01.12.2012 Aufrufe

Bibliographie 2011 (2,6 MB) - VG Wort

Bibliographie 2011 (2,6 MB) - VG Wort

Bibliographie 2011 (2,6 MB) - VG Wort

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Buch und Wissenschaft XI<br />

reichtum, kritisierte, daß der rote Faden gelegentlich verlorengehe, daß<br />

grundsätzlich mehr Fragen gestellt als gelöst seien, daß die Darstellung<br />

unbestimmt bleibe und sich Unausgewogenheit breitmache – und dann<br />

sprach er, dennoch, von einer bewundernswerten Leistung und einem<br />

neuen Niveau. Das verstehe, wer will. Wie wohltuend, wenn ein Betreuer<br />

erklärt: »Etwas Bescheidenheit hätte der Arbeit gut getan.« Aber viele<br />

Voten deuten eher auf wissenschaftliches Spaltungsirresein. Bei alledem<br />

tröstlich: die Paradoxie solcher Urteile ist fach– und länderübergreifend,<br />

und manchmal hilft in der Regel nur ein weiteres Gutachten, das ausfallen<br />

mag, wie es will – nur eindeutig muß es sein. Und es muß sein, um<br />

was auch der Ausschuß sich bemüht: gründlich. Es genügt uns nicht,<br />

wenn ein Gutachter die Drucklegung einer Arbeit einfach nur befürwortet<br />

– mag er auch weltberühmt sein. Aber Eindeutigkeit ist auch nicht<br />

alles. Wir kennen und fürchten die Schönredner unter den Gutachtern,<br />

die alles ganz wunderbar finden – und manchmal lugt nur allzusehr das<br />

grüne Gras durch die summaNote hindurch. Da sind uns die handfesten<br />

Kritiker schon lieber. Unvergeßlich ein Votum, das mit dem Satz begann:<br />

»Dieses Buch ist eine einzige Zumutung« – und dann auf vielen Seiten<br />

darlegte, warum es dennoch gefördert werden müsse. Es wurde gedruckt<br />

– mit Unterstützung der <strong>VG</strong> WORT. Da hatte, um Schillers berühmte<br />

Unterscheidung zu verwenden, kein Brotgelehrter geschrieben und geurteilt,<br />

sondern ein philosophischer Kopf.<br />

Aber der Ausschuß fürchtet zuweilen auch die eine oder andere Spezies<br />

der Skribenten. Das sind nicht so sehr die summa cum laude-Dissertationen<br />

selbstbewußter Anfänger, von denen wir freilich manchmal nur<br />

zu gut wissen, daß nicht jeder ein os magna sonaturum ist; gefürchtet<br />

sind die Erbsenzähler, vor allen Dingen jene aus den Philosophischen<br />

Fakultäten, von denen schon Hofmannsthal vor etwa einem Jahrhundert<br />

sagte: »Denn etwas Dämonisch-Hartnäckiges hat der Fleiß eines<br />

deutschen Philologen.« Gefürchtet sind auch jene Leute, die auf vielen<br />

hundert Seiten über Präliminarien nicht hinauskommen und die das Problem,<br />

mit dem sie zu tun haben, einfach wegreden. Man denkt dann oft<br />

an die Inschrift einer Jahrmarktsbude, die Swift irgendwo sah: »Hier ist<br />

zu sehen der größte Elefant der Welt, mit Ausnahme seiner selbst.« An<br />

Geisteswissenschaftler dachte wohl auch Robert Musil, der einmal gesagt<br />

hat: »Das Erfolgreiche hat immer eine Genauigkeit im Ungefähren,<br />

während das Genaue nie erfolgreich ist.« An einem solchen Satz kann<br />

man freilich ebenfalls studieren, wie weit sich die Geisteswissenschaften<br />

von den Naturwissenschaften entfernt haben: denn für diese müßte man

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!