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Kurze Geschichte der württembergischen Familie Paulus/Hoffmann

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land konnten bei dem damaligen Transportverhältnissen auch während <strong>der</strong> großen Sommerferien nicht nach Hause reisen.<br />

Um in diesen Wochen einen großen Hausputz durchführen zu können, gab es jeden Sommer eine Wan<strong>der</strong>ung in den Alpen<br />

o<strong>der</strong> nach Oberitalien. Genua wurde auf Schusters Rappen von einer Schülergruppe unter Leitung von mehreren Lehren erreicht.<br />

Gemäß <strong>der</strong> damaligen Pädagogik wurde im <strong>Paulus</strong>‘schen Institut viel auswendig gelernt. Das Schuljahr war in zwei Semester<br />

geteilt, an <strong>der</strong>en Ende eine öffentliche Prüfung stattfand, zu <strong>der</strong> auch die Eltern eingeladen wurden. An den Schulbetrieb<br />

<strong>der</strong> Jahre um 1850 erinnerte sich <strong>der</strong> Sohn des Apothekers Wilhelm <strong>Paulus</strong> (H1, P5, FN 513), Döte Immanuel Philipp<br />

Gottlieb <strong>Paulus</strong> (H1, P5, FN 513 3) in seinem Alter124 : Onkel Onkel Höhn (P6) 125 hatte eine vorzügliche Gabe zu erzählen. Weshalb <strong>der</strong><br />

Geschichtsunterricht bei ihm sehr anregend war und mir zeitlebens die <strong>Geschichte</strong> zur Lieblingswissenschaft wurde, in <strong>der</strong> ich<br />

auch doktorierte. Auch hatte man ihn beson<strong>der</strong>s gerne als Führer bei Exkursionen, weil er unterwegs so vieles so schön erzählte.<br />

Auch bei unseren Spielen tat er sehr eifrig mit, so weit sein an Blindheit streifendes kurzes Gesicht es gestattete. Doch war er in <strong>der</strong><br />

Schule keineswegs mild und lax. Er gab sehr scharfe Tatzen und Hosenspanner126 , wo es Not tat. Wir mussten unser Leitfaden von<br />

<strong>Hoffmann</strong> (H1, P7) 127 in <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> gut auswendig lernen und fließend hersagen, ehe er das hier kurz Zusammengefasste in<br />

lebensvoller Ausführlichkeit erzählte und lebendig vortrug, so dass man es fast nicht vergessen konnte.<br />

Geographie hatte wir bei Onkel Immanuel (P6, FN 516), <strong>der</strong> uns diktierte, was auswendig zu lernen war, und auch die Geographie<br />

uns lieb machte, obwohl die Repetitionen am Semesterschluss viel Auswendiglernen mit sich brachten. Onkel Immanuel ...<br />

war als <strong>der</strong> strengste Lehrer sehr gefürchtet. Wir hatten auch Griechisch bei ihm und mussten tüchtig lernen, so dass uns die letzten<br />

Semesterwochen vor dem Examen in den verschiedene Fächern sehr beschwerliche, arbeitsreiche Zeiten waren. Wir sagten einan<strong>der</strong><br />

auf Spaziergängen von 1 bis 2 Uhr, o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Freizeit von 4 bis 5 Uhr die Geographie her, die zu lernen war. Einmal lag<br />

<strong>der</strong> Haushund Sultan vor dem Haus in <strong>der</strong> Sonne, als ich einem Kameraden die Geographie hersagte und so nur und nur voll<br />

Angst, wie es uns gehen werde, um 2 Uhr Läuten hörte zum Beginn <strong>der</strong> Geographiestunde. Da seufzte mein Kamerad: „Ach, wenn<br />

ich nur ein Stunde lang ein Sultan wäre und jetzt in <strong>der</strong> Sonne liegen könnte, statt ins Examen zu gehen!“<br />

Ein sehr hoch geschätzter und verehrter Lehrer, aber wegen seiner konsequenten Strenge auch gefürchteter Lehre war Christoph<br />

<strong>Hoffmann</strong> (H1, P7). ....Bei Onkel Immanuel hatte ich Deutsche Literaturstunde, die mir das liebste Fach wurde, wie schon vorher<br />

Höhn durch Stillehre und Rethorik mir dafür Sinn und Freude geschenkt hatte. Bei Onkel Philipp (P6, FN 514) hatte ich Hebräisch.<br />

Wir lernten aber wenig, weil er nicht streng war, auch die Stunden öfters ausfallen ließ.<br />

Trotz dieser Schil<strong>der</strong>ung des Unterrichtsbetriebes auf dem Salon handelte es sich um keine reine Paukschule. Immer wie<strong>der</strong><br />

gab man den Zöglingen die Möglichkeit, sich in Spielen o<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ungen auszutoben. Typisch dafür ist <strong>der</strong> Tod <strong>der</strong><br />

