„RS 1 – Colin Archer“
„RS 1 – Colin Archer“
„RS 1 – Colin Archer“
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SEGELMODELLE<br />
<strong>„RS</strong> 1 <strong>–</strong> <strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong><br />
Ein Seenot-Rettungskutter (Teil 1)<br />
Das Spitzgattheck der „<strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong><br />
lässt kaum eine Hecksee erkennen.<br />
Hermann Zimmermann<br />
Wie bin ich in den Besitz des Baukastens „<strong>Colin</strong><br />
<strong>Archer“</strong> gekommen? Die „Modell-Werft“ veranstaltete<br />
ein Quiz. Denken Sie aber nicht, ich sei so<br />
ein Glückspilz, der bei jeder Tombola oder Preisvergabe<br />
Glück hat. Genau das Gegenteil ist richtig.<br />
Hier hat ein blindes Huhn tatsächlich mal ein<br />
Korn gefunden. Freilich habe ich schon recht lange<br />
die Anzeigen der Firma Simprop oder Billing<br />
und insbesondere die Reklame für die „<strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong><br />
im Visier gehabt. Daher konnte ich die<br />
Quizfrage richtig beantworten. Es kam ein riesiges<br />
Paket mit der Post an, und sowohl die Überraschung<br />
als auch die Freude waren groß. Der Zeit-<br />
punkt konnte ebenfalls nicht besser sein, da gerade<br />
mal wieder ein Modellnachbau zu Ende ging und<br />
die Werft ohne Arbeit war.<br />
Das Vorbild<br />
Die <strong>„RS</strong> 1“ wurde für die “norsk gelskab til<br />
skipsbrudnes redning“ (Norwegische Gesellschaft<br />
zur Rettung Schiffbrüchiger) 1893 auf<br />
der <strong>Colin</strong>-Archer-Werft in Rekkevig bei Larvik,<br />
Norwegen gebaut. Sie wurde erst später<br />
nach ihrem Konstrukteur und Erbauer, <strong>Colin</strong><br />
Archer, benannt. Der Kutter wurde durch seine<br />
Spitzgattkonstruktion, das spitz zulaufende<br />
Heck, weltberühmt. <strong>„RS</strong> 1 <strong>–</strong> <strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong><br />
diente 40 Jahre als Rettungskutter, 1933 wurde<br />
es an Privatleute verkauft, die einen kleinen<br />
Hilfsmotor einbauten. 1938 fuhr es über den<br />
Atlantik, im Oktober 1954 wurde es in einem<br />
Sturm bei North Carolina schwer beschädigt<br />
und im Dezember 1960 als Wrack im Potomac<br />
River entdeckt. „<strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong> kam nach 23<br />
Jahren in den USA im Dezember 1961 nach<br />
Norwegen zurück <strong>–</strong> als Deckslast des Frachters<br />
„M/S Tasco“. Es folgten verschiedene Eigner,<br />
gute und schlechte Zeiten. Am 21.April 1972<br />
wurde der älteste norwegische Rettungskutter<br />
schließlich dem norwegischen Seefahrtsmuseum<br />
in Oslo übergeben. 1973 wurde die Verantwortung<br />
für die „<strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong> dem Segelkutterclub<br />
„<strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong> übertragen, der das Schiff<br />
32 MODELLWERFT 7/2001
Der Ballast im Abguss der Kielform<br />
vollständig restaurierte und es als schwimmendes<br />
Kulturdenkmal nach Absprache mit dem<br />
„Norsk Sofartsmuseum“ segelte. Heute ist die<br />
