaut. Bei jedem Kind fin-<br />

det die Sprachentwicklung in der erwähnten Reihenfolge statt. In welchem Alter welche Stufe<br />

erreicht wird, variiert individuell, was an folgendem Beispiel verdeutlicht werden soll: „Die<br />

schnellsten 10% der Mädchen und Jungen produzieren Zweiwortsätze bereits im Alter von 15<br />

bis 16 Monaten. Die langsamsten 10% der Jungen sind dazu erst etwa 12 Monate später in<br />

der Lage“ (Sachse, 2005, in Suchodoletz, S. 157).<br />

(vgl. Suchodoletz, 2004, S. 156; Sachse, 2005, in Suchodoletz, S. 155-157)<br />

2.7.2 Störungen der Sprachentwicklung<br />

Häufig sind die Wortschatz- und Grammatikentwicklung von einer Spracherwerbsstörung be-<br />

einträchtigt. Die Symptomatik ist abhängig vom Alter des Kindes und davon, welche Sprach-<br />

ebenen hauptsächlich betroffen sind. Bei einer umfassenden Sprachentwicklungsstörung ist<br />

im zweiten Lebensjahr ein verspäteter und verzögerter Wortschatzerwerb zu erwarten.<br />

„Im dritten Lebensjahr stehen eine verminderte Äusserungslänge und ein weitgehendes Feh-<br />

len syntaktischer Strukturen im Vordergrund. Im Kindergarten- und Vorschulalter haben die<br />

Kinder insbesondere Schwierigkeiten bei der Bildung und dem Verständnis grammatischer<br />

Wortformen und Satzstrukturen“ (Suchodoletz, 2008a, S. 12-13). Ältere Kinder lernen, so zu<br />

sprechen, dass ihre Schwierigkeiten nicht auffallen. Sie verwenden zum Beispiel einfache<br />

Satzmuster. Geschichten nachvollziehbar widerzugeben, sich schriftlich auszudrücken oder<br />

Metaphern und mehrdeutige Äusserungen zu entschlüsseln, bleibt oftmals auch für von <strong>SES</strong><br />

betroffene Erwachsene schwierig. Meistens haben sie Strategien entwickelt, mit denen Aus-<br />

senstehende nichts von ihren Unsicherheiten bemerken (vgl. Suchodoletz, 2008a, S. 4, 12-13).<br />

Gemäss Suchodoletz werden bei ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen von zweijährigen Kin-<br />

dern Sprachentwicklungsverzögerungen nur bei etwa 25% entdeckt. Er schreibt weiter:<br />

„Auch später werden Sprachstörungen oft nicht erkannt. Insbesondere wenn es sich um<br />

Sprachverständnisstörungen handelt oder andere Auffälligkeiten, wie z.B. Verhaltensstörun-<br />

gen, ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen“ (Suchodoletz, 2008a, S. 19).<br />

- 43 - 443


Definitionen<br />

Sachse (2005, in Suchodoletz) bezieht sich auf die Internationale Klassifikation der WHO (vgl.<br />

ICD-10, Dilling et al. 1993), wenn sie eine umschriebene Sprachentwicklungsstörung so defi-<br />

niert, „dass die Sprachfertigkeiten eines Kindes bei altersgerechtem Kommunikationsbedürfnis<br />

und nonverbalen Fähigkeiten deutlich ausserhalb der Norm (d.h., nach den Forschungskrite-<br />

rien der ICD-10, ausserhalb von zwei Standardabweichungen) liegen (S. 158).“<br />

Auszuschliessen sind Störungen, welche die Intelligenz, das Gehör, das Gehirn oder die Psy-<br />

che betreffen. Auch eine un<strong>zur</strong>eichende Förderung durch die Umgebung darf als Ursache<br />

nicht ausschlaggebend sein. Die Störung sollte im Kleinkindalter begonnen haben. Ihr darf<br />

kein anfänglich unauffälliger Spracherwerb vorangegangen sein (vgl. Sachse, 2005, in Su-<br />

chodoletz, S. 158). Der Verlauf sollte keine sprunghaften Veränderungen aufweisen und „mit<br />

steigendem Alter der Kinder ist eine kontinuierliche Verbesserung zu beobachten“ (ebd.).<br />

Ursachen<br />

Sprachentwicklungsstörungen werden vermutlich von genetisch bedingten Reifungsverzöge-<br />

rungen sprachspezifischer Hirnregionen verursacht. Dabei sind Veränderungen auf verschie-<br />

denen Genen in unterschiedlicher Anzahl und Kombination möglich. Da Jungen etwa drei-<br />

mal häufiger als Mädchen eine <strong>SES</strong> aufweisen, ist davon auszugehen, dass bei Knaben eine<br />

geringere Anzahl mutierter Gene ausreicht, um die entsprechenden Symptome hervor<strong>zur</strong>u-<br />

fen. Ob und wie stark die erbliche Disposition in Erscheinung tritt, hängt von weiteren Fakto-<br />

ren, wie dem Vorhandensein hirnorganischer Schädigungen und dem Einfluss der Umwelt ab.<br />

<strong>Eine</strong> sprachanregende Umgebung kann genetische Vorbelastungen ausgleichen.<br />

„Sowohl der Wortschatz der Mutter und die Häufigkeit der verbalen Interaktionen als auch<br />

Sensitivität und Responsivität der Interaktion zwischen Mutter und Kind korrelieren mit dem<br />

Sprachentwicklungsstand eines Kindes“ (Suchodoletz, 2007, S. 65). Gleichzeitig erhöht eine<br />

mangelhafte Förderung die Wahrscheinlichkeit, dass die erbliche Disposition zum Tragen<br />

kommt. Auch exzessiver Fernsehkonsum kann die Sprachentwicklung beeinträchtigen.<br />

„Ungünstige Umweltbedingungen sind aber nur in extremen Ausnahmefällen alleinige Ursa-<br />

che einer Spracherwerbsstörung (Kaspar-Hauser-Syndrom). Kinder ohne angeborene Sprach-<br />

schwäche erreichen, auch wenn die Sprachvorbilder in ihrem unmittelbaren Umfeld recht<br />

mangelhaft sind, oft ein erstaunlich gutes Sprachniveau“ (Suchodoletz, 2008a, S. 16).<br />

Trotzdem ist zu beachten, dass das <strong>SES</strong>-Risiko für Kinder aus erblich vorbelasteten Familien<br />

zwei- bis siebenmal höher liegt als für Kinder aus unbelastetem Milieu. Als weitere Ursachen<br />

von Sprachentwicklungsstörungen werden Störungen der Basisfunktionen wie phonologische<br />

Merkfähigkeit, auditive Wahrnehmung und zeitliche Verarbeitung von rasch aufeinander fol-<br />

genden Informationen kontrovers diskutiert. Bisher fehlt es für die Bestätigung dieser Hypothe-<br />

sen jedoch an Belegen und an geeigneten Diagnostikinstrumenten (vgl. Suchodoletz, 2004 S.<br />

160-161; Suchodoletz, 2007, S. 49-62; Suchodoletz, 2008a, S. 6 -18).<br />

- 44 - 453


Zudem ist laut Suchodoletz ein Training der auditiven Wahrnehmung für die Behandlung einer<br />

<strong>SES</strong> wirkungslos (vgl. Suchodoletz, 2006, S. 18).<br />

Auftretenshäufigkeit<br />

Suchodoletz beziffert die Häufigkeit von umschriebenen Sprech- und Sprachentwicklungsstö-<br />

rungen mit 5-8%. Mädchen sind dreimal seltener vertreten wie Knaben. Etwa derselbe Pro-<br />

zentsatz an Jugendlichen weist im Vergleich zu ihren Klassenkameraden deutlich schwächere<br />

Sprachkompetenzen auf. Somit scheint die Häufigkeit von <strong>SES</strong> mit zunehmendem Alter nicht<br />

merklich abzunehmen. Ein in den Medien teilweise suggeriertes signifikantes Anwachsen von<br />

<strong>SES</strong> in den letzten Jahren bestätigt Suchodoletz nicht.<br />

Lediglich die Anzahl Überweisungen an Fachleute und in Sondereinrichtungen sei gestiegen<br />

(vgl. Suchodoletz, 2004, S. 160-161; Suchodoletz, 2008a, S. 14, 18).<br />

Kritische Phasen der Sprachentwicklung<br />

„Die kritische Phase, innerhalb derer sich Sprache entwickelt und die wichtigsten Grundsteine<br />

gelegt werden, befindet sich in den ersten drei Lebensjahren“ (Sachse, 2005, in Suchodoletz,<br />

S. 155).<br />

Late Talkers/Late Bloomers<br />

Ein zweijähriges Kind, das einen unter 50 Wörter liegenden produktiven Wortschatz aufweist<br />

und bisher keine Zweiwortäusserungen verwendet, wird Late Talker genannt. Seine Sprach-<br />

entwicklung gilt als verzögert. Etwa ein Drittel der Late Talkers holt den Rückstand bis im Alter<br />

von 3 Jahren auf. Diese Kinder werden als Late Bloomers bezeichnet. Ihr Entwicklungsverlauf<br />

kann als Variante innerhalb der Norm aufgefasst werden. Beim restlichen Anteil der Late Tal-<br />

kers werden persistierende Sprachprobleme beobachtet. Bei der Hälfte von ihnen wird in der<br />

Folge eine <strong>SES</strong> diagnostiziert, bei der anderen Hälfte sind Sprachwerte im unteren Normbe-<br />

reich festzustellen. Bis im Schulalter wird die Spontansprache bei praktisch allen ehemaligen<br />

Late Talkern annähernd unauffällig. Trotzdem bleiben bei zwei Dritteln ihre sprachlichen Fä-<br />

higkeiten unterdurchschnittlich. Dies zeigt sich, wenn sie Geschichten nachvollziehbar und<br />

aufs Wesentliche beschränkt erzählen sollen. Anfangs Schulalter bestehen bei den erwähnten<br />

<strong>Kindern</strong> häufig Schwierigkeiten, lesen und schreiben zu lernen. Oftmals weiten sich die schuli-<br />

schen Probleme auf weitere Fächer aus (vgl. Suchodoletz, 2004, S. 158, 165-166).<br />

Wann sollte etwas unternommen werden?<br />

Bis im Alter von 2 Jahren kann die normale Sprachentwicklung individuell sehr unterschiedlich<br />

verlaufen. Es ist daher mit dem bisherigen Wissen und den aktuell <strong>zur</strong> Verfügung stehenden<br />

Diagnostikinstrumenten kaum möglich, eine gestörte Entwicklung von der ungestörten abzu-<br />

grenzen. Mit Erreichen des zweiten Geburtstages ändert sich die Situation. Es kann festgestellt<br />

werden, ob ein Kind 50 Wörter produzieren kann und ob es Zweiwortäusserungen verwendet.<br />

- 45 - 463


Wenn dies nicht zutrifft, sollte eine genauere Abklärung bzw. eine Intervention eingeleitet<br />

werden. Es gilt als erwiesen, dass ein Kind mit einer Sprachentwicklungsverzögerung von einer<br />

Sprachtherapie mindestens kurzfristig profitieren kann. Ebenso erfolgsversprechend scheint<br />

eine Anleitung der Eltern zu sprachförderndem Verhalten zu sein. Um sekundäre Entwicklungs-<br />

störungen verhindern zu können, sollte deshalb möglichst bald mit einer Sprachtherapie und<br />

einer begleitenden Elternberatung begonnen werden. Entscheidend für eine möglichst stö-<br />

rungsfreie weitere Entwicklung und intakte Schulerfolgschancen scheint zu sein, dass das<br />

Kind seinen Rückstand bis <strong>zur</strong> Einschulung aufholen kann. Therapiebemühungen im Vorschul-<br />

alter sollten daher intensiviert werden (vgl. Suchodoletz, 2007, S. 73).<br />

<strong>Eine</strong> abwartende bzw. beobachtende Haltung kann dann vertreten werden, wenn ein Kind<br />

mit Defiziten in der Sprachproduktion ein altersentsprechendes Sprachverständnis und ein<br />

unterstützendes Umfeld besitzt. Ist jedoch eine erbliche Vorbelastung mit <strong>SES</strong> oder LRS vor-<br />

handen, bestehen Sprachverständnisprobleme, treten Schwierigkeiten in weiteren Entwick-<br />

lungsbereichen auf oder fehlt ein förderndes Umfeld, dann ist eine Intervention angebracht.<br />

<strong>Eine</strong> Sprachtherapie kann nachweislich die Aussprache und den aktiven Wortschatz verbes-<br />

sern. Nicht erwiesen ist bisher, ob sie auch Fortschritte in der Grammatikentwicklung und im<br />

Sprachverständnis erzielen kann und ob sie die langfristige Prognose eines Kindes verbessert<br />

(vgl. Suchodoletz, 2004, S. 192; Suchodoletz, 2007, S. 71).<br />

Frühsymptome einer Sprachentwicklungsverzögerung bzw. <strong>SES</strong><br />

• auffälliges Schreien mit wenig Variation<br />

• wenig und variationsarmes Lallen, kein kanonisches Lallen bis zum 10.-11. Lebensmonat<br />

