Kurze Geschichte der württembergischen Familie Paulus/Hoffmann
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kannte, eisern festhielt, ohne sich einschüchtern zu lassen, die schwerste Krise <strong>der</strong> Gesellschaft überwunden. Langsam durfte <strong>der</strong><br />
geprüfte Mann, dem <strong>der</strong> Konflikt auch persönlich sehr nahe gegangen war, sehen, dass sein Wirken einen gewissen Erfolg zeitigte.<br />
Das größte Ereignis für die Tempelkolonien in Palästina in dieser Zeit war <strong>der</strong> Besuch des Vor<strong>der</strong>en Orients durch den Deutschen<br />
Kaisers Wilhelm II. vom 25. Oktober bis 26. November 1898 255 . Er kam um die für die protestantische deutschsprachige<br />
Gemeinde in Jerusalem errichtete Erlöserkirche einzuweihen. Aber es konnte nicht ausbleiben, dass er auch mit <strong>der</strong> Tempelgesellschaft<br />
in Kontakt kam, <strong>der</strong>en Bemühen um die wirtschaftliche Hebung des Landes er sehr wohl wollend betrachtete.<br />
Ihre Vorsteher Stoff Gottlob Christoph Immanuel <strong>Hoffmann</strong> (P7, FN 518 2) überreichte ihm während eines Empfangs in Jaffa<br />
am 28. Oktober 1898 ein Album, das Werden und den erreichten Stand <strong>der</strong> Tempelkolonien in Palästina dokumentierte. Vier<br />
beigegebene Aquarelle von Gustav Bauernfeind stellten die vier Kolonien Jerusalem, Jaffa, Sarona bei Jaffa und Haifa auch im<br />
Bild vor. In einem statistischen Teil wird <strong>der</strong> Umfang des gemeinsamen Werkes zahlenmäßig zusammengestellt.<br />
Danach lebten in <strong>der</strong> Kolonie:<br />
Jerusalem 302 Personen (einschl. 16 nicht <strong>der</strong> Tempelgesellschaft angehörende)<br />
Haifa 566 Personen (einschl. 156 nicht <strong>der</strong> Tempelgesellschaft angehörende)<br />
Jaffa 320 Personen (einschl. 86 nicht de Tempelgesellschaft angehörende)<br />
Sarona 243 Personen (einschl. 7 nicht <strong>der</strong> Tempelgesellschaft angehörende)<br />
Unter diesen befanden sich 4 Apotheker, 5 Ärzte, 2 Ingenieure, 19. Kaufleute und 14 Lehrer o<strong>der</strong> Lehrerinnen.<br />
Durch diese Kaiserreise rückte die Arbeit <strong>der</strong> Tempelgesellschaft im Heiligen Land auch in das deutsche öffentliche Interesse.<br />
Bei <strong>der</strong> Audienz des Tempelvorstehers in Berlin erhielt er 1899 Zusagen bezüglich einer Reihe von Sorgen spezieller und<br />
allgemeiner Art, die das ottomanische Grundrecht und sonstige, die Templer in Palästina berührenden Dinge (Verleihung <strong>der</strong><br />
Rechtsfähigkeit an die Gesellschaft, konsularischer Schutz, Wie<strong>der</strong>erwerb verlorener Nationalität, Schulkosten, Kolonisationsdarlehen<br />
u. a. m.) einschlossen. 1902/1903 konnte Wilhelma gegründet werden. 1906 wurde Betlehem bei Haifa eingeweiht. Ende<br />
1906 verlieh <strong>der</strong> Bundesrat dem Verein <strong>der</strong> Tempelgesellschaft die Rechtsfähigkeit. 1905 kam die Einigung über die gemeinsame<br />
Schule in Jerusalem zustande. 1907/08 gewann die Pensionskasse <strong>der</strong> Gesellschaft Gestalt. Die Finanzen <strong>der</strong> Gesellschaft waren<br />
geordnet, die Schulden bezahlt, die Kredite gesichert. Eine unendlich mühselige Arbeit steckt hinter diesen wenigen Worten. Neben<br />