<strong>„RS</strong> 1 <strong>–</strong> <strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong> ein beliebter Teilnehmer<br />
an vielen Treffen von Schiffsveteranen in ganz<br />
Nordeuropa.<br />
Billing Boats gibt an, dass die „<strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong><br />
gut für den Fernsteuerbetrieb geeignet sei.<br />
Nun, unterlassen wir es, über das Wort „gut“<br />
zu philosophieren.<br />
Präambel<br />
Sie werden in der von mir formulierten Bauanleitung<br />
viele Änderungen und auch Neuanfertigungen<br />
finden. Ein Grund liegt darin, dass der<br />
Bau des letzten Baukastens, und dies noch für<br />
einen Kollegen, vier Jahre zurückliegt. Einen<br />
Bausatz der Firma Billing habe ich noch nie in<br />
die Finger bekommen, und in der Beilage zum<br />
Bausatz wird das Modell mit drei Sternchen<br />
beglückt, was heißen soll, dass es eine Knacknuss<br />
für den fortgeschrittenen Schiffsmodellbauer<br />
sei, mit vielen Stunden intensiver Beschäftigung<br />
und als spannende<br />
Herausforderung. Da ich seit 25 Jahren nur<br />
nach echten Werft- oder Bauplänen baue, pflege<br />
ich notwendigerweise eine von einem Baukasten<br />
völlig verschiedene Bauweise, mit zum Teil ganz<br />
anderen Materialien. Außerdem tut man sich<br />
schwer mit den Vorgaben in der Bauanleitung,<br />
obwohl diese im vorliegenden Bausatz keine<br />
Probleme bereiten konnte, da die beiliegende<br />
Baubeschreibung allgemeiner Natur ist, also<br />
Die Segelwinsch für Großraum und Fock<br />
MODELLWERFT 7/2001<br />
offensichtlich allen Billing-Bausätzen in gleicher<br />
Form beiliegt. Auf acht Seiten wird Ihnen<br />
ein kurzer Abriss fast der gesamten Modellbau-<br />
Praxis nahe gebracht. Die anderen Seiten tun<br />
dasselbe in verschiedenen Sprachen. Die eigentliche<br />
und spezifisch auf die „<strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong><br />
zugeschnittene Baubeschreibung nimmt 26<br />
Seiten ein. Von einer eigentlichen Baubeschreibung<br />
kann nicht die Rede sein, denn weitergehende<br />
Erläuterungen braucht der „Experte“<br />
scheinbar nicht. Mit mehr oder weniger guten<br />
Bildern (Fotokopie) wird die Arbeit am Rumpf<br />
gezeigt und in Skizzen die Herstellung der Luken<br />
sowie des Bootsständers dargestellt. Ob die<br />
Experten hier wohl Mühe haben? Gut dargestellt<br />
sind die Leinenwurfkanone und die<br />
Winsch, wobei durch ein paar Maßangaben<br />
gerade die Arbeit an letzterer wesentlich erleichtert<br />
würde. Es folgen eine mehrsprachige<br />
Übersicht der verwendeten Farben und ein Vorschlag<br />
zum Einbau einer Fernsteuerung. Die<br />
vielen Holzteile kommen in lasergeschnittenen<br />
Sperrholztafeln, und eine verkleinerte Ansicht<br />
dieser Tafeln ist abgedruckt. Sollte mal ein Teil<br />
sich frühzeitig losgelöst haben, kann man ihm<br />
die Baunummer wieder zuordnen. Dasselbe gilt<br />
für die Messingätzteile und die drei Plastik-<br />
5 kg Blei, als Ganzes in den Kiel eingelegt und festgeklebt.<br />
spritzlinge. Hier muss ich ein großes Lob aussprechen,<br />
denn der Modellbauer, welcher noch<br />
wenig Erfahrung mit der Takelage eines Seglers<br />