• wenig Reaktion auf Sprache und später auf einfache sprachliche Aufforderungen<br />

• Produktion erster Wörter nach dem 18. Lebensmonat<br />

• aktiver Wortschatz von weniger als 50 Wörtern und keine/seltene Produktion von Zwei-<br />

wortsätzen im Alter von 24 Monaten (= Late Talkers)<br />

• geringer Wortschatz, verminderte Äusserungslänge, kein bzw. erschwerter Aufbau von Syn-<br />

tax und Morphologie im dritten Lebensahr (vgl. Sachse, 2005, in Suchodoletz, S. 160;<br />

Suchodoletz, 2008a, S. 13).<br />

Weitere Auffälligkeiten können eventuell auch in der Motorik oder der psychischen Entwick-<br />

lung und dem Verhalten festgestellt werden (vgl. Suchodoletz, 2008a, S. 13).<br />

Faktoren, welche die Sprachentwicklung beeinträchtigen können:<br />

• erbliche Vorbelastung mit einer <strong>SES</strong> oder LRS<br />

• niedriger nonverbaler IQ<br />

• wenig förderliches sozioökonomisches Umfeld mit niedrigem Bildungsstand der Mutter<br />

• männliches Geschlecht<br />

- 46 - 473


Anzumerken bleibt, dass die Meinungen zum Einfluss eines tiefen sozioökonomischen Umfel-<br />

des geteilt sind. Es scheint, dass dieser Faktor das Risiko für eine Sprachentwicklungsverzöge-<br />

rung, nicht aber für eine <strong>SES</strong> erhöhen kann (vgl. Suchodoletz, 2004, S. 180, 188).<br />

Zusätzlich besitzt die Komplexität der Störung einen Vorhersagewert. Mit einem günstigen<br />

Verlauf können Kinder mit isolierten phonologischen Störungen rechnen. Langwieriger gestal-<br />

tet sich die Sprachentwicklung bei expressiven Störungen und noch schwieriger bei rezepti-<br />

ven Defiziten (vgl. Suchodoletz, 2004, S. 188). Ferner gilt: Je älter das Kind beim Zeitpunkt der<br />

Untersuchung ist, desto zuverlässiger kann eine Prognose gestellt werden (vgl. Suchodoletz,<br />

2004, S. 189).<br />

Zurzeit sind Bestrebungen im Gang, Methoden für eine Erfassung von Risikokindern unter ei-<br />

nem Jahr zu entwickeln. Die frühe Lautproduktion sowie die Sprach- und Lautwahrnehmung<br />

sollen untersucht werden. Bisher gibt es jedoch keine ausgereiften Verfahren, die sich einset-<br />

zen liessen. Ausserdem ist nicht ausreichend bewiesen, dass Störungen der präverbalen Ent-<br />

wicklung das Risiko einer späteren <strong>SES</strong> prognostizieren können. Hinweise darauf sind allerdings<br />

vorhanden (vgl. Suchodoletz, 2004, S. 190; Sachse, 2005, in Suchodoletz, S. 164).<br />

Auch mittels ELFRA-1 ist keine aufschlussreiche Erfassung möglich, da unklar ist, wie ein tiefes<br />

Ergebnis gedeutet werden soll (vgl. Sachse, 2005, in Suchodoletz, S. 185).<br />

Somit ist eine Risikodiagnose wie erwähnt erst im Alter von 2 Jahren möglich. Dabei darf nicht<br />

vergessen werden, dass ein Teil der Kinder als Late Bloomer gilt und ihren Rückstand ohne<br />

Intervention aufholen kann. Wie die sogenannten Spätzünder von den späteren <strong>SES</strong>-<strong>Kindern</strong><br />

unterschieden werden können, ist Gegenstand der aktuellen Forschung. <strong>Eine</strong> Sprachentwick-<br />

lungsstörung kann aus diesem Grund erst im Alter von 3 Jahren sicher diagnostiziert werden<br />

(vgl. Suchodoletz, 2004, S. 159; Sachse, 2005, in Suchodoletz, S. 187).<br />

Ausblick – Was wird aus <strong>Kindern</strong> mit Spracherwerbsstörungen?<br />

„Sind die Symptome einer Sprachentwicklungsstörung auch noch bei der Einschulung nach-<br />

weisbar, dann ist mit langfristigen Folgen sowohl für die kognitive als auch die emotionale<br />

Entwicklung zu rechnen“ (Suchodoletz, 2004, S. 173).<br />

Wenn ein Kind bis zum Schuleintritt seinen Rückstand eliminieren kann, dann sind keine grösse-<br />

ren Schulschwierigkeiten zu erwarten. Allerdings bleiben die Leistungen unter den entspre-<br />

chend dem IQ zu erwartenden Möglichkeiten und das Risiko für eine LRS ist erhöht. Die Schule<br />

kann meistens problemlos abgeschlossen werden. Höhere Schulzertifikate werden nicht im-<br />

mer erreicht. Komplexere Lese- und Schreibanforderungen bewältigen auch erwachsene<br />

ehemals <strong>SES</strong>-Betroffene mit Mühe (vgl. Suchodoletz, 2004, S. 173-174). Dauern die Sprach-<br />

probleme bis zum Schulalter an, sind Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und der Recht-<br />

schreibung zu erwarten. Die schulischen Leistungen sind in vielen Bereichen unterdurch-<br />

schnittlich. Da das Interpretieren von mehrdeutigen Äusserungen schwer fällt, können Missver-<br />

ständnisse entstehen. Dies führt zu Verunsicherung und zum Gefühl, abgelehnt zu werden.<br />

- 47 - 483


Länger dauernde psychische Probleme können daraus entstehen. Tiefe Schulabschlüsse oder<br />

sogar Schulabbrüche können als Folgen aus den vielfältigen Schwierigkeiten resultieren. Die<br />

Berufswahlmöglichkeiten sind eingeschränkt und die Persönlichkeitsentfaltung gestaltet sich<br />

unter Umständen mühevoll (vgl. Suchodoletz, 2004, S. 193; Suchodoletz, 2007, S. 46, 71).<br />

2.8 Spracherwerbstheorie von Gisela Szagun<br />

Der Begriff Sprache wird für die grammatikalisierte Form der Kommunikation verwendet und<br />

nicht als allgemeiner Begriff für Kommunikationsmittel. „Sprache ist ein Kommunikationssys-<br />

tem“ (Szagun, 2006, S. 17). Dabei unterscheidet sie sich von anderen Kommunikationssyste-<br />

men (z.B. Kommunikation zwischen Tieren; Babygeschrei; Emotionsausdruck). Zusammenfas-<br />

send kann man das Kommunikationssystem Sprache so beschreiben (vgl. Szagun, 2006, S. 17-<br />

19):<br />

• Sprache ist ein Symbolsystem, welches aus willkürlich benutzten Symbolen besteht<br />

• Sprache wird kulturell weitergegeben<br />

• Symbole der Sprache lassen sich immer wieder neu kombinieren<br />

• Sprache ist ohne Kontext zu verstehen<br />

Die Sprache ermöglicht den Menschen, über etwas Präsentes zu sprechen oder über etwas,<br />

das nicht anwesend ist oder auch über ein Ereignis, welches nicht im Moment geschieht. „Die<br />

Symbole der Sprache ermöglichen es, sich Realitäten geistig präsent zu machen, die nicht<br />

tatsächlich anwesend sind“ (Szagun, 2006, S.18). Die Sprache wird dem Kind nicht in die Wie-<br />

ge gelegt. Sie muss im Kontext einer menschlichen Gruppe und Kultur gelernt werden. Die<br />

Regelhaftigkeit der Sprache ermöglicht immer wieder neue Kombinationen von Symbolen<br />

(Kombination von Lauten zu Wörtern und von Wörtern zu Sätzen). „Insbesondere zwei Charak-<br />

teristika machen die Sprache der Menschen so einzigartig: die Willkürlichkeit der Symbole und<br />

die Systemhaftigkeit der Grammatik“ (Szagun, 2006, S.19).<br />

2.8.1 Ungestörte Sprachentwicklung<br />

Wie erwerben Kinder Sprache?<br />

„Je mehr man sich mit dem Spracherwerb beschäftigt, desto mehr ist man erstaunt über die<br />

Leistung der kleinen Kinder“ (Szagun, 2007, S.12). Ab etwa 12 Monaten können Babys mithilfe<br />

der Sprachmelodie und Betonungsmuster einzelne Wörter erkennen. Dies können die Erwach-<br />

senen unterstützen, indem sie dem Baby beides etwas übertrieben anbieten (vgl. Szagun,<br />

2007, S.21). Doch ab wann beginnen Babys mit richtiger Sprache? Zunächst produzieren sie<br />

einzelne sprachliche Laute, dann Wörter und schliesslich Sätze. Babys sind in der Lage, viele<br />

Sprachlaute zu unterscheiden, bevor sie diese selber bilden (vgl. Szagun, 2007, S.29).<br />

- 48 - 493


„Von Geburt an bevorzugen Babys menschliche Stimmen und sprachliche Laute“ (Szagun,<br />

2007, S.31). Sie sind in der Lage Sprachlaute zu unterscheiden, die in ihrer Muttersprache vor-<br />

kommen oder nicht vorkommen. „Sie haben so das Potenzial, jede Sprache der Welt zu ler-<br />

nen“ (Szagun, 2007, S.34).<br />

Übersichtsplan einer altersgerechten Sprachentwicklung<br />

Bisher gibt es noch keine normativen Daten oder Studien der deutschen Sprache, welche<br />

belegen, was ein Kind in welchem Alter können sollte (vgl. Szagun, 2006, S. 206).<br />

Trotzdem gibt es einige Hinweise aus folgendem Grund:<br />

Im praktischen Bereich gilt es zu entscheiden, ob Kinder, die nicht dem Normkind entsprechen,<br />

sprachverzögert oder sprachgestört sind, und ob sie einer Therapie bedürfen. Es ist also offensichtlich<br />

in hohem Masse relevant zu wissen, was die Altersspannen für einen typischen Verlauf<br />

des Spracherwerbs sind. (Szagun, 2006, S.206)<br />

Die nachfolgende Tabelle geht von der Frage aus, was normal im Spracherwerb ist, ohne sich<br />

dabei auf eindeutige Altersangaben festzulegen:<br />

Alter des Kindes Kompetenzen<br />

ab 12 Monaten Kinder beginnen einzelne Wörter zu sprechen<br />

Zwischen ca. 18-24 Monaten Kinder beginnen Zweiwortsätze zu bilden<br />

Individuelle Unterschiede betreffend Wortschatzerweiterung<br />

und Satzlänge<br />

Kinder lernen mit der Satzbildung auch die Endungen der<br />

Wörter<br />

Mehrzahlbildung und grammatisches Geschlecht der Artikel<br />

Im dritten Lebensjahr Verbendungen, Vergangenheitsformen, Hilfsverben, Kasusformen<br />

der Artikel<br />

Kinder lernen verschiedene Satzmuster mit korrekter Verbstellung<br />

in Aussagesätzen, Fragen, Verneinungen<br />

ab 48 Monaten Kinder beherrschen eine grundlegende Grammatik<br />

(vgl. Szagun, 2007, S.204)<br />

Die Unterschiede zwischen den <strong>Kindern</strong> bis ca. zweieinhalb Jahren sind sehr gross. „Der Unter-<br />

schied im Sprachstand kann bis zu zwölf Monaten betragen“ (Szagun, 2007, S. 205). Langsa-<br />

mere Kinder können plötzlich aufholen, zu Beginn schnellere Kinder können ihr Tempo plötz-<br />

lich verlangsamen. „Unterschiedlichkeit gehört <strong>zur</strong> Normalität“ (ebd.). Normal bedeutet nicht,<br />

dass alle Kinder in einem bestimmten Alter dasselbe beherrschen (vgl. Szagun, 2007, S.13).<br />

- 49 - 503


Wortschatzentwicklung<br />

Die meisten Kinder beginnen im Alter von 12 Monaten Wörter zu sprechen. Diese Wörter er-<br />

geben sich aus ihrer unmittelbaren Umgebung. <strong>Eine</strong> monatliche Untersuchung bei tausenden<br />

von <strong>Kindern</strong> verschiedener Muttersprachen im Alter zwischen 14 und 30 Monaten ergab, dass<br />

die meisten Kinder in den ersten Monaten des Wortgebrauchs mehrheitlich Substantive be-<br />

nutzen. Sie bezeichnen Gegenstände, Personen, Tiere, Körperteile, Essen, Getränke und be-<br />

stimmte Orte, die sie besucht hatten.<br />

Die Substantive ganz kleiner Kinder beziehen sich nur auf Gegenstände, welche konstant<br />

sichtbar bleiben. Bald schon folgen die Verben. Zu Beginn werden vor allem Verben genom-<br />

men, welche die Kinder am meisten interessieren:<br />

Bewegungs- und Handlungsverben (z.B. gehen, essen, machen …), die entweder von ihnen<br />

selber ausgeführt werden oder man bei anderen Menschen sehen kann. Dann kommen wei-<br />

tere Tätigkeiten hinzu, welche nicht nur eine Bewegung benennen (z.B. schlafen, kochen,<br />

malen …). Etwas später folgen Verben, welche eine Beziehung zwischen Menschen ausdrü-<br />

cken (z.B. geben, wollen …). Sobald die Verben Einzug in den Sprachgebrauch der Kinder<br />

gehalten haben, erscheinen auch die ersten Adjektive, welche Objekte (z.B. klein, gross, ka-<br />

putt …) oder Sinneserfahrungen beschreiben (z.B. heiss, kalt…). Dazu kommen Namen von<br />

