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Kurze Geschichte der württembergischen Familie Paulus/Hoffmann

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glomerat verschiedenster Traditionen in den neu hinzu gewonnenen Herrschaften ein einheitliches Reich schaffen. Autoritär<br />

erließ er die verschiedenen Gesetze und Vorschriften und ahndete selbst kleinste Kritik hart77 . Das musste auch Carl Friedrich<br />

<strong>Paulus</strong> (P2, P4, P5, P6, P7, P8, FN 51) verspüren.<br />

Der König regierte nämlich als oberster Bischof auch in die evangelische Kirche seines Landes hinein. Zum 1. 1. 1809<br />

führte er eine neue Liturgie ein. Sie sollte <strong>der</strong> rein christlichen Erbauung und Belehrung dienen und <strong>der</strong> Bildung des gegenwärtigen<br />

Zeitalters angemessener sein. Von den Geistlichen wurde erwartet, dass sie jede Än<strong>der</strong>ung unterlassen und den Absichten<br />

des Königs entsprechen sollten78 . Pietistische Kreise im Lande konnten sich mit den dort nie<strong>der</strong>gelegten Formulierungen<br />

zum Beispiel <strong>der</strong> Taufe nicht anfreunden. Man vermisste vor allem die bisher in <strong>der</strong> Taufliturgie benutzte Absage an den<br />

Teufel mit allem seinem Werk und Wesen und sah in ihrem Fehlen eine Absage an den wahren christlichen Glauben. Die innerkirchliche<br />

Opposition war bereit, lieber die gesetzlich festgelegte Strafe zu zahlen, als ein Kind zur Taufe in die Kirche zu<br />

bringen. Statt dessen führte sie Haustaufen mit <strong>der</strong> alten Liturgie ein79 . Einer <strong>der</strong> Opponenten gegen diese neue Ordnung war<br />

<strong>der</strong> letzte Vikar von Philipp Matthäus Hahn und jetzige Pfarrer in Winzerhausen Johann Jacob Frie<strong>der</strong>ich. Er wurde seines<br />

Amtes enthoben. Aber auch <strong>der</strong> Korntalgrün<strong>der</strong> Gottlieb Wilhelm <strong>Hoffmann</strong> (H1), auf den wir noch zu sprechen kommen, gehörte<br />

dieser Opposition genauso an80 , wie Beate <strong>Paulus</strong> geborene Hahn, die Ehefrau von Carl Friedrich <strong>Paulus</strong>, und ihre Mutter<br />

Beate Regina Hahn geborene Flattich. Allerdings waren sie nach außen hin nicht aktiv son<strong>der</strong>n gingen in die innere Opposition.<br />

An<strong>der</strong>s dagegen Carl Friedrich <strong>Paulus</strong>. Er lies in <strong>der</strong> Öffentlichkeit abfällige Bemerkungen zur neuen Liturgie fallen,<br />

die seinen Vorgesetzten hinterbracht wurden. Die Kirchenleitung rüffelte ihn, er solle nicht raisonieren son<strong>der</strong>n seinen<br />

Pfarrkin<strong>der</strong>n die Neuerung erklären. Er war nun bei <strong>der</strong> Kirchenleitung angeschwärzt. Dagegen nütze auch nicht mehr, dass<br />

<strong>der</strong> König am 6. 12. 1819 allen Geistlichen, die vor <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> neuen Liturgie angestellt waren, die Nutzung <strong>der</strong> alten<br />

Liturgie weiterhin gestattete. Carl Friedrich <strong>Paulus</strong> (P2, P4, P5, P6, P7, P8, FN 51) gehörte zu dieser Gruppe. Aber den Makel<br />

des von <strong>der</strong> obersten Kirchenbehörde des Landes Gemaßregelten bekam er nicht mehr los.<br />