hat, wäre sonst hoffnungslos überfordert. In<br />
die gleiche Richtung geht auch eine Bauteile-<br />
Inhaltsübersicht mit Angabe von Baunummer,<br />
Material, Dimension und Beschreibung.<br />
Typenbeschreibung<br />
Die <strong>„RS</strong> 1 <strong>–</strong> <strong>Colin</strong> <strong>Archer“</strong> ist eine Ketsch mit<br />
Spitzgattkonstruktion. Eine Ketsch hat einen<br />
Großmast wie ein Schoner, sie unterscheidet sich<br />
von ihm durch den kleineren Besanmast, der<br />
zudem noch vor dem Steuerruder liegen muss.<br />
Die Zahl der Vorsegel ist nicht zwingend, in unserem<br />
Fall sind Stagfock und Außenklüver vorhanden.<br />
Der Hilfsmotor ist ein Flautenschieber.<br />
Baubeschreibung<br />
Den einen oder anderen Modellbauer kann ich<br />
verstehen, wenn er, von der Lust am neuen Baukasten<br />
übermannt, sich sofort ins Gewühle<br />
stürzt, was für einen einfachen Bausatz auch<br />
zutreffen kann. Hier aber sind, besonders bei<br />
der spartanischen Bauanleitung, Irrtümer,<br />
Fehlinterpretationen und Rückschläge vorprogrammiert.<br />
Am besten lässt man die Bauanlei-<br />
Am Motor rechts und links die<br />
Entstördrosseln, rot-schwarz die<br />
Wickeltrommel und hellblau das<br />
Rückmeldepotentiometer.<br />
33
SEGELMODELLE<br />
tung, den Bauplan und den Baukasteninhalt in<br />
vielen Stunden auf sich einwirken. Mit der Zeit<br />
entsteht vor Ihrem geistigen Auge das fertige<br />
Modell oder zumindest Ausschnitte davon. Bei<br />
der Planung eines Modells nach einem Original-Werftplan<br />
vergehen oft 40 bis 100 Stunden<br />
nur mit dem Planstudium. Wir sind keine gelernten<br />
Schiffbauingenieure, kommen aber dem<br />
Ziel mit jedem Nachbau näher.<br />
Nehmen wir uns zuerst die Rumpfschale aus<br />
ABS (Acryl-Butadien-Styrol) vor, welche hervorragend<br />
geformt ist und an der Oberkante<br />
beschnitten werden muss. Hier gibt es schon<br />
zwei Möglichkeiten der Bearbeitung. Entweder<br />
man beginnt mit dem Einbau des Decksgerippes,<br />
wobei die Leisten, die in die Rumpfoberkante<br />
geleimt werden, korrekt positioniert<br />
werden können, da der Rumpf an dieser Stelle<br />
überstehend ist; anschließend wird die überstehende<br />
Rumpfhaut abgeschnitten. Oder man<br />
schneidet die Rumpfoberkante mit etwas Zugabe<br />
ab, mit der Gefahr, vielleicht des Guten zuviel<br />
getan zu haben. Dann müsste schon geflickt<br />
werden.<br />
Die Decksöffnung mit U-Profil und Wasserabfluss<br />
Die Segelwinsch<br />
Die Winsch für die Ansteuerung des Außenklüvers<br />
Der ABS-Rumpf hat eine beachtliche Materialstärke<br />
und entsprechend seiner Zähigkeit etwas<br />
mehr Butadien in seiner Mischung als die bekannten<br />
ABS-Platten. Damit ist er weitgehend<br />
bruchsicher, jedoch etwas schwieriger zu bearbeiten.<br />
Eine kleine Stichsäge wird ihre Mühe<br />
haben, und das Planfeilen der Deckskante muss<br />
recht langsam geschehen, damit das ABS nicht<br />
allzu weich wird.<br />
Ehe Sie an die Konstruktion der Decksbalken<br />
gehen, müssen sie entscheiden, ob nun ein Ausstellungsobjekt<br />
oder ein Fahrmodell im Vordergrund<br />