Farben und Eigenschaften von Personen (z.B. lieb, böse…). Bereits Zweijährige können Verben<br />

und Adjektive, die Gefühle ausdrücken, benennen. Auch sind bereits einige Funktionswörter<br />

im täglichen Sprachgebrauch zu finden (z.B. da, ab, auf, weg …). Diese fungieren anfangs<br />

oft als Allzweckwörter, vor allem solange das konkrete Wort noch fehlt. Das Kind weiss aber<br />

schon ganz genau, was es damit ausdrücken möchte (vgl. Szagun, 2007, S.44-59).<br />

Vokabelspurt<br />

Nach Szagun beginnen die Kinder meist im Alter von einem Jahr die ersten Wörter zu spre-<br />

chen. Monatelang bleibt es bei wenigen Wörtern. Wenn der Wortschatz zwischen 50 – 100<br />

Wörtern gross ist, kommt es bei vielen <strong>Kindern</strong> zu einem so genannten Vokabelspurt. Dieser<br />

setzt in der Regel zwischen dem 17. und dem 24. Monat ein, kann aber auch erst später er-<br />

folgen. Es kommt zu einem rasanten Anstieg des Wortschatzes. Das Kind lernt schnell viele<br />

neue Wörter dazu. Es gibt aber auch Kinder, bei denen dieser Vokabelspurt nicht so offen-<br />

sichtlich erfolgt. Ihr Wortschatzwachstum erfolgt in mehreren kleinen Schritten oder erfolgt<br />

einfach allmählich. Doch auch diese Kinder erreichen in der Regel den Grundwortschatz (vgl.<br />

Szagun, 2007, S. 51-52).<br />

Ein Vokabelspurt muss nicht bei jedem Kind auftreten. Schon gar nicht muss er bei einem Wortschatz<br />

von 50 Wörtern auftreten und auch nicht bis zum Alter von 24 Monaten, wie Grimm<br />

(2003; Grimm und Weinert 2003; Grimm und Doil 2000) behauptet. Wenn der Vokabelspurt auftritt,<br />

ist es meistens bei einem Wortschatz zwischen 50 und 100 Wörtern, und das Alter kann zwischen<br />

17 und 24 Monaten liegen (Bates, Dale und Thal, 1995; Dromi, 1999; Szagun, 2001a).<br />

(Szagun, 2006, S.119)<br />

- 50 - 513


Präverbale Kommunikation und frühe Sprachwahrnehmung<br />

Babys können von Geburt an Tondauer, Tonintensität, Schnelligkeit des Tonanstiegs und<br />

Rhythmen unterscheiden. Daher reagieren sie auf eine prosodiereiche Sprache stärker und<br />

hören länger zu. Ein acht Monate altes Baby reagiert auf den emotionalen Ausdruck eines<br />

Erwachsenen (Stimme und Gesichtsausdruck) und richtet sein Verhalten danach.<br />

Gegen Ende des ersten Lebensjahres nehmen die Sprachmelodie und das Betonungsmuster<br />

eine wichtige Funktion für den Spracherwerb ein. Sie helfen dem Kind, einzelne Wörter zu er-<br />

kennen.<br />

Ab 18 Monaten brauchen Kinder keine spezielle Betonung mehr, um die Wörter zu erkennen.<br />

Es gelingt ihnen auch so (vgl. Szagun, 2007, S. 16-22). Forschungen ergaben, dass Babys viele<br />

Sprachlaute unterscheiden können, lange bevor sie diese selber produzieren. Bereits in der<br />

ersten Hälfte des ersten Lebensjahres können Babys eine grosse Anzahl von sprachlichen Lau-<br />

ten unterscheiden. Babys sind Universalisten. Sie haben die Fähigkeit, Laute, welche potenziell<br />

in einer Sprache vorkommen, wahrzunehmen. Sie können sowohl sprachliche, wie auch<br />

nichtsprachliche akustische Reize sehr fein unterscheiden. In der zweiten Hälfte des ersten<br />

Lebensjahres beginnen Babys Lautkontraste zu beachten, die in ihrer Muttersprache funktio-<br />

nal sind. Beim Erlernen der lautlichen Eigenheiten der Muttersprache, lernen Babys auch die<br />

Regelhaftigkeiten der aufeinander folgenden Laute in Wörtern dazu. Bis zum Alter von neun<br />

Monaten haben Babys gelernt, welches die typischen Lautmuster in ihrer Muttersprache sind<br />

und welche Lautmuster häufig, beziehungsweise weniger häufig sind. Häufigen Mustern hö-<br />

ren sie lieber zu als seltener verwendeten. Ab sieben Monaten nehmen Babys einzelne Wörter<br />

in fortlaufend gesprochener Sprache wahr, wenn diese das typische Betonungsmuster auf-<br />

weisen. Mit zehn Monaten erkennen sie auch Wörter mit untypischen Betonungsmustern (vgl.<br />

Szagun, 2006, S. 35-54).<br />

Morphologisch-syntaktische Entwicklung<br />

Kinder erwerben neben den Wörtern auch die Grammatik in relativ kurzer Zeit. Im Alter von<br />

18-24 Monaten beginnen viele Kinder Zweiwortsätze zu bilden. Mit 48 Monaten haben sie die<br />

Basisgrammatik ihrer Muttersprache erworben. Normalerweise wird die Grammatik mit ihren<br />

Regeln unbewusst innerhalb von zwei bis drei Jahren vollständig gelernt (vgl. Szagun, 2007, S.<br />

70-72).<br />

In unseren Forschungsarbeiten wurden insgesamt 424 Stunden Sprechen von 22 <strong>Kindern</strong> im Alter<br />

von 1;4 (ein Jahr; vier Monate) bis 3;8 (drei Jahre; acht Monate) analysiert. Zusätzlich wurden<br />

333 Elternfragebögen ausgewertet, die über den Stand des Wortschatzes und der Grammatik<br />

bei <strong>Kindern</strong> zwischen 1;6 und 2;6 Auskunft geben. (Szagun, 2007, S. 72)<br />

- 51 - 523


Aus diesen Daten wurden die Erkenntnisse über die Entwicklung grammatikalischer Fertigkei-<br />

ten von <strong>Kindern</strong> gewonnen.<br />

Alter grammatikalischer Entwicklungsstand Details<br />

18-24 Monate<br />

(einige Kinder<br />

früher, andere<br />

später)<br />

Zweiwortsätze -Kinder benennen damit, wer handelt,<br />

die Handlung selbst und Objekte<br />

der Handlungen<br />

24-36 Monate -Satzlänge steigt an<br />

-Mehrwortsätze werden gebildet<br />

-Kinder drücken etwas über die Gegenstände,<br />

deren Standortveränderungen,<br />

Eigenschaften von Personen<br />

und Dingen aus.<br />

-richtige Verbform<br />

-richtige Stelle des Verbes<br />

-Aussagesätze, Fragesätze, Verneinungen<br />

-richtige Artikel anwenden<br />

-Kasusformen der Artikel werden zum<br />

Teil richtig angewendet (Dativ<br />

schwierig!)<br />

-Verbendungen<br />

-noch fehlerhafte Vergangenheitsformen<br />

48 Monate Grundlegende Grammatik erworben -Fehler der Vergangenheitsformen<br />

können bis <strong>zur</strong> Schulzeit auftreten<br />

-Kasusfehler können ebenfalls bis <strong>zur</strong><br />

Schulzeit auftreten<br />

(vgl. Szagun, 2007, S. 89-90)<br />

Verläuft der Grammatikerwerb normal, korrigieren Kinder morphologisch-syntaktische Fehler<br />

mit der Zeit von alleine (vgl. Szagun, 2007, S. 90).<br />

2.8.2 Störungen der Sprachentwicklung<br />

Der Spracherwerb ist von Kind zu Kind verschieden. Ausserdem erwirbt jedes Kind die Sprache<br />

in eigenem Tempo und in individueller Art und Weise (vgl. Szagun, 2006, S.206). Es stellt sich<br />

die Frage, wie es dazu kommt, dass es sowohl Unterschiede in der Schnelligkeit des Sprach-<br />

erwerbs, wie auch in der Bevorzugung der Informationsverarbeitung gibt (vgl. Szagun, 2006,<br />

S.227). Da für den frühen Spracherwerb des Deutschen noch keine normativen Daten vorlie-<br />

gen, kann nicht bestimmt werden, was noch im Bereich der normalen Entwicklung liegt und<br />

was auf eine Sprachentwicklungsstörung hinweist. Daher sollte man nicht zu früh eine definiti-<br />

ve Spracherwerbsstörung diagnostizieren (vgl. Szagun, 2006, S. 239).<br />

- 52 - 533


Definition<br />

„Spracherwerbsgestörte Kinder haben Probleme mit dem natürlichen Spracherwerb“ (Sza-<br />

gun, 2007, S. 191).<br />

Ursachen<br />

<strong>Eine</strong>s der wesentlichsten Merkmale der Entwicklungsstörung, die man als ‚spezifische Spracher-<br />

werbsstörung’ bezeichnet ist, dass fast nur die Sprache und kaum andere Verhaltensbereiche<br />

betroffen sind. Die Kinder, die von dieser Störung betroffen sind, haben keine hirnorganischen<br />

Schäden, keine Hörstörungen und keine massiven emotionalen Störungen. Ihre allgemeinen intellektuellen<br />

Leistungen rangieren im Normalbereich. (Szagun, 2007, S. 192-193)<br />

„Es gibt verschiedene Antworten auf die Frage nach den Ursachen der spezifischen Sprach-<br />

erwerbsstörung. <strong>Eine</strong> Erklärung, die von allen Wissenschaftlern gleichermassen akzeptiert wird,<br />

gibt es z. Zt. nicht“ (Szagun, 2007, S.199). Es gibt jedoch potenzielle Defizite, welche Ursache<br />

einer spezifischen Spracherwerbsstörung sein können:<br />

• Wenn Kinder Sprachlaute nicht schnell genug erkennen und sie daher auch nicht<br />

schnell genug unterscheiden können<br />

• Wenn Kinder eine Schwäche des Kurzzeitgedächtnisses haben<br />

• Wenn die Kinder familiär vorbelastet sind<br />

So unterschiedlich wie die Kinder sind, so unterschiedlich können auch die Ursachen sein (vgl.<br />

Szagun, 2007, S. 199-203).<br />

Auftretenshäufigkeit<br />

„<strong>Eine</strong> Spracherwerbsstörung im Sinne der spezifischen Spracherwerbsstörung tritt bei 5% bis<br />

10% der Bevölkerung auf“ (Szagun, 2007, S. 210).<br />

Kritische Phasen der Sprachentwicklung<br />

Bezieht man sich auf die Verhaltensforschung, wird nicht von kritischen Perioden, sondern von<br />

sensiblen Phasen in der Entwicklung eines Menschen gesprochen, weil diese Formulierung<br />

weniger radikal ist. <strong>Eine</strong> sensible Phase ist eine Zeitspanne, in der die Aufnahmefähigkeit des<br />

Organismus erhöht ist, ein bestimmtes Verhalten besonders schnell zu lernen (vgl. Szagun,<br />

2007, S. 115-116). „In der Regel ist es so, dass die Umweltreize, die der Organismus braucht,<br />

um das Verhalten zu lernen, in der Umwelt auch vorhanden sind“ (Szagun, 2007, S. 116).<br />

Was die Sprache angeht, so gibt es stark unterschiedliche Vorstellungen über das Alter, in dem<br />

die sensible Phase endet. <strong>Eine</strong> seit langem bekannte Auffassung ist, dass Kinder bis <strong>zur</strong> Pubertät<br />

eine Sprache gelernt haben müssen. Wenn das nicht der Fall ist, ist der Erwerb einer Grammatik<br />

nicht mehr möglich. Wohl gemerkt, bezieht sich die sensible Phase nur auf Grammatik. <strong>Eine</strong><br />

Grammatik kann nach einer bestimmten Zeit nicht mehr gelernt werden. Wörter können wir immer<br />

noch lernen. Auch bezieht sich die sensible Phase nur auf eine Erstsprache. (Szagun, 2007,<br />

S. 118)<br />

- 53 - 543


Ausblick – Was wird aus <strong>Kindern</strong> mit Spracherwerbsstörungen?<br />

„Die sprachlichen Schwierigkeiten können dazu führen, dass die Kinder in ihrer Gruppe weni-<br />

ger akzeptiert oder gar ausgelacht werden, und dieses mag zu einem geringen Selbstwertge-<br />

fühl, Rückzug oder Aggression führen“ (Szagun, 2007, S.196).<br />

Kinder mit einer spezifischen Spracherwerbsstörung haben oft auch zusätzlich mit anderen<br />