Der älteste Sohn eines herzoglich wirtembergischen Hofrats musste allen Hoffnungen auf eine Karriere innerhalb <strong>der</strong> Kirche<br />

entsagen. Von nun an regierte Schmalhans in seinem Pfarrhaus. Nur um aus dem Bereich des Dekans wegzukommen, <strong>der</strong><br />

den Rüffel ausgesprochen hatte, ging er als Nachfolger des Vaters des Korntalgrün<strong>der</strong>s Gottlieb Wilhelm <strong>Hoffmann</strong> (H1) 1810<br />

auf die noch schlechter als Klosterreichenbach besoldete Pfarrei Ostelsheim bei Weil <strong>der</strong> Stadt. Eine finanzielle Verbesserung<br />

brachte die Versetzung in die Pfarrei Talheim bei Tuttlingen, für die sich sein Vetter H E G (P2, P3, FN 11) von Heidelberg aus<br />

bei <strong>der</strong> Kirchenleitung einsetzte81 . Aber inzwischen war die Kin<strong>der</strong>zahl so groß geworden, dass die Besoldung nicht dazu<br />

reichte, gleichzeitig den von seinem Elternhaus übernommenen Lebensstil zu halten und das Schulgeld für die Söhne zu bezahlen.<br />

Wahrscheinlich vergällte ihm auch noch eine schmerzhafte Krankheit das Leben. Er starb am 22. 11. 1828 und hinterließ<br />

seiner Witwe Beate <strong>Paulus</strong> geborene Hahn (P2, P4, P5, P6, P7, P8) sechs Söhne, von denen fünf noch in <strong>der</strong> Ausbildung<br />

steckten.<br />

Spätestens seit ihrer talheimer Zeit nahm sie das Ru<strong>der</strong> im Pfarrhaus in die Hand. Unterstützt wurde sie dabei von ihrer<br />

Mutter Beate Regina Hahn geborene Flattich, die einen großen Teil ihres Vermögens für die Ausbildung ihrer Enkel im talheimer<br />

Pfarrhaus opferte. Beide Frauen waren davon überzeugt, dass die Theologie und die Erbauungsschriften von Philipp<br />

Matthäus Hahn, des Vaters von Beate <strong>Paulus</strong> geborene Hahn, wesentliche Erkenntnisse enthielten, die nicht in Vergessenheit<br />

geraten durften. Beide bemühten sich zum Teil erfolgreich darum, hinterlassene, heute bei <strong>der</strong> Württembergischen Landesbibliothek<br />

in Stuttgart aufbewahrte Manuskripte zum Druck zu beför<strong>der</strong>n. Aber sie wussten auch, dass das Andenken an die<br />

Vorfahren nur lebendig bleiben konnte, wenn die nächste Generation in <strong>der</strong> Lage war, sich selbstständig mit dem geistigen<br />

Erbe ihres Großvaters auseinan<strong>der</strong> zu setzen. Dazu war aber, wie sie beide wussten, eine entsprechende geistige Vorbildung<br />

nötig. Ihre Söhne mussten also alle eine höhere Schule besuchen, um dort den Hochschulabschluss zu erreichen. Außerdem<br />

mussten einige Theologie studieren.<br />

Dieser Schulbesuch war aber damals teuer. Es musste ja nicht nur ein Schulgeld bezahlt werden. Die Verkehrsverhältnisse<br />

in dem abgelegenen Talheim, dessen Zugänge im Winter bei Schneefall nicht durchgehend frei gehalten werden konnten, gestatten<br />

keinen regelmäßigen Besuch eines Gymnasiums zum Beispiel in <strong>der</strong> zwölf Kilometer entfernten Kreisstadt Tuttlingen<br />

von zu Hause aus. Also musste auch noch Kost und Logis für jeden Sohn aufgebracht werden. Da war es ein Glück, dass Beate<br />

Regina Hahn geborene Flattich zu einem ihre Stiefbrü<strong>der</strong> gezogen war, <strong>der</strong> Apotheker in <strong>der</strong> mit einem Gymnasium versehenen<br />