steht. Für die Ausführung als Fahrmo-<br />
dell schlägt der Hersteller einen Ballast im Kiel<br />
von 6 kg vor, um dem Modell genügend Krängungsstabilität<br />
zu geben. Der Rumpf hat im<br />
unteren Teil eine voluminöse Kielwanne. Eine<br />
Möglichkeit wäre, beim Waffenhändler Bleischrot<br />
oder beim Autohändler Trimmblei zu<br />
holen und es mit Weißleim in diese Kielwanne<br />
zu versenken. Nehmen Sie in keinem Falle einen<br />
Leim mit einem Lösungsmittel für ABS, denn<br />
die Einwirkungsdauer wäre zu lang und der<br />
Rumpf in kurzer Zeit hoffnungslos verformt.<br />
Ich habe mich für die aufwendige Machart entschieden<br />
und die untere Rumpfschale nach dem<br />
Einfetten mit Fugenweiß ausgegossen beziehungsweise<br />
gespachtelt. Fugenweiß ist genauso<br />
günstig wie Gips, jedoch wesentlich härter,<br />
schon nach zwei bis drei Tagen ausgehärtet und<br />
kann problemlos entnommen werden. Dann habe<br />
ich eine kleine Wanne aus Sperrholzresten erstellt.<br />
Der Kielrohling wurde mit gutem Trennmittel<br />
behandelt und in der Kiste mit Fugenweiß<br />
umgossen. Nach drei Tagen habe ich den Rohling<br />
entfernt, damit die noch feuchte Form an der<br />
Luft gut aushärten konnte, was gut eine Woche<br />
brauchte. In eine nasse Form flüssiges Blei gießen<br />
wäre wohl das Schlimmste, was Sie tun<br />
könnten. Die entstehenden Dampfblasen würden<br />
das flüssige Blei durch die Luft schleudern und<br />
zu schweren Brandverletzungen führen.<br />
Ich habe 5 kg Blei abgewogen, erhitzt und in<br />
die Form gegossen. Nach fünf bis sechs Stun-<br />
den kann der Bleikiel entnommen werden; er<br />
passt wie „angegossen“ in die Kielwanne. Ehe<br />
wir den Kiel in die Wanne kleben, muss beides<br />
natürlich gründlich gereinigt oder entfettet<br />
werden. Mit Stabilit wird der Kiel endgültig an<br />
seinem Ort platziert, und tiefer kann man das<br />
Kielgewicht nicht mehr legen. Das fehlende<br />
eine Kilogramm spare ich mir bis zum Schluss<br />
auf als Trimmgewicht.<br />
Durch viele Jahre Bastelerfahrung mit unterschiedlichen<br />
Materialien habe ich mir angewöhnt,<br />
mit Reststücken unterschiedliche Klebeversuche<br />
auszuprobieren. In unserem Falle<br />
34 MODELLWERFT 7/2001
muss Sperrholz mit ABS verklebt werden, und<br />
jeder Klebstoffhersteller bietet hier Wundermittel<br />
an. Ob das auch hält, weiß man erst nach<br />
diversen Versuchen. Bei Holz untereinander ist<br />
Weißleim die sicherste Sache. Jedoch Holz und<br />
ABS, und in unserem Falle mit einem Überschuss<br />
„Butadien“, verlangen nach einem Bindemittel,<br />
das einige Zeit auf der ABS-Oberfläche<br />
einwirken kann, sie also oberflächlich<br />
anlöst. Stabilit wäre die beste Variante; sie wurde<br />
für den Kiel auch angewandt.<br />
Leider hat Stabilit eine recht kurze Topfzeit<br />
und löst nicht genügend an. Ich will Ihnen<br />
nicht alle Kombinationen auflisten, sondern<br />
den Toppkleber für diesen Anwendungsfall bekannt<br />
geben: „Cyanoacrylat“ (zum Beispiel<br />
Cyanolite) mit der Konsistenz „dickflüssig“.<br />
Die dünnflüssige Variante ist völlig fehl am<br />