Dingen zu kämpfen:<br />

• Mühe mit der motorischen Koordination<br />

• Schwierigkeiten bei räumlichen Anordnungen<br />

• Mühe, ähnliche Formen zu unterscheiden<br />

• Aufmerksamkeitsschwäche<br />

• Schwierigkeiten, sich an Rhythmen zu erinnern oder sie zu erkennen<br />

(vgl. Szagun, 2007, S. 198-199).<br />

Wann sollte etwas unternommen werden?<br />

Trotz der Hinweise, dass Kinder die Sprache unterschiedlich schnell und in unterschiedlichen<br />

Sprachstilen erwerben, gibt Szagun auch Richtlinien vor, wann Eltern aufmerksam sein und<br />

sich gegebenenfalls professionellen Rat holen sollten:<br />

• wenn das Baby sehr wenig durch Laute, Lächeln, Gesten mit der Bezugsperson kom-<br />

muniziert<br />

• wenn es oft nicht reagiert oder sich gestört fühlt, wenn man mit ihm spricht<br />

• wenn das Baby weder auf Geräusche noch auf sprachliche Laute reagiert<br />

• wenn das einsprachig erzogene Kind mit zweieinhalb bis drei Jahren nur einen Wort-<br />

schatz von 100 bis 200 Wörtern aufweist, weder Sätze bildet noch Wortendungen pro-<br />

duziert<br />

(vgl. Szagun, 2007, S. 208-209).<br />

2.9 Spracherwerbstheorie von Barbara Zollinger<br />

Die Sprache hat zwei Funktionen: eine repräsentative und ein kommunikative.<br />

<strong>Eine</strong>rseits werden Wörter gebraucht, um über Dinge zu berichten, welche man nicht sehen,<br />

hören oder anfassen kann oder um Ereignissen mitzuteilen. Die Wörter haben also eine reprä-<br />

sentative Funktion; sie stehen stellvertretend für die Realität. Andererseits werden Wörter an<br />

eine andere Person gerichtet, um damit etwas zu bewirken. In diesem Sinne haben die Wör-<br />

ter eine kommunikative Funktion.<br />

Um in beiden Funktionen die Sprache zu verstehen, ist es wichtig, Vorstellungen über die Rea-<br />

lität aufbauen, verändern oder ablehnen zu können.<br />

- 54 - 553


Für die Entdeckung der Sprache sind also die folgenden zwei Entwicklungslinien von Bedeu-<br />

tung:<br />

• Das Kind lernt die Welt der Gegenstände kennen: Es muss Dinge sehen, greifen, hören;<br />

nur so kann es später erfahren, dass die Dinge selbst dann existieren, wenn sie nicht<br />

unmittelbar vorhanden sind und dass sich nicht anwesende Dinge durch Symbole rep-<br />

räsentieren lassen.<br />

• Das Kind lernt die Welt der Personen kennen: Es muss seine eigenen Gefühle und Ab-<br />

sichten kennen und von anderen abgrenzen lernen. Nur so kann es sie mit anderen tei-<br />

len oder auch anderen mitteilen.<br />

Das Kind muss dann lernen, beide Welten miteinander zu verbinden: Sprache kommt immer<br />

von Personen und Sprache bezieht sich immer auf etwas. In den ersten beiden Lebensjahren<br />

wird dies folgendermassen deutlich: Die Mutter spricht von der Geburt an mit ihrem Kind. Das<br />

Kind reagiert darauf mit seinen ersten Lauten. Die Auseinandersetzung mit der Personen- und<br />

der Gegenstandswelt hat begonnen (vgl. Zollinger, 2007, S.11).<br />

2.9.1 Ungestörte Sprachentwicklung<br />

Wie erwerben Kinder Sprache?<br />

Der Erwerb jeder neuen Fähigkeit wird von anderen unterstützt. Folgende Entwicklungsberei-<br />

che spielen zusammen und helfen dem Kind, die Sprache zu entdecken.<br />

Praktisch-gnostische Entwicklung: Das Kind lernt den Gebrauch und die Handhabung von<br />

alltäglichen Gegenständen kennen.<br />

Symbolische Entwicklung: Das Kind gibt seinen Handlungen eine Bedeutung.<br />

Sozial-kommunikative Entwicklung: Das Kind setzt sich mit anderen Personen auseinander.<br />

Sprachliche Entwicklung: Das Kind lernt die Wörter in ihrer repräsentativen und kommunikati-<br />

ven Funktion verstehen und produzieren (vgl. Zollinger, 2007, S.19).<br />

Diese Sichtweise ist aus der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit der The-<br />

matik früher Spracherwerbsstörungen entstanden.<br />

Die Fähigkeit, die Sprache als Medium zu nutzen, mit dem man die Repräsentationen anderer<br />

von der Welt erkennen kann, ist eine entwicklungsbedingte Leistung, die zweifellos durch die Art<br />

von Gesprächen über die Vergangenheit gefördert wird, welche Forscher zwischen Müttern<br />

und ihren kleinen <strong>Kindern</strong> beobachtet haben. Diese Fähigkeit entwickelt sich wahrscheinlich<br />

nicht vor dem Alter von drei oder vier Jahren und ist zweifellos bezogen sowohl auf die allgemeine<br />

Sprechfähigkeit als auch die Erfahrung mit besonderen Arten des Sprechens. (Katherine<br />

Nelson, zit. nach Zollinger, 2008a, S. 189)<br />

- 55 - 563


Übersichtsplan einer altersgerechten Sprachentwicklung (modifiziert von der Verfasserin):<br />

Alter des Kindes Kommunikation Sprachverständnis<br />

0-1 Jahr -Lallen, Vokalisationen -Intonationsmuster unterscheiden<br />

1-2 Jahre -Referenzieller Blickkontakt<br />

-beginnende Objektpermanenz<br />

-erste Wörter<br />

2-3 Jahre -volle Objektpermanenz<br />

-erste Sätze<br />

-Übergang von Handlungssprache<br />

zu reflektierter Sprache<br />

und erkennen<br />

-Verknüpfungen zwischen<br />

Äusserung und Gegenständen<br />

-Verstehen ist situationsbezogen<br />

-Bedeutung wird durch<br />

Gegenstand oder Handlung<br />

bestimmt<br />

-erstes lexikalisches Verständnis<br />

-mit zwei Jahren werden zwei<br />

Elemente einer situationalen<br />

Äusserung verstanden<br />

-erkennen, dass Sprache<br />

repräsentiert und etwas bewirkt<br />

-erste Fragewörter (was?, wo?)<br />

-zwei bis drei Elemente einer nicht<br />

situationalen Aufforderung werden<br />

verstanden<br />

-absurde Aufforderungen verstehen<br />

3-4 Jahre -Sätze und erste Gespräche -Kontext und Erfahrungsbezug<br />

-Fragen (warum?, wieso?)<br />

-Verknüpfungen herstellen können<br />

(z.B. kurze Geschichte in logische<br />

Abfolge bringen)<br />

-drei Einheiten einer nicht- situatio-<br />

nalen Äusserung verstehen<br />

ab 4 Jahren -Gespräch -der ganze Satz wird für das Ver-<br />

(vgl. Zollinger, 2008a, S.130-131)<br />

Präverbale Kommunikation und frühe Sprachwahrnehmung<br />

ständnis miteinbezogen<br />

-zunehmende Fähigkeit, Zusam-<br />

menhänge zu verstehen<br />

„Schon in den ersten Tagen nach der Geburt zeigt das Baby deutliche Reaktionen, wenn<br />

man zu ihm spricht und es scheint sogar die sprachlichen Laute gegenüber allgemeinen Ge-<br />

räuschen zu bevorzugen“ (Zollinger, 2007, S.50).<br />

„Solange das Kind nicht spricht, ist es sehr darauf angewiesen, in seinen Gefühlen und Ab-<br />

sichten von der Mutter verstanden zu werden“ (Zollinger, 2007, S.54).<br />

- 56 - 573


„Das Sprachverständnis baut auf den Erfahrungen des Kindes mit der Personen- und Gegens-<br />

tandswelt auf, integriert diese und bildet so die Brücke zwischen der vorsprachlichen und<br />

sprachlichen Kommunikation“ (Zollinger, 2007, S.58). Der referentielle Blickkontakt bildet die<br />

Basis für die Entwicklung des Sprachverständnisses (vgl. Zollinger, 2007, S. 59).<br />

Erwerb von Sprachkompetenzen<br />

Folgende Sprachkompetenzebenen werden erworben: Das Sprachverständnis, die Lautebe-<br />

ne, die Wortebene, die Satzebene und die sprachliche Kommunikation (vgl. Zollinger, 2007, S.<br />

228-235).<br />

Sprach-<br />

verständnis<br />

ab 12-15 Mt.<br />

-Situationale<br />

Aufforderungen<br />

befolgen<br />

ab 15-18 Mt.<br />

-Alltägliche<br />

Gegenstände<br />

geben<br />

ab 18-24 Mt.<br />

-Nicht-situationale<br />

Äusserungen<br />

verstehen<br />

ab 24-30 Mt.<br />

-Absurde<br />

Aufforderungen<br />

verstehen<br />

Lautebene Wortebene Satzebene Sprachl. Kom-<br />

ab Geburt<br />

-Vokalisation<br />

ab 6-9 Mt.<br />

-Lall-Laute<br />

ab 18-24 Mt.<br />

-Assimilationen<br />

-Elisionen<br />

-Substitutionen<br />

ab 36-42 Mt.<br />

-alle Laute ausser<br />

[s]; [sch]; [r] bilden<br />

ab 12-15 Mt.<br />

-Einzelne Wörter<br />

ab 15-18 Mt.<br />

-Einzelne Bilder<br />

benennen<br />

ab 18-24 Mt.<br />

-Alltägliche<br />

Gegenstände<br />

und Handlungen<br />

benennen<br />

ab 30-36 Mt.<br />

-verschiedene<br />

Tierbilder<br />

benennen<br />

ab 18-24 Mt.<br />

-Einwortsätze<br />

-Zweiwortsätze<br />

ab 24-30 Mt.<br />

-Mehrwortsätze<br />

ab 36-42 Mt.<br />

-komplexe Sätze<br />

(Nebensätze)<br />

munikation<br />

ab 12-15 Mt.<br />

-Direkte<br />

sprachliche<br />

Repetitionen<br />

ab 15-18 Mt.<br />

-Handlungsbegleitende<br />

Äusserungen<br />

ab 18-24 Mt.<br />

-Absichten und<br />

Gefühle<br />

sprachlich<br />

ausdrücken<br />

ab 24-30 Mt.<br />

-Ereignisse und<br />

Situationen<br />

beschreiben<br />

ab 30-36 Mt.<br />

-Informationen<br />

geben<br />

ab 36-42 Mt.<br />

-Gespräche<br />

führen<br />

- 57 - 583


Entwicklung der Sprache<br />

Der Ausgangspunkt der sprachlichen Entwicklung ist die Triangulierung. Das Kind entdeckt,<br />

dass Wörter und Sätze eine Bedeutung haben. Das Sprachverständnis wie auch die anfangs<br />

produzierten Wörter sind jedoch noch sehr situationsabhängig. Mit etwa 15 Monaten kann<br />

das Kind einzelne Bilder benennen. Die Wörter können jedoch noch nicht gebraucht werden,<br />

um Absichten mitzuteilen (vgl. Zollinger, 2007, S.25-26). „Die Verknüpfung zwischen Sprachver-<br />

ständnis und der Sprachproduktion bildet in dieser Entwicklungsphase die direkte sprachliche<br />

Nachahmung“ (Zollinger, 2007, S.26). Gegen Ende des zweiten Lebensjahres entdeckt das<br />

Kind, dass seine Wörter verstanden werden und auch bei anderen etwas bewirken. „Es ent-<br />

deckt die repräsentative und kommunikative Bedeutung der Sprache“ (Zollinger, 2007, S.31).<br />

Es kann jetzt erste Vorstellungen aufbauen, d.h. es kann an den Schoppen denken, wenn es<br />

das Wort hört, und es kann das Wort „mämäm“ sagen, wenn es hungrig ist. Das Verstehen und<br />

auch das Sprechen sind damit nicht mehr an das Hier und Jetzt gebunden. Gleichzeitig beginnt<br />

es, auf das Resultat seiner Handlungen zu achten, und es realisiert, dass es auch mit seinen Wörtern<br />

etwas bewirkt. Dies ist die eigentliche Entdeckung der Sprache: Die gesprochenen Wörter<br />

können von den anderen verstanden werden. (Zollinger, 2000, S. 13)<br />

Diese Entdeckung ist enorm wichtig, weil sich das Kind in dieser Zeit zu einer selbständigen<br />

Persönlichkeit entwickelt und die Sprache nun auch gebraucht, um seine Absichten und Ge-<br />

fühle mitzuteilen (vgl. Zollinger, 2000, S.13). Es beginnt Fragen zu stellen und erweitert dadurch<br />

seinen Wortschatz explosionsartig, „so dass es bereits nach etwa drei Monaten viele Wörter<br />