ihr liefen die Sorgen um die Schulung und Erziehung, den Nachwuchs, die „Warte“ und eine riesige Korrespondenz256 .<br />
Als Stoff Gottlob Christoph Immanuel <strong>Hoffmann</strong> (P7, FN 518 2) am 11. 1. 1911 starb, hatte sich die Tempelgesellschaft im<br />
Heiligen Land konsolidiert. Die Anzahl ihrer Kolonien in Palästina war auf sechs angewachsen. Aber auch in Württemberg, in<br />
den USA und in Südrussland gab es Gemeinden <strong>der</strong> Tempelgesellschaft. Stuttgart blieb für sie ein Mittelpunkt. Dort hatte Jo-<br />
Jo<br />
nathan nathan Friedrich Ludwig <strong>Hoffmann</strong> <strong>Hoffmann</strong> genannt Jona Jona Jona (P7, FN 518 4), ein weiterer Sohn des Tempelgrün<strong>der</strong>s Christoph <strong>Hoffmann</strong><br />
(H1, P7, FN 518) die Leitung des deutschen Bezirks und die Schriftleitung <strong>der</strong> Warte des Tempels übernommen. Im Hauptberuf<br />
war er Lehrer. Am 28. 4. 1881 heiratete er in Jerusalem Charlotte Charlotte Frie<strong>der</strong>ike geborene geborene <strong>Paulus</strong> <strong>Paulus</strong> genannt genannt Rika Rika (P6, P7, FN<br />
516 4). Sie war als Tochter von Johann Immanuel Martin <strong>Paulus</strong> (P6, FN 516), einem <strong>der</strong> Söhne <strong>der</strong> Beate <strong>Paulus</strong> geborene<br />
Hahn (P2, P4, P5, P6, P7, P8) seine Kusine. Mit dieser Heirat beginnt <strong>der</strong> engere Zusammenschluss <strong>der</strong> <strong>Familie</strong>n <strong>Paulus</strong> und<br />
<strong>Hoffmann</strong>, weil auch zukünftig immer wie<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Tempelgesellschaft aus <strong>der</strong> einen <strong>Familie</strong> Töchter <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
<strong>Familie</strong> zur Lebensgefährtin wählten.<br />
In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg hatten die Kolonien <strong>der</strong> Tempelgesellschaft eine goldene Zeit. Die Industrialisierung in<br />
Deutschland hatte ihren Handwerkern Industrievertretungen von Deutschen Firmen im Lande gebracht. Die Ausfuhr von<br />
Orangen und an<strong>der</strong>en Früchten vor allem nach Deutschland verhalf den in <strong>der</strong> Landwirtschaft Tätigen zu einem guten Lebensunterhalt.<br />
Die Finanzierung <strong>der</strong> Schulen war gesichert. Der für seine Objektivität gerühmte Reiseführer Mittelmeer des Verlags<br />
Karl Baedeker von 1909 berichtete über Haifa: Handel und Gewerbe sind großenteils in den Händen <strong>der</strong> 1869 gegründeten deutschen<br />
Tempelkolonie, <strong>der</strong>en Nie<strong>der</strong>lassung im Nordwesten <strong>der</strong> Altstadt von dem sonstigen orientalischen Schmutz seltsam absticht257 .<br />
Aber auch bei den Methodisten gab es <strong>Familie</strong>nglie<strong>der</strong>, die eine führende Position einnahmen. Hier ist vor allem August August Jo-<br />
Jo<br />
hann hann hann Bucher Bucher (P4) zu nennen, <strong>der</strong> am 23. 6. 1885 in Zürich Maria Maria Christiane Christiane Beate Beate Gebhardt (P4, FN 512 1) heiratete, die älteste<br />
Tochter des Sänger des Kreuzes Ernst Heinrich Gebhardt (P4). Er war schon als Methodist mit siebzehn Jahren 1879 in die USA<br />