Platz, denn ihre Einwirkzeit ist zu kurz, und<br />
der Klebstoff wird fast vollständig vom Holz<br />
aufgesogen. Streichen Sie das Cyanoacrylat<br />
recht dick auf die Holzleiste und drücken sie<br />
kurz am Klebeort an, damit eine Klebstoff-<br />
Übertragung stattfindet. Nach zwei bis drei<br />
Minuten wird die Leiste endgültig an ihrem<br />
Ort platziert und mit Klammern fixiert.<br />
Als nächstes habe ich mit dem Einbau des Stevenrohres<br />
und des Hilfsmotors begonnen. Das<br />
beiliegende Stevenrohr kann man schlicht vergessen,<br />
denn die Dichtigkeit des Rohres ist so<br />
schlecht, dass man Luft hindurch blasen kann.<br />
Die Welle liegt weit unter der Wasserlinie, und<br />
man hätte nach kurzer Zeit Wasser im Rumpf. In<br />
Frage kamen, wie bei allen meinen Schiffen, die<br />
absolut dichten Stevenrohre der Firma Marx.<br />
Die kürzeste Welle ist immer noch 130 mm lang,<br />
und so musste ein neues Motorenfundament hergestellt<br />
werden. Außerdem schaut die Welle mit<br />
Druckkugellager etwas weiter aus dem Rumpf<br />
als das unbrauchbare Original, so dass das Ruderblatt<br />
etwas mehr ausgenommen werden musste.<br />
Das verkleinert die Ruderfläche geringfügig.<br />
Wahrscheinlich ist das Ruderblatt eine maßstäbliche<br />
Verkleinerung und somit für den Fahrbetrieb<br />
als Modell zu klein. Leider haben wir ja<br />
kein maßstäblich verkleinertes Wasser zur Verfügung.<br />
Folglich habe ich das Ruderblatt an seiner<br />
Hinterkante um 20 mm vergrößert. Das sind<br />
Konzessionen, die man bei einem Fahrmodell<br />
vornehmen muss.<br />
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren,<br />
dass der Bausatz als Standmodell entworfen<br />
wurde, da ändert auch der Hinweis auf die gute<br />
Fernsteuer-Möglichkeit nichts. Anderseits frage<br />
ich mich, wer sich einen solchen Brocken als<br />
Ausstellungsobjekt in die Wohnung stellt?<br />
Motor und Stevenrohr sind mit einer Navy-<br />
Kardan-44-Kupplung von Graupner oder robbe<br />
verbunden. Das Stevenrohr wurde wieder<br />
mit Cyanoacrylat eingeklebt und nach dem<br />
MODELLWERFT 7/2001<br />
Die Motor-Entstöreinheit<br />
Aushärten desselben recht großzügig mit Stabilit<br />
umgeben.<br />
Auf ein leidiges Thema komme ich kurz zu<br />
sprechen, dem ich oft in den Fachzeitungen<br />
begegne: die Anfertigung der Ausrüstungsteile<br />
oder, wie es gehässig heißt, der leidigen Kleinteile.<br />
Ich entnehme den fremden Bauberichten<br />
immer wieder, wie die Fertigstellung von<br />
Rumpf, Deck und Aufbauten zügig vorgenommen<br />
wird und bei der Anfertigung der Kleinteile<br />
zum Schluss die Baulust vergeht. Ich frage<br />
mich immer, wieso zum Schluss? Das ist bei mir<br />
kein Thema, denn während der Trockenphasen<br />
von Leim, Versiegelung und Farbe fertige ich<br />
mit gleicher Freude, aber bereits in einem frühen<br />
Stadium, diese Kleinteile an. Ich habe<br />
dabei keine Eile, denn es kommen ja noch so<br />
viele Trockenphasen. Der Vorteil dieser Baumethode<br />
ist, dass das Schiff im Endstadium relativ<br />
schnell Gestalt annimmt, weil man die fertigen<br />