<strong>zur</strong> Bezeichnung alltäglicher Gegenstände und Handlungen kennt und erste Sätze bilden<br />

kann“ (Zollinger, 2000, S. 14).<br />

Frühe Sprachverständnisentwicklung<br />

Als Erwachsene gehen wir unbewusst davon aus, dass die Sprache, die wir hören, sich auf etwas<br />

bezieht, meistens auf das, was wir beobachten. Kinder können Sprache und Ereignisse erst<br />

dann überhaupt in Beziehung setzen, wenn sie erkennen, dass sich Elemente aus dem akustischen<br />

Strom, den sie hören, auf Ereignisse beziehen (Hirsh-Pasek, zitiert in Zollinger, 2008a, S.83).<br />

„Das Sprachverständnis besteht aus einem komplexen Verhältnis zwischen sprachlichen,<br />

kommunikativ-sozialen und kognitiven Prozessen“ (Zollinger, 2008b, S. 66). Kinder zwischen fünf<br />

und acht Monaten lernen verschiedene Intonationsmuster unterscheiden und erkennen. Die<br />

erste Form von Sprachverständnis des Kindes bezieht sich somit auf die assoziative Verknüp-<br />

fung zwischen Äusserung und Gegenstand. Die Bedeutung des Wortes wird zu diesem Zeit-<br />

punkt noch nicht erfasst. Die erste Phase der Sprachverständnisentwicklung (ab neun bis<br />

zwölf Monaten) ist direkt situationsbezogen. Das heisst, das Kind wendet eine nonlinguistische<br />

Strategie an (vgl. Zollinger, 2008a, S. 83).<br />

- 58 - 593


„Der Kontext der Handlung zeigt dem Kind jeweils klar an, was es zu tun hat, ohne dass es das<br />

Gesagte (zum Beispiel Aufforderungen) verstehen muss“ (Zollinger, 2008a, S. 83). „Anfangs<br />

muss das Kind, um zu verstehen, auf jede Äusserung einer Person mit einer Handlung reagie-<br />

ren. Es muss handeln, denn erst durch das Handeln wird ihm die Bedeutung klar“ (Zollinger,<br />

2008a, S. 84). Indem das Kind handelt, fordert es das Gegenüber auf, weiter zu agieren (vgl.<br />

Zollinger, 2008a, S.84).<br />

Das Kind reagiert in Abhängigkeit von der Situation und dem Kontext auf eine Aufforderung.<br />

Meist wählt es aus der gesamten Äusserung ein Wort aus und macht, was es normalerweise<br />

macht. Es orientiert sich dabei an einzelnen bekannten Wörtern. Diese Schlüsselwörter können<br />

sowohl Handlungs- wie auch Gegenstandswörter sein. (Zollinger, 2008a, S. 84)<br />

Die wichtigste Phase der Sprachverständnisentwicklung ist im Alter zwischen 18 und 24 Mona-<br />

ten. Das Kind ist auf dem Höhepunkt der Individuation. „Es weiss, dass es sich von der Mutter<br />

unterscheidet“ (Zollinger, 2008a, S. 85). Es merkt, dass es über die Sprache verschiedene Ab-<br />

sichten ausdrücken und damit auch Veränderungen bewirken kann (vgl. Zollinger, 2008a, S.<br />

85).<br />

Das Erkennen, dass Sprache nicht nur repräsentiert, sondern auch eine Wirkung hat, ist sicher ein<br />

Schlüsselerlebnis in der ganzen Sprach- und Persönlichkeitsentwicklung. Sprache kann nun bewusst<br />

zum Erreichen eines Ziels eingesetzt werden. Diese Entwicklungsschritte gehen einher mit<br />

der Fähigkeit des Kindes, das Resultat seiner Handlung zu beachten (zwischen 18 und 24 Monaten).<br />

(Zollinger, 2008a, S. 85)<br />

Damit ist die Ausgangslage für die Entwicklung der Vorstellung geschaffen. Einzelne Wörter<br />

können nun vom Kind verstanden werden, auch wenn das betreffende Objekt nicht sichtbar<br />

ist, und die Wörter können auch Reaktionen beim Kind auslösen (vgl. Zollinger, 2008a, S.85).<br />

„… die Relationen zwischen den Wörtern eines Satzes können jedoch noch nicht hergestellt<br />

werden…. Das Handeln hilft ihm, die Äusserung zu verstehen“ (Zollinger, 2008a, S. 85).<br />

Spielentwicklung und Sprachentwicklung<br />

„Sprache ist ein Kommunikations- und Repräsentationsmittel, d.h. sie ist an ein Du gerichtet<br />

und bezieht sich auf Etwas. Um sich überhaupt über Etwas unterhalten zu können, braucht es<br />

ein Thema: Bei kleinen <strong>Kindern</strong> ist dies das gemeinsame Spiel“ (Zollinger, 2004, S. 30). Ein Kind<br />

kann sich frühestens im Alter von drei Jahren im Spiel bewusst in die Rolle einer anderen Per-<br />

son versetzen. Dies setzt nämlich voraus, dass das Kind eine klare Vorstellung von sich als ei-<br />

genständiger Person entwickelt hat und sich selbst mit ICH bezeichnet. Einfache Formen der<br />

Rollenübernahme sind Ende des zweiten Lebensjahres zu beobachten: z.B. ahmt das Kind die<br />

Mutter nach, wenn es in sein Spieltelefon spricht (vgl. Zollinger, 2008a, S. 20).<br />

- 59 - 603


Es gibt verschieden Rollen im sozialen Fantasiespiel, welche folgendermassen unterschieden<br />

werden (vgl. Garvey & Berndt in Zollinger 2008a, S. 20):<br />

1. Funktionale Rollen: Durch Objekte oder Tätigkeiten definierte Rollen (z.B. Lehrer)<br />

2. Relationale Rollen (kommen am häufigsten vor): Familienrollen<br />

Relationale Rollen können mit funktionalen Rollen zusammenfallen<br />

3. Charakter-Rollen: berufliche oder gewohnheitsmässige Aktivitäten (z.B. Polizist, Sänger<br />

…)<br />

4. Periphere Rollen: Rollen, über welche gesprochen wird, deren Identität das Kind aber<br />

nicht annimmt (z.B. ein imaginärer Freund ..)<br />

Watson & Fischer (1980) haben bei zwei bis siebenjährigen <strong>Kindern</strong> in konkreten Spielsituatio-<br />

nen untersucht, wie sich die Fähigkeit entwickelt, soziale Rollen zu verstehen. Mit zwei Jahren<br />

können Kinder so tun, als ob sie eine bestimmte Handlung ausführen würden (z.B. telefonie-<br />

ren). Dabei zeigen sie ein erstes Verständnis von sich selbst. Mit drei Jahren können Kinder so<br />

tun, als ob eine Puppe selber eine Handlung ausführen würde (z.B. schlafen, essen …). Damit<br />

zeigen sie die Fähigkeit, andere Personen als unabhängige Darsteller zu repräsentieren. Mit<br />

vier bis fünf Jahren können Kinder verschiedene Handlungen ausführen, welche zu einer be-<br />

stimmten Rolle (Mutter, Vater, Sänger, Arzt ...) gehören (vgl. Zollinger, 2008a, S.20-21).<br />

Nach Oerter (1993, 14) besitzen Kinder die Fähigkeit, im Spiel Gegenstände zu ersetzen oder<br />

ihnen eine neue Bedeutung zu geben. Dadurch sind sie in der Lage, ihre Entwicklung zu ges-<br />

talten, weil sie vieles wie die Erwachsenen machen möchten, aber noch nicht über die ent-<br />

sprechenden Fähigkeiten, Erfahrungen oder das entsprechende Material verfügen (vgl. Zol-<br />

linger, 2008a, S.23).<br />

Morphologisch-syntaktische Entwicklung<br />

Die Grammatik entwickelt sich fliessend. Wenn das Kind die Bedeutung der Wörter und ihre<br />

Wirkung auf andere erfasst hat und einzelne Wörter konkret an andere richtet, um etwas zu<br />

bewirken, hat es die Stufe des Einwort-Satzes erreicht. Dies ist der zentrale Schritt in der<br />

sprachlichen Entwicklung. Zwei- und Mehrwortsätze werden danach in relativ kurzer Zeit er-<br />

worben (vgl. Zollinger, 2007, S. 31-32).<br />

Zur Phase des Zweiworterwerbs schreibt Zollinger:<br />

Sobald es gegen Ende des zweiten Lebensjahres auch erste Standards entwickelt hat, beginnt<br />

es sich für entsprechende Veränderungen und damit für die Eigenschaften der Personen und<br />

Dinge zu interessieren. Dies hängt damit zusammen, dass es einen Gegenstand erst dann als<br />

„kaputt“ oder „schmutzig“ erfassen kann, wenn es eine Vorstellung seiner Intaktheit hat; die<br />

Abwesenheit einer Puppe erfasst und bezeichnet es, wenn sie auch anwesend sein könnte; und<br />

es benennt das Subjekt und die Handlungen dann, wenn die ausführende Person auch jemand<br />

anders sein könnte als es selbst. Diese neue Sicht der Welt drückt das Kind aus mit der Zweiwort-<br />

Äusserung. (Zollinger, 2007, S.31-32)<br />

- 60 - 613


Für die Praxis sind diese Erkenntnisse enorm wichtig (Anmerkung der Verfasserin). Wenn ein<br />

Kind nur einzelne Wörter spricht, dann ist es wichtig, ihm aufzuzeigen, dass Wörter eine Bedeu-<br />

tung haben. Spricht es nur in Einwort-Sätzen, dann soll es entdecken, dass Menschen und<br />

Dinge Eigenschaften haben (vgl. Zollinger, 2007, S. 32).<br />

2.9.2 Störungen der Sprachentwicklung<br />

Frühe Spracherwerbsstörungen sind eng mit Entwicklungsverzögerungen und Entwicklungsstö-<br />

rungen anderer Bereiche verknüpft. Mit Entwicklungsverzögerung ist gemeint, dass Fähigkei-<br />

ten des Kindes nicht dem Entwicklungsstand entsprechen, welchen es in seinem Alter haben<br />

müsste. Das Kind besitzt Fähigkeiten, welche ein jüngeres Kind im entsprechenden Alter zeigt.<br />

Als Entwicklungsstörungen werden Handlungs- und Kommunikationsformen bezeichnet, die<br />

normalerweise nicht oder nur selten vorkommen (vgl. Zollinger, 2007, S. 40). Entwicklungsver-<br />

zögerungen und Entwicklungsstörungen entstehen innerhalb von vier Kompetenzbereichen:<br />

dem praktisch-gnostischen Bereich; dem symbolischen Bereich; dem sozial-kommunikativen<br />

Bereich und dem sprachlichen Bereich. Damit sich mögliche Auffälligkeiten und Abweichun-<br />

gen beobachten, interpretieren und daraus Schlüsse ziehen lassen, ist es wichtig, über die<br />

einzelnen Bereiche gut Bescheid zu wissen (vgl. Zollinger, 2007, S. 40-58).<br />

Ursachen<br />

Sehr viele spracherwerbsverzögerte Kinder zeigen kleinere oder grössere Auffälligkeiten in der<br />

motorischen Entwicklung oder in der Erfassung und Verarbeitung der Eindrücke in den verschiedenen<br />

Wahrnehmungsbereichen. Solche Schwierigkeiten weisen auf eine Verzögerung oder<br />

Störung der Hirnleistung hin, welche ihren Ursprung vor, während oder nach der Geburt haben<br />

kann. (Zollinger, 2000, S. 14)<br />

Dies kann Auswirkungen auf die folgenden Entwicklungsbereiche haben: Spielentwicklung;<br />

soziale Entwicklung; sprachliche Entwicklung (vgl. Zollinger, 2000, S. 14-15).<br />

Durch diese Verknüpfung von Schwierigkeiten in den verschiedensten Entwicklungsbereichen ist<br />

es nicht möglich, die Sprache zu entdecken: Das Kind setzt sich nicht aktiv mit den Wörtern auseinander,<br />

beginnt nicht zu fragen und äussert deshalb auch während des dritten Lebensjahres<br />

nur einzelne Wörter. (Zollinger, 2000, S. 16)<br />

Auftretenshäufigkeit<br />

„Etwa zehn Prozent aller Kinder beginnen im Alter von zwei bis zweieinhalb Jahren nicht wie<br />

erwartet zu sprechen“ (Zollinger, 2000, S. 9).<br />

- 61 - 623


Kritische Phasen der Sprachentwicklung<br />

In den verschiedenen Phasen des Spracherwerbs kommen verschiedene Prozesse vor, die<br />

den Spracherwerb erheblich beeinflussen. Theoretisch können die Prozesse unterschieden<br />

werden, praktisch sind sie eng miteinander verbunden und voneinander abhängig.<br />

Bei den angesprochenen Prozessen handelt es sich um neurolinguistische, kognitive und<br />

kommunikativ-interaktive Prozesse; die Ich-Entwicklung; das Sprachverständnis und die Integ-<br />

ration der spracherwerbsbestimmenden Prozesse (vgl. Zollinger, 2008b, S. 18-85).<br />

Grundsätzlich kann dieser Prozess des Erwerbs der Sprache als menschliches Kommunikationsmittel<br />

in jeder Entwicklungsphase mehr oder weniger ausgeprägten Störungen unterliegen. Da<br />

das Kind die wichtigsten Regeln des sprachlichen sowie des kommunikativen Systems jedoch in<br />

den ersten drei bis vier Lebensjahren erwirbt, kann man davon ausgehen, dass die meisten<br />

