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Kurze Geschichte der württembergischen Familie Paulus/Hoffmann

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dauern könne, ehe man die Sammlung des Volkes Gottes in Jerusalem beginnen könne. Die Begeisterung über ihre hochfliegenden<br />

Pläne hatte nämlich ihren nüchternen Verstand nicht blockiert. So beschloss man, zunächst einmal einen Ka<strong>der</strong> an<br />

einem Ort in Deutschland zu konzentrieren. Dort konnte man das Zusammenleben und Zusammenarbeiten üben, bis es unter<br />

wesentlich schwierigeren Umständen im Vor<strong>der</strong>en Orient seine Probe bestehen sollte. Daher kaufte man im Januar 1856 den<br />

Kirschenhardthof bei Marbach am Neckar. Dorthin zog auch die Leitung <strong>der</strong> Jerusalemsfreunde, Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph<br />

<strong>Hoffmann</strong> (H1, P7), Georg David Hardegg, Stoffel Christoph <strong>Hoffmann</strong> (P8, FN 515), Ludwig Höhn (P6) und Apotheker Wilhelm<br />

<strong>Paulus</strong> (H1, P5, FN 513).<br />

Stoffel richtete ein Schule ein, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> theologische Nachwuchs herangezogen werden sollte. Der Apotheker hatte seinen<br />

ganzen Besitz in Korntal verkauft und das Amt des Kassierers übernommen. Hardegg passte es nicht, kein Amt zu haben. So<br />

wurde dem Apotheker auf einer Gemeindeversammlung auf Hardeggs Betreiben eine zu laxe Kassenführung vorgeworfen. Der<br />

Apotheker rechtfertigte sich, trat aber aus <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Jerusalemsfreunde aus und verließ das Gut, nachdem er seine<br />

Grundstücke verkauft hatte. Hardegg wurde zum weltlichen Vorsteher und Rechnungsprüfer <strong>der</strong> Gemeinde bestellt. Immanuel<br />

Gottlob Breisch, ehemals Kaufmann in Neuffen, übernahm die Kassenführung. 154 .<br />

Kurz nach dieser Versammlung begannen <strong>der</strong> Tempelgrün<strong>der</strong>, Hardegg und <strong>der</strong> Winzer J. Bubeck aus Obertürkheim eine<br />

Untersuchungsreise in das Heilige Land. Man wollte aus eigener Anschauung die Möglichkeit einer Ansiedlung prüfen. Man<br />

reiste mit <strong>der</strong> Eisenbahn über den Semmering nach dem damals österreichischen Triest. Von dort fuhr man mit einem<br />

Dampfschiff weiter nach Jaffa, wo man am 14. März 1858 eintraf. Mehrere Tage hielt man sich in Jerusalem auf, wo man im<br />

Brü<strong>der</strong>haus <strong>der</strong> Pilgermission übernachtete. Man fand in <strong>der</strong> Stadt eine ganze deutschsprachige Kolonie vor. Aber man<br />

konnte keinen von <strong>der</strong> Richtigkeit <strong>der</strong> Sammlung des Volkes Gottes in Jerusalem überzeugen. Dann bereiste man das Land,<br />

um über Nazareth nach Beirut zu gelangen. Bei dieser letzten Fahrt erreichte den Tempelgrün<strong>der</strong> ein schwerer Anfall <strong>der</strong><br />

Touristika, so dass er zunächst dem dortigen preußischen Konsul nicht aufsuchen konnte, <strong>der</strong> von seiner Regierung bereits<br />

entsprechend angewiesen war und sich um ihn kümmerte. Bubeck kehrte nun nach Hause zurück. Hardegg wollte noch nach<br />

Istanbul, so dass er und <strong>der</strong> Tempelgrün<strong>der</strong> mit dem Schiff nach Izmir reisten. Dort aber erwischte auch Hardegg die Touristika.<br />

Sie brachen die Reise ab und kehrten nach Deutschland zurück155 .<br />

So hatte ich also die Stätte wenigstens betreten, die ich nach <strong>der</strong> Weissagung als den zukünftigen Mittelpunkt <strong>der</strong> Völker und<br />

daher auch als meine Heimat in höchstem Sinne erkannt hatte. Nur mit Wehmut hatte ich beim Abschied von Jerusalem von <strong>der</strong><br />

Höhe des Scopus herab auf Jerusalem, und bei <strong>der</strong> Trennung von Palästina überhaupt auf dieses Land zurückblicken können,<br />

weil ich es nur als eine höchst unwahrscheinliche Hoffnung ansah, dass ich je in meinem Leben dieses mein geistiges Zukunftsland<br />

wie<strong>der</strong> sehen werde156 Im September 1858 erstatteten die drei im Kursaal in Cannstatt einen Bericht über ihre Untersuchungsreise. Man gestand<br />

ein, dass die Überführung des Volkes Gottes in das Heilige Land umfangreicher Vorbereitungen und vor allem viel Geld notwendig<br />

habe. Kurzfristig sollte ein Missionsposten in Palästina eingerichtet werden. Dazu sollten vier junge Männer in einem<br />

einjährigen Kurs auf dem Kirschenhardthof in die arabische Sprache und in Medizin eingewiesen werden. Die medizinische<br />

Vorbereitung konnte Dr. med. med. Gottlob Gottlob Sandel übernehmen, <strong>der</strong> seine Praxis in Löwenstein bei Heilbronn aufgegeben hatte<br />

und auf den Kirschenhardthof umgezogen war157 .<br />

Der Apotheker Apotheker Wilhelm Wilhelm <strong>Paulus</strong> <strong>Paulus</strong> (H1, P5, FN 513) übernahm nach seinem Austritt aus <strong>der</strong> Vereinigung <strong>der</strong> Jerusalemsfreunde<br />

am 15. 8. 1859 von seinem Bru<strong>der</strong> Philipp <strong>Paulus</strong> (P6, FN 514) das <strong>Paulus</strong>‘sche Institut auf dem Salon. Bei dieser<br />