Teile, separat lackiert, nur noch am<br />
jeweiligen Ausrüstungsort befestigen muss.<br />
Außerdem gewinnt man so Zeit für die Lösung<br />
schwieriger Probleme. Es muss mir keiner erzählen,<br />
er hätte wegen einer diffizilen Sonderfunktion<br />
nicht schon schlaflose Nächte gehabt.<br />
Da ist es gut, die Ideen vor sich her zu schieben<br />
und gegeneinander abzuwägen. Am Schluss ist<br />
ohnehin die einfachste Konstruktion die am<br />
meisten bewährte.<br />
Derweil also die Decksbalkenlagen im Rumpf<br />
trocknen, habe ich die diversen Luken und das<br />
Kajütenoberteil zusammengesetzt. Die Teile<br />
werden mit Zapfen stabil miteinander verklebt.<br />
Selbst nach dem Verschleifen sehen diese Teile<br />
nicht schön aus, da die Stirnholzflächen zu<br />
groß sind. Es lohnt sich also, die Flächen mit<br />
Furnier zu bekleben, in meinem Falle mit Teakholzfurnier.<br />
Jetzt sieht die Sache professionell<br />
aus. Warten Sie aber mit dem Aufleimen des<br />
dünnen Sperrholzdecks so lange wie möglich.<br />
Bedenken Sie, noch können Sie überall hin,<br />
später nur noch durch die Decksöffnung. Sie ist<br />
sehr großzügig bemessen, jedoch von der Dichtigkeit<br />
her geradezu ein Witz. Wie stoßen<br />
immer wieder auf das gleiche Problem, dass die<br />
Grundkonzeption des Baukastens ein Standmodell<br />
ergeben sollte.<br />
Für eine dichte Decksöffnung verwende ich eine<br />
Konstruktion, die ich bei allen meinen Schiffen<br />
verwende und die auch die schwersten Brecher<br />
durchsteht. Die Decksöffnung ist umrandet von<br />
einem U-Profil, das bei Aufbauten direkt auf<br />
das Deck geklebt wird. In unserem Falle jedoch<br />
ist die Decksöffnung auf Deckebene. Somit<br />
muss die ganze Konstruktion tiefer gelegt werden.<br />
Das U-Profil wird auf eine Aluminium-<br />
Platte geklebt, welche etwas größer als die<br />
Decksöffnung ist. Dann wird das Innere um das<br />
U-Profil herausgesägt. Mit Winkel-Profil wird<br />
das U-Profil umschlossen, zu oberst wird die<br />
Deckelplatte aufgeleimt. Denken Sie daran,<br />
dass eine eventuell vorhandene Eloxalschicht<br />
vorher abgeschliffen werden muss, nur so hält<br />
Araldit normal, nicht Rapid, auf Aluminium.<br />
Die ganze Konstruktion wird von unten her an<br />
die Decksbalken geleimt.<br />
Nun muss nur noch seitlich mit Sperrholzstreifen<br />
abgedichtet werden, und die Wasserabflussröhrchen<br />
sind einzuleimen. Für die Dichtigkeitsfanatiker<br />
lässt sich das System noch weiter<br />
verbessern, indem man in das U-Profil zwei<br />
Schaumgummi-Schnüre einleimt. Aus Versuchen<br />
weiß ich, dass zwei Schnüre besser sind<br />
und auch eine längere Lebensdauer haben.<br />
Parallel zu den Bautätigkeiten lief die Planung<br />
der Fernsteuerung. Meine Fernsteuerung ist ein<br />
Futaba F 14, aber jede ähnliche Steuerung ist<br />
geeignet. Von Vorteil ist, wenn zwei Schieberegler<br />
vorhanden sind, somit lassen sich mit dem<br />
einen Kanal Großsegel und Fock und mit dem<br />
anderen Kanal der Außenklüver betätigen.<br />
Rechts auf dem Kreuzknüppel ist das Ruder<br />
und auf dem linken Kreuzknüppel der Hilfsmotor.<br />