Beate <strong>Paulus</strong> geborene Hahn (P2, P4, P5, P6, P7, P8). Weil im Januar 1842 genügend Schnee gefallen war, beschloss man eine<br />

große Schneeburg zu bauen. Man teilte die Schüler in Verteidiger und Angreifer. Beate half den Angreifern, in dem sie ihnen<br />

immer wie<strong>der</strong> neue Schneebälle zubrachte. Dabei holte sie sich eine Lungenentzündung,, die schließlich zu ihrem Tod<br />

führte128 . Ihr Grab auf dem alten Friedhof in Kornwestheim wurde bis 1945 von den Frauen <strong>der</strong> Kirchengemeinde gepflegt<br />

und ist heute noch erhalten.<br />

Während129 <strong>der</strong> folgenden Jahre polarisierte sich die Theologie in zwei konträre Richtungen. Die Liberale Theologie trachtete<br />

mit den Methoden <strong>der</strong> Wissenschaft die Erzählungen <strong>der</strong> Bibel - und hier wie<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Evangelien - dem Verstande<br />

zu erklären. Der Pietismus hielt weiter an dem wörtlichen Sinn <strong>der</strong> Erzählungen fest. Wun<strong>der</strong> waren für ihn nach wie<br />

vor ein wichtiger Beweis für die Richtigkeit des Glaubens. Die Brü<strong>der</strong> <strong>Paulus</strong> und Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong> (H1,<br />

P7) hielten sich zum pietistischen Lager. Sie wurden sogar in ihrer Polemik gegen die liberale Theologie aktiv. Aus diesem<br />

Bestreben ging eine Wochenschrift Die Süddeutsche Warte hervor, die von Philipp <strong>Paulus</strong> (P6, FN 514), seinem Bru<strong>der</strong> Immanuel<br />

<strong>Paulus</strong> (P6, FN 516) und seinem Schwager Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong> (H1, P7) herausgegeben wurde. Tempelgrün<strong>der</strong><br />

Christoph <strong>Hoffmann</strong>, später Immanuel <strong>Paulus</strong> waren die Chefredakteure. Die erste Nummer erschien am 17. 5. 1845.<br />

Man erreichte mehr als tausend Abonnenten130 Das Unternehmen trug sich finanziell.<br />

Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong> (H1, P7) wurde dann im Wahlkreis Ludwigsburg zum großen Ärger <strong>der</strong> Städter vor allem<br />

durch den ländlichen Bevölkerungsteil im Frühjahr 1848 zum Abgeordneten in <strong>der</strong> Deutschen Nationalversammlung in<br />

<strong>der</strong> Paulskirche in Frankfurt am Main gewählt. Er trat dort erfolglos als Einzelkämpfer für die Trennung von Staat und Kirche<br />

sowie die Loslösung <strong>der</strong> Schule von <strong>der</strong> kirchlichen Aufsicht ein. Enttäuscht legte er sein Mandat nie<strong>der</strong> und kehrte im März<br />

1849 auf den Salon zurück131 . Das war gerade noch rechtzeitig, bevor die radikaleren Kreise des Paulskirchenparlaments<br />

durch Revolutionen in den Einzelnen deutschen Län<strong>der</strong> versuchten, die dort erarbeitete Verfassung gegen die regierenden<br />

Monarchen durchzusetzen. Es kam zu einem förmliche Krieg preußischer Truppen gegen die Revolutionsanhänger in <strong>der</strong><br />

Pfalz und in Baden.<br />

Der Sohn des Apothekers Wilhelm <strong>Paulus</strong>, Döte Immanuel Philipp Gottlieb <strong>Paulus</strong> (P5, FN 513 3) <strong>der</strong> 1848 in den Salon<br />

eingeschult worden war, erinnerte sich in seinem Alter an diese Zeit: Nach <strong>der</strong> für die preußischen Truppen siegreichen<br />

Schlacht bei Waghäusel im Jahre 1849 kam nach dem Nachtessen ein Mann in die grüne Stube132 , <strong>der</strong> von Waghäusel auf den<br />

Salon geflohen war. Alle sahen ihn verwun<strong>der</strong>t an, weil er einen ellenlangen Demokratenbart hatte. Da sagte er: „Sie wun<strong>der</strong>n<br />

sich über meinen langen Bart? Es ist das Einzige, was mir noch wächst auf dieser Erde.“ Er blieb über Nacht auf dem Salon, <strong>der</strong><br />

zwar ein Vorkämpfer war gegen die Revolution, aber doch die Flüchtlinge beherbergte und weiter ziehen ließ, ohne sie anzugeben133<br />

Sein Ausflug in die Politik hatte dem Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong> (H1, P7) gezeigt, dass das Christentum nicht<br />

124 Döte Immanuel Philipp Gottlieb <strong>Paulus</strong> aaO Seite 4 und 5<br />

125 Beate Eleutherie geborene <strong>Paulus</strong>, die älteste Tochter <strong>der</strong> Beate <strong>Paulus</strong> geborenen Hahn hatte am 20. 5. 1845 den Lehrer auf dem Salon<br />

Johann Ludwig Höhn geheiratet<br />

126 Schläge mit einem Stock auf die Finger o<strong>der</strong> das Gesäß<br />

127 Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong><br />

128 Philipp <strong>Paulus</strong>, aaO Seite 251<br />

129 Das Folgende, falls nicht an<strong>der</strong>s vermerkt, nach Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong>, aaO Band 2, ab Seite 195<br />

130 Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong>, Mein Weg nach Jerusalem, Band 2 Jerusalem 1884 Seite 153 bis 154<br />

131 Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong> aa.O Band 2 Seite 195 bis 194<br />

132 In <strong>der</strong> grünen Stube auf dem Salon saßen zum Tagesausklang alle <strong>Familie</strong>nangehörigen zusammen. Manchmal war Döte ebenfalls<br />

dabei.<br />

133 Döte Immanuel Philipp Gottlieb <strong>Paulus</strong>, aaO Seite 5 bis 6<br />

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