Spracherwerbsstörungen in dieser Entwicklungsphase entstehen. (Zollinger, 2008b, S.11)<br />

Die Basis für das Sprachverständnis bilden die Erfahrungen des Kindes mit Personen und Ge-<br />

genständen. Indem es diese Erfahrungen integriert, kann es eine Brücke zwischen der vor-<br />

sprachlichen und der sprachlichen Kommunikation bilden. Deshalb nimmt das Sprachver-<br />

ständnis bei der Entstehung von Entwicklungsstörungen eine wichtige Rolle ein (vgl. Zollinger,<br />

2007, S. 58).<br />

Late talkers / Late bloomers<br />

Kinder, die im Alter von zwei bis drei Jahren überhaupt nicht oder nur wenig sprechen, dabei<br />

jedoch keine gravierenden Probleme im instrumentellen, affektiven, psycho-motorischen und<br />

praktisch-gnostischen Bereich haben, kann man in zwei Gruppen einteilen:<br />

• Kinder, mit einer ausschliesslichen Verzögerung der sprachlichen Produktion. Dabei<br />

handelt es sich um Kinder mit einem verspäteten Sprechbeginn.<br />

• Kinder, welche neben einer Verzögerung der sprachlichen Produktion auch eine Ver-<br />

zögerung des Sprachverständnisses haben, sowie im Bereich der symbolischen und<br />

kommunikativen Kompetenzen keine altersgemässe Leistung zeigen.<br />

Während bei der ersten Gruppe eine therapeutische Intervention nicht angezeigt ist, handelt<br />

es sich bei der zweiten Gruppe um eine Spracherwerbsstörung, welche einer Therapie bedarf<br />

(vgl. Zollinger, 2008b, S. 114).<br />

Kinder mit einem verzögerten Sprechbeginn weisen oft im Alter von vier bis fünf Jahren eine<br />

Sprachentwicklungsverzögerung auf, welche sich folgendermassen zeigen kann: Wortauslas-<br />

sungen innerhalb der Sätze; Dysgrammatismus; Dyslalie; eingeschränkter Wortschatz. Später<br />

zeigen sie kein Interesse an Buchstaben und haben Schwierigkeiten mit Lesen und Schreiben.<br />

Verhaltensschwierigkeiten können manchmal dazukommen, sei es, dass sie Kontaktschwie-<br />

rigkeiten mit anderen <strong>Kindern</strong> zeigen, Konzentrationsschwierigkeiten haben, überaktiv, passiv<br />

oder verträumt wirken (vgl. Zollinger, 2000, S. 9-10).<br />

- 62 - 633


Wann sollte etwas unternommen werden?<br />

<strong>Eine</strong> Behandlung sollte so früh als möglich begonnen werden. Dies basiert auf folgenden Fest-<br />

stellungen: Je jünger das Kind ist, desto mehr empfindet es eine Behandlung als spielerische<br />

Unterhaltung. Je früher die Behandlung einsetzt, desto weniger entwickelt das Kind ein Stö-<br />

rungsbewusstsein (vgl. Zollinger, 2008b, S. 101). Die Handlungen der Kinder mit einer Sprach-<br />

erwerbsstörung sind von den entsprechenden Gegenständen bestimmt. Sie handeln nicht,<br />

weil sie Interesse am Resultat ihrer Handlung haben. Ebenso gehen sie mit ihren eigenen Wör-<br />

tern oder den Wörtern anderer um. Für diese Kinder sind die Wörter Teile von Gegenständen<br />

und Situationen (vgl. Zollinger, 2008b, S.114-115). „Sie scheinen noch nicht entdeckt zu haben,<br />

was Sprache ist und wozu sie dient“ (Zollinger, 2008b, S. 115).<br />

„Zusammenfassend ist eine Therapie dann angezeigt, wenn die Beobachtungen zeigen, dass<br />

das Kind spontan keine Schritte (mehr) unternimmt, die Welt der Personen und Dinge seinem<br />

Entwicklungsstand entsprechend zu erforschen und zu verstehen“ (Zollinger, 2000, S. 99).<br />

Ausblick - Was wird aus <strong>Kindern</strong> mit Spracherwerbsstörungen<br />

Auch Kinder, deren Entwicklung des Spracherwerbs gestört ist, beginnen zwischen drei und<br />

dreieinhalb Jahren zu sprechen. Dabei ist zu beobachten, dass die Kinder die gehörte Spra-<br />

che kopieren, indem sie einzelne Satzteile (Phrasen) wiedergeben und mit Passe-par-tout-<br />

Wörtern verbinden. Das Kind spricht also sofort ganze Sätze ohne die Zwischenentwicklungs-<br />

schritte über Ein-, Zwei- und Dreiwortsätze anzuwenden. Da die Wortvorstellungen meist nicht<br />

vorhanden sind, „bleibt das Sprechen an das Hier und Jetzt gebunden und ist deshalb mehr<br />

ein Kommentar der Handlungen als eine echte Form der Mitteilung“ (Zollinger, 2000, S.17).<br />

Kinder mit Schwierigkeiten in der motorischen Entwicklung oder in den Wahrnehmungsberei-<br />

chen finden nicht wirklich einen Zugang zum Spiel. Zu beobachten ist, dass diese Kinder,<br />

selbst im Alter von vier bis fünf Jahren, sprechen, anstatt zu handeln. Sie finden schnell Strate-<br />

gien heraus, wie Sprachverständnisschwierigkeiten mit Sprechen überdeckt werden können:<br />

Sie stellen oft ununterbrochen Fragen. Die Antworten interessieren sie oftmals gar nicht. Da-<br />

durch bleibt der Wortschatz eingeschränkt und die Satzbildung sehr einfach. Zu beobachten<br />

ist bei diesen <strong>Kindern</strong> zum Teil auch eine verwaschene Sprechweise. Der Kontakt mit anderen<br />

<strong>Kindern</strong> erweist sich für viele dieser Kinder als schwierig (vgl. Zollinger, 2000, S. 16-18).<br />

Die Sprachverständnisschwierigkeiten verhindern, dass sich das Kind Dinge vorstellen kann.<br />

Dies kann im Kindergartenalter zu Unsicherheiten, Unruhe oder Rückzug führen. In der Schule<br />

hat das Kind dann oftmals auch Probleme, die Rechen-Prozesse zu verstehen (vgl. Zollinger,<br />

2007, S. 68). Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Kinder, deren Spracherwerb gestört<br />

ist, zu einem späteren Zeitpunkt Mühe mit dem Lesen und der Rechtschreibung haben (vgl.<br />

Zollinger, 2000, S. 95). „Wir wissen auch, dass die sprachlichen, Verhaltens- und Leistungsauf-<br />

fälligkeiten dieser Kinder praktisch immer Ausdruck sind von Problemen anderer Art wie bspw.<br />

der Motorik, der Handlungsplanung oder der Erfassung, wie auch der psychischen und sozia-<br />

len Entwicklung“ (ebd).<br />

- 63 - 643


3 Sprachliche Früherfassung<br />

„Behinderungen oder Fehlentwicklungen im neurologischen, auditiven, visuellen, kognitiven,<br />

motorischen und kommunikativen Bereich können die Entwicklung des Sprechens und der<br />

Sprache verzögern und beeinträchtigen“ (Grohnfeldt (Hrsg.), 2007, S. 113). Aus diesen Grün-<br />

den ist die Diagnostik auch für den Bereich der Sprachentwicklung im frühen Lebensalter von<br />

grosser Bedeutung. Je früher etwas gegen allfällige Störungen der Sprachentwicklung unter-<br />

nommen wird, desto effektiver ist die Therapie und dementsprechend kürzer die Therapie-<br />

dauer (vgl. Grohnfeldt (Hrsg.), 2007, S. 113).<br />

3.1 Erfassungsmethoden<br />

Folgende Methoden werden von den genannten Autorinnen und Autoren bei der sprachli-<br />

chen Früherfassung angewendet:<br />

Elternfragebogen: Screeninginstrument mit einer hohen prognostischen Validität (vgl. Grimm<br />

und Doil, 2000, S. 13).<br />

Screening: „Reihen-, Vor-, Suchtest <strong>zur</strong> grob-klassifizierenden Vorauswahl später zu Untersu-<br />

chender“ (Franke, 2004, S. 194).<br />

Beobachtungen: Helfen mit, die Fähigkeiten und Schwierigkeiten des Kindes zu erfassen (vgl.<br />

Zollinger, 2007, S. 69). Dienen dazu, Ressourcen und Defizite zu erkennen und festzuhalten, um<br />

sie später weiter überprüfen zu können (Anmerkung der Verfasserin).<br />

Testverfahren: „Wissenschaftlich fundiertes Verfahren <strong>zur</strong> Untersuchung von Persönlichkeits-<br />

merkmalen, das die Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität) hinreichend erfüllt“<br />

(Grohnfeldt, 2007, S. 347).<br />

Begriffsdefinitionen<br />

Testgütekriterien: Objektivität; Reliabilität; Validität<br />

Objektivität: „Mehrere unabhängige Untersucher kommen zum gleichen Ergebnis“ (Franke,<br />

2004, S. 155).<br />

Reliabilität: „Formale Genauigkeit eines Tests, Exaktheit der tatsächlichen Messung, unab-<br />

hängig vom Inhalt“ (Franke, 2004, S. 183).<br />

Validität: „Grad der Übereinstimmung zw. dem, was ein Test misst und dem, was er vorgibt zu<br />

messen“ (Franke, 2004, S. 233).<br />

Normierung<br />

Normierung: „Die Normierung bietet zahlenmässige Bezugsnormen zum Vergleich der er-<br />

brachten Testwerte mit den Testwerten einer Vergleichsgruppe (z.B. Gleichaltrige oder Schü-<br />

ler der gleichen Klassenstufe)“ (Grohnfeldt, 2007, S. 347).<br />

3.2 Ausgewählte Verfahren <strong>zur</strong> Früherfassung<br />

Ein genauer Beschrieb der Verfahren befindet sich im Anhang.<br />

- 64 - 653


4 Übersicht und Zusammenfassung<br />

Um einen Überblick über die Verfahren <strong>zur</strong> Früherfassung und die unterschiedlichen Ansichten<br />

<strong>zur</strong> (S)<strong>SES</strong> und ihrer möglichen Teilsymptomatik Aussprachestörungen zu ermöglichen, haben<br />

wir im Kapitel 4.2 eine tabellarische Übersicht erstellt.<br />

Wir haben uns bei der Tabelle auf Rubriken beschränkt, die einerseits verkürzt darstellbar so-<br />

wie miteinander vergleichbar sind und andererseits Handlungskonsequenzen ableiten lassen.<br />

So haben wir auf die Zusammenfassung der ungestörten Sprachentwicklung verzichtet und<br />

uns auf die <strong>zur</strong> Beantwortung unserer Fragen relevant erscheinenden Aspekte der Sprach-<br />

entwicklungsstörungen konzentriert. Die tabellarische Darstellung der Testverfahren soll einer<br />

raschen Orientierung dienen. Umfassendere Beschreibungen der einzelnen Früherfassungsin-<br />

strumente sind im Anhang dieser Arbeit zu finden.<br />

Nachfolgend möchte ich die in der Tabelle etwas ausführlicher nachlesbaren Argumentatio-<br />

nen der Autoren in einem Fazit zusammenfassen.<br />

4.1 Fazit<br />

Es sind sowohl einheitliche wie voneinander abweichende Meinungen <strong>zur</strong> (S)<strong>SES</strong> bzw. Aus-<br />

sprachestörung unter den verschiedenen Vertreterinnen zu finden:<br />

Gemäss den acht von uns näher betrachteten Autoren sind 5-10% aller Kinder von Ausspra-<br />

chestörungen, <strong>SES</strong> oder S<strong>SES</strong> betroffen. Nur Kiese-Himmel setzt die obere Grenze noch etwas<br />

höher an, nämlich bei 14%. Mehrere Autorinnen beziffern die Anzahl der Late Talker mit 13-<br />

20% eines Jahrgangs. Sie gehen davon aus, dass ein Drittel bis die Hälfte den Rückstand bis im<br />

Alter von 3 Jahren vollständig aufholen kann.<br />

Die Ursachen werden in verschiedenen Bereichen gesehen: Die Hälfte der Autoren nennt<br />

Probleme bei der Aufnahme oder Verarbeitung der Informationen als mögliche Gründe für<br />

eine S(<strong>SES</strong>). Ebenso oft wird erwähnt, dass biologische Faktoren die Entwicklung beeinträchti-<br />

gen können. Auch ungenügende sprachliche Anregung durch das Umfeld wird von mehre-<br />

ren Vertretern als Teilursache genannt. <strong>Eine</strong> verzögerte oder gestörte Entwicklung der Hör-<br />

bahn, der Kognition oder allgemeiner Art kann den Spracherwerb nach Ansicht einzelner<br />

Autorinnen ebenfalls erschweren.<br />

Die kritische Phase der Sprachentwicklung endet gemäss mehreren Stimmen mit 3 Jahren.<br />