Neubelebung zählte die Schule acht Internatsschüler158 . Als Lehrer hatte er seinen ältesten Sohn Helm Helm Gottlob Gottlob Chris Christoph Chris<br />

toph<br />

Wilhelm Wilhelm <strong>Paulus</strong> <strong>Paulus</strong> (H1, P5, FN 513 1). Dieser hatte sein Studium <strong>der</strong> Theologie an <strong>der</strong> Universität Tübingen abgeschlossen und<br />

war Vikar bei seinem Onkel Immanuel <strong>Paulus</strong> (P6 FN 516) gewesen. Philipp <strong>Paulus</strong> verkaufte aber nicht das Grundstück und<br />

die Gebäude an seinen Bru<strong>der</strong>. Noch hielte er sich die Möglichkeit zum Aufbau eines Zentrums für die Evangelische Gemeinschaft<br />

offen.<br />

In <strong>der</strong> Organisation und dem Unterricht übernahm <strong>der</strong> Apotheker die von seinen Brü<strong>der</strong>n zu Beginn <strong>der</strong> Schule eingeführte<br />

Ordnung. In politischen o<strong>der</strong> gar kirchenpolitischen Fragen hielt er sich neutral. Sein Ausflug zu den Jerusalemsfreunden<br />

hatte ihm gezeigt, wie leicht bei einem solchen Einsatz <strong>der</strong> gute Ruf einer Schule durch einen solchen Schritt geschädigt<br />

werden kann. Sein Konzept ging rasch auf. Die Schülerzahl wuchs wie<strong>der</strong> bis auf 120 Zöglinge. Als im Frühjahr 1863 sein<br />

zweiter Sohn Döte Döte Döte Immanuel Immanuel Philipp Philipp Gottlieb Gottlieb <strong>Paulus</strong> <strong>Paulus</strong> (H1, P5, FN 513 3) sein Theologiestudium an <strong>der</strong> Universität Tübingen<br />

abgeschlossen hatte, war keine Zeit dazu da, seine Berufsausbildung durch ein Vikariat abzuschließen. Zur Behebung des<br />

Lehrermangels an <strong>der</strong> Schule musste er nach Hause zurückkehren und wurde sofort in den Unterricht eingespannt. Des Apothekers<br />

dritter Sohn Sto Christoph Christoph Friedrich Friedrich Fürchtegott <strong>Paulus</strong> (H1, P4, P5, FN 513 3) kam erst einige Jahre später als Lehrer<br />

auf die Schule. Er hatte Naturwissenschaften studiert und übernahm den Unterricht in Mathematik und den Naturwissenschaften.<br />

159<br />

Daneben stellte man zusätzliche Lehrer ein, darunter auch Angehörige <strong>der</strong> weiteren <strong>Familie</strong> <strong>Paulus</strong>. Diese übten aber<br />

meistens ihren Beruf nur wenige Jahre an dieser Privatschule aus, ehe sie als Pfarrer o<strong>der</strong> Lehrer im staatlichen System ihr<br />

Geld verdienten. Unter ihnen war Jean Frédéric Frédéric Bettex (P6), ein Schwiegersohn von Philipp <strong>Paulus</strong> (P6, FN 514), <strong>der</strong> sich auch<br />

als Schriftsteller um die Jahrhun<strong>der</strong>twende zum Thema Glaube und die Naturwissenschaften einen Namen machte. Ferner<br />

gehörte dazu <strong>der</strong> Lehrer Nathanael Nathanael Adolf Adolf Adolf Schauffler (P5), <strong>der</strong> am 30. 12. 1862 die Tochter des Apothekers Maria Maria Frie<strong>der</strong>ike<br />

Frie<strong>der</strong>ike<br />

Beate Beate <strong>Paulus</strong> <strong>Paulus</strong> genannt Ma Ma (P5, FN 513 2) heiratete. Schließlich gehörte auch Gottlieb Gottlieb Wilhelm <strong>Paulus</strong> <strong>Paulus</strong> genannt genannt Gich Gich (P4, FN<br />

512 4) ein Sohn des Doktoronkels Fritz (P4) zum Lehrerkollegium. Als Vertreter des Ephorus (Schulleiters) <strong>der</strong> Klosterschule<br />

Maulbronn hatte er nach dem Ende <strong>der</strong> Salon-Schule die traurige Aufgabe, den Eltern von Hermann Hesse in Calw am 7. 3.<br />

1892 mitzuteilen, dass ihr Sohn aus <strong>der</strong> Schule geflohen sei160 .<br />

Um Jahresende 1856/57 war <strong>der</strong> <strong>der</strong> Sänger des Kreuzes Kreuzes Ernst Ernst Heinrich Gebhardt Gebhardt (P4) auf <strong>der</strong> Suche nach einer Ehefrau von<br />

154 Paul Sauer, aaO Seite 31 bis 38<br />

155 Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong>, aaO Band 2 Seite 421 bis 441<br />

156 Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong>, aaO Band 2 Seite 441 bis 442<br />

157 Tempelgrün<strong>der</strong> Christoph <strong>Hoffmann</strong>, aaO Band 2 Seite 443 bis 444<br />

158 Rudolf Friedrich <strong>Paulus</strong>, aaO Seite 136<br />

159 Rudolf Friedrich <strong>Paulus</strong>, aaO Seite 136 bis 137<br />

160 Ninon Hesse (Hrsg.), Hermann Hesse. Kindheit und Jugend, Suhrkamp Taschenbuch 1002 Frankfurt am Main 1984 Seite 181 bis 190<br />

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