Wir brauchen also drei Winschen. Sie<br />
haben richtig gehört. Das Ruder wird bei mir<br />
ebenfalls mit einer Winsch betätigt. Der Vorschlag<br />
in der Bauanleitung, über seitliche<br />
Langlöcher im Rumpf die Ruderstange auf die<br />
Ruderhörner am Ruderblatt zu lenken, habe ich<br />
augenblicklich verworfen. In einem Seglerrumpf<br />
haben seitliche Löcher nichts zu suchen.<br />
Man ist doch froh, wenn das Schiff endlich<br />
dicht ist. Soll dieser Segler nur in der Badewanne<br />
oder im Gartenteich fahren und nie auf<br />
große Fahrt gehen? Daraus ergibt sich die Not-<br />
35
SEGELMODELLE<br />
Die Segelwinsch eingebaut; darunter eine Aluplatte mit Haupt- und Lichtschalter; links davon<br />
die Segelwinsch für den Außenklüver; unten im Schiff die viereckige Masthalterung, die auf<br />
den Bleikiel aufgesetzt ist.<br />
wendigkeit, mit Seilzügen und Blöcken das<br />
Ruder zu legen <strong>–</strong> über Deck.<br />
Einer Segelwinsch der Firma Hitec, Baumuster<br />
HS 725 BB, wurde das Original-Pulley entfernt,<br />
dann wurde eine neue Seilscheibe hergestellt.<br />
Der gesamte Steuerweg der Ruderpinne<br />
beträgt 120 mm. Da ich über einen Block fahre,<br />
ergibt sich eine Seillänge von 240 mm. Seillänge<br />
geteilt durch π (= 3,14) und geteilt<br />
durch die Umdrehung der Winsch von vier Umdrehungen<br />
ergibt einen Durchmesser der Seilscheibe<br />
von 19 mm. Über dünne Messingröhrchen<br />
wird das Seil über das Deck geleitet.<br />
Die Segelwinsch für Großbaum und Fock ist<br />
eine Eigenkonstruktion, welche sich in ähnlicher<br />
Form schon bei meinem Marblehead-<br />
Segler seit Jahren bewährt hat. Auf einer Gardinenstange<br />
von 580 mm Länge befindet sich<br />
links ein stabiler U-Winkel, ebenfalls aus Alu,<br />
welcher auf der einen Seite Motor und Getriebe<br />
und in der gleichen Flucht auf der anderen<br />
Seite ein Potentiometer mit zehn Gängen und<br />
einem Wert von 5 kΩ für die proportionale<br />
Rückmeldung trägt. Zwischen beiden, also<br />
zwischen den Schenkeln des U-Profils, befindet<br />
sich die Seilscheibe von 18 mm Durchmesser.<br />
Das ergibt bei 5,5 Umdrehungen der Seilscheibe<br />
einen Seilweg von 310 mm. Damit<br />
wird der Großbaum direkt angesprochen, die<br />
Fock über einen Block; es hat dann nur noch<br />
den halben Weg. Der Motor nimmt maximal<br />
1 A auf, so wurde als Servoverstärker der Bausatz<br />
mit der Bestellnummer 245232 (Minifahrtregler)<br />
der Firma Conrad, Hirschau verwendet.<br />
Die Endtransistoren erhielten einen<br />
großzügigen Kühlkörper für den Betrieb im<br />
Sommer, und das Ganze kam in ein belüftetes<br />
Gehäuse. Das Potentiometer P 1 = 5 kΩ für<br />
den Nullabgleich entfällt, statt dessen gehen<br />
die Anschlüsse an das Potentiometer 5 kΩ der<br />
Segelwinsch. Die zentrale Stromversorgung<br />
hat eine Spannung von 12 V, so dass der<br />
Fahrtregler und der Hilfsmotor mit dieser<br />
versorgt werden.<br />
Betreiben Sie die Winsch erst einmal außerhalb<br />
des Seglers und ziehen Sie noch kein Seil ein,<br />
denn es könnte ja sein, dass die Winsch endlos<br />