Zollinger erwähnt, dass die wichtigsten Regeln der Sprache bis 4 Jahre erworben werden. Der<br />

Lauterwerb sollte gemäss Fox bis 4.5 Jahre abgeschlossen sein. Für Grimm stehen die sprach-<br />

spezifischen Hirnareale bis 5 Jahre im Entwicklungsfokus. Kiese-Himmel und Szagun vertreten<br />

die Meinung, dass sich das Zeitfenster für den Spracherwerb spätestens mit Erreichen der Pu-<br />

bertät schliesst.<br />

- 65 - 663


Unterschiedliche Ansichten bestehen beim Zeitpunkt, wann eine Störung erkannt werden<br />

kann: Penner will bereits mit 6 Monaten <strong>SES</strong>-gefährdete Kinder entdecken können. Durch Er-<br />

hebung der Vorausläuferfähigkeiten können laut Zollinger Risikokinder vor Erreichen des zwei-<br />

ten Geburtstages erkannt werden. Mehrere Autoren schreiben, dass erst mit 2 Jahren Risiko-<br />

faktoren feststellbar sind, da die individuelle Variabilität davor zu gross ist. Für eine zuverlässi-<br />

gere Diagnose müsse das Kind 3 Jahre alt sein. <strong>Eine</strong> Aussprachestörung, die Teil einer (S)<strong>SES</strong><br />

sein kann, ist laut Fox ab 2;8 Jahren diagnostizierbar.<br />

Als Anzeichen einer (S)<strong>SES</strong> wird mehrfach der verspätete, verlangsamte Spracherwerb, insbe-<br />

sondere die verzögerte Sprachproduktion, genannt. Erste Auffälligkeiten können laut einzel-<br />

nen Autorinnen schon im variationsarmen Schrei- und Lallverhalten bzw. in der spärlichen<br />

Kommunikation durch Lächeln, Laute oder Gesten beobachtet werden. Zollinger erwähnt<br />

zusätzlich fehlendes Interesse an Handlungsresultaten und der Wirkung von Worten. Vereinzelt<br />

werden auch mangelhafter Erwerb der prosodischen Regeln, Sprachverständnisschwierigkei-<br />

ten und schlechtere Aussprache erwähnt. Bei <strong>Kindern</strong> im Alter von 2-3 Jahren bleibt der<br />

Grammatikaufbau praktisch aus.<br />

Verschiedene Autoren vertreten die Meinung, Risikokinder sollten engmaschig beobachtet<br />

und gegebenenfalls weiter abgeklärt werden. Mehrere finden zudem, es sollte so früh wie<br />

möglich, spätestens aber bis im Alter von 3 Jahren, mit einer Therapie begonnen werden. Sie<br />

begründen dies damit, dass eine spätere Intervention weniger effektiv sei und dass dadurch<br />

einer Sekundärsymptomatik vorgebeugt werden kann. Penner würde gerne schon im 12.-18.<br />

Lebensmonat intervenieren, um den Aufbau von Ersatzstrategien zu verhindern. Suchodoletz<br />

findet ein Aufholen bis zum Schuleintritt für den Schulerfolg elementar. Abwarten ist für ihn<br />

dann möglich, wenn ein intaktes Sprachverständnis und ein unterstützendes Umfeld vorhan-<br />

den sind. Szagun warnt vor einer voreiligen Intervention, da die individuellen Unterschiede<br />

auch beim ungestörten Spracherwerb sehr gross sein können. Sie rät aber zu weiterer Beo-<br />

bachtung von auffälligen <strong>Kindern</strong>.<br />

- 66 - 3


4.2 Tabelle – Erfassungsinstrumente / Hintergründe einer (S)<strong>SES</strong> / Erfassung einer (S)<strong>SES</strong><br />

Tabelle zu den Testverfahren:<br />

Vergleichs-<br />

punkte<br />

Fox TROG-D (ED)<br />

PLAKSS (ED, S)<br />

Grimm ELFRA1 (EB, S)<br />

ELFRA 2 (EB, S)<br />

SETK-2 (ED)<br />

SETK 3-5 (ED)<br />

Testverfahren<br />

(Art des Tests)<br />

Alter Testschwerpunkte<br />

Erkennung von (S)<strong>SES</strong> oder Late Talker<br />

3;0-10;11 J. Grammatik-Analyse (quantitativ und qualitativ)<br />

ab 30 Mt.<br />

12 Mt.<br />

24 Mt.<br />

2;0 - 2;11 J.<br />

3;0 - 5;11 J.<br />

Aussprachekompetenzen ermitteln; Aussprachestörungen<br />

diagnostizieren<br />

Screening: Sprachstandserhebung im KG<br />

Sprachproduktion, Sprachverständnis, Gesten, Feinmotorik<br />

Produktiver Wortschatz, Syntax, Morphologie<br />

Sprachentwicklung (Worterwerb, Grammatikentwicklung,<br />

Sprachverständnis, Sprachproduktion)<br />

Rez. und prod. Sprachverarbeitung, auditive Gedächtnisleistungen<br />

überprüfen<br />

SSV (S)<br />

3;0 - 5;11 J. Sprachentwicklungsstand ermitteln; Evaluation von Risikokindern<br />

Kauschke Patholinguistische Diagnostik (ED) 2;0- 6;11J. Differenziertes Sprachprofil<br />

Kiese-Himmel ELAN (EB, S)<br />

AWST-R (ED)<br />

Penner Screeningverfahren Prosodieentwicklung<br />

u. -störungen (S)<br />

Suchodoletz SBE-2-KT (EB, S)<br />

16-26 Mt.<br />

3;0-5;5 J.<br />

2;5-5 J.<br />

(Anm. Verf.)<br />

21-24 Mt.<br />

Wortschatzerhebung: Quantität u. Qualität<br />

Erkennung von LT und <strong>SES</strong><br />

Wortschatzumfang, lexikal.-semant. Organisation<br />

Störungen im Prosodieerwerb erkennen<br />

Sprachproduktion (Wortschatz/Grammatik)<br />

Erkennung von Late Talkern<br />

SBE-3-KT (EB, S)<br />

32-40 Mt. Sprachproduktion (Wortschatz/Grammatik)<br />

Erkennung von <strong>SES</strong><br />

Szagun FRAKIS (EB) 18-30 Mt. Sprachstandserfassung, Erkennung von Late Talkern, Erkennung<br />

von Ressourcen und Defiziten im Grammatikstand<br />

Zollinger Entwicklungsprofil 24-36 Mt. Beobachtung aller wichtigen Kompetenzbereiche (in Spielsituationen,<br />

in Interaktion mit Mutter)<br />

P: publiziert, N: Normierung, G: Gütekriterien / Testart: Elternbefragung (EB), Screening (S), Erweiterte Diagnostik (ED)<br />

P N G<br />

2006<br />

2002<br />

(3.Aufl.<br />

2007)<br />

2006<br />

2006<br />

2000<br />

2001<br />

2003<br />

2002<br />

2009<br />

2006<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nein<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nein<br />

Ja<br />

2005 Ja Ja<br />

2000 Nein Nein<br />

2009<br />

2009<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

2009 Ja Nein<br />

1994 Ja Nein<br />

- 67 -


Tabelle zu den Hintergründen einer (S)<strong>SES</strong>:<br />

Vergleichspunkte<br />

Auftretenshäufigkeit Ursachen Kritische Phasen der Sprachentwicklung<br />

Fox ca. 5-10% Probleme mit Aus- Funktionell oder organisch bedingte Ursachen für Bis Ende des zweiten Lebensjahres sollte das Kind für<br />

spracheentwicklung<br />

Aussprachestörungen<br />

seine Umwelt verständlich sein.<br />

Im Alter von 4;5 J. sollte der Lauterwerb abgeschlossen<br />

sein.<br />

Grimm 8-10% mit S<strong>SES</strong><br />

Ungenügender sprachlicher Input durch das Umfeld, Sensible Phase: die ersten drei Lebensjahre.<br />

ca. 14-19% der Zweijährigen Mühe in den Bereichen Kognition und Informations- Bis 5 J. sind bestimmte Hirnareale für den Spracher-<br />

haben einen Wortschatz < 50 verarbeitung.werb<br />

offen. Danach stehen die vorgesehenen Hirn-<br />

Wörter; die Hälfte davon holt<br />

bis 3 J. auf.<br />

Biologisch bedingte Ursachen.<br />

areale nicht mehr im Entwicklungsfokus.<br />

Kauschke ca. 18% der Gesamtpopulati- Mangelnde u. ineffektive Integration von Informatio- Orientierung an Modell von Locke: Das Kind muss<br />

on sind Late Talker;<br />

nen verschiedener sprachlicher Ebenen.<br />

genügend Sprachmaterial sammeln, damit im Alter<br />

davon holen 35-50% bis 3<br />

von 20-36 Monaten der Umschwung von der ganz-<br />

Jahre den Sprachrückstand<br />

heitlicheren rechtshemisphärischen <strong>zur</strong> analytische-<br />

auf;<br />

ren linkshemisphärischen Verarbeitung gelingt. Die<br />

9-12% mit (S)<strong>SES</strong><br />

kritische Phase dauert daher längstens bis 3 Jahre.<br />

Kiese-Himmel 13-20%: verspäteter Wort- Mögliche Ursache bezogen auf Wortschatzdefizit: Zeitfenster schliesst sich zunehmend u. ist spätestens<br />

schatzerwerb<br />

7-14% mit <strong>SES</strong><br />

Mangelnde Anregung aus Umwelt.<br />

mit Erreichen der Pubertät irreversibel geschlossen.<br />

Penner 15-20% eines Jahrgangs: Verzögerte Hörbahnreifung und weitere Faktoren (wie Modell von Locke massgebend: erworbene Ersatz-<br />

langsamerer Sprachlern- z.B. genetische Faktoren, Reifegrad bei Geburt u.a.): strategien können später (nach 20-36 Monaten)<br />

prozess<br />

Dadurch werden weniger Informationen aus Sprachinput<br />

aufgenommen und verarbeitet.<br />

kaum verändert werden.<br />

Suchodoletz 5-8% : Sprech- und Sprach- Vermutlich genetisch bedingte Reifungsverzögerung Kritische Phase: die ersten 3 Lebensjahre<br />

entwicklungsstörungen sprachspezifischer Hirnregionen; Umweltfaktoren und<br />

hirnorganische Schädigungen haben ebenfalls Einfluss<br />

Szagun 5-10% mit S<strong>SES</strong> Familiäre Vorbelastung, Defizite im Bereich der Wahr- Spracherwerb erfolgt individuell. Unbewusstes Lernen<br />

nehmung und Verarbeitung, Schwäche des Kurzzeit- der Grammatik in den ersten 24-36 Monaten.<br />

gedächtnisses<br />

Sensible Phase für die Grammatik: Zeitfenster bis <strong>zur</strong><br />

Pubertät, dann ist die Grammatik in der Erstsprache<br />

nicht mehr erlernbar.<br />

Zollinger ca. 10% mit <strong>SES</strong> Entwicklungsverzögerungen, Entwicklungsstörungen Wichtigste Regeln der Sprache und Kommunikation<br />

werden in den ersten 3-4 Jahren erworben.<br />

- 68 -


Tabelle <strong>zur</strong> Erfassung einer (S)<strong>SES</strong>:<br />

Vergleichs-<br />

punkte<br />

Erkennt Früherfassung (S)<strong>SES</strong>? In welchem<br />

Alter?<br />

Fox Ab ca. 2;8 J. Sprechentwicklungsstörungen<br />

oder phonologische Störungen<br />

feststellbar<br />

Ab 3;0 J. erste Einschätzung des Grammatikverständnisses<br />

möglich<br />

Grimm Ab 24 Mt. Erkennung von Risikokindern<br />

anhand des Wortschatzes. Erkennung<br />

von Verdachtskindern durch unterdurchschnittliche<br />

Werte im Bereich<br />

Wortschatz / Syntax / Morphologie<br />

Kauschke Diagnose erst mit 3 J. möglich, Risikofaktoren<br />

mit 2 J. feststellbar<br />

Kiese-Himmel Prognostische Einschätzung im Alter von<br />

2 J. möglich anhand des Wortschatzes.<br />

Penner Hörbahnreifemessung und weitere Faktoren<br />

könnten mit 6 Monaten <strong>SES</strong>gefährdete<br />

Kinder entdecken.<br />

Suchodoletz Risikodiagnose erst im Alter von 2 J.<br />

möglich (davor: individuelle Variabilität<br />

der Sprachentwicklung);<br />

Diagnose erst mit 3 J. möglich<br />

Je älter das Kind, desto zuverlässiger die<br />

Diagnose.<br />

Szagun Sprachstandserfassung zw. 18-30 Mt.:<br />

Kind im Normbereich od. nicht?<br />

Zu berücksichtigen:<br />

Bis ca. 30 Mt. sind Unterschiede im<br />

Sprachstand sehr gross (kann bis 12 Mt.<br />

betragen).<br />

Zollinger Durch Überprüfung der Vorausläuferfähigkeiten<br />

können <strong>SES</strong>-Risikokinder vor<br />

dem 24. Mt. erkannt werden (ELFRA-1).<br />

Anzeichen von (S)<strong>SES</strong> und für eine Intervention Zeitpunkt der Intervention<br />