ausgewan<strong>der</strong>t und hatte am German Wallace College an <strong>der</strong> Baldwin-University in Berea/Ohio Theologie studiert. Dann übte er<br />
den Beruf eines methodistischen Predigers in <strong>der</strong> Deutschen Methodistischen Kirche in den USA bei verschiedenen Gemeinden<br />
aus258 . 1893 erreichte ihn ein Ruf an das Theologische Seminar <strong>der</strong> Bischöflichen Methodistenkirche, für die Ausbildung von<br />
Predigern, das von Bremen nach Frankfurt am Main umgezogen war. Im Jahre 1910 wurde er nach den USA berufen. Dort verfasste<br />
er unter an<strong>der</strong>en Schriften im Jahre 1912 die Biografie seines Schwiegervaters, des Sängers des Kreuzes Ernst Heinrich<br />
Gebhardt259 . Ab 1917 übernahm er die Schriftleitung des Christlichen Apologeten in Cincinnati, <strong>der</strong> wichtigsten deutschsprachigen<br />
Zeitschrift des Methodismus.<br />
Eine originelle Gestalt innerhalb <strong>der</strong> an Originalen so reichen <strong>Familie</strong> war Paul Paul Bettex (P6, FN 514 11), ein Sohn von Jean<br />
Frédéric Bettex (P6) und Enkel des Philipp <strong>Paulus</strong> (P6, FN 516 4). Noch in Deutschland geboren studierte er an <strong>der</strong> Sorbonne<br />
in Paris und in Princeton USA Theologie. Dann wendete er sich einer Pfingstkirche zu und begann auf eigene Faust in China<br />
zu missionieren. 1916 wurde er von Räubern in China erschossen und von Bauern begraben. Ihm zu Ehren wurde eine kleine<br />
Insel in <strong>der</strong> Nähe von Hongkong Bettex-Insel benannt260 .<br />
Kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, am 10. 2. 1914 starb Döte Immanuel Philipp Gottlieb <strong>Paulus</strong> (H1, P5, FN 513<br />
3). Die Leitung des <strong>Familie</strong>ntages übernahm sein ältester Sohn Biber Biber Biber Karl Karl Adolf Adolf Imma Immanuel Imma<br />
nuel <strong>Paulus</strong> (P5, P8, FN 513 32). Er<br />
hatte Theologie studiert und war in den Jahren 1906 bis 1909 Vikar am Syrischen Waisenhaus in Jerusalem gewesen, ehe er<br />
eine Pfarrstelle in <strong>der</strong> <strong>württembergischen</strong> Landeskirche angenommen hatte.<br />
Während des 1. Weltkrieges hatte auch die <strong>Familie</strong> <strong>Paulus</strong>/<strong>Hoffmann</strong> ihren Blutzoll zu entrichten. Hart traf dieser Krieg<br />
die <strong>Familie</strong>nangehörigen außerhalb von Deutschland. In Palästina internierten die das Land besetzenden Briten Ende 1917<br />
die in den südlichen Tempelkolonien wohnenden Deutschen nach Ägypten. Ein Teil dieser Templer wurde nach dem Kriegs-<br />
255 Das Folgende nach Alex Carmel und Ejal Jakob Eisler, Der Kaiser reist ins Heilige Land, Stuttgart, Berlin, Köln 1999<br />
256 Festschrift Hun<strong>der</strong>t Jahre Tempelgesellschaft 1961 Seite 17 bis 18.<br />
257 Karl Baedeker, Das Mittelmeer. Handbuch für Reisende, Leipzig 1909 Seite 491<br />
258 Paul F. Douglass, The Story of German Methodism, Cincinnati 1939 Seite 147<br />
259 August Johann Bucher, Ein Sänger des Kreuzes Basel 1912<br />
260 E. Öhler-Heimerdinger. Paul Bettex - Lebensfahrt eines Abenteurers Christi, Metzingen 1985<br />
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