Stadt Güglingen bei Maulbronn war. Dort konnten die drei ältesten Söhne Doktoronkel Doktoronkel Friedrich Friedrich (Fritz) (P4, FN 512),<br />

Apotheker Apotheker Wil Wilhelm Wil helm (H1, P5, FN 513) und Philipp Philipp Philipp <strong>Paulus</strong> <strong>Paulus</strong> (P6, FN 514) bei fast freier Kost und Logis die Hochschulreife erwerben.<br />

Ja, Philipp bestand sogar das Landexamen und absolvierte die kostenlose Ausbildung zum Theologen als Stiftler in den<br />

Klosterschulen und an <strong>der</strong> Universität Tübingen. Wilhelm wurde zum Apotheker ausgebildet und Fritz nach vielem hin und<br />

her Arzt. Ihre zwei jüngeren Brü<strong>der</strong> Stoffel Stoffel Christoph Christoph <strong>Paulus</strong> (P8 FN 515) und Immanuel <strong>Paulus</strong> <strong>Paulus</strong> (P6, FN 516) konnten bei<br />

zwei in Stuttgart in <strong>der</strong> Verwaltung arbeitenden Brü<strong>der</strong>n von Carl Friedrich <strong>Paulus</strong> für die Zeit untergebracht werden, in <strong>der</strong><br />

sie sich auf die Hochschulreife vorbereiteten. Stoffel wurde - allerdings erst nach dem Tode seines Vaters - Bergbauingenieur<br />

und Immanuel Theologe. Der jüngste Bru<strong>der</strong> Gottlob Gottlob <strong>Paulus</strong> (P8 FN 519) war beim Tod seines Vaters erst acht Jahre alt. Er<br />

konnte zunächst noch die Volksschule am Ort besuchen. Aber auch er erreichte später den Hochschulabschluss auf <strong>der</strong><br />

Schule und studierte erfolgreich Medizin.<br />

Über diese Zeit berichtet Stoffel: In meinem zwölften Lebensjahr wurde ich von dem einförmigen Landleben Talheim‘s in das<br />

geschliffene, vielbewegte Treiben <strong>der</strong> Stuttgarter Bevölkerung versetzt und durchwan<strong>der</strong>te täglich die Straßen <strong>der</strong> Hauptstadt in<br />

ihrer damaligen größten Ausdehnung; denn ich hatte Wohnung Frühstück und Abendessen beim Onkel Onkel Helm Karl Karl Wilhelm Wilhelm Pau-<br />

Pau<br />

lus lus (P2, P3, FN 52), einem Bru<strong>der</strong> seines Vaters, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Paulinenpflege gegenüber in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Büchsenstraße wohnte, das<br />

Mittagessen aber beim Onkel Heiner Karl Karl Karl Heinrich Heinrich Heinrich Ernst <strong>Paulus</strong> (P2, FN 53), auch einem Bru<strong>der</strong> seines Vaters, <strong>der</strong> zwar anfangs<br />

mit Onkel Helm im gleichen Haus war, bald nachher aber ein Haus am St. Leonhardsplatz bezog. In beiden <strong>Familie</strong>n fand<br />

ich eine freundliche Aufnahme und ward gehalten wie die eigenen Kin<strong>der</strong>.<br />

77 Gerhard Schäfer, zu erbauen und zu erhalten das rechte Heil <strong>der</strong> Kirche, Stuttgart 1984 Seite 203<br />

78 Gerhard Schäfer, aaO S, 206 bis 207<br />

79 Hartmut Lehmann, Pietismus und weltliche Ordnung in Württemberg vom 17. bis zum 20. Jahrhun<strong>der</strong>t, Stuttgart Berlin Köln Mainz 1969<br />

Seite 163<br />

80 Hartmut Lehmann, aaO Seite 164<br />

81 FBP, Seite 46<br />

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