Wörter werden immer wieder anders ausgesprochen;<br />

Schwierigkeiten mit Wortfindung;<br />

Sprechverweigerung; nicht verstanden werden;<br />

Rückzug; auffallend schlechtere Aussprache als<br />

Gleichaltrige;<br />

Verspäteter, verlangsamter Spracherwerb mit<br />

ev. Plateaubildung; Sprachproduktion <<br />

Sprachverständnis<br />

Verspäteter, verlangsamter Sprach- bzw. Lexikonerwerb<br />

Wortschatzarmut, Sprachentwicklungsverzögerung<br />

Weitere Diagnostik, wenn:<br />

18 Monate < 5Wörter<br />

22 Monate: keine resultativen Verben<br />

24 Monate < 50 Wörter<br />

Keine Produktion von: Murmelwörtern/ Wortbildungsregeln/<br />

auch/ nicht/ Besitz-s<br />

Frühsymptome:<br />

Schreien variationsarm, wenig Lallen, kein kanon.<br />

Lallen bis 11 Monate, wenig Reaktion auf<br />

Sprache; Produktion erster Wörter nach 18 Mt.,<br />

< 50 Wörter/kaum Zweiwortsätze mit 2 J. (=LT).<br />

2-3 J.: kleine(r) Wortschatz/Äusserungslänge,<br />

kaum Grammatikaufbau<br />

Frühsymptome:<br />

Spärliche Kommunikation durch Laute, Gesten,<br />

Lächeln; keine Reaktion auf Geräusche od.<br />

sprachliche Laute<br />

Wortschatz mit 30-36 Mt. nur 100-200 Wörter.<br />

Weder Sätze noch Wortendungen.<br />

Kein Interesse am Resultat von Handlungen<br />

oder der Wirkung von Worten. Eingeschränkter<br />

Wortschatz, einfache Syntax, Sprachverständnisschwierigkeiten,<br />

verwaschene Sprechweise.<br />

Therapiebeginn so früh als möglich. Sofortige<br />

Intervention, wenn Kind Störungsbewusstsein<br />

zeigt.<br />

Risikokinder und Verdachtskinder im Alter von 24<br />

Mt. weiter überprüfen und gegebenenfalls Therapie<br />

beginnen. Therapie so früh als möglich!<br />

Enge Beobachtung von LT im 3. LJ.<br />

Therapie mit 3 J., in schweren Fällen mit 2.5 J.<br />

Mit 2 J.: Intervention bei sprachentwicklungsverzögerten<br />

<strong>Kindern</strong> (Intervent. nach 3 J. weniger<br />

effektiv. Einbezug/Anleitung v. Umfeld wichtig.<br />

Hörbahnreifemessung bei Risikokindern mit 6<br />

Monaten wäre sinnvoll, aber kaum praktikabel;<br />

Intervention vor 12.-18. Monat am wirkungsvollsten,<br />

da noch keine Ersatzstrategien vorhanden;<br />

Spätestens bis 3 J. intervenieren<br />

Intensive Therapie im Vorschulalter, da Aufholen<br />

bis Schuleintritt für Schulerfolg u. Verhinderung<br />

Sekundärsymptomatik entscheidend.<br />

Begleitende Elternberatung.<br />

Abwarten unter Umständen möglich:<br />

bei unauffälligem Sprachverständnis u. unterstützendem<br />

Umfeld<br />

Da keine normativen Daten im Deutschen bzgl.<br />

frühen Spracherwerbs, sollte nicht zu schnell<br />

eine Spracherwerbsstörung diagnostiziert werden.<br />

Jedoch ist eine weitere Beobachtung von<br />

auffälligen <strong>Kindern</strong> angezeigt.<br />

Behandlung so früh als möglich beginnen. Entgegenwirken<br />

von Störungsbewusstseinsentwicklung.<br />

- 69 - 703


5 Schluss<br />

5.1 Beantwortung der Fragestellungen<br />

Sind Kinder mit einer <strong>SES</strong> oder S<strong>SES</strong> durch Früherfassung zu erkennen?<br />

Ja, (S)<strong>SES</strong>-Kinder sind durch Früherfassung zu erkennen. Das Teilsymptom einer Aussprachestö-<br />

rung kann mit 30 Monaten und eine (S)<strong>SES</strong> im Alter von 3 Jahren diagnostiziert werden.<br />

<strong>Eine</strong> Risikodiagnose ist schon 1-2 Jahre früher möglich.<br />

Zu welchem Zeitpunkt soll Früherfassung stattfinden, warum und in welcher Form?<br />

<strong>Eine</strong> Diagnose sollte bei Risikokindern mit 3 Jahren gestellt werden. Dazu sind vorerst Scree-<br />

nings und bei einer Auffälligkeit eine umfassendere Diagnostik zu empfehlen.<br />

Suchodoletz findet ein Abwarten bei unauffälligem Sprachverständnis und unterstützendem<br />

Umfeld gerechtfertigt. Szagun gibt zu bedenken, dass nicht zu schnell diagnostiziert, aber auf<br />

jeden Fall bei Auffälligkeiten weiter beobachtet werden sollte.<br />

Die Meinungen gehen vor allem beim Zeitpunkt der Risikodiagnose auseinander. Die indivi-<br />

duelle Sichtweise und der erwerbstheoretische Hintergrund spielen dabei eine Rolle.<br />

So propagiert Penner eine Erfassung mit 6 Monaten mittels Messung der Hörbahnreifung und<br />

weiterer Faktoren, weil seiner Ansicht nach ein Therapiebeginn mit 12-18 Monaten am effek-<br />

tivsten wäre. Die meisten Autoren empfehlen eine Erfassung von Risikokindern mit 18-24 Mo-<br />

naten, weil sie einen möglichst frühen Therapiebeginn aus Effektivitätsgründen und <strong>zur</strong> Ver-<br />

meidung einer Sekundärsymptomatik befürworten. <strong>Eine</strong> Intervention sollte möglichst vor dem<br />

Schliessen der für die Sprachentwicklung optimalen Zeitfenster erfolgen. Die Form der Früher-<br />

fassung ist je nach theoretischem Hintergrund verschieden. Verbreitet ist die Erhebung von<br />

Wortschatz und Grammatik mittels Elternbefragung. Zollinger beobachtet verschiedene<br />

Kompetenzbereiche des Kindes in Spielsituationen, Penner legt den Schwerpunkt auf die Pro-<br />

sodieentwicklung und Kauschke erstellt ein Sprachprofil auf allen sprachlichen Ebenen.<br />

Welche ab dem Jahr 2000 oder später verfassten bzw. revidierten Früherfassungsinstrumente<br />

gibt es und was bieten sie?<br />

Zur Beantwortung dieser Frage verweisen wir auf die tabellarische Übersicht im Kapitel 4.2<br />

und auf die Portraits der Testverfahren im Anhang.<br />

Auf welchen Erwerbstheorien und Meinungen gründen diese Früherfassungsinstrumente?<br />

Die Erwerbstheorien sind ausführlich im Kapitel 2 beschrieben. <strong>Eine</strong> kurz zusammengefasste<br />

Wiedergabe dieser Inhalte ist an dieser Stelle nicht möglich. Speziell erwähnen möchten wir<br />

die dort enthaltenen Übersichtspläne der altersentsprechenden ungestörten Sprachentwick-<br />

lung. Sie erlauben die Einordnung einer Auffälligkeit in die Norm und sind daher – auf dem<br />

Hintergrund der weiteren theoretischen Ausführungen - grundlegend für die Beurteilung, ob<br />

bei einem Kind eine weitere Beobachtung, Diagnostik oder Therapie angebracht ist oder<br />

nicht.<br />

- 70 - 713


5.2 Konsequenzen für die Praxis<br />

Aufgrund der Tatsache, dass jedes zehnte bis zwanzigste Kind von einer (S)<strong>SES</strong> betroffen ist<br />

und die langfristigen Auswirkungen weitreichend sind, hat der Umgang mit Risikokindern in<br />

der Praxis grosse Bedeutung.<br />

Trotzdem möchten und können wir kein Rezept abgeben, sondern fordern jede Logopädin<br />

dazu auf, sich auf dem Hintergrund der verschiedenen Erwerbstheorien eine eigene Meinung<br />

zu den Erfassungsinstrumenten und dem Zeitpunkt der Früherfassung zu bilden.<br />

Mit unseren aktuellen Kenntnissen befürworten wir eine Risikodiagose zwischen 1.5 und 2 Jah-<br />

ren, welcher bei auffälligen <strong>Kindern</strong> eine aufmerksame Beobachtung und eventuelle Beglei-<br />

tung der Eltern folgen sollte. Mit spätestens 3 Jahren ist bei andauernden Spracherwerbs-<br />

schwierigkeiten eine weiterführende Diagnostik bzw. Therapie und Elternberatung zu empfeh-<br />

len.<br />

Damit möglichst viele Kinder im entsprechenden Alter erfasst werden, sind gesundheitspoliti-<br />

sche Schritte in Richtung eines einheitlichen flächendeckenden Screenings notwendig. Als<br />

Logopädinnen können wir uns dafür einsetzen und in der Öffentlichkeit Aufklärungs- bzw.<br />

Überzeugungsarbeit leisten.<br />

5.3 Reflexion des Arbeitsprozesses<br />

Wir haben ein Thema gewählt, welches uns beide einerseits sehr interessierte und uns ande-<br />

rerseits als enorm wichtig erschien. <strong>Kindern</strong> einen optimalen Start ins Leben zu geben, gehört<br />

unbestritten zu den wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft. Dazu zählt auch eine unge-<br />

störte Sprachentwicklung. Aus logopädischer Sicht ist es ungemein wichtig, über die unge-<br />

störte Sprachentwicklung wie auch über Anzeichen von Störungen Bescheid zu wissen.<br />

Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Autorinnen und Autoren, ihren Ansichten,<br />

Meinungen und ihren entwickelten Verfahren, erweiterte unsere Sichtweise. Es hat uns von<br />

Anfang an fasziniert und nicht mehr losgelassen.<br />

Zu Beginn der Arbeit einigten wir uns auf Themenbereiche, aufgrund derer wir die ungestörte,<br />

sowie die gestörte Sprachentwicklung aufzeigen wollten. Während des Arbeitsprozesses war<br />

es jedoch nötig, die Rubriken individuell leicht anzupassen.<br />

Die intensive Zusammenarbeit forderte manche Diskussion und sorgte auch hie und da für<br />

heisse Köpfe. Trotzdem oder gerade deshalb blieben wir nie an Ort und Stelle stehen, sondern<br />

bewegten uns stetig, wenn auch manchmal in sehr kleinen Schritten, vorwärts.<br />

Wir sind überzeugt, dass uns die Auseinandersetzung und Vertiefung mit dem Thema von<br />

grossem Nutzen in unserer zukünftigen Tätigkeit als Logopädinnen sein wird.<br />

- 71 - 723


5.4 Ausblick<br />

Während dem Verfassen dieser Arbeit sind mehrere weiterführende Fragen bzw. Themen<br />

aufgetaucht, auf die wir leider aus zeitlichen Gründen nicht eingehen konnten:<br />

Für die logopädische Praxis wäre es wichtig, verschiedene Therapieansätze für die unter-<br />

schiedlichen Alter und Störungsschwerpunkte zu kennen. <strong>Eine</strong> weiterführende Arbeit könnte<br />

als <strong>Orientierungshilfe</strong> diese Ansätze im Überblick darstellen.<br />

Ebenfalls nützlich wäre es, zu untersuchen, welche Therapieansätze erfolgsversprechend sind<br />

und ob es Studien bezüglich deren Effizienz gibt.<br />

Die Darstellung der neueren Forschungsergebnisse bezüglich Erkennung von Risikokindern<br />

wäre sinnvoll, da die Resultate Konsequenzen für das Vorgehen bei der Früherfassung nach<br />

sich ziehen. Studien <strong>zur</strong> Unterscheidung von Late Talkern und Late Bloomern sind <strong>zur</strong>zeit im<br />

Gange oder wurden vor kurzem abgeschlossen, u.a. am Kinderspital Zürich in Zusammenar-<br />

beit mit der Abteilung Entwicklungspädiatrie unter der Leitung von Hilda Geissmann.<br />

5.5 Dank<br />

Wir danken Susanne Kempe Preti für ihre Unterstützung, Begleitung und Beratung bei unserer<br />

Bachelor-Arbeit. Ebenfalls möchten wir unseren Familien und Freunden danken, die uns wäh-<br />

rend des Arbeitsprozesses unterstützt, ermuntert und aufgebaut haben. Herzlichen Dank an all<br />

jene Personen, welche durch ihre wertvollen Tipps, Hinweise und Vorschläge unsere Arbeit<br />

bereichert und uns zum Nachdenken und Weiterdenken animiert haben.<br />

Ein herzliches Dankeschön allen, die dazu beigetragen haben, dass unsere Arbeit gelingen<br />

konnte.<br />

- 72 - 733


6 Literaturverzeichnis<br />

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7 Anhang<br />

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