nach einer Seite läuft, dann sind die Motorenanschlüsse<br />
zu tauschen. Ich sage ausdrücklich:<br />
die Motorenanschlüsse tauschen, bloß nicht<br />
nicht die Anschlüsse am Akku. Wenn das alles<br />
überstanden ist, können Sie das Seil einziehen<br />
und eine Büroklammer aufsetzen. Beim Hinund<br />
Herfahren des Seiles erhalten Sie so die<br />
Endmarkierungen und können eine Unterlegscheibe<br />
einknüpfen.<br />
Den Vorschlag der Firma Billing, die Seile der<br />
Winsche frei zu führen, muss ich ernsthaft ablehnen.<br />
Das haben schon viele so gemacht und<br />
sich, nachdem das Deck drauf war, entweder zu<br />
Tode geärgert oder sich von einem begnadeten<br />
Chirurgen Hebammenhände annähen lassen.<br />
Die zweite Winsch für die Ansteuerung des<br />
Außenklüvers (des vordersten Segels) ist etwas<br />
schwieriger, da hier kein konstanter Zug auf<br />
den Leinen liegt. Bei mir befindet sich vor dem<br />
Großmast die zweite Hitec-Winsch HS-725 BB,<br />
welche ebenfalls eine neue Seilscheibe erhalten<br />
hat, mit einem Durchmesser von 29 mm und<br />
einer daraus resultierenden Seillänge von<br />
455 mm. Von der Winsch werden die Leinen<br />
links und rechts an der inneren Bordwand<br />
Die beiden 6-V-Akku-Packs; darunter der<br />
Fahrtregler und weiter der Maxon-Antriebsmotor;<br />
links unten die Ruderwinsch.<br />
entlang über Seilrollen geführt. Die Rolle vor<br />
dem Motor ist federgespannt, um für genügend<br />
Seilspannung zu sorgen. Die Umlenkrollen<br />
seitlich vom Großmast müssen eine sehr tiefe<br />
Rille erhalten, damit die Leinen der Segel das<br />
Seil nicht aus der Rolle ziehen können. Die Zuführung<br />
über Deck geschieht wieder über dünne<br />
Messingröhrchen, und das Seil ist ebenfalls<br />
wieder über Blöcke geführt, so dass der effektive<br />
Seilweg 227,5 mm beträgt.<br />
Jetzt weiß man, wo noch Platz ist für die übrigen<br />
Bauteile der Steuerung. Vor dem Motor hat<br />
der Fahrtregler „Model Craft Speed Controller<br />
SP 6/10A“ der Firma Conrad Platz. Er wird<br />
zwar nicht für 12 V angegeben, doch kann ich<br />
nach der Kontrolle der Bauteile und dem Ausmessen<br />
der aufgenommenen Ströme bei 6 V wie<br />
bei 12 V versichern, dass er diese Mehrspannung<br />
klaglos aushält, zumal etliche dieser Regler<br />
an 12 V bei mir seit Jahren in Betrieb sind.<br />
Etwas seitlich vom Motor befindet sich die Motor-Entstöreinheit,<br />
welche ich aus Bauteilen<br />
der Firma Conrad selbst anfertige; sie können<br />
mit sehr guten Entstörwerten aufwarten. Es<br />
handelt sich bei der Spule um eine stromkompensierte<br />
Ringkernausführung. Je nach Stromverbrauch<br />
sollte man die entsprechende Drossel<br />
verwenden. In dieser Drossel werden die Störanteile<br />
im Motorenstrom gegenseitig aufgehoben.<br />
Die beste Wirkung ergibt sich, wenn die<br />
Zuleitung zwischen Motor und Entstörkombination<br />
möglichst kurz geführt wird. Diese Entstöreinheit<br />
darf bis zu einer maximalen Betriebsspannung<br />
von 12 V verwendet werden,<br />
sonst ist ein anderer Varistor notwendig.<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
36 MODELLWERFT 7/2001